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1 Die Fallösung I. Fall: A fragt B: „Möchtest Du meine ...

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<strong>Die</strong> <strong>Fall</strong>ösung<br />

I. <strong>Fall</strong>: A <strong>fragt</strong> B: „Möchtest <strong>Du</strong> <strong>meine</strong> Waschmaschine für € 200,- kaufen?“ B sagt:<br />

„Ja.“<br />

II. Frage: Welche Rechte haben A und B?<br />

III. <strong>Fall</strong>ösung<br />

1) Der Einstieg in die <strong>Fall</strong>ösung<br />

Das Ziel jeder <strong>Fall</strong>ösung ist es, unter Berücksichtigung der konkreten <strong>Fall</strong>frage(n)<br />

den tatsächlichen Lebenssachverhalt unter eine Norm (Anspruchsgrundlage) zu<br />

subsumieren.<br />

Den Einstieg in die <strong>Fall</strong>ösung erleichtert die <strong>Fall</strong>frage: Wer will was von wem<br />

woraus?<br />

Auf den obigen <strong>Fall</strong> angewandt, beantwortet sich diese Frage folgendermaßen:<br />

a) B will von A das Eigentum und den Besitz an der Waschmaschine aus dem von<br />

beiden geschlossenen Kaufvertrag.<br />

b) A will von B € 200,- (Kaufpreis) aus dem geschlossenen Kaufvertrag.


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NB! <strong>Die</strong> obige <strong>Fall</strong>frage ist allgemein gehalten. In einem solchen <strong>Fall</strong> muß aus dem<br />

Sachverhalt ermittelt werden, was die jeweiligen Protagonisten wollen. Dazu muß<br />

man sich in ihre Lage versetzen. Benötigt z. B. jemand unbedingt einen bestimmten<br />

Gegenstand, so muß zuerst geprüft werden, ob er diesen verlangen kann und nicht,<br />

ob er Schadensersatzansprüche hat. Im Vordergrund sollte dabei immer das<br />

ökonomische Interesse der Beteiligten stehen. Denn dem Kaufmann ist es in der<br />

Regel vollkommen gleichgültig, nach welcher Anspruchsgrundlage er sein<br />

wirtschaftliches Ziel erreicht.<br />

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In unserem <strong>Fall</strong> kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß B von A die<br />

Waschmaschine möchte und A von B die € 200,-.<br />

2) Exkurs I.<br />

Hat man bei einer allgemein gehaltenen Fragestellung das jeweilige Ziel der Parteien<br />

ermittelt, dann stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, mit welcher<br />

Anspruchsnorm das Ziel der Parteien verwirklicht werden kann. Dabei kann es zu<br />

dem Problem kommen, daß das Gesetz keine Rechtsform bereithält, mit der das Ziel<br />

der Beteiligten erreicht werden kann. <strong>Die</strong>s sei an einem Beispiel erläutert:<br />

B leiht dem A € 10.000,-. B möchte jedoch eine Sicherheit haben. A und B<br />

vereinbaren daher, daß A eine ihm gehörende Sache zu Sicherheit für die Forderung<br />

des B an diesen verpfänden soll. Da es sich bei der Sache aber um ein wichtiges<br />

Produktionsmittel von A handelt, möchte dieser die Sache trotz Verpfändung an B<br />

weiterhin benutzen.<br />

Das Gesetz (BGB) regelt das Pfandrecht in den §§ 1204 ff. BGB. Gemäß § 1205 I<br />

BGB ist es zur Bestellung eines Pfandrechts erforderlich, daß die Parteien sich über<br />

die Entstehung des Pfandrechts einig sind und daß der Schuldner die zu<br />

verpfändende Sache dem Gläubiger übergibt. Das Gesetz steht also dem Ziel von A<br />

und B im Wege, da die Sache ja bei A verbleiben soll. Da das Pfandrecht zum


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Sachenrecht gehört, sind die darin angebotenen Rechtsformen, anders als im<br />

Vertragsrecht, zwingend und abschließend; d. h., die Parteien können nicht einfach<br />

eine Rechtsform erfinden. In einem solchen <strong>Fall</strong> sollte man aber nicht sofort<br />

aufgeben. Wie bereits erwähnt, kommt es nämlich bei der <strong>Fall</strong>ösung nicht darauf an,<br />

eine bestimmte Rechtsform zu benutzen, sondern das wirtschaftliche Interesse der<br />

Parteien durchzusetzen. Daher ist zu fragen, ob das Gesetz nicht doch eine<br />

Möglichkeit bietet, die Interessen der Parteien durchzusetzen. In unserem <strong>Fall</strong> kommt<br />

eine sogenannte Sicherungsübereignung in Betracht. Darunter versteht man, daß A<br />

und B statt der Verpfändung vereinbaren, daß B Eigentümer der Sache wird, daß<br />

aber A den unmittelbaren Besitz an der Sache behält. Zusätzlich treffen A und B eine<br />

Sicherungsabrede dahingehend, daß B die Sache an A zurückübereignen muß,<br />

sobald A das Geld zurückbezahlt hat. <strong>Die</strong>se Variante läßt das Gesetz zu, wie sich<br />

aus den §§ 929, 930 BGB ergibt. Bei der der Sicherungsübereignung zugrunde<br />

liegenden Sicherungsabrede handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag (§<br />

311 BGB). Da die Parteien schuldrechtlich weitgehend von gesetzlichen Zwängen<br />

befreit sind, ist ein solcher Vertrag ohne weiteres zulässig. Im Ergebnis läßt sich also<br />

das ökonomische Ziel der Parteien verwirklichen, wenngleich auch nicht in der<br />

ursprünglich geplanten Rechtsform.<br />

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Das oben genannte Problem kann auch in andere <strong>Fall</strong>konstellationen eingebaut<br />

werden. So kann die <strong>Fall</strong>frage lauten, A und B zu beraten, mit welcher Rechtsform<br />

sie ihre wirtschaftlichen Ziele am besten verwirklichen können. In diesem <strong>Fall</strong><br />

müssen alle in Frage kommenden Rechtsfiguren geprüft werden. Stellt das Gesetz<br />

mehrere zur Verfügung, dann muß eine Auswahl getroffen werden.<br />

Der <strong>Fall</strong> kann aber auch so gestaltet sein, daß A und B bereits ein Pfandrecht<br />

vereinbart haben, ohne daß die Sache an B übergeben wurde. Als A dem B das Geld<br />

nicht zurückzahlen kann, verlangt B die verpfändete Sache heraus. A beruft sich<br />

darauf, das vereinbarte Pfandrecht sei nicht entstanden, da er die Sache nicht an B<br />

