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Aufhebung der Aufhebung einer Ausschreibung durch die ... - NASG

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<strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> <strong>durch</strong> <strong>die</strong> Vergabekammer? VergabeR 6/2002<br />

Rechtsanwältin Katja Gnittke und Rechtsanwältin Dr. Natalie Michels, Berlin [*]<br />

<strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> <strong>durch</strong> <strong>die</strong><br />

Vergabekammer?<br />

Praktische Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil vom 18.6. 2002 … Rs. C 92/00 …<br />

A. Einleitung<br />

Mit … bereits vielbeachtetem … Urteil vom<br />

18.6. 2002 (Hospital Ingenieure, Rs. C-92/00)<br />

[1] hat <strong>der</strong> EuGH entschieden, daß <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

<strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> in einem Nachprüfungsverfahren<br />

auf Verstöße gegen das<br />

Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen<br />

Auftragswesens o<strong>der</strong> gegen <strong>die</strong> einzelstaatlichen<br />

Vorschriften, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ses Recht<br />

umsetzen, überprüft und gegebenenfalls aufgehoben<br />

werden kann. Das Urteil des EuGH<br />

hat in <strong>der</strong> Literatur bereits Begeisterungsrufe<br />

ausgelöst [2]. Erste Interpretationen <strong>durch</strong><br />

Vergabekammern liegen vor [3]. Entscheidungen<br />

von Oberlandesgerichten stehen<br />

noch aus, sind aber in Kürze zu erwarten. Ob<br />

das EuGH-Urteil für <strong>die</strong> Bieter den Ausruf<br />

„Ende gut, Zukunft gut“ [4] tatsächlich rechtfertigt,<br />

soll im folgenden näher untersucht<br />

werden.<br />

B. Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages<br />

trotz erfolgter <strong>Aufhebung</strong><br />

Bis zu <strong>der</strong> genannten Entscheidung des<br />

EuGH vom 18.6.2002 ging <strong>die</strong> nationale<br />

obergerichtliche Rechtsprechung davon aus,<br />

daß <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> eines Vergabeverfahrens<br />

nicht zum Gegenstand eines Nachprüfungsantrags<br />

gemacht werden kann [5]. Antragsbefugt<br />

i. S. von § 107 Abs. 2 des Gesetzes gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist<br />

nämlich nur ein Unternehmen, das ein Interesse<br />

am Auftrag hat und eine Verletzung in<br />

seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB <strong>durch</strong><br />

Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend<br />

macht. Die Rechtsprechung ging davon<br />

aus, daß es nach <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> an einem<br />

noch bestehenden Interesse an <strong>der</strong> Erteilung<br />

des Auftrags fehle [6]. Ein Unternehmen, das<br />

ein Interesse am Auftrag nicht hat (<strong>der</strong> Auftrag<br />

wird nicht mehr vergeben), son<strong>der</strong>n vielmehr<br />

nur „gehabt hat“, sollte nach dem Wortlaut<br />

des § 107 Abs. 2 GWB nicht antragsbefugt<br />

sein [7]. Ferner wurde mit dem Zweck<br />

des Gesetzes, das <strong>der</strong> Überprüfung laufen<strong>der</strong><br />

Vergabeverfahren <strong>durch</strong> <strong>die</strong> Schaffung eines<br />

Primärrechtsschutzes <strong>die</strong>nen soll, argumentiert<br />

[8].<br />

Etwas an<strong>der</strong>s galt nach <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />

nur dann, wenn <strong>der</strong> öffentliche Auftraggeber<br />

<strong>die</strong> <strong>Ausschreibung</strong> nur zum Schein aufgehoben<br />

hat, um den Auftrag unter Mißachtung<br />

von <strong>Ausschreibung</strong>sverpflichtungen an einen<br />

Dritten, <strong>der</strong> nicht im Vergabeverfahren ausgewählt<br />

wurde, zu vergeben [9]. Anknüpfungspunkt<br />

für <strong>die</strong> Überprüfung ist in <strong>die</strong>sem Fall<br />

aber letztlich <strong>die</strong> vergaberechtswidrige Beauftragung<br />

eines Dritten, weniger <strong>die</strong> zum<br />

Schein erfolgte <strong>Aufhebung</strong>. In einem solchen<br />

Fall wird nämlich angenommen, daß es sich<br />

bei <strong>der</strong> Beauftragung in Wirklichkeit um <strong>die</strong><br />

Fortsetzung ein und desselben Vergabeverfahrens<br />

handele, daß <strong>die</strong>ses Verfahren also<br />

„in Wahrheit“ gar nicht aufgehoben worden<br />

sei [10].<br />

Nur vereinzelt, so z. B. in <strong>einer</strong> Entscheidung<br />

<strong>der</strong> Vergabekammer des Bundes vom<br />

26.1. 2000 wurde noch <strong>die</strong> Auffassung vertreten,<br />

daß <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> eines Vergabeverfah-<br />

[*] Sozietät Gaßner, Groth, Sie<strong>der</strong>er & Coll.<br />

[1] EuGH, VergabeR 2002, 361, NZBau 2002, 458ff.<br />

[2] Vgl. Prieß, EuGH locuta, causa finita: Die <strong>Aufhebung</strong> ist aufhebbar,<br />

NZBau 2002, 433 ff.; Hübner, Die <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Ausschreibung</strong><br />

… Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens?, VergabeR 2002, 429;<br />

Portz, <strong>Aufhebung</strong> von <strong>Ausschreibung</strong>en im Nachprüfungsverfahren<br />

angreifbar, ZfBR 2002, 551ff.<br />

[3] Vergabekammer bei <strong>der</strong> Finanzbehörde Hamburg, Beschluß v.<br />

25. 7.2002 … VgK FB 1/02 …; Vergabekammer Brandenburg, Beschluß<br />

v. 30. 7. 2002 … VK 38/02 … (nicht bestandskräftig); Beschluß<br />

v. 17.9.2002 … VK 50/02 … (nicht bestandskräftig); Vergabekammer<br />

Sachsen, Beschluß v. 21.8. 2002 … 1/SVK/077…02 … (nicht bestandskräftig);<br />

Vergabekammer Nordbayern, Beschluß v. 12. 9. 2002 … 320<br />

VK … 3194 … 25/02.<br />

[4] Prieß, a.a.O, S.434.<br />

[5] OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 306ff., 309; OLG Rostock, NZBau<br />

2000, 597; OLG Hamburg, NZBau 2001, 460 ff., 461, 462; OLG<br />

Naumburg, Beschluß v. 3. 3. 2000 … 1 Verg 2/99 …; OLG Dresden, Beschluß<br />

v. 13. 7. 2000 … WVerg 3/00 …, ZVgR 2000, 222ff.<br />

[6] An<strong>der</strong>s Vergabekammer des Bundes, Beschluß v. 26.1. 2000,<br />

BauR 2000, 1096 f.<br />

[7] Vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 309.<br />

[8] So OLG Naumburg, Beschluß v. 3. 3.2000 … 1 Verg 2/99 … unter<br />

bezug auf <strong>die</strong> Amtliche Begründung des Vergaberechtsän<strong>der</strong>ungsgesetzes.<br />

In <strong>der</strong> Begründung des Gesetzesentwurfs <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

zum GWB heißt es auch ausdrücklich, das Recht auf Einhaltung<br />

<strong>der</strong> Vergaberegeln könne nur bis zum Abschluß des Vergabeverfahrens<br />

geltend gemacht werden. Gegenstand <strong>der</strong> Nachprüfung<br />

sei das noch nicht abgeschlossene Vergabeverfahren.<br />

[9] OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 306ff.<br />

[10] OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 306 ff., 308.<br />

571


VergabeR 6/2002<br />

GNITTKE/MICHELS<br />

rens über <strong>die</strong>se Fälle hinaus generell im<br />

Nachprüfungsverfahren überprüft werden<br />

kann [11]. Nunmehr könnte <strong>die</strong>se Auffassung<br />

wie<strong>der</strong> aktuell werden.<br />

Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom<br />

18.6. 2002 zur Zulässigkeit von Nachprüfungsanträgen,<br />

<strong>die</strong> sich gegen <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

<strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> wenden, geäußert. Er ist<br />

dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß <strong>die</strong><br />

Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers,<br />

auf <strong>die</strong> Vergabe zu verzichten, im Nachprüfungsverfahren<br />

überprüft und gegebenenfalls<br />

aufgehoben werden können muß. Feststehen<br />

dürfte, daß <strong>die</strong> Rechtsprechung, nach <strong>der</strong> ein<br />

Nachprüfungsantrag nach <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Ausschreibung</strong> grundsätzlich unzulässig war,<br />

nicht mehr aufrechterhalten werden kann.<br />

Dem Urteil des EuGH kann allerdings nicht<br />

entnommen werden, daß Nachprüfungsverfahren<br />

gegen eine <strong>Aufhebung</strong> nunmehr in jedem<br />

Fall zulässig sind. Vielmehr werden auch<br />

weiterhin <strong>die</strong> allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e aus § 107 GWB,<br />

