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Haut- und Weichteilinfektionen: Zellulitis, Erysipel und ...

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curriculum<br />

<strong>Haut</strong>- <strong>und</strong> <strong>Weichteilinfektionen</strong>:<br />

<strong>Zellulitis</strong>, <strong>Erysipel</strong> <strong>und</strong> nekrotisierende Fasziitis<br />

Stefano Bassetti a , Rein Jan Piso a , Peter Itin b<br />

a<br />

Medizinische Klinik, Kantonsspital Olten<br />

b<br />

Dermatologie, Universitätsspital Basel<br />

Quintessenz<br />

Die häufigsten Erreger der <strong>Zellulitis</strong> sind S. aureus <strong>und</strong> β-hämolysierende<br />

Streptokokken. Die häufigsten Erreger des <strong>Erysipel</strong>s sind β-hämolysierende<br />

Streptokokken.<br />

Bei einer eitrigen <strong>Zellulitis</strong> bei Patienten, die sich in einem Endemiegebiet<br />

aufgehalten haben (z.B. USA), müssen CA-MRSA als Erreger in Erwägung<br />

gezogen werden.<br />

Die initiale Markierung der Grenzen der <strong>Haut</strong>rötung bei <strong>Erysipel</strong> oder<br />

<strong>Zellulitis</strong> ist sehr wichtig für die Beurteilung des Verlaufs.<br />

Alarmzeichen, die auf eine nekrotisierende Fasziitis hinweisen können,<br />

sind: Diskrepanz zwischen starken Schmerzen <strong>und</strong> nur geringer <strong>Haut</strong>veränderung<br />

(im Initialstadium), ausgeprägtes Ödem, schwere systemische<br />

Infektzeichen, rasche Progredienz der <strong>Haut</strong>veränderungen, Blasenbildung,<br />

Anästhesie der <strong>Haut</strong>.<br />

Bei hohem Verdacht auf eine nekrotisierende Fasziitis muss sofort<br />

eine chirurgische Exploration erfolgen. Weil ein rasches Débridement für<br />

die Prognose entscheidend ist, muss auf präoperative bildgebende Untersuchungen<br />

aus Zeitgründen verzichtet werden.<br />

Stefano Bassetti<br />

Die Autoren haben<br />

keine finanzielle<br />

Unterstützung <strong>und</strong><br />

keine Interessenkonflikte<br />

im<br />

Zusammenhang<br />

mit diesem Beitrag<br />

deklariert.<br />

Eine <strong>Haut</strong>- oder Weichteilinfektion ist einer der häufigsten<br />

Gründe für Konsultationen in der Hausarztpraxis<br />

oder in Notfallstationen <strong>und</strong> für eine Hospitalisation.<br />

Zudem nimmt die Häufigkeit der ambulanten <strong>und</strong><br />

station ären Behandlungen von Patienten mit <strong>Haut</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Weichteilinfektionen</strong> in einigen Regionen der Welt zu,<br />

wahrscheinlich wegen der Ausbreitung von ambulant<br />

erworbenen Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus<br />

(«community-associated MRSA», CA-MRSA). In den<br />

USA werden mehr als 14 Millionen ambulante Konsultationen<br />

pro Jahr wegen <strong>Haut</strong>- <strong>und</strong> <strong>Weichteilinfektionen</strong><br />

registriert, mit mehr als 600 000 Hospitalisationen (3,7%<br />

aller Notfallhospitalisationen) [1]. Die Anzahl Hospitalisationen<br />

wegen dieser Infektionen nahm von 2000 bis<br />

2004 um 29% zu [2].<br />

Eine der ersten kontrollierten Studien zur Wirksamkeit<br />

einer antibakteriellen Substanz (Prontosil) wurde bei<br />

Patienten mit <strong>Erysipel</strong> durchgeführt [3]. Umso erstaunlicher<br />

ist es, dass heute die Empfehlungen zur Behandlung<br />

von <strong>Zellulitis</strong> <strong>und</strong> <strong>Erysipel</strong> immer noch auf wenig<br />

Evidenz basieren, wie auch eine neuere Cochrane-Review<br />

feststellen musste [4]. Bereits die Begriffe zur Beschreibung<br />

der <strong>Haut</strong>- <strong>und</strong> <strong>Weichteilinfektionen</strong> werden<br />

nicht einheitlich verwendet <strong>und</strong> führen oft zu Verwirrung.<br />

So werden zum Beispiel <strong>Erysipel</strong> <strong>und</strong> <strong>Zellulitis</strong> oft synonym<br />

gebraucht.<br />

Definitionen<br />

<strong>Zellulitis</strong>: Akute <strong>Haut</strong>infektion, die Epidermis, Dermis<br />

<strong>und</strong> subkutanes Gewebe betrifft. Als purulente <strong>Zellulitis</strong><br />

wird eine <strong>Zellulitis</strong> mit purulenter Sekretion definiert,<br />

ohne dass ein drainierbarer Abszess vorliegt. Der häufigste<br />

Erreger einer <strong>Zellulitis</strong> ist Staphylococcus aureus<br />

[5].<br />

<strong>Erysipel</strong>: Akute, oberflächliche <strong>Haut</strong>infektion, die auf<br />

Epidermis <strong>und</strong> Dermis beschränkt ist. Typisch ist die<br />

Mitbeteiligung der Lymphgefässe. Die grosse Mehrheit<br />

der <strong>Erysipel</strong>-Fälle wird durch β-hämolysierende Streptokokken<br />

verursacht.<br />

Nekrotisierende Fasziitis: Schwere, tiefe Infektion des<br />

subkutanen Gewebes mit rasch fortschreitender Nekrose<br />

des Fettgewebes <strong>und</strong> der Faszie. Auch die Muskeln können<br />

betroffen sein. Die darüberliegende <strong>Haut</strong> kann ausgespart<br />

bleiben [6–8].<br />

<strong>Zellulitis</strong><br />

Ätiologie der <strong>Zellulitis</strong><br />

Die häufigsten Erreger der <strong>Zellulitis</strong> sind S. aureus <strong>und</strong><br />

