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PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
<strong>ProfNet</strong> PlagiatService<br />
-Prüfberichtfür<br />
Dr. Annette Schavan<br />
Uni Düsseldorf<br />
Münster, den 12.01.2014<br />
1<strong>ProfNet</strong><br />
Institut für Internet-Marketing
<strong>ProfNet</strong> PlagiatService - Zusammenfassung<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
Autor<br />
Titel<br />
Typ<br />
Abgabetermin<br />
Hochschule<br />
Fachbereich<br />
Studiengang<br />
Fachrichtung<br />
1. Gutachter<br />
2. Gutachter<br />
Prüfdatum<br />
Dr. Annette Schavan<br />
Person und Gewissen<br />
Dissertation<br />
30.11.1980<br />
Uni Düsseldorf<br />
Philosophische Fakultät<br />
Promotion<br />
Pädagogik<br />
Prof. Dr. Gerhard Wehle<br />
Prof. Dr. Werner Heldmann<br />
12.01.2014<br />
Analysetyp<br />
Indizien<br />
Mischplagiat-eine Quelle 50<br />
Mischplagiat-mehrere Quellen 24<br />
Teilplagiat 206<br />
Verschleierung 64<br />
Zitat-Veränderung 182<br />
Anteil Fremdtexte (netto): 7 % (5.079 von 76.338 Wörtern)<br />
Literaturquelle-in Fußnote 52<br />
12.01.2014<br />
Dateigröße<br />
Seiten<br />
Absätze<br />
Sätze<br />
Wörter<br />
Zeichen<br />
Abbildungen<br />
Tabellen<br />
Fußnoten<br />
Literatur<br />
Wörter (netto)<br />
635.985<br />
348<br />
1.230<br />
4.446<br />
79.542<br />
502.657<br />
0<br />
0<br />
877<br />
69<br />
76.338<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
Anhang<br />
Eidesstattliche Erklärung<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Literaturverzeichnis<br />
Quellenverzeichnis<br />
Stichwortverzeichnis<br />
Sperrvermerk<br />
Symbolverzeichnis<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Vorwort<br />
X<br />
X<br />
X<br />
Phrase-allgemein 175<br />
Phrase-fachspezifisch 160<br />
Phrase-Redewendung 3<br />
Zitat-Fremdtext-ohne Quelle-Un-Vollständig 172<br />
Zitat-Fremdtext-Un-Vollständig 438<br />
Zitat-im Text-ohne Quelle-Vollständig 83<br />
Zitat-im Text-Vollständig 94<br />
Anteil Fremdtexte (brutto): 27 % (21.792 von 79.542 Wörtern)<br />
2<strong>ProfNet</strong><br />
Institut für Internet-Marketing<br />
75% Gesamtplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Alle Ergebnisse dieses Reports werden von der<br />
Software automatisch berechnet, so dass alle Angaben<br />
jeweils den Stand der Software-Entwicklung<br />
wiedergeben.
<strong>ProfNet</strong> PlagiatService - Ergebnis Textanalyse (alle Analysen)<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
Kriterium<br />
Dokumente<br />
Abbildungen<br />
Absätze<br />
Fußnoten<br />
Literatur<br />
Sätze<br />
Seiten<br />
Tabellen<br />
Wörter<br />
Zeichen<br />
Zitate<br />
Dimension<br />
Anzahl<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Anzahl (Durchschnitt)<br />
Prüfdokument<br />
1<br />
0<br />
1230<br />
877<br />
69<br />
4446<br />
348<br />
0<br />
79542<br />
502657<br />
1074<br />
Erstprüfer<br />
1<br />
0<br />
1230<br />
877<br />
69<br />
4446<br />
348<br />
0<br />
79542<br />
502657<br />
1074<br />
Fachbereich<br />
1<br />
0<br />
1230<br />
877<br />
69<br />
4446<br />
348<br />
0<br />
79542<br />
502657<br />
1074<br />
Hochschule<br />
6<br />
52<br />
793<br />
263<br />
13<br />
2983<br />
258<br />
0<br />
52255<br />
336548<br />
660<br />
Fachrichtung<br />
45<br />
6<br />
807<br />
353<br />
5<br />
4181<br />
275<br />
5<br />
74489<br />
508583<br />
721<br />
Hausarbeiten<br />
73<br />
3<br />
113<br />
39<br />
1<br />
561<br />
39<br />
1<br />
9487<br />
62234<br />
105<br />
Seminararbeiten<br />
43<br />
1<br />
95<br />
78<br />
52<br />
531<br />
28<br />
1<br />
8546<br />
56948<br />
67<br />
Bachelor Thesen<br />
177<br />
7<br />
255<br />
42<br />
21<br />
1135<br />
82<br />
2<br />
17823<br />
117201<br />
122<br />
Diplomarbeiten<br />
1001<br />
8<br />
325<br />
66<br />
9<br />
1533<br />
107<br />
4<br />
24360<br />
163025<br />
174<br />
Master Thesen<br />
120<br />
4<br />
286<br />
44<br />
5<br />
1351<br />
96<br />
4<br />
22272<br />
142202<br />
137<br />
Dissertationen<br />
15369<br />
5<br />
509<br />
116<br />
8<br />
2558<br />
170<br />
4<br />
41139<br />
272699<br />
239<br />
Habilitationen<br />
151<br />
8<br />
680<br />
135<br />
2<br />
3697<br />
208<br />
3<br />
59438<br />
403525<br />
399<br />
alle<br />
37867<br />
3<br />
529<br />
84<br />
35<br />
2276<br />
129<br />
2<br />
37180<br />
248046<br />
245<br />
3<strong>ProfNet</strong><br />
Institut für Internet-Marketing<br />
Die statistischen Ergebnisse der Textanalyse des<br />
Prüfdokumentes werden mit den Ergebnissen aller<br />
analysieren Texte verglichen.
<strong>ProfNet</strong> PlagiatService - Ergebnis Textvergleich (alle Vergleiche)<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
Kriterium Dimension<br />
Dokumente Anzahl<br />
Mischpl.-eine Anzahl (Durchschnitt)<br />
Teilplagiat Anzahl (Durchschnitt)<br />
Mischpl.-mehrere Anzahl (Durchschnitt)<br />
Zitat - wörtlich Anzahl (Durchschnitt)<br />
Verschleierung Anzahl (Durchschnitt)<br />
Prüfdokument<br />
1<br />
50<br />
206<br />
24<br />
438<br />
64<br />
Erstprüfer<br />
1<br />
50<br />
206<br />
24<br />
438<br />
64<br />
Fachbereich<br />
1<br />
50<br />
206<br />
24<br />
438<br />
64<br />
75% Gesamtplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Hochschule<br />
4<br />
13<br />
74<br />
8<br />
110<br />
17<br />
Fachrichtung<br />
22<br />
6<br />
45<br />
5<br />
24<br />
4<br />
Hausarbeiten<br />
45<br />
1<br />
10<br />
2<br />
1<br />
1<br />
Seminararbeiten<br />
24<br />
6<br />
8<br />
3<br />
1<br />
2<br />
Bachelor Thesen<br />
144<br />
2<br />
22<br />
4<br />
2<br />
1<br />
Diplomarbeiten<br />
845<br />
3<br />
21<br />
5<br />
2<br />
1<br />
Master Thesen<br />
73<br />
3<br />
23<br />
4<br />
2<br />
1<br />
Dissertationen<br />
14047<br />
4<br />
32<br />
7<br />
2<br />
1<br />
Habilitationen<br />
114<br />
5<br />
37<br />
5<br />
3<br />
1<br />
alle<br />
22162<br />
5<br />
32<br />
8<br />
2<br />
1<br />
Die Textvergleichsergebnisse des Prüfdokumentes<br />
werden mit allen analysierten Texten verglichen. Die<br />
Plagiatswahrscheinlichkeit wird grob vom Programm<br />
automatisch berechnet.<br />
4<strong>ProfNet</strong><br />
Institut für Internet-Marketing
Textstelle (Prüfdokument) S. 11<br />
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind<br />
mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der<br />
Brüderlichkeit begegnen." 1<br />
Bei aller Unterschiedlichkeit im Denken der<br />
unterzeichnenden Staaten liegt damit ein gemeinsames Bekenntnis mit -<br />
zumindest erklärter - weltweiter Gültigkeit vor. Wenn darin das Gewissen zu<br />
den fundamentalen Merkmalen des Menschen gezählt wird, so ist damit seine<br />
1) vgl.: Menschenrechte in der Welt. Dokumentation des Auswärtigen Amtes. Bonn: Dezember<br />
1978. S. 19-25. hier: S. 20.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
als auch unter den Völkern der Gebiete, die ihrer Rechtshoheit unterstehen.<br />
Artikel 1: Alle Menschen sind frei geboren und gleich In ihrer Würde und<br />
Ihren Rechten. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollten nicht<br />
anders als im Geist der Brüderlichkeit miteinander wirken. Artikel 2: Jeder hat<br />
Anspruch auf alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung festgelegt sind,<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
1 Dittert, Kurt: Alternativen. Das Gewissen - fragwü..., 1970, S. 61<br />
5<strong>ProfNet</strong><br />
Institut für Internet-Marketing<br />
<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 11<br />
Vernunft aktualisieren kann. Einfluß auf das Zustandekommen dieser<br />
Erklärung hat gewiß die Ablehnung von Vernunft und Gewissen und deren<br />
barbarische Folgen im dritten Reich gehabt, wofür beispielhaft folgender<br />
Ausschnitt aus einer Hitler-Äußerung stehen kann: " Das Gewissen ist eine<br />
jüdische Erfindung. Es ist wie die Beschneidung eine Verstümmelung des<br />
menschlichen Wesens. Eine neue Zeit der magischen Weltdeutung kommt<br />
herauf, der Deutung aus dem Willen und nicht dem Wissen. ... Man muß<br />
Mißtrauen haben gegen Geist und Gewissen, und man muß Zutrauen haben zu<br />
seinen Instinkten. ... Ich befreie den Menschen von dem Zwange eines<br />
Selbstzweck gewordenen Geistes; von den schmutzigen und erniedrigenden<br />
Selbstpeinigungen einer Gewissen und Moral genannten Chimäre und von den<br />
Ansprüchen einer Freiheit und persönlichen Selbständigkeit, denen immer nur<br />
ganz wenige gewachsen sein können. ... Der christlichen Lehre von der<br />
unendlichen Bedeutung der menschlichen Einzelseele und der persönlichen<br />
Verantwortung setze ich mit eiskalter Klarheit die erlösende Lehre von der<br />
Nichtigkeit und Unbedeutendheit des einzelnen Menschen und seines<br />
Fortlebens in der sichtbaren Unsterblichkeit der Nation gegenüber." 1<br />
In<br />
Anbetracht der Schreckenserfahrungen im zweiten Weltkrieg erhält das<br />
Bekenntnis zu Freiheit, Vernunft und Gewissen Schutzfunktion und beinhaltet<br />
die feste Entschlossenheit, erneute Barbarei zu verhindern. Gedanken der<br />
Menschenrechtserklärung sind auch unverzichtbarer Bestandteil des Bonner<br />
Grundgesetzes<br />
1) Rauschning,Hermann: Gespräche mit Hitler. Zürich,Wien, New York 1940. S. 210-212 in<br />
Auszügen.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
unserer Bewegung ist erst das mittlere Zeitalter, das Mittelalter abgeschlossen.<br />
Wir beenden einen Irrweg der Menschheit. Die Tafeln vom Berge Sinai haben<br />
ihre Gültigkeit verloren. Das Gewissen ist eine jüdische Erfindung. Es ist wie<br />
die Beschneidung, eine Verstümmelung des menschlichen Wesens. Eine neue<br />
Zeit der magischen Weltdeutung kommt herauf, der Deutung aus dem Willen<br />
und nicht dem Wissen. Es gibt keine Wahrheit, weder im moralischen noch<br />
wissenschaftlichen Sinne. Der Gedanke einer freien, voraussetzungslosen<br />
Wissenschaft konnte nur im Zeitalter des Liberalismus auftauchen. Er ist<br />
erniedrigenden Selbstpeinigungen einer Gewissen und Moral genannten<br />
Chimäre und von den Ansprüchen einer Freiheit und persönlichen<br />
Selbständigkeit, denen immer nur ganz wenige gewachsen sein können." " Man<br />
muß Mißtrauen haben gegen Geist und Gewissen, und man muß Zutrauen<br />
haben zu seinen Instinkten. Wir müssen eine neue Naivität wieder gewinnen." "<br />
Das Gewissen ist eine jüdische Erfindung. Es ist wie die Beschneidung eine<br />
Verstümmelung des menschlichen Wesens"8. Demgegenüber dürfen<br />
Das kommt mir heute zugute. Ich stehe allem mit einer ungeheuren, eiskalten<br />
Vorurteilslosigkeit gegenüber. Die Vorsehung hat mich zu dem größten<br />
Befreier der Menschheit vorbestimmt. Ich befreie den Menschen von dem<br />
Zwange eines Selbstzweck gewordenen Geistes; von den schmutzigen und<br />
erniedrigenden Selbstpeinigungen einer Gewissen und Moral genannten<br />
Chimäre und von den Ansprüchen einer Freiheit und persönlichen<br />
Selbständigkeit, denen immer nur ganz wenige gewachsen sein können. Der<br />
christlichen Lehre von der unendlichen Bedeutung der menschlichen<br />
Einzelseele und der persönlichen Verantwortung setze ich mit eiskalter<br />
Klarheit die erlösende Lehre von der Nichtigkeit und Unbedeutendheit des<br />
einzelnen Menschen und seines Fortlebens in der sichtbaren Unsterblichkeit der<br />
Nation gegenüber. An die Stelle des Dogmas von dem stellvertretenden Leiden<br />
und Sterben eines göttlichen Erlösers tritt das stellvertretende Leben und<br />
Handeln des neuen Führergesetzgebers, das die<br />
2 Rauschning, Hermann: Gespräche mit Hitler. Zürich, Wien,..., 1940, S. 210<br />
3 Krautwig, Notker: Wesen und Aufgabe des Gewissens, We..., 1967, S. 7<br />
2 Rauschning, Hermann: Gespräche mit Hitler. Zürich, Wien,..., 1940, S. 212<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
6<strong>ProfNet</strong><br />
Institut für Internet-Marketing<br />
<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 12<br />
unverzichtbarer Bestandteil des Bonner Grundgesetzes und der<br />
Landesverfassungen geworden: Neben dem Artikel 4 des Grundgesetzes<br />
enthalten mehrere Landesverfassungen die ausdrückliche Bestätigung der<br />
Freiheit des Gewissens. 2<br />
Das Bundesverfassungsgericht schreibt in der<br />
Begründung einer Entscheidung vom 20.12.1960 (betr.:<br />
Wehrdienstverweigerung): " Das GG sieht die freie menschliche Persönlichkeit<br />
mit ihrer Würde als höchsten Rechtswert an. So hat es folgerechtlich in Art. 4<br />
Abs.1 die Freiheit des Gewissens und seiner Entscheidungen, in denen sich die<br />
autonome sittliche Persönlichkeit unmittelbar ausspricht, als 'unverletzlich'<br />
anerkannt." 1<br />
Aus dem grundgesetzlich verankerten Bekenntnis zum Menschen<br />
als autonomer sittlicher Person, deren Freiheit sich ausspricht in der<br />
Gewissensentscheidung, ergeben sich zwei Notwendigkeiten: 1. Vom<br />
Gemeinwesen her müssen Voraussetzungen und Bedingungen dafür<br />
geschaffen werden, daß der einzelne<br />
2) So in Art.107 der Verfassung des Freistaates Bayern vom 2.12.46., in Art.4 der Verfassung der<br />
Freien Hansestadt Bremen vom 21.10.47-, in Art.9 der Verfassung des Landes Hessen vom 1.<br />
12.46-, in Art.8 der Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18.5.47. und in Art.4 der<br />
Verfassung des Saarlandes vom 15.12.47. in der Fassung vom 29.9.60.<br />
1) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes. Band 12. Tübingen 1962. S. 45.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
auf Staatsgrenzen, zu suchen, zu empfangen und mitzuteilen. Zitiert nach:<br />
Bernhard Kamp, Der Weg - Die Wahrheit - Das Leben, Patmos-Verlag,<br />
Düsseldorf 1959, S. 321-323. DAS BUNDESVERFASSUNGSGERICHT<br />
Entscheidung vom 20.12.1960 " Das GG sieht die freie menschliche<br />
Persönlichkeit mit ihrer Würde als höchsten Rechtswert an. So hat es<br />
folgerechtlich in Art. 4 Abs. 1 die Freiheit des Gewissens und seiner<br />
Entscheidungen, in denen sich die autonome sittliche Persönlichkeit<br />
unmittelbar ausspricht, als >unverletzlich< anerkannt. Auf diesem Grundsatz<br />
beruht auch Art. 4 Abs. 3 GG. Er hat die Gewissensfreiheit des Art. 4 Abs. 1<br />
GG nicht nur zur allgemeinen (ideologischen) Voraussetzung. Er nimmt den<br />
Begriff des<br />
1 Dittert, Kurt: Alternativen. Das Gewissen - fragwü..., 1970, S. 61<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
7<strong>ProfNet</strong><br />
Institut für Internet-Marketing<br />
<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 15<br />
Ziele sollen "erfragt" werden. 1<br />
Im Mittelpunkt der neu entfachten Diskussion<br />
um Wertund Zielsetzungen in der Erziehungswissenschaft steht die Forderung<br />
nach einer Erziehung zur mündigen, selbstverantwortlichen Person. Einer<br />
Person, die zu ihrer Identität gefunden hat, worunter " die Einheit der<br />
menschlichen Person, ihre Verantwortungsfähigkeit und die Möglichkeit, sich<br />
in allen ihren Zuständen und Verhältnissen ( wieder) zu erkennen" 2<br />
verstanden<br />
wird. Es ist verwunderlich, daß angesichts dieser Forderung in der neueren<br />
erziehungswissenschaftlichen Literatur die Auseinandersetzung mit dem<br />
Gewissen als der gemeinhin üblichen Bezeichnung für die Instanz individueller<br />
Wertbindung und mit der Gewissensfreiheit als der<br />
1) Kerstiens, Wilhelm: Erziehungsziele neu befragt. Bad Heilbrunn 1978. S. 5.<br />
2) Gamm, Hans-Jochen: Umgang mit sich selbst. München 1977. S. 97.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
die Identität des einzelnen." (53,27f.)" Mit der Frage nach der Identität eröffnet<br />
sich für jede pädagogische Anthropologie ein zentraler Denkbereich. Unter<br />
Identität wird von mir verstanden, die Einheit der menschlichen Person, ihre<br />
Verantwortungsfähigkeit und die Möglichkeit, sich in allen ihren Zuständen und<br />
Verhältnissen als dieselbe (wieder) zu erkennen. Identität besteht nur, soweit<br />
strukturierte Erinnerung, persönliche Retrospektive, in die Gegenwart<br />
eingebracht werden kann, die das Dasein nach rückwärts erschließt<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
4 Gamm, Hans Jochen: Umgang mit sich selbst, 1977, S. 93<br />
8<strong>ProfNet</strong><br />
Institut für Internet-Marketing<br />
1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 15<br />
Handelns, indem sich die autonome Persönlichkeit ausspricht, dem Erzieher<br />
keine Antwort im Sinne einer lediglich lehrhaften Vermittlung von Normen und<br />
Werten erlaubt. Ihre bloße Annahme allein macht noch nicht sittliches<br />
Verhalten aus. Vielmehr gehört dazu " die sich als Gewissen artikulierende<br />
persönliche Überzeugung und Bejahung von jenen Werten, Normen und<br />
Ordnungen." 3<br />
Wenn auch die Frage nach der richtigen Norm eine<br />
Voraussetzung zur Verwirklichung des Sittlichen ist, so steht doch im<br />
Vordergrund "einer Ermöglichung der sittlichen Person ... die Frage nach der<br />
personalen Aneignung des Sittlichen." 1<br />
Die pädagogische Auseinandersetzung<br />
mit dem Gewissen und Problemen seiner Entfaltung läßt sich somit näherhin<br />
einordnen in den Themenbereich, in dem die Bedingungen der Möglichkeit von<br />
Selbstbestimmung und Mündigkeit untersucht werden. Dies nicht nur deshalb,<br />
weil das Gewissen theoretisch als Aktualisierung menschlicher Freiheit in<br />
Vernunft betrachtet wird, sondern vor allem aufgrund der Erfahrung, daß der<br />
Gültigkeitsanspruch der Gewissensurteile im Alltag immer schon erhoben wird.<br />
" Dieser Anspruch des moralischen Alltagsdenkens auf allgemeine,<br />
intersubjektive Geltung des Gewissensurteils besagt etwa folgendes: Jeder, der<br />
aufgrund seines Gewissens ein moralisches Urteil abgibt, erhebt damit<br />
stillschweigend den Anspruch, daß es von einem überpersönlichen Standpunkt<br />
aus abgegeben wurde, daß infolgedessen auch die urteilende Instanz selbst<br />
einer rationalen Prüfung standhält und einer Bildung unterliegt." 2<br />
Methodisches Vorgehen Die vorliegende Arbeit, in der über die Bedingungen<br />
der Möglichkeit von Selbstbestimmung und Mündigkeit gearbeitet wird, kann -<br />
nach der Terminologie von Wolfgang Brezinka 3<br />
- als ein Beitrag zur<br />
Philosophie der Erziehung betrachtet werden. Unser methodisches Vorgehen<br />
ist von daher bestimmt von dem generellen Anliegen der Philosophie der<br />
Erziehung "um die Erhellung dessen, was 'Kultivierung' des Menschen und<br />
seiner Welt, 'Veränderung und Hervorbringung menschlicher Wirklichkeit'<br />
durch das erzieherische und bildende Handeln im Sinnzusammenhang der<br />
Gesamtwirklichkeit letztlich bedeutet." 1<br />
Dazu werden wir nicht mit den<br />
Mitteln der empirischanalytischen Erziehungswissenschaft arbeiten, etwa in<br />
Form von Befragungen mit dem Ziel, über Rolle und Funktionen des<br />
Gewissens beim einzelnen Auskunft zu erhalten. 2<br />
Ebensowenig soll ein<br />
Konzept zum "<br />
3) Hammel, Walter: Aspekte sittlicher Erziehung. Bad Heilbrunn 1976. S. 73.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
gestellt, damit sie in die persönliche Lebenswirklichkeit umgesetzt werden .<br />
Nicht schon die sittlichen Werte, Normen und Ordnungen als solche<br />
rechtfertigen ein sittliches Verhalten, sondern erst die sich als Gewissen<br />
artikulierende persönliche Überzeugung und Bejahung von jenen Werten,<br />
Normen und Ordnungen. 1. Soziale Bindung und persönliches Gewissen Die<br />
Erziehung zur Gewissenhaftigkeit berücksichtigt, daß das Gewissen nicht aus<br />
eigener Kraft zusätzliche Inhalte der Sittlichkeit - im Vergleich zur<br />
bestehenden<br />
konfrontiert werden. Als sinnvolles Problem hätte man es gar nicht erst stellen<br />
müssen, wenn der Gültigkeitsanspruch der Gewissensurteile nicht im Alltag<br />
schon immer erhoben wäre. Dieser Anspruch des moralischen Alltagsdenkens<br />
auf allgemeine, intersubjektive Geltung des Gewissensurteils besagt etwa<br />
folgendes: Jeder, der aufgrund seines Gewissens ein moralisches Urteil abgibt,<br />
erhebt damit stillschweigend den Anspruch, daß es von einem<br />
überpersönlichen Standpunkt aus abgegeben wurde, daß infolgedessen auch die<br />
urteilende Instanz selbst einer rationalen Prüfung standhält und einer Bildung<br />
unterliegt. Die Kehrseits des Gültigkeitsanspruchs besteht also in der<br />
Bereitschaft, sowohl das abgegebene Urteil rationaler Kritik auszusetzen wie<br />
auch das Funktionieren des Gewissens gegebenenfalls zu revidieren1. /.<br />
5 Hammel, Walter: Aspekte sittlicher Erziehung, 1976, S. 72<br />
6 Juros, Helmut: Gewissensbildung und Ethik, 1977, S. 637<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
9<strong>ProfNet</strong><br />
Institut für Internet-Marketing<br />
<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 17<br />
1) Ringeling,Hermann: Offene Identität: Kriterien der Sozialisation. In: Handbuch der<br />
christlichen Ethik. Freiburg 1978. Band II. S. 194-209. hier: S. 199.<br />
2) Juros,Hemut: Gewissensbildung und Ethik. In: CONCILIUM. 13 (1977). Heft 12. S.638-643.<br />
hier: S. 639.<br />
3) Brezinka,Wolfgang: Metatheorie der Erziehung. München, Basel 1978. speziell: S. 189-235.<br />
1) Beck, Heinrich: Vorbegriff der Erziehungs- und Bildungsphilosophie. In: ders. (Hrsg.):<br />
Philosophie der Erziehung. Freiburg,Basel,Wien 1979. S. 11-19. hier:S.15.<br />
2) Empirische Arbeiten mit dieser Zielsetzung liegen u.a. vor von: Gilen, Leonhard: Das<br />
Gewissen bei Jugendlichen. Göttingen 1956. Haas, Irmgard: Das Problem der<br />
Gewissensreifung beim Jugendlichen. Unveröffentlichte Dissertation. München 1953.<br />
Mokrosch,Reinhold : Das religiöse Gewissen. Stuttgart,Berlin,Köln,Mainz 1979.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
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Material um eine "Rekonstruktion" 4<br />
der vielfältigen Aspekte des Gewissens,<br />
seiner Voraussetzungen, Wirkweisen, Inhalte und pädagogischen Bedeutung<br />
bemühen. Dabei werden Tatbestände aus Nachbardisziplinen wie der<br />
Psychologie, Philosophie, Theologie und Soziologie nur insoweit für<br />
pädagogische Reflexionen relevant, " als sie relevant gemacht werden, und das<br />
geschieht durch die allgemeine Ansicht von dem, was wir zu tun haben, wenn<br />
wir Menschen erziehen." 5<br />
Unsere Position zu dem, was bei der Erziehung<br />
grundlegender Beachtung bedarf, ist das eingangs erwähnte Bekenntnis zum<br />
Menschen als autonomer, sittlicher Persönlichkeit, deren Freiheit sich im<br />
Gewissen aktualisiert. Wir greifen damit auf einen Gedanken zurück,<br />
4) vgl. zum Begriff "Rekonstruktion" im pädagogischen Raum die Ausführungen von Harm<br />
Paschen: Logik der Erziehungswissenschaft. Düsseldorf 1979. S. 16f. Darin macht Paschen<br />
deutlich, daß, je mehr in der geistigen Welt eine vorherrschende Überzeugung durch eine<br />
Vielfalt einander widersprechender Überzeugungen abgelöst wird, sich ein wie<br />
selbstverständlich zwingender Zusammenhang auflöst und ein Erklärungs- und<br />
Begründungszusammenhang argumentativ hergestellt, dh. rekonstruiert werden muß.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
tun haben und zu denen sie ihren Teil sagen müssen. Aber solche Tatbestände<br />
sind nur insoweit für praktische Entscheidungen relevant, die für<br />
Erziehungsfragen getroffen werden, als sie relevant gemacht werden, und das<br />
gegeschieht durch die allgemeine Ansicht von dem, was wir zu tun haben, wenn<br />
wir Menschen erziehen. Es ist der Zweck dieses Buches, die Wege zu zeigen,<br />
auf denen eine Ansicht von Erziehung auf unsere praktischen Entscheidungen<br />
einen derartig prägenden Einfluß gewinnen<br />
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5) Hirst, P.H./Peters, R.S.: Die Begründung der Erziehung durch die Vernunft. Düsseldorf 1972.<br />
S. 38.<br />
7 Hirst, P.H.: Die Begründung der Erziehung durch ..., 1972, S. 38<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 20<br />
aufgegeben - handelnd 1.1. Vorbemerkung Ausgangspunkt unserer<br />
Überlegungen zu der Frage, was den Menschen auszeichne, dem Vernunft,<br />
Freiheit und Gewissen zugeschrieben werden, soll der Mythos sein, den<br />
Platons Protagoras seinen Jüngern erzählt als Erklärung für seine These, " daß<br />
die sittliche Tüchtigkeit ein lehrbarer Gegenstand ist" 1 : Die Götter bildeten "<br />
in der Erde Schoß aus einer Mischung von Erde und Feuer und allem, was mit<br />
beidem verbindet" die sterblichen Wesen. Prometheus und Epimetheus<br />
erhielten danach die Aufgabe, diese Wesen "auszustatten und einem jeden von<br />
ihnen die Kräfte zuzuteilen nach Gebühr". Nachdem auf seinen Wunsch hin<br />
Epimetheus diese Aufteilung alleine übernahm, so verteilte er alle<br />
vorhandenen Kräfte. " Dabei nun verlieh er einigen Stärke ohne Schnelligkeit;<br />
andere, Schwächere, stattete er dafür wieder mit Geschwindigkeit aus; einige<br />
versah er mit Waffen, anderen, denen er eine wehrlose Natur gab, sann er ein<br />
anderes Schutzmittel aus. Die er nämlich von ihnen in Kleinigkeit gehüllt hatte,<br />
denen teilte er geflügelte Flucht oder unterirdische Behausung zu, andere<br />
dagegen, die er durch Größe erhob, die beschützte er auch eben durch diese. Und<br />
so verteilte er ausgleichend auch alles übrige." 2<br />
Schließlich fand Prometheus<br />
Epimetheus ratlos vor, weil dieser alle vorhandenen Kräfte verteilt hatte und<br />
dabei das Menschengeschlecht vergessen und daher unausgestattet gelassen<br />
hatte. So erblickte Prometheus "alle anderen Geschöpfe angemessen mit allem<br />
versehen, den Menschen aber nackt, ohne Fußbekleidung und Decke und ohne<br />
Bewaffnung." Er stahl daraufhin " des Hephaistos und der Athene kunstreiche<br />
Weisheit zusamt dem Feuer ...<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Ansicht ausgehe, daß du in vielen Dingen erfahren bist, vieles gelernt und<br />
manches auch selber gefunden hast. Vermagst du nun in überzeugenderer Weise<br />
uns darzutun, daß die sittliche Tüchtigkeit ein lehrbarer Gegenstand ist, so<br />
enthalte uns dies nicht vor, sondern teile es uns mit! Gewiß, lieber Sokrates,<br />
erwiderte er, ich will es nicht für mich behalten. Soll ich<br />
sterbliche Wesen aber noch nicht. Als nun aber auch für diese die vom<br />
Schicksal bestimmte Zeit ihrer Erzeugung gekommen war, da bilden die Götter<br />
sie in der Erde Schoß aus einer Mischung von Erde und Feuer und allem dem,<br />
was sich mit beiden verbindet. Und als sie diese nun ans Licht zu fördern<br />
gedachten, da trugen sie dem Prometheus und Epimetheus auf, sie<br />
überlassen. Wenn ich damit fertig bin , sprach er, kannst du es ja in<br />
Augenschein nehmen. Prometheus gab nach, und so übernahm er denn die<br />
Verteilung. Dabei nun verlieh er einigen Stärke ohne Schnelligkeit; andere,<br />
Schwächere, stattete er dafür wieder mit Geschwindigkeit aus; einige versah er<br />
mit Waffen, anderen, denen er eine wehrlose Natur gab, sann er ein anderes<br />
Schutzmittel aus. Die er nämlich von ihnen in Kleinheit gehüllt hatte, denen<br />
teilte er geflügelte Flucht oder unterirdische Behausung zu, andere dagegen, die<br />
er durch Größe erhob, die beschützte er auch eben durch diese. Und so verteilte<br />
er ausgleichend auch alles übrige. Das ersann er aber, um dem vorzubeugen,<br />
daß irgend eine Gattung ausgerottet werde. Nachdem er ihnen aber so Mittel [<br />
73] verschafft hatte, der wechselseitigen Vertilgung zu<br />
was er mit diesem anfangen sollte. In dieser seiner Ratlosigkeit findet ihn<br />
Prometheus, als er kommt, um die Verteilung zu besichtigen, und erblickt alle<br />
andern Geschöpfe angemessen mit allem versehen, den Menschen aber nackt,<br />
ohne Fußbekleidung und Decke und ohne Bewaffnung. Und schon war auch<br />
der vom Schicksal bestimmte Tag erschienen, an welchem auch der Mensch<br />
aus der Erde ans Licht hervortreten sollte. In seiner Verlegenheit<br />
aus der Erde ans Licht hervortreten sollte. In seiner Verlegenheit nun, welches<br />
Mittel zum Schutze und zur Erhaltung desselben er ausfindig machen sollte,<br />
stiehlt Prometheus des Hephaistos und der Athene kunstreiche Weisheit zusamt<br />
dem Feuer &8211; und beut sie also zur Gabe dem Menschen. So gelangte nun<br />
8 Platon,: Platon: Sämtliche Werke. Bd. 1, Ber..., 1856, S.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 21<br />
und beut sie also zur Gabe dem Menschen." Dadurch erhielt der Mensch die<br />
für das tägliche Leben erforderliche Einsicht; ihm fehlte nun noch die<br />
staatsbürgerliche, die beim Zeus war, zu dessen Behausung Prometheus nicht<br />
gelangen könnte. Stattdessen schlich er sich in die gemeinsame<br />
1) vgl. dazu: Platon: Sämtliche Werke. Band 1. Berlin o.J. (Protagoras-Übersetzung von Franz<br />
Susemihl). Nr. 320c bis 328d. hier: Nr. 320c.<br />
2) ebd. Nr. 320d bis 321a<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
auf diese Weise allerdings der Mensch zu der für das tägliche Leben<br />
erforderlichen Einsicht; aber die staatsbürgerliche besaß er noch nicht. Denn<br />
diese war beim Zeus, und dem Prometheus war noch nicht der Weg auch in die<br />
Burg,<br />
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8 Platon,: Platon: Sämtliche Werke. Bd. 1, Ber..., 1856, S.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 21<br />
das tägliche Leben erforderliche Einsicht; ihm fehlte nun noch die<br />
staatsbürgerliche, die beim Zeus war, zu dessen Behausung Prometheus nicht<br />
gelangen könnte. Stattdessen schlich er sich in die gemeinsame Wohnung der<br />
Athene und des Hephaistos, " in welcher sie ihrer Liebe zur Kunst nachgingen" 1<br />
und " stiehlt hier die im Feuer schaffende Kunst des Hephaistos und die andere,<br />
die der Athene, und schenkt sie dem Menschen; und von da an beginnt für den<br />
Menschen die Bequemlichkeit des Lebens." Da der Mensch nun teilhat an den<br />
Vorzügen der Götter, er mit den Göttern darin verwandt ist, so ist er das<br />
einzige Wesen, das an Götter glaubt. " Ferner aber gestaltete er Sprache und<br />
Worte durch seine Kunstfertigkeit aus und erfand sich Wohnung, Kleidung,<br />
Beschuhung und Betten, sowie seine Nahrung aus den Gewächsen der Erde."<br />
Da aber die Menschen anfangs vereinzelt wohnten, es noch keine Städte und<br />
Staaten gab, so kamen sie durch wilde Tiere um. Die Kunst ihrer Hände<br />
gewährte ihnen " zwar hinlängliche Hilfe zum Unterhalt ihres Lebens, aber zur<br />
Bekriegung der wilden Tiere war sie nicht ausreichend, weil sie die<br />
staatsbürgerliche Kunst noch nicht besaßen, von welcher eben die Kriegskunst<br />
ein Teil ist." 2<br />
So schlossen sie sich zusammen und gründeten Städte, in denen<br />
sie dann bald wieder einander Unrecht und Schaden zufügten. Sie besaßen noch<br />
nicht die Kunst, den Staat zu verwalten, zerstreuten sich von neuem und kamen<br />
1) ebd. Nr. 321c.<br />
2) ebd. Nr. 322b.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
die Burg, die Behausung des Zeus, eröffnet, und überdies hatte noch Zeus<br />
furchtbare Wachen davorgestellt; sondern nur in der Athene und des Hephaistos<br />
gemeinsame Wohnung, in welcher sie ihrer Liebe zur Kunst nachgingen, weiß<br />
er sich [74] einzuschleichen, stiehlt hier die im Feuer schaffende Kunst des<br />
Hephaistos und die andere, die der Athene, und schenkt sie dem Menschen; und<br />
von da an beginnt für den Menschen die Bequemlichkeit des Lebens; den<br />
Prometheus aber erreichte durch des Epimetheus Schuld nachmals, wie die<br />
Sage geht, die Strafe für seinen Diebstahl. Da aber so der Mensch teilhatte an<br />
Vorzügen der Götter, war er erstens wegen dieser Verwandtschaft unter allen<br />
Geschöpfen das einzige, welches an Götter glaubte, und begann Altäre und<br />
Götterbilder zu errichten: ferner aber gestaltete er Sprache und Worte durch<br />
seine Kunstfertigkeit aus und erfand sich Wohnung, Kleidung, Beschuhung und<br />
Betten, sowie seine Nahrung aus den Gewächsen der Erde. Obschon aber so<br />
ausgerüstet, wohnten doch anfangs die Menschen vereinzelt, und Städte und<br />
Staaten gab es noch nicht. So aber kamen sie durch die wilden<br />
So aber kamen sie durch die wilden Tiere um, weil sie in allen Stücken<br />
schwächer als diese waren: auch gewährte ihnen die Kunst ihrer Hände zwar<br />
hinlängliche Hilfe zum Unterhalt ihres Lebens, aber zur Bekriegung der wilden<br />
Tiere war sie nicht ausreichend, weil sie die staatsbürgerliche Kunst noch nicht<br />
besaßen, von welcher eben die Kriegskunst ein Teil ist. So versuchten sie denn,<br />
sich zu vereinigen und zu erhalten, indem sie Städte gründeten. Aber als sie<br />
zusammengetreten waren, da taten sie wieder einander Unrecht<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 22<br />
bald wieder einander Unrecht und Schaden zufügten. Sie besaßen noch nicht<br />
die Kunst, den Staat zu verwalten, zerstreuten sich von neuem und kamen um.<br />
In der Sorge darum, daß das Menschengeschlecht ganz untergehe, schickte Zeus<br />
" den Hermes ab, um den Menschen sittliche Scham und Gerechtigkeit<br />
zuzuführen, auf daß diese der Staaten Ordner und Freundschaft knüpfende<br />
Bande seien. Es war der Wille Zeus', daß jeder Mensch daran teilhabe, ja, er<br />
gab das Gesetz, "' daß man den der Scham und Gerechtigkeit Unfähigen als<br />
einen Krebsschaden des Staates vertilge'." 1<br />
Protagoras beschreibt die Tugend<br />
der Scham und der Gerechtigkeit als jedem Menschen zugemessene und als<br />
solche von ihm zu erlernende. So werde man einen Unrechthandelnden nicht<br />
bestrafen wegen des begangenen Unrechts, "sondern um des zukünftigen<br />
willen, damit hinfort weder der Täter selbst wieder Unrecht begehe, noch auch<br />
die anderen, welche sehen, wie er bestraft wird." 2<br />
Darin werde deutlich, "daß<br />
die sittliche Tüchtigkeit anerzogen werden kann, denn er straft ja um der<br />
Abschreckung willen." 3<br />
Das, was in diesem Mythos als sittliche Tüchtigkeit<br />
bezeichnet wird, meint die individuelle Wertbiridung des Menschen, die man<br />
landläufig Gewissen nennt. Darüber wird von Protagoras zweierlei ausgesagt:<br />
Es ist dasjenige, das jedem Menschen gleichermaßen zukommt.<br />
1) ebd. Nr. 322d.<br />
2) ebd. Nr. 324b.<br />
3) ebd. Nr. 324b.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
besaßen, so daß sie sich von neuem zerstreuten und umkamen. Da nun ward<br />
Zeus besorgt, daß unser Geschlecht ganz untergehen möchte, und er schickt<br />
daher den Hermes ab, um den Menschen sittliche Scheu und Gerechtigkeit<br />
zuzuführen, auf daß diese der Staaten Ordner und Freundschaft knüpfende<br />
Bande seien. Hermes aber fragt den Zeus, in welcher Weise er beide den<br />
Menschen mitteilen solle: Soll ich, wie die Künste unter sie verteilt sind, so es<br />
könnten [75] keine Staaten zustande kommen, wenn nur wenige ihrer<br />
teilhaftig wären, so wie bei den anderen Künsten. Ja, gib sogar das Gesetz in<br />
meinem Namen, daß man den der Scham und Gerechtigkeit Unfähigen als<br />
einen Krebsschaden des Staates vertilge! Unter diesen Umständen also, lieber<br />
Sokrates, und aus diesen Gründen glauben so die anderen wie die Athener, daß,<br />
wenn es sich um die Tüchtigkeit im<br />
zu rächen sucht; sondern wer auf eine vernünftige Weise zu strafen gedenkt,<br />
der züchtigt nicht wegen des schon begangenen Unrechts &8211;, sondern um<br />
des zukünftigen willen, damit hinfort weder der Täter selbst wieder Unrecht<br />
begehe, noch auch die anderen, welche sehen, wie er bestraft wird. Und wer [<br />
77] von dieser Absicht ausgeht, der spricht damit die Ansicht aus, daß die<br />
Tugend anerzogen werden kann, denn er straft ja um der Abschreckung willen.<br />
Diese Überzeugung also haben alle diejenigen, welche im eigenen Hause oder<br />
von Staats wegen Strafen verhängen. Es bestrafen aber und züchtigen sowohl<br />
alle anderen Menschen<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 24<br />
alles dessen hat der Mensch von Natur die Vernunft und die Hand, die das '<br />
Organ der Organe' ist, weil sich der Mensch durch sie Werkzeuge von<br />
unbegrenzter Mannigfaltigkeit für unbegrenzte Wirkungen 2<br />
herstellen kann."<br />
Herder weist darauf hin, " daß der Mensch den Tieren an Stärke und Sicherheit<br />
des Instinkts weit nachstehe" 3 . Während jedes Tier seine "Sphäre" hat, in die<br />
es von Geburt an gehört und in der es sich mit Hilfe seiner Instinkte<br />
zurechtfindet, ist der Mensch "das verwaiseste Kind der Natur. Nackt und bloß,<br />
schwach und dürftig, schüchtern und unbewaffnet." Der "Charakter seiner<br />
Gattung" bestehe zunächst aus "Lücken und Mängeln". 4<br />
In dieser biologischen<br />
Hilflosigkeit sieht Herder die Voraussetzung zur Weltoffenheit, insofern der<br />
Mensch von seiner physischen Konstitution her "nicht auf Eins" ausgerichtet<br />
ist. " Er hat Sinne für Alles und natürlich also für jedes Einzelne schwächere und<br />
stumpfere Sinne. ... Der Mensch hat keine so einförmige und enge Sphäre, wo<br />
nur eine Arbeit auf ihn warte: eine Welt von Geschäften und Bestimmungen<br />
liegt um ihn." 1<br />
Der Mensch kann "Vernunft, Humanität und menschliche<br />
Lebensweise" lernen, "die kein Tier hat und lernt" 2 . Damit beschreibt Herder<br />
den klaren Zusammenhang zwischen tierischer Instinktsicherheit und<br />
Umweltgebundenheit einerseits und menschlicher Instinktunsicherheit und<br />
Umweltentbundenheit andererseits. 3<br />
Der alte, von der Philosophie ausgehende<br />
Vergleich zwischen Mensch und Tier ist fortgeführt worden in modernen<br />
Einzelwissenschaften,<br />
2) Thomas von Aquin: Summa theologica. Salzburg/Leipzig 1937. S.72 (1.76,5).<br />
3) Herder,Joh.Gottfried von: Über den Ursprung der Sprache. Stuttgart 1965. S. 20.<br />
4) ebd. S. 24.<br />
1) ebd. S.22.<br />
2) Herder, Joh. Gottfried von: Mensch und Geschichte. Leipzig 1935. S.227.<br />
3) Kant weist auf den Zusammenhang von Instinktreduktion und vernunftgeleitetem Handeln hin<br />
in seiner Schrift "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Sicht": Die Natur<br />
hat dem Menschen "Vernunft und darauf sich gründende Freiheit des Willens" gegeben. Der<br />
Mensch soll "nicht durch Instinkt geleitet" werden, sondern alles aus sich selbst<br />
herausbringen" (vgl. Bd. VIII der Akademieausgabe. Berlin 1912. S.19). Nach Gehlen hat die<br />
philosophische Anthropologie seit Herders Gedanken keinen Schritt vorwärts gemacht. Er<br />
greift Herdersche Gedanken auf in seinem Buch: Der Mensch. Seine Natur und seine<br />
Stellung in der Welt. Frankfurt 10 1974. vgl. speziell die Seiten 73-85.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ihrer Hilfe Werkzeuge herzustellen vermag von unbegrenzt vielfältiger Art und<br />
zu unbegrenzt vielfältigen Zwecken." Herder weist schon in seiner "<br />
Abhandlung über den Ursprung der Sprache" (1772) darauf hin. " daß der<br />
Mensch den Tieren an Stärke und Sicherheit des Instinkts weit nachstehe". Von<br />
der Gebundenheit des Tieres an eine spezifische Umwelt, an seine "Sphäre",<br />