Geltung beanspruchen können und von den<br />

Vergabekammern im Einzelfall geprüft werden<br />

müssen. Die Grundsätze, <strong>die</strong> sich im<br />

übrigen in <strong>der</strong> nationalen Rechtsprechung<br />

zur Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB<br />

herausgebildet haben [12], werden von dem<br />

Urteil nicht in Frage gestellt. Die ersten Entscheidungen<br />

<strong>der</strong> Vergabekammern nach Ergehen<br />

des Urteils legen dementsprechend<br />

§ 107 Abs. 2 GWB, abgesehen von <strong>der</strong> nun<br />

angenommenen Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens<br />

nach <strong>Aufhebung</strong> eines Verfahrens,<br />

wie gewohnt aus [13].<br />

572<br />

So dürfte auch für den Fall eines Nachprüfungsverfahrens,<br />

das sich gegen <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ausschreibung</strong> richtet, eine unverzügliche<br />

Rüge nach § 107 Abs. 3 GWB erfor<strong>der</strong>lich<br />

sein. Dies wird von <strong>der</strong> Vergabekammer<br />

bei <strong>der</strong> Finanzbehörde Hamburg und<br />

von <strong>der</strong> Vergabekammer Brandenburg mit<br />

dem Argument in Frage gestellt, daß erstens<br />

<strong>die</strong> Rechtsschutzmöglichkeiten des Bieters<br />

verkürzt würden, wenn <strong>die</strong> Vergabekammer<br />

nicht ohne Rüge sofort angerufen werden<br />

könnte, und zweitens … so nur <strong>die</strong> Vergabekammer<br />

Brandenburg … eine Rüge im Fall <strong>der</strong><br />

<strong>Aufhebung</strong> ohnehin von vornherein zwecklos<br />

wäre [14]. Die Vergabekammer bei <strong>der</strong> Finanzbehörde<br />

Hamburg sowie <strong>die</strong> Vergabekammer<br />

Brandenburg sind zunächst beide<br />

<strong>der</strong> Auffassung, daß <strong>die</strong> <strong>durch</strong> eine Rüge eintretende<br />

Zeitverzögerung <strong>die</strong> Möglichkeit des<br />

Bieters einschränkt, eine in Aussicht genommene<br />

<strong>Aufhebung</strong> o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>weitige Beauftragung<br />

eines Dritten <strong>durch</strong> einen Nachprüfungsantrag<br />

noch zu verhin<strong>der</strong>n. Nach<br />

Ansicht <strong>der</strong> Vergabekammer Brandenburg<br />

dokumentiert außerdem <strong>der</strong> Auftraggeber mit<br />

<strong>einer</strong> <strong>Aufhebung</strong> seinen definitiven Willen,<br />

das Verfahren unabhängig von <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong><br />

Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> unbedingt zu<br />

beenden. Damit sei eine Rüge als bloße Förmelei<br />

anzusehen und deshalb entbehrlich.<br />

Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen.<br />

Mangels <strong>einer</strong> dem § 114 Abs. 2 Satz 1<br />

GWB entsprechenden Regelung für <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

kommt es für <strong>die</strong> Rechtsschutzmöglichkeiten<br />

des Bieters nicht auf <strong>die</strong> Frage an,<br />

ob er ein Nachprüfungsverfahren schon vor<br />

o<strong>der</strong> erst nach <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> des Vergabeverfahrens<br />

eingeleitet hat. § 107 Abs. 3 Satz 1<br />

GWB bezieht sich außerdem schon seinem<br />

Wortlaut nach auf alle Verstöße gegen Vergabevorschriften.<br />

Verstöße gegen Vorschriften,<br />

<strong>die</strong> <strong>einer</strong> <strong>Aufhebung</strong> entgegenstehen könnten,<br />

sind davon nicht ausgenommen. Zweck<br />

des Rügeerfor<strong>der</strong>nisses ist es, <strong>der</strong> Einleitung<br />

unnötiger Nachprüfungsverfahren entgegenzuwirken,<br />

indem dem Auftraggeber <strong>die</strong> Gelegenheit<br />

gegeben wird, den gerügten Fehler<br />

zu korrigieren und damit ein Nachprüfungsverfahren<br />

zu vermeiden [15]. Der Gesetzgeber<br />

wollte ersichtlich für jeden Fall eines Vergabeverstoßes,<br />

<strong>der</strong> ein Nachprüfungsverfahren<br />

nach sich ziehen kann, <strong>die</strong> unnötige Einleitung<br />

eines solchen Verfahrens verhin<strong>der</strong>n.<br />

Soweit nunmehr auch <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> eines<br />

Vergabeverfahrens im Nachprüfungsverfahren<br />

auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden<br />

[11] 1. Vergabekammer des Bundes, Beschluß v. 26.1.2000, BauR<br />

2000, 1096 f.<br />

[12] Vgl. Boesen, Kommentar zum Vergaberecht, 1. Aufl. 2000, §107<br />

Rdnr. 54.<br />

[13] Vergabekammer bei <strong>der</strong> Finanzbehörde Hamburg, Beschluß v.<br />

25. 7.2002 … VgK FB 1/02 …; Vergabekammer Brandenburg, Beschluß<br />

v. 30. 7. 2002 … VK 38/02 …; Beschluß v. 17.9.2002 … VK<br />

50/02 …; Vergabekammer Sachsen, Beschluß v. 21. 8. 2002 … 1/SVK/<br />

077…02 ….<br />

[14] Vergabekammer bei <strong>der</strong> Finanzbehörde Hamburg, Beschluß v.<br />

25. 7.2002 … VgK FB 1/02 …; Vergabekammer Brandenburg, Beschluß<br />

v. 17. 9. 2002 … VK 50/02 …, an<strong>der</strong>s noch im Beschluß v.<br />

30. 7.2002 … VK 38/02 ….<br />

[15] Boesen, Vergaberecht, Kommentar, 1.Aufl. 2000, §107<br />

Rdnr. 57; Portz, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht,<br />

Neuwied/Kriftel 2000, §107 Rdnr. 27.


<strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> <strong>durch</strong> <strong>die</strong> Vergabekammer? VergabeR 6/2002<br />

kann, muß ein in <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> liegen<strong>der</strong><br />

Verstoß gegen Vergabevorschriften ebenso<br />

unverzüglich gerügt werden, wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Verstoß gegen Vergaberecht auch.<br />

C. Prüfungsmaßstab im Nachprüfungsverfahren<br />

1. Einleitung: Aussagen des EuGH zum<br />

Prüfungsmaßstab<br />

Aus <strong>der</strong> Entscheidung des EuGH folgt, daß<br />

ein Nachprüfungsantrag nach erfolgter <strong>Aufhebung</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ausschreibung</strong> nicht grundsätzlich<br />

unzulässig ist. Doch was folgt hieraus für<br />

<strong>die</strong> Bieter und <strong>die</strong> öffentlichen Auftraggeber<br />

im konkreten Vergabeverfahren? Es stellt<br />

sich <strong>die</strong> Frage, anhand welcher Maßstäbe <strong>die</strong><br />

Vergabekammern und Gerichte <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong>sentscheidungen<br />

überprüfen werden.<br />

Von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung ist insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>die</strong> Frage, ob allein gemeinschaftsrechtliche<br />

Grundsätze bei <strong>der</strong> Entscheidung über<br />

<strong>die</strong> Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> eine Rolle<br />

spielen werden o<strong>der</strong> ob auch <strong>die</strong> Einhaltung<br />

<strong>der</strong> nationalen Vorschriften, insbeson<strong>der</strong>e<br />

des § 26 VOL/A bzw. § 26 VOB/A Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Prüfung ist.<br />

Grundlegende Begründungserwägung des<br />

EuGH ist <strong>die</strong> Durchsetzung effektiven Rechtsschutzes.<br />

Der EuGH stützt sich auf Art.1<br />

Abs.1 <strong>der</strong> Rechtsmittelrichtlinie [16], nach<br />

dem <strong>die</strong> Mitgliedstaaten <strong>die</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Maßnahmen ergreifen müssen, um sicherzustellen,<br />

daß im Rahmen von Vergabeverfahren<br />

<strong>die</strong> Entscheidungen <strong>der</strong> Vergabebehörden<br />

wirksam und vor allem möglichst rasch<br />

auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht<br />

überprüft werden können. Eine Verpflichtung<br />

zur Überprüfung <strong>der</strong> Entscheidungen von<br />

Vergabestellen aus europäischem Gemeinschaftsrecht<br />

auf <strong>die</strong> Einhaltung nationalen<br />

Rechts ist nach dem Urteil des EuGH auf solche<br />

nationalen Vorschriften beschränkt, <strong>die</strong><br />

<strong>der</strong> Umsetzung des Gemeinschaftsrechts<br />

<strong>die</strong>nen [17]. Das Urteil des EuGH bezieht sich<br />

damit nur auf <strong>die</strong> Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher<br />

