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200 Jahre Wasserstandsbeobachtung am Rhein

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Peter Haas<br />

<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Wasserstandsbeobachtung</strong><br />

<strong>am</strong> <strong>Rhein</strong><br />

von M a r t i n E c k o l d t<br />

Täglich werden im Rundfunk die Wasserstände an einer langen Reihe von Pegeln<br />

<strong>am</strong> <strong>Rhein</strong> und seinen Nebenflüssen gemeldet. Bei Hochwasser achten die Bewohner<br />

tief gelegener Häuser sorgenvoll darauf, ob die Stände an den oberhalb gelegenen<br />

Pegeln noch steigen oder wieder fallen. In der übrigen Zeit sind die Wasserstände<br />

vor allem für die Schiffer wichtig, die daraus ersehen, wie viel sie laden können.<br />

Es ist nunmehr rund <strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> her, dass Pegel <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong> bestehen und an ihnen die<br />

Wasserstände abgelesen und in irgend einer Form den Interessenten mitgeteilt werden.<br />

Dies mag Anlass genug sein, sich mit der Geschichte der <strong>Wasserstandsbeobachtung</strong><br />

<strong>am</strong> <strong>Rhein</strong> etwas eingehender zu befassen.<br />

I. Von den Anfängen bis 1815<br />

Die älteste Nachricht über Pegel <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong> und ihre Ablesung finden wir in dem ersten<br />

deutschen Wasserbaulehrbuch, der "Hydrotechnik" des Joh. Esajas Silberschlag<br />

Er schreibt auf S. 352 seines 1772/73 erschienenen Buches:<br />

,,§ 780. Was diese kluge Einrichtung (der Pegel) der Schiffahrt für Vortheile<br />

gewähre, wird ein jeder, der die Sache nur einigermaßen überdenket, bald<br />

einsehen. Was hält den Warentransport mehr auf, als wenn der Schiffer nicht<br />

vorher wissen kann, ob er mit seiner Ladung fortkommen werde, oder nicht.<br />

Der Nijmegische, Reesische und Cöllnische sind <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong>e Hauptpegel, auf<br />

welchen sich alle übrige beziehen. Der Schiffer, welcher zu Kölln seine Ladung<br />

einnimmt, kann daselbst auf der Stelle wissen, wie stark sein Schiff befrachtet<br />

werden könne, um Nijmegen oder Amsterd<strong>am</strong> oder Rotterd<strong>am</strong> zu jeder <strong>Jahre</strong>szeit<br />

zu erreichen."<br />

Außer den genannten Pegeln von Köln, Rees und Nimwegen gab es d<strong>am</strong>als <strong>am</strong><br />

Niederrhein noch u. a. die in Düsseldorf (seit 1766) und Emmerich. Täglich aufgeschrieben<br />

wurden die Wasserstände in Emmerich mindestens seit 1770, in Köln seit<br />

1782; dann Berghaus gibt in seiner "Allgemeinen Länder- und Völkerkunde" für die<br />

Zeit von diesen <strong>Jahre</strong>n an bis zur Abfassung seines Buchs (1836) die Mittel-, Höchstund<br />

Niedrigststände an diesen Pegeln an, und zwar für die einzelnen Monate, Sommerhalbjahre<br />

(Mai - Oktober, als hauptsächliche Schiffahrtszeit) und ganze <strong>Jahre</strong>.<br />

Bei Köln fehlen nur einige Monate 1794 und 1795 und die ganzen <strong>Jahre</strong> 1811 und<br />

1812.<br />

Besonders gut unterrichtet sind wir über den Pegel Koblenz. Das seit Anfang 1785<br />

dort erscheinende "Intelligenzblatt" brachte in seiner Nr. 4 vom 11. April 1785 einen<br />

Artikel, überschrieben "Nützliche Anstalt", der so lautet:<br />

Auf höchsten Befehl Seiner Churfürstlichen Durchlaucht ist zwischem dem hiesigen<br />