seinen "Kreis", wird die Weltoffenheit des Menschen scharf abgehoben. Vgl.<br />
Herders sämtliche Werke,<br />
Das neugeborene Kind "äußert weder Vorstellungen noch Triebe durch Töne,<br />
wie doch jedes Tier in seiner Art; bloß unter Tiere gestellt, ist's also das<br />
verwaisteste Kind der Natur. Nackt und bloß, schwach und dürftig, schüchtern<br />
und unbewaffnet: und was die Summe seines Elends ausmacht, aller<br />
Leiterinnen des Lebens beraubt. Mit einer so zerstreuten, geschwächten<br />
Sinnlichkeit, mit so unbestimmten, schlafenden Fähigkeiten, mit so<br />
her sieht, nur eine negative Bezeichnung: "Der Charakter seiner Gattung"<br />
besteht zunächst aus "Lücken und Mängeln". "Seine Sinne und Organisation<br />
sind nicht auf Eins geschärft: er hat Sinne für Alles und natürlich also für jedes<br />
Einzelne schwächere und stumpfere Sinne. Seine Seelenkräfte sind über die<br />
Welt verbreitet; keine Richtung seiner Vorstellungen auf ein Eins: mithin kein<br />
Kunsttrieb, keine Kunstfertigkeit" (keine Instinkte). Der Mensch hat also<br />
annehmen: Die Empfindsamkeiten, Fähigkeiten undKunsttriebe der Tiere<br />
nehmen an Stärke und Intensität zu im umgekehrten Verhältnisse der Größe und<br />
Mannigfaltigkeit ihres Würkungskreises. Nun aber Der Mensch hat keine so<br />
einförmige und enge Sphäre, wo nur eine Arbeit auf ihn warte: eine Welt von<br />
Geschäften und Bestimmungen liegt um ihn. Seine Sinne und Organisation<br />
sind nicht auf eins geschärft: er hat Sinne für alles und natürlich also für jedes<br />
einzelne schwächere und stumpfere Sinne. Seine<br />
9 Brezinka, Wolfgang: ERZIEHUNG ALS LEBENSHILFE, 8. Aufl., 1971, S. 347<br />
10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 83<br />
11 von Herder, Johann Gottfried: Abhandlung über den Ursprung der Sp..., 1772, S.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 26<br />
Sinnesorgane sind sozusagen Filter, die nur durchlässig sind für das, was für<br />
das Tier lebensbedeutsam ist. Das heißt: Mensch und Tier unterscheiden sich<br />
schon in ihren Möglichkeiten des Wahrnehmens stark voneinander. Uexküll<br />
vertritt die Auffassung, daß auch der Mensch eine Umwelt hat, die verschieden<br />
ist von der des Tieres " entsprechend der Organisation des Menschen und der<br />
durch Erfahrung und Gewohnheit bedingten Einstellungen" 2 . Buytendijk greift<br />
diese These auf und erklärt: " Der Mensch hat keine Umwelt, sondern eine Welt.<br />
... Diese Welt ist dem Menschen Gabe und Aufgabe, die er versteht und aus<br />
freier Initiative verantwortet. Seine Antwort ist nicht nur Reaktion, sondern<br />
Zugriff, gestaltende, kreative Leistung." 1<br />
Damit verweist er auf eine<br />
Schwachstelle in der "Umwelttheorie" Uexkülls, die darin besteht, daß dieser<br />
den Begriff Umwelt in zwei völlig verschiedenen Bedeutungen benutzt: einmal<br />
meint er damit die dem Tier per Geburt zugewiesene artspezifische<br />
2) Buytendijk,F.J.J.: a.a.O. S. 40.<br />
1) ebd. S. 41.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Pflanzenwelt. In ähnlicher Weise werden die Umwelten der Muscheln,<br />
Seesterne, Seeigel, Seerosen, Krebse, Krabben, Kraken, Insekten und Würmer<br />
untersucht. Von Uexküll war der Meinung, daß auch der Mensch eine Umwelt<br />
hat; zwar eine andere als jene des Tieres, aber entsprechend der Organisation<br />
des Menschen und der durch Erfahrung und Gewohnheit bedingten<br />
Einstellungen. In dem Buch "Niegeschaute Welten" 3 Vgl. Jakob von Uexküll,<br />
Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen, rde Bd. 13, S. 27 ff.<br />
(Anm. d. Red.) mit dem Untertitel
Textstelle (Prüfdokument) S. 27<br />
daß dieser den Begriff Umwelt in zwei völlig verschiedenen Bedeutungen<br />
benutzt: einmal meint er damit die dem Tier per Geburt zugewiesene<br />
artspezifische Umwelt, an die es gebunden ist, andererseits die vom Menschen<br />
erworbene Umwelt, die "nicht mit der Natur des Leibes einfach gegeben,<br />
sondern - weil kraft ihrer offengelassen gemacht und im übertragenen Sinne<br />
natürlich gewachsen" ist. 2<br />
Durch diese "offengelassene Natur" kommt dem<br />
Menschen nach Katz "Universalität" zu, während sich das Tier in seiner Umwelt<br />
durch "Spezialistentum" auszeichnet. Der Bauplan des Tieres sei<br />
charakterisiert durch das Stichwort "Notwendigkeit", der des Menschen<br />
2) Plessner, Helmuth: Über das Welt-Umweltverhältnis des Menschen. In: Studium Generale. 3 (<br />
1950). Heft 2/3. S. 116-120. hier: S. 119.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
und Umgangsqualitäten noch seinen eigenen Charakter behält, so hat die ganze<br />
Umweltbindung beim Menschen ein erworbenes und bewahrtes Wesen, ist<br />
nicht mit der Natur seines Leibes einfach gegeben, sondern weil kraft ihrer<br />
offengelassen gemacht und nur in übertragenem Sinne natürlich gewachsen.<br />
Das oft zitierte Beispiel von demselben Wald, der für den Bauern Gehölz, für<br />
den Holzhändler so und soviel Kubikmeter<br />
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13 Plessner, Helmuth: Über das Welt-Umweltverhältnis des ..., 1950, S. 120<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 27<br />
durch "Spezialistentum" auszeichnet. Der Bauplan des Tieres sei<br />
charakterisiert durch das Stichwort "Notwendigkeit", der des Menschen durch<br />
das Stichwort "Freiheit". Die im Physischen begründete größere Freiheit des<br />
Menschen von Bindungen finde ihre Vollendung in der " Teilhabe des Menschen<br />
an der Idee der Freiheit". 3<br />
Nach Katz ist das Tier wohl auch auf Intelligenz<br />
angelegt, besitzt aber keine Vernunft. Nur der Mensch ist vernunftbegabt. Nur<br />
er kann sich von den Dingen sowohl gefühlsmäßig als auch sachlich<br />
distanzieren und " kann in voller Bewußtheit im begrifflichen Denken objektive<br />
Kriterien zur Entscheidung von wahr und falsch anwenden." 4<br />
Während Katz<br />
von graduellen Unterschieden zwischen Mensch und Tier ausgeht 5 , sieht<br />
Portmann einen prinzipiellen Unterschied: Bei allen höheren Säugern, so<br />
Portmann, erfolgt in einer sehr langen Tragezeit die Entwicklung des gesamten<br />
Bewegungsapparates, der artgemäßen Körperhaltung<br />
3) Katz,David: a.a.O. S. 280.<br />
4) ebd. S. 303.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ist. Die größere Freiheit von Bindungen, die schon im Physischen für den<br />
Menschen besteht, sie wird deutlicher auf psychischem Niveau und sie<br />
vollendet sich durch Teilhabe des Menschen an der Idee der Freiheit. In kurzen<br />
Betrachtungen über den Aufbau der Sinnenwelt sowie über instinktives und<br />
intelligentes Verhalten bei Mensch und Tier soll aufgewiesen werden, wo sich<br />
deren Wege<br />
werden, es sind dieselben naturhaften Wurzeln, aus denen sich menschliche und<br />
tierische Intelligenz ableiten lassen. Aber nur der Mensch ist "vernunftbegabt<br />
", das heißt nur er kann in voller Bewußtheit im begrifflichen Denken<br />
objektive Kriterien zur Entscheidung von wahr und falsch anwenden. Das<br />
neugeborene Kind tritt als reines Naturwesen, hilflos, nur mit wenigen fertigen<br />
Reflexen und Instinkten ausgestattet, in die Welt ein. Aber eines Tages macht<br />
das<br />
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5) So spricht Katz z.B. von einem graduellen Unterschied der Plastizität der Instinkte bei Mensch<br />
und Tier.<br />
14 Katz, David: Mensch und Tier, ein psychologische..., 1946, S. 280<br />
14 Katz, David: Mensch und Tier, ein psychologische..., 1946, S. 303<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 28<br />
Unterschieden zwischen Mensch und Tier ausgeht 5 , sieht Portmann einen<br />
prinzipiellen Unterschied: Bei allen höheren Säugern, so Portmann, erfolgt in<br />
einer sehr langen Tragezeit die Entwicklung des gesamten<br />
Bewegungsapparates, der artgemäßen Körperhaltung und der typischen<br />
Instinktorganisation " fern von den späteren Reizquellen und doch auf diese<br />
späteren Reize, auf die künftige Umwelt bezogen" 1 . Das neugeborene<br />
Menschenjunge hingegen wird - würde man es als Säugetier verstehen - im<br />
Vergleich zu anderen höheren Säugern ein Jahr zu früh aus dem Mutterleib<br />
entlassen. In diesem ersten Jahr erwirbt es drei entscheidene Merkmale, die<br />
5) So spricht Katz z.B. von einem graduellen Unterschied der Plastizität der Instinkte bei Mensch<br />
und Tier.<br />
1) Portmann,Adolf: Zoologie und das neue Bild vom Menschen. S. 68.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Bewegungsapparat, die artgemäße Körperhaltung wie die typische<br />
Instinktorganisation, alles abgestimmt auf die für jede Art ebenfalls erblich<br />
zugeordnete Umwelt. Bewegungsweise und Verhaltensart entstehen im<br />
Mutterkörper, fern von den späteren Reizquellen und doch auf diese späteren<br />
Reize, auf die künftige Umwelt bezogen. Es ist kein Unterschied zwischen der<br />
zweckmäßigen Bildung der Htffe und Beine eines Pferdefohlens oder eines<br />
Rehkitzchens und der Entstehungsweise seiner Haltung, seiner Bewegungsart<br />
und<br />
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15 Portmann, Adolf: DIE TYPISCHE ENTWICKLUNG HÖHERER SÄ..., 1956, S. #P1#V. DAS E X T R A - U T E R I N E F R Ü H<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 28<br />
zu früh aus dem Mutterleib entlassen. In diesem ersten Jahr erwirbt es drei<br />
entscheidene Merkmale, die den Menschen nach Portmann vom Tier<br />
unterscheiden: "die aufrechte Körperhaltung", die Anfänge "der eigentlichen<br />
Wortsprache" und tritt in die " Sphäre des technischen Denkens und Handelns"<br />
ein. 2<br />
Ausgehend von einem auffalligenUnterschied der Bedeutung der<br />
Instinktorganisation bei Mensch und Tier stellt Portmann fest, daß dem<br />
Menschen eine weitgehende Freiheit der persönlichen Entscheidung selbst in<br />
der Sexualsphäre als dem am meisten instinktgebundenen Teil<br />
2) ebd. S. 69.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Drei bedeutungsvolle Ereignisse kennzeichnen das erste Lebens-iahr des<br />
Menschen: der Erwerb der aufrechten Körperhaltung, das Erlernen der<br />
eigendichen Wortsprache und der Eintritt in die Sphäre des technischen<br />
Denkens und Handelns. Wir heben im folgenden aus Oer<br />
Entstellungsgeschichte dieser drei Besonderheiten einige wich-, Öge Etappen<br />
hervor. Bei dieser Auswahl geht es uns um Vorgänge,! Welche besonders<br />
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16 Portmann, Adolf: Zoologie und das neue Bild vom Mens..., 1956, S. 68<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 28<br />
Mensch und Tier stellt Portmann fest, daß dem Menschen eine weitgehende<br />
Freiheit der persönlichen Entscheidung selbst in der Sexualsphäre als dem am<br />
meisten instinktgebundenen Teil seines Verhaltens gegeben ist. Portmann<br />
weist auf die Tatsache hin, " daß die Zentren der hypothalamischen Region des<br />
Zwischenhirn bei niederen Säugern auffällig viel reicher gegliedert ist als die<br />
der Anthropoiden und der Menschen." Dieser morphologische Tatbestand<br />
müsse in Zusammenhang gesehen werden mit " einer Verarmung des<br />
Machtbereichs der Instinkte und der Verlagerung der Zentren für wichtige<br />
Funktionen in den Bereich der Großhirnrinde." 3<br />
Er hält aber den Versuch, den<br />
in Rolle und Funktion der Instinkte deutlich werdenden Unterschied zwischen<br />
Mensch und Tier neurologisch zu lokalisieren, für unzureichend. Auch<br />
Portmann vertritt wie Buytendijk die These, daß es für den Menschen keine<br />
geschlossene Umwelt gebe. Er könne sich vielmehr in jedem beliebigen<br />
Naturbereich aus Naturbeständen eine besondere Welt schaffen. Diese Anlage<br />
zur<br />
3) ebd. S. 62.<br />
4% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
lichem Handeln im Sinne werkzeuglicher Zusammenhänge, i Jedoch<br />
beherrscht unbewußt immer die Veranschaulichungs-funktion den gesamten<br />
Bereich dieser Entwicklung. Port-Lann weist auf die Tatsache hin, daß die<br />
Bewegungs- und Stehversuche des Kindes in eine Zeit fallen, in der auch die<br />
psychische Formung des Welterlebens stattfindet2". Die Freude des Kindes an<br />
eigenen Stehversuchen<br />
welche die Erforschung des Zentralnervensystems uns darbietet und die für ein<br />
umfassendes Verstehen der eben erwähnten Unterschiede wichtig i sind. So<br />
darf beachtet werden, daß die Zentren der hypothalamischen i Region des<br />
Zwischenhirns bei niederen Säugern auffällig viel rei-I eher durchgliedert sind<br />
als die der Anthropoiden und des Menschen. Auch die der eigentlichen Affen<br />
stehen in dieser<br />
ist relativ unvariabel und festgelegt, wie Organe festgelegt sind. Der Mensch<br />
ist dagegen prinzipiell als "Gehirnwesen" zu definieren. "Dieser<br />
morphologische Tatbestand muß im Zusammenhang mit einer Verarmung des<br />
Machtbereichs der Instinkte und der Verlagerung der Zentren für wichtige<br />
Funktionen in den Bereich der Großhirnrinde verstanden werden" (9), urteilt<br />
Portmann. Er weist auf Berechnungen von Cerebralisations-faktoren hin,<br />
welche von 0,7 bei niedrigen Säugern, über 49 bei Schimpansen bis zu 170<br />
beim Menschen führen<br />
Entschlusses in den anderen Lebensbereichen, die röcht so unmittelbar mit der<br />
Arterhaltung zusammenhängen. Wir wollen uns hüten vor einem<br />
oberflächlichen Versuch, den eben heri vorgehobenen Unterschied zwischen<br />
Mensch und Tier neurologisch zu lokalisieren, indem wir ihm Entsprechungen<br />
der Organisation zu. ordnen. Doch muß an manche Tatsachen erinnert werden,<br />
welche die Erforschung des Zentralnervensystems uns darbietet und die für<br />
17 Hollenbach, Johannes Michael: Der Mensch als Entwurf, 1956, S. 339<br />
18 Portmann, Adolf: (Biologie und Anthropologie) Portma..., 1956, S. 61<br />
19 Roth, Heinrich: Pädagogische Anthropologie, Band I,..., 1976, S. 115<br />
18 Portmann, Adolf: (Biologie und Anthropologie) Portma..., 1956, S. 61<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 29<br />
ihm etwas bedeuten, alles in der Umgebung kann ihn angehen. Während das<br />
Tier an seine Daseinsweise gebunden ist, hat der Mensch die Fähigkeit, aus<br />
seinem jeweiligen Standpunkt herauszutreten und sich und andere Objekte zu<br />
betrachten. "Dieser Gegensatz läßt sich in die Formel prägen, das Tier 'lebe'<br />
sein Leben, während der Mensch sein Dasein 'führe'." 1<br />
Max Scheler, der<br />
Begründer der philosophischen Anthropologie, beschreibt das Phänomen "<br />
Weltoffenheit" als konstitutives Element des geistigen Wesens. Der Mensch<br />
unterscheidet sich - nach Scheler - von allen übrigen Lebewesen nicht durch<br />
eine Steigerung von Intelligenz und Wahlfähigkeit<br />
1) ebd. S. 67.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
inWeai man das tierische Verhalten rein "subjektiv" nennt und das des M'11<br />
sehen durch die zusätzliche Fähigkeit zur 'Objektivität" kennzeich let. Der<br />
Gegensatz läßt sich auch in die Formel prägen, das Tier lebe> sein Leben,<br />
während der Mensch sein Dasein . Wh lasten es bei so allgemeinen<br />
Angaben bewenden, da der Sachverhalt a bekannt ist und wir lediglich noch<br />
einmal seine volle Bedeutung iür unsere weiteren Untersuchungen<br />
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16 Portmann, Adolf: Zoologie und das neue Bild vom Mens..., 1956, S. 66<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 29<br />
durch "seine existentielle Entbundenheit vom Organischen" aus. 3<br />
Während<br />
beim Tier jede Reaktion an eine "physiologisch-psychische Zuständlichkeit"<br />
gebunden ist, kann menschliches Agieren und Reagieren solche Abhängigkeit<br />
vom biologischen Organismus übersteigen. Menschliches Verhalten wird - nach<br />
Scheler - " vom puren Sosein eines zum Gegenstand erhobenen Anschauungsoder<br />
Vorstellungskomplexes motiviert." Die freie, vom Personzentrum<br />
ausgehende Reaktion bewirke " eine als selbstwertig und endgültig erlebte<br />
Veränderung der Gegenständlichkeit einer Sache". 1<br />
Solches Verhalten, das<br />
allein dem Menschen zukommt, hat nach Scheler die Form der"Weltoffenheit<br />
". Geistiges Agieren steht im Gegensatz zu von einfacher " Rückmeldung des<br />
tierischen Leibschemas und seiner Inhalte" getragenem tierischem Verhalten<br />
und ist gebunden an eine zweite Stufe des Reflektierens, an die "Sammlung".<br />
Das Ziel des "Sichsammeins" wiederum faßt Scheler in den Begriff "<br />
Selbstbewußtsein" zusammen. Die Fähigkeit zu " Sammlung, Selbstbewußtsein<br />
und Gegenstandsfähigkeit des ursprünglichen Triebwiderstandes" 2<br />
bilden für<br />
Scheler die allein dem Menschen zukommende, seine Sonderstellung als<br />
weltoffenes Wesen bestimmende Struktur. Plessner artikuliert in dieser<br />
Hinsicht besonders die exzentrische Positionalität des Menschen. Er greift im<br />
Anschluß an die Uexküllsche "Umwelttheorie" die<br />
3) ebd. S. 38.<br />
1) ebd. S.40.<br />
2) ebd. S. 41.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sozusagen auch bedient - eines Verhaltens fähig, das eine genau<br />
entgegengesetzte Verlaufsform besitzt. Der erste Akt dieses neuen Dramas, des<br />
menschlichen Dramas ist: Das Verhalten wird vom puren Sosein eines zum<br />
Gegenstand erhobenen Anschauungs- oder Vorstellungskomplexes "motiviert",<br />
und dies prinzipiell unabhängig von der physiologischen und psychischen<br />
Zuständlichkeit des menschlichen Organismus, unabhängig von seinen<br />
Triebimpulsen und der gerade in ihnen auf leuchtenden, stets<br />
Akt des Dramas ist freie, d.h. vom Personzentrum ausgehende Hemmung eines<br />
Triebimpulses, bzw. Enthemmung eines zuerst zurückgehaltenen<br />
Triebimpulses (und einer entsprechenden Reaktion). Der dritte Akt ist eine als<br />
selbstwertig und endgültig erlebte Veränderung der Gegenständlichkeit einer<br />
Sache. Die Form eines solchen Verhaltens ist die der "Weltoffenheit", der<br />
prinzipiellen Abschüttelung des Umweltbannes: [Mensch] M W [Welt]<br />
Dieses Verhalten ist, wo es einmal konstitutionell vorhanden ist,<br />
sich "intelligent" verhält. Und seine Intelligenz bleibt organischtriebhaftpraktisch<br />
gebunden. Der geistige Akt, wie ihn der Mensch vollziehen<br />
kann, ist im Gegensatz zu der einfachen Rückmeldung des tierischen<br />
Leibschemas und seiner Inhalte wesensgebunden an eine zweite Dimension und<br />
Stufe des Reflexaktes. Wir wollen diesen Akt "Sammlung" nennen und ihn und<br />
sein Ziel, das Ziel dieses "Sichsammelns", zusammenfassend "<br />
Pflanze, aber es hat kein Selbstbewußtsein, wie schon Leibniz gesehen hat. Es<br />
besitzt sich nicht, ist seiner nicht mächtig - und deshalb auch seiner nicht<br />
bewußt. Sammlung, Selbstbewußtsein, und Gegenstandsfähigkeit des<br />
ursprünglichen Triebwiderstandes bilden eine einzige unzerreißbare Struktur,<br />
die als solche erst dem Menschen eigen ist. Mit diesem Selbstbewußtwerden,<br />
dieser neuen Zurückbeugung und Zentrierung seiner Existenz, die der<br />
20 o.V.,: ANTHROPOLOGISCHE UND GESELLSCHAFTLI..., 1979, S. 132<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 30<br />
Abhängigkeit vom "biologischen Funktionszusammenhang" fehle ihnen der "<br />
Sachcharakter", der dem Menschen erlaube, "seine Wahrnehmungen und<br />
Aktionen in objektivem Sinne zu machen und zu korrigieren." 3<br />
Plessner<br />
vertritt die These, Umweltgebundenheit und Weltoffenheit seien in einem<br />
Verhältnis " einer nicht zum Ausgleich zu bringenden gegenseitigen<br />
Verschränkung" 4<br />
zu sehen. Der Mensch habe Umwelt, die sich absetze von<br />
latent gegenwärtiger Welt. Damit wendet er sich sowohl gegen die "<br />
Degradierung des Menschen auf das Niveau umweltgebundenen Lebens" als<br />
auch gegen die Annahme von der völligen "Nichtgebundenheit des Menschen<br />
an eine Umwelt". 1<br />
1.3. Der Mensch - das sich selbst aufgegebene Wesen<br />
Weltoffenheit kann nach allem Vorhergesagten umschrieben werden als die<br />
Nichtfestgelegtheit auf einen bestimmten, grundsätzlich unveränderlichen<br />
Lebensentwurf. Der Mensch lebt nicht einfach, sein Sein ist ihm nicht nur<br />
Möglichkeit,<br />
3) Plessner,Helmuth: a.a.O. S. 118.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Ebene sich haltenden, Körperlichkeit, Sprache und Handlungssysteme<br />
umfassenden Analyse menschlichen Verhaltens. Mit der Möglichkeit, daß beim<br />
Menschen Umweltgebundenheit und Weltoffenheit kollidieren und nur im<br />
Verhältnis einer nicht zum Ausgleich zu bringenden gegenseitigen<br />
Verschränkung gelten, einer Möglichkeit, die durch seine zugleich tierische und<br />
nichttierische "Natur" nahegelegt ist, haben dagegen beide Parteien nicht<br />
gerechnet. In meinen 1928 erschienenen, seit 1933 zu Gunsten<br />
dieser Richtung getan ist, leidet allerdings an einer zu einfachen Behandlung<br />
des Gegensatzes zwischen umweltgebundener und weltoffener Lebensform.<br />
Entweder siegt der Biologismus mit einer Degradation des Menschen auf das<br />
Niveau umweltgebundenen Lebens. Einem Naturforscher mag das<br />
begreiflicherweise passieren; daß aber ein mit geistiger Welt so vertrauter<br />
Denker wie Rothacker, und zw" gerade nicht im degradierenden bzw.<br />
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4) ebd. S. 117.<br />
1) ebd. S. 117.<br />
13 Plessner, Helmuth: Über das Welt-Umweltverhältnis des ..., 1950, S. 117<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 31<br />
Heideggers verarbeitet sind und da unsere prinzipielle Fragestellung an dieser<br />
Stelle dies entbehrlich macht. Heidegger beschreibt in "Sein und Zeit" die<br />
Aufgabe des Menschen, 'zu-sein', wenn er den Menschen betrachtet als das<br />
Wesen, das " durch seinen Bezug zum Sein ausgezeichnet ist." 2<br />
Danach vermag<br />
der Mensch im Unterschied zu allem anderen Seienden einen Bezug zu sich<br />
selbst zu entfalten. Er kann sich zu sich selbst verhalten. 3<br />
Zugleich entfaltet er<br />
einen Bezug zu seinen Mitmenschen und zu allem<br />
2) Biemel,Walter: Heidegger. Hamburg 1976. S. 42.<br />
3) Karl Rahner bezeichnet die Momente des "Sich-zu-sich-selber-verhalten-Könnens" und des "<br />
Mit-sich-selber-zu-tun-Habens des Menschen als "eine Wirklichkeit, die die<br />
Subjekthaftigkeit des Menschen im Unterschied zur Sachhaftigkeit eben dieses Menschen<br />
ausmacht" (Grundkurs des Glaubens. Freiburg 1976. S.41.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
kreist um die Ek-sistenz des Menschen, das heißt um das Verstehen des<br />
Menschen nicht als ein Lebewesen unter anderen, sondern als dasjenige Wesen,<br />
das durch seinen Bezug zum Sein ausgezeichnet ist. Heidegger will uns den<br />
Bereich öffnen, 105 186 186). Die Schwierigkeit ist, solch einen Sachverhalt<br />
nicht gleich zu personifizieren, wozu die Formulierung verführen kann. Eine<br />
Vermutung für das<br />
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21 Biemel, Walter: Martin Heidegger, in: In Selbstzeug..., 1973, S. #P#For-<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 31<br />
Mensch im Unterschied zu allem anderen Seienden einen Bezug zu sich selbst<br />
zu entfalten. Er kann sich zu sich selbst verhalten. 3<br />
Zugleich entfaltet er einen<br />
Bezug zu seinen Mitmenschen und zu allem nicht-menschlichen Seienden. " Der<br />
Mensch ist nicht bloß, sondern er hat zu sein, sein Sein ist ihm aufgegeben." 4<br />
Er erkennt sein Sein als spezifisches Sein, das nicht einfach ist, sondern von<br />
ihm verwirklicht werden muß. Heidegger nennt dieses Sein, dem nicht<br />
irgendein, sondern das je eigene Sein zur Aufgabe gestellt ist, das Dasein.<br />
3) Karl Rahner bezeichnet die Momente des "Sich-zu-sich-selber-verhalten-Könnens" und des "<br />
Mit-sich-selber-zu-tun-Habens des Menschen als "eine Wirklichkeit, die die<br />
Subjekthaftigkeit des Menschen im Unterschied zur Sachhaftigkeit eben dieses Menschen<br />
ausmacht" (Grundkurs des Glaubens. Freiburg 1976. S.41.<br />
4) Biemel,Walter: a.a.O. S. 43.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
nur, sondern er entfaltet einen Bezug zu sich selbst und zugleich auch einen<br />
Bezug zum Mitmenschen und zum nicht-menschlichen Seienden. Das hat<br />
gewichtige Folgen. Der Mensch ist nicht bloß, sondern er hat zu sein, sein Sein<br />
ist ihm aufgegeben. Hier haben wir eine erste Bedeutung von Sein, nämlich<br />
Sein im Sinne des spezifischen Seins des Menschen, und dieses spezifische<br />
Sein als dasjenige genommen, das<br />
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21 Biemel, Walter: Martin Heidegger, in: In Selbstzeug..., 1973, S. 43<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 32<br />
je eigene Sein zur Aufgabe gestellt ist, das Dasein. Dasein zeichnet sich durch<br />
ein Doppeltes aus: 1. Sein Wesen liegt in seinem 'Zu-sein' im Sinne von: es hat<br />
zu sein. Seine charakteristischen Merkmale sind nicht "vorhandene<br />
Eigenschaften eines so oder so aussehenden Seienden, sondern je ihm<br />
mögliche Weisen zu sein und nur das". 1<br />
Das Seiende, das als Dasein<br />
bezeichnet wird, drückt also nicht sein Was, sondern das Sein dieses Seienden<br />
aus. Die Möglichkeit seiner selbst, " es selbst oder nicht es selbst zu sein" 2<br />
nennt Heidegger 'Existenz', eine Bestimmung, die nur dem Dasein zukommt. 3<br />
2. Dasein ist ontologisch nie zu verstehen als Exemplar einer Gattung von<br />
Seiendem oder Vorhandenem. Seiendem in Form von Dasein geht es immer um<br />
das je<br />
1) Heidegger,Martin: Sein und Zeit. Tübingen 1976. S.42.<br />
2) ebd. S. 12.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Das "Wesen" dieses Seienden liegt in seinem Zusein. Z17-21 Die an diesem<br />
Seienden herausstellbaren Charaktere sind daher nicht vorhandene "<br />
Eigenschaften" eines so und so "aussehenden" vorhandenen Seienden, sondern<br />
je ihm mögliche Weisen zu sein und nur das. Z2l-24 Alles Sosein dieses<br />
Seienden ist primär Sein. Daher drückt der Titel "Dasein", mit dem wir dieses<br />
Seiende bezeichnen, nicht sein Was aus, wie Tisch, Haus,<br />
Sein. Dieses Sein, zu dem sich das Dasein (Mensch) immer irgendwie verhält<br />
und aus dem es sich selbst immer versteht, ist eine "Möglichkeit seiner selbst<br />
, es selbst oder nicht es selbst zu sein."30 Heidegger nennt es darum die<br />
Existenz. Die Existenz als Möglichkeit seiner selbst hat das Dasein "entweder<br />
selbst gewählt oder es ist in sie hineingeraten oder<br />
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28<br />
3) Heidegger weist darauf hin, daß der Terminus 'Existenz' nicht gleichzusetzen ist mit der<br />
ontologischen Bedeutung des überlieferten Begriffes 'existentia', der soviel bedeutet wie<br />
Vorhandensein. Vorhandensein ist nach Heidegger eine Seinsart, die dem Seienden vom<br />
Charakter des Daseins wesensmäßig nicht zukommt. Daher benutzt er zur Klarstellung für den<br />
Titel 'existentia' nur den Begriff Vorhandensein.<br />
22 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (Auszüge), 1976, S. 61<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 20<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 32<br />
Gattung von Seiendem oder Vorhandenem. Seiendem in Form von Dasein geht<br />
es immer um das je eigene Sein, nicht um irgendeine allgemeine Seinsweise.<br />
Heidegger bezeichnet diese Erscheinung als 'Jemeinigkeit'. Existenz als die<br />
Möglichkeit des Daseins, es selbst oder nicht es selbst zu sein, kann auf<br />
verschiedene Weise begründet werden: "Diese Möglichkeit hat das Dasein<br />
entweder selbst gewählt, oder es ist in sie hineingeboren oder je schon darin<br />
aufgewachsen. Die Existenz wird in der Weise des Ergreifens oder Versäumens<br />
nur vom jeweiligen Dasein selbst entschieden." 4<br />
Das Dasein vollzieht also eine<br />
Wahl, durch die es seine eigensten Möglichkeiten verwirklicht oder es läßt sich<br />
Möglichkeiten von anderen bzw. von der Anonymität des Man vorgeben.<br />
Erstere Art des Wählens geschieht im Seinsmodus der<br />
4) ebd. S. 12.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Sein. Dieses Sein, zu dem sich das Dasein (Mensch) immer irgendwie verhält<br />
und aus dem es sich selbst immer versteht, ist eine "Möglichkeit seiner selbst,<br />
es selbst oder nicht es selbst zu sein."30 Heidegger nennt es darum die<br />
Existenz. Die Existenz als Möglichkeit seiner selbst hat das Dasein "entweder<br />
selbst gewählt oder es ist in sie hineingeraten oder je schon darin<br />
aufgewachsen."31 Das Dasein entscheidet sie jeweils selbst, indem es die<br />
Existenz als eine Möglichkeit seiner selbst entweder ergreift oder versäumt.<br />
einer Möglichkeit seiner selbst, es selbst oder nicht es selbst zu sein. Diese<br />
Möglichkeit hat das Dasein entweder selbst gewählt öderes ist in sie<br />
hineingeraten oder je schon darin aufgewachsen. Die Existenz wird in der<br />
Weise des Ergreif ens oder Versäumens nur vom jeweiligen Dasein selbst<br />
entschieden (S. 12). Die Wahl kann so erfolgen, daß durch sie und in ihr das<br />
Dasein zu sich selbst gelangt, seine eigensten Möglichkeiten verwirklicht, oder<br />
so, daß das<br />
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23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 20<br />
21 Biemel, Walter: Martin Heidegger, in: In Selbstzeug..., 1973, S. 44<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 32<br />
es seine eigensten Möglichkeiten verwirklicht oder es läßt sich Möglichkeiten<br />
von anderen bzw. von der Anonymität des Man vorgeben. Erstere Art des<br />
Wählens geschieht im Seinsmodus der Eigentlichkeit; letztere in dem der<br />
Uneigentlichkeit. Beide Seinsmodi " gründen darin, daß Dasein überhaupt durch<br />
Jemeinigkeit bestimmt ist" 5 . d.h. darin, daß Dasein bezogen ist auf das eigene<br />
Sein. Heidegger beschreibt Dasein also als das Seiende, das sein eigenes Sein<br />
im Existieren in der Eigentlichkeit oder Uneigentlichkeit zu verwirklichen hat.<br />
So beschriebenes Dasein versteht Heidegger<br />
5) Biemel,Walter: a.a.O. S.45.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Seienden stets das Personalpronomen mitsagen: "ich bin", "du bist". Z44 S43<br />
Zl-3 Die beiden Seinsmodi der Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit - diese<br />
Ausdrücke sind im strengen Wortsinne terminologisch gewählt - gründen darin,<br />
daß Dasein überhaupt durch Jemeinigkeit bestimmt ist. 54 Z12-15 Das<br />
Vorhandensein "in" einem Vorhandenen, das Mitvorhandensein mit etwas von<br />
derselben Seinsart im Sinne eines bestimmten Ortsverhältnisses sind<br />
ontologische Charaktere, die wir kategoriale nennen, Z16-18 solche,<br />
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22 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (Auszüge), 1976, S. 61<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 33<br />
im Existieren in der Eigentlichkeit oder Uneigentlichkeit zu verwirklichen hat.<br />
So beschriebenes Dasein versteht Heidegger als 'In-der-Welt-sein'. 'In-sein' ist<br />
dabei nicht gleichzusetzen mit Vorhandensein im Sinne von räumlichem<br />
Enthaltensein. Solches Vorhandensein, " in einem Vorhandenen, das<br />
Mitvorhandensein mit etwas von derselben Seinsart im Sinne eines bestimmten<br />
Ortsverhältnisses sind ontologische Charaktere, die wir kategoriale nennen". 1<br />
Sie gehören zu dem Seienden, das von nicht-daseinsmäßiger Seinsart ist,<br />
umfassen also alles nicht-menschliche Seiende. "In-sein meint eine<br />
Seinsverfassung des Daseins und ist ein Existenzial." 2<br />
Es meint soviel wie<br />
vertraut-sein-mit. Das Seiende, zu dem das In-sein gehört, ist schon<br />
beschrieben worden als das Seiende, das ich je selbst bin. Der Ausdruck 'bin'<br />
hängt nach Heidegger zusammen mit 'bei'. " 'Ich bin' besagt wiederum: ich<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
im Weltraum'. Diese Seienden, deren ,In'-einandersein so bestimmt werden<br />
kann, haben alle dieselbe Seinsart des Vorhandenseins als .innerhalb' der Welt<br />
vorkommende Dinge. Das Vorhandensein , in' einem Vorhandenen, das<br />
Mitvorhandensein mit etwas von derselben Seinsart im Sinne eines bestimmten<br />
Ortsverhältnisses sind ontologische Charaktere, die wir kategoriale nennen,<br />
solche, die zu Seiendem von nicht-daseinsmäßiger Seinsart gehören."23 Das<br />
kategoriale Durchforschen von Seiendem bewege sich ständig in einem<br />
Seinsverhältnis, dem es undurchsichtig bleibe, "was<br />
Seinsart im Sinne eines bestimmten Ortsverhältnisses sind ontologische<br />
Charaktere, die wir kategoriale nennen, Z16-18 solche, die zu Seiendem von<br />
nicht daseinsmäßiger Seinsart gehören. In-Sein dagegen meint eine<br />
Seinsverfassung des Daseins und ist ein Existenzial. Z25-30 Dieses Seiende,<br />
wohne, halte mich auf bei ... der Welt, als dem so und so Vertrauten." 3 Zum Insein<br />
gelangt der Mensch nicht erst durch das Erkennen, im Gegenteil: nur weil<br />
dem das In-Sein in dieser Bedeutung zugehört, kennzeichneten wir als das<br />
Seiende, das ich je selbst bin. Der Ausdruck "bin" hängt zusammen mit "bei"; "<br />
ihm das Seiende bekannt ist, er darüber verfügt und damit vertraut ist in den<br />
ich bin" besagt wiederum: ich wohne, halte mich auf bei ... der Welt, als dem<br />
verschiedensten Weisen des Besorgens, kann er<br />
so und so Vertrauten. 62 Z12-16 Im Sichrichten auf ... und Erfassen geht das<br />
1) Heidegger,Martin: Sein und Zeit. S. 54.<br />
Dasein nicht etwa erst aus seiner Innensphäre hinaus, in die es zunächst<br />
verkapselt ist, sondern es ist seiner<br />
2) ebd. S. 54.<br />
3) ebd. S. 54.<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 18<br />
22 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (Auszüge), 1976, S. 62<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 34<br />
Nach diesem Verständnis - als Charakter des Daseins - enthält Dasein etwas<br />
Subjektives und verlangt die Einführung eines neuen Begriffes, der die Frage<br />
nach der Welt schlechthin erlaubt: die 'Weltlichkeit von Welt'. 1<br />
'Welt' ist nach<br />
Heidegger das, " worin ein faktisches Dasein als dieses lebt" 2 , also eine<br />
Verfaßtheit des Daseins und 'Weltlichkeit' das, was es dem Dasein ermöglicht, "<br />
Seiendes von der Art des Zeugs zu erfahren" 3 , also ein Existenzlal, eine<br />
Grundbestimmung, die das Vertraut-werden mit dem Seienden seiner Umwelt<br />
ermöglicht. In diesem Zusammenhang umschreibt Heidegger die Seinsmodi<br />
der "Eigentlichkeit" und "Uneigentlichkeit" wie folgt: Das 'Man-selbst' ordnet<br />
er als das '<br />
1) "Wenn die Frage nach der 'Welt' gestellt wird, welche Welt ist gemeint? Weder diese noch jene,<br />
sondern die Weltlichkeit von Welt überhaupt" (ebd. S. 64).<br />
2) ebd. S. 65.<br />
3) Biemel,Walter: a.a.O. S. 49.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
etwas "Subjektives"? Z14-16 Und wenn die Frage nach der "Welt" gestellt wird,<br />
welche Welt ist gemeint? Weder diese noch jene, sondern die Weltlichkeit von<br />
Welt überhaupt. 65 Z6 [...] " worin" ein faktisches Dasein als dieses "lebt"<br />
Phänomen der Weit. Und die Struktur dessen, woraufhin das Dasein sich<br />
verweist, ist das, was die Weltlichkeit der Welt ausmacht (S. 86)." Die<br />
Weltlichkeit der Welt ist das, was es dem Dasein ermöglicht, Seiendes von der<br />
Art des Zeugs zu erfahren, das heißt Welt ist eine bestimmte Weise des<br />
Verstehens, ein Existenzial, eine Grundbestimmung des Daseins, die es ihm<br />
ermöglicht, das Seiende seiner Umwelt in seiner<br />
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22 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (Auszüge), 1976, S. 65<br />
21 Biemel, Walter: Martin Heidegger, in: In Selbstzeug..., 1973, S. 49<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 34<br />
Selbst des alltäglichen Daeins' in den Bereich der Uneigentlichkeit. Dazu<br />
gehöre z.B. die Entscheidung, von der man glaube, sie sei eine eigene und<br />
einmalige, die aber tatsächlich allgemeinen Gepflogenheiten, allgemein<br />
üblichen Verhaltensmustern entspricht. Dem stellt er die Eigentlichkeit<br />
gegenüber, bei der das Dasein sich selbst wählt, aufgrund seiner eigensten<br />
Möglichkeiten. 4<br />
Wenn Heidegger das Man auch als für den Menschen<br />
unverzichtbare Entlastung erwähnt, so sieht er darin doch primär ein Zeichen<br />
der Unselbständigkeit und verborgenen Herrschaft. Da an späterer Stelle - im<br />
Zusammenhang mit Heideggers Verständnis vom<br />
4) "Das Selbst des alltäglichen Daseins ist das Man-selbst, das wir von dem eigentlichen, das<br />
heißt eigens ergriffenen Selbst unterscheiden" (Heidegger,Martin: a.a.O. S. 129.)<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Jeder tut so, als ob er er selbst wäre, und dabei ist niemand er selbst. Der<br />
Unselbständigkeit und Uneigentlichkeit dieser Weise des Existierens stellt<br />
Heidegger die Eigentlichkeit gegenüber, bei der das Dasein sich selbst wählt,<br />
auf Grund seiner eigensten Möglichkeiten. Daß es Situationen geben kann, wo<br />
solch eine Wahl durch äußerliche Beschränkungen sehr reduziert ist, wird zwar<br />
von Heidegger nicht<br />
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21 Biemel, Walter: Martin Heidegger, in: In Selbstzeug..., 1973, S. 52<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 35<br />
für den Menschen lebenswichtige Aufgabe sieht Gehlen als Grundlage einer<br />
neuen Fragestellung in der Anthropologie. Deshalb ist das Schlüsselthema<br />
seiner Konzeption nicht die Frage nach dem Leib-Seele-Verhältnis, sondern die<br />
Verdeutlichung der 'Handlung', die " das Aufbaugesetz aller menschlichen<br />
Vollzüge, von den somatischen bis zu den geistigen" 1<br />
ist. Als Ausgangspunkt<br />
hält Gehlen am Vergleich zwischen Mensch und Tier und an der Lehre von der<br />
Weltoffenheit fest und nimmt einen völlig neuen, einmaligen "Gesamtentwurf<br />
der Natur" im Menschen an. Mit der Handlung sei ein neues<br />
Organisationsprinzip geschaffen, das dem Menschen die Möglichkeit gibt, zu<br />
sich Stellung zu nehmen. Als handelndes<br />
1) Gehlen,Arnold: Der Mensch. Frankfurt 1974. S. 23.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
daß sich diese IWimrrmn;, aVs Aer phy"i"4"m OryanisafiVm An Mwisrliffi<br />
gindciiffr fffo' ein physisch so verfaßtes_W-fisen ist nur als handelndes<br />
lebensfähig! und damit ist das Aufbaugesetz aller menschlichen Vollzüge, von<br />
den somatischen bis zu den geistigen, gegeben. Es hat also zunächst die uralte,<br />
auch bei Scheler noch im Hintergrund vorhandene Vorstellung zu fallen, als<br />
vereinige der Mensch in sich irgendwelche in<br />
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10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 23<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 36<br />
und Gestaltens zeigt sich unter anderem in der Vielfalt der Kulturen. Dabei<br />
erscheint Kultur als vom Menschen durch Bearbeitung veränderte, ihm<br />
lebensdienlich gestaltete Natur. 2<br />
Der Mensch hat nach Gehlen keine<br />
Existenzmöglichkeiten in der unveränderten Natur, " es gibt keinen '<br />
Naturmenschen' im strengen Sinn, d.h. keine menschliche Gesellschaft ohne<br />