übergeben habe. In einem solchen <strong>Fall</strong> stellt sich die Frage, ob dem B nicht doch<br />

geholfen werden kann. <strong>Die</strong>s wäre dann möglich, wenn man die unwirksame<br />

Verpfändung in eine wirksame Sicherungsübereignung umdeuten könnte, was hier<br />

im Einzelnen nicht erörtert werden soll.


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Bei der Auswahl der Rechtsnorm muß also stets die <strong>Du</strong>rchsetzung der<br />

wirtschaftlichen Ziele der Parteien im Vordergrund stehen.<br />

3) Subsumtion<br />

Nachdem man die o. g. Frage: Wer will was von wem woraus? beantwortet hat, prüft<br />

man, ob sich die gemachte These halten läßt. Man prüft also, ob man den<br />

Lebenssachverhalt bei einer Norm unterbringen kann, die eine Rechtsfolge<br />

ermöglicht, die mit dem Ziel der Partei(en) übereinstimmt.<br />

Den o. g. Lebenssachverhalt qualifizieren wir vorläufig als Kaufvertrag. Der<br />

Kaufvertrag ist geregelt in § 433 BGB. <strong>Die</strong> Norm zerfällt in einen Tatbestandsteil und<br />

einen Rechtsfolgenteil. <strong>Die</strong> verschiedenen Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs<br />

können, müssen aber nicht ausdrücklich in der betreffende Norm erwähnt sein. § 433<br />

I 1 BGB setzt als Tatbestandsmerkmal das Bestehen eines Kaufvertrags voraus.<br />

Besteht ein solcher, dann hat der Verkäufer dem Käufer gemäß § 433 I 1 BGB die<br />

Kaufsache zu übergeben und das Eigentum an derselben zu verschaffen. Da<br />

anzunehmen ist, daß B im konkreten <strong>Fall</strong> genau dies will, stimmt die in § 433 I 1 BGB<br />

angeordnete Rechtsfolge mit dem Ziel von B überein. Es ist daher im folgenden zu<br />

prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm gegeben sind.<br />

Wie bereits erwähnt, hat § 433 I 1 BGB nur ein einziges Tatbestandsmerkmal.<br />

Alleinige Voraussetzung ist ein wirksamer Kaufvertrag. <strong>Die</strong> <strong>Fall</strong>ösung ist im<br />

Gutachtenstil durchzuführen.<br />

1. Schritt: Man beginn mit der Formulierung des Anspruchs:<br />

Der Einleitungssatz des Gutachtens muß im Konjunktiv formuliert werden.


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B könnte gegen A gemäß § 433 I 1 BGB einen Anspruch auf Übergabe und<br />

Übereignung der Kaufsache haben.<br />

2. Schritt: Man nennt die Tatbestandsmerkmale:<br />

Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache setzt voraus, daß<br />

zwischen B und A ein Kaufvertrag besteht.<br />

Alternative: Dann müßte zwischen B und A ein Kaufvertrag zustandegekommen sein.<br />

3. Schritt: Definition bzw. Erläuterung der Tatbestandsmerkmale.<br />

Ein Kaufvertrag besteht aus zwei übereinstimmende Willenserklärungen.<br />

NB! <strong>Die</strong> meisten Tatbestandsmerkmale können wiederum in weitere (Tatbestands-)<br />

Merkmale untergliedert werden. In unserem <strong>Fall</strong> läßt sich der Kaufvertrag zunächst in<br />

zwei korrespondierende Willenserklärungen unterteilen (Angebot und Annahme).<br />

(Ein Kaufvertrag besteht aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, nämlich<br />

dem Angebot und der Annahme. Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf<br />

eine bestimmte Rechtsfolge gerichteten Willens.)<br />

Theoretisch könnte man jetzt auch noch den Unterschied zwischen Angebot und<br />

Annahme erläutern. Anschließend könnte man das Tatbestandsmerkmal der<br />

Willenserklärungen untergliedern und erläutern, aus welchen Elementen eine<br />

Willenserklärung besteht bzw. bestehen muß, nämlich dem Handlungsbewußtsein,


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dem Erklärungsbewußtsein und dem Geschäftsbewußtsein. Auch diese drei Begriffe<br />

wären wiederum erläuterungsfähig. Es stellt für den Anfänger stets ein großes<br />

Problem dar, wie weit er das oberste Tatbestandsmerkmal untergliedert. Ganz<br />

allgemein gilt der Grundsatz, daß Selbstverständliches nicht näher erläutert werden<br />

soll. Allerdings hängt es vom Grad der juristischen Bildung ab, was als<br />

selbstverständlich vorausgesetzt werden darf. So wird man in einer Anfängerübung<br />

weniger als selbstverständlich voraussetzen dürfen als in einer<br />

Fortgeschrittenenübung. Als weiterer Grundsatz gilt, daß alles, was nach der<br />

Gestaltung des <strong>Fall</strong>es keine Probleme aufwirft, nicht breit erörtert werden darf. <strong>Die</strong>s<br />

würde ein Korrektor negativ bewerten. Heißt es also im <strong>Fall</strong>: „A verkauft dem B sein<br />

Auto für € 2.000.- „, dann darf der Abschluß eines Kaufvertrags ohne nähere<br />

Erläuterungen als wirksam geschlossen vorausgesetzt werden. Erst wenn der<br />

Sachverhalt zusätzliche Informationen enthält, die auf ein Problem hinweisen, also z.<br />