<strong>Rhein</strong>krahnen, und der dicht darunter befindlichen Eißbreche ein sogenannter<br />

Hydrometer oder Wassermesser aufgestellt worden.<br />

Die Einrichtung desselben haben wir dem geschickten Churfürstl. Brunnenmeister<br />

im Thale Ehrenbreitstein Hrn. Kirn 3) zu danken. Seine Höhe von einem<br />

Grunde des Wassers angerechnet beträgt 30. Schuhe, die mit großen Zahlen<br />

1


von verzinntem Messing bezeichnet, und hinwieder in ihre mit Linien unterschiedene<br />

Zolle eingetheilet sind.<br />

Zur Grundlinie hat man, wie zu Mannheim, Maynz und Kölln diejenige Wasserhöhe<br />

angenommen, welche mit den niedrigsten Ufern des <strong>Rhein</strong>s Horizontal<br />

oder in der Wasserebene steht. Diese Höhe nennt man das Mittelwasser, welches<br />

auf dem Hydrometer in der Mitte mit einem 0 und neben demselben mit<br />

den zween Buchstaben M:H: (Mittel Höhe) angedeutet ist. Von diesem Zeichen<br />

an, aufwärts gerechnet, zählt man auf dem Wassermesser bis oben an den<br />

Kopf 19. Schuhe, welches die vorigjährige größte Höhe des <strong>Rhein</strong>es war, die<br />

folglich 19. Schuhe über der Mittelhöhe beträgt. Abwärts hingegen enthält der<br />

Messer bis auf den Boden 11. Schuhe; welches das Maß des kleinsten Wassers<br />

ist, das wir in diesem Jahrhundert gehabt haben.<br />

Der Gebrauch dieses Hydrometers ist für jeden ganz leicht, dem daran gelegen<br />

ist, das Steigen oder Fallen des <strong>Rhein</strong>es zu beobachten. Er kann augenblicklich<br />

darauf bemerken, dass das Wasser anwachse, je wenigere Schuhe und Zolle<br />

unter dem Zeichen der Mittlern Höhe angegeben werden, dass es im Gegentheile<br />

falle, je mehrere Schuhe und Zolle unter demselben sichtbar sind.<br />

Unterdessen aber bleibt die bloße Nachricht vom Steigen oder Fallen des <strong>Rhein</strong>es<br />

für viele wenig interessant, und ohne besonderen Nutzen, wenn nicht<br />

zugleich eine Anzeige d<strong>am</strong>it verbunden ist, wie viele Schuhe und Zolle der<br />

Schiffmann bei dem jedesmaligen Stande des Wassers unter der MitteIhöhe den<br />

<strong>Rhein</strong> hinauf und hinunter laden könne.<br />

Deswegen wurde auch hierüber eine genaue Berechnung gemacht, die von<br />

Koblenz hinauf bis nach Caub, hinunter aber bis nach Kölln ihre Anwenwendung<br />

hat.<br />

Hierdurch kann man alle Tage erfahren um wie vieles der <strong>Rhein</strong> gewachsen,<br />

oder gefallen seie, wie viele Schuhe und Zoll Ladung der Schiffmann bei jeder<br />

Höhe des Wassers zu Berge, und zu Thale einnehmen könne, erhalten diejenigen,<br />

welche zu Wasser reisen, oder Güter verführen laßen, die Gelegenheit, einen<br />

ungefehren Ueberschlag zu machen, ob oder wo sie allenfalls verwässern<br />

könnten. Kann jeder, wenn das Wasser über der Mittelhöhe steht, durch eine<br />

genaue Beobachtung des Steigens oder Fallens, ungefehr die Rechnung machen,<br />

zu welcher Zeit er fortzureisen im Stande seyn werde, und dergleichen<br />

mehr.<br />

Man glaubt, dem Publikum, insbesondere aber den ein- und ausländischen<br />

Handelsleuten einen wichtigen Dienst zu leisten, wenn man die täglichen Bemerkungen<br />