Waffen, ohne Feuer, ohne präparierte und künstliche Nahrung, ohne Obdach<br />
und ohne Formen der hergestellten Kooperation" 3 . An die Stelle, an der beim<br />
Tier die Umwelt steht, tritt beim Menschen die Kulturwelt. Die Lebenswelt des<br />
Menschen ist die Kultur. Zur menschlichen Kultur gehört nach Gehlen auch die<br />
Schaffung gesellschaftlicher Institutionen im Sinne<br />
2) "Kultur soll uns sein: der Inbegriff der vom Menschen tätig bewältigten, veränderten und<br />
verwerteten Naturbedingungen, einschließlich der bedingteren, entlasteten Fertigkeiten und<br />
Künste, die auf jener Basis erst möglich werden" (ebd. S. 39).<br />
3) ebd. S. 38.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Natur heißt Kultur, und die Kulturwelt ist die menschliche Welt. Es gibt für ihn<br />
keine Existenzmöglichkeit in der unveränderten, in der nicht "entgifteten"<br />
Natur, und es gibt keinen "Naturmenschen" im strengen Sinne: d. h. keine<br />
menschliche Gesellschaft ohne Waffen, ohne Feuer, ohne präparierte und<br />
künstliche Nahrung, ohne Obdach und ohne Formen der hergestellten<br />
Kooperation. Die Kultur ist also die "zweite Natur" - will sagen: die<br />
menschliche, die selbsttätig bearbeitete, innerhalb deren er allein leben kann -<br />
und die "unnatürliche" Kultur ist<br />
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10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 38<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 37<br />
Schaffung gesellschaftlicher Institutionen im Sinne von "Ordnungschaffen und<br />
Stabilisieren". Institutionen der Gesellschaft, Formen des Zusammenwirkens<br />
als wirtschaftliche, politische, soziale, religiöse Ordnungen, Gesetze oder<br />
Verhaltensstile gelten als "Außenlenkung, als Halt gebende Verbindungsstücke<br />
zwischen dem Menschen", die erst die "Innenseite der Moral" zuverlässig<br />
machen. 1<br />
Durch die Gründung und Erhaltung von politischen Gemeinwesen<br />
schließlich schafft menschliches Handeln die Bedingungen für eine Kontinuität<br />
der Generationen und damit für Geschichte. Bevor der Mensch handelt, muß er<br />
erkennen. Erkenntnis kann beim weltoffenen Wesen nach Gehlen erst dann<br />
einsetzen, wenn es die enorme Reizüberflutung bewältigt, d.h. nachdem "durch<br />
Umgangs- und Erfahrungsbewegungen Symbole" 2<br />
entstanden sind. Dazu<br />
gehört die Sprache, die im Gesamtaufbau der Leistungen eingesetzt wird, an<br />
die Erinnerung und Voraussicht gekoppelt sind, ohne die es keine geplante<br />
Tätigkeit gibt. 3<br />
Wesentliche Voraussicht des handelnden Wesens, das<br />
zielorientiert plant,<br />
1) "Zerschlägt man die Institutionen eines Volkes, dann wird die ganze elementare Unsicherheit,<br />
die Ausartungsbereitschaft und Chaotik im Menschen freigesetzt" (Gehlen, Arnold:<br />
Anthropologische Forschung. Frankfurt '1972. S.24).<br />
2) Gehlen,Arnold: Der Mensch. S. 51.<br />
3) "In ihr vollendet sich die Richtung auf Entlastung vom Druck des Hier und Jetzt, von der<br />
Reaktion auf das zufällig Vorhandene. In ihr gipfeln die Erfahrungsprozesse der<br />
Kommunikation, wird die Weltoffenheit zureichend und produktiv bewältigt und eine<br />
Unendlichkeit von Handlungsentwürfen und Plänen möglich" (ebd. S. 20.).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Zusammenwirkens, wie sie als wirtschaftliche, politische, soziale, religiöse<br />
Ordnungen vorliegen, daß diese Institutionen als Außenstätzen, als Halt<br />
gebende Verbindungsstücke zwischen den Menschen funktionieren, daß sie<br />
erst die Innenseite der Moral zuverlässig machen. Das menschliche Innere ist<br />
ein zu undulöses Gebiet, als daß man sich gegenseitig darauf verlassen dürfte.<br />
Die Institutionen wirken wie Stützpfeiler und wie Außenhalte, deren<br />
ist und so ihrem flüchtigen .Dasein so etwas wie Bestand und Dauer<br />
entgegenhält; dasJHandeln schließlich, soweit es der Gründung und Erhaltung<br />
politischer Gemeinwesen dient, schafft die Bedingungen für eine Kontinuität<br />
der Generationen, für Erinnerung und damit für Geschichte. Auch an der<br />
Natalität sind alle Tätigkeiten gleicherweise orientiert, da sie immer auch die<br />
Aufgabe haben, für die Zukunft<br />
24 Gehlen, Arnold: Anthropologische Forschung, 1977, S. 22<br />
25 Arendt, Hanna: Vita activa oder Vom tätigen Leben, 1960, S. 15<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 38<br />
dem Zwang, momentane Bedürfnisse und Interessen sofort zu befriedigen.<br />
Stattdessen besteht zwischen Handlungen einschließlich des wahrnehmenden<br />
Bewußtseins und den eigenen, elementaren Bedürfnissen eine weitgehende<br />
Unabhängigkeit. 1<br />
Beim Menschen liegt zwischen den elementaren<br />
Bedürfnissen und ihrer Erfüllung "das gesamte System der Weltorientierung<br />
und Handlung, also die Zwischenwelt der bewußten Praxis und Sacherfahrung,<br />
die über Hand, Auge, Tastsinn und Sprache verläuft." 2<br />
Der heranwachsende<br />
Mensch bedarf zu solcher Sacherfahrung und Fähigkeit zu Welterfahrung und<br />
bewußter sachlicher Handlung der Hilfe. Als weltoffenes, in seinem<br />
Lebensentwurf nicht festgelegtes und auf sinnvoll planendes Handeln<br />
ausgerichtetes Wesen ist er lernbedürftig und<br />
1) "Der 'Handlungskreis', d.h. die Zusammenarbeit der Handlung, der Wahrnehmung, des<br />
Denkens usw. ... (kann) seine Motive und Ziele aus sich selbst entwickeln" (ebd. S. 54).<br />
2) ebd. S. 53.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
damit einer Tatsache von sehr großer Bedeutung. Zwischen die elementaren<br />
Bedürfnisse und ihre äußeren, nach unvorhersehbaren und zufälligen<br />
Bedingungen wechselnden Erfüllungen ist eingeschaltet das ganze System der<br />
Weltorientierung und Handlung, also die Zwischenwelt der bewußten Praxis<br />
und Sacherfahrung, die über Hand, Auge, Tastsinn und Sprache läuft. Eben<br />
darin miteinander verknüpft, schiebt sich schließlich der gesamte soziale<br />
Zusammenhang zwischen die firsthand-Bedürfnisse des Einzelnen und deren<br />
Erfüllungen. Es ist nun dieselbe<br />
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10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 53<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 39<br />
erweist sich die Erziehungsbedürftigkeit und -fähigkeit nicht nur als<br />
grundlegende Voraussetzung von Erziehung, sondern gleichermaßen als<br />
wesentlicher Einflußfaktor auf Verständnis und Theorie vom Menschsein.<br />
Indem das Phänomen der menschlichen Erziehungsbedürftigkeit von der<br />
Erziehung her erschlossen und seine Bedeutung für das Verständnis<br />
menschlicher Eigenart aufgewiesen ist, liefert die Erziehungswissenschaft als "<br />
anthropologisches Erfahrungsfeld" wesentliche Beiträge zur<br />
Gesamtanthropologie. 1<br />
In dem erarbeiteten anthropologischen Bezugsrahmen,<br />
wonach der Mensch als autonome, sittliche Person zu verstehen ist, die durch<br />
Weltoffenheit, Selbstaufgegebenheit und Handlungsfähigkeit ausgezeichnet ist,<br />
1) vgl. dazu: Süßmuth,Rita: Erziehungsbedürftigkeit. In: Speck,Josef/Wehle,Gerhard: Handbuch<br />
pädagogischer Grundbegriffe. Band I. München 1970. S. 405-424. und Wehle,Gerhard:<br />
Person und Erziehung. In: Speck,Josef (Hrsg.): Das Personverständnis in der Pädagogik und<br />
ihren Nachbardisziplinen. (Kongreßbericht Teil I). Münster 1966. S. 67-98.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
und Theorie des Menschseins (Reble, 10). Die Aufgabe der anthropologischpädagogischen<br />
Forschung besteht vor allem darin, das Phänomen menschlicher<br />
Erziehungsbedürftigkeit von der Erziehung her zu erschließen und seine<br />
Bedeutung für das Verständnis menschlicher Eigenart aufzuweisen. Die hier<br />
angesprochenen Aspekte werden von verschiedenen Ansätzen her divergierend<br />
beurteilt (vgl. die zu dieser Thematik geführte Diskussion u. a. bei Bollnow [3],<br />
[4];Derbolav [1], [2]; Döpp-Vorwald [2]; Loch [1]; A.<br />
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26 Süssmuth, Rita: Handbuch pädagogischer Grundbegriff..., 1970, S. 407<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 40<br />
und voraufbauenden wie abbauenden, gegenwirkenden und reinigenden<br />
Charakter haben. 3<br />
Sie vollzieht sich durch direkte und indirekte, bewußte oder<br />
unbewußte, kontinuierliche oder einmalige Einwirkungen als eine Dialektik von<br />
Führen und Wachsenlassen. 4 Grundlage aller Erziehung ist das " Verhältnis<br />
eines reifen Menschen zu einem werdenden Menschen und zwar um seiner<br />
selbst willen, daß er zu seinem Leben und seiner Form komme" 5 . Herman<br />
Nohl nennt dieses immer schon existierende Lebensverhältnis den "<br />
pädagogischen Bezug", der als Zentrum der Bildungsgemeinschaft<br />
entscheidender Faktor im Gesamtgefüge Erziehungswirklichkeit sei. Nachdem<br />
man eine Vielzahl anderer auf Erziehung entscheidend einwirkender und selbst<br />
erzieherisch wirkender<br />
3) Roth,Heinrich: Pädagogische Anthropologie. Bd. 1. S. 73.<br />
4) Litt,Theodor: Führen und Wachsenlassen. Stuttgart 1967.<br />
5) Nohl,Herman: Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie. Frankfurt 1970.<br />
S. 134.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
dem das Bildungsideal aufbewahrt ist, wenn es sonst überall verschwunden<br />
wäre oder noch nicht da sein sollte .. . Die Grundlage der Erziehung ist also das<br />
leidenschaftliche Verhältnis eines reifen Menschen zu einem werdenden<br />
Menschen, und zwar um seiner selbst willen, daß er zu seinem Leben und<br />
seiner Form komme. Dieses erzieherische Verhältnis baut sich auf auf einer<br />
instinktiven Grundlage, die in den natürlichen Lebensbezügen der Menschen<br />
und in ihrer Geschlechtlichkeit verwurzelt ist. In dem<br />
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27 Weber, Erich: Der Erziehungs- und Bildungsbegriff..., 1972, S. 41<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 42<br />
können. 1<br />
Gleichwohl hat aber der Grundgedanke Nohls Eingang in die heutige<br />
Erziehungswissenschaft gefunden: die auf Vertrauen und Autorität beruhende,<br />
von erzieherischer Liebe getragene personale Beziehung ist vom Verständnis<br />
erzieherischen Bemühens nicht wegzudenken. 1 Sie gilt als " entscheidende<br />
interpersonale Hilfe am werdenden Menschen auf dem Wege zur vollen<br />
Lebenserfüllung" 2 . Unter das Stichwort "Hilfe" läßt sich sehr<br />
verallgemeinernd und formal die Funktion von Erziehung überhaupt fassen. Dem<br />
Kind soll Lebenshilfe gegeben werden. Ihm soll beigestanden werden, sich<br />
selbst zu finden, " um in seinem Leben das Eigentlich-Menschliche zu<br />
verstehen, es sich anzueignen und in der Situation der Existenz zu bestehen" 3<br />
. Entwicklung als "Verwirklichung menschlicher Seinsmöglichkeiten" bedarf<br />
der Erziehung, durch die dem Kind die Möglichkeit gegeben wird, selbst<br />
jemand zu sein. 4<br />
Das Erwachsenwerden des Kindes im Sinne voller<br />
Verwirklichung seines Menschseins "ist nicht naturhaft selbstverständlich<br />
gesichert, sondern auf mitmenschliche Kommunikation angewiesen, geistbestimmt<br />
und weltoffen und von da aus wesensgemäß gefährdet" 5 . Die<br />
Feststellung, daß Erziehung vordringlich Hilfe zur Selbsthilfe mit der Tendenz<br />
zu einer Steigerung und Verbesserung der Lebenstüchtigkeit des Edukanden<br />
sei, wird allgemein anerkannt. Unterschiede bestehen aber hinsichtlich der<br />
Bindung dieses Prozesses an das Generationenverhältnis<br />
1) Nach Theodor Litt liegt in Nohls Theorie vom pädagogischen Bezug die Tendenz der<br />
Isolierung insofern, als der Eindruck erweckt wird, als sei mit der Herstellung eines<br />
erzieherischen Verhältnisses zwischen Erzieher und Zögling die Aufgabe von Erziehung und<br />
Bildung erfüllt. Dabei werde leicht vergessen, daß sich Erziehung nicht im luftleeren Raum<br />
abspiele. Jeder pädagogische Bezug sei nur denkbar und realisierbar in einer konkreten<br />
geschichtlichen Situation, sei determiniert von gesellschaftlichen, ökonomischen und<br />
kulturellen Bedingungen. Wolfgang Klafki hat in seiner Stellungnahme gleichzeitig eine<br />
Weiterführung des Nohlschen Konzeptes vorgelegt: Im Rahmen der von ihm intendierten<br />
Erziehung zur Verantwortung ist der pädagogische Bezug ein für bestimmte Altersstufen<br />
geeignetes Medium der ......<br />
1) In Wilhelm Flitners "Allgemeine(r) Pädagogik" nimmt der pädagogische Bezug die erste<br />
Stelle im Gefüge der pädagogischen Kategorien ein. Im Bereich der soziologischen<br />
Pädagogik hat M. Keilhacker das Verhältnis von Mutter und Kind als die Urform der<br />
Erziehung bezeichnet. Hier werde "die intensivste Verdichtung menschlicher Erziehung"<br />
angelegt (Bartels, Klaus: a.a.O. S. 189.). Vom medizinisch-anthropologischen Standpunkt<br />
haben vor allem Ren Spitz (vgl. ders.: Vom Säugling zum Kleinkind. Stuttgart 1967) und A.<br />
Nitschke (vgl. ders.: Angst und Vertrauen. In: Sammlung. 7 (1952) S. 175-180) darauf<br />
hingewiesen, daß der Zugang zur Welt, zu den Menschen und Dingen abhängig sei von der<br />
Liebe und dem Vertrauen des Kindes zu einer festen Bezugsperson. In der modernen<br />
Begabungstheorie spielt das pe ......<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
hier abbrechen und müssen noch einem anderen Zusammenhang nachgehen. b)<br />
Die Bedeutung der geschlossenen Gruppe Die personale Beziehung zwischen<br />
Erzieher und Zögling, die wir als die entscheidende interpersonale Hilfe am<br />
werdenden Menschen auf seinem Wege zur vollen Lebenserfüllung betrachtet<br />
haben, darf nicht isoliert vom Gesamtlebensraum des Erziehers und des Kindes<br />
gesehen werden. Abgesehen von der frühesten Kindheit steht<br />
nicht gleichförmig unter den Druck absoluter Ideale stellen, sie darf nicht "<br />
idealistisch" sein. Ihr Ziel ist, daß sich der wachsende Mensch selbst zu helfen<br />
wisse, um in seinem Leben das Eigentlich-Menschliche zu verstehen, es sich<br />
anzueignen und in der Situation der Existenz zu bestehen. Die Sterne hoher<br />
Ideale sollen ihm auf seinem Pfade leuchten; er kann nicht erwarten, daß er im<br />
Diesseits idealisch lebe, er wird lernen müssen, die<br />
lediglich die somatische Reifung (und sogar das wäre fragwürdig), sondern die<br />
Verwirklichung des "Menschseins" im Vollsinne des Wortes verstanden wird<br />
ist nicht naturhaft selbstverständlich und gesichert, sondern auf<br />
mitmenschliche Kommunikation angewiesen, geist-bestimmt und weltoffen und<br />
von da aus wesensgemäß gefährdet. Der Entwicklungsbegriff im nur<br />
biologischen Verstände ist ungeeignet, diesen Werdeprozeß adäquat zu<br />
erfassen; sofern man nicht ganz auf ihn verzichtet, wie es einige Autoren zur<br />
28 Wehle, Gerhard: Person und Erziehung. Zur Stellung ..., 1966, S. 86<br />
29 Flitner, Wilhelm: Allgemeine Pädagogik, 15. Aufl., 1997, 1975, S. 129<br />
28 Wehle, Gerhard: Person und Erziehung. Zur Stellung ..., 1966, S. 70<br />
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2) Wehle,Gerhard: a.a.O. S. 87.<br />
3) Flitner,Wilhelm: Allgemeine Pädagogik. Stuttgart 1975. S. 129.<br />
4) vgl. dazu: Langeveld,Martinus Jan: Kind und Jugendlicher in anthropologischer Sicht.<br />
Heidelberg 3 1968. S. 17.<br />
5) Wehle, Gerhard: a.a.O. S. 71.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 43<br />
Werner Loch 1<br />
den Prozeß des Erwachsenwerdens als einen Prozeß der<br />
Enkulturation: Dem Menschen ist - im Unterschied zum Tier - eine bestimmte<br />
Lebensform nicht angeboren. Vielmehr bietet die Kultur der Gesellschaft, in<br />
die er hineingeboren wird, ihm " alle Gebilde, durch deren Benutzung und<br />
Verlebendigung der Mensch sein Leben realisiert" 2 . Die Fähigkeit des Lernens<br />
ermöglicht ihm, sich im Laufe der Entwicklung solche Kultur als eine<br />
Lebensform anzueignen. Bei solchem Lernen ist der Mensch auf Interaktion<br />
mit Mitmenschen angewiesen, vor allem dann, wenn eine Lernhemmung<br />
eintritt,<br />
1) vgl. dazu: Loch, Werner: Enkulturation als anthropologischer Grundbegriff der Pädagogik. In:<br />
Weber, Erich (Hrsg.): Der Erziehungs- und Bildungsbegriff im 20. Jahrhundert. Bad<br />
Heilbrunn 1972. S. 122-140.<br />
2) ebd. S. 127.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Enkulturation und Begriff der Erziehung als Enkulturationshilfe eine<br />
Definition des Kulturbegriffs voraus. //. Kultur als Lebensform des Menschen<br />
Als Lebensform des Menschen enthält die Kultur alle Gebilde, durch deren<br />
Benutzung und Verlebendigung der Mensch sein Leben realisiert". Zur Kultur<br />
gehören: die Sprache mit ihren Begriffen und Bedeutungen, die dem Menschen<br />
sich selbst und seine Welt verständlich, seine Wahrnehmungen und Gedanken<br />
sich selbst<br />
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27 Weber, Erich: Der Erziehungs- und Bildungsbegriff..., 1972, S. 127<br />
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angewiesen, vor allem dann, wenn eine Lernhemmung eintritt, worunter Loch<br />
alle möglichen Schwierigkeiten beim Lernen, d.h. bei der Auseinandersetzung<br />
mit Kultur, versteht. Eine spezifische Form solcher Interaktion ist nach Loch<br />
die Erziehung als Hilfe bei Lernhemmung: " Erziehung läßt sich so als die<br />
Interaktionsform der Lernhilfe definieren, die der Mensch grundsätzlich immer<br />
dann benötigt, wenn er beim Lernen eines kulturellen Sachverhalts aus<br />
irgendeinem Grund gehemmt ist, Erziehung ist also jene eigenartige<br />
Hilfeleistung, die der Mensch in denjenigen Lebensaltern und Lebenslagen<br />
benötigt, wo er eine Lernaufgabe nicht selbständig lösen kann" 3 . Der Prozeß<br />
des Erwachsenwerdens vollzieht sich nach Loch also in der<br />
Auseinandersetzung mit Kultur zwecks "Aneignung ihrer Gebilde" und vor<br />
allem zur Aktivierung menschlichen Denkens und produktiver<br />
Lebensleistungen. Erziehung ist danach Lebenshilfe im Sinne von<br />
3) ebd. S. 125.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
die bei solchen subjektiven oder objektiven, endogenen oder exogenen4,<br />
angenommenen oder tatsächlichen Lernhemmungen funktionell notwendig<br />
wird, bezeichnen wir einfach als Lernhilfe oder traditionell als Erziehung.<br />
Erziehung läßt sich so als die Interaktionsform der Lernhilfe definieren, die der<br />
Mensch grundsätzlich immer dann benötigt, wenn er beim Lernen eines<br />
kulturellen Sachverhalts aus irgendeinem Grund gehemmt ist. Erziehung ist<br />
also jene eigenartige Hilfeleistung, die der Mensch in denjenigen Lebensaltern<br />
und Lebenslagen benötigt, wo er eine Lernaufgabe nicht selbständig<br />
bewältigen kann. Mit dieser Definition ist der Erziehungsbegriff aus der<br />
Bindung an das Generationsverhältnis gelöst, die ihm Schleiermacher gegeben<br />
hatte, und auch auf Lernhilfen anwendbar,<br />
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30 Loch, Werner: Enkulturation als anthropologischer..., 1971, S. 4<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 44<br />
dem die Kultivierung des Menschen im Mittelpunkt steht, hat das Verständnis<br />
von der Menschwerdung als einem Prozeß der Sozialwerdung Eingang in die<br />
Erziehungswissenschaft gefunden. Während Werner Loch die Sozialisierung<br />
als einen Aspekt der Enkulturation sieht, " weil auch das Soziale kultiviert<br />
werden muß" 2 , erscheint bei den sozialisationstheoretischen Erklärungen<br />
menschlicher Entwicklung die Enkulturation als Teil eines übergreifenden<br />
Prozesses der Sozialwerdung. Neben der behavioristischen Psychologie, wonach<br />
unter "Sozialisierung" jenes Muster von Belohnung und Strafe verstanden wird,<br />
das sich z.B. im Verhalten der Mutter gegenüber dem Kind manifestiert, jene "<br />
child-rearing-practices", durch die der junge Mensch soziale Verhaltensweisen<br />
erlernt, die ihm die Eingliederung in die Gesellschaft ermöglichen 3<br />
und neben<br />
der Psychoanalyse Freuds, durch die bis dahin nicht beachtete Quellen sozialen<br />
Verhaltens durch<br />
2) Loch,Werner: a.a.O. S. 130.<br />
3) vgl. dazu eine Kurzdarstellung mit Literaturverweisen bei Fend,Helmut: Sozialisierung und<br />
Erziehung. Weinheim und Basel 8 1976. S. 16-20.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ohne entsprechende menschliche "Gesellschaft" denkbar ist und jedes<br />
Kulturgebilde seine soziale Seite hat, so bleibt die Sozialisierung des Menschen<br />
dennoch nur ein Aspekt seiner Kultivierung, weil auch das Soziale kultiviert<br />
werden muß. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Ansatz von Gerhard<br />
Wurzbacher, der gegen "die Überlastung des Sozialisationsbegriffs mit<br />
anpassungsmechanistischen Vorstellungen" den Begriff der Enkulturation für<br />
die "<br />
reinforcement pattern) 12 ), von Belohnung und Strafe, aufgefaßt werden. Durch<br />
dieses werden erwünschte Verhaltensweisen begünstigt, unerwünschte<br />
unterdrückt und ausgelöscht. Unter "Sozialisierung" wird hier nichts anderes<br />
als jenes Muster von Belohnung und Strafe verstanden, das sich z. B. im<br />
Verhalten der Mutter gegenüber dem Kind manifestiert. Mit "Sozialisierung"<br />
sind "child-rearing practices" gemeint, besonders jene, die während der frühen<br />
Kindheit in der Familie angewendet werden. Durch sie lerne der Mensch sozial<br />
27 Weber, Erich: Der Erziehungs- und Bildungsbegriff..., 1972, S. 130<br />
31 Fend, Helmut: Sozialisierung und Erziehung. Eine ..., 1976, S. 20<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 45<br />
Erklärungen der Individualgenese wesentliche Grundlagen geliefert. Nach<br />
Dürkheim lebt der Mensch durch Triebe ständig bedrängt von Natur aus in<br />
einem instabilen Zustand. Erst durch soziale Normen und Werte erfährt sein<br />
Streben Begrenzung und Zielsetzung und werden die Triebe und Wünsche der<br />
Mitglieder einer Gesellschaft in realisierbare Bahnen gelenkt. Die Reichweite<br />
möglicher Verhaltensweisen wird durch die moralische Ordnung als dem<br />
umfassenden System von Verboten und Geboten bestimmt. Die Gesamtheit der<br />
moralischen Regeln bildet eine Mauer, " an die viele Leidenschaften, Triebe und<br />
Bedürfnisse branden" 2<br />
und absterben. Bedürfnisbefriedigung wird dadurch<br />
nicht verhindert, sondern erfährt nach Dürkheim erst in der Begrenzung des<br />
Strebens die Bedingung für die Möglichkeit der Befriedigung. Das zentrale<br />
Wertsystem, dessen allgemeine Anerkennung Basis jeder sozialen Ordnung ist<br />
, muß von den Gesellschaftsmitgliedern erlernt werden. Als "kollektives<br />
Gewissen" reguliert es dann das Verhalten des einzelnen. Erzieherische<br />
Einwirkungen haben demnach das Ziel, den Menschen<br />
2) Fend,Helmut: a.a.O. S. 29.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
unerreichbare Ziele verfolgt werden oder sich das Streben auf keine Ziele<br />
richtet 25 ). Eine Begrenzung und Zielsetzung erfolgt aber durch soziale Normen<br />
und Werte. Durch sie werden die Triebe und Wünsche der Mitglieder einer<br />
Gesellschaft in realisierbare Bahnen gelenkt. Eine moralische Ordnung ist für<br />
Dürkheim ein umfassendes System von Verboten und Geboten. Ihr Ziel ist es,<br />
die Reichweite der möglichen Verhaltensweisen zu begrenzen. Dies<br />
bestimmte Verhaltensweisen für wünschenswert oder für nicht wünschenswert<br />
erklärt und durch Sanktionen abgesichert werden. Dürkheim veranschaulicht<br />
die begrenzende Funktion der sozialen Normen durch ein Bild. Die Gesamtheit<br />
der moralischen Regeln bildet eine Mauer, an die viele Leidenschaften, Triebe<br />
und Bedürfnisse branden. An der Mauer sterben diese jedoch ab2'). Eine<br />
Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen wird dadurch aber nicht<br />
verhindert. Im Gegenteil: die Begrenzung des Strebens ist die Bedingung für<br />
die Möglichkeit der Befriedigung. Soziale Ordnung ist nur möglich, wenn<br />
Menschen ihr Verhalten auf dieser Basis führen. Die Normen und Werte<br />
dürfen aber nicht zu unterschiedlich sein. Die Mitglieder<br />
31 Fend, Helmut: Sozialisierung und Erziehung. Eine ..., 1976, S. 29<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 45<br />
Basis jeder sozialen Ordnung ist, muß von den Gesellschaftsmitgliedern erlernt<br />
werden. Als "kollektives Gewissen" reguliert es dann das Verhalten des<br />
einzelnen. Erzieherische Einwirkungen haben demnach das Ziel, den Menschen<br />
zum sozialen Wesen werden zu lassen: " Erziehung ist die Einwirkung der<br />
erwachsenen Generation auf diejenigen, die noch nicht reif sind für das Leben<br />
in der Gesellschaft. Sie zielt darauf ab, beim Kind eine Reihe physischer,<br />
geistiger und sittlicher Kräfte zu wecken und zu fördern, die die politische<br />
Gesellschaft in ihrer Gesamtheit und das jeweilige Milieu, für das es in<br />
besonderer Weise bestimmt ist, von ihm fordern" 1 . Alle Maßnahmen der<br />
Erziehung bezeichnet Dürkheim als "socialisation m thodique" 2<br />
im<br />
Unterschied zu unmethodischer Sozialisation im Sinne unbewußter,<br />
nichtgeplanter Vorgänge, Abläufe und Strukturen. Zum Werden eines sozialen<br />
Wesens gehört also vor allem die Internalisierung kulturspezifischer Normen<br />
1) Dürkheim,Emile: Education et sociologie. Paris 1923. S. 50. zitiert nach: Klafki,Wolfgang u.a.:<br />
Funkkolleg Erziehungswissenschaft. Band I. Frankfurt 7 1977. S.263.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
das Verhältnis zwischen der Erziehung und dem umfassenderen Zusammenhang<br />
der Sozialisation und läßt zugleich erkennen, was ihn dazu bewegte, den<br />
Begriff der Sozialisation zu gebrauchen: " Erziehung ist die Einwirkung der<br />
erwachsenen Generation auf diejenigen, die noch nicht reif sind für das Leben<br />
in der Gesellschaft. Sie zielt darauf ab, beim Kind eine Reihe physischer,<br />
geistiger und sittlicher Kräfte zu wecken und zu fördern, die die politische<br />
Gesellschaft in ihrer Gesamtheit und das jeweilige Milieu, für das es in<br />
besonderer Weise bestimmt ist, von ihm fordern." 115 Erziehung wird hier<br />
also verstanden als eine Maßnahme, "das soziale Wesen zu schaffen". Alle<br />
Maßnahmen dieser Art bezeichnet Dürkheim daher als "Socialisation m<br />
thodique" 116 - d. h. methodische Sozialisation -<br />
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2) ebd. S. 328.<br />
32 Klafki, Wolfgang: Erziehungswissenschaft. Eine Einfüh..., 1977, S. 262<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 47<br />
der Sprache, durch die Menschen in Interaktion treten können. Beim Sprechen<br />
sendet der Mensch Botschaften, die für Sender und Empfänger gleiche<br />
Bedeutung haben. Dadurch kann der Einzelne auf Aussagen anderer wie auf<br />
eigene gleichermaßen reagieren. Er kann sowohl Subjekt als auch Objekt von<br />
Aussagen sein. Diese Fähigkeit zur Reflexion ist nach Mead das<br />
kennzeichnende Merkmal des menschlichen "Selbst". Zu diesem Selbst gehört<br />
weiterhin ein " kognitives System von Regeln und Normen über erwünschte<br />
Verhaltensweisen in einer Gruppe" 2 , das zu erlernen ist. Bei diesem<br />
Lernprozeß spielt der "generalized other" eine entscheidende Rolle: Mead<br />
meint damit das System von Regeln und Normen, das das organisierte soziale<br />
Leben reguliert, den verallgemeinerten Standpunkt der Gruppe, von<br />
2) Fend,Helmut: a.a.O. S. 31.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Mensch auf die eigenen Aussagen auf die gleiche Weise reagieren, wie auf<br />
Aussagen anderer Menschen. Er kann Aussagen machen und über seine<br />
Aussagen nachdenken; er kann sowohl Subjekt als auch Objekt von Aussagen<br />
sein. Diese Reflexivität ist das kennzeichnende Merkmal des menschlichen "<br />
Selbst". Der Mensch lernt Ideen und Gefühle sich selbst gegenüber. Diese<br />
Selbst enthält unter anderem ein kognitives System von Regeln und Normen<br />
über erwünschte Verhaltensweisen in einer Gruppe. Ein zentraler Begriff in der<br />
Theorie der Entstehung des Selbst ist der "generalized other". Mit diesem<br />
Ausdruck wird das System von Regeln und Normen bezeichnet,<br />
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31 Fend, Helmut: Sozialisierung und Erziehung. Eine ..., 1976, S. 31<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 48<br />
nach Wurzbacher zu sehr belastet mit der Vorstellung von einer zwangsweisen<br />
Anpassung der Heranwachsenden an die bestehenden gesellschaftlichen<br />
Verhältnisse, die die ihr absolut überlegene Erwachsenengeneration durch<br />
Erziehung bewirke. Dagegen setzt Wurzbacher die Forderung nach Klärung "<br />
der Wechselwirkungen der sozialen Grundfaktoren Gesellschaft, Kultur und<br />
Individuum, aus deren vielfältigen und unveränderlichen Beziehungen sich die<br />
soziale wie die individuelle Identität in immer neuen Formen realisieren" 3 .<br />
Entsprechend den drei Grundfaktoren unterscheidet er Prozesse der<br />
Sozialisation, der Enkulturation und der Personalisation. Dabei versteht er<br />
unter Sozialisation den " Vorgang der Führung, Betreuung und Prägung des<br />
Menschen durch die Verhaltenserwartungen und Verhaltenskontrollen seiner<br />
Beziehungspartner" 4<br />
zwecks Einordnung in das jeweilige soziale<br />
Wirkungsganze. Enkulturation meint "eine gruppen- und personspezifische<br />
Aneignung und Verinnerlichung von Erfahrungen, Gütern, Maßstäben und<br />
Symbolen der Kultur" 5 . Die Auseinandersetzung zwischen Person und Kultur<br />
dient der " Erhaltung, Entfaltung und Sinndeutung der eigenen wie der<br />
Gruppenexistenz" 6 . Auf vorgenannten Voraussetzungen erfolgt nach<br />
Wurzbacher die Personalisation als "<br />
1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Methoden. Der Fachausschuß wollte gerade mit diesem Thema zu solch einer<br />
Zusammenarbeit auffordern. c) Weiter kann die Beschäftigung mit dem<br />
Sozialisationsprozeß zur Aufhellung des Wesens und der Wechselwirkungen<br />
der sozialen Grundfaktoren Gesellschaft, Kultur, Individuum beitragen, aus<br />
deren vielfältigen und veränderlichen Beziehungen sich die soziale wie die<br />
individuelle Identität in immer neuen Formen realisieren. Damit können durch<br />
seine Erforschungen nicht nur wesentliche Beiträge zu einer Theorie des<br />
personalen, sondern auch! des sozialen und kulturellen Wandels gewonnen<br />
werden. d) Die bisherigen<br />
Parsons über "Das Über-Ich und die Theorie der sozialen Systeme" entwickelt<br />
hat.2 62 ) Nicht uberraschen wird die Erklärung G. Wurzbachers, wonach auch<br />
schon die "Sozialisation" als Vorgang der Führung, Betreuung und Prägung des<br />
Menschen durch die Verhaltenserwartungen und Verhaltenskontrollen seiner<br />
Beziehungspartner " auch in ihrer durch ihn zum Leitbild oder Über-Ich<br />
verinnerlichten Form" verstanden werden soll.2 63) Umgekehrt sehen wir die<br />
Wirkung des "Über-Ich" auch auf<br />
in diesem Zusammenhang der Ansatz von Gerhard Wurzbacher, der gegen "die<br />
Überlastung des Sozialisationsbegriffs mit anpassungsmechanistischen<br />
Vorstellungen" den Begriff der Enkulturation für die "gruppen- wie<br />
personspezifische Aneignung und Verinnerlichung von Erfahrungen, >GüternGütern
Textstelle (Prüfdokument) S. 48<br />
Selbstformung und -steuerung der eigenen Triebstrukturen wie als sinngebende,<br />
koordinierende und verantwortlich gestaltende Rückwirkung des Individuums<br />
auf die Faktoren Gesellschaft und Kultur" 1 . Die Person steht immer wieder vor<br />
der Notwendigkeit, höchst widersprüchliche Rollen zu koordinieren und zu<br />
integrieren. Zur Bewältigung solcher Situationen persönlicher Entscheidungen<br />
braucht sie nach Wurzbacher autonome Maßstäbe, die bei Anwendung "<br />
personalisierende Wirkung" haben. In<br />
3) ebd. S. 2.<br />
4) ebd. S. 12/13.<br />
5) ebd. S. 14.<br />
6) ebd. S. 14.<br />
1) ebd. S. 14.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Maßstäben und Symbolen der Kultur zur Erhaltung, Entfaltung und<br />
Sinndeutung des eigenen wie der Gruppenexistenz" (S. 14). Besonders wichtig<br />
in Wurzbachers Modell ist schließlich die Personalisation als " Selbstformung<br />
und -Steuerung der eigenen Triebstrukturen wie als sinngebende,<br />
koordinierende und verantwortlich gestaltende Rückwirkung des Individuums<br />
auf die Gesellschaft und die Kultur" (S. 14). Voraussetzungen solcher<br />
Rückwirkungen sieht der Autor in der Tatsache, daß "Für den gesunden<br />
Menschen . . die Willensfreiheit ein .Selbstver-ständnis', etwas Axiomatisches<br />
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36 Walter, Heinz: Sozialisationsforschung, 1. Band, S..., 1973, S. 23<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 49<br />
ganz anderem Zusammenhang ausführt 2<br />
- nicht mehr allein als Geschöpf,<br />
sondern gleichzeitig als Schöpfer seiner Umwelt. Solche Wechselwirkungen<br />
zwischen Person und Umwelt bezieht auch Theodor Scharmann in seine<br />
Umschreibung von Entwicklung als lebenslang andauernde Prozesse der "<br />
Entfaltung, Differenzierung und Integrierung individuelle psychischer und<br />
physischer Vorgegebenheiten in ihrer Begegnung mit den für sie bedeutsamen<br />
Faktoren der Außenwelt" 3 . Er versteht - aus der Sicht des Psychologen -<br />
Sozialisation im weiteren Sinn als Prozeß der "sozial-individuellen Integration" 4<br />
, als Entwicklung die sich im Wechsel von Reifen und Lernen vollzieht. In<br />
Anlehnung an Wurzbacher unterscheidet auch er<br />
2) Landmann,Michael: Der Mensch als Schöpfer und Geschöpf der Kultur. München,Basel 1961.<br />
3) Scharmann,Theodor: Die individuelle Entwicklung in der sozialen Wirklichkeit. In: Thomae,<br />
Hans: Persönlichkeits forschung und Persönlichkeitstheorie. Handbuch der Psychologie. Band<br />
3. Göttingen 1959. S. 535-582.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
aktiver Auseinandersetzung mit den äußeren Bedingungen ihrer Existenz nach<br />
Möglichkeit zur Entfaltung zu bringen versuchen. Entwicklung bedeutet<br />
idealiter also immer Entfaltung, Differenzierung und Integrierung individueller<br />
psychischer und physischer Vorgegebenheiten in ihrer Begegnung mit den für<br />
sie bedeutsamen Faktoren der Außenwelt. Thomae hat an anderer Stelle dieses<br />
Buches die einschlägigen Prozesse der personalen Entwicklung in Anlehnung<br />
an Heiss als Grundvorgänge der "Verfestigung" oder "Prägung" bezeichnet. "<br />
Prägung"<br />
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4) Scharmann,Theodor: Psychologische Beiträge zu einer Theorie der sozial-individuellen<br />
Integration. In: Wurzbacher,Gerhard: a.a.O. S. 37-60. hier: S. 39f.<br />
37 Scharmann, Theodor: Die individuelle Entwicklung in der..., 1972, S. 535<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 50<br />
Reifen und Lernen vollzieht. In Anlehnung an Wurzbacher unterscheidet auch<br />
er im Rahmen der lebenslang andauernden Entwicklung drei wechselseitig<br />
aufeinander bezogene Prozesse: den der Sozialisation im engeren Sinn als<br />
soziale Prägung, bei dem die Person " als einzigartiges und unwiederholbares,<br />
dynamisches Kontinuum von psychophysischen Vorgegebenheiten, Strukturen,<br />
Motiven und Verhaltensweisen" 1<br />
wesentlich als hilfsbedürftiger Zögling<br />
erscheint; den der Enkulturation als Selbstverwirklichung in der Weise, daß die<br />
Person in " angeregter, folgender und lernender Aktivität" der Kultur in ihrer<br />
Breite und mit ihren vielfältigen Herausforderungen gegenübersteht 2 ;<br />
schließlich den der Personalisation, bei dem Scharmann einen doppelten Aspekt<br />
betont, " nämlich die stimulierende Wirkung der sozio-kulturellen Reize auf<br />
die individuelle Persönlichkeitsstruktur einerseits und die dynamisierende<br />
Wirkung der exemplarischen Persönlichkeit auf das kulturelle und soziale<br />
Geschehen ihrer Zeit" 3 . Dieser Arbeit - die aus pädagogischer Sicht<br />
geschrieben ist - soll ein Verständnis von menschlicher Entwicklung als einem<br />
Prozeß der Personalisation zugrundegelegt werden, d.h. nicht die Tradierung<br />
von Kultur oder die Übernahme gesellschaftlicher Regelsysteme stehen im<br />
Vordergrund erzieherischer<br />
1) ebd. S. 41.<br />
2) ebd. S. 42.<br />
3) ebd. S. 55.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Ich" usf. nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich hier nicht um den<br />
personalistischen oder differentiellen Personlichkeitsbegriff der Psychologie<br />
oder gar der Charakterologie handle. Die Person als einzigartiges und<br />
unwiederholbares dynamisches Kontinuum von psychophysischen<br />
Vorgegebenheiten, Strukturen, Motiven und Verhaltensweisen bleibe in diesem<br />
Zusammenhang relativ abstrakt. Sie erscheine als Objekt, allenfalls als Topos<br />
und Angriffspunkt für die gesellschaftlichen Maßnahmen zur Tradierung und<br />
Regelung und Kontrolle<br />
ein immanentes Leitbild gebunden weiß." Im Rahmen dieses "Enkulturation"<br />
benannten Prozesses "stehen sich die Kultur in ihrer zwingenden Breite und<br />
Herausforderung und die Person in angeregter, folgender und lernender<br />
Aktivität gegenüber" (Wurzbacher), während die "soziale Prägung" die Person<br />
letztlich als passiven "Träger sozial vorgeformter Rollen" (Dahrendorf) zeigt.<br />
Th. Scharmann versucht mit dem Begriff der "Selbstentfaltung"<br />
und der Persönlichkeitsdynamik vorzuschlagen 18. Dabei empfiehlt es sich im<br />
Sinne des dialektischen Verlaufs der allgemeinen Sozialisationsvorgänge, auch<br />
hier den doppelten Aspekt im Auge zu behalten nämlich die stimulierende<br />
Wirkung der sozio-kulturellen Reize auf die individuelle<br />
Persönlichkeitsstruktur einerseits und die dynamisierende Wirkung der<br />
exemplarischen Persönlichkeit auf das kulturelle und soziale Geschehen ihrer<br />
Zeit. Es sind dies alles mehr als nur konventionelle und terminologische<br />
Probleme, denn solange sie nicht wesensgemäß gelöst sind, bleibt I 56<br />
Scharmann: Psychologische Beiträge zu einer Theorie<br />
34 Dienelt, Karl: Anthropologie des Jugendalters, 1974, S. 81<br />
34 Dienelt, Karl: Anthropologie des Jugendalters, 1974, S. 77<br />
38 Scharmann, Theodor: Psychologische Beiträge zu einer Th..., 1974, S. 54<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 51<br />
ist der von Max Müller und Alois Halder im Staatslexikon der Görres-<br />
Gesellschaft'20) entwickelte. Die Autoren geben zunächst eine formale<br />
Umschreibung des Begriffs der Person: " Person meint den je einmaligen,<br />
ungeteilt-ganzen und unmitteilbar-unvertretbaren Vollzug, die Wirklichkeit,<br />
das Dasein einer Geistnatur. Diese Wirklichkeit ist die Wirklichkeit des<br />
Selbstbesitzes und damit der Selbstzwecklichkeit, ist die Wirklichkeit der<br />
Freiheit eines geistigen Wesens, in der seine unantastbare Würde gründet."<br />
Unbestreitbar ist mit dieser Definition nur eine formale Bestimmung gegeben,<br />
die inhaltlich mit verschiedenen Bedeutungen gefüllt werden kann, - wobei die<br />
verschiedenen Inhalte wiederum bestimmt sind<br />
als Anspruch und Wirklichkeit bei allen Nuancierungen in der Explikation zu<br />
den Grundüberzeugungen des abendländischen Kulturkreises gehört und legen<br />