β-hämolysierende Streptokokken (meistens der Gruppe<br />

A [Streptococcus pyogenes], aber auch der Gruppe B, C<br />

<strong>und</strong> G). Eine neulich publizierte Arbeit analysierte die<br />

Daten von Studien, in denen der Erreger einer <strong>Zellulitis</strong><br />

mittels Nadelaspiration oder Stanzbiopsie gesucht wurde.<br />

In 51% der positiven Kulturen wurden S. aureus <strong>und</strong> nur<br />

in 27% β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A<br />

nachgewiesen [5]. Wenn Furunkel, Abszesse oder eine<br />

purulente Sekretion vorliegen, dann ist S. aureus noch<br />

häufiger.<br />

Inzwischen werden die meisten purulenten Zellulitiden<br />

in den USA durch CA-MRSA verursacht (59% der Fälle),<br />

während der Methicillin-empfindliche S. aureus in 17%<br />

<strong>und</strong> β-hämolysierende Streptokokken nur in 2,6% der<br />

Fälle nachgewiesen werden [6]. Auch in Europa wird<br />

eine zunehmende Inzidenz von Infektionen durch CA-<br />

MRSA registriert, allerdings mit grossen regionalen Unterschieden.<br />

Aus gewissen Zentren in Griechenland werden<br />

ähnliche Inzidenzraten wie in den USA berichtet,<br />

während in den nordeuropäischen Ländern CA-MRSA<br />

noch selten sind [9]. Im Gegensatz zu den USA, wo ein<br />

CA-MRSA-Klon überwiegt (USA 300), treten in Europa<br />

verschiedene CA-MRSA-Klone auf. Einige dieser Klone<br />

sind mit Tieren assoziiert, zum Beispiel Schweinen [9].<br />

In der Schweiz zeigte eine Studie, dass sich die Prävalenz<br />

von MRSA bei Schlachtschweinen von 2009 auf<br />

2010 fast verdreifacht hat (von 2% auf 5,9%) [10].<br />

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curriculum<br />

Die Prävalenz von CA-MRSA bei Patienten bleibt noch<br />

tief (in einer neueren Studie aus Luzern z.B. ≤5%), muss<br />

aber beobachtet werden [9, 11]. Bei Patienten mit engem<br />

Tierkontakt (z.B. Landwirte, Schlachthofmitarbeiter, Tierärzte)<br />

muss zudem die Möglichkeit einer MRSA-Infektion<br />

in Betracht gezogen werden.<br />

Oft entsteht eine <strong>Zellulitis</strong> oder ein <strong>Erysipel</strong> in der Umgebung<br />

einer <strong>Haut</strong>verletzung (Ulkus, Mykose, chirurgische<br />

oder traumatische W<strong>und</strong>e), die als Eintrittspforte<br />

für die Bakterien dient. Bei gewissen Expositionen kommen<br />

seltene Erreger als Ursache einer <strong>Zellulitis</strong> in<br />

Frage (Tab. 1 ).<br />

Abbildung 1<br />

<strong>Erysipel</strong> am Unterschenkel.<br />

Tabelle 1<br />

Erreger von <strong>Zellulitis</strong> oder von nodulären <strong>Haut</strong>infektionen bei besonderen Expositionen<br />

(adaptiert nach [7, 11]).<br />

Exposition oder Anamnese<br />

<strong>Zellulitis</strong> mit purulenter Sekretion,<br />

aus Endemiegebiet (z.B. USA)<br />

Traumatische Inokulation von Erde,<br />

penetrierende Verletzung mit Dornen<br />

Aufenthalt in den Tropen<br />

Trauma mit Wasserkontamination:<br />

Süsswasser<br />

Salzwasser<br />

Aquarium<br />

Bäder in Thermalbädern / Badewanne<br />

Kontakt mit Schweinen, Salzwasserfischen,<br />

Krabben <strong>und</strong> anderen Schalentieren,<br />

Geflügel (Metzger, Fischer, Hausfrauen)<br />

Bisse durch:<br />

Menschen<br />

Katzen<br />

H<strong>und</strong>e<br />

Ratten<br />

Kontakt mit Katzen<br />

Prädisponierende Erkrankungen:<br />

Immunosuppression<br />

(z.B. HIV, Transplantation)<br />

Leberzirrhose<br />

IV-Drogenkonsum<br />

Mögliche Erreger<br />

CA-MRSA<br />

Nicht-tuberkulöse Mykobakterien<br />

(z.B. Mycobacterium fortuitum, M. chelonae,<br />

M. ulcerans), Nocardia spp., Pilze<br />

Burkholderia pseudomallei (Melioidose),<br />

Chromoblastomycosis*, Chromobacterium<br />

violaceum<br />

Aeromonas hydrophila<br />

Vibrio vulnificus<br />

Mycobacterium marinum*<br />

(Aquarium-Granulom)<br />

Pseudomonas aeruginosa<br />

<strong>Erysipel</strong>othrix rhusiopathiae (<strong>Erysipel</strong>oid)<br />