über die Höhe des <strong>Rhein</strong>es, und die Verhältnisse der möglichst starken<br />

Schiffladung jedesmal in gegenwärtige Intelligenzblätter mit möglichster Genauigkeit<br />

einrücket. Hierzu hat man keinen schicklichern Platz gefunden, als die<br />

oben angedruckte kleinere Tabelle, aus welcher man die zwo Colonnen, die zur<br />

Anzeigung des Anbruches und Abschiedes der Tage bestimmet waren, ausgehoben,<br />

und an statt derselben andere zweckmäsig eingerücket hat. Zu ihrer<br />

besseren Erläuterung wird das bisanher gesagte hinreichend seyn:<br />

In Nr. 11 des Blattes vom 6. Mai 1785 erschien noch folgende Anzeige"<br />

"Man hat in dem 4ten Stücke dieser Blätter eine Beschreibung des <strong>am</strong> hiesigen<br />

<strong>Rhein</strong>krahnen aufgerichteten Wassermessers gegeben, und bis hierhin fortgefahren,<br />

dem Publikum die täglichen Beobachtungen des Steigens und Fallens<br />

des <strong>Rhein</strong>flusses, auch, wie viele Schuhe und Zolle die Schiffleute bey jeder<br />

Höhe des Wassers sowohl zu Berge, als zu Thale laden können, in der oben<br />

angebrachten Tabelle mit zu theilen. Unterdessen aber waren nur diejenigen im<br />

2


Stande, sich einen vollständigen Begriff von der Sache zu machen, welche Gelegenheit<br />

gehabt haben, den Wassermesser selbst auf dem Platze zu sehen,<br />

und die angeführte Beschreibung d<strong>am</strong>it zu vergleichen. Man hat es deswegen<br />

nötig befunden, auch zum anschaulichen Begriffe derjenigen, die die Einrichtung<br />

unseres <strong>Rhein</strong>messers nicht gesehen haben, davon eine Zeichnung verfertigen<br />

und solche inskünftige unten an der Tabelle zur deutlichen Erklärung derselben<br />

mit abdrucken zu laßen. Es dient dabey noch besonders zur Nachricht, daß<br />

nach der bey jüngerer <strong>Rhein</strong>höhe gemachten Beobachtung das Wasser zu Berge<br />

gar nicht mehr fahrbar seye, wenn dasselbe die Mittelhöhe, welche auf dem<br />

<strong>Rhein</strong>messer mit M. H. angedeutet ist, erreichet hat."<br />

Abb.1. Kopf des AlIg. Churtrierischen Intelligenzblattes mit Wasserstandsangabe und Pegelschema<br />

(Stadtbibliothek und Stadtarchiv Trier)<br />

Ein solcher Zeitungskopf mit der Tabelle und dem Pegelschema ist in Abb. 1 wiedergegeben.<br />

Wie man sieht, ist dort die Angabe der Tauchtiefe weggelassen. Sie ist ü-<br />

berhaupt nur in den ersten 7 Tagen erschienen; dafür wurde dann angegeben:<br />

"Fahrbar", "Nur zu Tal fahrbar" oder ähnlich. In dieser Form wurden die Wasserstände<br />

veröffentlicht, so lange das Intelligenzblatt erschien: bis zum 31. Dezember 1793.<br />

Der Pegel selbst muß in der folgenden Kriegszeit verschwunden sein. Die Erinnerung<br />

an ihn blieb aber erhalten. 1817 ließ die preußische Regierung den Wasserstandslisten<br />

nachforschen, jedoch ohne Erfolg. Darauf daß sie im Intelligenzblatt abgedruckt<br />

worden sind, k<strong>am</strong> man offenbar nicht.<br />

Der Pegelnullpunkt ist hier nach dem Vorbild bestehender Pegel in Höhe des (nur<br />

ungefähren) "Mittelwassers" gewählt worden, so dass mehr negative als positive Ablesungen<br />

vork<strong>am</strong>en. Anderswo hat man verschiedentlich die Pegelnullhöhe so zu legen<br />

versucht, dass die Ablesung sofort die für Schiffer maßgebende Mindesttiefe anzeigt.<br />