den weiteren Erörterungen die eher formale Beschreibung des Personbegriffs<br />
von Max Müller und Alois Halder zugrunde: " Person meint den je einmaligen,<br />
ungeteilt-ganzen und unmittelbar-unvertretbaren Vollzug, die Wirklichkeit, das<br />
Dasein einer Geistnatur. Diese Wirklichkeit ist die Wirklichkeit des<br />
Selbstbesitzes und damit der Selbstzwecklichkeit, ist die Wirklichkeit der<br />
Freiheit eines geistigen Wesens, in der seine unantastbare Würde gründet" 1 .<br />
Müller und Halder bestimmen die Bedeutung des Personbegriffs in den drei<br />
Relationen Person und Natur, Person und Welt, Person und Gemeinschaft.<br />
Während wir auf eine vollständige philosophische Explikation des<br />
vorgenannten Personbegriffs hier verzichten, soll auf diese drei Relationen kurz<br />
eingegangen werden im Blick auf eine nähere Strukturierung des<br />
Personalisationsprozesses: Zunächst sehen Müller und Halder den Menschen<br />
1) Staatslexikon der Görres-Gesellschaft. Band VI. Freiburg 1961. Spalten 197-206. hier: Spalte<br />
198.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
allein nicht begründbaren Anspruch stehend erfahren ist"123). - Von dieser<br />
Basis aus bestimmen Müller und Halder die Bedeutung des Begriffs der<br />
menschlichen Person in den den Relationen Person und Natur, Person und Welt,<br />
Person und Gemeinschaft. Diese drei Relationen sollen hier nur so weit<br />
umrissen Werden, daß der von mir exemplarisch verwendete Person-Begriff<br />
deutlich wird; ich darf auf den paradigmatischen<br />
39 Speck, Josef: Die anthropologische Fundierung erz..., 1968, S. 63<br />
39 Speck, Josef: Die anthropologische Fundierung erz..., 1968, S. 65<br />
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auf eine vollständige philosophische Explikation des vorgenannten<br />
Personbegriffs hier verzichten, soll auf diese drei Relationen kurz eingegangen<br />
werden im Blick auf eine nähere Strukturierung des Personalisationsprozesses:<br />
Zunächst sehen Müller und Halder den Menschen in der " Wirklichkeit des<br />
freien Vollzugs seiner Natur". Menschliche Natur existiert also immer als<br />
Aktualisierung fordernde. Der Mensch steht unter dem personalen Anspruch,<br />
sich zu verwirklichen. Dabei weist die menschliche Natur mit all ihren "<br />
materiellen, vitalen und geschichtlichen Bedingungen" auf die Grenzen des<br />
prinzipiell freien Wirklichkeitsvollzugs. Die Natur des Menschen als Einheit<br />
von Leib und Geist ist mit ihren "eigenen unaufhebbaren<br />
Strukturgesetzlichkeiten" Auftrag und Grenze freier Verwirklichung des<br />
Personseins. Menschliche Natur steht immer - und<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
und geschichtlichen Bedingungen - der menschlichen Person, d.h. ihrem<br />
eigenen freien Wirklichkeitsvollzug, immer schon als unbeliebige vorgegeben<br />
und aufgegeben." Wenn der Mensch verstanden werden soll in der<br />
Wirklichkeit des freien Vollzugs seiner Natur, dann muß auch hier eine<br />
grundsätzliche Differenz gesehen werden; der Mansch kann sich selbst als<br />
Natur sozusagen nicht restlos "einholen"; unsere Erfahrung mit uns selbst<br />
als komplexe Natur "') Müller/Halder, a. a. O. Sp. 199 f. ist endlich, und sie ist -<br />
mit all ihren Dimensionen und den diesen eigenen grundsätzlich<br />
unaufhebbaren Strukturgesetzlichkeiten, mit all ihren ... materiellen, vitalen und<br />
geschichtlichen Bedingungen - der menschlichen Person, d.h. ihrem eigenen<br />
freien Wirklichkeitsvollzug, immer schon als unbeliebige vorgegeben und<br />
aufgegeben." Wenn der Mensch verstanden werden soll in der Wirklichkeit des<br />
freien<br />
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39 Speck, Josef: Die anthropologische Fundierung erz..., 1968, S. 66<br />
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Technik und im Staat bringt der Mensch Welt in Gestalt und wird deutlich, wie<br />
zur Personalisation nicht nur die Entfaltung "natürlicher Anlagen", sondern<br />
gleichermaßen Weltgestaltung gehört. Schließlich ist der Mensch als Person ein<br />
soziales Wesen, " das als Einzelner nur in einer gemeinsamen Wirklichkeit<br />
existieren kann". Die Werke, mit denen er Welt gestaltet, leistet er nicht<br />
alleine, sondern immer nur in und mit der Gesellschaft. " Auch das, was die<br />
einzelne Person allein und für sich zu vollziehen hat, wird mitermöglicht und<br />
mitgetragen von der geschichtlichgesellschaftlichen Überlieferung und<br />
gegenwartigen Verfaßtheit." 1<br />
So wie der personale Vollzug auf die künftige<br />
Gestalt der Gesellschaft wirkt, so ist sie für diesen Vollzug nicht wegdenkbares<br />
Medium. Mit Personalisation ist also die Entwicklung der menschlichen<br />
Grundleistungen des Sozialen, des Geistig-Kulturellen<br />
1) Speck,Josef: Die anthropologische Fundierung erzieherischen Handelns. Münster 1968. S. 69.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
von Welt; der Prozeß der Bildung ist von da aus gesehen grundsätzlich<br />
unabschließbar. - Der Mensch ist schließlich insofern Person, als er ein<br />
gesellschaftliches Wesen ist, das als Einzelner nur in einer gemeinsamen<br />
Wirklichkeit existieren kann. Zwar verwirklicht sich das leibhaft-geistige Wesen<br />
durch die Schaffung der Werke; aus ihnen nimmt es sich zurück im Prozeß<br />
personaler Bildung. ["Diese Werke aber<br />
Werke aber sind solche, die kein Einzelner allein und feuf sich gestellt, die der<br />
Einzelne vielmehr nur in und mit der Gesellschaft zu leisten vermag." Auch<br />
das, was die einzelne Person allein und für sich zu vollziehen hat, wird<br />
mitermöglicht lind mitgetragen von der geschichtlich-gesellschaftlichen<br />
Überlieferung und gegenwärtigen Verfaßtheit; ebenso ist der einzelpersonale<br />
Vollzug wesentlich mitbestimmend für die gegenwärtige und zukünftige<br />
Gestalt der Gesellschaft. "<br />
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39 Speck, Josef: Die anthropologische Fundierung erz..., 1968, S. 68<br />
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Sozialen, des Geistig-Kulturellen und des Individualen gemeint. Sie umfaßt die<br />
wechselseitig aufeinander bezogenen Prozesse der Individuation, der<br />
Enkulturation und der Sozialisation. Personalisation ist somit nicht Teilprozeß<br />
der Entwicklung, sondern der "Hauptkern", in dem sich sämtliche<br />
Lebensvorgänge auf die menschliche Hauptleistung der Entfaltung der Person<br />
zentrieren, " indem er sie sammelt, steuert, ordnet und im Sinne des<br />
Personhaften auszeugt" 1 . Personsein als gleichzeitig Vorhandenes und Zu-<br />
Vollziehendes wird im Raum der Erziehung erfahrbar: der Erzieher stößt<br />
unmittelbar auf das Personsein des Heranwachsenden und erkennt, " daß die<br />
Personalität nicht voll aktualisiert wird ohne den erzieherischen Beistand der<br />
Erwachsenen" 2 . Seine Personalität und damit auch seine Freiheit sind dem Kind<br />
als Potenz von Anfang an gegeben. Person zu sein und damit in sich selbst zu<br />
stehen, sich zu besitzen, frei zu sein und von niemandem<br />
1) Schliebe-Lippert,Elisabeth: Die Entfaltung der Person, epochalpsychologisch gesehen. In:<br />
Wurzbacher,Gerhard: a.a.O. S. 83-103. hier: S. 85.<br />
2) Wehle, Gerhard: a.a.O. S. 75.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Person wird vorgestellt als ein System von vier Kernen: Personalisation,<br />
Sozialisation, Enkulturation und Individualisation. Dabei nimmt der Kern "<br />
Personalisation" eine Sonderstellung ein, denn er "zentriert sämtliche<br />
Lebensvorgänge auf die menschliche Hauptleistung der Entfaltung der Person<br />
hin, indem er sie sammelt, steuert, ordnet und im Sinne des Personhaften<br />
auszeugt unter der Orientierung am lebensgesetzlich vorgegebenen Aufbauplan<br />
der Angehörigen der Gattung Mensch". Diese Konzeption vom Menschen<br />
bedeutet, "daß jeder einzelne Lebensvorgang ... aus dem vielfältig-vielspältig<br />
und seine Personalität vom Pädagogischen aus möglich sind. Zugespitzt<br />
formuliert: Im Erfahrungsraum der Erziehung wird angesichts des<br />
Heranwachsenden dessen Personalität unmittelbar erfahrbar umgekehrt wird<br />
bewußt, daß die Personalität nicht voll aktualisiert wird ohne den<br />
erzieherischen Beistand der Erwachsenen. 2. Differenzierungen der<br />
Gesamterziehungsaufgabe und Rangordnung der Einzelaspekte Ist in den<br />
bisherigen Überlegungen die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen überhaupt<br />
herausgearbeitet worden, so stellt sich uns nun das<br />
39 Speck, Josef: Die anthropologische Fundierung erz..., 1968, S. 58<br />
28 Wehle, Gerhard: Person und Erziehung. Zur Stellung ..., 1966, S. 74<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 53<br />
stehen, sich zu besitzen, frei zu sein und von niemandem besessen werden zu<br />
können meint einen latenten Zustand, dessen Aktualisierung sich im Rahmen<br />
der Personalisation vollziehen kann. 3<br />
Der Mensch steht somit vor einer<br />
lebenslangen Aufgabe: " Das Ich ist dem Menschen nicht einfach gegeben. Es<br />
ist ihm angeboten als ein mögliches Werk, ein zu eroberndes Gebiet, das<br />
Meisterwerk seines Lebens" 4 . Dieses Werk gezielt beginnen zu können und vor<br />
allem in seinen Anfangsphasen nicht zu verfehlen, dazu soll der Erzieher dem<br />
Heranwachsenden helfen. In diesem Sinne wird Erziehung in dieser Arbeit<br />
verstanden als Hilfe zur Personalisation.<br />
3) ebd. S. 82. In Anlehnung an: Guardini,Romano: Welt und Person. Würzburg 1955.<br />
4) Gusdorf,George: La d couverte de soi. Paris 1948. S.491. zit. nach: Langeveld,Martinus Jan: a.<br />
a.O. S. 16.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
nämlich "sichselbst" - zustande. "Jede menschliche Persönlichkeit ist das Haupt-<br />
Werk ihrer selbst1"", so hat Raymond Polin diese Tatsache formuliert. Und<br />
ähnlich drückt es Gusdorf aus: " Das Ich ist dem Menschen nicht einfach<br />
gegeben. Es ist ihm angeboten als ein mögliches Werk, ein zu eroberndes<br />
Gebiet, das Meisterwerk seines Lebens"." Die Kategorie des Schöpferischen<br />
oder Schaffenden ist eine anthropologische Fundamentalkategorie. Es ist kein<br />
freies Schaffen aus dem Nichts, wie eine Schöpfung Gottes. Es setzt auch<br />
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40 Langeveld, Martinus Jan: Kind und Jugendlicher in anthropoog..., 1968, S. 15<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 53<br />
helfen. In diesem Sinne wird Erziehung in dieser Arbeit verstanden als Hilfe<br />
zur Personalisation. In ihrem Rahmen gewinnen die Fragen nach Verständnis,<br />
Genese und Funktionen des Gewissens, das landläufig als Instanz individueller<br />
Wertbindung und Erfahrung " von Selbsthaftigkeit und unvertretbarem,<br />
unabnehmbarem Personsein" 5<br />
verstanden wird, besondere Bedeutung. 3.<br />
Etymologisches Vorverständnis und Leitfragen zum Phänomen Gewissen 3.1.<br />
Vorbemerkung Vor der Bearbeitung einschlägiger Gewissenstheorien soll mit<br />
Hilfe etymologischer Daten 1<br />
ein erstes Vorverständnis vom Gewissen als der<br />
landläufigen Bezeichnung für die Möglichkeit individueller<br />
5) Splett,Jörg: Der Mensch ist Person. Frankfurt 1978. S. 46.<br />
1) vgl. zur Begriffsgeschichte u.a.: Bremi,W.: Was ist das Gewissen? Zürich 1934. und Stoker, H.<br />
G.: Das Gewissen. Bonn 1925.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
bloßer Angepaßtheit an geltende Normen und Regeln, also Funktion des Uber-<br />
Ich, oder die Dschungelexistenz reiner Triebhaftigkeit, also Leben des Es.<br />
Gewissenserfahrung ist die Erfahrung von Selbsthaftigkeit und unvertretbarem,<br />
unabnehmbarem Personsein7. ' Die Krankheit zum Tode IA, A. " Sartre hat es<br />
das Verdammtsein zur Freiheit genannt - Das Sein und das Nichts, Hamburg (<br />
Rowohlt) 1962, 189u.ö. Dieser Sicht gegenüber den Vorwurf<br />
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41 Splett, Jörg: Der Mensch ist Person. Zur christli..., 1978, S. 45<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 54<br />
Syneidesis taucht begrifflich auch schon als "Gewissen" auf, wobei zum<br />
Bewußtsein noch die Beunruhigung über das eigene schlechte Handeln<br />
hinzukommt. Aus einer Äußerung Senecas ergibt sich, daß schon Epikur<br />
syneidesis in dieser Weise benutzt hat: " Darin stimmen wir (mit Epikur)<br />
überein, daß die schlechten Taten vom Gewissen gegeißelt werden und diesem<br />
die meisten Qualen dadurch entstehen, daß dauernde Beunruhigung es<br />
bedrängt und quält." 1<br />
In einigen Fällen wird dem Gewissen zusätzlich noch<br />
stellungnehmender Charakter zugeschrieben. 3. Mit syneidesis ist schließlich<br />
auch das Bewußtsein vom "Inbegriff der Gedanken, Gesinnungen und<br />
Wollungen des Menschen" 2<br />
gemeint. Syneidesis nimmt in diesem Fall nicht<br />
Stellung zu eigenem Verhalten, sondern bewertet das eigene Denken sittlich.<br />
Mit der vermehrten Verwendung von syneidesis wird gleichzeitig im<br />
Lateinischen "conscientia" gebräuchlich, so vor allem bei Cicero und<br />
1) "Hic consentiamus (cum Epikur), mala facinora conscientia flagellari plurimum illi<br />
tormentorum esse eo, quod perp tua illam sollicitudo urget ac verberat" (zit. nach: Reiner,<br />
Hans: a.a.O. Spalte 575).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
aus einer Äußerung Senecas ergibt: " Hic consentiamus [cum Epicuro], mala<br />
facinora conscientia fiagellari et plurimum illi tormentorum esse eo, quod<br />
perpetua illam sollicitudo urget ac verberat" ( Darin stimmen wir [mit Epikur]<br />
überein, daß die schlechten Taten vom Gewissen gegeißelt werden und diesem<br />
die meisten Qualen dadurch entstehen, daß dauernde Beunruhigung es<br />
bedrängt und quält) [11]. Während der Hinweis auf die innere Beunruhigung<br />
nur den psychologischen Aspekt des Gewissen trifft, tritt später auch sein<br />
grundsätzlich stellungnehmender Charakter hervor, wenn ein Freisein<br />
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2) ebd. Spalte 576.<br />
42 Ritter, Joachim: Historisches Wörterbuch der Philoso..., 1974, S. 0<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 55<br />
im Lateinischen "conscientia" gebräuchlich, so vor allem bei Cicero und<br />
Seneca. Von der Grundbedeutung "Mitwissen" ausgehend erscheint es als<br />
persönliches Selbsturteil, das mehr Macht besitzt als die Bewertung durch<br />
andere. Conscientia wird zum inneren Wächter, zu einer Quelle des göttlichen<br />
Logos, der in jedem menschlichen Herzen anwesend ist. 3<br />
Der deutsche Begriff<br />
"Gewissen" ist erstmals als "gewizzen" in einer Glosse zu Psalm 68,20 bei<br />
Notker Labeo (+1022 St. Gallen) als Lehnübersetzung des lateinischen "<br />
conscientia" zu finden. 4<br />
Auch in der althochdeutschen Form hat es damals die<br />
Bedeutung<br />
3) vgl. dazu: Huijts,Joseph Hubertus: Gewissensbildung. Köln 1969. S.25. und Reiner,Hans: a.a.O.<br />
Spalten 576-578. Abweichend davon wird conscientia später auch hin und wieder in<br />
Zusammenhängen gebraucht, wo wir von Wissen oder Kenntnis sprechen würden.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Betrachtungsweise der primitiven Völker ringsum aufgefaßt werden kann. Das<br />
persönliche Selbsturteil erhält mehr Macht als die Bewertung durch andere. Das<br />
Gewissen wird zum >Wächter< und zu einer Quelle des göttlichen Logos, der<br />
in jedem menschlichen Herzen anwesend ist. Auch das lateinische Denken geht<br />
in diese Richtung. Cicero und Seneca sind Beispiele dafür. Die Evangelien<br />
gebrauchen das Wort nicht, wohl aber legen sie das<br />
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4) Stelzenberger weist auf einen interessanten sprachlichen Zusammenhang hin: der Terminus "<br />
syneidesis" ist wie die lateinische Übersetzung "conscientia" und die deutsche<br />
Lehnübersetzung "Gewissen" ein Kompositum. Syn bedeutet ebenso wie das lateinische cum (<br />
bzw. con) und das deutsche Ge soviel wie "mit". Von daher sei die Grundbedeutung von syneidesis,<br />
con-scientia und Ge-wissen also "Mit-wissen" (ders.: Handbuch der Moraltheologie.<br />
Paderborn 1953. S.91. Diese Gleichsetzung hält Huijts für etymologisch nicht haltbar: Wohl<br />
sei bekannt, daß die Präpositionen syn, con und ge in vielen Zusammenhängen "zusammen mit"<br />
bedeuten. Es könne aber etymologisch nicht festgestellt werden, ob der Mitwisser Gott, oder<br />
ein anderer Augenzeuge ist oder "ob ich selbst es bin" (Huijts,Joseph Hubertus: a.a.0. ......<br />
43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969, S. 24<br />
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Textstelle (Originalquellen)<br />
unseres Wissens". Es ist ein Wissen um die Möglichkeiten, Bedingungen und Damit kommt das Gewissen in die Nähe dessen, was Karl Jaspers das "<br />
Folgen unseres Denkens, Entscheidens und Handeln. 2<br />
Somit rückt es in die Nähe Grundwissen" eines Menschen nennt. Er meint damit die rationalen<br />
der von Karl Jaspers als "Grundwissen" bezeichneten rationalen<br />
Grundpositionen der Person, ihre Stellung zur Welt und zu sich selbst.<br />
Grundpositionen der Person, ihrer Stellung zur Welt und zu sich selbst.<br />
Entscheidend für den einzelnen ist hierbei " nicht das Wissen, sondern was ihm<br />
Entscheidend für den einzelnen ist hier " nicht das Wissen, sondern was ihm<br />
dieses bedeutet, d. h. die Weise der Aneignung, und damit der Wirkung des<br />
dieses bedeutet, d.h. die Weise der Aneignung und damit der Wirkung des Wissens" (1948, S. 275). Auch hier nimmt das Gewissen also wieder eine<br />
Wissens". 3 3.3. Leitfragen In dem erarbeiteten VerStehenshorizont ist der Vermittlerstelle ein; es vermittelt zwischen dem rationalen und dem<br />
Mensch beschrieben als durch Weltoffenheit, Selbstaufgegebenheit und irrationalen Bereich. Den letzteren betonen Definitionen, wie die<br />
Handlungsfähigkeit ausgezeichnete autonome, sittliche Person. Sein<br />
Personsein meint einen - jedem Menschen von Geburt an zukommenden -<br />
latenten Zustand, dessen Aktualisierung ihm aufgegeben<br />
2) Tröger,Walter: Erziehungsziele. München 1976. S. 93.<br />
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3) Jaspers,Karl: Allgemeine Psychopathologie. Berlin, Heidelberg 1948. S. 275.<br />
44 Tröger, Walter: Erziehungsziele, 1974, S. 94<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 59<br />
Monakow 1<br />
ein biologisches Gewissen, die "syneidesis" als Grundlage<br />
menschlichen Gewissens an. Es ist ein im "Riesenprotoplasma Mensch"<br />
aufgrund physio-biologischer Vorgänge latent wirkendes<br />
Selbstregulierungsorgan. Der Annahme liegt zugrunde eine biologische<br />
Betrachtung des menschlichen Lebens als " Wanderung des<br />
Riesenprotoplasmas Mensch" von einer endlosen ihm wenig bekannten<br />
Vergangenheit in eine endlose unsichere Zukunft mit dem Ziel möglichster<br />
Sicherung, Anpassung, Perfektion und größtmöglichem Genuß. Die biologisch<br />
treibende Kraft des Lebens ist die "Horme". Sie ist erfüllt von dem Drang nach<br />
Vervollkommnung, nach Ausbau der Beziehungen zu anderen Lebewesen, zur<br />
1) Monakow,Constantin von: Gehirn und Gewissen. Zürich 1950<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
des im Biologischen gegründeten Gewissens. Von Monakow geht davon aus,<br />
der Mensch könne betrachtet werden "als eine nach möglichster Sicherung,<br />
Genuß, Anpassung und Perfektion strebende Wanderung des<br />
Riesenprotoplasmas Mensch, von einer endlosen, ihm wenig bekannten<br />
Vergangenheit in eine endlose, unsichere... Zukunft". Alles, was auf dieser<br />
Wanderung die Forderungen des Organismus und der Persönlichkeit sinn- und<br />
zeitgemäß erfüllt, "jeder dem Sinne des Lebens förderliche Funktionserfolg"<br />
führt zu<br />
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45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 89<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 59<br />
im wesentlichen bestimmt von den unterschiedlichen instinktiven Forderungen,<br />
die, vor allem für den Fall der Kollision, innerhalb der Instinktwelt einer<br />
Regulierung bedürfen. 2<br />
Dieses "Richteramt", die optimale Funktions- und<br />
Lebensaufgabenordnung sieht Monakow vom biologischen Standpunkt aus, d.<br />
h. vom organisierten lebenden, das vitale Programm erfüllenden Protoplasma<br />
aus und nennt es "syneidesis", das biologische Gewissen. Es stellt einen auf<br />
vitale Leistungen und Ziele eingestellten "Kompaß" dar, der unter besonderer<br />
Berücksichtigung der generellen Lebensziele bei jeder latenten und manifesten<br />
Kollision in der Instinktwelt "den Ausschlag und Anstoß zur Verwirklichung<br />
des besonders für das persönliche Gedeihen im erlebten Moment optimalen<br />
physiologischen und biologischen Akte gibt" 1 . Die Syneidesis ist biologisch, d.<br />
h. im Keim bereits im Fötus vertreten. Aus der embryonalen Phase, die einen "<br />
kompensatorischen Faktor des formativen Instinkts" 2<br />
darstellt, entwickelt sich<br />
die physio-biologische Instanz, die zunächst latent und unbewußt die<br />
Gesamtinteressen des Menschen "optimal" vertritt. In ihrer Urform wirkt die<br />
Syneidesis also als unpersönliche, naturrichterliche, die Instinktwelt des<br />
Menschen regulierende Instanz. Im<br />
2) ebd. S. 233-242<br />
1) ebd. S. 243.<br />
2) ebd. S. 249.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
von welcher Kausalitätsform aus (Motive) sie zum Vollzug gelangen sollen? I<br />
Ich will nun versuchen, dieses "Richteramt" oder die optimale Funktions- und<br />
Lebensaufgabenordnung vom biologischen Gesichtspunkte, d. h. vom<br />
organisierten lebenden, das vitale Programm erfüllenden Protoplasma aus<br />
näher zu beleuchten. Wenn wir das menschliche Leben, wie eingangs dargelegt<br />
wurde, als vor allem mit Klisiswerten ausgestattete Wanderung des<br />
Keimplasmas in die Unendlichkeit betrachten,<br />
des Geschlechtes usw.) bei jeder latenten oder manifesten Kollision zwischen<br />
den Hormeterien und Noohormeterien resp. Impulsen und Gefühlen den<br />
Ausschlag und Anstoss zur Verwirklichung der besonders für das persönliche<br />
Gedeihen im erlebten Moment optimalen physiologischen resp. biologischen<br />
Akte gibt." (S. 10) "... Während die latenten Kräfte des Gewissens resp. der<br />
Syneidesis auf keine Art ganz zu unterdrücken sind und im Verborgenen nach<br />
bestimmten<br />
Horme, eine Art organisierender Heilkraft) zu begreifen, müssen wir die<br />
zeitliche Organisation resp. die Entwicklung dieses Gebildes vom Stadium des<br />
primitiven Zellenverbandes aus näher studieren. Die Syneidesis ist biologisch,<br />
d. h. im Keim, bereits im Fötus vertreten. Sie tritt im gewissen Sinne schon bei<br />
der Morphogenese in Wirksamkeit, d. h. sobald dem Keimplasma fremde<br />
Elemente (innere oder äußere Gifte) oder wenn Asthenie der Keimanlage<br />
46 von Monakow, Constantin: Die Syneidesis, das biologische Gew..., 1966, S. 9<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. #P#fragend<br />
46 von Monakow, Constantin: Die Syneidesis, das biologische Gew..., 1966, S. 13<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 60<br />
Instanz. Im Falle ihres Versagens kommt es zum Überwinden eines Instinktes<br />
und in der Folge zu Perversionen, Kriminalität, Psychosen und Neurosen. Aus<br />
der Urform der Syneidesis, also aus dem biologischen Gewissen, baut sich nach<br />
Monakow auf der Basis von Erlebnissen, Milieu, Erfahrungen, Erziehung und<br />
Kulturverhältnissen und deren Einfluß auf das affektive Seelenleben das<br />
eigentlich menschliche, das persönliche und ins Bewußtsein tretende Gewissen<br />
auf. Der Übergang vom physio-biologischen Latenzstadium in das<br />
menschliche Bewußtsein, als Übergang vom biologischen zum menschlichen<br />
Gewissen bleibt unerkannt, ist das "ewig verborgen bleibende Rätsel" 3 . Die<br />
Syneidesis ist nach Monakow " in jedem organisierten lebenden Protoplasma (<br />
in der ganzen Tierreihe) gesetzmäßig und tief eingepflanzt, auch wenn es in<br />
ihrer Auswirkung je nach phylogenetischer Entwicklungsstufe, Alter,<br />
Verhältnissen zu der Umwelt, Lebensbedingungen u.s.w. von Geschöpf zu<br />
Geschöpf sowohl hinsichtlich Inhalts, Intensität, Ablaufsweise, terminaler<br />
Wirkung ... außerordentlich verschieden sich gestaltet" 1 . Dabei ist beim<br />
Menschen die höhere Form der Syneidesis, die als Vertreterin der Ethik "beim<br />
Durchschnitt der Menschen meist mit unzulänglichen, oft abgenutzten<br />
morphologischen resp. sekretorischen Mitteln" 2<br />
arbeitet, auf Kosten der Urform<br />
überaus stark ausgebildet. Monakows Aussagen zum Gewissen beziehen sich<br />
auf physio-biologische Mechanismen der Selbstregulation, die in ihrer<br />
Latenzphase dem Menschen nicht bewußt sind. Wenn er auch die höhere Form<br />
3) ebd. S. 247.<br />
1) ebd. S. 264.<br />
2) ebd. S. 265.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
des bewußten menschlichen Gewissens als innerer Wegweiser für die<br />
Handlungen und - auf Grundlage guter Handlungen - für die Erringung der<br />
Lebensfreude Bahn, als Krone des Ganzen. Auf der Basis von Erlebnissen,<br />
Milieu, Erfahrungen, Erziehung und Kulturverhältnissen und deren Einfluß auf<br />
das affektive Seelenleben ( läuternde Rückwirkungen) baut sich die Syneidesis<br />
, deren Urform daneben größtenteils erhalten bleibt, zu einem kausal<br />
durchgearbeiteten Gebilde aus (subjektive Motive), in dem der<br />
Wurzelastkausalität (Urform)<br />
sekretorische Reaktionen im Organismus umgesetzt, welch letztere später bei<br />
mnemischen Reizen deutlich, wenn auch in milderer Form, zur Wiederholung<br />
gelangen. Die Syneidesis ist meines Erachtens in jedem organisierten lebenden<br />
Protoplasma (in der ganzen Tierreihe) gesetzmäßig und tief eingepflanzt, auch<br />
wenn sie in ihrer Auswirkung je nach phylogenetischer Entwicklungsstufe,<br />
Alter, Verhältnissen zu der Umwelt, Lebensbedingungen usw. von Geschöpf<br />
zu Geschöpf sowohl hinsichtlich Inhalts, Intensität, Ablaufsweise, terminaler<br />
Wirkung (kausaler Verarbeitung) außerordentlich verschieden sich gestaltet.<br />
Insbesondere ist das Verhältnis der latenten Urform der Syneidesis (<br />
morphogenetische und morphoregulatorische, dann die vitalen Perioden zur<br />
Auswirkung<br />
der Hormeterien (niederer Instinktformen) in unserer Kulturperiode<br />
keineswegs genügend gewachsen zeigt. Sie arbeitet aber als Vertreterin der<br />
höheren Ziele des Lebens, d. h. der Ethik bei dem Durchschnitt der Menschen<br />
meist mit unzulänglichen, oft abgenutzten morphologischen bzw.<br />
sekretorischen Mitteln. Der Kampf zwischen den verschiedenen<br />
Instinktformen um den Vorrang und die hierbei den Entscheid bringende Rolle<br />
der Syneidesis wird am besten illustriert<br />
46 von Monakow, Constantin: Die Syneidesis, das biologische Gew..., 1966, S. 15<br />
46 von Monakow, Constantin: Die Syneidesis, das biologische Gew..., 1966, S. 26<br />
46 von Monakow, Constantin: Die Syneidesis, das biologische Gew..., 1966, S. 27<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 62<br />
ist, kann nach Luhmann ein neuer Gewissensbegriff nur -in Überwindung<br />
religiöser und moralphilosophischer Bezugsinteressen- von seinen möglichen<br />
Funktionen her beschrieben werden. 2.2. Gewissen und normative<br />
Selbstbestimmung Luhmann äußert die Vermutung, daß das Gewissen im<br />
Bereich jener Strukturen und Prozesse liegt, die zur Selbstidentifikation der<br />
Persönlichkeit beitragen. Selbstidentifikation wird dabei umschrieben als "<br />
Konstitution eines besonderen Systems in einer Umwelt mit der Möglichkeit,<br />
Grenzen zu ziehen, Handlungen zuzurechnen und Erleben reflexiv auf die<br />
eigene Identität zu richten." 2<br />
Unabhängig von allen Inhalten kann ihre<br />
Problematik ganz formal beschrieben werden, indem man lediglich den "<br />
Konstitutionszusammenhang von für sich selbst identischen Persönlichkeiten"<br />
klärt. Dabei sind drei Dimensionen zu beachten, in denen Selbstidentifikation<br />
zugleich zu leisten ist: die soziale, die sachliche und die zeitliche Dimension.<br />
Über soziale Bedingungen zur Konsistenz von Ich-Identität lassen<br />
umfangreiche Forschungen über Interaktionssysteme neue Schlüsse zu. Für<br />
unseren Zusammenhang bedeutsam ist die Erkenntnis, daß alle Interaktionen -<br />
soweit die Partner einander als kontingent handelnde Subjekte voraussetzen -<br />
gesteuert werden durch "Erwartung von Erwartungen", d.h. man erkennt, daß<br />
der Partner entsprechend seinen eigenen Erfahrungen und Erwartungen handelt,<br />
betrachtet ihn so als anderes Ich und versucht<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wissenschaftlichen Abstraktionen ausgeht - auf Kosten leichter<br />
Verständlichkeit und unter Inkaufnahme des Risikos überzogener<br />
Generalisierung. I Zu vermuten ist, daß das Phänomen des Gewissens im<br />
Bereich derjenigen Strukturen und Prozesse liegt, die zur Selbstidentifikation<br />
der Persönlichkeit beitragen. Diese Selbstidentifikation läßt sich beschreiben<br />
als Konstitution eines besonderen Systems in einer Umwelt mit der<br />
Möglichkeit, Grenzen zu ziehen, Handlungen zuzurechnen und Erleben<br />
reflexiv auf die eigene Identität zu richten. Die Problematik einer solchen<br />
Selbstidentifikation kann mit einigen ganz formalen, verhältnismäßig<br />
einfachen Konzepten beschrieben werden, die alle Inhalte und damit all das,<br />
was man früher natürliche Sittlichkeit nannte, offen lassen, sondern lediglich<br />
dazu dienen, den Konstitutionszusammenhang von für sich selbst identischen<br />
Persönlichkeiten zu klären. Selbstidentifikation ist, wie alle Sinnbildung,<br />
mehrdimensional zu leisten, und zwar in einer sozialen, einer sachlichen und<br />
einer zeitlichen Dimension zugleich.2 Für alle diese<br />
letzten Endes in drei Dimensionen: der interpersonellen Beziehung (<br />
Interaktion, Intersubjektivität), den Beziehungen zur Objektwelt und der<br />
Perspektivität dieser beiden Beziehungen. Vereinfacht hat Luhmann dies als<br />
die soziale, die sachliche und die zeitliche Dimension bezeichnet. (<br />
Molienhauer 1972, 28-29) Aus dieser Charakterisiemng ergeben sich folgende<br />
Dimensionen, aus deren Verschränkung sich das pädagogische Feld<br />
konstituiert: Interpers. Objektwelt Perspektivität Beziehung Sinn-Konstitution<br />
Sinn-Tradition<br />
von Ich-Identität kann man heute auf umfangreiche, vor allem<br />
sozialpsychologische Forschungen über Interaktionssysteme zurückgreifen.<br />
Danach kann es als gesichert gelten, daß alle Interaktion, sobald die Partner<br />
einander als kontingent handelnde Subjekte voraussetzen, durch kompliziert<br />
gebaute Erwartungsstrukturen gesteuert sein muß. 4<br />
Sobald man nämlich in<br />
Interaktionen davon ausgeht, daß der Partner anders handeln könnte und sein<br />
Handeln an eigenen<br />
daß der Partner anders handeln könnte und sein Handeln an eigenen<br />
48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973, S. 224<br />
49 Wulf, Christoph: Das politisch-sozialwissenschaftlic..., 1973, S. 50<br />
48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973, S. 225<br />
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sich selbst mit den Augen des anderen, in dessen Erwartungsstruktur und<br />
Bewußtseinshorizont zu sehen, um seine Verhaltenswahlen verstehen und<br />
möglicherweise voraussehen zu können. 1<br />
Da Interaktionen wesentliche<br />
Voraussetzungen zur Ich-Identität sind und sie die gleichzeitige Wahrnehmung<br />
von Ego- und Alterfunktionen verlangen, kommt Luhmann zu der These, " daß<br />
jede Selbstidentifikation eine Integration aus Ego- und Alterfunktionen in<br />
Interaktionsprozessen sein muß." 2<br />
Er schließt daraus weiter, daß eine<br />
Persönlichkeit sich nur dann als durchhaltbare Einheit begreifen kann, " wenn<br />
sie in der Lage ist, Ego- und Alterfunktionen in wechselnden Interaktionen<br />
zusammen wahrzunehmen und beides mit ihrer Identität vereinbar ist." 3<br />
Die<br />
sachliche Dimension betrifft die inhaltliche Ausformung der<br />
Selbstidentifikation, speziell unter dem Gesichtspunkt der<br />
Konsistenzerfordernisse. Die Menge an Eindrücken, Meinungen und<br />
Informationen, die den Einzelnen erreichen, verlangen von ihm<br />
Selektionsleistungen bei Aufnahme, Verarbeitung und Reaktion.<br />
2) ders.: Das Phänomen des Gewissens... S. 224.<br />
1) "Ego erwartet ein Verhalten von Alter, über das dieser als alter Ego entscheidet nach Maßgabe<br />
von Erwartungen, die er in Bezug auf Ego als sein Alter hegt; vielleicht auch nach Maßgabe<br />
von Erwartungen, von denen er erwartet, daß Ego sie als sein alter Ego in bezug auf ihn als<br />
Alter hegt" (ebd. S.225) .<br />
2) ebd. S. 226.<br />
3) ebd. S. 226.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Erwartungen und Erfahrungen steuert, erkennt man den anderen als anderes Ich<br />
. Man muß dann sich selbst mit den Augen des anderen, in dessen<br />
Erwartungsstruktur und dessen Bewußtseinshorizont sehen, man muß die<br />
Erwartungen des anderen erwarten können, um seine Verhaltenswahlen<br />
verstehen und voraussehen zu können. Alle Interaktion wird deshalb durch<br />
reflexive<br />
und schlechter Absichten und Selbstkritik in bezug auf Absichten möglich wird.<br />
7 Nimmt man hinzu, daß Interaktionen dieser Art Entstehungsbedingung<br />
sinnhaften Erlebens sind, dann folgt daraus, daß jede Selbstidentifikation eine<br />
Integration aus Ego- und Alterfunktionen in Interaktionskontexten sein muß.<br />
Das "reine Ich" ist eine Abstraktion, die erst spät und nur so zustande kommt,<br />
daß man die dem Bewußtsein zugängliche eigene Identität<br />
folgt daraus ein in seinen genetischen und Erhaltungsbedingungen angelegter<br />
Gener alisierungszwang: Eine Persönlichkeit kann als Einheit nur fungieren,<br />
kann sich als durchhaltbare Einheit nur begreifen, wenn sie in der Lage ist, Egound<br />
Alterfunktionen in wechselnden Interaktionen zusammen wahrzunehmen<br />
und beides mit ihrer Identität vereinbar ist. Sie kann dann gleichsam<br />
wechselweise Positionen als Ego und als Alter einnehmen, kann die Führung<br />
ihres Erlebens und Handelns je nach den Umständen mehr im<br />
48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973, S. 225<br />
48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973, S. 226<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 63<br />
dem Gesichtspunkt der Konsistenzerfordernisse. Die Menge an Eindrücken,<br />
Meinungen und Informationen, die den Einzelnen erreichen, verlangen von ihm<br />
Selektionsleistungen bei Aufnahme, Verarbeitung und Reaktion. Um dabei<br />
nicht dauernd die eigene Identität zu gefährden, bedarf es " konsistenter Muster<br />
der Motivation und der kognitiven Orientierung" 4 . Da das Werterepertoire<br />
einer Persönlichkeit normalerweise so groß ist, daß sie in jeder Situation einen<br />
passenden Wert rechtfertigen kann, unterliegt dieses Repertoire der Forderung<br />
nach Selektion durch Orientierung an kognitiven Gesichtspunkten. In der<br />
Zeitdimension stellt<br />
4) ebd. S. 227.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
die geringe Spannweite des bewußt-aufmerksamen Erlebnisstromes<br />
zurückzuführen. Dieser muß in einem mitentworfenen Horizont anderer<br />
Möglichkeiten laufend Selektionsleistungen erbringen und kann dies nur mit<br />
Hilfe konsistenter Muster der Motivation und der kognitiven Orientierung.9<br />
Jener innere Prozeß der Erlebnisverarbeitung würde anders den Zustand der<br />
Bewußtheit (Selektivität) gar nicht erreichen können.10 Die empirische<br />
Forschung vermittelt den Eindruck, daß Konsistenz primär<br />
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48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973, S. 227<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 64<br />
der eigenen organischen Existenz wie gegenüber dem gesamten Bereich<br />
internalisierter Normen und Habitualitäten umfasst das Gewissen jene Prozesse<br />
und Strukturen, die das Vermögen des Menschen zu von persönlicher<br />
Überzeugung getragenem Handeln und zur Lebensentscheidung ausmachen. "<br />
Die Kontrolle des Gewissens weist sich darin aus, daß man sich selbst vor die<br />
Frage stellt, ob man derselbe bleiben kann" 2 , d.h. die Identität des Menschen<br />
ist nicht durch seine Existenz als lebender Organismus per se gesichert. Sein<br />
Erlebnis- und Verhaltenspotential ist viel größer als zur Einheit eines<br />
sinnvollen menschlichen Daseins nötig. Der Mensch bildet seine<br />
Persönlichkeit<br />
2) ebd. S. 231.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
des Gewissens, wenn man seine Schlüssel verloren hat. Auch die normal<br />
auftretenden, leicht kompensierbaren Schuldgefühle liegen unterhalb der Ebene<br />
des Gewissens. Die Kontrolle am Gewissen weist sich darin aus, daß man sich<br />
selbst vor die Frage stellt, ob man derselbe bleiben kann.19 Das kann in die<br />
Entscheidung führen, ein "neues Leben" zu beginnen; oder in ein Kontinuieren<br />
und Aushalten normativer Dissonanz; oder in strukturelle Desorganisation oder<br />
in<br />
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48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973, S. 231<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 64<br />
und Verhaltenspotential ist viel größer als zur Einheit eines sinnvollen<br />
menschlichen Daseins nötig. Der Mensch bildet seine Persönlichkeit aus, indem<br />
er sich zürn System macht, demgegenüber er Informationen, die er sich nicht<br />
selber zurechnet, abgrenzt. "Die Potentialitäten des Ichs bleiben aber eine<br />
ständige Bedrohung seines Persönlichkeitssystems. Er braucht deshalb<br />
Kontrollinstanzen, die darüber wachen, daß das Ich die Grenzen seiner<br />
Persönlichkeit nicht sprengt - und eine solche Kontrollinstanz, die höchste in<br />
einer komplizierten Struktur der Selbsterhaltung, ist das Gewissen." 1<br />
Der<br />
einzelne muß die unzähligen Potentialitäten seines Ich "zu einer kohärenten,<br />
individuellen Selbstdarstellung" reduzieren. 2<br />
In diesen Reduktionsprozeß nicht<br />
eingeschlossen sind solche Handlungen, die nur periphere Bedeutung haben,<br />
die der Persönlichkeit nur für kurze Zeit zugerechnet werden oder für eine<br />
bestimmte Situation bzw. Fähigkeit relevant sind. Während Fehler in<br />
1) ders.: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen. S. 264.<br />
2) ebd. S. 265.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Er macht sich selbst zum System, indem er unterscheidende Grenzen gegen<br />
eine Umwelt von Informationen zieht, die er nicht sich selbst zurechnet. Die<br />
Potentialitäten seines Ichs bleiben aber eine ständige Bedrohung seines<br />
Persönlichkeitssystems. Er braucht deshalb Kontrollinstanzen, die darüber<br />
wachen, daß das Ich die Grenzen seiner Persönlichkeit nicht sprengt - und eine<br />
solche Kontrollinstanz, die höchste in einer komplizierten Struktur der<br />
Selbsterhaltung, ist das Gewissen. Jedes sichtbare und in diesem Sinne äußere<br />