Eikenella corrodens<br />

Pasteurella multocida<br />

P. multocida, Capnocytophaga canimorsus<br />

Streptobacillus moniliformis<br />

Bartonella henselae* (Katzenkratzkrankheit)<br />

Gramneg. Erreger (Enterobacteriaceae, P.<br />

aeruginosa), Nocardia spp., Cryptococcus<br />

neoformans<br />

Gramneg. Erreger, Campylobacter fetus,<br />

Vibrio vulnificus,<br />

Capnocytophaga canimorsus<br />

S. aureus, P. aeruginosa<br />

*verursachen in der Regel eher noduläre oder verruköse Läsionen.<br />

Klinik der <strong>Zellulitis</strong><br />

Typisch für eine <strong>Zellulitis</strong> ist eine schmerzhafte, sich<br />

rasch ausbreitende überwärmte Rötung mit Ödem. Im<br />

Gegensatz zum <strong>Erysipel</strong> sind die Ränder einer <strong>Zellulitis</strong><br />

nicht scharf demarkiert. Bei schwereren Verläufen können<br />

Blasen (gefüllt mit klarer Flüssigkeit) <strong>und</strong> kutane<br />

Hämorrhagien (Petechien, Ekchymosen) vorliegen.<br />

Falls eine eitrige Sekretion besteht, ist S. aureus der<br />

wahrscheinlichste Erreger [6–7]. Eine Krepitation bei<br />

der Palpation der Rötung weist auf eine Infektion durch<br />

gasbildende Bakterien hin (wie Anaerobier oder gramnegative<br />

Stäbchen), ein fauliger Geruch auf eine Infektion<br />

durch Anaerobier, ein süsslicher Geruch hingegen<br />

auf Pseudomonas oder Clostridien [13].<br />

Die <strong>Zellulitis</strong> durch Streptokokken der Gruppe A als Folge<br />

einer postoperativen W<strong>und</strong>infektion manifestiert sich<br />

sehr rasch innerhalb von 6 bis 48 St<strong>und</strong>en nach der<br />

Operation (ähnlich dem Gasbrand), während eine postoperative<br />

S. aureus-Infektion erst einige Tage nach der<br />

Operation auftritt. Systemische Zeichen der Infektion mit<br />

Fieber, Malaise <strong>und</strong> erhöhten Entzündungszeichen (Leukozytose,<br />

erhöhtes C-reaktives Protein) sind häufig <strong>und</strong><br />

bestehen teilweise bereits vor dem Auftreten der <strong>Haut</strong>veränderungen<br />

[6] (in unserer Erfahrung gilt das vor<br />

a llem beim <strong>Erysipel</strong>). Bei der unkomplizierten <strong>Zellulitis</strong><br />

können systemische Infektzeichen aber auch oft fehlen:<br />

Gemäss publizierten Fallserien wird Fieber nur in 26–<br />

67% der Fälle <strong>und</strong> eine Leukozytose mit erhöhter Blutsenkungsreaktion<br />

in ca. der Hälfte der Fälle berichtet [7].<br />

Wichtig für die klinische Beurteilung ist auch die Suche<br />

nach prädisponierenden Faktoren wie chronische venöse<br />

Insuffizienz (wahrscheinlich der häufigste Faktor),<br />

Lymphödem, periphere arterielle Verschlusskrankheit,<br />

Adipositas, Diabetes mellitus, Status nach Entfernung<br />

einer Vena saphena oder Status nach lokaler Bestrahlung.<br />

Zusätzlich sollen lokale Faktoren (Eintrittspforten)<br />

berücksichtigt werden: Ulcera, W<strong>und</strong>en, trockene <strong>Haut</strong><br />

mit Fissuren, chronische <strong>Haut</strong>erkrankungen (z.B. Ekzeme),<br />

Tinea pedis oder Unguis incarnatus [1, 7]. Die<br />

Differentialdiagnose der <strong>Zellulitis</strong> beinhaltet mehrere<br />

Erkrankungen (Tab. 2 ). Da <strong>Zellulitis</strong> <strong>und</strong> <strong>Erysipel</strong> am<br />

häufigsten die unteren Extremitäten betreffen, wird eine<br />

Stauungsdermatitis bei chronischer venöser Insuffizienz<br />

häufig fälschlicherweise als <strong>Zellulitis</strong> oder <strong>Erysipel</strong> diagnostiziert<br />

[1].<br />

Diagnostik<br />

In schwereren Fällen sollte neben den üblichen Laboruntersuchungen<br />

(Blutbild, CRP, Elektrolyte, Kreatinin)<br />

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curriculum<br />

Tabelle 2<br />

Differentialdiagnose von <strong>Zellulitis</strong> <strong>und</strong> <strong>Erysipel</strong> (adaptiert nach [1, 6, 7, 13]).<br />

Krankheit<br />

Stauungsdermatitis<br />

Allergische Reaktion<br />

Kontaktdermatitis<br />

Toxische epidermale Nekrolyse<br />

Tiefe Venenthrombose<br />

Septische Arthritis oder Gicht<br />

Akute Bursitis<br />

Erythema migrans (Lyme disease)<br />

Nekrotisierende Fasziitis<br />

Herpes Zoster im Frühstadium (vor Auftreten der Bläschen)<br />

Herpes-simplex-Paronychie («herpetic whitlow»)<br />

Pyoderma gangraenosum<br />

Sweet-Syndrom (akute febrile neutrophile Dermatose)<br />

Eigenschaften<br />

Kein Fieber, keine Schmerzen; Rötung betrifft den ganzen Umfang<br />

des Unterschenkels <strong>und</strong> ist häufig bilateral. Juckreiz. Papulo-Vesikel<br />

Juckend, nicht schmerzhaft. Kein Fieber. Evtl. Insektenstich vorhanden<br />

Juckend, kein Fieber. Exposition mit Allergen / Irritans. Papulo-Vesikel<br />

Befall der Schleimhäute, Blasen, grossflächige Ablösung der <strong>Haut</strong>,<br />

Exposition mit Medikamenten<br />

In der Regel kein Fieber <strong>und</strong> keine Rötung der <strong>Haut</strong>. Schmerz in der Tiefe<br />

(meistens in der Wade). Schwellung der betroffenen Extremität, vermehrte<br />

Venenzeichnung im Stehen<br />

Gelenk betroffen. Schmerzen insbesondere bei Bewegung des Gelenks<br />

Typische Lokalisation über Patella oder Olecranon, oft mit palpabler Flüssigkeitskollektion.<br />