So richtete sich der Pegel zu Köln, der 1810 anstelle des durch den schweren<br />

Eisgang 1784 zerstörten angebracht wurde, nach der seichten Stelle <strong>am</strong> Casselberg,<br />

7,5 km unterhalb Köln, und der zu Bingen nach der Sohlenhöhe des Binger Lochs.<br />

Bald zeigte sich jedoch, dass diese Gleichsetzung von Wasserstand <strong>am</strong> Pegel und<br />

Tauchtiefe nach kurzer Zeit nicht mehr stimmte: nicht nur veränderte sich das Gefälle<br />

zwischen beiden Punkten mit der Wasserführung, sondern auch die Sohlenhöhe an<br />

der kritischen Stelle änderte sich von selbst oder durch Baggerungen. Ein ständiges<br />

3


Nachstellen des Pegels verbot sich, weil dann jegliche Übersicht verloren gegangen<br />

wäre.<br />

An anderen Stellen wurde Pegelnull in Höhe des Niedrigwasserstands gelegt, so in<br />

Düsseldorf 1766, bei der hessischen Pegeln 1797, den bayerischen 1819.<br />

Am 0 b e r r h e i n ist der älteste Pegel der zu Mannheim, der 1777 errichtet worden<br />

war. Er scheint dann untergegangen zu sein; denn der Pegel, an dem die seit dem 1.<br />

1. 1801 vorhandenen Aufzeichnungen abgelesen wurden, wurde wahrscheinlich<br />

1800 angebracht. Bei ihm lag Null in Mittelwasserhöhe.<br />

Am 25. März 1797 wurde der Pegel in Erfelden, westlich von Darmstadt, angebracht;<br />

er bestand aus 4 Teilen (Staffeln). Der Nullpunkt lag in Höhe des <strong>am</strong> diesem Tage<br />

eingetretenen niedrigsten Wasserstands, der - nach Beobachtungen an dem benachbarten<br />

Schifferpegel Gernsheim - niedriger war als der seither bekannte vom<br />

<strong>Jahre</strong> 1766. Offenbar war das extreme Niedrigwasser der Anlass, den Pegel Erfelden<br />

zu setzen, und man hat mit dem Anbringen so lange gewartet, bis der Wasserstand<br />

nicht mehr fiel.<br />

Von den Pegeln Gernsheim und Straßburg, deren Entstehungszeit nicht bekannt ist,<br />

liegen lückenlose Aufzeichnungen seit 1804 bzw. 1806 vor. Auch hier lag Null in Höhe<br />

des niedrigsten bekannten Wasserstands.<br />

II. Systematische <strong>Wasserstandsbeobachtung</strong> nach einheitlichen Regeln etwa<br />

vom <strong>Jahre</strong> 1815 an<br />

Die bisher mehr vereinzelt nach lokalen Bedürfnissen und ohne Blick auf das Stromganze<br />

vorgenommenen Wasserstandbeobachtungen wurden nach dem Ende der<br />

Napoleonischen Kriege durch eine einheitliche Regelung über lange Stromstrecken<br />

hinweg abgelöst; das Bedürfnis danach lag vor, und die Möglichkeit, solche Pläne zu<br />

verwirklichen, war jetzt gegeben: Die vielen Kleinstaaten <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong> waren in größeren<br />

aufgegangen, und es herrschte wieder Frieden. Der Mittel- und Niederrhein war<br />

preußisch geworden und gehörte d<strong>am</strong>it einem Staate an, in dem der Wasserbau eine<br />

alte Tradition hat.<br />

Schon <strong>am</strong> 4. Juni 1816 wandte sich die neu gebildete Regierung zu Koblenz an die<br />