B. wenn es heißt: „Der 17-jährige B verkauft dem A sein Auto für € 2.000.-„ , muß<br />

geprüft werden, ob die Minderjährigkeit des B das Zustandekommen eins wirksamen<br />

Kaufvertrags hindert.<br />

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Im konkreten <strong>Fall</strong> fehlen weitere Informationen, die auf Probleme hinweisen könnten.<br />

Daher bedarf der Begriff der Willenserklärung keine weiteren Erläuterungen.<br />

4. Schritt: <strong>Die</strong> Subsumtion des Lebenssachverhalt unter das Tatbestandsmerkmal<br />

und die Ergebnisfeststellung.<br />

Bei diesem Prüfungsschritt muß geprüft werden, ob der Rechtssachverhalt<br />

(Obersatz) im Lebenssachverhalt (Untersatz) eine Entsprechung findet.<br />

A hat dem B ein Angebot gemacht, indem er B <strong>fragt</strong>e, ob er seine Waschmaschine<br />

für € 200,- kaufen wolle. Da B dies bejahte, hat er das Angebot des A<br />

angenommen. Es liegen also zwei übereinstimmende Willenserklärungen von A und<br />

B vor.


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Alternative: Mit seiner Äußerung, er wolle die Waschmaschine für € 200,- an B<br />

verkaufen, hat A ein wirksames Angebot abgegeben. B hat das Angebot des A mit<br />

der Erklärung, ja, uneingeschränkt angenommen.<br />

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<strong>Die</strong> Prüfung ergibt, daß sich die abstrakt dargestellten Voraussetzungen für einen<br />

Kaufvertrag im konkreten Lebenssachverhalt wieder finden. <strong>Die</strong> Subsumtion verlief<br />

daher positiv. <strong>Die</strong>s muß festgehalten werden.<br />

Daher haben B und A einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen.<br />

Alternative: Folglich ist ein Kaufvertrag zwischen B und A zustandegekommen.<br />

5. Schritt: Bestätigung der Rechtsfolge.<br />

In einem letzten Schritt ist die Eingangs aufgestellte These (B könnte gegen A<br />

gemäß § 433 I 1 BGB einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der<br />

Kaufsache haben.) zu bestätigen oder, im <strong>Fall</strong>e einer negativ verlaufenden<br />

Subsumtion, zu verneinen.<br />

Folglich kann B gemäß § 433 I 1 BGB von A verlangen, daß dieser ihm die<br />

Kaufsache übergibt und das Eigentum an ihr verschafft.<br />

Im Ganzen lautet die <strong>Fall</strong>ösung also wie folgt:<br />

B könnte gegen A gemäß § 433 I 1 BGB einen Anspruch auf Übergabe und<br />

Übereignung der Kaufsache haben. Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung<br />

der Kaufsache setzt voraus, daß zwischen B und A ein Kaufvertrag besteht. Ein<br />

Kaufvertrag besteht aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, nämlich dem


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Angebot und der Annahme. (Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf eine<br />

bestimmte Rechtsfolge gerichteten Willens.) A hat dem B ein Angebot gemacht,<br />

indem er B <strong>fragt</strong>e, ob er seine Waschmaschine für € 200.- kaufen wolle. Da B dies<br />

bejahte, hat er das Angebot des A angenommen. Es liegen also zwei<br />

übereinstimmende Willenserklärungen von A und B vor. Daher haben A und B einen<br />

wirksamen Kaufvertrag geschlossen. Folglich kann B von A gemäß § 433 I 1 BGB<br />

verlangen, daß dieser ihm die Kaufsache übergibt und das Eigentum an ihr<br />

verschafft.<br />

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Der in Klammer gesetzte Satz ist angesichts der unproblematischen <strong>Fall</strong>gestaltung<br />

an der Grenze zum Überflüssigen.<br />

NB! Besteht die Norm aus mehreren Tatbestandsmerkmalen, so sind die Schritte 2-4<br />

für jedes Tatbestandsmerkmal einzeln zu durchlaufen. Können am Schluß alle<br />

Tatbestandsmerkmale bejaht werden, dann tritt die Rechtsfolge der Norm ein.<br />

4. Exkurs II.<br />

P: Was macht man, wenn die Parteien ein Ziel verfolgen, zu dem sich im BGB keine<br />

passende Norm finden läßt. <strong>Die</strong>s ist z. B. beim Franchising der <strong>Fall</strong>, denn diese<br />

Vertragsart gab es bei Inkrafttreten des BGB noch gar nicht. In einem solchen <strong>Fall</strong><br />

muß differenziert werden:<br />

a) Schuldrechtlich, also per Vertrag, können die Parteien im wesentlichen<br />

vereinbaren, was sie wollen. Im Gesetz findet sich eine Generalklausel (§ 311 BGB),<br />

die auch atypische bzw. neuartige Verträge erfaßt.<br />

b) Soweit die schuldrechtliche Vereinbarung einer dinglichen Umsetzung bedarf,<br />

stellt sich das Problem, daß es im Sachenrecht einen sogenannten „numerus<br />

clausus“ der Rechtsformen gibt. Das heißt, die Parteien müssen sich zur Umsetzung


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ihrer schuldrechtlichen (vertraglichen) Vereinbarung einer der vom Gesetz<br />

vorgesehenen Rechtsformen bedienen. Enthält das Gesetz keine sachenrechtliche<br />

Vorschrift, mit der der wirtschaftliche Erfolg des Rechtsgeschäfts herbeigeführt<br />

werden kann, dann scheitert die <strong>Du</strong>rchführung des schuldrechtlichen<br />

Rechtsgeschäfts endgültig.<br />

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NB! Soweit sich im Aufgabentext keine besonderen Hinweise finden, wie z. B. in<br />

unserem <strong>Fall</strong>, darf die dingliche Umsetzung des schuldrechtlichen Vertrags nicht<br />

problematisiert werden. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß<br />

das Gesetz die <strong>Du</strong>rchführung des geschlossenen Kaufvertrags ermöglicht.<br />