Bewegung im Gelenk nicht schmerzhaft<br />

Nicht schmerzhaft, breitet sich langsamer aus (weniger Fieber)<br />

Starke Schmerzen, ausgeprägtes Ödem <strong>und</strong> Fieber. Rasche Progression<br />

mit schweren systemischen Infektzeichen. Typisch ist die initiale Diskrepanz<br />

zwischen starken Schmerzen <strong>und</strong> nur geringen <strong>Haut</strong>veränderungen.<br />

Im weiteren Verlauf: <strong>Haut</strong>nekrosen, Blasenbildung (mit hämorrhagischem/<br />

violettem Inhalt)<br />

Schmerzen <strong>und</strong> Rötung treten vor den Bläschen auf. Hyperästhesie im<br />

betroffenen Areal<br />

Typische Lokalisation am Finger. Bläschen<br />

Zerfallende, schmierig belegte Ulzera, oft mit bläulich/schwarzer Verfärbung.<br />

Kultur für Bakterien typischerweise negativ. Oft bei Patienten mit entzündlicher<br />

Darmerkrankung. Sehr schmerzhaft<br />

Scharf demarkierte, erhabene Papeln, welche zu Plaques konfluieren.<br />

Oft bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien<br />

auch die CK bestimmt werden. Ein erhöhter CK-Wert<br />

kann auf eine Muskelbeteiligung hinweisen (wie z.B. bei<br />

der nekrotisierenden Fasziitis oder einer bakteriellen<br />

Myositis). Der eindeutige Nachweis des Erregers einer<br />

<strong>Zellulitis</strong> oder eines <strong>Erysipel</strong>s ist schwierig. Blutkulturen<br />

sind in ≤5% der Fälle positiv [1, 6] <strong>und</strong> sollten deshalb<br />

nur in schweren Fällen <strong>und</strong> bei Patienten mit Fieber<br />

oder Immunsuppression durchgeführt werden [1]. Die<br />

Aspiration von Flüssigkeit für die bakteriologische Kultur<br />

aus dem fortschreitendem Rand der <strong>Haut</strong>läsion (mit einer<br />

dünnen Nadel, z.B. 22 G, gegebenfalls nach Injektion<br />

e iner geringen Menge steriler NaCl-Lösung 0,9%, die<br />

wieder aspiriert wird) ergibt ein positives Resultat je<br />

nach Studie in ≤5 bis ca. 40% der Fälle [6]. Die Kultur<br />

einer Stanzbiopsie ist in 20−30% der Fälle positiv [6].<br />

Die Kulturen des Abstrichs einer W<strong>und</strong>e oder eines Ulcus,<br />

welche mit einer <strong>Zellulitis</strong> oder einem <strong>Erysipel</strong> assoziiert<br />

sind, sind häufig positiv [1]. Allerdings ist es bei diesen<br />

Resultaten schwierig zu unterscheiden, ob es sich bei<br />

den nachgewiesenen Keimen um die ursächlichen Erreger<br />

oder nur um irrelevante, kolonisierende Bakterien<br />

handelt. Deswegen sollten mikrobiologische Proben nur<br />

nach Débridement der W<strong>und</strong>e entnommen werden <strong>und</strong><br />

wenn möglich mittels Biopsie oder Curetage [7].<br />

Eine mikrobiologische Diagnostik ist in den meisten,<br />

gewöhnlichen Fällen von <strong>Zellulitis</strong> <strong>und</strong> <strong>Erysipel</strong> nicht nötig.<br />

Sie sollte aber in ausgewählten Fällen durchgeführt<br />

werden, wie bei Patienten mit Immunsuppression, bei<br />

besonderer Exposition (z.B. Bissw<strong>und</strong>e, Wasserexposition,<br />

Tropenaufenthalt) oder bei fehlendem Ansprechen<br />

auf die empirische Antibiotikatherapie [7]. Die einfachste<br />

<strong>und</strong> von uns bevorzugte Untersuchung in einem ersten<br />

Schritt ist die oben beschriebene Aspiration aus dem<br />

Rand der <strong>Haut</strong>läsion. Eine Aspiration mit Kultur sollte<br />

auch durchgeführt werden aus Blasenflüssigkeit oder<br />

wenn im Bereich der <strong>Haut</strong>läsion eine Fluktuation palpabel<br />

ist. Die Sonographie der Weichteile ist eine sehr<br />

hilfreiche Methode, um rasch klinisch nicht manifeste<br />

Abszesse im Bereich der <strong>Haut</strong>veränderung zu identifizieren,<br />

die drainiert werden müssen [14].<br />

Therapie<br />

Die Ausdehnung der <strong>Haut</strong>rötung muss initial klar markiert<br />

werden, um Verlauf <strong>und</strong> Ansprechen auf die<br />

T herapie beurteilen zu können. Entsprechend dem Erregerspektrum<br />

muss die Antibiotikatherapie gegen Staphylococcus<br />

aureus <strong>und</strong> Streptokokken gut wirksam<br />

sein. In bestimmten Situationen (z.B. diabetischer Fuss<br />

mit <strong>Zellulitis</strong>, die auf die Behandlung mit Amoxicillin/<br />

Clavulansäure nicht anspricht, oder Neutropenie) muss<br />

die Therapie auch gegen gramnegative Bakterien gerichtet<br />

sein. Mögliche empirische Antibiotikatherapien<br />

für eine unkomplizierte <strong>Zellulitis</strong> sind in Tabelle 3<br />

angegeben. In den komplizierten <strong>Zellulitis</strong>-Fällen, bei<br />

denen mit gramnegative Erregern <strong>und</strong> allenfalls auch<br />

Pseudomonas aeruginosa zu rechnen ist (z.B. schwere<br />

<strong>Zellulitis</strong> bei diabetischem Fuss, Neutropenie), werden<br />

Breitspektrumantibiotika eingesetzt, wie z.B. Piperacillin/<br />

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curriculum<br />

Tabelle 3<br />

Auswahl von möglichen empirischen Antibiotikatherapien für die unkomplizierte<br />

<strong>Zellulitis</strong>; zusätzlich muss immer die lokale Resistenzlage berücksichtigt werden<br />