Vorgaben. Konsequenzen<br />

für <strong>die</strong> Vergaberechtspraxis können dem Urteil<br />

also nur insoweit entnommen werden, als<br />

bei <strong>einer</strong> <strong>Aufhebung</strong> gegen Vorgaben verstoßen<br />

wird, <strong>die</strong> sich aus dem europäischen Primär-<br />

o<strong>der</strong> Sekundärrecht ergeben.<br />

Zu <strong>der</strong> Frage, welche Vorgaben aus dem europäischen<br />

Recht von <strong>der</strong> Vergabestelle bei<br />

<strong>der</strong> Entscheidung über <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> eines<br />

Vergabeverfahrens zu beachten sind, hat <strong>der</strong><br />

EuGH ebenfalls Stellung genommen. Er hat<br />

zunächst festgestellt, daß <strong>die</strong> Überprüfung<br />

<strong>der</strong> Entscheidung des Auftraggebers nicht allein<br />

auf ihre Willkürfreiheit beschränkt werden<br />

darf [18]. Außerdem hat er materielle Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

definiert, <strong>die</strong> bei <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

eines Verfahrens zu beachten sind.<br />

Nach dem Urteil des EuGH kommen hierfür<br />

das Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot<br />

sowie <strong>die</strong> allgemeinen Vorschriften<br />

des EG-Vertrages in Betracht.<br />

2. Vergaberichtlinien<br />

(und § 26 a VOL/A/VOB/A)<br />

Vorgaben für <strong>die</strong> Vergabe öffentlicher Aufträge<br />

finden sich im europäischen Sekundärrecht<br />

in <strong>der</strong> Richtlinie 92/50/EWG über <strong>die</strong><br />

Koordinierung <strong>der</strong> Verfahren zur Vergabe<br />

öffentlicher Dienstleistungsaufträge, in <strong>der</strong><br />

Richtlinie des Rates 93/37 EWG zur Koordinierung<br />

<strong>der</strong> Verfahren zur Vergabe öffentlicher<br />

Bauaufträge sowie in <strong>der</strong> Richtlinie 93/<br />

36/EG über <strong>die</strong> Koordinierung <strong>der</strong> Verfahren<br />

zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge.<br />

Die Richtlinien enthalten jeweils nur eine Bestimmung,<br />

<strong>die</strong> Vorgaben für <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

von <strong>Ausschreibung</strong>en enthält. Aus <strong>die</strong>ser Bestimmung<br />

ergibt sich jeweils nur <strong>die</strong> Verpflichtung,<br />

den Bewerbern und Bietern den<br />

Verzicht auf <strong>die</strong> Vergabe möglichst rasch mitzuteilen<br />

und <strong>die</strong> Gründe für den Verzicht anzugeben.<br />

Der EuGH selbst stellt für <strong>die</strong> für<br />

seine Entscheidung relevante Dienstleistungsrichtlinie<br />

fest, daß in Art.12 Abs. 2 nur<br />

bestimmt ist, daß <strong>der</strong> Auftraggeber den Bewerbern<br />

und Bietern so rasch wie möglich<br />

mitteilt, daß und aus welchen Gründen er<br />

eine Entscheidung über den Verzicht auf <strong>die</strong><br />

Vergabe getroffen hat [19]. Dieselben Vorgaben<br />

ergeben sich für Bauaufträge aus Art. 8<br />

Abs. 2 <strong>der</strong> Baukoordinierungsrichtlinie und<br />

für Lieferaufträge aus Art.7 Abs. 2 <strong>der</strong> Liefer-<br />

[16] Richtlinie 89/665/EWG zur Koordinierung <strong>der</strong> Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />

für <strong>die</strong> Anwendung <strong>der</strong> Nachprüfungsverfahren<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge.<br />

[17] EuGH, a. a.O., Rdnr. 55.<br />

[18] EuGH, a. a.O., Rdnr. 64.<br />

[19] EuGH, a. a.O., Rdnr. 39.<br />

573


VergabeR 6/2002<br />

GNITTKE/MICHELS<br />

koordinierungsrichtlinie. Diese Vorgaben<br />

werden <strong>durch</strong> <strong>die</strong> §§ 26a VOL/A und VOB/A<br />

in das nationale Recht umgesetzt. Sie sind<br />

als Ausfluß <strong>der</strong> Vorgaben <strong>der</strong> Richtlinien damit<br />

Prüfungsmaßstab für <strong>die</strong> Rechtmäßigkeit<br />

<strong>einer</strong> <strong>Aufhebung</strong>sentscheidung nach dem<br />

Urteil des EuGH [20]. Weitergehende Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

etwa an <strong>die</strong> Voraussetzungen für<br />

eine <strong>der</strong>artige Entscheidung ergeben sich<br />

aus den Vergaberichtlinien nicht.<br />

3. §§26 VOL/A und VOB/A<br />

Nach den §§ 26 VOL/A und VOB/A kann eine<br />

<strong>Ausschreibung</strong> aufgehoben werden, wenn <strong>einer</strong><br />

<strong>der</strong> auf wenige Fälle begrenzten dort aufgeführten<br />

Gründe vorliegt. Beispielhaft genannt<br />

seien hier nur <strong>der</strong> Fall, daß kein Angebot<br />

eingegangen ist, das den <strong>Ausschreibung</strong>sbedingungen<br />

entspricht o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fall,<br />

daß <strong>die</strong> <strong>Ausschreibung</strong> kein wirtschaftliches<br />

Ergebnis gehabt hat. Diese Gründe dürfen<br />

vom öffentlichen Auftraggeber nicht selbst<br />

verursacht worden sein und dürfen außerdem<br />

erst nachträglich, d. h. nach Beginn des Vergabeverfahrens<br />

entstanden sein [21].<br />

Die nationalen Vorschriften <strong>der</strong> Verdingungsordnungen<br />

als einzelstaatliche Vorschriften<br />

sind nach dem Urteil des EuGH nur dann Prüfungsmaßstab<br />

für eine Überprüfung <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong>sentscheidung,<br />

wenn sie gemeinschaftsrechtliche<br />

Vorgaben im Bereich des<br />

öffentlichen Auftragswesens umsetzen … soweit<br />

<strong>der</strong> EuGH in seinem Urteil eine Überprüfung<br />

<strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong>sentscheidung auch auf<br />

Verstöße gegen nationales Recht for<strong>der</strong>t, bezieht<br />

er <strong>die</strong>s ausdrücklich nur auf solche nationalen<br />

Vorschriften, <strong>die</strong> das Gemeinschaftsrecht<br />

im Bereich des öffentlichen Auftragswesens<br />

umsetzen. Wie bereits gesehen, enthalten<br />

<strong>die</strong> Vergaberichtlinien keine den §§ 26<br />

VOL/A bzw. 26 VOB/A entsprechenden Vorgaben.<br />

Diese nationalen Vorschriften <strong>die</strong>nen<br />

damit nicht <strong>der</strong> Umsetzung von Gemeinschaftsrecht.<br />

Mangels Anknüpfungspunkt <strong>der</strong><br />

Regelungen <strong>der</strong> §§26 VOB/A und 26 VOL/A<br />

im Gemeinschaftsrecht kann sich <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ung<br />

des EuGH nach Überprüfung <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

nicht auf <strong>die</strong> Einhaltung <strong>die</strong>ser Vorschriften<br />

beziehen.<br />

574<br />

Dem entspricht es auch, wenn <strong>der</strong> EuGH in<br />

seinem Urteil unter Berufung auf seine Entscheidung<br />

Fracasso und Leitschutz [22] ausführt,<br />

<strong>die</strong> Befugnis des öffentlichen Auftraggebers<br />

zur <strong>Aufhebung</strong> sei nicht auf Ausnahmefälle<br />

begrenzt und müsse auch nicht auf<br />

schwerwiegende Gründe gestützt werden<br />

[23]. Der EuGH for<strong>der</strong>t darüber hinaus für <strong>die</strong><br />

Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> we<strong>der</strong> in seinem<br />

aktuellen Urteil noch in <strong>der</strong> Entscheidung<br />

Fracasso und Leitschutz (… Rs. C-27/98 …),<br />

daß hierfür nachträglich entstandene Gründe<br />

vorliegen müssen. Genau <strong>die</strong>se Voraussetzungen<br />

stellen <strong>die</strong> §§ 26 VOL/A und 26 VOB/<br />

A aber auf.<br />

Die Entscheidung des EuGH for<strong>der</strong>t damit<br />

eine Überprüfbarkeit <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> auf <strong>die</strong><br />