5. Einwendungen und Einreden<br />

In obigem <strong>Fall</strong> haben wir die Pflicht des A bejaht, B die Waschmaschine zu<br />

übergeben und das Eigentum an ihr zu verschaffen (§ 433 I 1 BGB). Damit ist der<br />

<strong>Fall</strong> jedoch noch nicht zu Ende. Stets muß geprüft werden, ob der Anspruch nicht<br />

wieder untergegangen oder zumindest gehemmt ist. Dazu versetzt man sich in die<br />

Rolle des A und stellt die Frage, welche Einwände dieser gegen den Anspruch des B<br />

vorbringen könnte.<br />

<strong>Die</strong> Gegenrechte des A werden in der juristischen Fachsprache „Einwendungen“ und<br />

„Einreden“ genannt. Der Unterschied zwischen den beiden Arten von Gegenrechten<br />

zeigt sich im Prozeß. Bei den Einwendungen (z. B. Anfechtung) genügt es, daß die<br />

Partei vor Gericht den Sachverhalt vorträgt: der Richter muß die Einwendungen dann<br />

von Amts wegen beachten. Bei den Einreden (z.B. Verjährung) genügt im Prozeß<br />

nicht der Vortrag des Sachverhalts, die Partei muß sich auch ausdrücklich auf die<br />

Einrede berufen. In der universitären Ausbildung spielt diese Unterscheidung keine<br />

Rolle. Alle in Frage kommenden Gegenrechte der Partei, seien es Einwendungen<br />

oder Einreden, müssen beachtet und geprüft werden.<br />

a) Einwendungen


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Als Einwendungen werden die Gegenrechte einer Partei bezeichnet, die den<br />

Anspruch der Gegenpartei entweder erst gar nicht entstehen (rechtshindernde<br />

Einwendungen) oder aber nachträglich untergehen lassen (rechtsvernichtende<br />

Einwendungen). Ein Beispiel für eine rechtshindernde Einwendung wäre z. B. die<br />

Geschäftsunfähigkeit einer Partei (§ 104 BGB), ein Beispiel für ein<br />

rechtsvernichtende Einwendung wäre der Rücktritt einer Partei vom Vertrag.<br />

b) Einreden<br />

Einreden lassen den Anspruch einer Partei grundsätzlich bestehen, hemmen ihn<br />

jedoch dauernd oder endgültig.<br />

aa) Dauernde (peremptorische) Einreden<br />

Dauernde Einreden führen zu einer endgültigen Hemmung des Anspruchs und<br />

kommen daher im Ergebnis den Einwendungen gleich (zum grundsätzlichen<br />

Unterschied zwischen Einwendungen und Einreden siehe oben). Klassisches<br />

Beispiel ist die Verjährungseinrede.<br />

bb) Vorübergehend hemmende (dilatorische) Einreden<br />

Dilatorische Einreden hemmen den Anspruch nur vorübergehend. Eine dilatorische<br />

Einrede ist z. B. die Stundung des Anspruchs. Eine weitere dilatorische Einwendung<br />

ist das Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 BGB.


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Im konkreten <strong>Fall</strong> könnte A einwenden, daß er nur Zug um Zug gegen Bezahlung von<br />

€ 200.- die Waschmaschine übergeben und übereignen müsse. <strong>Die</strong>se Einrede findet<br />

sich in § 320 I 1 BGB: „Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die<br />

ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei<br />

denn, daß er vorzuleisten verpflichtet ist.“ Das vorübergehende<br />

Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 I 1 BGB führt im Prozeß anders als z. B.<br />

die Stundung nicht zur Klageabweisung wegen momentaner Unbegründetheit,<br />

sondern zu einer Verurteilung Zug um Zug (§ 322 I BGB).<br />

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Im folgenden sind die Gegenrechte des A nach dem oben dargestellten Schema zu<br />

prüfen:<br />

das Eigentum an ihr verschafft. A könnte jedoch ein Leistungsverweigerungsrecht<br />

gemäß § 320 I 1 BGB zustehen. (Schritt 1) Voraussetzung dafür ist, daß es sich bei<br />

dem Kaufvertrag zwischen A und B um einen gegenseitigen Vertrag handelt. (Schritt<br />

2) Ein Vertrag kann dann als gegenseitig bezeichnet werden, wenn die<br />

Leistungspflichten der Vertragspartner in einem Synallagma stehen. Das bedeutet,<br />

daß die Leistungen der Vertragspartner in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen;<br />

die eine Partei erbringt ihre Leistung nur deshalb, weil sie die Leistung der anderen<br />

Partei erhalten möchte. Eine solche wechselseitige Abhängigkeit kann grundsätzlich<br />

für die sogenannten vertraglichen Hauptleistungspflichten angenommen werden. Das<br />

sind diejenigen Pflichten, die für die <strong>Du</strong>rchführung des Vertrags wesentlich sind.<br />

(Schritt 3) Bei einem Kaufvertrag sind sowohl die Pflicht zur Bezahlung des<br />

Kaufpreises (§ 433 II BGB), als auch die Pflicht zur Übergabe und Übereignung der<br />

Kaufsache (§ 433 I 1 BGB) wesentliche Vertrags- und damit sogenannte<br />

Hauptleistungspflichten; ein gegenseitiges Vertragsverhältnis liegt daher vor. (Schritt<br />

4) Daher hat B gegen A gemäß § 433 I 1 BGB lediglich einen Anspruch auf<br />

Übergabe und Übereignung der Kaufsache. Zug um Zug gegen Bezahlung des<br />

Kaufpreises in Höhe von € 200.-. (Schritt 5)<br />

6. Gegeneinwendungen/Gegeneinreden


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§ 320 BGB nennt aber auch noch eine andere Bedingung als das Bestehen eines<br />

gegenseitigen Vertrags: der zur Leistungsverweigerung Berechtigte darf nicht<br />

vorleistungspflichtig sein. Bei letzterer Voraussetzung handelt es sich jedoch nicht<br />

um ein Tatbestandsmerkmal der Norm, sondern um eine Einwendung. <strong>Die</strong>s erkannt<br />

man an dem vom Gesetzgeber gewählten Wortlaut: „es sei denn“. Taucht diese<br />

Formulierung in einer Norm auf, dann bedeutet das, daß die der Formulierung<br />

nachfolgende Bedingung nicht als Tatbestandsvoraussetzung, sondern als<br />

Einwendung (bzw. als Einrede) zu behandeln ist.<br />

Da es sich, wie bereits erwähnt, bei der Leistungspflicht Zug um Zug in § 320 BGB<br />

um eine Einwendung zu § 433 I 1 BGB handelt, stellt die Vorleistungspflicht in § 320<br />