Regierungen zu Düsseldorf, Cleve und Köln mit der Bitte, die "Pegel-Annotationen"<br />

der Pegel Köln, Düsseldorf, Wesel, Rees und Emmerich vom 1. Januar an "gefälligst<br />

mitzuteilen"; die Regierung zu Düsseldorf wird außerdem um Angabe gebeten, ..wie<br />

sich der dortige Pegel mit den Pegeln zu Ruhrort, Wesel, Rees und Emmerich vergleicht.".<br />

Auch um die zurückliegenden "Annotationen" wird gebeten.<br />

Die preußischen Be<strong>am</strong>ten sahen es also als ihre Aufgabe an, sich alsbald über das<br />

Verhalten des großen berühmten Stromes, an den sie versetzt worden waren und<br />

der ihrer Obhut anvertraut war, ins Bild zu setzen. Doch wussten sie nicht, dass bereits<br />

von Berlin aus eine neue Regelung in Gang gesetzt war. Dies geschah mit dem<br />

Erlass des Ministeriums der Finanzen und des Handels in Berlin vom 28. Mai 1816<br />

an die Regierungen im <strong>Rhein</strong>land, "die in Ansehung der Pegel einzusendenden<br />

Nachrichten betreffend". Mit ihnen wurde die im alten Staatsgebiet schon unterm 13.<br />

2. 1810 eingeführte "Pegel-Instruction", die in Abschrift beilag, auch für die neuen<br />

Gebiete verbindlich gemacht. Sie brachte in das Pegelwesen die so dringend nötige<br />

einheitliche Linie und eine durchdachte, auf Erfahrung sich stützende Regelung aller<br />

Einzelheiten. Insbesondere wird die Vorstellung aufgegeben, man könne <strong>am</strong> Pegel<br />

sofort die Tauchtiefe der Schiffe ablesen. Der Pegel-Nullpunkt sollte vielmehr "etwa 2<br />

Fuß unter dem allerniedrigsten Wasserstand angenommen" werden (§ 1). Weiter<br />

heißt es dort: "Hierbei kommt es durchaus nicht darauf an, dass dieser Pegel mit an-<br />

4


deren harmoniere, weil dieser Umstand doch nie zu erreichen ist, vielmehr ist nur<br />

darauf zu halten, dass der Wasserstand nie unter den Nullpunkt falle."<br />

Weiter schreibt § 1 vor, dass die Höhe des Pegel-Nullpunkts in Bezug auf einen unverrückbar<br />

festen Punkt in der Nähe einzumessen sei, d<strong>am</strong>it bei einer Beschädigung<br />

des Pegels die viel jährigen Beobachtungen nicht ihren Wert verlieren. In § 4 wird<br />

festgesetzt, dass die Pegel täglich zu bestimmter Stunde abzulesen seien und der<br />

Wasserstand in eine Tabelle nach vorgeschriebenem Muster einzutragen sei. Sie<br />

enthält außerdem Spalten für die Windrichtung, Regen oder Schnee sowie Eisgang<br />

oder Eisstand. Abschriften der Tabelle sind der Regierung und der Oberbaudeputation<br />

in Berlin einzusenden.<br />

Wie das Pegelwesen <strong>am</strong> preußischen <strong>Rhein</strong> auf Grund dieses Erlasses und der Pegel-Instruction<br />

neu geordnet wurde, soll hier für den Regierungsbezirk Koblenz verfolgt<br />

werden, dessen Akten sich im Staatsarchiv Koblenz befinden. Am 13. 8. 1816<br />

werden die zuständigen Ingenieure angewiesen, für die zu setzenden Pegel Kostenanschläge<br />

aufzustellen; als Orte werden vorgesehen: St. Goar, Koblenz und Andernach<br />

(die gleichzeitige Regelung für die Mosel soll hier unberücksichtigt bleiben).<br />