Verletzung europäischer Grundsätze des<br />

Vergaberechts, nicht aber <strong>die</strong> Überprüfbarkeit<br />

<strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> auf das Vorliegen von<br />

Gründen, <strong>die</strong> den in § 26 VOL/A bzw. §26<br />

VOB/A genannten Gründen entsprechen.<br />

4. Grundsätze des EG-Primärrechts<br />

Der EuGH greift in seinem Urteil auf allgemeine<br />

Grundsätze des Gemeinschaftsrechts<br />

zurück, <strong>die</strong> generell und daher auch für <strong>die</strong><br />

<strong>Aufhebung</strong> eines Vergabeverfahrens gelten<br />

[24].<br />

a) Gleichheitsgrundsatz/Diskriminierungsverbot<br />

Nach Ansicht des EuGH ist <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong>sentscheidung<br />

auf Verstöße gegen den<br />

Gleichheitsgrundsatz/das Diskriminierungsverbot<br />

zu prüfen [25].<br />

Das Diskriminierungsverbot/<strong>der</strong> Gleichheitsgrundsatz,<br />

<strong>der</strong> für das Vergabeverfahren<br />

auch in § 97 GWB ausdrücklich formuliert ist,<br />

beinhaltet <strong>die</strong> Vorgabe, daß alle Bieter unabhängig<br />

von ihrer Herkunft o<strong>der</strong> Staatsangehörigkeit<br />

gleichbehandelt werden müssen<br />

[26]. Das Gebot <strong>der</strong> Gleichbehandlung verpflichtet<br />

<strong>die</strong> Vergabestelle damit lediglich, allen<br />

Marktteilnehmern gleichmäßigen Zugang<br />

[20] Vgl. auch Transparenzgrundsatz unter 4.b.<br />

[21] BGH, NJW 1998, 3640 ff., 3640, 3641; Fett, in: Müller-Wrede,<br />

Kommentar zur VOL/A, 1.Aufl. 2001, §26 Rdnr. 5.<br />

[22] Urteil v. 16. 9.1999 … Rs. C-27/98 ….<br />

[23] EuGH, NZBau 2002, 458 ff., Rdnr. 40.<br />

[24] EuGH, a. a.O., Rdnr. 42.<br />

[25] EuGH, a. a.O., Rdnr. 45 u. 47.<br />

[26] So z. B. Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar<br />

zum Vergaberecht, §97 Rdnr.102.


<strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> <strong>durch</strong> <strong>die</strong> Vergabekammer? VergabeR 6/2002<br />

zum Vergabeverfahren zu verschaffen und<br />

verbietet ihr, sie in bezug auf den Zugang<br />

zum Verfahren und bei <strong>der</strong> Durchführung des<br />

Verfahrens unterschiedlich zu behandeln.<br />

Ausdruck des Diskriminierungsverbotes ist<br />

z. B. das Verbot <strong>der</strong> Beschränkung des Wettbewerbs<br />

auf bezirksansässige Bewerber<br />

o<strong>der</strong> das Verbot <strong>der</strong> Beschränkung auf bestimmte<br />

Gewerbezweige, ebenso wie das Gebot,<br />

Bietergemeinschaften mit Einzelbietern<br />

gleich zu behandeln. Das im EG-Vertrag verankerte<br />

Diskriminierungsverbot, auf das <strong>der</strong><br />

EuGH in seinem Urteil vom 18.6. 2002 verweist,<br />

soll insbeson<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Diskriminierung<br />

aus Gründen <strong>der</strong> Staatsangehörigkeit verhin<strong>der</strong>n<br />

[27].<br />

Das Diskriminierungsverbot ist daher nur<br />

dann verletzt, wenn <strong>die</strong> Vergabestelle Bieter<br />

im Vergabeverfahren ungleich behandelt.<br />

Entfällt <strong>die</strong> Absicht, den Auftrag überhaupt an<br />

einen Dritten zu vergeben und wird <strong>die</strong>s den<br />

Bietern gleichzeitig mitgeteilt, ist eine Diskriminierung<br />

nicht möglich. In <strong>die</strong>sem Fall werden<br />

nämlich gerade alle Bieter gleich behandelt<br />

… kein Bieter erhält den Auftrag.<br />

Nur in Ausnahmefällen, in denen aber eine<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Beschaffungsabsicht nicht vorliegt,<br />

ist eine Verletzung des Diskriminierungsgrundsatzes<br />

<strong>durch</strong> <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

denkbar: Die deutsche Rechtsprechung ist<br />

stets von <strong>der</strong> Überprüfbarkeit von <strong>Aufhebung</strong>sentscheidungen<br />

in sogenannten Mißbrauchsfällen<br />

ausgegangen [28]. Ein Mißbrauchsfall<br />

liegt hiernach dann vor, wenn ein<br />

Vergabeverfahren nur zum Schein aufgehoben<br />

wird, damit <strong>der</strong> Auftraggeber unter Mißbrauch<br />

s<strong>einer</strong> Gestaltungsmöglichkeiten im<br />

nachhinein dem ihm genehmen Bieter, <strong>der</strong><br />

aber nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben<br />

hat, den Auftrag zuschieben kann.<br />

Hier wird jedoch davon ausgegangen, daß „in<br />

Wahrheit“ gar keine <strong>Aufhebung</strong> vorliegt, son<strong>der</strong>n<br />

eben nur eine Scheinaufhebung [29].<br />

Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung<br />

muß im Vergabeverfahren immer <strong>der</strong> öffentliche<br />

Auftrag sein. Eine Diskriminierung<br />

ist deshalb auch nicht denkbar, wenn zur alternativen<br />

Bedarfsdeckung ein vergaberechtsfreies<br />

Inhouse-Geschäft [30] <strong>durch</strong>geführt<br />

wird o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Konstruktion beispielsweise<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

verschiedener öffentlich-rechtlicher Körperschaften<br />

im Rahmen <strong>einer</strong> Zweckvereinbarung<br />

gewählt wird, <strong>die</strong> nicht dem Vergaberecht<br />

unterfällt [31]. In einem solchen Fall<br />

liegt kein Auftrag im Sinne des Vergaberechts<br />

vor. Die Verwaltung entschließt sich vielmehr<br />

dazu, <strong>die</strong> erfor<strong>der</strong>liche Leistung selbst zu erbringen.<br />

Das Diskriminierungsverbot soll dazu<br />

<strong>die</strong>nen, daß sämtliche Bieter in einem Vergabeverfahren<br />

<strong>die</strong> gleiche Chance auf Zuschlagserteilung<br />

haben. Es kann jedoch nicht<br />

dazu führen, daß dem Auftraggeber <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

genommen wird, auf <strong>die</strong> Vergabe insgesamt<br />

zu verzichten.<br />

Im Ergebnis ist festzuhalten, daß immer dann,<br />

wenn <strong>der</strong> öffentliche Auftraggeber darauf verzichtet,<br />

einen öffentlichen Auftrag i. S. des<br />

§ 99 GWB zu vergeben und <strong>die</strong> Beschaffungsabsicht<br />

vollständig entfällt, eine Diskriminierung<br />

ausgeschlossen ist [32].<br />

b) Transparenzgrundsatz<br />

Der Transparenzgrundsatz, <strong>der</strong> im deutschen<br />

Recht in § 97 Abs.1 GWB festgeschrieben ist<br />

und seine Ausprägung z. B. in den Vorschriften<br />

über <strong>die</strong> Bekanntmachung, den Vergabevermerk<br />

und verschiedene Informationspflichten<br />

gefunden hat, richtet sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

auf <strong>die</strong> Art und Weise <strong>der</strong> Durchführung<br />

des Vergabeverfahrens. Der Transparenzgrundsatz<br />

soll es den Bietern ermöglichen,<br />

Entscheidungen im Vergabeverfahren nachzuvollziehen<br />

und ggf. Rechtsschutz in Anspruch<br />

zu nehmen. Er ist unmittelbar mit dem<br />

Wettbewerb verknüpft. Der EuGH sieht den<br />

Transparenzgrundsatz als Teil des Gleichbehandlungsgrundsatzes,<br />

da er es erst möglich<br />

[27] EuGH, a. a.O., Rdnr. 47.<br />

[28] OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 306 ff.<br />

[29] OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 306 ff., 308.<br />

[30] Vgl. hierzu z. B. Gnittke/Sie<strong>der</strong>er, <strong>Ausschreibung</strong>spflichten im<br />