(adaptiert nach [1, 6, 7, 13, 15]).<br />

<strong>Zellulitis</strong> ohne besondere Risikofaktoren<br />

oder Exposition<br />

Bei Penicillin-Allergie (nur Exanthem)<br />

Bei Penicillin-Allergie mit Anaphylaxie<br />

<strong>Zellulitis</strong> mit Verdacht auf CA-MRSA<br />

(z.B. eitrige <strong>Zellulitis</strong> aus Endemiegebiet<br />

wie USA)<br />

Amoxicillin/Clavulansäure<br />

3 × 625 mg/Tag p.o.<br />

Amoxicillin/Clavulansäure<br />

3 × 1,2–2,2 g/Tag i.v.<br />

Cefuroximaxetil 2 × 500 mg/Tag p.o.<br />

Cefazolin 3 × 1 g/Tag i.v.<br />

Clindamycin 3 × 300 (–600) mg/Tag p.o.<br />

Clindamycin 3 × 600 mg/Tag i.v.<br />

Clarithromycin 2 × 500 mg/Tag p.o.<br />

Clindamycin 3 × 300 (–600) mg/Tag p.o.<br />

Trimethoprim/Sulfamethoxazol 160/800 mg<br />

1 bis 2 Tbl. 2×/Tag p.o.<br />

Doxycyclin 2 × 100 mg/Tag p.o.<br />

(kontraindiziert bei Schwangeren<br />

<strong>und</strong> Kindern ≤8 Jahre)<br />

Vancomycin 15 mg/kg i.v. 12-stündlich<br />

Tazobactam, Imipenem oder Meropenem. Falls im Verlauf<br />

ein Erreger identifiziert wird, muss die Antibiotika-<br />

Therapie entsprechend angepasst werden.<br />

Bei einer Infektion durch Streptokokken (sowie beim<br />

t ypischen <strong>Erysipel</strong>) ist Penicillin G die parenterale Therapie<br />

der Wahl (z.B. 4 × 2,5 Mio. E/Tag i.v.). Für die orale<br />

Therapie bevorzugen wir Amoxicillin (z.B. 3 × 500 mg/<br />

Tag p.o.), weil es im Gegensatz zum Penicillin V eine<br />

bessere Bioverfügbarkeit hat <strong>und</strong> mit den Mahlzeiten<br />

eingenommen werden kann, was die Compliance verbessert.<br />

Für den Entscheid, ob ein Patient oral oder parenteral<br />

behandelt werden muss, <strong>und</strong> ob eine Hospitalisation<br />

notwendig ist, werden in der Literatur Klassifikationssysteme<br />

diskutiert [1]. Gr<strong>und</strong>sätzlich hängt dieser Entscheid<br />

ab vom Schweregrad der systemischen Infektion<br />

(Zeichen einer Sepsis, Hypotension, Verwirrung), vom<br />

Lokalbef<strong>und</strong> (Ausdehnung, rasche Progredienz, Blasen<br />

<strong>und</strong>/oder Nekrosen, eitrige W<strong>und</strong>e, die chirurgisch saniert<br />

werden muss), von der Topographie <strong>und</strong> von den<br />

Komorbiditäten (Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus,<br />

periphere arterielle Verschlusskrankheit, chronische<br />

venöse Insuffizienz, Immunsuppression).<br />

In den ersten 24 St<strong>und</strong>en nach Beginn der Antibiotikatherapie<br />

kommt es bei einigen Patienten zu einer Verschlechterung<br />

des lokalen Bef<strong>und</strong>s mit Zunahme der<br />

lokalen <strong>Haut</strong>entzündung [6, 13]. Das weist nicht unbedingt<br />

auf eine unwirksame Antibiotikatherapie hin, sondern<br />

kann lediglich Ausdruck sein einer entzündlichen<br />

Reaktion auf die Freisetzung von bakteriellen Antigenen,<br />

die durch die Zerstörung der Bakterien entstehen.<br />

Die Dauer der Antibiotikatherapie ist nicht klar definiert<br />

<strong>und</strong> hängt vom klinischen Ansprechen ab. Bei gutem<br />

Verlauf wird meistens eine Therapiedauer zwischen 5<br />

<strong>und</strong> 10 Tagen empfohlen oder es wird vorgeschlagen,<br />

die Antibiotika für drei Tage nach Abklingen der akuten<br />

Entzündungszeichen weiter zu verabreichen [7]. Eine<br />

randomisierte, plazebokontrollierte Studie (allerdings<br />

mit Levofloxacin) hat gezeigt, dass bei unkomplizierter<br />

<strong>Zellulitis</strong> eine fünftägige Therapie gleich wirksam ist wie<br />

eine zehntägige Therapie [16].<br />

Eine wichtige <strong>und</strong> oft unterschätzte zusätzliche therapeutische<br />

Massnahme ist die Hochlagerung der befallenen<br />

Extremität. Damit werden das Ödem <strong>und</strong> Entzündungsmediatoren<br />

rascher drainiert <strong>und</strong> die Heilung wird<br />

beschleunigt [6]. Massnahmen zur lokalen Kühlung (z.B.<br />

Umschläge mit Alkohol-Wickeln) werden als angenehm<br />

empf<strong>und</strong>en. Bei Patienten mit Lymphödem oder chronischer<br />

venöser Insuffizienz sollten Kompressionsverbände<br />

appliziert werden [13]. Auch andere prädisponierende<br />

Faktoren (z.B. eine Tinea pedis) müssen behandelt<br />

werden [6].<br />

<strong>Erysipel</strong><br />

Ein <strong>Erysipel</strong> wird fast immer durch beta-hämolysierende<br />

Streptokokken (meistens der Gruppe A, aber auch der<br />

Gruppe C oder G) verursacht, selten durch Streptokokken<br />

der Gruppe B oder S. aureus [6].<br />

Klinik <strong>und</strong> Diagnostik<br />

Die Klinik entspricht mehrheitlich derjenigen der <strong>Zellulitis</strong>.<br />