1817 fügt man noch Bacharach, Boppard und Linz hinzu. Am 1. September 1817<br />

wird Bauinspektor Elsner beauftragt, an diesen 5 Plätzen beschleunigt Interimspegel<br />

zu setzen und Kostenanschläge für die definitiven Pegel zu fertigen, worin auch zu<br />

erwägen sei, "ob solche nicht von Gußeisen dürften anzufertigen sein, weil hölzerne<br />

dem Verderben sehr ausgesetzt sind." Der Interimspegel Koblenz ist schon im Mai<br />

1817 angebracht worden, und die übrigen folgten nach, aber außer in Koblenz machte<br />

das Ablesen Schwierigkeiten: Am 4. 8. 1818 berichtet Elsner, dass die Ableser, es<br />

sind Schiffer, wegen Abwesenheit häufig ihre Pflicht versäumen. Die Regierung hat<br />

darauf den zuständigen Landrat angewiesen, "zu versuchen, ob nicht eines der Magistratsmitglieder<br />

diese, für jeden Ort selbst, so wie für das Commercium... so nützliche<br />

Beobachtungen zu machen übernehmen wird." Für Andernach ist die <strong>Rhein</strong>schiffahrts-Commission<br />

in Mainz gebeten worden,<br />

die Beobachtungen dem dortigen<br />

<strong>Rhein</strong>zoll<strong>am</strong>t zu übertragen. Am 13. 12.<br />

1818 schlägt Elsner vor, einen definitiven<br />

Pegel nur in Koblenz zu setzen, und im übrigen<br />

die "ziemlich soliden" Interimspegel zu<br />

belassen. Am 30. 12. 1818 erhält Elsner den<br />

Abb.2. Pegellatte van 1819 <strong>am</strong> ehemaligen Kranhaus<br />

in Koblenz, oberster Pegelabschnitt für Hochwasser.<br />

Daneben Hochwassermarke von 1651. Aufnahme<br />

1970.<br />

Auftrag, den Pegel Koblenz in der von ihm<br />

vorgeschlagenen Form auszuführen: unten<br />

als "eiserne gegossene Stange" an einem<br />

Pfahl; anschließend sollen Marken in die<br />

Mauer der "Kranwerft" eingehauen werden,<br />

wie sie jetzt noch zu sehen sind. Ober Geländehöhe<br />

soll wieder eine eiserne Pegellatte<br />

<strong>am</strong> Kranhaus angebracht werden (siehe<br />

Abb. 2).<br />

Die Niederschrift über das Anbringen des<br />

Pegels datiert vom 8. Januar 1819. Bei der<br />

Wahl der Nullpunktshöhe richtete sich Elsner nach dem schon <strong>am</strong> 29. Dezember<br />

1816 neu angebrachten "Hauptpegel" zu Köln; dieser hatte nämlich bereits der Pe-<br />

5


gel-Instruktion gemäß mit einem Nullpunkt 2 Fuß unter niedrigstem bekanntem Wasserstand<br />

angelegt werden können, der <strong>am</strong> 27. 1. 1813 an dem schon genannten im<br />

<strong>Jahre</strong> 1810, also noch während der Franzosenzeit gesetzten Pegel beobachtet worden<br />

war. Nach Vergleichsbeobachtungen in den <strong>Jahre</strong>n 1817-18 wurde die Nullhöhe<br />

in Koblenz festgesetzt; sie lag gegenüber dem Interimspegel um 6 Fuß 9 Zoll tiefer.<br />

In der d<strong>am</strong>als gewählten Höhe liegt sie noch heute. - Von den oben genannten Interimspegeln<br />

wurden die in Andernach und Linz seit 1818 ständig abgelesen, wobei<br />

<strong>am</strong> ersteren der Interimspegel wohl bald durch eingehauene Marken und Zahlen ersetzt<br />

wurde (Abb. 3). Die Pegel in Bacharach und Boppard werden erst seit 1833 abgelesen,<br />

offenbar hatte sich doch kein freiwilliger Pegelableser gefunden. Auch dort<br />