Zusammenhang mit gemischtwirtschaftlichen Entsorgungsunternehmen,<br />

ZVgR 2000, 236f., von Bechtolsheim/Gnittke, „Lassen Sie sich<br />

beherrschen?“, Behördenspiegel, März 2001, S. B.V.<br />

[31] Vgl. hierzu Gnittke, Kommunale Gemeinschaftsarbeit und Vergaberecht,<br />

Sachsenlandkurier 2/2002, S.89 f.<br />

[32] Die Begrenzung <strong>der</strong> Fälle möglicher Diskriminierungen auf <strong>die</strong><br />

Fälle sog. Scheinaufhebungen wi<strong>der</strong>spricht … entgegen <strong>der</strong> Ansicht<br />

<strong>der</strong> Vergabekammer Brandenburg … auch nicht <strong>der</strong> Vorgabe des<br />

EuGH, daß <strong>die</strong> Überprüfung <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong>sentscheidung nicht nur<br />

auf <strong>die</strong> Prüfung beschränkt werden darf, ob <strong>die</strong> Entscheidung willkürlich<br />

getroffen wurde. Keine Auswirkung hat <strong>die</strong>ser Befund auf <strong>die</strong><br />

uneingeschränkte Prüfung <strong>der</strong> weiteren Vorgaben, <strong>der</strong>en Einhaltung<br />

nach <strong>der</strong> europäischen Rechtsprechung im Nachprüfungsverfahren<br />

untersucht werden muß, nämlich z.B. <strong>die</strong> in den Richtlinien verankerte<br />

Pflicht zur Mitteilung <strong>der</strong> Gründe für <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong>. Verstöße<br />

hiergegen können im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden,<br />

weil <strong>die</strong> Überprüfung gerade nicht auf <strong>die</strong> Frage <strong>der</strong> Willkürfreiheit<br />

beschränkt bleibt.<br />

575


VergabeR 6/2002<br />

GNITTKE/MICHELS<br />

macht, <strong>die</strong> Einhaltung <strong>die</strong>ses Grundsatzes zu<br />

überprüfen [33]. Damit gehört <strong>der</strong> Transparenzgrundsatz<br />

auch zum Prüfungsmaßstab<br />

für <strong>die</strong> Nachprüfung <strong>einer</strong> <strong>Aufhebung</strong>.<br />

Als Ausfluß des Transparenzgrundsatzes ist<br />

bezüglich <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>die</strong> Pflicht, <strong>die</strong> Bewerber/Bieter<br />

über den Verzicht auf <strong>die</strong> Vergabe<br />

und <strong>die</strong> Gründe hierfür zu informieren, eigens<br />

in §26a VOL/A bzw. VOB/A normiert.<br />

Ebenso u.a. zur Sicherstellung <strong>der</strong> Transparenz<br />

ist gemäß §30 VOL/A bzw. VOB/A ein<br />

Vergabevermerk zu fertigen, <strong>der</strong> <strong>die</strong> einzelnen<br />

Stufen des Verfahrens, <strong>die</strong> Maßnahmen, <strong>die</strong><br />

Feststellung sowie <strong>die</strong> Begründung <strong>der</strong> einzelnen<br />

Entscheidungen enthält. Für den Bereich<br />

<strong>der</strong> VOL/A verpflichtet §26 Nr.3 VOL/A dazu,<br />

<strong>die</strong> Gründe für eine <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Ausschreibung</strong><br />

in den Akten zu vermerken. Auch im Bereich<br />

<strong>der</strong> VOB/A, in <strong>der</strong> eine solche Bestimmung<br />

fehlt, dürfte sich allerdings im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Dokumentation wesentlicher Entscheidungen<br />

und ihrer Begründung nach §30 VOB/A<br />

<strong>die</strong>se Pflicht mit Rücksicht auf den Transparenzgrundsatz<br />

ergeben [34]. Nach dem Urteil<br />

des EuGH muß <strong>die</strong> Einhaltung <strong>die</strong>ser Vorschriften<br />

im Nachprüfungsverfahren überprüft<br />

werden können, soweit sie das Gemeinschaftsrecht<br />

im öffentlichen Auftragswesen,<br />

konkret: den Transparenzgrundsatz als Teil<br />

des Gleichbehandlungsgrundsatzes, umsetzen.<br />

Verstöße gegen den Transparenzgrundsatz<br />

bzw. gegen nationale Vorschriften, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>sen Grundsatz konkretisieren, sind deshalb<br />

auch bezüglich <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> denkbar.<br />

Zu beachten ist, daß <strong>die</strong>se Pflichten lediglich<br />

<strong>die</strong> Dokumentation und Mitteilung an sich betreffen.<br />

Inhaltliche Anfor<strong>der</strong>ungen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> Gründe für <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

den Anfor<strong>der</strong>ungen des § 26 VOL/A<br />

o<strong>der</strong> VOB/A genügen, sind vom Transparenzgrundsatz<br />

nicht erfaßt.<br />

5. Zwischenergebnis<br />

Das Urteil des EuGH vom 18. 6. 2002 verpflichtet<br />

<strong>die</strong> Vergabekammern, <strong>die</strong> Einhaltung<br />

des Diskriminierungsverbots und Transparenzgrundsatzes<br />

zu überprüfen. Das Diskriminierungsverbot<br />

ist allerdings nur dann verletzt,<br />

wenn <strong>die</strong> Vergabestelle trotz <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ausschreibung</strong> an <strong>der</strong> Beschaffungsabsicht<br />

festhält.<br />

576<br />

D. Maßnahmen <strong>der</strong> Vergabekammer<br />

im Fall <strong>einer</strong> gegen Gemeinschaftsrecht<br />

verstoßenden <strong>Aufhebung</strong><br />

Die Konsequenzen, <strong>die</strong> das Urteil Hospital Ingenieure<br />

für <strong>die</strong> nationale Rechtsprechung<br />

nach sich zieht, hängen ganz entscheidend<br />

von den Maßnahmen ab, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Vergabekammer<br />

trifft, wenn sie im Nachprüfungsverfahren<br />

feststellt, daß <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> gegen<br />

Gemeinschaftsrecht verstößt. Für öffentliche<br />

Auftraggeber, <strong>die</strong> vor dem Beginn eines Vergabeverfahrens<br />

stehen, ist es wichtig zu wissen,<br />

ob sie sich mit <strong>der</strong> Einleitung des Vergabeverfahrens<br />

schon endgültig zur Vergabe<br />

des Auftrages verpflichten o<strong>der</strong> ob sie … möglicherweise<br />

unter Inkaufnahme von Schadensersatzansprüchen<br />

… noch von <strong>der</strong> Vergabe<br />

des Auftrages Abstand nehmen können.<br />

Gemäß § 114 Abs.1 Satz 1 GWB trifft <strong>die</strong> Vergabekammer<br />

<strong>die</strong> geeigneten Maßnahmen,<br />

um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und<br />

eine Schädigung <strong>der</strong> betroffenen Interessen<br />

zu verhin<strong>der</strong>n. Dies gilt auch für <strong>die</strong> Interessen<br />

<strong>der</strong> Vergabestelle [35]. Wie jede Verwaltungsentscheidung<br />

muß <strong>die</strong> Entscheidung<br />

<strong>der</strong> Vergabekammer verhältnismäßig sein; sie<br />

darf also nicht weiter als nötig in das Vergabeverfahren<br />

eingreifen, um <strong>die</strong> Interessen<br />

des Antragstellers zu sichern [36]. Die Vergabekammer<br />

kann nur solche Maßnahmen treffen,<br />

<strong>die</strong> <strong>der</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Rechtsverletzung<br />

des Antragstellers <strong>die</strong>nen.<br />

In <strong>der</strong> bisherigen deutschen Rechtsprechung<br />

vor Ergehen des EuGH-Urteils ging man davon<br />

aus, daß keine Verpflichtung zur Erteilung<br />

des Zuschlages besteht (hierzu D.1.). Der<br />

EuGH hat nunmehr entschieden, daß <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

eines Vergabeverfahrens im Nachprüfungsverfahren<br />

nachprüfbar sein muß.<br />

Diese Entscheidung betrifft zunächst nur <strong>die</strong><br />

Frage <strong>der</strong> Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens,<br />

<strong>die</strong> bisher von <strong>der</strong> nationalen<br />

Rechtsprechung an<strong>der</strong>s beurteilt wurde. Im<br />

folgenden soll untersucht werden, ob sich<br />

[33] EuGH, a. a.O., Rdnr. 45.<br />

[34] Fett, in: Müller-Wrede, Kommentar zur VOL/A, 1.Aufl. 2001, §26<br />

Rdnr.11.<br />

[35] Kus, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht,<br />

Neuwied/Kriftel 2000, §114, Rdnr. 41.<br />

[36] Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, Kommentar, Köln 2000,<br />

§114 Rdnr.17.


<strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> <strong>durch</strong> <strong>die</strong> Vergabekammer? VergabeR 6/2002<br />

darüber hinaus aus dem Urteil des EuGH ergibt,<br />

daß <strong>der</strong> öffentliche Auftraggeber an ein<br />

einmal begonnenes Vergabeverfahren <strong>der</strong>gestalt<br />

gebunden ist, daß er das Verfahren nur<br />

unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt<br />

wirksam aufheben kann und er u. U.<br />

sogar zur Erteilung des Zuschlags gezwungen<br />

werden kann.<br />

1. <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> und<br />

Verpflichtung zur Erteilung des<br />

Zuschlags?<br />

Bislang konnte man davon ausgehen, daß<br />

eine Verpflichtung zur Erteilung des Zuschlags<br />

für <strong>die</strong> Vergabestelle nicht bestand<br />

[37]. An<strong>der</strong>s als <strong>die</strong> Vergabekammer Brandenburg<br />

in ihrem Beschluß vom 19.9. 2002<br />

ausführt, ist insbeson<strong>der</strong>e den §§ 26 VOL/A<br />

und VOB/A nicht zu entnehmen, daß eine<br />

<strong>Aufhebung</strong> nur unter den dort genannten<br />

Voraussetzungen überhaupt möglich ist [38].<br />

Folge <strong>einer</strong> <strong>Aufhebung</strong> ohne Vorliegen von<br />

Gründen nach §26 VOL/A o<strong>der</strong> VOB/A ist<br />

nach <strong>der</strong> Rechtsprechung des BGH lediglich<br />

u. U. eine Schadensersatzpflicht, nicht dagegen<br />

<strong>die</strong> Verpflichtung zur Fortführung des<br />

Vergabeverfahrens bis zur Erteilung des Zuschlags<br />

[39]: Die <strong>Ausschreibung</strong> betrifft nach<br />

zutreffen<strong>der</strong> Auffassung des Bundesgerichtshofs<br />

Sta<strong>die</strong>n im Vorfeld <strong>der</strong> Auftragsvergabe,<br />

in denen es jedem Beteiligten nach allgemeinem<br />

Zivilrecht unbenommen bleibt, von <strong>der</strong><br />

Vergabe des in Aussicht genommenen Auftrags<br />

abzusehen. Daß <strong>die</strong>se Freiheit <strong>durch</strong><br />

<strong>die</strong> Regelungen <strong>der</strong> VOB/A/VOL/A entfallen<br />

sollte, ist nicht erkennbar.<br />

Eine an<strong>der</strong>e Folge des Fehlens von <strong>Aufhebung</strong>sgründen<br />

i. S. des § 26 VOL/A als eine<br />

etwaige Schadensersatzverpflichtung, insbeson<strong>der</strong>e<br />

eine Verpflichtung zur Erteilung des<br />

Zuschlags, ist auch <strong>durch</strong> gemeinschaftsrechtliche<br />

Vorgaben nicht gefor<strong>der</strong>t.<br />

Die Entscheidung des EuGH vom 18. 6. 2002<br />

for<strong>der</strong>t eine Überprüfbarkeit <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

auf <strong>die</strong> Verletzung gemeinschaftsrechtlicher<br />

Grundsätze des Vergaberechts, nicht aber<br />

<strong>die</strong> Fortführung des Vergabeverfahrens bis<br />

zur Zuschlagserteilung. Wie gesehen, ist § 26<br />

VOL/A o<strong>der</strong> VOB/A gar nicht Prüfungsmaßstab<br />

für <strong>die</strong> vom EuGH gefor<strong>der</strong>te Überprüfung<br />

<strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong>. Die Entscheidung des<br />

EuGH wirkt sich daher nicht auf <strong>die</strong> Folgen<br />

aus, <strong>die</strong> an das Fehlen von Gründen nach<br />

§ 26 VOL/A zu knüpfen sind. Dem Urteil des<br />

EuGH kann nicht entnommen werden, daß<br />

unter bestimmten Voraussetzungen eine Verpflichtung<br />

zur Erteilung des Zuschlags besteht.<br />

So führt <strong>der</strong> EuGH auch selbst unter<br />

Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung<br />

aus, daß <strong>der</strong> Auftraggeber nicht verpflichtet<br />

ist, das Vergabeverfahren zu Ende zu führen<br />

[40].<br />

Wie sich aus dem Urteil des EuGH ergibt,<br />

kann <strong>die</strong> Nachprüfung <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>einer</strong><br />

<strong>Ausschreibung</strong> nämlich auch dann sinnvoll<br />

sein, wenn sie im Falle <strong>der</strong> Feststellung von<br />

Verstößen nicht zu <strong>einer</strong> Verpflichtung zur<br />

Fortführung des Vergabeverfahrens führt. So<br />

weist <strong>der</strong> EuGH in seinem Urteil darauf hin,<br />

daß in manchen Staaten Schadensersatzansprüche<br />

nur dann <strong>durch</strong>gesetzt werden können,<br />

wenn <strong>die</strong> zugrunde liegende rechtswidrige<br />

Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers<br />

zuvor aufgehoben wurde. Der EuGH argumentiert<br />

daher, daß Mitgliedstaaten den<br />

Bietern <strong>die</strong> Möglichkeit zur Erhebung von<br />

Schadensersatzklagen nehmen könnten,<br />

wenn kein Verfahren zur <strong>Aufhebung</strong> <strong>einer</strong><br />

<strong>Aufhebung</strong> existierte [41]. Diese Ausführungen<br />

zeigen, daß <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong>,<br />

<strong>die</strong> nach Ansicht des EuGH möglich<br />

sein muß, z. B. <strong>der</strong> Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen<br />

<strong>die</strong>nen kann. Vor dem<br />

Hintergrund <strong>der</strong> ausdrücklichen Aussage des<br />

EuGH, daß keine Verpflichtung besteht, das<br />

Vergabeverfahren zu Ende zu führen, ergibt<br />

sich damit, daß <strong>die</strong> gefor<strong>der</strong>te Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> nicht dazu führen muß, den<br />

Auftraggeber in das Vergabeverfahren zurückzuversetzen<br />

und ihn zur Fortführung zu<br />

verpflichten.<br />

Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt,<br />

daß auch nach <strong>der</strong> Entscheidung des<br />

EuGH im Regelfall eine Verpflichtung des öf-<br />

[37] Jasper, in: Motzke/Pietzker/Prieß, VOB Teil A, Kommentar,<br />

München 2001, §26 Rdnr. 32; a.A. wohl Portz, in: Ingenstau/Korbion,<br />

VOB-Kommentar, 14. Aufl. Düsseldorf 2001, § 26 Rdnr.1.<br />

[38] VK Brandenburg AZ 50/02, vgl. <strong>die</strong> dort von <strong>der</strong> Vergabekammer<br />

für das Gegenteil zitierte Entscheidung des BGH in NJW 1998,<br />

3636 ff., 3639.<br />

[39] BGH, NJW 1998, 3640 ff., 3643; BGH, NJW 1998, 3636 ff., 3638.<br />

[40] EuGH, a. a.O., Rdnr. 41.<br />

[41] EuGH, a. a.O., Rdnr. 51.<br />

577


VergabeR 6/2002<br />

GNITTKE/MICHELS<br />

fentlichen Auftraggebers zur Fortführung des<br />

Vergabeverfahrens ausgeschlossen sein<br />

dürfte [42]. Ist <strong>der</strong> Auftraggeber aber nicht<br />

verpflichtet, das Verfahren fortzuführen und<br />

mit Erteilung des Zuschlages zu beenden, so<br />

ist <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> mit <strong>der</strong> Verpflichtung<br />

zur Durchführung weiterer Verfahrensschritte<br />

nicht geeignet, eine Rechtsverletzung<br />

des Bieters zu beseitigen. Dem Bieter<br />

ist mit <strong>der</strong> Durchführung weiterer Verfahrensschritte,<br />

<strong>die</strong> jedoch gar nicht zur Zuschlagserteilung<br />

an ihn führen kann, nicht ge<strong>die</strong>nt.<br />

Sie verursacht unnötigen Mehraufwand auf<br />

seiten <strong>der</strong> Vergabestelle und <strong>der</strong> Bieter, <strong>der</strong><br />

nicht <strong>durch</strong> das Interesse am Auftrag gerechtfertigt<br />

ist. Die Vergabekammer kann damit<br />

im Regelfall <strong>die</strong> Fortführung des Vergabeverfahrens<br />

o<strong>der</strong> sogar <strong>die</strong> Zuschlagserteilung<br />

an einen bestimmten Bieter nicht anordnen<br />

[43].<br />

Wenn <strong>die</strong> Vergabekammer den Auftraggeber<br />

nicht zur Fortführung des Vergabeverfahrens<br />

und zur Erteilung des Zuschlags verpflichten<br />

kann, <strong>der</strong> EuGH aber for<strong>der</strong>t, daß <strong>die</strong> Entscheidung<br />