Verhalten des Menschen hat neben seinen kausalen kommunikative (<br />
informationelle, symbolische) Aspekte. Es sagt etwas darüber aus, was der<br />
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50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 264<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 65<br />
bestimmte Situation bzw. Fähigkeit relevant sind. Während Fehler in diesem<br />
Handlungsbereich möglicherweise peinlich, dann aber doch schnell reparierbar<br />
sind, wiegen Fehlhandlungen und -reaktionen schwerer, mit denen "ganze<br />
Rollenbereiche diskreditiert" werden. 3<br />
Soweit es sich dabei um sozial<br />
standardisierte Probleme und Verhaltenserwartungen handelt, betreffen sie die<br />
Kriterien der Ehre. Beziehen sich solche Fehler auf die Struktur der<br />
individuellen Persönlichkeit, so treffen sie das Gewissen. Trotz möglicher<br />
Überschneidungen von Ehre und Gewissen da, wo sozial standardisierte<br />
Verhaltensgebote als<br />
3) Luhmann wählt als Beispiele-wenn einem Gelehrten Plagiate nachgewiesen werden, ein<br />
Offizier Angst zeigt, ein Ehegatte untreu wird" (ebd. S.265).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zuweilen sind es kausal gesehen minimale Fehler, die wegen ihrer<br />
symptomatischen Bedeutung die Darstellung eines Lebens radikal in Frage<br />
stellen. Handelt es sich dabei um sozial standardisierte Probleme und<br />
Verhaltenserwartungen, nennt man diese zentralen Kriterien Ehre. Geht die<br />
kritische Bedeutung dagegen auf die Struktur der individuellen Persönlichkeit<br />
zurück, so treffen wir auf das Phänomen des<br />
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50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 265<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 65<br />
Gewissen da, wo sozial standardisierte Verhaltensgebote als Kern der<br />
Persönlichkeit angeeignet werden, vermag die Ehre meist nur rollenspezifische<br />
Zusammenhänge zu ordnen und kann kaum persönlichkeitszentrale Bedeutung<br />
haben, während die generelle Persönlichkeitssteuerung dem Gewissen<br />
überlassen ist. "Das Gewissen ist ... jene normative Selbstbestimmung der<br />
Persönlichkeit, die diese gegenüber einem Überschuß an organischen und<br />
psychisch-möglichen Verhaltenspotentialen als Steuerungssystem konstituiert." 4<br />
Der Mensch hat also nicht nur die Möglichkeit, seine Handlungen zu bewerten,<br />
sondern steht im Gewissen als Persönlichkeit vor sich selbst und kann das<br />
Systemregulativ bewerten, mit dem sein Handeln gesteuert wird. 5<br />
Die<br />
Gewissenserfahrung vollzieht<br />
4) ders.: Das Phänomen des Gewissens... S. 232.<br />
5) ders. Die Gewissensfreiheit und das Gewissen. S. 266.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
in der Fachliteratur auf gebührendes Interesse 34 , jedoch geht LyjiMANWs<br />
Anspruch weit über die eigentliche Fachdiskussion hinaus. Das zeigt bereits<br />
seine Be nyjjung_desjS r Sössens als " jene normative Selbstbestimmung der<br />
Persönlichkeit, die diese gegenüber einem Überschuß an organischen und<br />
psychisch-möglichen Verhaltenspotentialen als Steuerungssystem konstituiert" 35<br />
. Sie enthält Annahmen über den Menschen, über die Funktion der<br />
Persönlichkeit und solche systemtheoretischer Art, die interdisziplinär zu<br />
überprüfen wären3e. Darüber hinaus läßt Luhmann keinen<br />
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70<br />
51 Blühdorn, Jürgen: Das Gewissen in der Diskussion, Dar..., 1976, S. 10<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 66<br />
hat also nicht nur die Möglichkeit, seine Handlungen zu bewerten, sondern<br />
steht im Gewissen als Persönlichkeit vor sich selbst und kann das<br />
Systemregulativ bewerten, mit dem sein Handeln gesteuert wird. 5<br />
Die<br />
Gewissenserfahrung vollzieht der einzelne in der jeweils gelebten Gegenwart,<br />
die Vergangenheit und Zukunft trennt. Dem Gewissen ist deren<br />
Zusammenfassung aufgegeben. Mit der im Rahmen der Gewissenserforschung<br />
sich stellenden Frage, ob ich eine künftige Handlung auf mich nehmen kann<br />
oder nicht, stehe ich gleichzeitig vor der Entscheidung zwischen dem, was ich<br />
bin, sein kann und sein will. Im anderen Fall, in dem eine Handlung bereits<br />
vollzogen und darin eine Wahlmöglichkeit verpaßt ist, zwingt das Gewissen, "<br />
sich ungeachtet des Zeitlaufs, ihn dadurch überwindend, durch das eigene<br />
Handeln zu identifizieren." 1<br />
Als zeitüberwindende Funktion ist der<br />
Gewissensspruch normativ und beansprucht Geltung auch dann, wenn<br />
Umstände sich ändern oder ihm faktisch zuwidergehandelt wird. " Er ändert<br />
sich nicht wie eine Prognose oder Maßgabe der tatsächlichen Erfahrungen, der<br />
Bestätigung oder Enttäuschung von Erwartungen im Ablauf der Zeit. Der Sinn<br />
des normativen Erlebens liegt vielmehr in der zeitüberwindenden (insofern:<br />
identifizierenden), gegebenenfalls kontrafaktischen Stabilisierung von<br />
Erwartungen. Nur so kann der Mensch seine Identität als Soll für sich selbst und<br />
als Maß für die Bewertung umweltabhängiger Handlungsmotive festhalten" 2<br />
, d.h. die eigene Persönlichkeit ist Kriterium für die Maßstäbe des Gewissens. 3<br />
Das Gewissen identifiziert die Persönlichkeit mit ihrem Verhalten, " indem es<br />
ihr zeigt, was sie ist und was sie sein kann."<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Die Zeit ist nicht mehr im Sein objektiv durch die Kontinuität fremder<br />
Verhaltenserwartungen oder durch die Dauergeltung abstrakter Normen<br />
überwunden, sondern die Gewissenserforschung vollzieht man in der jeweils<br />
gelebten Gegenwart, die Vergangenheit und Zukunft trennt. Deren<br />
Zusammenfassung ist nun dem Gewissen selbst aufgegeben. Die Frage, ob ich<br />
mit einer vergangenen Handlung weiterleben kann und wer ich dann sein werde,<br />
hat<br />
ich mit einer vergangenen Handlung weiterleben kann und wer ich dann sein<br />
werde, hat eine andere Problematik - insbesondere ein anderes Verhältnis zum<br />
Tode als die Frage, ob ich eine künftige Handlung auf mich nehmen kann oder<br />
nicht 16 . In diesem Falle kann ich das, was ich geworden bin, sein kann und<br />
sein will, offen zur Entscheidung stellen und wählen zwischen mir selbst und<br />
verstehe und mich zwinge, mit einer Weltauslegung weiterzuleben, die meiner<br />
Tat entspricht 18 . In jedem Falle ist jedoch die Struktur der Gewissensfrage in<br />
dem Zwang gegeben, sich ungeachtet des Zeitlaufs, ihn dadurch überwindend,<br />
durch das eigene Handeln zu identifizieren. In diesem Sinne, als<br />
zeitüberwindende Funktion, ist der Gewissensspruch normativ. Er beansprucht,<br />
Geltung auch für den Fall, daß im Laufe der Zeit Umstände sich ändern, ja<br />
auch für den Fall, daß ihm faktisch zuwidergehandelt wird. Er ändert sich nicht<br />
wie eine Prognose nach Maßgabe der tatsächlichen Erfahrungen, der<br />
Bestätigung oder Enttäuschung von Erwartungen im Ablauf der Zeit. Der Sinn<br />
des normativen Erlebens liegt vielmehr in der zeitüberwindenden (insofern:<br />
identifizierenden), gegebenenfalls kontrafaktischen Stabilisierung von<br />
Erwartungen. Nur so kann der Mensch seine Identität als Soll für sich selbst und<br />
als Maß für die Bewertung umweltabhängiger Handelnsmotive festhalten. S.<br />
13 f. Daher kann Schopenhauer dem Gewissen nur eine registrierende, keine<br />
normierende Funktion zusprechen. Identität hat jedoch als zeitüberwindende<br />
Generalisierung notwendig einen Vergangenheit"- und einen<br />
nicht eine Stimme, sondern eine Funktion. Es dient nicht dazu, die<br />
Persönlichkeit von ihren Taten zu distanzieren, indem es das Verhalten nur "<br />
vorwirft"; sondern es identifiziert die Persönlichkeit mit ihrem Verhalten, indem<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 266<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 267<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 286<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 66<br />
Es steuert und reduziert ihre Wahrnehmung vom Ich-Potentialitäten im Sinne<br />
der Identitätserhaltung. Schließlich sucht das Gewissen " nach einer<br />
Lebensformel, die Vergangenheit und Zukunft zusammenfaßt. Es entschließt<br />
sich für die Zukunft nicht durch Leugnung seiner Vergangengeit, sondern<br />
gerade im Lichte der Erkenntnis seiner faktisch gewordenen Identität, die das<br />
unveränderlich Gewesene festlegt." 4 2.3. Das Grundrecht der<br />
Gewissensfreiheit Im allgemeinen versteht man unter Gewissensfreiheit die<br />
Freiheit, nach seinem Gewissen handeln zu können. Luhmann vertritt nun die<br />
eher gegenteilige These, wonach die Gewissensfreiheit " die Orientierung des<br />
Handelns am individuellen Gewissen nicht ermöglichen, sondern ersparen"<br />
soll. 1<br />
Sein Ausgangspunkt ist die Erfahrung, daß die Verfügung über sich<br />
selbst nach Maßgabe des Gewissens im sozialen System auf zwei prinzipielle<br />
Schranken stößt, die zum einen in den Folgen solchen Handelns und zum<br />
anderen in den Bedingungen und Gelegenheiten dazu bestehen. Als<br />
charakteristisches Beispiel für die erste Schranke nennt Luhmann den Fall<br />
desjenigen, der sich im Gewissen das Töten anderer verbietet und damit im<br />
Krieg ein unzuverlässiger Kamerad wäre. " Auf Posten gestellt, könnte er<br />
versagen, würde er soziale Erwartungen, die er durch eigenes vorheriges<br />
Rollenhandeln aufbauen half, enttäuschen oder den Begriff von sich selbst<br />
aufgeben müssen." 2<br />
Während in diesem Fall der Schaden in dem<br />
Rollenzusammenhang auftritt, in dem auch der Gewissenskonflikt provoziert<br />
ist, werden häufiger durch einen Gewissensspruch am Problem nicht beteiligte<br />
Rollenbeziehungen geschädigt. So wird manch einer, der für eine<br />
5) ders. Die Gewissensfreiheit und das Gewissen. S. 266.<br />
1) ebd. S. 267.<br />
2) ebd. S. 267.<br />
3) Luhmann bezeichnet es von daher als Illusion, vom Gewissen im Namen natürlicher<br />
Sittlichkeit Widerstand gegen eine falsch laufende soziale Maschinerie zu fordern. Deren<br />
Korrektur sei Sacheder Planung und des überlegten Einbaus von Lernfähigkeit in soziale<br />
Systeme (vgl. ders.: Das Phänomen des Gewissens... S. 233).<br />
4) ders.: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen. S. 286.<br />
1) ebd. S. 271.<br />
2) ebd. S. 271.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
es ihr zeigt, was sie ist und was sie sein kann. Es sucht nach einer<br />
Lebensformel, die Vergangenheit und Zukunft zusammenfaßt. Es entschließt<br />
sich für die Zukunft nicht durch Verleugnung seiner Vergangenheit, sondern<br />
gerade im Lichte der Erkenntnis seiner faktisch so gewordenen Identität, die<br />
das unveränderlich Gewesene festlegt. Und diese Erkenntnis ist objektiv<br />
nachprüfbar, wenngleich es für die Deutung von Selbstdarstellungen, von<br />
symbolischen Implikationen des Handelns, noch keine allseits anerkannte<br />
Wissenschaft gibt49.<br />
der eigenen Persönlichkeit die Potentialitäten des Ich reduzieren, im Grenzfalle<br />
über den Tod des Ich verfügen können. III In schöner Übereinstimmung<br />
versteht man unter Gewissensfreiheit allgemein die Freiheit, nach seinem<br />
Gewissen handeln zu können. Diese Auffassung leuchtet ein und trifft bei sehr<br />
vordergründiger Betrachtung auch zu. Wenn man jedoch nach den latenten<br />
Funktionen der Institutionalisierung der Gewissensfreiheit als Grundrecht<br />
wenn man die Beziehung zwischen Freiheit und Gewissen selbst zum Thema<br />
macht, wird man zu Überlegungen getragen, die eher das Gegenteil ergeben.<br />
Die Gewissensfreiheit soll die Orientierung des Handelns am individuellen<br />
Gewissen nicht ermöglichen, sondern ersparen. Die Verfügung über sich selbst<br />
nach Maßgabe des Gewissens stößt im sozialen System an zwei prinzipielle<br />
Schranken. Die eine besteht in den Folgen solchen Handelns; die andere in den<br />
Bedingungen oder Gelegenheiten dazu. Und<br />
Schranke mag ein sehr charakteristisches Beispiel als Orientierungsgrundlage<br />
dienen; Wer sich im Gewissen das Töten anderer Menschen verbietet, der wäre<br />
im Krieg ein unzuverlässiger Kamerad. Auf Posten gestellt, könnte er versagen,<br />
würde er soziale Erwartungen, die er durch eigenes vorheriges Rollenhandeln<br />
aufbauen half, enttäu- ' sehen oder den Begriff von sich selbst aufgeben müssen.<br />
In diesem Fall tritt der Schaden in dem Rollenzusammenhang auf, der den'<br />
Gewissenskonflikt provoziert. Der Gewissensspruch kann aber auch andere<br />
Rollenbeziehungen stören, ja zerstören, die<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 286<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 270<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 271<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 68<br />
immer auch die Folgen seines Handelns bedenken und das heißt auch: fragen,<br />
inwieweit er in seinem Handeln Erwartungen erfüllt, die aufgrund seiner<br />
vielfältigen Rollen an ihn gestellt werden und anderweitig übernommene<br />
Verantwortung damit möglicherweise vernachlässigt. 1 " Die Rationalität der<br />
einen Rolle ist nicht mehr ohne weiteres die Rationalität anderer Rollen und<br />
erst recht nicht die Rationalität des Gesamtsystems." 2<br />
Von daher enthält die<br />
Gesamtordnung Stabilität durch die Möglichkeit, Störungen in einzelnen<br />
Rollensystemen zu isolieren und Rückwirkungen im Gesamtsystem zu<br />
dosieren. Zu dieser Stabilisierung gehört auch die Ersetzbarkeit aller<br />
Einzelbeiträge und da zeigen sich deutliche<br />
1) "Die als Differenzierung des sozialen Systems geforderte Rollentrennung findet in der<br />
Konkretheit des Menschen ihre Schranke, und deshalb ist der Mensch nicht in der Lage, aus<br />
bestimmten Rollen aufgrund von Gewissensentscheidungen auszusteigen, ohne andere<br />
Rollenzusammenhänge in unverantwortlicher Weise zu stören" (ebd. S. 272.<br />
2) ebd. S. 272.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
hier in der sozialen Rollendifferenzierung das Korrelat zu dem Problem, mit<br />
dem wir unsere Untersuchung begannen: der Differenzierung der Weisen, zu<br />
bindenden Entscheidungen zu kommen. Die Rationalität der einen Rolle ist<br />
nicht mehr ohne weiteres die Rationalität anderer Rollen und erst recht nicht<br />
die Rationalität des Gesamtsystems. Diese Differenzierung hat ihren guten Sinn.<br />
Störungen in einzelnen Rollensystemen können dadurch gut isoliert und für<br />
die Gesamtordnung entschärft werden. Und Änderungen lassen sich<br />
problemnah<br />
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im Gesamtsystem zu dosieren. Zu dieser Stabilisierung gehört auch die<br />
Ersetzbarkeit aller Einzelbeiträge und da zeigen sich deutliche Grenzen der<br />
Austauschbarkeit menschlicher Leistungen in der Familie, bei individuellen<br />
wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen und überall da, " wo die<br />
individuelle Persönlichkeit komplex beansprucht wird". Für die differenzierte<br />
Sozialordnung sich möglicherweise negativ auswirkende Konsequenzen von<br />
Gewissensentscheidungen in diesen Bereichen werden größtenteils vermieden<br />
durch den Abbau der Anlässe zur Gewissensorientierung. Dies geschieht auf<br />
drei Weisen: durch Bereitstellung einer Vielfalt von Alternativen<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
in den subalternen Sphären der Organisation und im Wirtschaftsleben besser<br />
als in der Familie, in Führungspositionen, bei individuellen wissenschaftlichen<br />
oder künstlerischen Leistungen und überall sonst, wo die individuelle<br />
Persönlichkeit komplex beansprucht wird. Demnach müßte eine differenzierte<br />
Sozialordnung stärkste Vorbehalte gegen eine Orientierung am eigenen<br />
Gewissen haben, und das hätte sie wohl auch, wenn sie nicht zugleich die<br />
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50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 273<br />
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in diesen Bereichen werden größtenteils vermieden durch den Abbau der<br />
Anlässe zur Gewissensorientierung. Dies geschieht auf drei Weisen: durch<br />
Bereitstellung einer Vielfalt von Alternativen des Handelns,durch<br />
Institutionalisierung von Handlungsaspekten und nicht zuletzt durch<br />
Vermeiduna von Zwangssituationen mit Hilfe des Grundrechts der<br />
Gewissensfreiheit. Die Handlungswirklichkeit wird also so strukturiert, " daß<br />
man jeder Gewissensnot im voraus ausweichen kann." 3<br />
Das, was als<br />
persönlicher Lebensstil gilt, ist oftmals nichts weiter als eine in der Art der<br />
Kombination individuelle Sammlung von Zufälligkeiten des So-geworden-<br />
Seins. Durch die Vielzahl der Handlungsalternativen ist diese Sammlung<br />
veränderbar, ohne daß diese Auswirkungen auf die Individualität des einzelnen<br />
hätte. Die zweite Möglichkeit, Gewissensentscheidungen zu umgehen, die<br />
Institutionalisierung von Verhaltensweisen, erlaubt es, Aspekte seines<br />
Verhaltens als "<br />
3) ebd. 273.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
abgebaut hätte. Sie entlastet von Gewissensproblemen vornehmlich auf drei<br />
Weisen: durch Bereitstellung einer Vielzahl von Alternativen, durch<br />
Institutionalisierung "unpersönlicher" Handlungsweisen und nicht zuletzt durch<br />
Vermeidung von Zwangssituationen mit Hilfe des Grundrechts der<br />
Gewissensfreiheit. Der Ansatzpunkt all dieser Institutionen liegt im<br />
Zukunftsaspekt des Gewissens. Von der Selbsterkenntnis nach der Tat kann<br />
keine Sozialordnung, die individuelle Gewissensbildung überhaupt ermöglicht,<br />
entlasten 25 .<br />
der Selbsterkenntnis nach der Tat kann keine Sozialordnung, die individuelle<br />
Gewissensbildung überhaupt ermöglicht, entlasten 25 . Sie kann aber versuchen,<br />
das Feld der Handlungsmöglichkeiten so zu strukturieren, daß man jeder<br />
Gewissensnot im voraus ausweichen kann, so daß gewissenswidriges Handeln<br />
im Prinzip frei, immer zurechenbar, immer schuldhaft erfolgt. Die<br />
Sozialordnung steuert den Einzelnen nach Möglichkeit an seinem Gewissen<br />
vorbei, läßt ihn<br />
Konsumgütern auswählen, eine Fülle von Bekanntschaften anbahnen oder<br />
abbrechen. Was sie auf diese Weise als persönlichen Stil zusammenbringt, ist<br />
häufig nicht viel mehr als eine Sammlung von Zufälligkeiten des So-geworden-<br />
Seins, sehr individuell in der Art der Kombination, aber nicht eigentlich<br />
gewissensfähig 2". In einer solchen Umwelt kann man vor Gewissensfragen in<br />
nicht belastende Alternativen ausweichen und<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 273<br />
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werden nicht auf das Wesen des einzelnen angerechnet. Von daher können sie<br />
auch seine künftige Selbstdarstellung nicht verpflichten. 1<br />
Als Beispiel nennt<br />
Luhmann den Verkäufer in einem Geschäft, der sich kein schlechtes Gewissen<br />
daraus machen braucht, daß er seine Ware einem bedürftigen Menschen nicht<br />
verkauft, der den festgesetzten Preis nicht zahlen kann. Ausserdem wird damit -<br />
nach Luhmann- auch verständlich, daß so viele Nationalsozialisten nicht dazu<br />
kamen, ihr Gewissen zu beteiligen und heute die hilflosesten Opfer des<br />
Nationalsozialismus sind, weil sie mit etwas identifiziert bleiben, was sie als<br />
Eigenes nicht wollen können. 2<br />
Gerade weil die Struktur der differenzierten<br />
Sozialordnungen zur Individualisierung der Persönlichkeit zwingt, muß sie<br />
Formen der Entlastung bereitstellen, weil unmöglich jeder alle Folgen seines<br />
Handeln auf sein Gewissen nehmen kann. " Dazu ist das Gewissen, als höchste<br />
Instanz persönlicher Selbststeuerung, sozial zu schlecht koordiniert." 3<br />
Die<br />
Funktionen der Alternativenvielfalt und der Unpersönlichkeit von Aspekten des<br />
Handelns werden ergänzt durch das Grundrecht der Gewissensfreiheit. Es gilt<br />
speziell für die Fälle, " in denen der Staat direkt oder indirekt die<br />
Handlungsalternativen reduziert und für den einzelnen Zwangslagen schafft." 4<br />
Ein aktuelles Beispiel ist die Wehrpflicht und das Recht auf deren<br />
Verweigerung bei Gewissensanspruch. Der Einzelne soll nicht in die Situation<br />
gebracht werden, etwas tun zu müssen, was gegen sein Gewissen gerichtet ist<br />
und seine Persönlichkeit zerstört. " An die Stelle des Ringens um<br />
Selbstbestimmung tritt die Beweisführung im Gerichtssaal. Damit wird aus der<br />
Darstellung vor sich selbst eine Darstellung vor anderen." 5<br />
Der deklarierte Sinn<br />
der Gewissensfreiheit liegt darin,<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
heute die Bühne des großen Wirkens beherrscht 28 ; sodann das formal<br />
organisierte Handeln in Beruf und Wirtschaft. Kein Verkäufer braucht sich ein<br />
Gewissen daraus zu machen, daß er seine Ware einem bedürftigen Menschen<br />
nicht verkauft, der den festgesetzten Preis nicht zahlen kann. In Grenzfällen<br />
gibt es gegenläufige Institutionen: die Hilfspflicht des Arztes oder die<br />
geregelten Pflichten des Beamten bei Befehlen, die er für rechtswidrig hält;<br />
auch hier ist aber ein unpersönliches, fast routinemäßiges Handeln möglich.<br />
Daraus wird auch verständlich, daß so viele Nationalsozialisten nicht dazu<br />
kamen, ihr Gewissen zu beteiligen, und heute die hilflosesten Opfer des<br />
Nationalsozialismus sind, weil sie mit etwas identifiziert bleiben, was sie als<br />
Eigenes nicht wollen können. Dieselbe Einsicht kann auch mit den Begriffen<br />
Rollenspezifikation und Verantwortlichkeit ausgedrückt werden. In dem Maße,<br />
als Rollenerwartungen differenziert, begrenzt und spezifischer ausgefeilt<br />
werden, verliert der<br />
bereitstellen; denn es würde ein unübersehbares Durcheinander eintreten, wenn<br />
jeder alle Folgen seines Handelns auf sein Gewissen nehmen müßte und sich<br />
dadurch bestimmen lassen würde. Dazu ist das Gewissen, als höchste Instanz<br />
persönlicher Selbststeuerung, sozial zu schlecht koordiniert. In diesen Kontext<br />
der Entlastungen ist nun auch das Grundrecht der Gewissensfreiheit<br />
einzuordnen. Es ergänzt und komplettiert die Funktion des<br />
Alternativenreichtums und der Unpersönlichkeit des Verhaltens für den Fall von<br />
Situationen, in denen der Staat direkt oder indirekt die Handlungsalternativen<br />
reduziert und für den Einzelnen Zwangslagen schafft. Das bedeutsamste und<br />
akuteste Beispiel für direkten Zwang liefert die Wehrpflicht. Indirekter Zwang<br />
läge namentlich dann vor, wenn der Staat das Recht durchsetzen würde, obwohl<br />
Rechtsgebot, zum Beispiel einen Vertrag 32 , nicht erfüllen will. Der Einzelne<br />
soll nicht in Situationen gepreßt werden, in denen sein Gewissen sich gegen ihn<br />
selbst wendet und seine Persönlichkeit zerstört. An die Stelle des Ringens um<br />
Selbstbestimmung tritt die Beweisführung im Gerichtssaal. Damit wird aus der<br />
Darstellung vor sich selbst eine Darstellung vor anderen. Man kann sich über<br />
die aussichtsreichen Argumente bei den dafür geschaffenen Organisationen<br />
unterrichten und die Begegnung mit dem eigenen Gewissen vermeiden. Ganz<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 275<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 276<br />
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34% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 69<br />
dem bedrängten Gewissen zu Hilfe zu kommen und dem Menschen zu<br />
ermöglichen, nach seinem Gewissen zu handeln. Die Anerkennung von Würde<br />
und Freiheit des Menschen muß für das Gewissen des einzelnen " höheres<br />
Recht und höhere Wahrheit in Anspruch nehmen, die zu respektieren andere<br />
Menschen verpflichtet sind" 1 . Dies kann nur dann geschehen, wenn nicht jeder<br />
beliebige Inhalt als gewissensfähig anerkannt wird. " Das blanke Versprechen<br />
der Gewissensfreiheit wird so hinterrücks vom Normativen eingeschränkt." 2<br />
Das Problem besteht also nicht darin, ob jemand seinem Gewissen<br />
entsprechend handeln kann, sondern " daß er, wenn er auf sein Gewissen hört,<br />
eine Quelle sozialer Störungen und Enttäuschungen werden kann." 3<br />
Von daher<br />
liegt für Luhmann - wie eingangs erwähnt - der Sinn der Gewissensfreiheit<br />
nicht primär darin, Gewissensorientierung zu ermöglichen, sondern darin, sie<br />
dem einzelnen durch die genannten Möglichkeiten zu ersparen. 2.4.<br />
Auswertung Luhmann siedelt die Funktionen des<br />
1) "Sie werden der Gewissensprüfung keineswegs entzogen; denn das Gewissen erfaßt alles<br />
Verhalten ohne Ausnahme. Aber sie drängen sich nicht zum Gewissen vor, zumindest wird es<br />
sozial nicht zugemutet, das Gewissen mit ihnen zu befassen" (ebd. S. 275).<br />
2) ebd. S. 275.<br />
3) ebd. S. 276.<br />
4) ebd. S. 276.<br />
5) ebd. S. 276.<br />
1) ebd. S. 276.<br />
2) ebd. S. 276/277.<br />
3) ebd. S. 280.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
anders freilich lautet<br />
die Begegnung mit dem eigenen Gewissen vermeiden. Ganz anders freilich<br />
lautet der deklarierte Sinn, die offizielle Ratio der Gewissensfreiheit. Sie gibt<br />
als ihren Zweck an, dem bedrängten Gewissen zu Hilfe zu kommen und zu<br />
ermöglichen, daß der Mensch nach seinem Gewissen leben kann. Sie orientiert<br />
sich dabei am "Wert" der Würde und der Freiheit des Menschen, verliert aber<br />
und der Freiheit des Menschen, verliert aber in ihrem Pathos den konkreten<br />
Einzelmenschen und sein individuelles, für andere gänzlich unverbindliches<br />
Gewissen aus den Augen 33 . Sie muß für das Gewissen des Einzelnen höheres<br />
Recht und höhere Wahrheit in Anspruch nehmen, die zu respektieren andere<br />
Menschen verpflichtet sind; und das kann sie nur, wenn sie nicht jeden<br />
beliebigen Inhalt als gewissensfähig anerkennt. Das blanke Versprechen der<br />
Gewissensfreiheit wird so hinterrücks vom Normativen her eingeschränkt - sei<br />
es daß man das Gewissen in alter Weise als anerkennende Anwendung des<br />
Sitiengesetzes, sei es daß man es modern und wissenschaftlich als<br />
darum, ob der Einzelne auf sein Gewissen hört und dadurch, wie man<br />
unterstellt, in die gemeinsame Wahrheit zurückgeführt wird, oder nicht;<br />
sondern das Problem lautet, daß er, wenn er auf sein Gewissen hört, eine<br />
Quelle sozialer Störungen und Enttäuschungen werden kann. Und<br />
entsprechend findet man den Sinn der Gewissensfreiheit dann nicht mehr darin,<br />
daß sie die Gewissensorientierung ermöglicht, sondern darin, daß sie sie<br />
erspart. So gefaßt,<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 276<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 280<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 71<br />
Muster der Motivation und Orientierung gelernt werden, mit deren Hilfe die<br />
Vielfalt an Eindrücken und Informationen verarbeitet wird. Daraus ergibt sich -<br />
auch im Blick auf die Konsistenzerfordernisse als biographisches Problem - ein<br />
Verständnis von Bildung als " Reduktion der Mannigfaltigkeit und Komplexität<br />
der entweder unstrukturiert-chaotischen oder hochdifferenziert-komplexen Welt.<br />
Durch Prozesse selektiver Umstrukturierungen werden stets neue sinnvolle<br />
Einheiten geschaffen und gleichzeitig die Komplexität erhalten, indem in den<br />
Reduktionsvorgängen die Differenzierung der Kräfte und die Strukturierung<br />
der Welt intensiviert werden." 1<br />
Erzieherische Aufgaben als Hilfe zur<br />
Selbstidentifikation liegen somit in der Befähigung des Kindes - zu<br />
Kommunikation und Interaktion, = zur Verarbeitung von Informations- und<br />
Reizüberfluss mit Hilfe konsistenter Muster der Motivation und Orientierung<br />
und - zur identitätssichernden Auseinandersetzung mit den Potentialitäten und<br />
deren Reduktion. Mit letzterem ist die Gewissensentfaltung direkt<br />
angesprochen, die auf Identitätsfindung und -Sicherung des einzelnen gerichtet<br />
ist. Luhmann lehnt die Bindung des Gewissens an inhaltliche<br />
1) Blaß,Josef Leonhard: Luhmann - Pädagogische Theoriebildung im Horizont der<br />
Systemtheorie. In: ders.: Modelle pädagogischer Theoriebildung. Band 2. Stuttgart,Berlin,<br />
Köln,Mainz 1978. S. 172-192. hier: S. 182.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
den Begriff "Kraft" definiert ist. Unter diesem Aspekt wird der Bildungsbegriff<br />
Humboldts systemtheoretischer Interpretation zugänglich. In dem System von<br />
Ich und Welt leistet Bildung die Reduktion der Mannigfaltigkeit und<br />
Komplexität der entweder unstrukturiert-chaotischen oder hoch-differenziertkomplexen<br />
Welt dadurch, daß sie durch selektive Umstrukturierungen stets<br />
neue sinnvolle Einheiten schafft, und leistet sie zugleich Erhaltung der<br />
Komplexität dadurch, daß sie<br />
und auf die geringe Spannweite des bewußt-aufmerksamen Erlebnisstromes<br />
zurückzuführen. Dieser muß in einem mitentworfenen Horizont anderer<br />
Möglichkeiten laufend Selektionsleistungen erbringen und kann dies nur mit<br />
Hilfe konsistenter Muster der Motivation und der kognitiven Orientierung.9<br />
Jener innere Prozeß der Erlebnisverarbeitung würde anders den Zustand der<br />
Bewußtheit (Selektivität) gar nicht erreichen können.10 Die empirische<br />
Forschung vermittelt den Eindruck,<br />
52 Blaß, Josef Leonhard: Modelle pädagogischer Theoriebildun..., 1978, S. 181<br />
48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973, S. 227<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 74<br />
die er in seiner späteren Triebtheorie als elementare Triebkategorien, Eros und<br />
Thanatos bezeichnet. Mit Eros benennt er die Lebenstriebe, worunter neben den<br />
Sexual- auch die Selbsterhaltungstriebe fallen. Es sind jene Kräfte, die das Ziel<br />
verfolgen, " das Leben durch immer weitergreifende Zusammenfassung der in<br />
Partikel zersprengten lebenden Substanzen zu komplizieren, natürlich es dabei<br />
zu erhalten" 1 , d.h. sie streben danach, bestehende lebende Einheiten zu<br />
bewahren und von diesen aus umfassendere Einheiten zu bilden. Den<br />
lebenserhaltenden Trieben gegenüber stehen die Todestriebe, Thanatos genannt,<br />
die das " Zellenwesen zersetzen und jeden einzelnen Elementarorganismus in<br />
den Zustand der anorganischen Stabilität überführen" 2<br />
möchten, d.h. sie<br />
versuchen, lebende Einheiten zu zerstören, Spannungen radikal auszugleichen<br />
und so das Lebewesen in den anorganischen Zustand zurückzuführen, der als<br />
der Zustand der absoluten Ruhe angesehen wird. Die menschliche Seele ist bis<br />
auf ihren tiefsten Kern von diesem Triebdualismus durchdrungen, der ihre<br />
Einheit permanent zu spalten droht. Für Freud ist dieser ständige Kampf<br />
zwischen Lebens- und Todestrieb (auch Destruktionstrieb genannt) " der<br />
wesentliche Inhalt des Lebens überhaupt, und darum ist die Kulturentwicklung<br />
kurzweg zu bezeichnen als der Lebenskampf der Menschenart" 3 . Indem Eros<br />
und Thanatos in enger Verbindung existieren, gelingt es Eros, den aggressiven<br />
Triebanteil zu binden und durch Neutralisierung ihn an der Auswirkung seiner<br />
destruktiven Tendenz zumindest partiell zu hindern. 1<br />
Der"Abkömmling und<br />
Hauptvertreter des<br />
1) Freud,Sigmund: Gesammelte Werke. Bd. XIII. London 1963. S. 269.<br />
2) ebd. S. 376.<br />
3) ders.: Ges. Werke. Bd. XIV. London 1968. S. 481.<br />
1) Katastrophale Folgen entstehen, wenn die Legierung der beiden Triebanteile zerfällt und die<br />
positive Kraft die negative nicht mehr binden kann. Dieser Sachverhalt wird am Beispiel des<br />
Triebmörders deutlich: Die seelischen Komponenten fallen auseinander, Liebesgenuß und<br />
Mordimpuls treten gleichermaßen, aber getrennt voneinander auf.<br />
9% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
gestützter Überlegungen supponierten wir einen Todestrieb, dem die Aufgabe<br />
gestellt ist, das organische Lebende in den leblosen Zustand zurückzuführen,<br />
während der Eros das Ziel verfolgt, das Leben durch immer weitergreifende<br />
Zusammenfassung der in Partikel zersprengten lebenden Substanz zu<br />
komplizieren, natürlich es dabei zu erhalten. Beide Triebe benehmen sich dabei<br />
im strengsten Sinne konservativ, indem sie die Wiederherstellung eines durch<br />
die Entstehung des Lebens gestörten Zustandes anstreben. Die Entstehung des<br />
den anorganischen Zustand, der als der Zustand der absoluten Ruhe angesehen<br />
wird. Die zweiten streben nicht nur danach, die bestehenden lebenden<br />
Einheiten zu bewahren, sondern von diesen aus umfassendere Einheiten zu<br />
bilden. So besteht selbst auf der Ebene der Zelle eine Tendenz, die ". . . die<br />
Teile der lebenden Substanz zueinanderzudrän-gen und zusammenzuhalten<br />
sucht . . ." (ia). Diese Tendenz findet<br />
dieser Perspektive muß "... alles Lebende aus inneren Ursachen sterben" (ia). "<br />
Die Libido trifft in (vielzelligen) Lebewesen auf den dort herrschenden Todesoder<br />
Destruktionstrieb, welcher dies Zellenwesen zersetzen und jeden<br />
einzelnen Elementarorganismus in den Zustand der anorganischen Stabilität [...]<br />
überführen möchte. Sie hat die Aufgabe, diesen destruierenden Trieb<br />
unschädlich zu machen, und entledigt sich ihrer, indem sie ihn zum großen<br />
Teil und bald mit Hilfe<br />
seines Werkes festhielt. Die ersten streben nach Destruktion der lebenden<br />
Einheiten, nach einem radikalen Ausgleich der Spannungen und nach der<br />
Rückkehr in den anorganischen Zustand, der als der Zustand der absoluten Ruhe<br />
angesehen wird. Die zweiten streben nicht nur danach, die bestehenden<br />
lebenden Einheiten zu bewahren, sondern von diesen aus umfassendere<br />
Einheiten zu bilden. So besteht selbst auf der Ebene<br />
mehr dunkel. Sie muß uns den Kampf zwischen Eros und Tod, Lebenstrieb und<br />
Destruktionstrieb zeigen, wie er sich an der Menschenart vollzieht. Dieser<br />
Kampf ist der wesentliche Inhalt des Lebens überhaupt, und darum ist die<br />
Kulturentwicklung kurzweg zu bezeichnen als der Lebenskampf der<br />
Menschenart.4) Und diesen Streit der Giganten wollen unsere Kinderfrauen<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
54 Laplanche, Jean: Das Vokabular der Psychoanalyse, 1...., 1973, S. 280<br />
55 Laplanche, Jean: Das Vokabular der Psychoanalyse, 2...., 1973, S. 495<br />
54 Laplanche, Jean: Das Vokabular der Psychoanalyse, 1...., 1973, S. 280<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
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Triebanteil zu binden und durch Neutralisierung ihn an der Auswirkung seiner<br />
destruktiven Tendenz zumindest partiell zu hindern. 1<br />
Der"Abkömmling und<br />
Hauptvertreter des Todestriebes" ist der Aggressionstrieb. Da Freuds<br />
Gewissenslehre damit zusammenhängt, bedarf er kurzer Erläuterung: Die<br />
Grundthematik des Lebens impliziert den Antagonismus von Schaffen und<br />
Zerstören. An sich würde danach menschliches Leben so ablaufen, daß die<br />
lebendige Substanz einerseits aufbaut und Bestand haben will, andererseits<br />
rückläufig der Auflösung und Selbstzerstörung zustrebt. Nun wendet der<br />
Organismus im Interesse der Selbsterhaltung den schädlichen Trieb nach außen<br />
1) Katastrophale Folgen entstehen, wenn die Legierung der beiden Triebanteile zerfällt und die<br />
positive Kraft die negative nicht mehr binden kann. Dieser Sachverhalt wird am Beispiel des<br />
Triebmörders deutlich: Die seelischen Komponenten fallen auseinander, Liebesgenuß und<br />
Mordimpuls treten gleichermaßen, aber getrennt voneinander auf.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Haß, Zuneigung und Aggression, >Himmel und Hölle< beisammenwohnen.<br />
Genese des Aggressionstriebs 20 Freuds Theorie des Aggressionstriebs bedarf<br />
näherer Erläuterung, da seine Gewissenslehre mit ihr verquickt ist. Die<br />
Grundthematik des Lebens impliziert den Antagonismus von Schaffen und<br />
Zerstören. An sich würde die Bewegung so verlaufen: Die lebendige Substanz<br />
baut sich einerseits auf und will Bestand haben, anderseits strebt sie<br />
rückläufig der Auflösung und Selbstzerstörung zu. Im<br />
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Textstelle (Originalquellen)<br />
nach außen ab, der dann als auf die Mitwelt gerichtete Destruktionsneigung Gewissen "im Anfang entstanden durch die Unterdrückung einer Aggression<br />
erscheint. Da aber die Welt darauf wiederum mit Rache und Aggression und verstärkt sich durch eine solche Unterdrückung". Oder wie Freud diese<br />
antwortet, ist das Individuum erneut gefährdet und richtet den Triebimpuls Theorie an anderer Stelle umreißt: " Die Aggression wird introjiziert,<br />
wieder nach innen. " Die Aggression wird introjiziert, verinnerlicht, eigentlich verinnerlicht, eigentlich aber dorthin zurückgeschickt, woher sie gekommen ist,<br />
aber dorthin zurückgeschickt, woher sie gekommen ist, also gegen das eigene also gegen das eigene Ich gewendet. Dort wird sie von einem Anteil des Ichs<br />
Ich gewendet. Dort wird sie von einem Anteil des Ichs übernommen, der sich übernommen, das sich als Über-kh dem übrigen entgegenstellt, und nun als ><br />
als Über-Ich dem übrigen entgegenstellt, und nun als 'Gewissen' gegen das Ich Gewissen< gegen das Ich dieselbe strenge Aggressionsbereitschaft ausübt, die<br />
dieselbe strenge Aggressionsbereitschaft ausübt, die das Ich gerne an anderen, das Ich gerne an anderen,<br />
fremden Individuen befriedigt hätte. ... Die Kultur bewältigt also die<br />
verinnerlicht, eigentlich aber dorthin zurückgeschickt, woher sie gekommen ist,<br />
gefährliche Aggressionslust des Individuums, indem sie es schwächt,<br />
also gegen das eigene Ich gewendet. Dort wird sie von einem Anteil des Ichs<br />
entwaffnet und durch eine Instanz in seinem Innern, wie durch eine Besatzung<br />
übernommen, das sich als Über-Ich dem übrigen entgegenstellt und nun als"<br />
in der eroberten Stadt, überwachen läßt" 2 . Zu dem schmerzlichen Prozess der<br />
Kultivierung des Individuums gehört nach Freud neben der Bewältigung des<br />
Aggressionstriebes vor allem die Ablösung des sämtliche Funktionen des<br />
Seelenapparates beherrschenden Lustprinzips durch das Realitätsprinzip. Von<br />
Geburt an strebt das<br />
2) Freud,Sigmund: a.a.O. S. 481.<br />
Gewissen" gegen das Ich dieselbe strenge Aggressionsbereitschaft ausübt, die<br />
das Ich gerne an anderen, fremden Individuen befriedigt hätte. Die Spannung<br />
zwischen dem gestrengen Über-Ich und dem ihm unterworfenen Ich heißen wir<br />
Schuldbewußtsein; sie äußert sich als Strafbedürfnis. Die Kultur bewältigt also<br />
die gefährliche<br />
anderen, fremden Individuen befriedigt hätte. Die Spannung zwischen dem<br />
gestrengen Uberich und dem ihm unterworfenen Ich heißen wir<br />
Schuldbewußtsein, sie äußert sich als Strafbedürfnis. Die Kultur bewältigt also<br />
die gefährliche Aggressionslust des Individuums, indem sie es schwächt,<br />
entwaffnet und durch eine Instanz in seinem Innern . . . überwachen läßt." 41<br />
Die<br />
genetische Betrachtungsweise Freuds wird auch in der Frage nach Gut und Böse<br />