Im Gegensatz zur <strong>Zellulitis</strong> ist das Erythem aber<br />

scharf begrenzt <strong>und</strong> flammend rot. Typisch für das <strong>Erysipel</strong><br />

ist auch die ausgeprägte Beteiligung des lymphatischen<br />

Systems mit einer Lymphangitis <strong>und</strong> schmerzhaften<br />

regionalen Lymphknoten. Die <strong>Haut</strong>läsionen<br />

können erhaben sein. Ein schmetterlingförmiges<br />

Gesichtserysipel ist eine klassische Manifestation dieser<br />

Infektion. Die Beine sind aber heute die häufigste Lokalisation<br />

[6]. Der wahrscheinlich wichtigste prädisponierende<br />

Faktor (insbesondere bei Rezidiven) ist ein Lymphödem,<br />

das wiederum durch rezidivierende <strong>Erysipel</strong>e<br />

mit Schädigung des lymphatischen Systems begünstigt<br />

<strong>und</strong> unterhalten wird, so dass es zu einem Teufelskreis<br />

kommt.<br />

Die Diagnostik beim <strong>Erysipel</strong> entspricht derjenigen der<br />

<strong>Zellulitis</strong>.<br />

Therapie<br />

Die Therapie wird wie bei der <strong>Zellulitis</strong> durchgeführt.<br />

Theoretisch wäre eine Antibiotikatherapie nur gegen<br />

Streptokokken (mit Penicillin G oder Amoxicillin) ausreichend,<br />

weil diese Bakterien fast immer die Erreger<br />

eines <strong>Erysipel</strong>s sind. Klinisch ist es aber vor allem im<br />

Anfangsstadium meistens unmöglich zu unterscheiden,<br />

ob es sich um eine <strong>Zellulitis</strong> oder ein <strong>Erysipel</strong> handelt,<br />

so dass wir <strong>und</strong> viele Kliniker in der Regel Antibiotika<br />

einsetzen, die auch gegen S. aureus wirken (Tab. 3) [6].<br />

Die Therapie kann angepasst werden, wenn Streptokokken<br />

durch mikrobiologische Untersuchungen als<br />

Erreger identifiziert werden oder wenn Klinik <strong>und</strong> Verlauf<br />

typisch für ein <strong>Erysipel</strong> sind.<br />

Bei rezidivierendem <strong>Erysipel</strong> sind die wichtigsten Massnahmen<br />

die Sanierung der Eintrittspforten (z.B. Tinea<br />

pedis) <strong>und</strong> die Behandlung der prädisponierenden Erkrankung,<br />

insbesondere eines chronischen Lymphödems<br />

(Kompressionsstrümpfe, Behandlung von <strong>Haut</strong>läsionen,<br />

gute <strong>Haut</strong>pflege). Der Stellenwert einer antibiotischen<br />

Langzeitprophylaxe ist nicht eindeutig geklärt. Eine neue<br />

Schweiz Med Forum 2013;13(35):672–677 675


curriculum<br />

dreijährige Studie zeigte, dass bei Patienten mit Status<br />

nach ≥2 Episoden eine Prophylaxe mit niedrig dosiertem<br />

Penicillin V (2 × 250 mg/Tag p.o.) während eines<br />

Jahres die Rezidivrate in diesem Jahr signifikant von<br />

37% (in der Plazebogruppe) auf 22% reduzierte («number<br />

needed to treat» zur Vermeidung einer Episode:<br />

4−9). Dieser Effekt verschwand aber nach Absetzen des<br />

Penicillins, so dass es unklar bleibt, wie lange eine solche<br />

Prophylaxe durchgeführt werden müsste [17]. Zur<br />

Interpretation dieser Studie muss noch angemerkt werden,<br />

dass die Autoren den Begriff <strong>Zellulitis</strong> als Synonym<br />

für <strong>Erysipel</strong> benützen [18].<br />

Eine (allerdings nicht untersuchte) Alternativstrategie<br />

bei Patienten mit rezidivierendem <strong>Erysipel</strong> ist die selbstinitiierte<br />

Antibiotikabehandlung durch den Patienten,<br />

sobald sich die ersten Symptome eines Rezidivs manifestieren.<br />

Dadurch sollen Dauer <strong>und</strong> Schweregrad der<br />

neuen Episode reduziert werden [6].<br />

Nekrotisierende Fasziitis<br />

Die nekrotisierende Fasziitis ist mit einer hohen Mortalität<br />

assoziiert (20–40%), die nur durch eine frühzeitige<br />

Diagnose <strong>und</strong> aggressive Therapie reduziert werden<br />

kann [19].<br />

Ätiologie<br />

Nach mikrobiologischen Kriterien werden zwei Hauptformen<br />

von nekrotisierender Fasziitis unterschieden [20]:<br />

1. Nekrotisierende Fasziitis Typ 1: die häufigste Form<br />

(ca. 80% der Fälle). Es handelt sich um eine polymikrobielle<br />

Infektion (meistens ≥4 Bakterien) durch<br />

Anaerobier (z.B. Bacteroides, Peptostreptococcus<br />

spp.) <strong>und</strong> aerobe Bakterien wie Streptokokken <strong>und</strong><br />