des öffentlichen Auftraggebers,<br />

auf <strong>die</strong> Vergabe zu verzichten, <strong>der</strong> Überprüfung<br />

und gleichzeitig auch <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> zugänglich<br />

gemacht werden muß, stellt sich <strong>die</strong><br />

Frage, welche Konsequenzen <strong>die</strong> Entscheidung<br />

<strong>der</strong> Vergabekammer dann haben muß,<br />

um vor dem Hintergrund <strong>der</strong> EuGH-Rechtsprechung<br />

den erfor<strong>der</strong>lichen Rechtsschutz<br />

für <strong>die</strong> Bieter zu gewähren. Dieser Frage soll<br />

im folgenden nachgegangen werden.<br />

578<br />

2. Folgen für <strong>die</strong> von <strong>der</strong> Vergabekammer<br />

zu treffenden Maßnahmen<br />

Wie bereits ausgeführt, sind <strong>die</strong> Vergabekammern<br />

<strong>durch</strong> den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />

gebunden. Die Maßnahmen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Vergabekammer<br />

im Falle eines Verstoßes gegen<br />

Vergaberecht aussprechen kann, müssen<br />

geeignet sein, <strong>die</strong>sen Verstoß zu beseitigen,<br />

dürfen aber gleichzeitig nicht über das Erfor<strong>der</strong>liche<br />

hinausgehen. Welche Maßnahme im<br />

einzelnen Fall geeignet und erfor<strong>der</strong>lich ist,<br />

um den Rechtsverstoß zu beseitigen, hängt<br />

von <strong>der</strong> Art des Rechtsverstoßes ab und kann<br />

nicht von vornherein pauschal beantwortet<br />

werden. Im folgenden soll daher für einzelne<br />

mögliche Verstöße gegen <strong>die</strong> vom EuGH zum<br />

Prüfungsmaßstab erhobenen Grundsätze geprüft<br />

werden, welche Maßnahmen angeordnet<br />

werden können.<br />

a) Maßnahmen bei Verstoß gegen den<br />

Transparenzgrundsatz<br />

(aus Vergaberichtlinien, nationalem Recht<br />

und Primärrecht)<br />

Liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot<br />

(z.B. bei Verletzung von Dokumentationso<strong>der</strong><br />

Mitteilungspflichten) vor, muß, um das<br />

Rechtsschutzziel des Bieters zu erreichen,<br />

ausreichende Transparenz gewährleistet<br />

werden. Hierzu kommt eine Verpflichtung <strong>der</strong><br />

Vergabestelle zur Nachholung <strong>der</strong> Dokumentation<br />

und zur Mitteilung <strong>der</strong> Gründe für <strong>die</strong><br />

<strong>Aufhebung</strong> in Betracht.<br />

Eine <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> ggf. gemeinsam<br />

mit <strong>der</strong> Verpflichtung zur Durchführung<br />

weiterer Verfahrensschritte [44], <strong>die</strong> dann<br />

u. U. zu <strong>einer</strong> erneuten, transparent gestalteten<br />

<strong>Aufhebung</strong> führen könnte, mag zwar den<br />

Verfahrensverstoß beseitigen. Zweifel an <strong>der</strong><br />

Geeignetheit <strong>die</strong>ser Maßnahme ergeben sich<br />

allerdings schon wegen <strong>der</strong> offenen Frage,<br />

wie mit <strong>einer</strong> solchen Verpflichtung umzugehen<br />

ist, wenn nur noch <strong>die</strong> Zuschlagserteilung<br />

bevorsteht, zu <strong>der</strong> <strong>der</strong> Auftraggeber, wie<br />

unter 1. begründet, nicht verpflichtet werden<br />

kann.<br />

Jedenfalls aber ist eine solch weitgehende<br />

Maßnahme nicht erfor<strong>der</strong>lich. Die <strong>Aufhebung</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> mit <strong>der</strong> Verpflichtung zur<br />

[42] So auch Boesen, EuGH: Wi<strong>der</strong>ruf <strong>der</strong> <strong>Ausschreibung</strong> muß<br />

überprüfbar sein, Vergabenews Juli 2002, S.53; Prieß, EuGH locuta,<br />

causa fiuita: Die <strong>Aufhebung</strong> ist aufhebbar, NZBau 2002, 433 ff., 434,<br />

in dessen Augen das Urteil des EuGH aber dennoch <strong>der</strong> Interessenlage<br />

<strong>der</strong> Bieter entspricht; a.A. Portz, <strong>Aufhebung</strong> von <strong>Ausschreibung</strong>en<br />

im Nachprüfungsverfahren angreifbar, ZfBR 2002, 551ff., 553.<br />

[43] Diese Sichtweise läßt sich <strong>durch</strong> einen Blick auf <strong>die</strong> Vorschriften<br />

des GWB noch untermauern: § 122 GWB bestimmt, daß, wenn<br />

<strong>der</strong> Auftraggeber mit einem Antrag nach §121 GWB vor dem Beschwerdegericht<br />

unterlegen ist, das Vergabeverfahren nach Ablauf<br />

von 10 Tagen nach Zustellung <strong>die</strong>ser Entscheidung als beendet gilt,<br />

wenn <strong>der</strong> Auftraggeber nicht <strong>die</strong> Maßnahmen zur Herstellung <strong>der</strong><br />

Rechtmäßigkeit des Verfahrens ergreift; das Verfahren darf nicht<br />

fortgeführt werden. Die gewissermaßen spiegelbildliche Verpflichtung<br />

zur Fortführung des Verfahrens nach <strong>einer</strong> für rechtswidrig gehaltenen<br />

<strong>Aufhebung</strong> kann dem Gesetz gerade nicht entnommen<br />

werden. Die Vorschrift zeigt deutlich, daß <strong>der</strong> Gesetzgeber keine<br />

Verpflichtung zur Durchführung des Vergabeverfahrens bis zur Zuschlagserteilung<br />

sieht. Darüber hinaus können schwerwiegende<br />

Fehler <strong>der</strong> Vergabestelle während des Vergabeverfahrens zur <strong>Aufhebung</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ausschreibung</strong> <strong>durch</strong> <strong>die</strong> Vergabekammer führen. Führen<br />

Fehler des Auftraggebers zu <strong>einer</strong> Beendigung des Vergabeverfahrens,<br />

kann es nicht sein, daß <strong>der</strong> Auftraggeber <strong>die</strong> Beendigung<br />

unabhängig von den hierfür vorliegenden Gründen nicht selbst herbeiführen<br />

kann. Er müßte, um <strong>die</strong>ses Ziel zu erreichen, lediglich das<br />

Verfahren fortführen und möglichst schwerwiegende Fehler begehen,<br />

um dem Verfahren „zu entkommen“.<br />

[44] So Vergabekammer Brandenburg, Beschluß v. 30. 7.2002 … VK<br />

38/02 … und Beschluß v. 17.9. 2002 … VK 50/02 ….


<strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> <strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> <strong>durch</strong> <strong>die</strong> Vergabekammer? VergabeR 6/2002<br />

Durchführung <strong>der</strong> als nächstes anstehenden<br />

Verfahrensschritte, <strong>der</strong> dann eine neue transparente<br />

<strong>Aufhebung</strong> folgen würde, böte für <strong>die</strong><br />

Bieter keinen weiteren Vorteil als den, nunmehr<br />

<strong>die</strong> Gründe für <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> zu kennen.<br />

Genau <strong>die</strong>ser Zweck kann aber <strong>durch</strong><br />

<strong>die</strong> aus Sicht <strong>der</strong> Vergabestelle mil<strong>der</strong>e Verpflichtung<br />

erreicht werden, <strong>die</strong> erfor<strong>der</strong>liche<br />

Dokumentation und Mitteilung <strong>der</strong> Gründe<br />

noch nachzuholen. Steht <strong>die</strong>ses … mil<strong>der</strong>e …<br />

Mittel zur Verfügung, ist <strong>die</strong> <strong>die</strong> Vergabestelle<br />

stärker belastende <strong>Aufhebung</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

nicht erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Bei Verstößen gegen Dokumentationspflichten<br />

wird zwar verschiedentlich angenommen,<br />

daß eine Heilung nicht möglich ist, weil <strong>die</strong><br />

Ermessensentscheidungen zeitnah dokumentiert<br />

werden müssen [45].<br />

Für <strong>die</strong> spezielle Interessenlage bei <strong>Aufhebung</strong><br />

<strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> ist allerdings eine<br />