BGB eine Einwendung zu der Einrede des gegenseitigen Vertrags dar. Eine solche<br />

Einwendung nennt man auch eine Replik.<br />

Unterstellt man einmal, daß A vorleistungspflichtig ist, dann ließe sich auch gegen<br />

diese Replik wiederum eine Einwendung vorbringen (<strong>Du</strong>plik). Eine <strong>Du</strong>plik wäre z. B.<br />

eine Vereinbarung zwischen A und B, nach der die Vorleistungspflicht aufgehoben<br />

sein soll. <strong>Die</strong>ser Vorgang kann sich theoretisch beliebig oft wiederholen. In der<br />

<strong>Fall</strong>ösung ist daher immer zu überlegen, welche Einwendungen die eine Seite gegen<br />

ein Vorbringen der anderen Seite zustehen können. <strong>Die</strong> einzelnen Einwände sind<br />

systematisch, wie in obigem Beispiel, vorzubringen:<br />

1. Anspruchs-(Tatbestands-)voraussetzungen (Gläubiger)<br />

2. Einwendungen (Schuldner)<br />

3. Replik (Gläubiger)<br />

4. <strong>Du</strong>plik (Schuldner)<br />

5. Triplik, (Gläubiger), etc.<br />

Möglich ist auch, daß es gegen einen Anspruch mehrere Einwendungen gibt. <strong>Die</strong>se<br />

sind dann hintereinander zu prüfen. So könnte z,. B., falls sich eine solche<br />

Problemlage aus dem konkreten <strong>Fall</strong> ergibt, gegen den Anspruch des A auf


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Kaufpreiszahlung zuerst zu prüfen sein, ob B den Kaufvertrag angefochten hat und<br />

anschließend, ob B vom Vertrag zurückgetreten ist. In diesem <strong>Fall</strong> wären beide<br />

Einwendungen selbständig zu prüfen.<br />

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Auf den <strong>Fall</strong> angewandt bedeutet dies:<br />

A könnte trotz Vorliegen eines gegenseitigen Vertrags kein<br />

Leistungsverweigerungsrecht haben, (Schritt 1) wenn er vorleistungspflichtig wäre.<br />

(Schritt 2) Grundsätzlich besteht keine Vorleistungspflicht einer Partei, es sei denn<br />

das Gesetz würde dies ausdrücklich anordnen oder es würde sich aus der Natur des<br />

Vertrages (Schuldverhältnisses) ergeben. (Schritt 3) Da in § 433 BGB (Kaufvertrag)<br />

dem Verkäufer keine Vorleistungspflicht auferlegt ist, und sich eine solche auch nicht<br />

aus der Natur des Schuldverhältnisses ergibt, ist A nicht zur Vorleistung verpflichtet<br />

(und kann daher die Übergabe und Übereignung der Kaufsache bis zur Bezahlung<br />

des Kaufpreises durch B verweigern). (Schritt 4) Daher kann B die Übergabe und<br />

Übereignung der Kaufsache nur Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises von<br />

€ 200.- verlangen (Schritt 5)<br />

<strong>Die</strong> gesamte <strong>Fall</strong>ösung lautet dann folgendermaßen:<br />

B könnte gegen A gemäß § 433 I 1 BGB einen Anspruch auf Übergabe und<br />

Übereignung der Kaufsache haben. Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung<br />

der Kaufsache setzt voraus, daß zwischen B und A ein Kaufvertrag besteht. Ein<br />

Kaufvertrag besteht aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, nämlich dem<br />

Angebot und der Annahme. (Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf eine<br />

bestimmte Rechtsfolge gerichteten Willens.) A hat dem B ein Angebot gemacht,<br />

indem er B <strong>fragt</strong>e, ob er seine Waschmaschine für € 200.- kaufen wolle. Da B dies<br />

bejahte, hat er das Angebot des A angenommen. Es liegen also zwei<br />

übereinstimmende Willenserklärungen von A und B vor. Daher haben A und B einen<br />

wirksamen Kaufvertrag geschlossen. Folglich kann B von A gemäß § 433 I 1 BGB


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verlangen, daß dieser ihm die Kaufsache übergibt und das Eigentum an ihr<br />

verschafft.<br />

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A könnte jedoch ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 I 1 BGB zustehen.<br />

Voraussetzung dafür ist, daß es sich bei dem Kaufvertrag zwischen A und B um<br />

einen gegenseitigen Vertrag handelt. Ein Vertrag kann dann als gegenseitig<br />

bezeichnet werden, wenn die Leistungspflichten der Vertragspartner in einem<br />

Synallagma stehen. Das bedeutet, daß die Leistungen der Vertragspartner in einem<br />

Gegenseitigkeitsverhältnis stehen; die eine Partei erbringt ihre Leistung nur deshalb,<br />

weil sie die Leistung der anderen Partei erhalten möchte. Eine solche wechselseitige<br />

Abhängigkeit kann grundsätzlich für die sogenannten vertraglichen<br />

Hauptleistungspflichten angenommen werden. Das sind diejenigen Pflichten, die für<br />

die <strong>Du</strong>rchführung des Vertrags wesentlich sind. Bei einem Kaufvertrag sind sowohl<br />

die Pflicht zur Bezahlung des Kaufpreises (§ 433 II BGB), als auch die Pflicht zur<br />