ist der Interimspegel durch einen endgültigen ersetzt worden.<br />

Abb.3. Pegel Andernach, von 1818, <strong>am</strong> Kran. Aufnahme<br />

1970<br />

Am 0 b e r r h e i n erhielt das Pegelwesen<br />

einen ähnlich großen Aufschwung durch<br />

die <strong>Rhein</strong>korrektion nach den Plänen Tullas,<br />

die ihrerseits erst durch die Bildung<br />

des Großherzogtums Baden aus vielen<br />

kleinen Territorien und durch das Ende der<br />

Napoleonischen Kriege möglich geworden<br />

war. Die Vorarbeiten liefen freilich schon<br />

früher an.<br />

Lange bevor die Herstellung der Durchstiche<br />

begann (1818), schon vor 1808, muss<br />

Tulla zwischen Basel und Mannheim mehrere<br />

Pegel angelegt haben. Jedenfalls bezieht<br />

sich darauf Oberst Stehlin, Basel, in<br />

einem Bericht über den Pegel Basel, den<br />

er <strong>am</strong> 12. März 1808 bei der Schifflände<br />

unterhalb der <strong>Rhein</strong>brücke hatte anbringen<br />

lassen. Tulla hat sich auch an Ort und<br />

Stelle dafür eingesetzt: "Anläßlich seines<br />

Aufenthaltes in Basel hatte Ingenieur Tulla<br />

Herrn Oberst Stehlin den Wunsch geäußert,<br />

dass in Basel ein <strong>Rhein</strong>höhe-Messer erstellt werde, um die Vertiefung des<br />

<strong>Rhein</strong>bettes zu ermitteln und die Fortpflanzung des Steigens und Fallens des <strong>Rhein</strong>s<br />

zu beobachten. Der Nullpunkt dieses Pegels sei ungefähr 2 Fuß tiefer zu setzen, als<br />

der bisherige niederste Wasserstand, d<strong>am</strong>it bei einer allfälligen Vertiefung des<br />

<strong>Rhein</strong>s, der Wasserstand nicht so leicht oder bald unter Null kommt."<br />

Weiterhin werden Peilungen ("Sondierungen") empfohlen, um festzustellen, ob sich<br />

der <strong>Rhein</strong> vertieft hat und die Ufermauern unterspült werden.<br />

Jene älteren Pegel an der badischen <strong>Rhein</strong>strecke scheinen Provisorien gewesen zu<br />

sein und lediglich zur Planbearbeitung gedient zu haben; auf die Dauer konnte ein<br />

Pegel bei den häufigen Veränderungen des Stromlaufs dort auch kaum bestehen.<br />

Der erste ständige Pegel wurde in Maxau, nahe bei Karlsruhe, der Hauptstadt Badens<br />

und dem Amtssitz Tullas, eingerichtet, und zwar 1813 im jetzigen Knielinger Altrhein.<br />

Als im Frühjahr 1818 der Knielinger Durchstich - einer der ersten vier - hergestellt<br />

wurde und ihn der Strom noch im gleichen Jahr als Talweg aufnahm (bei den<br />

anderen Durchstichen dauerte dies mehrere <strong>Jahre</strong>), wurde der Pegel in den Durchstich<br />

verlegt. Bei diesem Pegel wurde zum ersten Mal eine Anordnung gewählt, die<br />

6


uns äußerst ungewöhnlich erscheint: der Nullpunkt lag oben in Höhe des höchsten<br />

bekannten Hochwassers und die Skala wurde von dort absteigend eingeteilt. Dies<br />

hatte insofern guten Sinn, als man von der Korrektion eine Senkung der für die Landeskultur<br />

zu hohen Wasserstände erhoffte und bei einer von unten aufsteigenden<br />

Notierung nach einiger Zeit mit Ablesungen unter Null hätte rechnen müssen, was<br />

man vermeiden wollte.<br />

Im gleichen und den folgenden <strong>Jahre</strong>n hat man eine ganze Reihe weiterer Pegel <strong>am</strong><br />

badischen <strong>Rhein</strong> in gleicher Weise angelegt; und zwar<br />

1813/14 in Breisach<br />

1815 in Daxlanden und Dettenheim<br />

1816 in Konstanz, Neuenburg, Sasbach und Weisweil<br />

1817 in Kehl und an der Schusterinsel bei Basel<br />

1818 in Waldshut, Söllingen, Plittersdorf usw.<br />

In Basel hat man 1825 sogar neben dem schweizerischen einen badischen Pegel mit<br />