„Heilung“ in dem Sinne, daß auch noch nachträglich<br />

eine ordnungsgemäße Dokumentation<br />

und Mitteilung erfolgen kann, zuzulassen<br />

[46]. An<strong>der</strong>s als beispielsweise bei <strong>einer</strong> Wertungsentscheidung,<br />

zu <strong>der</strong> insoweit strengere<br />

Auffassungen vertreten werden, kann sich<br />

aus <strong>einer</strong> Wie<strong>der</strong>holung des Verfahrens bis<br />

zur <strong>Aufhebung</strong> für den Bieter kein Vorteil ergeben.<br />

Die Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Wertung kann<br />

dazu führen, daß <strong>der</strong> Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens<br />

an <strong>die</strong> erste Stelle <strong>der</strong><br />

Bieterreihenfolge rückt und den Auftrag noch<br />

erhält. Eine solche Möglichkeit ist bei Wie<strong>der</strong>holung<br />

<strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> auf Grund <strong>der</strong> fehlenden<br />

Verpflichtung zur Zuschlagserteilung gerade<br />

nicht gegeben. Bei Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong><br />

Wertung gibt es gewissermaßen eine Pflicht<br />

„zur Zuschlagserteilung an den Richtigen“.<br />

Bei <strong>der</strong> Verletzung von Dokumentationspflichten<br />

bei <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> dagegen ist <strong>die</strong><br />

Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> we<strong>der</strong> zweck<strong>die</strong>nlich<br />

noch verhältnismäßig.<br />

Dieser These steht auch nicht entgegen, daß<br />

sich eine Verpflichtung zu „inhaltsleerer“ Dokumentation<br />

ergeben kann, wenn ein Verstoß<br />

gegen <strong>die</strong> beson<strong>der</strong>e Gründe verlangende<br />

Regelung in §§26 VOL/A/VOB/A ohnehin<br />

nicht zur Aufhebbarkeit <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> führt<br />

und deshalb <strong>die</strong> strengen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>die</strong>ser Normen keine Auswirkungen auf <strong>die</strong><br />

Wirksamkeit <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong> haben. Eine Verpflichtung<br />

zur Dokumentation und zur Mitteilung<br />

<strong>der</strong> Gründe ermöglicht dem Bieter zu<br />

überprüfen, ob <strong>die</strong> <strong>Aufhebung</strong> in Übereinstimmung<br />

mit dem Vergaberecht erfolgt ist<br />

und, wenn <strong>die</strong>s nicht <strong>der</strong> Fall ist, Schadensersatz<br />

in Anspruch zu nehmen, o<strong>der</strong> ob eine<br />

Scheinaufhebung vorliegt, bei <strong>der</strong> ausnahmsweise<br />

eine Verpflichtung zur Fortführung des<br />

Vergabeverfahrens bestehen kann.<br />

Die Vergabestelle kann <strong>die</strong> erfor<strong>der</strong>liche Dokumentation<br />

und Benachrichtigung <strong>der</strong> Bieter<br />

auch noch im Laufe des Nachprüfungsverfahrens<br />

nachholen … und somit den ordnungsgemäßen<br />

Abschluß des Verfahrens beschleunigen.<br />

In <strong>die</strong>sem Fall entfiele <strong>die</strong><br />

Rechtsverletzung, und es träte Erledigung<br />

ein. Der Antragsteller könnte gemäß § 114<br />

Abs. 2 GWB <strong>die</strong> Feststellung beantragen, daß<br />

eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. Auch<br />

ohne einen solchen Antrag wären dem Antragsteller<br />

dann <strong>die</strong> Kosten des Nachprüfungsverfahrens<br />

nach §§ 128 Abs. 4 Satz 3<br />

GWB, 80 Abs.1 Satz 2, 45 Abs.1 Nr.2 VwVfG<br />

zu erstatten. Es würden sich für den Bieter also<br />

auch im Fall <strong>einer</strong> Nachholung <strong>der</strong> Dokumentation<br />

und Mitteilung während des Verfahrens<br />

keine Nachteile ergeben.<br />

b) Maßnahmen bei Verstoß gegen das<br />

Diskriminierungsverbot<br />

Wie oben ausgeführt, kann mit <strong>der</strong> <strong>Aufhebung</strong><br />

<strong>einer</strong> <strong>Ausschreibung</strong> nur dann gegen<br />

das Diskriminierungsverbot verstoßen werden,<br />

wenn <strong>der</strong> Auftrag sodann außerhalb des<br />

zuvor eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen<br />

vom Auftraggeber bevorzugten, aber<br />

nicht erstplazierten Bieter erteilt werden soll<br />

(sog. Mißbrauchsfälle, Scheinaufhebung). In<br />

<strong>die</strong>sem Fall kommt ausnahmsweise eine<br />

Pflicht zur Fortführung des Verfahrens in Betracht,<br />

so wie es das OLG Düsseldorf als obiter<br />

dictum bereits vor Ergehen des EuGH-Urteils<br />

mit <strong>der</strong> Begründung für denkbar hielt,<br />

daß dann in Wahrheit das Verfahren fortgeführt<br />

werde [47]. In <strong>die</strong>sem Fall ergibt sich<br />

eine Verpflichtung zur Fortführung des Verfahrens<br />

unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.<br />

Für Ausnahmefälle wird<br />

[45] OLG Brandenburg, Beschluß v. 3. 8.1999 … 6 Verg 1/99 …, für<br />

<strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>holung <strong>einer</strong> nicht ausreichend dokumentierten Wertung<br />

im Verhandlungsverfahren.<br />

[46] Vgl. auch Hübner, a.a.O., S.434.<br />

[47] OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 306 ff.<br />

579


VergabeR 6/2002<br />

REIDT/BROSIUS-GERSDORF<br />

auch <strong>die</strong> Verpflichtung zur Zuschlagserteilung<br />

an einen bestimmten Bieter o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Zuschlagserteilung<br />

<strong>durch</strong> <strong>die</strong> Vergabekammer<br />

selbst diskutiert, wenn unter Ausschöpfung<br />

aller Bewertungs- und Ermessenspielräume<br />

nur eine einzige Entscheidung in Betracht<br />

kommt [48]. In <strong>die</strong>sem Fall wird nicht eine<br />

vom EuGH ausdrücklich nicht gefor<strong>der</strong>te und<br />

dem allgemeinen Vertragsrecht wi<strong>der</strong>sprechende<br />

Pflicht zur Beendigung eines Vergabeverfahrens<br />

mit dem Zuschlag statuiert,<br />

son<strong>der</strong>n lediglich <strong>die</strong> Verpflichtung zur Zuschlagserteilung<br />

an den Richtigen, also zur<br />

korrekten Auswahl <strong>durch</strong>gesetzt.<br />

3. Ergebnis<br />

Im Ergebnis läßt sich festhalten, daß eine Verpflichtung<br />

zur Fortführung des Vergabeverfahrens<br />

auch nach dem Urteil des EuGH außer<br />

in den Fällen <strong>der</strong> Scheinaufhebung nicht<br />

besteht.<br />

E. Fazit<br />

Das Urteil des EuGH hat keine so weitreichenden<br />

Konsequenzen, wie sie <strong>der</strong> Beachtung<br />

des Urteils und einigen Entscheidungen<br />

<strong>der</strong> bislang mit <strong>der</strong> Problematik befaßten Vergabekammern<br />

entsprechen würden. Vielmehr<br />

ist dem Urteil lediglich zu entnehmen, daß ein<br />

Nachprüfungsverfahren nach erfolgter <strong>Aufhebung</strong><br />

nicht grundsätzlich unzulässig ist. Weitergehende<br />

materielle Anfor<strong>der</strong>ungen an <strong>die</strong><br />

<strong>Aufhebung</strong>sentscheidung ergeben sich aus<br />

dem Urteil hingegen nicht. Im Ergebnis dürfte<br />

auch nach <strong>der</strong> Entscheidung des EuGH immer<br />

noch gelten, daß eine <strong>Aufhebung</strong> <strong>durch</strong><br />

<strong>die</strong> Nachprüfungsinstanzen nur dann rückgängig<br />

gemacht werden kann, wenn <strong>der</strong> Auftrag<br />

weiterhin an einen Dritten unter Mißachtung<br />

von Anfor<strong>der</strong>ungen des Vergaberechts<br />

vergeben werden soll. Die Notwendigkeit weiterreichen<strong>der</strong><br />

Beschränkungen <strong>der</strong> Aufhebbarkeit<br />

von Vergabeverfahren, als bisher im<br />

nationalen Recht galten, ergibt sich aus dem<br />

Urteil nicht. Die Auswirkungen des Urteils<br />

sind im wesentlichen prozessualer Art und<br />

helfen, <strong>die</strong> Verpflichtung zur Transparenz<br />

stärker <strong>durch</strong>zusetzen als zuvor. Das Urteil<br />

hat jedoch keinen Einfluß auf <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

des öffentlichen Auftraggebers, auf <strong>die</strong> Beschaffung<br />

zu verzichten.<br />

[48] Vgl. Kus, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht,<br />

Neuwied/Kriftel 2000, §114 Rdnr. 39.<br />

580

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