Übergabe und Übereignung der Kaufsache (§ 433 I 1 BGB) wesentliche Vertragsund<br />

damit sogenannte Hauptleistungspflichten; ein gegenseitiges Vertragsverhältnis<br />

liegt daher vor. Daher hat B gegen A gemäß § 433 I 1 BGB lediglich einen Anspruch<br />

auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache, Zug um Zug gegen Bezahlung des<br />

Kaufpreises in Höhe von € 200.-.<br />

A könnte jedoch trotz Vorliegen eines gegenseitigen Vertrages kein<br />

Leistungsverweigerungsrecht haben, wenn er vorleistungspflichtig wäre.<br />

Grundsätzlich besteht keine Vorleistungspflicht einer Partei, es sei denn das Gesetz<br />

würde dies ausdrücklich anordnen oder es würde sich aus der Natur des Vertrages<br />

(Schuldverhältnisses) ergeben. Da in § 433 BGB (Kaufvertrag) dem Verkäufer keine<br />

Vorleistungspflicht auferlegt ist, und sich eine solche auch nicht aus der Natur des<br />

Schuldverhältnisses ergibt, ist A nicht zur Vorleistung verpflichtet (und kann daher die<br />

Übergabe und Übereignung der Kaufsache bis zur Bezahlung des Kaufpreises durch<br />

B verweigern). Daher kann B die Übergabe und Übereignung der Kaufsache nur Zug<br />

um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises von € 200.- verlangen.


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Ergebnis: B hat gegen A gemäß § 433 I 1 BGB einen Anspruch auf Übergabe und<br />

Übereignung der Kaufsache, Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises in Höhe<br />

von € 200.-.<br />

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Hätte man zuerst geprüft, welche Rechte A hat, dann hätte man nach der Bejahung<br />

des Anspruches auf Bezahlung des Kaufpreises die Gegenrechte von B prüfen<br />

müssen. In diesem <strong>Fall</strong> hätte das Ergebnis wie folgt gelautet:<br />

A hat gegen B gemäß § 433 II BGB einen Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises<br />

in Höhe von € 200.- Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung der<br />

Waschmaschine.<br />

Es zeigt sich also, daß die Einrede des gegenseitigen Vertrags von beiden Parteien<br />

gegenüber dem Anspruch der jeweils anderen Partei erhoben werden kann. <strong>Die</strong>s<br />

liegt daran, daß keine der Parteien mit ihrer Hauptleistungspflicht vorleistungspflichtig<br />

ist.<br />

Exkurs III.<br />

<strong>Die</strong> Unterteilung in Anspruchsvoraussetzungen, Einwendungen und<br />

Gegeneinwendungen erleichtert zum einen eine systematische Subsumtion des<br />

vorliegenden Lebenssachverhalts. Zum anderen hat diese Einteilung aber auch<br />

Bedeutung für die Verteilung der Beweislast. Grundsätzlich hat der Anspruchsteller<br />

die Voraussetzungen seines Anspruchs zu beweisen. Der Anspruchsgegner muß<br />

dagegen das Vorliegen einer Einwendung beweisen; die Gegeneinwendungen muß<br />

wiederum der Anspruchsteller beweisen, usw. <strong>Die</strong> Frage, ob eine gesetzliche<br />

Vorgabe als Tatbestandsvoraussetzung oder aber als Einwendung zu behandeln ist,<br />

hat also für die Praxis erhebliche Bedeutung. In der universitären Ausbildung spielt<br />

diese Problematik jedoch nur beim Aufbau der <strong>Fall</strong>ösung eine Rolle (siehe oben).


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Einwendungen/Einreden<br />

I. Grundsätzliches<br />

<strong>Die</strong> Gegenrechte des Anspruchsgegners werden in der juristischen Fachsprache<br />

zunächst ganz allgemein als „Einwendungen“ bezeichnet (siehe z. B. den Wortlaut<br />

von § 404 BGB).<br />

<strong>Die</strong>ser Oberbegriff zerfällt in die sogenannten „Einwendungen“ im engeren bzw. im<br />

rechtstechnischen Sinne sowie in die sogenannten „Einreden“ genannt (mit dem<br />

Begriff Einwendungen in § 404 BGB sind also Einwendungen und Einreden im<br />

rechtstechnischen Sinne gemeint).<br />

Während die Einwendungen rechtshindernd oder rechtsvernichtend sind, wirken die<br />

Einreden nur rechtshemmend. Der Unterschied zeigt sich insbesondere im Prozeß.<br />

Bei den Einwendungen genügt es, daß die Partei vor Gericht den Sachverhalt<br />

vorträgt, aus dem sich die Einwendung ergibt; der Richter muß die Einwendungen<br />

dann von Amts wegen beachten. Bei den Einreden genügt im Prozeß nicht der<br />

Vortrag des Sachverhalts, die Partei muß sich auch ausdrücklich auf die Einrede<br />

berufen. In der universitären Ausbildung spielt diese Unterscheidung nur eine geringe<br />

Rolle. Alle in Frage kommenden Gegenrechte der Partei, seien es Einwendungen<br />

oder Einreden, müssen beachtet und geprüft werden. In fortgeschrittenen Semestern<br />

wird allerdings erwartet, daß der Prüfling darauf hinweist, daß z. B. die Einrede der<br />

Verjährung nur dann den Anspruch hemmt, wenn sich der Anspruchsgegner darauf<br />

beruft.<br />

A. Einwendungen<br />

Als Einwendungen werden die Gegenrechte einer Partei bezeichnet, die den<br />

Anspruch der Gegenseite entweder erst gar nicht entstehen (rechtshindernde


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Einwendungen) oder aber nachträglich untergehen lassen (rechtsvernichtende<br />

Einwendungen).<br />

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aa. Rechtshindernde Einwendungen<br />

Beispiele für rechtshindernde Einwendungen sind z. B. die §§ 105, 108. 11, 116 Satz<br />

2, 117, 118, 119, 125, 134, 138, 177, 180, 181, 185, 779 BGB. <strong>Die</strong> Aufzählung ist<br />

nicht abschließend.<br />

bb. Rechtsvernichtende Einwendungen<br />

Beispiele für rechtsvernichtende Einwendungen sind z. B. die §§ 109 Abs. 1, 158<br />

Abs. 2, 178, 275, 362, 364 Abs. 1, 378, 389, 397 BGB. Auch diese Aufzählung ist<br />

nicht erschöpfend.<br />

B. Einreden<br />

Einreden lassen den Anspruch einer Partei grundsätzlich bestehen, hemmen ihn<br />

jedoch dauernd oder endgültig.<br />

aa. Dauernde (peremptorische) Einreden<br />

Dauernde Einreden führen zu einer endgültigen Hemmung des Anspruchs und<br />

kommen daher im Ergebnis den Einwendungen gleich (zum grundsätzlichen<br />

Unterschied zwischen Einwendungen und Einreden siehe oben). Klassisches<br />

Beispiel ist die Verjährungseinrede.