sehr schön ersichtlich. Er lehnt ein ursprüngliches Unterscheidungsvermögen<br />
für Gut<br />
äußert sich als Strafbedürfnis. Die Kultur bewältigt also die gefährliche<br />
Aggressionslust des Individuums, indem sie es schwächt, entwaffnet und durch<br />
eine Instanz in seinem Inneren, wie durch eine Besatzung in der eroberten<br />
Stadt, überwachen läßt. Über die Entstehung des Schuldgefühls denkt der<br />
Analytiker anders als sonst die Psychologen; auch ihm wird es nicht leicht,<br />
darüber Rechenschaft zu geben. Zunächst, wenn<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 27<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
57 Spengler, Ernst: Das Gewissen bei Freud und Jung. Mi..., 1964, S. 21<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
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Prozess der Kultivierung des Individuums gehört nach Freud neben der<br />
Bewältigung des Aggressionstriebes vor allem die Ablösung des sämtliche<br />
Funktionen des Seelenapparates beherrschenden Lustprinzips durch das<br />
Realitätsprinzip. Von Geburt an strebt das Individuum nach Freud bei allem,<br />
was es tut, nach Gewinnung von Lust und Vermeidung von Unlust. Diesem<br />
Streben setzt die Realität spürbare Grenzen. Steht dem Menschen rein<br />
theoretisch der Weg offen, ohne Rücksicht auf die Umwelt die egoistische<br />
Befriedigung aller seiner Wünsche zu suchen, so ist dies praktisch aufgrund zu<br />
erwartender harter Sanktionen durch die Gesellschaft unmöglich. Weil der<br />
Mensch die Geborgenheit im Raum der Gruppe braucht, für ihn der Boykott<br />
der Mitwelt zu<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Impuls, den wir in unserer Brust verspüren."27 Lustprinzip und<br />
Realitätsprinzip Lustprinzip Das Lustprinzip beherrscht nach Freud sämtliche<br />
Funktionen des Seelenapparates. Jedes Individuum strebt im Grund bei allem,<br />
was es tut, nach Gewinnung von Lust und Vermeidung von Unlust. Die<br />
Steigerung der Erregungsquantität in der Psyche ruft unangenehme<br />
Empfindungen hervor, die Abfuhr der gestauten Triebenergie ist mit<br />
angenehmen Gefühlen verbunden.28 Sogar die sublimen Vollzüge<br />
mehr abreißen. Auch im späteren Dasein muß sich das Individuum der Realität<br />
beugen. Zwar steht ihm rein theoretisch der Ausweg offen, seinen<br />
Bedürfnissen nachzugeben und ohne Rücksicht auf die Umwelt die egoistische<br />
Befriedigung sämtlicher Wünsche zu suchen. Doch gegen den anfänglichen<br />
Lustgewinn würde es ein ungleich höheres Maß an Unlust eintauschen. Denn<br />
die übrigen Glieder der Gemeinschaft melden<br />
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56 Stadter, Ernst: Psychoanalyse und Gewissen, 1970, S. 51<br />
56 Stadter, Ernst: Psychoanalyse und Gewissen, 1970, S. 52<br />
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die Bewältigung des Aggressionstriebes und die Verdrängung des Lustprinzips<br />
durch das Realitätsprinzip vollziehen sich innerhalb dreier von Freud<br />
unterschiedenener psychischer Instanzen. Ausgangspunkt dafür ist die in der<br />
Psychoanalyse grundlegende Unterscheidung von Bewußtsein, Vorbewußtem<br />
und Unbewußtem. " Bewußtsein ist zunächst ein rein deskriptiver Terminus, der<br />
sich auf eine unmittelbarste und sicherste Wahrnehmung beruft" 2 . Die<br />
Erfahrung, daß der Zustand des Bewußtseins rasch vorübergehen kann, eine<br />
jetzt bewußte Vorstellung im nächsten Augenblick unbewußt und dann aber<br />
unter bestimmten Umständen wieder bewußt werden kann, läßt Freud annehmen,<br />
daß sie zwar deskriptiv,<br />
2) ders.: Ges. Werke. Bd. XIII. London 1963. S. 240.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
denen er bis dahin die Struktur der Psyche zu erfassen gestrebt hatte: den des<br />
Bewußtseins (Bw), den des Vorbewußten (Vbw) und den des Unbewußten (Ubw)<br />
. " Bewußtsein ist zunächst ein rein deskriptiver Terminus, der sich auf die<br />
unmittelbarste und sicherste Wahrnehmung beruft. Die Erfahrung zeigt uns<br />
dann, daß ein psychisches Element, z. B. eine Vorstellung, nicht dauernd<br />
bewußt ist." Der Zustand des Bewußtseins<br />
ist aber auch unfähig, die Probleme des Traumes und der Hypnose zu lösen.<br />
Bewußt sein ist zunächst ein rein deskriptiver Terminus, der sich auf die<br />
unmittelbarste und sicherste Wahrnehmung beruft. Die Erfahrung zeigt uns<br />
dann, daß ein psychisches Element, zum Beispiel eine Vorstellung, gewöhnlich<br />
nicht dauernd bewußt ist. Es ist vielmehr charakteristisch, daß der Zustand<br />
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83<br />
58 Bally, Gustav: Die Psychologie Sigmund Freuds, 1959, S. 53<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
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Erfahrungen widersetzt. 1<br />
Freud nennt dieses dynamische unbewußte<br />
Verdrängte das eigentliche Unbewußte. Unbewußte Vorstellungen vollziehen<br />
sich an irgendwelchem unerkannt bleibenden Material. Vorbewußte<br />
Vorstellungen sind immer mit Wortvorstellungen verbunden, die<br />
Erinnerungsreste von schon einmal erfolgten Wahrnehmungen sind. " Bewußt<br />
werden kann nur das, was schon einmal bewußte Wahrnehmung war, und was<br />
außer Gefühlen von innen her bewußt werden will, muß versuchen, sich in<br />
äußere Wahrnehmungen umzusetzen" 2 . Beim Prozeß des Bewußtwerdens kann<br />
Unbewußtes erst in Bewußtes bzw. Bewußtes erst in Unbewußtes übergehen,<br />
wenn vorbewußte Mittelglieder durch analytische Arbeit hergestellt werden.<br />
Nun stellt Freud bei Psychoanalysen an Kranken fest, daß sie oftmals<br />
Schwierigkeiten<br />
1) Die Methoden der Psychoanalyse dienen dazu, diese Widerstandskraft zu überwinden und<br />
dadurch solche verdrängten Erfahrungen bewußt zu machen.<br />
2) Freud,Sigmund: a.a.O. S. 247.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
einmal Wahrnehmungen und können wie alle Erinnerungsreste wieder bewußt<br />
werden. Ehe wir noch weiter von ihrer Natur handeln, dämmert uns wie eine<br />
neue Einsicht auf: bewußt werden kann nur das, was schon einmal bw<br />
Wahrnehmung war, und was außer Gefühlen von innen her bewußt werden<br />
will, muß versuchen, sich in äußere Wahrnehmungen umzusetzen. Dies wird<br />
mittels der Erinnerungsspuren möglich. Die Erinnerungsreste denken wir uns<br />
in Systemen enthalten, welche unmittelbar an das System W-Bw anstoßen, so<br />
daß ihre Besetzungen<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
84<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 77<br />
hergestellt werden. Nun stellt Freud bei Psychoanalysen an Kranken fest, daß<br />
sie oftmals Schwierigkeiten haben, sich Verdrängtem zu nähern, unter der<br />
Herrschaft eines Widerstandes stehen, der ihnen nicht bewußt ist, der aber zum<br />
Ich gehört. " Wir haben im Ich selbst etwas gefunden, was auch unbewußt ist,<br />
sich gerade so benimmt, wie das Verdrängte, das heißt starke Wirkungen<br />
äußert, ohne selbst bewußt zu werden". 3<br />
Daraus folgert er, daß die<br />
neurotischen Konflikte sich nicht zwischen Bewußtem und Unbewußtem<br />
abspielen, sondern im Gegensatz " zwischen dem zusammenhängenden Ich und<br />
dem von ihm abgespaltenen Verdrängten" 4 . Es ist also ein gewichtiger Teil des<br />
Ich unbewußt in bisher noch nicht beschriebenem Sinn, so daß Freud ein<br />
drittes, zum Ich gehörendes Nichtbewußtes annimmt, das er Über-Ich nennt.<br />
Von diesen Erkenntnissen her kommt<br />
3) ebd. S. 244.<br />
4) ebd. S. 244.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ihn nicht zu benennen und anzugeben. Da aber dieser Widerstand sicherlich von<br />
seinem Ich ausgeht und diesem angehört, so stehen wir vor einer<br />
unvorhergesehenen Situation. Wir haben im Ich selbst etwas gefunden, was<br />
auch unbewußt ist, sich gerade so benimmt 5wie das Verdrängte, das heißt<br />
starke Wirkungen äußert, ohne selbst bewußt zu werden, und zu dessen<br />
Bewußtmachung es einer besonderen Arbeit bedarf. Die Folge dieser<br />
Erfahrung für die analytische Praxis ist, daß wir in unendlich viele<br />
Undeutlichkeiten und<br />
dem Bewußten und dem Unbewußten zurückführen wollen. Wir müssen für<br />
diesen Gegensatz aus unserer Einsicht in die strukturellen Verhältnisse des<br />
Seelenlebens einen anderen einsetzen: den zwischen dem zusammenhängenden<br />
Ich und dem von ihm abgespaltenen Verdrängten.2) Die Folgen für unsere<br />
Auffassung des Unbewußten sind aber noch bedeutsamer. Die dynamische<br />
Betrachtung hatte uns die erste Korrektur gebracht, die strukturelle Einsicht<br />
bringt uns<br />
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12.01.2014<br />
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59 Freud, Sigmund: Das Ich und das Es, 1940, S. 4<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 78<br />
Freud zur Unterscheidung dreier psychischer Instanzen: dem Es, dem Ich und<br />
dem Über-Ich. Zum Es erklärt er, daß es der Bezirk jener unbekannten,<br />
unbeherrschbaren Mächte sei, von denen wir "gelebt" werden. 1<br />
Zu ihm gehört<br />
alles, was im psychischen Bereich ererbt, bei Geburt mitgebracht,<br />
konstitutionell festgelegt ist, vor allem die aus der Körperorganisation<br />
stammenden Triebe. Das Es ist selbst nicht bestimmbar. " Das Es ... hat kein<br />
Mittel, dem Ich Liebe oder Haß zu bezeugen. Es kann nicht sagen, was es will;<br />
es hat keinen eigentlichen Willen zustande gebracht. Eros und Todestrieb<br />
kämpfen in ihm" 2 . Das Es bildet den Triebpol der Persönlichkeit, den<br />
Kampfplatz von Eros und Thanatos. In ihm herrscht das Lustprinzip und "<br />
selbstverständlich kennt das Es keine Wertungen, kein Gut und Böse, keine<br />
Moral" 3 . Freud nennt es "ein Chaos, einen Kessel voll brodelnder Erregungen" 4<br />
. Von den Trieben her ist es mit Energie gefüllt. Es hat weder eine<br />
Organisation noch bringt es einen Gesamtwillen auf. Es steht im Dienst der<br />
Triebbefriedigung unter Einhaltung des Lustprinzips. Ökonomisch gesehen ist<br />
das Es das Hauptreservoir der psychischen Energie. Dynamisch betrachtet<br />
steht es<br />
12% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zeigen, daß dem wirklich so ist. Die tiefste Schicht im Seelenhaushalt,<br />
gleichsam der Seelengrund, be steht in dem, was Freud das E s nennt. " Sein<br />
Inhalt ist alles, was (im psychischen Bereich) ererbt, bei Geburt mitgebracht,<br />
konstitutionell fest gelegt ist, vor allem also' die aus der Körperorganisation<br />
stammenden Triebe. " 3 Diese Triebe, die im körperlichen Organismus wurzeln,<br />
sind einerseits der Todestrieb, der zerstörerischer<br />
faßt die Psyche als einen Apparat auf2*. In diesem unterscheidet er drei<br />
Instanzen: Es, Ich und Uberich. Das Es umfaßt alles Ererbte, Konstitutionelle,<br />
vor allem die "aus der Körperorganisation stammenden Triebe". Triebe sind<br />
definiert als jene Kräfte, die Freud hinter den Bedürfnisspannungen des Es<br />
annimmt. Sie repräsentieren die körperlichen Anforderungen an das<br />
Seelenleben. Sie sind letzte<br />
nennt. Dieses Es ist selbst nicht bestimmbar. Was können wir darüber<br />
aussagen? Nur das, was wir von unserer Kenntnis des Ich aus ahnend<br />
wahrnehmen können. < Das Es... hat kein Mittel, dem Ich Liebe oder Haß zu<br />
bezeugen. Es kann nicht sagen, was es will; es hat keinen eigentlichen Willen<br />
zustande gebracht. Eros und Todestrieb kämpfen in ihm"... Wir können sagen,<br />
daß
Textstelle (Prüfdokument) S. 78<br />
in Konflikt mit dem Ich und dem Über-Ich, die - genetisch gesehen -<br />
Differenzierungen seiner sind. Das Bewußtwerden der Es-Inhalte geschieht<br />
nach Freud, indem sie "mit Wortresten verknüpft" und dadurch sprachlich<br />
artikulierbar werden. So entzieht das Ich dem Es Energiebeträge Nach Freud<br />
1) Freud übernimmt den Begriff "Es" von Georg Groddeck, der "wohl dem Beispiel Nietzsches<br />
gefolgt (ist), bei dem dieser grammatikalische Ausdruck für das Unpersönliche und<br />
sozusagen Naturnotwendige in unserem Wesen durchaus gebrauchlich ist" (ebd. S. 251).<br />
2) ebd. S. 289.<br />
3) ders.: Ges. Werke. Bd. XV. London 1967. S. 81.<br />
4) ebd. S. 80.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
einesteils erblich und angeboren, andemteils verdrängt und erworben.<br />
ökonomisch gesehen ist das Es für Freud das Hauptreservoix der psychischen<br />
Energie; dynamisch gesehen läßt es sich in Konflikt mit dem Ich und dem<br />
Überich ein, die, genetisch gesehen, Differenzierungen von ihm sind. Der<br />
Ausdruck "das Es" wird in Das Ich und das Es (19*3) eingeführt. Freud<br />
übernimmt ihn von<br />
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54 Laplanche, Jean: Das Vokabular der Psychoanalyse, 1...., 1973, S. 147<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 78<br />
genetisch gesehen -Differenzierungen seiner sind. Das Bewußtwerden der Es-<br />
Inhalte geschieht nach Freud, indem sie "mit Wortresten verknüpft" und<br />
dadurch sprachlich artikulierbar werden. So entzieht das Ich dem Es<br />
Energiebeträge Nach Freud ist das Ich ein Stück vom Es, " ein durch die Nähe<br />
der gefahrdrohenden Aussenwelt zweckmäßig verändertes Stück" 5 . Es ist mit<br />
den Organen der Reizaufnahme ausgestattet und hat eine besondere<br />
Organisation hergestellt, die zwischen Es und Aussenwelt vermittelt. Dem<br />
Lustprinzip des "Es" steht das Realitätsprinzip des "Ich" gegenüber. Am Ich<br />
hängt das Bewußtsein, es steuert die Zugänge zur Motilität, es gewährleistet die<br />
Verbindung von Sach- und Wortvorstellungen. Das Verhältnis von Es und Ich<br />
beschreibt Freud mit dem Bild vom Ross und dem<br />
5) ebd. S. 83.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Das "Ich": Es ist der durch die Umwelt veränderte Teil des Es, welcher mit<br />
Besonnenheit und Vernunft bezeichnet werden kann. "Das Ich ist doch nur ein<br />
Stück vom Es, ein durch die Nähe der gefahrdrohenden Aussenwelt<br />
zweckmässig verändertes Stück. In dynamischer Hinsicht ist es schwach, seine<br />
Energien hat es dem Es entlehnt, und wir sind nicht ganz ohne Einsicht in die<br />
Methoden, man könnte<br />
die Nähe und Gefahr der drohenden Außenwelt zweckmäßig veränderte Stück<br />
des >EsEs< steht das Realitätsprinzip des<br />
>Ich< entgegen.43 Am >Ich< hängt das Bewußtsein, welches die Welt<br />
repräsentiert. Zugleich beherrscht es die Zugänge zum Willen. Erkennendes<br />
Bewußtsein und entscheidender Wille haben die Aufgabe,<br />
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47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 262<br />
56 Stadter, Ernst: Psychoanalyse und Gewissen, 1970, S. 57<br />
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Am Ich hängt das Bewußtsein, es steuert die Zugänge zur Motilität, es<br />
gewährleistet die Verbindung von Sach- und Wortvorstellungen. Das<br />
Verhältnis von Es und Ich beschreibt Freud mit dem Bild vom Ross und dem<br />
Reiter: " Es gleicht so im Verhältnis zum Es dem Reiter, der die überlegene<br />
Kraft des Pferdes zügeln soll, mit dem Unterschied, daß der Reiter dies mit<br />
eigenen Kräften versucht, das Ich mit geborgten". Oft müsse der Reiter das<br />
Ross dorthin führen, wohin es wolle, " so pflegt auch das Ich den Willen des Es<br />
in Handlung umzusetzen, als ob es der eigene wäre" 1 . Kurzum: das Ich<br />
übernimmt die Aufgabe der Selbstbehauptung durch Koordinierung der<br />
Triebkräfte des Es, der Befehle des Über-Ich und der Forderungen der Realität.<br />
Die schwierige Aufgabe der Vermittlung von Innen und Aussen beschreibt<br />
Freud<br />
1) ders.: Ges. Werke. Bd. XIII. S. 253.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ideell richtig zu verstehen. Die funktionelle Wichtigkeit des Ichs kommt darin<br />
zum Ausdruck, daß ihm normalerweise die Herrschaft über die Zugänge zur<br />
Motilität eingeräumt ist. Es gleicht so im Verhältnis zum Es dem Reiter, der die<br />
überlegene Kraft des Pferdes zügeln soll, mit dem Unterschied, daß der Reiter<br />
dies mit eigenen Kräften versucht, das Ich mit geborgten. Dieses Gleichnis<br />
trägt ein Stück weiter. Wie dem Reiter, will er sich nicht vom Pferd trennen,<br />
oft nichts anderes übrigbleibt, als es dahin zu führen, wohin es gehen will, so<br />
pflegt auch das Ich den Willen des Es in Handlung umzusetzen, als ob es der<br />
eigene wäre. Auf die Entstehung des Ichs und seine Absonderung vom Es<br />
scheint noch ein anderes Moment als der Einfluß des Systems W hingewirkt zu<br />
haben. Der eigene<br />
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53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 79<br />
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Ich ein unbewußt zensorischer Faktor wirkt, kommt Freud zur Annahme der Ich. Hier gibt er ihm endlich auch den Namen "Über-Ich", den er anfänglich<br />
dritten psychischen Instanz: dem Über-Ich. 3.1.4. Das Gewissen als Funktion synonym mit dem des Ich-Ideals gebraucht. Später wird er dem "<br />
des Über-Ich Freud kennzeichnet das Über-Ich als unbewußten Anteil des Ich Aufsichtsorgan, das sich der Mensch im Kern des Ich geschaffen hat, welches<br />
, als " AufSichtsorgan, das sich der Mensch im Kern des Ich geschaffen hat, seine eigenen Regungen und Handlungen überwacht, ob sie mit seinen<br />
welches seine eigenen Regungen und Handlungen überwacht, ob sie mit seinen Anforderungen zusammenstimmen" ( XII/8), den Namen des Über-Ich<br />
Anforderungen zusammenstimmen" 3 . Es ist " für uns die Vertretung aller reservieren, während das Ich-Ideal sozusagen seinen Gehalt darstellt: Das Übermoralischen<br />
Beschränkungen, der Anwalt des Strebens nach Vervollkommnung" 4<br />
Ich ist "der Träger des Ich-Ideals, an dem<br />
. Seine Funktionen sind: die Selbstbeobachtung als Voraussetzung für die<br />
es zu erfüllen bemüht ist" (XV/71). 3 Und welches ist nun die Funktion dieses<br />
richterliche Tätigkeit des Gewissens, das Gewissen in der eigentlichen<br />
Übcr-Ich im Leben des einzelnen bzw. der Menschen* Das Über-Ich ist für uns<br />
Richterfunktion und das Ich-Ideal, fungierend als Wunschvorstellung, an dem<br />
die Vertretung aller moralischen Beschränkungen der Anwalt des Strebens nach<br />
das Ich sich mißt. Den Unterschied zwischen Gewissen und Ich-Ideal<br />
Vervollkommnung, kurz das was uns von dem sogenannten Höheren im<br />
verdeutlicht Freud in der Unterscheidung von Schuldgefühl und<br />
Menschenleben psychologisch greifbar geworden ist4 (XV/73). Da aber nun "<br />
Minderwertigkeitsgefühl:<br />
das Über-Ich des Kindes eigentlich nicht nach<br />
3) ders.: Ges. Werke. Bd. XII. London<br />
beginne, ist das Gewissen, aber es ist vorsichtiger, diese Instanz selbständig zu<br />
4) ders.: Ges. Werke. Bd. XV. S. 73.<br />
halten und anzunehmen, das Gewissen sei eine ihrer Funktionen, und die<br />
Selbstbeobachtung, die als Voraussetzung für die richterliche Tätigkeit des<br />
Gewissens unentbehrlich ist, sei eine andere"'. An einer anderen Stelle meint er,<br />
daß es unmöglich sei, eine solche Instanz zu entdecken, die wir Gewissen<br />
nennen: "Wenn<br />
58 Bally, Gustav: Die Psychologie Sigmund Freuds, 1959, S. 57<br />
58 Bally, Gustav: Die Psychologie Sigmund Freuds, 1959, S. 58<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 19<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 80<br />
Gewissen in der eigentlichen Richterfunktion und das Ich-Ideal, fungierend als<br />
Wunschvorstellung, an dem das Ich sich mißt. Den Unterschied zwischen<br />
Gewissen und Ich-Ideal verdeutlicht Freud in der Unterscheidung von<br />
Schuldgefühl und Minderwertigkeitsgefühl: Beide Gefühle sind das Ergebnis<br />
einer Spannung zwischen Ich und Gewissen, beim Minderwertigkeitsgefühl<br />
wirkt die Spannung zwischen Ich und Ich-Ideal, beim Schuldgefühl die<br />
zwischen Ich und Gewissen. Für die Entstehung des Über-Ich und damit auch<br />
der Gewissensfunktion nimmt Freud zwei Phasen<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
die Idealfunktion2'. Die Unterscheidung zwischen den beiden letzten<br />
Funktionen wird besonders dort deutlich, wo Freud versucht, zwischen<br />
Schuldgefühl und Minderwertigkeitsgefühl einen Unterschied<br />
herauszuarbeiten. Die beiden Gefühle sind das Ergebnis einer Spannung<br />
zwischen dem 7ch und dem Uber- Ich, aber das erste steht in Zusammenhang<br />
mit dem Gewissen, das zweite mit dem Ich-Ideal, sofern dieses eher geliebt<br />
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63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 24<br />
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Spannung zwischen Ich und Ich-Ideal, beim Schuldgefühl die zwischen Ich und<br />
Gewissen. Für die Entstehung des Über-Ich und damit auch der<br />
Gewissensfunktion nimmt Freud zwei Phasen an: Die erste Phase resultiert aus<br />
der Abhängigkeit des Kindes von der elterlichen Autorität. Zugrunde liegt die<br />
Annahme, daß der Mensch kein natürliches Unterscheidungsvermögen für Gut<br />
und Böse hat. Oft sei das Böse überhaupt nicht das für das Ich Schädliche oder<br />
Gefährliche, " im Gegenteil auch etwas, was ihm erwünscht ist, ihm Vergnügen<br />
bereitet" 1 . Es ist also fremder Einfluß, im Fall des Kindes primär von den<br />
Eltern kommend, der bestimmt, was gut und böse ist. Da eigenes Empfinden<br />
das Kind nicht zur gleichen Bestimmung führt, muß es ein Motiv haben, sich<br />
dem fremden Einfluß zu unterwerfen. "<br />
18% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ethischen Werten auf Erlebnisse in der frühen Kindheit zurück. Er<br />
unterscheidet hier zwei Phasen24 in der Uber- Ich-Entwicklung. Die erste Phase<br />
stellt sich als Abhängigkeit des Kindes von der elterlichen Autorität dar. Die<br />
Eltern "Bestimmen, was gut und was böse ist. Das Kind muß sich bemühen, die<br />
Gebote und Verbote anzuerkennen. So bildet sich langsam ein "<br />
ist gut, wie es aus den Händen des Schöpfers kommt" (Rousseau), welche als<br />
Konsequenzen das Recht bestreiten, dem Heranwachsenden durch die<br />
Erwachsenen Erziehungsziele zu setzen. Zugrunde liegt die Annahme, daß der<br />
Mensch von seiner rein biologischen Ausstattung (Gene) bereits alles mitbringt,<br />
was ihn für ein geregeltes mitmenschliches Zusammenleben prädestiniert. Dies<br />
läßt sich jedoch bestenfalls als<br />
Freud selbst von dieser Anschauung zu finden? An anderer Stelle haben wir<br />
schon daraufhingewiesen, daß es schwierig ist, seine Einsichten kohärent<br />
zusammenzufassen [172, S. 53]. Nach Freud hat der Mensch kein natürliches<br />
Unterscheidungsvermögen für Gut und Böse. Wohl sind der Lebens- und der<br />
Todesdrang angeboren. Die Gewissenslehre bei Freud wird allein aus dem<br />
Streit zwischen zwei Trieben zu verstehen sein [74, S. 227]. Das Gewissen<br />
erkannt hat". Die Frage stellt sich Freud deshalb, weil für ihn feststeht: "Ein<br />
ursprüngliches, sozudarf man ablehnen. Das Böse ist oft gar nicht das dem Ich<br />
Schädliche oder Gefährliche, im Gegenteil auch etwas, was ihm erwünscht ist,<br />
ihm Vergnügen bereitet." Aus dieser Feststellung, sagen natürliches<br />
Unterscheidungsvermögen für Gut und Böse die sich aus seiner<br />
Gesamtkonzeption ergibt, zieht Freud zwei Folgerungen: Erstens. "Darin zeigt<br />
sich also<br />
ist ebenso leer wie die Formel, daß man das Gute tun und das Böse unterlassen<br />
soll, und setzt wie diese eine normative Ordnung voraus, die bestimmt, was gut<br />
und böse ist, das heißt: was man tun und was man unterlassen, wie man sich<br />
verhalten soll. Und wenn man mit der Formel: Jedem das Seine, meint: jedem<br />
bestimmt, was Gut und Böse heißen soll. Da eigene Empfindung den Menschen<br />
nicht auf denselben Weg geführt hätte, muß er ein Motiv haben, sich diesem<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 25<br />
64 Schröder, Hartwig: Wertorientierter Unterricht, 1978, S. 22<br />
43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969, S. 78<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 24<br />
65 Kelsen, H.: Reine Rechtslehre, 2. A..., 1960, S. 376<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 80<br />
Es ist in seiner Hilflosigkeit und Abhängigkeit von anderen leicht zu entdecken,<br />
kann am besten als Angst vor Liebesverlust bezeichnet werden" 2 . Das Kind<br />
meidet also das Böse - auch dann, wenn es ihm eigentlich Vergnügen bereiten<br />
würde - aus Angst davor, die Liebe der Eltern zu verlieren. Mit diesem<br />
Liebesverlust büßt es " auch den Schutz vor mancherlei Gefahren ein, setzt sich<br />
vor allem der Gefahr aus, daß dieser Übermächtige ihm in der Form der<br />
Bestrafung seine Überlegenheit erweist" 3 . Verstößt das Kind gegen den<br />
elterlichen Normenkodex, so bildet sich das "schlechte Gewissen". Eigentlich -<br />
so Freud - verdiene dieser Zustand den Namen Gewissen nicht, weil solches<br />
Schuldbewußtsein nichts weiter sei, als eine "soziale Angst", die abhängig ist<br />
von der Anwesenheit der elterlichen Autorität. 1<br />
Von Gewissen und<br />
eigentlichem Schuldgefühl kann man nach Freud erst dann sprechen, wenn "die<br />
Autorität durch die Aufrichtung eines Über-Ich verinnerlicht wird". Dann fällt<br />
die Angst vor dem EntdeckVerden und der Unterschied zwischen Böses tun und<br />
Böses wollen weg, "denn vor dem Über-Ich kann sich nichts verbergen, auch<br />
Gedanken nicht" 2 . Die Aufrichtung des Über-Ich ist das Ergebnis der<br />
Überwindung unbefriedigt gebliebener Triebbedürfnisse zum Abschluß der<br />
genitalen Phase zwischen dem 5. und 6. Lebensjahr. In dieser Phase, die etwa<br />
ab dem 3. Lebensjahr beginnt, erlebt das Kind den<br />
1) ders.: Ges. Werke. Bd. XIV. S. 483.<br />
2) ebd. S. 483.<br />
3) ebd. S. 483/484.<br />
1) "Beim kleinen Kind kann es niemals etwas anderes sein, aber auch bei vielen Erwachsenen<br />
ändert sich nicht mehr daran, als daß an Stelle des Vaters oder beider Eltern die größere<br />
menschliche Gemeinschaft tritt. Darum gestatten sie sich regelmäßig, das Böse, das ihnen<br />
Annehmlichkeiten verspricht, auszuführen, wenn sie nur sicher sind, daß die Autorität nichts<br />
davon erfährt oder ihnen nichts anhaben kann, und ihre Angst gilt allein der Entdeckung. Mit<br />
diesem Zustand hat die Gesellschaft unserer Tage im allgemeinen zu rechnen" (ebd. S. 484).<br />
2) ebd. S. 484.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
fremden Einfluß zu unterwerfen. Es ist in seiner Hilflosigkeit und<br />
Abhängigkeit von anderen leicht zu entdecken, kann am besten als Angst vor<br />
dem Liebesverlust bezeichnet werden. Verliert er die Liebe des anderen, von<br />
dem er abhängig ist, so büßt er auch den Schutz vor mancherlei Gefahren ein,<br />
setzt sich vor allem der Gefahr aus, daß dieser Übermächtige ihm in der Form<br />
der Bestrafung seine Überlegenheit erweist. Das Böse ist also anfänglich<br />
dasjenige, wofür man mit Liebesverlust bedroht wird; aus Angst vor diesem<br />
Verlust muß man es vermeiden. Darum macht es auch<br />
Kind muß sich bemühen, die Gebote und Verbote anzuerkennen. So bildet sich<br />
langsam ein "soziales Gewissen", dem Freud keine besondere Kraft gibt, weil<br />
seine Funktion abhängig ist von der Anwesenheit der elterlichen Autorität.<br />
Sobald sich die Umwelt ändert, kann es wegfallen," und dann können wieder<br />
die Triebbedürfnisse nach dem Lustprinzip herrschen. Wenn diesem sozialen<br />
Gewissen ein schwaches Uberdieser<br />
Stufe ist das Schuldbewußtsein offenbar nur Angst vor dem<br />
Liebesverlust, ,soziale' Angst". Vielmehr kann man von Gewissen und<br />
Schuldgefühl erst sprechen, wenn die äußere Autorität "durch die Aufrichtung<br />
eines Über-Ich verinnerlicht wird". Damit treten gegenüber der sozialen Angst<br />
des Kindes erhebliche Unterschiede auf, wenn auch auf Grund der Genese, der<br />
Entwicklung des Gewissens aus der sozialen Angst,<br />
Entwicklung des Gewissens aus der sozialen Angst, Züge dieser kindlichen<br />
Angst vor dem Liebesentzug weiterwirken: "Jetzt entfällt auch die Angst vor<br />
dem Entdecktwerden und vollends der Unterschied zwischen Böses tun und<br />
Böses wollen, denn vor dem Über-Ich kann sich nichts verbergen, auch<br />
Gedanken nicht. Der reale Ernst der Situation ist allerdings vergangen, denn<br />
die neue Autorität, das Über- Ich, hat unseres Glaubens kein Motiv, das Ich, mit<br />
dem es<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 25<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 25<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 81<br />
das Kind den Konflikt zwischen Lust- und Realitätsprinzip darin, daß seinen<br />
Inzestwünschen das Realitätsgesetz in Form des Inzestverbotes der sittlichen<br />
Ordnung entgegensteht. Die stärkste libidinöse Objektbesetzung steht den<br />
Realitätsanforderungen entgegen. Das Kind gibt seinen Triebwunsch, den<br />
gegengeschlechtlichen Elternteil zu haben und wie der gleichgeschlechtliche<br />
zu sein auf und identifiziert sich mit den Eltern als den Vertretern der sittlichen<br />
Ordnung. Es verleibt sich deren Autorität ein und eignet sich ihre Imperative<br />
so an, daß sie ihm als innere Stimme ertönen. Die Bewältigung unbefriedigt<br />
bleibender Triebwünsche, speziell die Überwindung des Ödipus-Komplexes<br />
beim Jungen,<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
seiner Notwendigkeit biologisch vorgezeichneten Vorgangs ist, den er als den<br />
Untergang des Ödipuskomplexes bezeichnet, das heißt als die Folge des<br />
endgültigen Aufgebens des frühkindlichen Wunsches, den<br />
gegengeschlechtlichen Elternteil zu haben und wie der gleichgeschlechtliche<br />
zu sein. Im letzteren Fall wird das Ich des Knaben
Textstelle (Prüfdokument) S. 82<br />
die Idealvorstellung vom Ich gefunden haben, gerecht wird. Es mißt das<br />
aktuelle Ich und seine Betätigungen am Ich-Ideal. 2 1) Freud setzt die Instanz "<br />
Über-Ich" entgegen mancher Darstellungen in Sekundärliteratur nicht mit dem<br />
Gewissen gleich: " Ich könnte einfach sagen, die besondere Instanz, die sich<br />
im Ich zu unterscheiden beginne, ist das Gewissen, aber es ist vorsichtiger,<br />
diese Instanz selbständig zu halten und anzunehmen, .das Gewissen sei eine<br />
ihrer Funktionen, und die Selbstbeobachtung, die als Voraussetzung für die<br />
richterliche Tätigkeit des Gewissens unentbehrlich ist, sei eine andere" ( Ges.<br />
Werke. Bd.XV. S. 65). Für den Erzieher von besonderem Interesse sind - und<br />
dies soll abschließend noch kurz dargestellt werden - Fragen nach Entstehen<br />
und Folgen von überstrengem Gewissen: In jeder Erziehung enstehen nach<br />
Freud durch die Versagung von Bedürfnisbefriedigungen ursprünglich gegen<br />
die Eltern gerichtete, aggressive Impulse. Durch die Introjektion des<br />
Elternimago kommt es zu einer Rückwendung der Aggressionen gegen das<br />
eigene Ich. Immer gilt das Prinzip, daß Triebe, denen eine äußere Befriedigung<br />
versagt ist, sich innerhalb des Organismus auswirken. Wie stark sich nun die<br />
Aggression gegen das eigene Ich auswirkt, wie hart und unerbittlich das Über-<br />
Ich wird, hängt einmal ab von der Moralität der introjizierten Elterninstanz und<br />
zum anderen von der Strenge der<br />
2) Neben der beschriebenen ontogenetisehen Gewissenstheorie gibt Freud auch eine<br />
phylogenetische Begründung des Gewissens, die allerdings nur historischen Wert hat. Dazu<br />
konstruiert er die Geschichte vom Mord am Vater der Urhorde: Der Vater soll ursprünglich den<br />
Besitz aller Frauen beansprucht haben. Aus Haß, der durch dauernden Triebverzicht immer<br />
wieder neu verstärkt wurde, töteten die Söhne den Vater. Diese Tat hatte nicht den unbewußt<br />
erwarteten Erfolg, weil keiner sich an die Stelle des Vaters setzen konnte. Freud meint nun,<br />
nach der Verwirklichung der Haßbestrebungen sei es zum Wiederauftauchen der<br />
unbefriedigten Zärtlichkeitsregungen gegenüber dem ermordeten Vater gekommen. Trauer,<br />
Reue und Sehnsucht hatten Schuldgefühle als Urform der Gewissensregung zur Folge. So soll<br />
aus dem Ambi ......<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
letzten Arbeiten. Er hat sich der Frage sehr vorsichtig genähert. Sehr<br />
bescheiden äußert Freud sich auch dann, als sich das Gewissen der<br />
psychoanalytischen Erkenntnis öffnet: " Ich könnte einfach sagen, die<br />
besondere Instanz, die sich im Ich zu unterscheiden beginne, ist das Gewissen,<br />
aber es ist vorsichtiger, diese Instanz selbständig zu halten und anzunehmen,<br />
das Gewissen sei eine ihrer Funktionen, und die Selbstbeobachtung, die als<br />
Voraussetzung für die richterliche Tätigkeit des Gewissens unentbehrlich ist,<br />
sei eine andere"'. An einer anderen Stelle meint er, daß es unmöglich sei, eine<br />
solche Instanz zu entdecken, die wir Gewissen nennen: "Wenn eine solche<br />
Instanz existiert, so<br />
Ich die Rede, so hat das Eingehen aggressiver Strebungen eine noch größere<br />
Bedeutung für die Psychopathologie. In jeder Erziehung entstehen durch die<br />
Versagung primitiver Bedürfnisse ursprünglich gegen die Eltern gerichtete,<br />
aggressive Impulse. Mit der Introjektion der Elternimago kommt es aber zu<br />
einer Rückwendung der Aggressivität gegen das Ich, denn auch hier gilt das<br />
Prinzip, daß Triebe, denen eine äußere Befriedigung versagt ist, sich innerhalb<br />
des Organismus auswirken. Verbunden mit der Moralität der introjizierten<br />
Elterninstanz tragen sie zur Entstehung eines harten, grausamen Über-Ich bei.<br />
Vor allem aber ist die Härte des Über-<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 19<br />
66 Frankl, Viktor E.: Das Gewissen in der Neurose. In: Fr..., 1959, S. 42<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 83<br />
die Aggression gegen das eigene Ich auswirkt, wie hart und unerbittlich das<br />
Über-Ich wird, hängt einmal ab von der Moralität der introjizierten<br />
Elterninstanz und zum anderen von der Strenge der äußeren Autorität und der<br />
Stärke der libidinösen Objektbeziehung in der Ödipussituation. Je intensiver<br />
die libidinöse Bindung war und je schneller sie unter dem Einfluß der<br />
elterlichen Autorität verdrängt wird, umso strenger wird das Über-Ich über das<br />
Ich walten. Ein besonders strenges Über-Ich kann nach Freud auch dann<br />
entstehen, wenn zwar die Erziehung relativ mild verläuft, die Eltern<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zur Entstehung eines harten, grausamen Über-Ich bei. Vor allem aber ist die<br />
Härte des Über-Ich auf die Strenge der äußeren Autorität und die Stärke der<br />
libidinösen Objektbeziehung in der Ödipussituation zurückzuführen, denn das<br />
Über-Ich ist ja eine Reaktionsbildung auf den Ödipuskomplex. Je intensiver die<br />
libidinöse Bindung an die Eltern war und je schneller unter<br />
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66 Frankl, Viktor E.: Das Gewissen in der Neurose. In: Fr..., 1959, S. 42<br />
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4% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 83<br />
kann nach Freud auch dann entstehen, wenn zwar die Erziehung relativ mild<br />
verläuft, die Eltern selbst aber ein übermäßig hartes, unduldsames Über-Ich<br />
haben, das vom Kind introjiziert wird. Ein überstrenges Über-Ich führt zu "<br />
einer starren, anpassungsbehinderten Haltung gegenüber der Außenwelt, zu<br />
Triebhemmungen, Triebangst, ständigen Schuldgefühlen und zu einer<br />
fortwährenden Unterdrückung und Entmutigung des ich" 1 . 3.2. Erik H.Erikson:<br />
Identität und Gewissen 3.2.1. Vorbemerkung Freuds Anwendung<br />
physikalischer Erkenntnisse der damaligen Zeit auf die Psychologie bezeichnet<br />
Erikson zwar als bedeutsame Leistung, die daraus entwickelte Theorie, " daß<br />
die. Triebenergie analog zur Erhaltung der Energie in der Physik übertragen,<br />
verschoben und umgewandelt wird" 1<br />
als Erklärung der psychologischen<br />
Beobachtungen aber hält er für unzureichend. Das für die Person fundamentale<br />
Gefühl der persönlichen Identität läßt sich nach Erikson nicht durch eine rein<br />
energetische Triebtheorie erklären. Das, was alle Menschen gemeinsam haben<br />
, " die sich mit dem, was sie tun und wo sie es tun, eins fühlen" 2 , liegt vielmehr<br />
begründet in der "synthetischen Ich-Funktion" 3 , d.h. in der Fähigkeit des<br />
Menschen, alle seine Strebungen harmonisch zusammenzuführen. So rückt in<br />
den Mittelpunkt der Arbeiten Eriksons die Entwicklung der Ich-Identität. Da er<br />
mit Identität<br />
1) Häfner,Heinz: Das Gewissen in der Neurose. In: Handbuch der Neurosenlehre und<br />
Psychotherapie. Hrsg.: Viktor E. Frankl u.a. Bd. II. München 1959. S. 692 - 726. hier: S. 702.<br />
1) Erikson,Erik H.: Identität und Lebenszyklus. Frankfurt 1977. S. 18.<br />
2) ebd. S. 21.<br />
3) Erikson übernimmt diesen Begriff von Nunberg. vgl. dazu: Nunberg,Hermann: Die<br />
synthetische Funktion des Ich (1930). In: Kutter,Peter/Roskamp,Hermann (Hrsg.):<br />
Psychologie des Ich. Psychoanalytische Ich-Psychologie und ihre Anwendungen. Darmstadt<br />
1974.<br />
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Textstelle (Originalquellen)<br />
im Rahmen der Psychoanalyse die Möglichkeiten einer abnormen<br />
Gewissensfunktion oder einer pathologischen Abwehr von Schuldgefühlen.<br />
Grundsätzlich führt ein überstrenges Über-Ich zu einer starren,<br />
anpassungsbehinaerten Haltung gegenüber der Außenwelt, zu Triebhemmungen,<br />
Triebangst, ständigen Schuldgefühlen und zu einer fortwährenden<br />
Unterdrückung und Entmutigung des Ich. Die Folge davon ist meist, daß die<br />
ständig vorhandenen überstarken Schuldgefühle bestimmten Ich-<br />
Abwehrmechanismen zum Opfer fallen. fenichel zählt als mögliche Formen<br />
Verdrängung, Reaktionsbildung, Isolierung,<br />
in den Augen der anderen zu gewährleisten. IV Zwar war es ein hochwichtiger<br />
Schritt, daß Freud die physikalischen Erkenntnisse seiner Zeit auf die<br />
Psychologie anwandte; aber die daraus entwickelte Theorie, daß die<br />
Triebenergie analog zur Erhaltung der Energie in der Physik übertragen,<br />
verschoben und umgewandelt wird, reicht zur Erklärung der Erscheinungen,<br />
die wir inzwischen zu beobachten gelernt haben, nicht mehr aus. Hier müssen<br />
die Ich-Begriffe eine Lücke schließen. Wir müssen<br />
nicht aus, daß "Triebenergie analog zur Erhaltung der Energie in der Physik<br />
übertragen, verschoben und umgewandelt wird"299. Insbesondere könne eine<br />
so verstandene rein energetische Triebtheorie das für die Person fundamentale<br />
Gefühl der persönlichen Identität nicht erklären. Die hier entstehende<br />
Erklärungslücke müsse mittels der Ich-Begriffe geschlossen werden. Nach<br />
Erikson390 kommt hierbei der "synthetischen" Ich-Funktion (Nunberg, 1930)<br />
391, d.h. der Fähigkeit des<br />
homosexuelle oder psychopathische Tendenzen haben. Was aber der<br />
Unterseebootmatrose an Bord, der Indianer bei der Arbeit und das<br />
heranwachsende Kind mit allen Menschen gemeinsam haben, die sich mit dem,<br />
was sie tun, und wo sie es tun, eins fühlen, entspricht jenem .>Mittelzustand
Textstelle (Prüfdokument) S. 84<br />
Identität nicht nur ein dauerndes inneres Sich-Selbst-Gleichsein meint, sondern<br />