Enterobacteriaceae (z.B. E. coli, Enterobacter, Klebsiella,<br />

Proteus). Die Fournier-Gangrän ist eine nekrotisierende<br />

Fasziitis Typ 1 im Genital- <strong>und</strong> Perineum-<br />

Bereich.<br />

2. Nekrotisierende Fasziitis Typ 2: monomikrobielle<br />

Form. Verursacht durch beta-hämolysierende Streptokokken<br />

der Gruppe A (Streptococcus pyogenes),<br />

seltener auch durch S. aureus <strong>und</strong>, bei entsprechender<br />

Exposition, durch Vibrio vulnificus (Salzwasser,<br />

Meeresfrüchte) oder Aeromonas hydrophila (Süsswasser).<br />

Staphylokokken <strong>und</strong> Streptokokken können<br />

gleichzeitig vorkommen [6]. Bei Infektionen mit S.<br />

pyogenes oder S. aureus tritt in ca. 50% der Fälle<br />

auch ein «toxic shock syndrome» auf.<br />

Begünstigende Faktoren für eine nekrotisierende Fasziitis<br />

sind unter anderem Diabetes mellitus, Adipositas,<br />

periphere arterielle Verschlusskrankheit, chronische<br />

Niereninsuffizienz, Alkoholabusus, Operationen, Traumen<br />

<strong>und</strong> <strong>Haut</strong>verletzungen. Die <strong>Haut</strong>verletzungen können<br />

(insbesondere beim Typ 2) auch sehr gering sein (z.B.<br />

Insektenstich) [20].<br />

Klinik<br />

Typisch ist die Präsentation mit starken Schmerzen,<br />

Ödem, Fieber <strong>und</strong> rascher Progression des Lokalbef<strong>und</strong>s<br />

mit Verschlechterung des Allgemeinzustands <strong>und</strong> Zeichen<br />

der Sepsis. Es gibt aber auch subakute Verläufe<br />

über Tage hinweg, mit einer plötzlichen akuten Verschlechterung,<br />

nachdem die Infektion eine gewisse<br />

Schwelle überschritten hat [21]. Initial sind die sichtbaren<br />

<strong>Haut</strong>veränderungen (z.B. Rötung) typischerweise<br />

gering. Diese Diskrepanz zwischen stärksten Schmerzen<br />

<strong>und</strong> «unverhältnismässig» geringen <strong>Haut</strong>veränderungen<br />

ist wahrscheinlich das wichtigste Zeichen, das an eine<br />

nekrotisierende Fasziitis denken lassen muss. Auch ein<br />

ausgeprägtes Ödem mit holzartiger Verhärtung des subkutanen<br />

Gewebes kann hinweisend sein [6]. Die Zerstörung<br />

der kutanen Nerven durch die Nekrose im subkutanen<br />

Gewebe führt manchmal zu einer Anästhesie der<br />

darüberliegenden <strong>Haut</strong>. Im weiteren Verlauf kommt es<br />

zu einer raschen Ausbreitung der Rötung, die fleckförmig-inhomogen<br />

wird <strong>und</strong> sich dunkelrot bis bläulich-livid<br />

verfärbt. Später können Blasen mit hämorrha gischem<br />

Inhalt, <strong>Haut</strong>nekrosen <strong>und</strong> eine Krepitation bei der Palpation<br />

auftreten. Ohne frühzeitige chirurgische Intervention<br />

kommt es zum Schock mit Multiorgan versagen.<br />

Diagnostik<br />

Es ist schwierig, frühzeitig eine nekrotisierende Fasziitis<br />

zu diagnostizieren <strong>und</strong> von einer «banalen» <strong>Zellulitis</strong><br />

oder einem <strong>Erysipel</strong> zu unterscheiden, weil die pathognomonischen<br />

klinischen Zeichen initial fehlen. Merkmale,<br />

die auf eine nekrotisierende Fasziitis hinweisen,<br />

sind:<br />

− Starke Schmerzen, die unverhältnismässig stark<br />

erscheinen in Anbetracht von nur geringen oder<br />

sogar fehlenden <strong>Haut</strong>veränderungen<br />

− Schwere systemische Symptome (Fieber, Leukozytose,<br />

Hypotonie)<br />

− Rasche Ausbreitung der Rötung, auch unter Antibiotikatherapie<br />

(deswegen ist zur Beurteilung des Verlaufs<br />

die initiale Markierung der Rötung essentiell)<br />

− Ödem, das die Bef<strong>und</strong>grenzen überschreitet<br />

− Blasen mit hämorrhagischem Inhalt<br />

− <strong>Haut</strong>nekrosen [6].<br />

Bei Verdacht auf eine nekrotisierende Fasziitis muss der<br />

Patient notfallmässig für die sofortige chirurgische Exploration<br />

zugewiesen werden. Die Diagnose beruht in<br />

erster Linie auf der klinischen Beurteilung <strong>und</strong> wird<br />

chirurgisch bestätigt, weil die Zusatzuntersuchungen<br />

(Labor, Radiologie) eine ungenügende Sensitivität <strong>und</strong><br />

Spezifität haben. Da die Prognose entscheidend vom raschen<br />

radikalen Débridement abhängig ist, darf keine<br />

Zeit wegen bildgebenden Untersuchungen verloren gehen,<br />

<strong>und</strong> die Indikation zur chirurgischen Exploration<br />

muss grosszügig gestellt werden. Dabei wird zuerst<br />

eine kleine exploratorische Inzision durchgeführt. Typische<br />

intraoperative Zeichen der nekrotisierenden Fasziitis<br />

sind Verlust der normalen Konsistenz der Faszie<br />

bei der Dissektion mit dem Finger, matte, grau gefärbte<br />

Faszie mit Nekrosen, Nekrosen des subkutanen Gewebes,<br />

fehlende Blutung bei der Dissektion, fauliger Geruch<br />

sowie bräunliche, spülwasserfarbene («dish water») Sekretion.<br />

Selbst bei tiefer Dissektion findet sich typischerweise<br />

kein richtiger Eiter [6]. Intraoperativ werden<br />

G e webebiopsien für Gram-Präparat <strong>und</strong> Kulturen entnommen.<br />