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bb. Vorübergehend hemmende (dilatorische) Einreden<br />

Dilatorische Einreden hemmen den Anspruch nur vorübergehend. Eine dilatorische<br />

Einrede ist z. B. die Stundung des Anspruchs. Eine weitergehende dilatorische<br />

Einwendung ist das Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB.<br />

Auch das BGB geht von einem Unterschied zwischen einer dilatorischen und einer<br />

peremptorischen Einrede aus. So bestimmt z. B. § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB, daß das<br />

zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete auch dann zurückgefordert<br />

werden kann, wenn dem Anspruch eine Einrede entgegenstand, durch welche die<br />

Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausgeschlossen wurde, eine Ausnahme<br />

gilt nur für die Verjährung (§ 813 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Gesetzgeber hat in dieser<br />

Vorschrift klargestellt, daß eine Rückforderung nach Bereicherungsrecht auch<br />

möglich ist, wenn der Anspruch, auf den geleistet wurde zwar bestand, aber dessen<br />

<strong>Du</strong>rchsetzung eine dauerhafte Einrede entgegenstand. Wird eine betagte Forderung<br />

erfüllt (dilatorische Einrede), kann das Geleistete nicht zurückgefordert werden (§<br />

813 II BGB).<br />

II. <strong>Fall</strong>ösung<br />

Grundsätzlich gilt, daß die Prüfung von Einwendungen des Anspruchsgegners erst<br />

nach den Anspruchsvoraussetzungen geprüft werden. Liegen nicht alle<br />

Anspruchsvoraussetzungen vor, dann bedarf es schon gar keiner Prüfung der<br />

Einwendungen, da der Anspruch von vornherein nicht besteht.<br />

Von dem o. g. Grundsatz kann es manchmal aus Gründen des <strong>Fall</strong>aufbaus sinnvoll<br />

sein, bei rechtshindernden Einwendungen eine Ausnahme zu machen und diese<br />

bereits als sog. unechte Tatbestandsmerkmale der Anspruchsnorm mit zu prüfen.<br />

<strong>Die</strong>s gilt insbesondere dann, wenn der Sachverhalt, aus dem sich die Einwendung<br />

ergibt, auch Einfluß auf die Tatbestandsvoraussetzung der Anspruchsnorm hat.<br />

<strong>Die</strong>s sei an zwei Beispielen näher erläutert:


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A.<br />

A schließt mit dem minderjährigen B (15 Jahre) einen Vertrag. Zwar ist die<br />

Minderjährigkeit eines Beteiligten grundsätzlich eine Einwendung; aber schon bei der<br />

Prüfung, ob zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen, muß bereits die<br />

Minderjährigkeit des B berücksichtigt werden: Zum einen könnte bei einem<br />

beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen u. U. das Problem erörtert werden, ob<br />

der Minderjährige ein Erklärungsbewusstsein, also das Bewusstsein, etwas<br />

Rechtserhebliches er erklären, haben kann, weil es ohne ein solches schon an einem<br />

(unverzichtbaren) Tatbestandsmerkmal der Willenserklärung mangeln würde (dies<br />

kann wohl regelmäßig bejaht werden). Des weiteren muß beim beschränkt<br />

Geschäftsfähigen die Frage beantwortet werden, ob die Voraussetzungen des § 107<br />

BGB (Einwilligung des gesetzlichen Vertreters) erfüllt sind. Darüber hinaus hat die<br />

Minderjährigkeit Relevanz für den Zugang der Willenserklärung: wird eine<br />

Willenserklärung gegenüber einer beschränkt geschäftsfähigen Person abgegeben,<br />

wird diese erst wirksam, wenn sie dessen Vertreter zugeht (§ 131 Abs. 2 BGB).<br />

Für die Einwendung der Minderjährigkeit, die eine rechtshindernde Einwendung<br />

darstellt, wäre es daher sehr unpraktisch, wenn nicht gar missverständlich, zunächst<br />

eine Willenserklärung anzunehmen und dann nach der Prüfung der Einwendung zum<br />

Ergebnis zu gelangen, es liege aufgrund der Minderjährigkeit des B doch keine<br />

(wirksame) Willenserklärung vor. Bei der Einwendung der Minderjährigkeit empfiehlt<br />

es sich also, diese bereits als unechtes Tatbestandsmerkmal der<br />

Anspruchsgrundlage mitzuprüfen. Sofern nach der Beweislast ge<strong>fragt</strong> wird, muß<br />

allerdings der Hinweis erfolgen, daß es sich trotz der Prüfung als<br />

Tatbestandsmerkmal um eine Einwendung handelt.<br />

Der tiefere Grund für die Prüfung der o. g. Einwendung als unechtes<br />

Tatbestandsmerkmal liegt darin, daß die durch den Defekt (die Minderjährigkeit)<br />

verursachte Einwendung bereits bei der Abgabe der Willenserklärung vorliegt und<br />

nicht erst später entsteht (dazu siehe sogleich).<br />

B.