dazu ebenso die dauernde Teilhabe an bestimmten gruppen-spezifischen<br />
Charakterzügen gehört 4 , gilt sein Interesse vor allem den Folgen soziokultureller<br />
Einflüsse auf das Ich. Erikson nimmt - ähnlich wie Piaget - an, daß<br />
die Entwicklung des Kindes in kontinuierlich ineinander übergehenden Phasen<br />
verläuft. Jede dieser Phasen hat eine durch die Gesetze der individuellen<br />
Entwicklung und der gesellschaftlichen Organisation bedingte spezifische<br />
Dynamik 1<br />
und enthält jeweils Krisensituationen, die die Einheit des<br />
Lebenszyklus gefährden. Der Mensch kann nach Erikson<br />
4) Erikson,Erik H.: a.a.O. S. 124.<br />
1) ebd. S. 7.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Verhalten zu übernehmen"393, sondern bemüht sich um eine Erforschung der<br />
spezifischen gesellschaftlichen Einflüsse insgesamt, wie dies etwa Freud in<br />
seinem "Abriß der Psychoanalyse"394 angedeutet hat. Erikson nimmt ähnlich<br />
wie Piaget an, daß die Entwicklung des Kindes in kontinuierlich ineinander<br />
übergehenden Stadien verlaufe. so" Hartmann, 65 ff. so" Vgl. Kutter, VII ff.;<br />
Roskamp, 1 ff. in: Kutter I Roskamp 1974; Graham 1972, 50. 69 Das Gewissen<br />
beginne seine Herrschaft in der Phase, in der nach Erikson 305<br />
die<br />
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62 Klier, Gerhard: Gewissensfreiheit und Psychologie. ..., 1977, S. 68<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 85<br />
Jede dieser Phasen hat eine durch die Gesetze der individuellen Entwicklung<br />
und der gesellschaftlichen Organisation bedingte spezifische Dynamik 1<br />
und<br />
enthält jeweils Krisensituationen, die die Einheit des Lebenszyklus gefährden.<br />
Der Mensch kann nach Erikson nur überleben, " wo die traditionelle Erziehung<br />
ihm ein Gewissen vermittelt, das ihn führt, ohne ihn zu vernichten und das<br />
zugleich fest und elastisch genug ist, um sich den Wechselfällen seines<br />
geschichtlichen Standortes anzupassen" 2 . Das Gewissen tritt dann in Funktion,<br />
wenn das Kind - in der dritten Entwicklungsphase zwischen dem 4. und 6.<br />
Lebensjahr - initiativ wird und erstmals gegen Schuldgefühle anzukämpfen hat.<br />
Im folgenden soll auf die von Erikson unterschiedenen Phasen der kindlichen<br />
Entwicklung insoweit eingegangen werden, als es zum Verständnis seiner<br />
Thesen über Entstehen und Funktionieren des Gewissens bedeutsam ist. 3.2.2.<br />
Das Gewissen im Rahmen der Identitätsentwicklung Vertrauen zu können, d.h.<br />
das Gefühl<br />
1) ebd. S. 7.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
nur jene starre Über-Ich-Bildung, die prinzipiell als verhängnisvoll anzusehen<br />
sei, nähert sich eine Formulierung wie die Eriksons, daß der Mensch nur dort<br />
überlebe, " wo die traditionelle Erziehung ihm ein Gewissen vermittelt, das ihn<br />
führt, ohne ihn zu vernichten und das zugleich fest und elastisch genug ist, um<br />
sich den Wechselfällen seines geschichtlichen Standortes anzupassen" 18), der<br />
Einsicht, daß das Gewissen eine für den Menschen spezifische, notwendige und<br />
ihn anthropologisch auszeichnende Größe darstellt, die ihn überhaupt erst<br />
menschlich leben, nicht nur "<br />
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2) Erikson,Erik H.: Kindheit und Gesellschaft. Stuttgart 1976. S. 89.<br />
68 Nipkow, Karl-Ernst: Gewissenserziehung als pädagogische..., 1964, S. 285<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 87<br />
nicht durch scharfe Verbote zu frühreifer Manifestation provoziert wird - zu<br />
nichts weiter als zu einer Reihe angstbesetzter Erlebnisse, die bald verdrängt<br />
werden. 4 Als neue grundlegende soziale Modalität kommt nun die des "<br />
Machens" im Sinne des " Sich-an-etwas-Heranmachens" hinzu. Es entwickelt<br />
sich Freude am Wettbewerb, Zielstrebigkeit und Eroberungslust. Der mögliche<br />
Konflikt in dieser Phase tritt dann ein, wenn das Kind Schuldgefühle<br />
entwickelt in Bezug auf die Initiativen und Ziele, die ihm aufgrund neu<br />
entdeckter körperlicher und geistiger Beweglichkeit möglich und<br />
wünschenswert erscheinen. In diesem Entwicklungsstadium zwischen dem<br />
vierten und sechsten Lebensjahr beginnt nach Erikson "die Herrschaft des<br />
großen Lenkers der Initiative, nämlich des Gewissens" 5 . Voraussetzung dafür,<br />
daß sich beim Menschen ein Gewissen entwickelt, ist,in seiner Abhängigkeit<br />
vertrauen zu können, vor allem sich selbst zu vertrauen. Das Kind muß sich<br />
selbst als vertrauenswürdig und hinsichtlich fundamentaler Werte als<br />
zuverlässig<br />
4) ebd. S. 89f.<br />
5) ebd. S. 94.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Phase der freien Fortbewegung und der infantilen Genitalität fügt der Reihe<br />
grundlegender sozialer Modalitäten eine weitere hinzu: das "Madien.", und<br />
zwar zunächst im Sinne des " Sich-an-etwas-Heranmachens". Es gibt kein<br />
einfacheres und kräftigeres Wort, das mit den früher aufgezählten sozialen<br />
Modalitäten so gut zusammenstimmte. Es deutet zugleich das Vergnügen an,<br />
das in<br />
70 Erikson, Erik H.: Kindheit und Gesellschaft, 1976, S. 249<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 88<br />
weil die Eltern nicht nach den strengen Gewissenspflichten leben, die sie im<br />
Kind geweckt haben. Letzteres, die Beobachtung des Kindes, daß die Eltern,<br />
die Vorbilder und anfangs auch Vollstrecker des Gewissens sind, sich<br />
Gebotsüberschreitungen erlauben, die das Kind an sich selbst nicht dulden kann,<br />
führt oftmals zu schwersten Lebenskrisen. Das Kind bekommt das Gefühl, daß<br />
es in der Welt nicht um Gutes und Richtiges, sondern um Willkür und Macht<br />
geht. "Argwohn und Ausweichen, welche sich dann in das 'alles oder Nichts'<br />
des Über-Ich ... mischen, machen den Moralisten zu einer potentiellen Gefahr<br />
für sich und für seine Mitmenschen" 2 . Die Moralität so geprägter Menschen<br />
scheint synonym mit Rachsuchtund Unterdrückung anderer. Von der Reaktion<br />
der Umwelt auf die zahlreichen neuen Aktivitäten des Kindes, wie auf die<br />
Anzeichen rudimentärer Genitalität hängt in dieser Phase ab, ob<br />
2) ebd. S. 95.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Vater (oder eine Mutter), die als Vorbild und Richter des Über-Ich dienten, die<br />
sich aber in irgendeiner Weise offenbar gerade diejenigen Sünden erlauben<br />
konnten, die das Kind an sich selbst nicht mehr tolerieren kann, ist einer der<br />
tiefsten Lebenskonflikte. Der Argwohn und die Ausweichtendenz, die damit<br />
dem "Alles-oder-Nichts"-Prinzip des Uber-Ich beigemischt wird,<br />
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71 Häfner, Heinz: Das Gewissen aus tiefenpsychologisc..., 1967, S. 136<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 89<br />
ab, ob das Kind ein es latent bedrückendes, quälendes und<br />
identitätshemmendes Gewissen entwickelt oder es ihm innerer Führer wird, ihm<br />
Kompaß auf dem Wege der Identitätsfindung ist. Erikson definiert das Gefühl<br />
der Ich-Identität als " das angesammelte Vertrauen darauf, daß der<br />
Einheitlichkeit und Kontinuität, die man in den Augen anderer hat, eine<br />
Fähigkeit entspricht, eine innere Einheitlichkeit und Kontinuität ...<br />
aufrechtzuerhalten" 1 . Das Gewissen ist Ausdruck und Garant solchen Gefühls<br />
des "Sich-auf-sich-selber-verlassen-Könnens". 2<br />
3.3. Alfred Adler: Gewissen<br />
als fiktive Instanz 3.3.1. Vorbemerkung Alfred Adler ist der erste Schüler<br />
Freuds, der sich von ihm trennt (1911) und eine individualpsychologische<br />
Theorie entwickelt. In deren Mittelpunkt steht " das Konzept eines<br />
einheitlichen, schöpferischen Individuums, welches im geordneten Zustand in<br />
einer positiven, konstruktiven ethischen Beziehung zu seinen Mitmenschen<br />
steht" 3 . 3.3.2. Der Mensch im Spannungsfeld zwischen<br />
Minderwertigkeitsgefühl und Gemeinschaftsgefühl Das Kind lebt in den ersten<br />
Lebensjahren in einer fühlbaren Abhängigkeit von anderen, speziell den Eltern.<br />
Viel länger als das Tier ist es unfähig, sich in der<br />
1) ebd. S. 107.<br />
2) ders.: Kindheit und Gesellschaft. S. 395.<br />
3) Nowak,Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute in tiefenpsychologischer und<br />
theologischer Sicht. Wien 1978. S. 29f.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
hängt auf der einen Seite vom Sozialisationsprozeß ab, muß aber auf der<br />
anderen Seite diesen sich selbst verfügbar machen: "Das Gefühl der Ich-<br />
Identität ist das angesammelte Vertrauen darauf, daß der Einheitlichkeit und<br />
Kontinuität, die man in den Augen andrer hat, eine Fähigkeit entspricht, eine<br />
innere Einheit und Kontinuität aufrechtzuerhalten." 5<br />
So wie man in der Ethik<br />
die moralfähige Person voraussetzt, so setzt man auch<br />
von D. Rapaport ist die Situation noch schlimmer bei den "Revisoren" Stekels,<br />
O. Rank, H. St. Sullivan, K. Horney, M. Klein, A. Kardiner, F. Alexander, T.<br />
French, T. Reik, E. Fromm, S. Rado 36 . Alfred Adler war der erste Schüler<br />
Freuds, der sich von ihm trennte (1911) und die sogenannte<br />
Individualpsychologie gründete. Der Individualpsychologie fehlt leider die<br />
klare Systematik, wie man sie in Freuds Psychoanalyse finden kann. Trotzdem<br />
ist sie rasch<br />
Adler in einer anderen Weise vollzogen39. Bei Freud ist das Es das Problem,<br />
bei Adler ist es das Ich110. Der Kern von Adlers Persönlichkeitstheorie ist das<br />
Konzept eines einheitlichen, schöpferischen Individuums, welches im<br />
geordneten Zustand " Vgl. D. Rapaport, D. Struktur der psychoanalytischen<br />
Theorie, Stuttgart 1973, S. 106; Siehe auch R. L. Munroe, Schools of<br />
Psychoanalytic Thought, New York 1955. in einer positiven, konstruktiven<br />
ethischen Beziehung zu seinen Mitmen- schen steht. Adler entwickelte eine<br />
humanistische Theorie der<br />
72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 155<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 29<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 90<br />
sich in der es umgebenden komplexen Gesellschaft zurechtzufinden. Seine<br />
Ausgangsposition ist die der Unzulänglichkeit, seine Laufbahn beginnt in einem<br />
Zustand der Hilflosigkeit. Gleichzeitig erlebt das Kind, daß sich Erwachsene<br />
und größere Kinder viel besser zurechtfinden. " Jedes Kind ist dadurch, daß es<br />
in die Umgebung von Erwachsenen gesetzt ist, verleitet, sich als klein und<br />
schwach zu betrachten, sich als unzulänglich, minderwertig einzuschätzen" 1 .<br />
So entsteht beim Kind ein Gefühl der Minderwertigkeit, das nicht vereinzelt<br />
auftritt, sondern nach Adler ein menschliches Leben schlechthin bestimmendes<br />
Gefühl ist: "Mensch sein heißt: sich minderwertig fühlen" 2 . Solches<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sich eine schiefe, von allerhand Fehlschlägen begleitete Entwicklung<br />
vollziehen kann. Dieser Gefahr ist eigentlich jedes Kind ausgesetzt, weil sich<br />
alle Kinder in derartigen Situationen befinden. Jedes Kind ist dadurch, daß es<br />
in die Umgebung von Erwachsenen gesetzt ist, verleitet, sich als klein und<br />
schwach zu betrachten, sich als unzulänglich, minderwertig einzuschätzen. In<br />
dieser Stimmung ist es nicht imstande, sich zuzutrauen, den Aufgaben, die ihm<br />
gestellt werden, so glatt und fehlerlos zu genügen, wie man es ihm<br />
allem aber ist das Empfinden, das das Wort "Minderwertigkeitsgefühl (<br />
bezeichnen will, keine fest zu umreißende Erscheinung Dieses Empfinden ist<br />
Minderwertigkeitsgefühl wird nicht unmittelbar als solches wahrgenommen,<br />
nicht meßbar und nicht isolierbar. Das Minderwertigkeitsgefühl wird nicht<br />
sondern bezeichnet eine Gefühlslage, die immer dann entsteht, wenn<br />
unmittelbar als solches wahrgenommen - erst zu einem späteren Zeitpunkt kann<br />
Angestrebtes nicht mit eigenen Kräften erreichbar zu sein scheint. 3<br />
Als<br />
es in reflektierender Weise bewußt werden -, es ist vielmehr eine Gefühlslage,<br />
Reaktion auf diese Situation erwächst " in den unbewußten Tiefen der Person" 4 die entsteht, wo Angestrebtes nicht mit eigenen Kräften erreichbar zu sein<br />
der Drang nach Überlegenheit und Macht. Zur Kompensation des<br />
scheint. Spätestens, wenn das Kind "ich< sagen lernt, wenn es anfängt, sich als<br />
Minderwertigkeitsgefühls und als Ausstrahlung einer seelischen Urenergie, die<br />
eigenes Wesen gegenüber der Umwelt zu begreifen, fängt es an, sein<br />
nach Selbstverwirklichung tendiert, entwickelt das Individuum<br />
Selbstwertgefühl zu<br />
Geltungsstreben. Solches Streben nach Selbsterhaltung und<br />
Persönlichkeitsbehauptung wird in der Individualpsychologie als Grundtrieb in heißem Bemühen erfolglos anstrebt. So empfindet das Kind seine<br />
gesehen. Das Gefühl<br />
Abhängigkeit und Machtlosigkeit als Ün hg iit l et g it. Als Reaktion auf diese<br />
Lage erwacht in den unbewußten Tiefen der Person " der Drang nach<br />
1) Adler,Alfred: Menschenkenntnis. Leibzig 1927. S. 54.<br />
Überlegenheit, Das Kind sieht sich vor die Wahl gestellt, entweder seine<br />
2) ders.: Der Sinn des Lebens. Frankfurt 1974. S. 67.<br />
Individualität zu wahren oder psychisch in der Masse der " Überlegenen " zu<br />
ertrinken. Da liegt der<br />
3) Es ist also nicht die von Adler beschriebene tatsächliche "Minderwertigkeit von Organen" (<br />
Studie 1907), sondern das aus Abhängigkeit und Machtlosigkeit erwachsene subjektive<br />
Gefühl der Minderwertigkeit ausschlaggebend.<br />
4) Nuttin,Josef: Psychoanalyse und Persönlichkeit.<br />
73 Adler, Alfred: Menschenkenntnis. 5. Aufl., 1947, S. 54<br />
74 Jacoby, Henry: Alfred Adlers Individualpsychologie..., 1974, S. 0<br />
75 Nuttin, Joseph: Psychoanalyse und Persönlichkeit, 1955, S. 284<br />
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des Minderwertigkeitsgefühls und als Ausstrahlung einer seelischen Urenergie,<br />
die nach Selbstverwirklichung tendiert, entwickelt das Individuum<br />
Geltungsstreben. Solches Streben nach Selbsterhaltung und<br />
Persönlichkeitsbehauptung wird in der Individualpsychologie als Grundtrieb<br />
gesehen. Das Gefühl der Minderwertigkeit erscheint hier " als ein<br />
fortwährender Reiz, einen Weg ausfindig zu machen, um die Anpassung an<br />
dieses Leben zu bewerkstelligen, vorzusorgen, sich Situationen zu schaffen, wo<br />
die Nachteile der menschlichen Stellung in der Natur ausgeglichen erscheinen" 1<br />
Das dem Menschen anhaftende Minderwertigkeitsgefühl und das daraus<br />
erwachsende Machtstreben führt nun nach Adler zum Konflikt mit den<br />
Forderungen der Gemeinschaft. Dieser Konflikt wird umso größer, je<br />
intensiver das Minderwertigkeitsgefühl und je ausgeprägter der daraus<br />
1) Adler,Alfred: Menschenkenntnis. S. 21.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Mensch ein minderwertiges Wesen. Aber diese Minderwertigkeit, die ihm<br />
anhaftet, die ihm als ein Gefühl des Verkürztseins und der Unsicherheit zum<br />
Bewußtsein kommt, wirkt als ein fortwährender Reiz, einen Weg ausfindig zu<br />
machen, um die Anpassung an dieses Leben zu bewerkstelligen, vorzusorgen,<br />
sich Situationen zu schaffen, wo die Nachteile der menschlichen Stellung in der<br />
Natur ausgeglichen erscheinen." Das meint Adler mit der einprägsamen Formel:<br />
"Mensch sein heißt, sich minderwertig zu fühlen und nach Überlegenheit zu<br />
trachten." Oder, um es noch einmal in<br />
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45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 78<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 91<br />
begreiflich als Mittel der Verständigung und Stellungnahmen zu Mitmenschen.<br />
Die Gemeinschaft kommt nach Adler dem, was man eine absolute Wahrheit<br />
nennt am nächsten. Sie ist der Maßstab, an dem der einzelne sich messen<br />
lassen muß. " Ein Idealbild, nach dem wir den Einzelnen messen, kommt nur<br />
unter Berücksichtigung seines Wertes, seines Nutzens für die Allgemeinheit<br />
zustande. Womit wir den einzelnen vergleichen, ist das Idealbild eines<br />
Gemeinschaftsmenschen ... eines Menschen, der das Gemeinschaftsgefühl so<br />
weit in sich entwickelt hat, daß er ... die Spielregeln der menschlichen<br />
Gemeinschaft befolgt" 3 . So steht der Mensch immer schon in einem<br />
Spannungsverhältnis zwischen Minderwertigkeits- und Gemeinschaftsgefühl:<br />
das Gefühl der Schwäche und Minderwertigkeit läßt ihn auf die Gemeinschaft<br />
angewiesen sein; gleichzeitig treibt es ihn aber auch durch das entstehende<br />
3) Adler,Alfred: a.a.O. S. 23/24.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wissenschaftlicher Natur, politischen Ursprungs oder künstlerischer Art werden<br />
sich immer nur dadurch als groß und wertvoll erweisen, daß sie für die<br />
Allgemeinheit von Wert sind. Ein Idealbild, nach dem wir den einzelnen<br />
messen, kommt nur unter Berücksichtigung seines Wertes, seines Nutzens für<br />
die Allgemeinheit zustande. Womit wir den einzelnen vergleichen, ist das<br />
Idealbild eines Gemeinschaftsmenschen, eines Menschen, der die vor ihm<br />
liegenden Aufgaben in einer allgemeingültigen Art bewältigt, eines Menschen,<br />
der das Gemeinschaftsgefühl so weit in sich entwickelt hat, daß er .. . >die<br />
Spielregeln der menschlichen Gesellschaft befolgt*." So steht der Mensch von<br />
Anfang an im Spannungsverhältnis zwischen<br />
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45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 79<br />
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an, die als individueller Lebensstil bezeichnet wird. Er umfaßt neben dem<br />
Lebensziel auch die Meinung des Individuums über sich und die Welt und<br />
seinen persönlichen Weg, in seiner besonderen Situation zu seinem Ziel zu<br />
streben. 1<br />
Seinem Lebensstil gemäß verarbeitet der Mensch alle Ereignisse der<br />
Umwelt und macht seine Wahrnehmungen. " Kein Charakterzug, kein<br />
Verhalten, keine Tat, ja kein Traum und keine Erinnerung, die nicht vom<br />
Programm des Lebensplanes geprägt sind, der sich im Lebensstil ausdrückt." 2<br />
Adler nimmt eine fiktive Instanz zur Lebenssicherung an, die er Gewissen<br />
nennt. " Das Gewissen baut sich unter dem Druck der Sicherungstendenz aus<br />
den einfacheren Formen des Voraussehens und der Selbsteinschätzung auf,<br />
wird mit den Zeichen der Macht ausgestattet und zur Gottheit erhoben." 3<br />
So<br />
verstanden gibt das Gewissen dem Menschen das Gefühl, in Einklang mit bzw.<br />
in Gegensatz zu seinem Lebensstil zu stehen. Es baut sich auf, " damit der<br />
Mensch Richtungslinien scheinbar in Einklang mit dem Gewissensgefühl<br />
verfolgen kann". Es gibt ihm Orientierung, " damit er sich leichter zurechtfindet<br />
in der Unsicherheit des Geschehens" und ermöglicht den Zweifel " unter den<br />
Griffen und Kampfesweisen, zu denen ihn sein Wille zur Macht leitet" 1 . Bei<br />
Nichtbeachtung gesellschaftlicher Spielregeln etwa zeigt das Gewissen dem<br />
Menschen an, daß er seine Aufgabe, Gemeinschaftswesen zu sein, verfehlt.<br />
Nach Adlers Auffassung bleibt das Gewissen offenbar immer<br />
9% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
anderer als der bereits gehörten Tonart gespielt wird. Die Töne haben sich<br />
verändert aber ihr relatives Verhältnis zueinander und ihre Reihenfolge, die<br />
Melodie bestehen fort. Seinem Lebensstil gemäß verarbeitet der Mensch alle<br />
Ereignisse der Außenwelt und macht seine Wahrnehmungen. Kein<br />
Charakterzug, kein Verhalten, keine Tat, ja kein Traum und keine Erinnerung,<br />
die nicht vom Programm des Lebensplans geprägt sind, der sich im Lebensstil<br />
ausdrückt. Wie aber kommt der Lebensstil zustande? Wie baut sich der<br />
Lebensplan, der ihm zugrunde liegt, auf, und wie entstehen seine Leitlinien?<br />
Woher die "Daten
Textstelle (Prüfdokument) S. 93<br />
eine "fiktive Instanz", die er besonders im Zusammenhang mit zwei<br />
Fehlentwicklungen sieht: Zum einen beim Psychopathen mit habsüchtigen,<br />
brutalen, gewalttätigen Zügen, der nach der Niederlage, die er mit seinem<br />
aggressiven Verhalten erlitten hat, durch die Errichtung dieser fiktiven Instanz "<br />
besser oder sogar allzu aufdringlich an die allgemeinen Leitbilder der Moral<br />
herangebracht werden" kann. 2 Zum anderen beim Nervösen, den " die<br />
Unfruchtbarkeit der Gewissensbisse, der Reue, der Trauer ( lockt), weil ihr<br />
trügerischer Schein ihn hebt und zu veredeln und verschönern trachtet;<br />
gleichzeitig enthebt er ihn der Lösung der wirklichen Lebensprobleme". 3<br />
Die<br />
wichtigsten Aspekte des Adlerschen Gewissensbegriffs sind somit: fiktive<br />
Instanz zur Sicherung<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
einer "unter den Griffen und Kampfweisen, zu denen ihn (den Menschen) sein<br />
Wille zur Macht leitet". Immer aber ist dieses Gewissen nach Adlers Auffassung<br />
offenbar eine "fiktive Instanz", die er besonders im Zusammenhang mit zwei<br />
Formen der Fehlentwicklung sieht. Zum einen beim Psychopathen mit<br />
habsüchtigen, brutalen, gewalttätigen Zügen, der aus der Niederlage heraus, die<br />
er mit seinem aggressiven Verhalten erlitten hat, durch die Errichtung dieser<br />
fiktiven Instanz besser "an die allgemeinen Leitbilder der Moral herangebracht<br />
werden" kann: "Durch die Imagination eines übertriebenen Gewissens und<br />
übertriebener Schuldgefühle wird der männliche Protest von der geradlinigen<br />
Periode, in der Ahnung oder durch das Erleiden einer Niederlage, habsüchtige,<br />
brutale, gewalttätige Züge des Psychopathen durch die Errichtung einer<br />
fiktiven Instanz, des Gewissens, besser oder sogar allzu aufdringlich an die<br />
allgemeinen Leitbilder der Moral herangebracht werden, ebenso wie ja auch<br />
aus dem Minderwertigkeitsgefühl heraus die Linien des egozentrischen, bösen<br />
Wollens beschritten wurden. "So bin ich denn gewillt, ein Bösewicht zu werden"<br />
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übertriebener Schuldgefühle wird der männliche Protest von der geradlinigen<br />
Aggression abgedrängt und auf konstruierte Bahnen der Weichherzigkeit<br />
gelenkt." Zum andern beim Nervösen: ihn lockt immer " die Unfruchtbarkeit<br />
der Gewissensbisse, der Reue, der Trauer, weil ihr trügerischer Schein ihn hebt<br />
und zu veredeln und zu verschönern trachtet; gleichzeitig enthebt er ihn der<br />
Lösung der wirklichen Lebens- Probleme". Die Erkenntnis<br />
den Griffen und Kampfesweisen, zu denen ihn sein Wille zur Macht leitet.<br />
Immer aber lockt den Nervösen die Unfruchtbarkeit der Gewissensbisse, der<br />
Reue, der Trauer, weil ihr trügerischer Schein ihn hebt und zu veredeln und<br />
verschönern trachtet; gleichzeitig enthebt er ihn der Lösung der wirklichen<br />
Lebensprobleme. Aber selbst, um besser die Griffe ansetzen zu können, bringt<br />
der Nervöse diese Umbildung von Charakterzügen zustande. So wenn er in der<br />
Furcht vor dem<br />
aber bleibt das Gewissen eine "fiktive Instanz", die Adler besonders im<br />
Zusammenhang mit der Fehlentwicklung sieht. Kurz gesagt, die wichtigen<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 82<br />
76 Adler, Alfred: Grausamkeit - Gewissen - Perversion..., 1966, S. 4<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 82<br />
76 Adler, Alfred: Grausamkeit - Gewissen - Perversion..., 1966, S. 4<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 93<br />
der menschlichen Existenz, Orientierungshilfe in der Unsicherheit der<br />
Geschehnisse und Voraussetzung des Zweifels. Weil der Mensch ein<br />
Gemeinschaftswesen ist, wird dabei das als gut bestimmt, was menschliches<br />
Leben in der Gemeinschaft ermöglicht und erleichtert, als böse gilt bei Adler,<br />
was das Leben in der Gemeinschaft unmöglich macht, was gegen die<br />
Mitmenschlichkeit verstößt. 3.4. Erich Fromm: Gewissen als Mahnruf des<br />
Menschen an sich selbst 3.4.1. Vorbemerkung Erich Fromm 1 , ein Vertreter der<br />
sogenannten Neopsychoanalyse, wirft den Psychoanalytikern vor, zwar das<br />
Wissen vom Menschen bereichert zu haben, aber keinerlei Erkenntnisse über<br />
die Lebensgesetze des Menschen geliefert zu haben. Ein Grund dafür liegt nach<br />
seiner Ansicht in der aus theoretischer wie therapeutischer Sicht unzulässigen<br />
Trennung von Psychologie und Philosophie bzw. Ethik. Menschliches Handeln<br />
ist nach Fromm bestimmt von Werturteilen, von deren Gültigkeit Glück und<br />
geistige Gesundheit abhängen. Sie immer nur als das<br />
1) "Der Lebensstil wird verschiedentlich gleichgesetzt mit dem Ich, der einem Menschen<br />
eigenen Persönlichkeit, der Einheit der Persönlichkeit, der individuellen Form der<br />
schöpferischen Aktivität, der Methode, Problemen ins Auge zu sehen, der Meinung von sich<br />
selbst und den Lebensproblemen, der ganzen Einstellung zum Leben und anderen" (<br />
Ansbacher,Heinz L. (Hrsg.): Alfred Adlers Individualpsychologie. München 1972. S.175)<br />
2) Jacoby,Henry: a.a.O. S. 40.<br />
3) Adler,Alfred: Grausamkeit - Gewissen - Perversion und Neurose. In: Petrilowitsch, Nikolaus (<br />
Hrsg.): Das Gewissen als Problem. Darmstadt 1966. S. 59-64. hier: S.63.<br />
1) ebd. S. 63.<br />
2) "Durch die Imagination eines übertriebenen Gewissens und übertriebener Schuldgefühle wird<br />
der männliche Protest von der geradlinigen Aggression abgedrängt und auf konstruierte<br />
Bahnen der Weichherzigkeit gelenkt" (ebd. S. 62.<br />
3) ebd. S. 63.<br />
1) vgl. zum folgenden: Fromm,Erich: Psychoanalyse und Ethik. Frankfurt, Berlin, Wien 1978.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Aspekte des Gewissens sind: Sicherungstendenz der menschlichen Existenz,<br />
Orientierungshilfe in der Unsicherheit des Geschehens und Voraussetzung des<br />
Zweifels. Weil der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist, ist gut, was<br />
menschliches Leben in der Gemeinschaft ermöglicht und erleichtert; böse, was<br />
das Leben in der Gemeinschaft unmöglich macht. 6. Determinismus Freuds<br />
biologisch orientiertes System beinhaltet einen mechanistischen und<br />
reduktionistischen Positivismus; er suchte nach objektiven Ursachen in der<br />
Vergangenheit und in realen Ereignissen, wobei die<br />
Kritik der Freudschen Libido-Theorie wandten sich die Neopsychoanalytiker<br />
verstärkt sozialen und zeitbedingten Problemen zu, wobei die<br />
psychoanalytische Terminologie großzügig gehandhabt wurde. 55 Fromm<br />
definiert das Gewissen als "Mahnruf des Menschen an sich selbst" und<br />
unterscheidet ähnlich wie Money-Kyrle das autoritäre vom humanistischen<br />
Gewissen: (a) Das autoritäre Gewissen entspricht in etwa der<br />
Gewissensdefinition Freuds, wobei Fromm freilich (autoritäres) Gewissen<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 34<br />
62 Klier, Gerhard: Gewissensfreiheit und Psychologie. ..., 1977, S. 55<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 95<br />
Sicht sieht Fromm in der Rückkehr der Psychologie zur humanistischen Ethik.<br />
Deren Gültigkeit will er beweisen, indem er zeigt, daß das Wissen vom Wesen<br />
des Menschen nicht zu ethischem Relativismus führt, sondern zu der<br />
Überzeugung, "daß die Normen einer sittlichen Lebensführung in der<br />
menschlichen Natur selbst begründet sind. Ethische Normen beruhen auf<br />
Eigenschaften, die dem Menschen inhärent sind" 2<br />
Im Rahmen dieser<br />
Beweisführung äußert sich Fromm auch ausführlich zum Gewissen. Dabei<br />
unterscheidet er im Anschluß an seine Trennung von autoritärer und<br />
humanistischer Ethik 3 ein autoritäres von einem humanistischen Gewissen. 3.4.<br />
2. Das autoritäre Gewissen Dem Freudschen<br />
2) ebd. S. 20.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sondern ein psychisches"'3. Leider mußte X. M. dann ins psychiatrische<br />
Krankenhaus gehen. In diesem tragischen Fall sieht man deutlich, daß die<br />
Normen einer sittlichen Lebensführung nicht so " in der menschlichen Natur<br />
selbst begründet" sind, wie Fromm meint, daß also der Mensch durch seinen<br />
Lebens- 7! Der Untersuchungsbefund mit dem Persönlichkeitstest nach R. B.<br />
Cattell ist folgender: Faktoren: A 4; B 2; C 1; E 5; F 4; G 6; H 2; I 5;<br />
L--9; M 5; N 1; O 10; Qi 4; Q" 7; QJ 2; Q* 10; Introvertierte<br />
Einstellung M = 39. Die<br />
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110<br />
3) In der autoritären Ethik stellt eine Autorität Gebote und Normen der Lebensführung auf und<br />
bestimmt, was gut und böse ist. In der humanistischen Ethik dagegen ist der Mensch zugleich<br />
Normgeber und Adressat der Normen. Autoritäre und humanistische Ethik unterscheiden sich<br />
durch ein formales und ein materiales Kriterium: Formal streitet die autoritäre Ethik dem<br />
Menschen die Fähigkeit zur Unterscheidung von gut und böse ab. Normgeber ist immer eine<br />
Autorität, die das Individuum transzendiert. Inhaltlich wird in der autoritären Ethik die Frage<br />
nach gut und böse vom Standpunkt des Nutzens für die Autorität beantwortet (vgl. dazu: ebd.<br />
S. 21-27).<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 75<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 95<br />
zum Gewissen. Dabei unterscheidet er im Anschluß an seine Trennung von<br />
autoritärer und humanistischer Ethik 3<br />
ein autoritäres von einem<br />
humanistischen Gewissen. 3.4.2. Das autoritäre Gewissen Dem Freudschen<br />
Über-Ich entspricht bei Fromm das autoritäre Gewissen. Es " ist die Stimme<br />
einer nach Innen verlegten äußeren Autorität, also der Eltern, des Staates oder<br />
was immer in einer bestimmten Kultur als Autorität gelten mag" 4 . Die<br />
Vorschriften des autoritären Gewissens werden nicht durch eigene Werturteile<br />
bestimmt, sondern nur durch die Forderungen und Tabus der Autorität. So ist<br />
das gute autoritäre Gewissen gleichzusetzen mit dem Gehorsam gegenüber der<br />
Autorität, während im<br />
3) In der autoritären Ethik stellt eine Autorität Gebote und Normen der Lebensführung auf und<br />
bestimmt, was gut und böse ist. In der humanistischen Ethik dagegen ist der Mensch zugleich<br />
Normgeber und Adressat der Normen. Autoritäre und humanistische Ethik unterscheiden sich<br />
durch ein formales und ein materiales Kriterium: Formal streitet die autoritäre Ethik dem<br />
Menschen die Fähigkeit zur Unterscheidung von gut und böse ab. Normgeber ist immer eine<br />
Autorität, die das Individuum transzendiert. Inhaltlich wird in der autoritären Ethik die Frage<br />
nach gut und böse vom Standpunkt des Nutzens für die Autorität beantwortet (vgl. dazu: ebd.<br />
S. 21-27).<br />
4) ebd. S. 158.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Lohn und Strafe lernt das Kind eine neue Regelhaftigkeit kennen, an die es<br />
sich zu halten hat, obwohl sie ihm oft widerstreitet"50. "Das autoritäre Gewissen<br />
ist die Stimme einer nach Innen verlegten äußeren Autorität, also der Eltern,<br />
des Staates oder was immer in einer bestimmten Kultur als Autorität gelten mag" 51<br />
. Der junge Mensch hat in den Reifejahren sein "Gewissen" noch nicht<br />
gefunden, er ringt mit dem Über-Ich. Die Gebote und Verbote des<br />
Elternhauses haben<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 66<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 96<br />
autoritäre) schlechte Gewissen zur Vorbedingung des 'guten' Gewissens wird,<br />
während das gute Gewissen, falls man ein solches hätte, ein Schuldgefühl<br />
auslösen müßte" 1 . Fromm stimmt mit Freud darin überein, daß die Verlegung<br />
der Autorität nach innen " ein bestimmtes Maß an Sadismus und<br />
Zerstörungstrieb" des Individuums gegenüber sich selbst zur Folge hat. Der<br />
Mensch unterwirft sich nicht nur der Autorität, sondern übernimmt selbst deren<br />
Rolle und behandelt sich dann mit der Strenge und Unerbittlichkeit der<br />
Autorität. Fromm stellt fest, " daß das autoritäre Gewissen von einem<br />
Zerstörungstrieb genährt wird, der sich gegen das eigene Ich richtet" 2 . Von<br />
besonderem Interesse sind für uns die Aspekte des autoritären Gewissens, die<br />
Fromm im Eltern-Kind-Verhältnis beobachtet: Viele Patienten sind überhaupt<br />
nicht in der Lage, ihre Eltern zu kritisieren. Andere fühlen sich schuldig und<br />
verängstigt, wenn sie an<br />
1) ebd. S. 165.<br />
2) ebd. S. 165.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
letzte Folgerung ist für das Verständnis des psychologischen Mechanismus des<br />
autoritären Gewissens äußerst wichtig. Der in seiner Produktivität mehr oder<br />
weniger gehemmte autoritäre Charakter entwickelt ein bestimmtes Maß an<br />
Sadismus und Zerstörungstrieb. Diese zerstörerischen Energien werden<br />
entladen, indem man die Rolle der Autorität übernimmt und sich selbst als<br />
Sklaven beherrscht. In seiner Analyse des Über-Ich gab<br />
seinen früheren Schriften tat), der Ursprung des Aggressionstriebes sei in einem<br />
unbefriedigten Triebleben zu suchen, oder - wie er später annahm - im ><br />
Todestrieb
Textstelle (Prüfdokument) S. 98<br />
Kampf um die Freiheit erfolgreicher als für andere, aber" nur wenige können<br />
sich vollständig durchsetzen." 1<br />
3.4.3. Das humanistische Gewissen Vom<br />
autoritären Gewissen, das möglicherweise nur eine Vorstufe in der<br />
Gewissensentwicklung ist, unterscheidet Fromm das humanistische Gewissen<br />
. " Es ist die eigene Stimme, die in jedem Menschen spricht und die von keinen<br />
äußeren Strafen und Belohnungen abhängig ist." Das humanistische Gewissen<br />
ist die Reaktion unserer Gesamtpersönlichkeit auf deren richtiges oder falsches<br />
Funktionieren, wobei die Reaktion nicht auf Einzelfunktionen erfolgt, sondern "<br />
auf alle Fähigkeiten, die unsere menschliche und individuelle Existenz<br />
ausmachen". Es meint die Kenntnis über uns selbst; eine Kenntnis, die sich<br />
nicht allein auf den Geist bezieht, sondern den Charakter einer "<br />
gefühlsbetonten Qualität" als Reaktion der Gesamtpersönlichkeit hat. So ruft<br />
das humanistische Gewissen ein Gefühl<br />
1) ebd. S. 172.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
dienen."11 "B. Humanistisches Gewissen Das humanistische Gewissen ist<br />
nicht die nach innen verlegte Stimme der Autorität, der wir gefallen wollen und<br />
der zu mißfallen wir fürchten; es ist die eigene Stimme, die in jedem Menschen<br />
spricht und die von keinen äußeren Strafen und Belohnungen abhängt. Worin<br />
besteht das Wesen dieser Stimme? Weshalb hören wir sie, und weshalb können<br />
wir gegen sie taub werden? Das humanistische Gewissen ist die Reaktion<br />
unserer Gesamtpersönlichkeit auf deren richtiges oder gestörtes Funktionieren;<br />
keine Reaktion auf das Funktionieren dieser oder jener Fähigkeit, sondern auf<br />
alle Fähigkeiten, die unsere menschliche und individuelle Existenz ausmachen.<br />
Das Gewissen beurteilt, ob wir als menschliche Wesen funktionieren. Gewissen<br />
ist (wie die Wortwurzel con-scientia anzeigt) die Kenntnis über uns selbst, die<br />
Kenntnis über<br />
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56 Stadter, Ernst: Psychoanalyse und Gewissen, 1970, S. 74<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 98<br />
Gefühl der Zustimmung und Richtigkeit hervor bei Handlungen, Gedanken und<br />
Gefühlen, die ein "richtiges Funktionieren" im Sinne der Entfaltung der<br />
Gesamtpersönlichkeit fördern. Im umgekehrten Fall tritt ein Gefühl des<br />
Unbehagens und der inneren Unruhe auf. " Gewissen ist also die Re-Aktion<br />
unseres Selbst auf uns selbst" 2 . Es ist die " Stimme unseres wahren Ich", die uns<br />
mahnt, " zu dem zu werden, was wir nach unseren Möglichkeiten sein könnten."<br />
Gleichzeitig ist es auch "Ausdruck unserer entscheidenden moralischen<br />
Erfahrung im Leben." 1<br />
In ihm zeigen sich unsere Lebensziele und Prinzipien.<br />
Als "Hüter des wahren menschlichen Selbst-Interesses" 2 , als " Stimme unserer<br />
liebenden Besorgtheit um uns selbst" 3<br />
ist das Gewissen umso lebendiger, je<br />
engagierter und produktiver tätig der Mensch lebt. Seine Stimme wird umso<br />
vernehmbarer, je mehr sich der Mensch vom Getöse der ihn umgebenden<br />
Meinungen und Gedanken loslösen und wirklich auf<br />
2) ebd. S. 173.<br />
1) ebd. S. 174.<br />
2) ebd. S. 175.<br />
3) ebd. S. 174.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
rufen Handlungen, Gedanken und Gefühle, die für unsere<br />
Gesamtpersönlichkeit schädlich sind, ein Gefühl der inneren Unruhe und des<br />
Unbehagens hervor. Das charakterisiert das "schlechte Gewissen
Textstelle (Prüfdokument) S. 100<br />
eine erste Entwicklungsstufe des Gewissens, auf der eine Autorität die Gebote<br />
gegeben hat, die in einer späteren Entwicklungsstufe aus<br />
Verantwortungsbewußtsein vor sich selbst vom Menschen anerkannt worden<br />
sind. 3.5. Gewissen und Individuation bei e.G.Jung 3.5.1. Vorbemerkung<br />
Bereits in seinem ersten großen Werk " Wandlung und Symbole der Libido"<br />
setzt sich C.G.Jung 1912 vor allem durch sein Verständnis der Libido als<br />
psychischer Energie schlechthin deutlich von seinem Lehrer Freud ab. Später<br />
schließt er in seine Kritik auch Freuds Über-Ich-Begriff ein. Damit ist nach<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gewissen in diesem Lichte eine neue Interpretation findet. 1. Die analytische<br />
Psychologie C. G. Jungs Noch weiter als A. Adler entfernte sich C. G. Jung<br />
von S. Freud. Das zeigte sich schon in seinem ersten großen Werk " Wandlung<br />
und Symbol der Libido" von 1912, in dem er sich deutlich von Freud absetzte.<br />
Jung verjjtehlAunter Libido die spezifische psychische Energie schlechthin, die<br />
mancherlei Formen annehmen kann.<br />
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63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 37<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 100<br />
durch sein Verständnis der Libido als psychischer Energie schlechthin deutlich<br />
von seinem Lehrer Freud ab. Später schließt er in seine Kritik auch Freuds Über-<br />
Ich-Begriff ein. Damit ist nach Jung nichts weiter gemeint, als der vom<br />
Bewußtsein erworbene Bestand an traditionellem Brauchtum, der sogenannte<br />
Sittenkodex. Neu sei bei Freud nur, daß er die im Einzelfall oft unbewußten<br />
Motive der Moraltradition aufgezeigt habe. 2<br />
Demgegenüber versteht Jung<br />
unter Gewissen eine der Psyche angeborene, strukturelle Eigenschaft im Rahmen<br />
des Individuationsprozesses, die sich auch<br />
2) Jung,Carl Gustav: Das Gewissen in psychologischer Sicht. In: Petrilowitsch, Nikolaus (Hrsg.):<br />
Das Gewissen als Problem. Darmstadt 1966. S. 38-58. hier: S. 41.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
haben, dem Uber-Ich eine besondere Bedeutung zu verleihen. Das FREUDsche<br />
Uber-Ich ist nun nicht ein natürlicher und vererbter Strukturteil der Psyche,<br />
sondern vielmehr der vom Bewußtsein erworbene Bestand an traditionellem<br />
Brauchtum, der sogenannte Sittenkodex, wie er sich zum Beispiel im Dekalog<br />
verkörpert hat. Das Uber-Ich ist ein patriarchales Überkommnis, das als<br />