Schweiz Med Forum 2013;13(35):672–677 676


curriculum<br />

Tabelle 4<br />

Laboratory Risk Indicator for Necrotizing Fasciitis (LRINEC) Score<br />

[23].<br />

Variable<br />

C-reaktives Protein (mg/l)<br />

135 0<br />

110–135 1<br />

10 1<br />

Score<br />

Bei einem Cut-off von ≥6 Punkten hat der Score ein PPV von 92%<br />

<strong>und</strong> ein NPV von 96%. Diese Werte konnten aber in anderen<br />

Validierungsstudien nicht bestätigt werden.<br />

Laboruntersuchungen<br />

Wall et al. zeigten in einer retrospektiven Studie, dass<br />

die Kombination einer Leukozytenzahl ≤15,4 G/l <strong>und</strong><br />

eines Serum-Natriums ≥135 mmol/l das Vorliegen einer<br />

nekrotisierenden Fasziitis praktisch ausschliesst (negativ<br />

prädiktiver Wert [NPV] 99%). Umgekehrt eignet sich die<br />

Kombination dieser Parameter aber nicht, um die Krankheit<br />

zu diagnostizieren (positiv prädiktiver Wert [PPV]<br />

26%) [22]. Ein Score aus sechs Laborparametern<br />

(LRINEC, Tab. 4 ) zeigte in der Originalbeschreibung<br />

einen hohen PPV <strong>und</strong> NPV für die Diagnose einer nekrotisierenden<br />

Fasziitis [23]. Aber auch dieser Score basiert<br />

auf einer retrospektiven Analyse <strong>und</strong> konnte durch<br />

andere Studien nicht validiert werden [19, 20, 24].<br />

Bildgebende Untersuchungen<br />

Wenn die Diagnose unklar, der Patient stabil <strong>und</strong> eine<br />

nekrotisierende Fasziitis nicht sehr wahrscheinlich ist,<br />

wird eine Bildgebung durchgeführt. Das MRI gilt meistens<br />

als Untersuchung der Wahl (Sensitivität 80−90%).<br />

Das CT hat eine Sensitivität um 80%. Die Spezifität beider<br />

Methoden ist aber gering (MRI: ca. 50−55%, CT noch<br />

tiefer), auch wenn Untersuchungen mit neueren CT-<br />

Geräten eine verbesserte Spezifität zeigen [20].<br />

Therapie<br />

Der Gr<strong>und</strong>pfeiler der Behandlung der nekrotisierenden<br />

Fasziitis ist das frühestmögliche, radikale chirurgische<br />

Débridement mit vollständiger Entfernung des nekrotischen<br />

Gewebes <strong>und</strong> der nekrotischen Faszie. Die meisten<br />

Patienten müssen nach 24–36 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> dann täglich<br />

für ein Nachdébridement wieder operiert werden, bis<br />

alle Nekrosen entfernt sind [6]. Zusätzlich müssen die<br />

Patienten intensivmedizinisch monitorisiert <strong>und</strong> behandelt<br />

werden, insbesondere wegen des Volumenmanagements.<br />

Die empirische Antibiotikatherapie besteht aus einem<br />

Breitspektrum-Antibiotikum wie Imipenem/Cilastatin<br />

(4 × 500 mg/Tag i.v.), Meropenem (3 × 1 g/Tag i.v.) oder<br />

Piperacillin/Tazobactam (3 × 4,5 g/Tag i.v.) in Kombination<br />

mit Clindamycin (3 × 900 mg/Tag i.v.). Das Clindamycin<br />

wird hinzugefügt, weil es bei einem hohen<br />

Streptococcus pyogenes-Inoculum besser als Betalaktam-Antibiotika<br />

wirkt («Eagle Effekt») <strong>und</strong> weil es die<br />

bakterielle Toxinsynthese hemmt. Nach Identifikation<br />

der Erreger wird die Antibiotikatherapie angepasst.<br />

Die adjuvante Verabreichung von i.v. Immunglobulinen<br />

(IVIG) bei Patienten mit toxischem Schocksyndrom<br />

scheint einen positiven Effekt zu haben, obwohl dieser<br />

bis jetzt nicht eindeutig belegt werden konnte. Die Behandlung<br />

mit IVIG soll deshalb auch bei Patienten mit<br />

nekrotisierender Fasziitis durch Streptokokken oder S.<br />

aureus <strong>und</strong> schwerer Sepsis in Erwägung gezogen werden<br />

[6, 20].<br />

Die Daten zur adjuvanten hyperbaren Sauerstoff-Therapie<br />

sind widersprüchlich <strong>und</strong> der Stellenwert dieser<br />

Behandlung für die nekrotisierende Fasziitis ist umstritten<br />

[20].<br />

Danksagung:<br />

Die Autoren danken Herrn Dr. H. Lanter, Facharzt für Innere Medizin,<br />

Olten, für die kritische Durchsicht des Manuskripts.<br />

Korrespondenz:<br />

Prof. Dr. med. Stefano Bassetti<br />

Medizinische Klinik<br />

Kantonsspital Olten<br />

Baslerstrasse 150<br />

CH-4600 Olten<br />

stefano.bassetti[at]spital.so.ch<br />

Empfohlene Literatur<br />

– Chira S, Miller LG. Staphylococcus aureus is the most common identified<br />

cause of cellulitis: a systematic review. Epidemiol Infect.<br />

2010;138:313–7.<br />

– Stevens DL, Bisno AL, Chambers HF, Everett ED, Dellinger P, Goldstein<br />

EJC et al. Practice guidelines for the diagnosis and management of<br />

skin and soft-tissue infections. Clin Infect Dis. 2005;41:1373–406.<br />

– G<strong>und</strong>erson CG. Cellulitis: definition, etiology and clinical features.<br />

Am J Med. 2011;124:1113–22.<br />

– Thomas KS, Crook AM, Nunn AJ, Foster KA, Mason JM, Chalmers JR,<br />

et al. Penicillin to prevent recurrent leg cellulitis. N Engl J Med.<br />

2013;368:1695–703.<br />

– Ustin JS, Malangoni MA. Necrotizing soft-tissue infections. Crit Care<br />

Med. 2011;39:2156–62.<br />

Die vollständige nummerierte Literaturliste finden Sie unter<br />

www.medicalforum.ch.<br />

Schweiz Med Forum 2013;13(35):672–677 677

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