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A droht dem B mit der Tötung seines Kindes, wenn er ihm nicht eine Sache für €<br />

200.- verkaufe. Daraufhin schließen A und B einen Kaufvertrag über € 200,-.<br />

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<strong>Die</strong> rechtshindernde Einwendung, die hier gegen den Vertragsschluß vorgebracht<br />

werden kann, ist in § 123 BGB normiert (Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder<br />

Drohung). Evtl. könnte auch § 138 BGB vorliegen (Sittenwidrigkeit). Man könnte aber<br />

auch die Frage stellen, ob überhaupt zwei übereinstimmende Willenserklärungen<br />

vorliegen; denn mangels freiem Willensentschluß des B könnte es bereits deshalb an<br />

einer wirksamen Willenserklärung fehlen.<br />

Bezüglich der sich aus der Drohung ergebenden Einwendungen der Sittenwidrigkeit<br />

(§ 138 BGB) bzw. der mangelnden Willensfreiheit (§ 104 Nr. 2 BGB) gilt das bereits<br />

oben Gesagte: <strong>Die</strong>se rechtshindernden Einwendungen bestehen bereits zum<br />

Zeitpunkt des Vertragsschlusses und sind daher als unechte Tatbestandsmerkmale<br />

mitzuprüfen.<br />

Etwas anderes gilt für die sich aus der Drohung ergebende Einwendung des § 123<br />

BGB. <strong>Die</strong>se Einwendung wirkt zwar gemäß § 142 Abs. 1 BGB auf den<br />

Vertragsschluß zurück (der Vertrag gilt als von Anfang an nichtig) und ist daher nach<br />

herrschender Meinung eine rechtshindernde Einwendung, betrachtet man aber<br />

lediglich die (tatsächliche) Zeitachse, dann lag diese Einwendung zum Zeitpunkt des<br />

Vertragsschlusses noch nicht vor, sondern entstand, wenngleich aus rechtlicher Sicht<br />

rückwirkend, erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich mit der Anfechtung des<br />

Vertrages. Da der Aufbau aus Gründen des Verständnisses in der Regel dem<br />

tatsächlichen Zeitablauf folgen sollte, kann die rechtshindernde Einwendung des §<br />

123 BGB auch als solche geprüft werden und nicht schon als unechtes<br />

Tatbestandsmerkmal.<br />

Zusammenfassung: Eine allgemeingültige Regel für alle Fälle gibt es nicht. Es muß<br />

daher im Einzelfall mit Fingerspitzengefühl entschieden werden, ob eine<br />

rechtshindernde Einwendung bereits als sog. unechtes Tatbestandsmerkmal der<br />

Anspruchsnorm mitgeprüft werden soll. <strong>Die</strong>s ist vor allem aus Sicht der<br />

Zweckmäßigkeit des Anspruchsaufbaus zu beurteilen. Bei den rechtsvernichtenden


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Einwendungen bleibt es bei der Grundregel, daß diese nach den<br />

Tatbestandsmerkmalen der Anspruchsnorm geprüft werden.<br />

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<strong>Die</strong> Prüfung von Einwendungen erfolgt in derselben Weise, wie die Prüfung von<br />

Anspruchsnormen.<br />

Möglich ist auch, daß es gegen einen Anspruch mehrere Einwendungen oder<br />

Einreden gibt. <strong>Die</strong>se sind dann hintereinander zu prüfen. <strong>Die</strong> Reihenfolge ergibt sich<br />

aus der Zweckmäßigkeit für die <strong>Fall</strong>ösung.<br />

III. Beweislast<br />

<strong>Die</strong> Frage, ob eine entsprechende Norm zu der Anspruchsvoraussetzung, zu der<br />

Einwendung zur Replik, zur <strong>Du</strong>plik oder zur Triplik gehört, hat Folgen für die<br />

Beweislast. Grundsätzlich muß der Gläubiger die Anspruchsvoraussetzungen<br />

beweisen. <strong>Die</strong> Einwendungen muß der Schuldner beweisen, die Replik gegen die<br />

Einwendungen muß der Gläubiger beweisen, die <strong>Du</strong>plik gegen die Replik muß der<br />

Schuldner beweisen und die Triplik gegen die <strong>Du</strong>plik muß der Gläubiger beweisen,<br />

etc.<br />

IV. Erkennen von Einwendungen und Einreden<br />

Im Gesetzestext läßt sich eine Gegennorm oftmals an der Formulierung erkennen.<br />

Besonders häufig benutzte Formulierungen sind:<br />

„tritt nicht ein, wenn“ (z. B. § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB);<br />

„ist nicht verantwortlich“ (z. B. § 827 S. 1 BGB);<br />

„es sei denn, daß“ (z.B. §§ 145, 178 BGB).


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Immer dann, wenn eine der o. g. Formulierungen auftaucht, ist dies ein Zeichen<br />

dafür, daß die der Formulierung nachfolgenden Voraussetzungen nicht zur<br />

Anspruchsnorm gehören, sondern eine Gegennorm darstellen. Taucht eine der o. g.<br />

Formulierungen in einer Einwendung auf, dann handelt es sich ei den der<br />

Formulierung nachfolgenden Voraussetzungen nicht mehr um Tatbestandsmerkmale<br />

der Einwendung, sondern um Tatbestandsmerkmale einer Replik. Ein solches<br />

Beispiel dafür findet sich in § 320 BGB. <strong>Die</strong> dort normierte Regelung kann vom<br />

Schuldner als Einrede gegen den sich gegen ihn richtenden Anspruch vorgebracht<br />

werden. Soweit ein gegenseitiger Vertrag vorliegt, kann der Schuldner die ihm<br />

obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern. Weiter heißt<br />

es jedoch in § 320 GB: „es sei denn, daß er vorzuleisten verpflichtet ist.“. An dieser<br />

Formulierung kann man erkennen, daß die Vorleistungspflicht kein<br />

Tatbestandsmerkmal der Einrede des nichterfüllten Vertrags ist, sondern eine Replik<br />

gegen diese Einrede, die wiederum der Anspruchssteller zu beweisen hat. Das<br />

Gleiche kann selbstverständlich auch bei <strong>Du</strong>pliken und Tripliken auftauchen.<br />

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