Null oben angebracht und bis zum 31. 12. 1877 beobachtet. Erst 1878 wurde diese<br />

einmalige Anordnung gleichzeitig mit der Einführung des Metermaßes "der Gleichförmigkeit<br />

wegen" aufgegeben. Die Lage der oben genannten Pegel zeigt, dass man<br />

Stellen gesucht hat, wo eine rasche Verlagerung auch des unregulierten Stroms<br />

nicht zu erwarten war, etwa <strong>am</strong> Fuß eines Berges oder an einer Stelle mit felsiger<br />

Sohle.<br />

Neben den ursprünglich immer senkrecht - in mehreren Staffeln - angebrachten Lattenpegeln<br />

baute man späterhin auch schräge, weil nicht überall eine senkrechte<br />

Mauer zum Anbringen vorhanden war und an Brückenpfeilern, die sich <strong>am</strong> ehesten<br />

anboten, die Wasserspiegellage durch den Brückenstau gestört wird.<br />

Der größte Fortschritt war aber der Schwimmerschreibpegel, ehemals auch Limnigraph<br />

genannt; der älteste ist im Dezember 1868 in Basel aufgestellt worden. Er<br />

arbeitete zunächst mit stündlicher Bleistiftmarkierung, seit 1903 mit halbstündlicher<br />

und seit 1915 mit kontinuierlicher. Der Pegel Konstanz erhielt 1869 ein Schreibgerät;<br />

1888 sind die Schreibpegel in Koblenz und Maxau, 1889 der in Kehl aufgestellt worden.<br />

D<strong>am</strong>it war ein Zustand erreicht, der nur noch in Einzelheiten verbessert werden<br />

konnte. Einer besonderen Behandlung wert wäre es, zu verfolgen, wie die Pegellatten<br />

unterteilt und bezeichnet wurden, aus welchem Material sie hergestellt und wie<br />

sie eingemessen, d. h. gegen Fixpunkte festgelegt und später in die Stromnivellements<br />

einbezogen wurden. Doch geht das über den Rahmen der vorliegenden Arbeit<br />

hinaus.<br />

Wir haben gesehen, dass die <strong>Wasserstandsbeobachtung</strong> <strong>am</strong> <strong>Rhein</strong> älter ist als man<br />

gemeinhin annimmt und dass die Entwicklung in überraschendem Maße mit der allgemeinen<br />

Geschichte verknüpft ist. Wichtig zu wissen ist aber auch, dass die alten<br />

<strong>Wasserstandsbeobachtung</strong>en heute noch aktuell sind und z. B. von der 1969 gegründeten<br />

internationalen Hochwasser-Studienkommission intensiv ausgewertet<br />

werden. Man bemüht sich sogar, noch ältere Beobachtungen als die bisher bekannten<br />

in Archiven ausfindig zu machen. Je länger die Reihe der <strong>Jahre</strong> ist, deren Wasserstandsverlauf<br />

man übersehen kann, desto sicherer lässt sich die Entwicklungstendenz<br />

und die Auswirkung der zahlreichen Eingriffe des Menschen in den natürlichen<br />

Wasserablauf bestimmen, desto besser lässt sich beurteilen, wie die Aufgaben<br />

<strong>am</strong> Strom zu lösen sind, die uns unsere Zeit stellt.<br />

**************<br />

Quelle: Beiträge zur <strong>Rhein</strong>kunde 1971<br />

<strong>Rhein</strong>museum Koblenz Peter Haas <strong>200</strong>9<br />

7

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