solches eine bewußte Erwerbung und einen ebenso<br />
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78 o.V.,: Das Gewissen. Zürich 1958 (Studien ..., 1958, S. 188<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 101<br />
als einem Prozeß der Individuation, sowie Rolle und Funktion des Archetypus<br />
Gewissen in diesem Prozeß erarbeitet werden. 3.5.2. Menschliche<br />
Entwicklung als Prozeß der Individuation Die Reifung des Menschen erfolgt<br />
nach Jung im Rahmen der Individuation, worunter " allgemein der Vorgang der<br />
Bildung und Besonderung von Einzelwesen, speziell die Entwicklung des<br />
psychologischen Individuums als eines vom Allgemeinen, von der<br />
Kollektivpsychologie unterschiedenen Wesens" verstanden wird. 1<br />
Der<br />
Individuationsprozeß kann verlaufen als natürlicher, ohne Teilnahme bewußter<br />
Auseinandersetzung, gleichsam autonom verlaufender und als bewußt erlebter<br />
und aktiv gestalteter Prozeß. 2<br />
Sein Ziel ist die individuierte Persönlichkeit, die<br />
ihren Mittelpunkt erreicht hat, den<br />
1) ebd. S. 41.<br />
2) ebd. S. 25.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
gebraucht für den ganzen Reifungsweg des Menschen den Begriff<br />
Individuation. Die Individuation ist mit der Entwicklung der Persönlichkeit und<br />
mit Selbstverwirklichung verknüpft 81 . "Die Individuation ist allgemein der<br />
Vorgang der Bildung und Besonderung von Einzelwesen, speziell die<br />
Entwicklung des psychologischen Individuums als eines vom Allgemeinen, von<br />
der Kollektivpsychologie unterschiedenen Wesens. Die Individuation ist daher<br />
ein Differenzierungsprozeß, der die Entwicklung der individuellen<br />
Persönlichkeit zum Ziel hat"82. Die Individuation ist kein Ziel für sich selbst,<br />
sondern ein<br />
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63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 38<br />
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bewußt erlebter und aktiv gestalteter Prozeß. 2<br />
Sein Ziel ist die individuierte<br />
Persönlichkeit, die ihren Mittelpunkt erreicht hat, den Jung als den Archetypus<br />
des "Selbst" bezeichnet. 3<br />
Dieses Selbst betrachtet Jung dialektisch: es versucht<br />
in jeder Beziehung " die Thesis der reinen, unbewußten Natur und die<br />
Antithesis des Ichs in der Synthesis bewußter Natur zu vereinigen." 4<br />
Der<br />
Individuationsprozeß stellt keine gerade Linie dar. Er ist vielmehr ein<br />
stufenweiser, dessen Vorgänge und Phasen sich in zwei große Abschnitte<br />
gliedern lassen: in die der ersten und die der zweiten Lebenshälfte. Während<br />
ersterer geprägt<br />
2) ebd. S. 25.<br />
3) Jung,Carl Gustav: Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten. Zürich 41945.<br />
S. 175 und 203.<br />
4) Adler,Alfred: Zur analytischen Psychologie. Zürich 1952. S. 147.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
durch das Aufzeigen der Möglichkeit eines opus contra naturam zu ergänzen<br />
und zu vertiefen, ihn gleichsam zu "veredeln". In der trefflichen Formulierung<br />
von G. Adler ausgedrückt: ". . . die Thesis der reinen, unbewußten Natur und<br />
die Antithesis des Ichs in der Synthesis bewußter Natur zu vereinigen !." Es<br />
handelt sich dabei um eine speziell auf das Wesen des abendländischen<br />
Menschen ausgerichtete Vertiefung der Persönlichkeit, wie sie auch in anderen<br />
Kulturgebieten durch entsprechende<br />
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79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 28<br />
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ein stufenweiser, dessen Vorgänge und Phasen sich in zwei große Abschnitte<br />
gliedern lassen: in die der ersten und die der zweiten Lebenshälfte. Während<br />
ersterer geprägt ist vom Naturzweck, steht letzterer unter dem Vorzeichen des<br />
Kulturzwecks. " Während die erste Hälfte des Lebens von Natur aus durch<br />
Expansion und durch Anpassung an die Realität bestimmt wird, liegt die<br />
Restriktion bzw. Reduktion auf das Wesentliche, die Anpassung an die innere<br />
Realität in der Bestimmung der zweiten." 1<br />
Der erste Abschnitt der<br />
Individuation läßt sich als "Initiation in das Erwachsensein" oder als eine "<br />
Initiation in die äußere Wirklichkeit" bezeichnen. 2<br />
In der Begegnung mit der<br />
Umwelt muß das Ich zu einem festen Kern zusammenwachsen. Entscheidend<br />
ist dabei jener Ausschnitt des Ich, den Jung die Persona nennt und deren<br />
Aufgabe darin besteht, eine relativ gleichmäßige,<br />
1) Jacobi,Jolande: a.a.O. S. 34.<br />
2) ebd. S. 42.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
dem die relativ größte Zahl der sind. Ein Ziel, das sich - wenn überhaupt -<br />
meist erst am späten Lebensabend erfüllen läßt. * Etwas verallgemeinernd kann<br />
man sagen: Während die erste Hälfte des Lebens von Natur aus durch<br />
Expansion und durch Anpassung an die Realität bestimmt wird, liegt die<br />
Restriktion bzw. die Reduktion auf das Wesentliche, die Anpassung an die<br />
innere Realität in der Bestimmung der zweiten. Denn "der Mensch hat<br />
zweierlei Zwecke", Diese Begriffe wurden von Charlotte Bühler geprägt. heißt<br />
es bei Jung, "der erste ist der Naturzweck, die Erzeugung<br />
Der Ablauf der ersten Lebenshälfte hat seine eigene Form und seine eigenen<br />
Gesetze, die man als eine "Initiation in das Erwachsensein" oder auch als eine "<br />
Initiation in die äußere Wirklichkeit" bezeichnen könnte. Er bedeutet den<br />
ersten Abschnitt des Weges der Individuation. Der hinter beiden Abschnitten<br />
wirksame Faktor ist das Selbst, jene bewußtseinstranszendente, zentrale<br />
Instanz der<br />
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12.01.2014<br />
119<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 34<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 42<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 102<br />
zusammenwachsen. Entscheidend ist dabei jener Ausschnitt des Ich, den Jung<br />
die Persona nennt und deren Aufgabe darin besteht, eine relativ gleichmäßige,<br />
den jeweiligen Ansprüchen der Zivilisation angepaßte Fassade zu bilden. Die<br />
Persona entsteht aus einer " erfolgreichen Verbindung des Ichideals, d.h. dessen,<br />
was man sich als Ideal vorstellt, mit dem, was als Ideal der jeweiligen<br />
Umgebung gilt und von einem erwartet wird." 3<br />
Jung meint mit Persona also<br />
nicht das, was jemand eigentlich ist, sondern wofür er sich hält und wofür<br />
andere ihn halten. Ohne ausgebildete Persona wirkt der Mensch unsicher und<br />
ist mit seinen Launen und Stimmungen der Umwelt preisgegeben.<br />
Andererseits muß er sich davor hüten, mit seiner Persona identisch zu werden<br />
und damit in seine eigene Maske gefangen zu sein. 4<br />
Als Folge der durch die<br />
Umwelt einseitig gebotenen Entwicklung des Bewußtseins entsteht in der<br />
3) ebd. S. 49.<br />
4) ebd. S. 49.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
hinter" ihr vorhandenen Eigenschaften der Seele ihrer Lebendigkeit zu<br />
berauben. Die Persona läßt sich nur bis zu einem gewissen Grade wählen. Sie<br />
entsteht aus einer erfolgreichen Verbindung des Ichideals, d. h. dessen, was man<br />
sich als Ideal vorstellt, mit dem, was als Ideal der jeweiligen Umgebung gilt und<br />
von einem erwartet wird. Kann sie einem dieser beiden Faktoren nicht gerecht<br />
werden, so vermag sie nicht richtig zu funktionieren und erhält oft einen<br />
unnatürlichen, neurotischen Aspekt. Entwicklung und<br />
man sich bei so einem Menschen halten soll. Jung schreibt, daß man ohne<br />
Übertreibung auch sagen könnte: Die Persona sei das, was einer eigentlich<br />
nicht ist, sondern wofür er sich hält und wofür die anderen Leute ihn halten.<br />
Fehlt also die Persona, so trägt man kein schützendes "Gesicht", sondern ist mit<br />
all seinen Launen und Stimmungen der Umwelt preisgegeben wie ein Kind.<br />
Da sich die Persona - wenn sie eine "gut sitzende" ist - der vorherrschenden<br />
Einstellungs- und Funktionsweise des Individuums bedient, wächst und festigt<br />
sie<br />
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120<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 49<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 102<br />
sich davor hüten, mit seiner Persona identisch zu werden und damit in seine<br />
eigene Maske gefangen zu sein. 4<br />
Als Folge der durch die Umwelt einseitig<br />
gebotenen Entwicklung des Bewußtseins entsteht in der ersten Lebenshälfte<br />
auch " der Schatten als die im Ichaufbau vernachlässigte, abgelehnte Summe<br />
gleichgeschlechtlicher Eigenschaften." 5<br />
Dieser Schatten wächst gleichsam als<br />
der Spiegel des Ich und setzt sich aus verdrängten, wenig oder gar nicht<br />
gelebten psychischen Zügen des Menschen zusammen, die aus moralischen,<br />
sozialen, erzieherischen oder sonstigen Gründen aus dem Leben<br />
ausgeschlossen wurden. Neben diesem " persönlichen Schatten" gibt es nach<br />
Jung auch einen "kollektiven Schatten", in dem das allgemeine Böse, d.h. das<br />
im scharfen Gegensatz zum Zeitgeist stehende enthalten ist. Das Ich und sein<br />
Schatten bilden als Gegensatzpaar eine Ganzheit, der eine "heilende Kraft"<br />
zugeschrieben wird. Von daher hat auch das Bewußtmachen des Schattens<br />
4) ebd. S. 49.<br />
5) ebd. S. 50.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
aber den Vorteil einer im Existenzkampf unerläßlichen Durchschlagskraft. In<br />
der ersten Lebenshälfte entsteht als Folge der durch die Umwelt gebotenen<br />
einseitigen Entwicklung des Bewußtseins auch der Schatten als die im<br />
Ichaufbau vernachlässigte, abgelehnte Summe gleichgeschlechtlicher<br />
Eigenschaften. Der Schatten wächst parallel mit dem Ich, gleichsam als dessen<br />
"Spiegelbild", und setzt sich zusammen aus den teils verdrängten, te.ls wenig<br />
oder gar nicht gelebten psychischen Zügen des Menschen, die von Anfang an<br />
aus moralischen, sozialen, etherischen oder sonstigen Gründen'weitgehend vom<br />
Mitleben ausgeschlossen wurden und darum der Verdrängung bzw.<br />
Abspaltung anheimfielen. Dementsprechend kann<br />
als dessen "Spiegelbild", und setzt sich zusammen aus den teils verdrängten,<br />
teils wenig oder gar nicht gelebten psychischen Zügen des Menschen, die von<br />
Anfang an aus moralischen, sozialen, erzieherischen oder sonstigen Gründen<br />
weitgehend vom Mitleben ausgeschlossen wurden [... ] Außer einem "<br />
persönlichen Schatten" gibt es nach Jung auch einen "kollektiven Schatten", in<br />
dem das allgemein Böse enthalten ist [...]. Darin<br />
weitgehend vom Mitleben ausgeschlossen wurden und darum der Verdrängung<br />
bzw. Abspaltung anheimfielen. Dementsprechend kann der Schatten durch<br />
positive oder negative Qualitäten charakterisiert sein. Außer einem "<br />
persönlichen Schatten" gibt es nach jung auch einen "kollektiven Schatten", in<br />
dem das allgemein Böse enthalten ist (wie z.B. in der Figur des Mephisto). Dann<br />
finden nicht die zur persönlichen Lebensgeschichte des Individuums<br />
gehörenden Inhalte ihren " Ausdruck, sondern solche,<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 50<br />
80 Dokumentation mutmaßlicher Plagiate..., 1979, S. 0<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 50<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 103<br />
das im scharfen Gegensatz zum Zeitgeist stehende enthalten ist. Das Ich und<br />
sein Schatten bilden als Gegensatzpaar eine Ganzheit, der eine "heilende Kraft"<br />
zugeschrieben wird. Von daher hat auch das Bewußtmachen des Schattens<br />
therapeutische Wirkung, indem dadurch die angestrebte Ganzheit des Menschen<br />
ermöglicht wird. 1<br />
Der erste Abschnitt des Individuationsprozesses, der mit der<br />
"Auskristallisierung des Ich" seinen Abschluß findet, soll nach Jung nur dann "<br />
künstlich" gefördert werden, wenn besondere therapeutische oder<br />
schicksalsmäßige Gründe dafür vorliegen. Dazu gehören z.B. eine psychische<br />
Unentwickeltheit, besondere Lebensangst, Neurosen oder auch schwierige<br />
Lebenslagen, zu deren Bewältigung dem Heranwachsenden<br />
1) ebd. S. 52.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
daß das Bewußtmachen des Schattens, das Erschließen seiner Eigenschaften<br />
sowie das Bewußthalten bzw. die Integrierung seiner Inhalte stets mit einer<br />
therapeutischen Wirkung ve, bunden ist, indem dadurch die angestrebte<br />
Ganzheit des Menschen ermöglicht wird. Mit dem Begriff "Integrierung" ist<br />
angedeutet, daß es um mehr geht als um bloßes Wissen über bestimmte<br />
Schatteneigenschaften. Zum Beispiel sollte ein Alkoholiker, um geheilt<br />
daher unange- " C. G. Jung, Aion, S. 55. paßt sein wird. Dies ist nicht weiter<br />
verwunderlich, da er sozusagen stets in der "Verbannung" lebt. Im ersten<br />
Abschnitt des Lebensweges, der mit der Auskristallisierung des Ich seinen<br />
eigentlichen Abschluß findet, soll nach Jung zu einer Hilfe im Sinne der "<br />
künstlich" geförderten Individuaeine psychische Unentwickeltheit, eine<br />
besondere Lebensangst, eine Neurose oder auch eine<br />
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12.01.2014<br />
122<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 52<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 53<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 103<br />
auch schwierige Lebenslagen, zu deren Bewältigung dem Heranwachsenden<br />
die nötigen Erfahrungen fehlen. 2<br />
Der zweite Abschnitt des<br />
Individuationsprozesses setzt da an, wo das gefestigte Ich in einer Rückwendung<br />
auf seinen Ursprung und Schöpfer neue Lebenskraft gewinnt. " Nachdem es<br />
sich vom unbewußten Bereich des Selbst weit wegentwickelt hat, muß das Ich<br />
die Beziehung zu ihm wieder herstellen, sich neu mit ihm verbinden, damit es<br />
nicht wurzellos bleibt und unlebendig wird." 3<br />
So kann man diesen Teil des<br />
Individuationsprozesses auch als "das Herauswachsen des Ich aus dem Selbst<br />
und als eine neue Verwurzelung in ihm" 4<br />
ansehen. Die Wende vom ersten zum<br />
zweiten Abschnitt des Individuationsprozesses variiert von Individuum zu<br />
Individuum und läßt sich somit nicht auf eine bestimmte Zeitspanne festlegen.<br />
Aus dem Ergebnis des Individuationsprozesses - einer Synthese aller<br />
Teilaspekte der bewußten und unbewußten Psyche - geht das Wissen des<br />
Menschen um sein Ausgeliefertsein an eine irrationale Macht hervor. Nach<br />
christlichem Verständnis ist damit<br />
12% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
gleichsam zurückwendet, um aus der Berührung mit seinem Ursprung, dem<br />
schöpferischen seelischen Hintergrund, neue Lebenskraft zu gewinnen und<br />
sich diesmal wissend in ihm zu verankern. Nachdem es sich vom unbewußten<br />
Bereich des Selbst weit wegentwickelt hat, muß das Ich die Beziehung zu ihm<br />
wieder herstellen, sich neu mit ihm verbinden, damit es nicht wurzellos bleibt<br />
und unlebendig wird. Denn "das Ziel der psychischen Entwicklung ist das<br />
Selbst. Es gibt keine lineare Entwicklung, es gibt nur eine Zircumambulation<br />
des Selbst. Eine einsinnige Entwicklung gibt<br />
Eine einsinnige Entwicklung gibt es höchstens am Anfang; später ist alles<br />
Hinweis auf die Mitte 5 ." In diesem Sinne kann man den Individuationsprozeß<br />
auch als ein Herauswachsen des Ich aus dem Selbst und als eine neue<br />
Verwurzelung in ihm betrachten. Diese entscheidende Wendung, die<br />
normalerweise mit dem Übergang von der ersten zur zweiten Lebenshälfte<br />
beginnt, läßt sich nicht auf ein bestimmtes Jahr oder eine<br />
Stufe (zumeist in vier, acht oder zwölf Stufen) bis zur Herstellung des "Steins<br />
der Weisen" fort, der - wiederum in psychologischer Sprache ausgedrückt - das<br />
Selbst symbolisiert. Die "Wende" vom ersten zum zweiten Abschnitt der<br />
Individuation läßt sich zwischen der dritten und vierten "Stufe" des<br />
Wandlungsvorganges lokalisieren. Dort findet nach der "Zerstückelung" der<br />
prima materia in vier Teile, die<br />
das Bewußtseinsfeld noch zu wenig breit, um dem besonderen Dynamismus<br />
weiterer archetypischer Bilder und Figuren zu begegnen. \ ICH UND SELBST<br />
Der Individuationsprozeß erstrebt die Erreichung einer Synthese aller<br />
Teilaspekte der bewußten und unbewußten Psyche. Er scheint auf eine letztlich<br />
unerkennbare, transzendente "Mitte" der Persönlichkeit hinzuweisen, die - um<br />
im Symbolbild zu sprechen - paradoxerweise zugleich auch ihre Peripherie<br />
umschreibt und von "<br />
unterzogen hat, geht eine Haltung hervor, die man mit Recht als "religiös" im<br />
weitesten Sinne bezeichnen darf. Denn dieser "Prozeß" führt ihn zu einem<br />
Wissen um sein Ausgeliefertsein an eine irrationale Macht, die sein<br />
Bewußtsein überragt und die er demütig anzunehmen hat. Dieser "Macht"<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 54<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 92<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 62<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 125<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 104<br />
Gott als Person von transzendenter und metaphysischer Natur gemeint. Einem "<br />
autochthonen religiösen Urdrang" entspricht das Glaubenkönnen des Menschen<br />
als Urfunktion von Geburt an. Sie stellt nach Jung eine angeborene<br />
Notwendigkeit der menschlichen Seele dar, die nicht ohne schwere Schädigung<br />
der psychischen Gesundheit übergangen werden kann. So entspricht das<br />
Ergebnis des Individuationsprozesses dem Bewußtmachen und der<br />
Verarbeitung dieser Urfunktion. Jung sieht die Ursache jeder Neurose in einer<br />
Störung dieser religiösen Urfunktion der Seele. Bei ihrer Hemmung oder<br />
Unterbindung sucht<br />
2) ebd. S. 53.<br />
3) ebd. S. 54.<br />
4) ebd. S. 54.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
verlieh er seit jeher die verschledensten Namen: Vom Christen wird sie "Gott"<br />
genannt,<br />
verschledensten Namen: Vom Christen wird sie "Gott" genannt, nach dessen<br />
Bild der Mensch - wie es in der Bibel steht' - geschaffen wurde. Er stellt sich<br />
diesen " Gott" als Person von transzendenter und metaphysischer Natur vor.<br />
Indem er sich seiner Abhängigkeit von Ihm bewußt wird, erkennt er aber auch<br />
das irdische Maß, auf das er zugeschnitten ist, und vermag sich<br />
als Urfunktion dem Menschen von Geburt her mitgegeben2 Sein spezielles<br />
Ausgerichtetsein auf Gott entspricht für Jung einem autochthonen religiösen<br />
Urdrang, einer angeborenen Notwendigkeit der Seele, die nicht ohne schwere<br />
Schädigung der psychischen Gesundheit übergangen oder verletzt werden kann<br />
. In seiner Auffassung ist jede Neurose im Grunde genommen Ausdruck einer<br />
Störung der "religiösen Funktion" der Seele, die er als ihre<br />
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79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 125<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 105<br />
Psyche. Wie Freud, so versucht auch Jung sie in einem Modell zu<br />
verdeutlichen, das kurz dargestellt werden soll: Jung unterteilt die Psyche als<br />
Gesamtheit aller psychischen Vorgänge in Bewußtsein und Unbewußtes. Mit<br />
Bewußtsein meint er die der Aussenwelt zugewandte Seite der Psyche, d.h.<br />
Funktionen und Tätigkeiten, die die Beziehung psychischer Inhalte zum Ich<br />
unterhalten. Zu diesen Funktionen zählen die reflektierend-urteilenden des<br />
Denkens und Fühlens und die stärker irrational wertenden Funktionen des<br />
Empfindens und Intuierens. Das Unbewußte besteht aus persönlichem und<br />
kollektivem Unbewußtem. Zu ersterem zählt Jung vor allem die "sogenannten<br />
gefühlsbetonten Komplexe, die die persönliche Intimität des seelischen Lebens<br />
ausmachen" 1 , also all das Verdrängte, Vergessene, unterschwellig<br />
Wahrgenommene, Gedachte und Gefühlte, das in enger Beziehung zu den<br />
Erlebnissen des Individuums steht. 2<br />
Demgegenüber sind im kollektiven<br />
Unbewußten " Inhalte und Verhaltensweisen, welche überall und in allen<br />
Individuen cum grano salis dieselben sind", enthalten. 3<br />
Es ist eine in jedem<br />
Menschen vorhandene, allgemein seelische Grundlage überpersönlicher Natur.<br />
Die Inhalte sind völlig undifferenziert und stellen den Niederschlag dessen dar,<br />
was typische Reaktionsweisen der Menschheit seit den Uranfängen sind, in<br />
allgemein<br />
1) Baumhauer,Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens. Limburg 1970. S. 49/50.<br />
2) Jung,Carl Gustav: Psychologische Typen. Zürich 1960. S. 690.<br />
3) Baumhauer,Otto: a.a.O. S. 49.<br />
14% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Kosmos in einem Modell - nicht in einem System! - anschaulich zu machen.<br />
So unterscheidet er zunächst einmal zwischen Bewußtsein und Unbewußtem.<br />
Das Bewußtsein bildet für Jung die der Außenwelt zugewandte Seite der<br />
Psyche. Es entsteht aus einer "älteren unbewußten Psyche ... Die Einheit und<br />
Kontinuität des Bewußtseins ist nämsie könnte wieder verlorengehen." Sein<br />
Zentrum besitzt das lieh eine so<br />
Typenlehre entwickelt hat, und zwar geschieden in zwei Gegensatzpaare: Die "<br />
reflektierend"-urteilenden Funktionen des Denkens und Fühlens, die einander<br />
ebenso gegenüberstehen wie die stärker irrationalen, wertenden Funktionen des<br />
Empfindens und Intuierens. Das Ich schafft sich selbst wieder eine Außenseite,<br />
schafft sich der Außenwelt gegenüber eine Maske, die Jung mit dem Begriff<br />
für die Maske des antiken Schauspielers<br />
versteht. Vgl. C. G. Jung, Die Beziehung zwischen Ich und dem Unbewußten,<br />
Darmstadt 1928, S. 64. Dem Bewußtsein steht gegenüber das Unbewußte. Das<br />
persönliche Unbewußte enthält Vergessenes, Verdrängtes aller Art, das in<br />
enger Beziehung zu den Erlebnissen dieses Individuums steht, a. a. O., S. 687.<br />
Die verdrängten Inhalte bilden einen negativen Aspekt 37 81 81 Vgl. (C. G.<br />
Jung), Erinnerungen, Träume und Gedanken, (Hrsg. A. Jatle), Zürich 1963,<br />
S. 412. 88 C. G. Jung, Psychologische Typen, Ölten - Freiburg 1971, S. 477.<br />
88 Vgl. C. G.<br />
sogenannte kollektive Unbewußte. Ich habe den Ausdruck >kollektiv< gewählt,<br />
weil dieses Unbewußte nicht individueller, sondern allgemeiner Natur ist, d. h.<br />
es hat im Gegensatz zur persönlichen Psyche Inhalte und Verhaltensweisen,<br />
welche überall und in allen Individuen cum grano salis dieselben sind. Es ist,<br />
mit anderen Worten, in allen Menschen sich selbst identisch und bildet damit<br />
eine in jedermann vorhandene, allgemeine seelische Grundlage<br />
überpersönlicher Natur ... Die Inhalte<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 48<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 49<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 2<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 49<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 106<br />
Gefahr, Kampf, Übermacht, Beziehungen der Geschlechter der Kinder und<br />
Eltern zueinander, väterliche und mütterliche Haltungen zu Liebe, Haß, Geburt<br />
und Tod. 1<br />
Jung nennt diese Archetypen von jeher vorhandene "pattern of<br />
behavior". Er meint damit Motive, die in Mythen und Märchen, Träumen und<br />
Delirien mit besonders bildhaftem Gefühlston immer wieder erscheinen. Es<br />
sind schwer interpretierbare Zeichen, die die Herkunft und psychische<br />
Mächtigkeit des kollektiven Unbewußten manifestieren. Die Archetypen sind<br />
die Grundlage alles individuell Seelischen. Der Mensch wird von ihnen nicht<br />
überfallen, sondern vollzieht selbst das archetypische Geschehen als sein je<br />
eigenes. 2<br />
In diesem kollektiven Unbewußten liegt nach Jung der Ort der<br />
1) Jacobi,Jolande: a.a.O. S. 18.<br />
2) Spengler,Ernst: Das Gewissen bei Freud und Jung. Zürich 1964. S. 42f.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
in diesem Zusammenhang? Jung bezeichnet ihn als ein von jeher vorhandenes "<br />
pattern of behaviour" mit erheblicher Dynamik, das biologisch indifferent ist.<br />
Es sind Motive gemeint, die in Mythen und Märchen, Träumen und Delirien<br />
mit besonders bildhaftem Gefühlston immer wieder aufscheinen. Sie<br />
entstammen der überindividuellen Domäne, dem "kollektiven Unbewussten".<br />
Sie sind schwer interpretier bare Zeichen, welche die Herkunft und psychische<br />
Mächtigkeit des kollektiven Unbewussten manifestieren. Weil das kollektive<br />
Unbewusste dem Bewusstsein transzendent ist, dringt es von sich aus, nach<br />
eigener subjektiver Dynamik.durch die archetypischen Gestalten, in das<br />
Bewusstsein und<br />
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126<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 282<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 106<br />
wird von ihnen nicht überfallen, sondern vollzieht selbst das archetypische<br />
Geschehen als sein je eigenes. 2<br />
In diesem kollektiven Unbewußten liegt nach<br />
Jung der Ort der Erfahrbarkeit des Numinosen und ist damit auch das Gewissen<br />
anzusiedeln. " Es ist 'Gottes Stimme', die sich der subjektiven Absicht oft in<br />
schneidendem Gegensatz in den Weg stellt und gegebenenfalls eine höchst<br />
unwillkommene Entscheidung erzwingt." 3<br />
Von daher liefert das Gewissen<br />
einen Spezialfall von "Wissen um oder eine Gewißheit über den emotionalen<br />
Wert jener Vorstellungen (...), welche wir von den Motiven unseres Handelns<br />
haben." 4<br />
Zum Gewissen gehört der elementare Willensakt bzw. ein nicht<br />
bewußt begründeter Antrieb des Handelns und ein Urteil des vernünftigen<br />
Gefühls, d.h. ein Werturteil, das neben objektivem sachlichem Charakter auch<br />
die subjektive Bezugnahme erkennen läßt. 5<br />
Somit gehören<br />
2) Spengler,Ernst: Das Gewissen bei Freud und Jung. Zürich 1964. S. 42f.<br />
3) Jung,Carl Gustav: Das Gewissen in psychologischer Sicht. S. 48.<br />
4) ebd. S. 38.<br />
5) ebd. S. 38.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
dem Begriff Vox-Dei gleichsam unbewusst gesagt werde, dass das Gewissen<br />
ein autonomer psychischer Faktor sei, "worin alle Aussagen, die es nicht<br />
direkt leugnen, Ubereinstimmen ... Es ist 'Gottes Stimme', die sich der<br />
subjektiven Absicht oft in schneidendem Gegensatz in den Weg stellt und<br />
gegebenenfalls eine höchst unwillkommene Entscheidung erzwingt ... Das<br />
Gewissen bedeutet eine Forderung, die sich gegenüber dem Subjekt entweder<br />
überhaupt durchsetzt oder dann wenigstens erhebliche Schwierigkeiten bereitet. 1<br />
Das "falsche" Gewissen hat nach Jung<br />
gelegentlich einfach als "vererbte instinktive Verhaltensweisen". Wir erinnern<br />
uns: Für Jung ist Gewissen ein Spezialfall von Wissen oder Bewußtsein, und<br />
zwar "ein Wissen um oder Gewißheit über den emotionalen Wert jener<br />
Vorstellungen ..., welche wir von den Motiven unseres Handelns haben". Das<br />
heißt, das Gewissen besteht zum einen "aus einem Urteil des vernünftigen<br />
Gefühls", zum andern "aus einem elementaren Willensakt oder aus einem<br />
bewußt nicht begründeten<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 281<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 52<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 107<br />
Gewissen. Während im moralischen Gewissen Forderungen des Sittenkodex'<br />
zum Ausdruck kommen, er somit dem Freudschen Über-Ich enspricht,<br />
bezeichnet das ethische Gewissen eine unmittelbare Funktion des Selbst. Darin<br />
wird der Mensch gegenüber archetypischen Konstellationen aufgefordert, aus<br />
freier Entscheidung Stellung zu nehmen und so seine Individuation zu<br />
vollziehen, bzw. seiner unvertretbaren Bestimmung zu entsprechen. Das<br />
moralische Gewissen meldet sich bei menschlichem Verhalten pro und contra<br />
die Sitte, während das ethische Gewissen im Fall prinzipieller Zweifel<br />
zwischen zwei möglichen moralischen Verhaltensweisen, bei<br />
Pflichtenkollision, in Funktion tritt. Zusammenfassend lassen sich im Gewissen<br />
bei C.G.Jung also zwei Tatbestände feststellen: " einerseits die Erinnerung an<br />
und die Ermahnung durch die Sitte und andererseits die Pflichtenkollision und<br />
ihre Lösung durch die Schöpfung eines dritten Standpunktes. Ersterer ist der<br />
moralische und letzterer der ethische Aspekt des Gewissensaktes." 3 3.6. Viktor<br />
E. Frankl: Gewissen als intuitive Fähigkeit, Sinn zu erkennen 3.6.1.<br />
Vorbemerkung Im Gegensatz zu Freud nimmt Frankl an, daß die Ursache für<br />
Neurosen nicht in unbefriedigten Trieben liegt, sondern im vergeblichen<br />
Ringen des Menschen um Sinn. 1<br />
3) ebd. S. 58.<br />
1) Frankl wirft Freud vor, menschliche Sinnorientiertheit als Triebdeterminiertheit zu verkennen<br />
und des Menschen Verantwortlichkeit wegen dieser fälschlich angenommenen<br />
Determiniertheit zu leugnen (vgl.: Das Menschenbild in der Seelenheilkunde. Stuttgart 1959.<br />
S. 100/101.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Ich, es ist ein "moralischer" Gewissensspruch. Die "ethische" Form des<br />
Gewissens ist eine unmittelbare Funktion des Selbst, das den Menschen<br />
gegenüber bestimmten archetypischen Konstellationen auffordert, aus freier<br />
Entscheidung Stellung zu nehmen und so seine Individuation zu vollziehen,<br />
seiner unvertretbaren Bestimmung zu entsprechen 88 . Was Jung am komplexen<br />
Phänomen des Gewissens besonders interessierte, war eben diese emotionale<br />
moralische Reaktion im Unbewußten, der Archetypus des<br />
zu gelten. Diese Qualifikation verdient es erst, wenn es reflektiert, das heißt<br />
einer bewußten Auseinandersetzung unterzogen wird. Dies ist nur dann<br />
möglich, wenn sich ein prinzipieller Zweifel zwischen zwei möglichen<br />
moralischen Verhaltensweisen, also in einer Pflichtkollision, erhebt. Eine<br />
derartige Situation kann nämlich nur dadurch gelöst werden, daß eine bis dahin<br />
unreflektierte moralische Reaktion zugunsten einer anderen unterdrückt<br />
und sich darum dem Ich als überlegen erweist. Der Begriff und die<br />
Erscheinung des Gewissens enthalten also, wenn aus psychologischer Sicht<br />
betrachtet, zwei verschiedene Tatbestände: einerseits die Erinnerung an und die<br />
Ermahnung durch die Sitte und andererseits die Pflichtenkollision und ihre<br />
Lösung durch die Schöpfung eines dritten Standpunktes. Ersterer ist der<br />
moralische und letzterer der ethische Aspekt des Gewissensaktes." 61 .. , " nH<br />
Eine eindrückliche Illustrierung dessen, was mit "moraliscncrn" wj* "<br />
ethischem"82 Gewissen im Sinne Jungs gemeint ist, hegt in Sp"M B" "<br />
Prometheus und Epimetheus" vor. Jung hat<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 39<br />
81 Jung, Carl Gustav: Das Gewissen in psychologischer Sicht, 1966, S. 0<br />
57 Spengler, Ernst: Das Gewissen bei Freud und Jung. Mi..., 1964, S. 50<br />
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weltoffen und übersteigt die kreatürliche Gegebenheit durch Sinnverleihung und<br />
Verantwortung. 5<br />
Die Existentlale des Menschseins sind Geistigkeit, Freiheit<br />
und Verantwortung, d.h. der Mensch ist nicht per se durch Triebe determiniert<br />
und nicht Produkt von Vererbung und Umwelt. " Er ist ein Wesen, das immer<br />
entscheidet, was es ist. Ein Wesen, das in sich gleichermaßen eine Möglichkeit<br />
birgt, auf das Niveau eines Tieres herabzusinken oder sich zu einem<br />
heiligmäßigen Leben aufzuschwingen." 1<br />
Der Mensch ist letztlich weder vom<br />
Willen zur Lust noch zur Macht, sondern vom Willen zum Sinn durchdrungen.<br />
Menschliche Triebe sind immer schon personifiziert, d.h. alle Triebhaftigkeit<br />
ist beim Menschen immer schon von einer geistigen Stellungnahme<br />
5) Nowak,Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute in tiefenpsychologischer und<br />
theologischer Sicht. S. 44.<br />
1) Frankl,Viktor E.: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. S. 99.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Schmerz und durchglüht vom Leid, wurde er eingeschmolzen auf das<br />
Wesentliche in ihm, auf das Menschliche. Was also ist der Mensch? So fragen<br />
wir nochmals. - Er ist ein Wesen, das immer entscheidet, was es ist. Ein Wesen,<br />
das in sich gleichermaßen die Möglichkeit birgt, auf das Niveau eines Tieres<br />
herabzusinken oder sich zu einem heiligmäßigen Leben aufzuschwingen. Der<br />
Mensch ist jenes Wesen, das immerhin die Gaskammern erfunden hat; aber er<br />
ist zugleich auch jenes Wesen, das in eben diese Gaskammern<br />
hineingeschritten ist<br />
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82 Frankl, Viktor E.: Der Mensch vor der Frage nach dem S..., 1979, S. 68<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 109<br />
zur Macht, sondern vom Willen zum Sinn durchdrungen. Menschliche Triebe<br />
sind immer schon personifiziert, d.h. alle Triebhaftigkeit ist beim Menschen<br />
immer schon von einer geistigen Stellungnahme überformt. 2<br />
Ziel des Menschen<br />
ist es, Sinn zu finden und anderem menschlichen Sein in Form eines Du zu<br />
begegnen und es zu lieben. " Beides, Erfüllung und Begegnung, gibt dem<br />
Menschen einen Grund zum Glück und zur Lust." 3 " Menschsein weist immer<br />
schon über sich hinaus und die Transzendenz ihrer selbst ist die Essenz<br />
menschlicher Entwicklung." So sind die Suche nach Sinn und die Bindung an<br />
Werte aus der Selbsttranszendenz menschlicher Existenz zu verstehen, daraus,<br />
daß der Mensch unmittelbar auf Gott bezogen ist und seine Entwicklung von<br />
daher entelechial bedingt ist. Der Mensch ist nach Frankl das Wesen, das "<br />
letztlich und eigentlich auf der Suche nach Sinn ist. 4<br />
3.6.3. Das Gewissen als<br />
Sinnorgan Auf der Suche nach Sinn wird der Mensch geleitet vom Gewissen,<br />
das als Sinnorgan zu den spezifisch menschlichen Phänomenen gehört. 5<br />
Frankl definiert es " als die intuitive Fähigkeit, den einmaligen und<br />
einzigartigen Sinn, der in jeder Situation verborgen ist, aufzuspüren." 1<br />
Das<br />
Gewissen reicht in eine unbewußte Tiefe, wurzelt in einem unbewußten Grund.<br />
Es ist praelogisch im Sinne eines praemoralischen Wertverständnisses, das<br />
aller expliziten Moral vorausgeht. Frankl nennt es auch irrational, weil es in<br />
seiner unmittelbaren<br />
2) ders.: Grundriß der Existenzanalyse und Logotherapie. In: ders. u.a. (Hrsg.): Handbuch der<br />
Neurosenlehre und Psychotherapie. Bd. III. S. 683.<br />
3) ders.: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. S. 101.<br />
4) ebd. S. 100.<br />
5) ders.: Der Wille zum Sinn. Bern,Stuttgart,Wien 1978. S. 26.<br />
1) Frankl,Viktor E.: Ärztliche Seelsorge. Wien 1966. S. 56.<br />
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Textstelle (Originalquellen)<br />
Wille zum Sinn. Und auf Grund eben dieses seines Willens zum Sinn ist der<br />
Mensch darauf aus, Sinn zu finden und zu erfüllen, aber auch anderem<br />
menschlichen Sein in Form eines Du zu begegnen, es zu lieben. Beides,<br />
Erfüllung und Begegnung, gibt dem Menschen einen Grund zum Glück und zur<br />
Lust. Beim Neurotiker aber wird dieses primäre Streben gleichsam abgebogen<br />
in ein direktes Streben nach Glück, in den Willen zur Lust. Anstatt daß die Lust<br />
das<br />
sei es eben ein Sinn, den er erfüllt, oder anderes menschliches Sein, dem er<br />
begegnet. So oder so: Menschsein weist immer schon über sich selbst hinaus,<br />
und die Transzendenz ihrer selbst ist die Essenz menschlicher Existenz. Ist es<br />
also nicht so, daß der Mensch eigentlich und ursprünglich darnach strebt,<br />
glücklich zu sein? Hat denn nicht selbst Kant zugegeben, daß dies<br />
trotzdem jedem Standort nur eine richtige Perspektive: "Es gibt demnach<br />
eineabAsolute Richtigkeit nicht trotz, sondern gerade wegen perspektivischer<br />
Realität"'1. Wert und Sinn sind also nur aus der Selbsttranszendenz<br />
menschlicher Existenz zu verstehen. Deshalb kann auch der Arzt nicht dem<br />
Leben des Patienten einen Sinn geben, denn Sinn kann man überhaupt nicht<br />
geben, " Vgl. L. Binswanger, Henrik Ibsen und<br />
auf der Suche nach Sinn* Der Titel umreißt mehr als ein Thema: er umfaßt<br />
eine Definition, zumindest eine Interpretation des Menschen. Eben als eines<br />
Wesens, das letztlich und eigentlich auf der Suche nach Sinn ist. Der Mensch<br />
ist immer schon ausgerichtet und hingeordnet auf etwas, das nicht wieder er<br />
selbst ist, sei es eben<br />
eine Manifestation der menschlichen Fähigkeit zur 115 Vgl. a. a. O., S. 683. A.<br />
a. O., S. 682. 117 A. a. O., S. 686. Selbstdistanzierung ist, während sich durch<br />
die Liebe menschliche Fähig- keit zur Selbsttranszendenz manifestiert"111.<br />
Frankl definiert schließlich das Gewissen " als die intuitive Fähigkeit, den<br />
einmaligen und einzigartigen Sinn, der in jeder Situation verborgen ist,<br />
aufzuspüren. Mit einem Wort, das Gewissen ist ein Sinn-Organ"111. Mit Recht<br />
82 Frankl, Viktor E.: Der Mensch vor der Frage nach dem S..., 1979, S. 100<br />
82 Frankl, Viktor E.: Der Mensch vor der Frage nach dem S..., 1979, S. 99<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 92<br />
82 Frankl, Viktor E.: Der Mensch vor der Frage nach dem S..., 1979, S. 99<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 46<br />
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Sein-Sollendes, also nichts Wirkliches, sondern ein erst zu Verwirklichendes.<br />
Zur Realisierung der im Gewissen erschlossenen zu-sollenden Möglichkeiten<br />
bedarf es der geistigen Antizipation, die nach Frankl in einem Akt der Schau<br />
durch Intuition geschieht. " So erweist sich das Gewissen als eine wesentlich<br />
intuitive Funktion: Um das zu Realisierende zu antizipieren, muß das Gewissen<br />
es zuvor intuieren; und in diesem Sinne ist das Gewissen, ist das Ethos<br />
tatsächlich irrational und nur nachträglich rationalisierbar." 3<br />
Das Gewissen in<br />
der Existenzanalyse Frankls hat nichts zu tun mit dem Über-Ich Freuds. So wie<br />
sich Liebe genetisch nicht aus dem Es ableiten läßt, so kann nach Frankl das<br />
Gewissen nicht auf das Über-Ich reduziert werden. Das Gewissen kommt<br />
überall da nicht zu Wort,<br />
3) ebd. S. 67.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
irgendwie antizipiert wird. Dieses Antizipieren, diese geistige Vorwegnahme<br />
erfolgt nun in dem, was man Intuition nennt: die geistige Vorwegnahme<br />
geschieht in einem Akte der Schau. So erweist sich das Gewissen als eine<br />
wesentlich intuitive Funktion: um das zu Realisierende zu antizipieren, muß das<br />
Gewissen es zuvor intuieren; und in diesem Sinne ist das Gewissen, ist das<br />
Ethos tatsächlich irrational und nur nachträglich rationalisierbar. Kennen wir<br />
aber nicht ein Analogon - ist nicht auch der Eros ebenso irrational, ebenso<br />
intuitiv? Tatsächlich intuiert auch die Liebe; auch sie erschaut nämlich ein<br />
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58 Bally, Gustav: Die Psychologie Sigmund Freuds, 1959, S. 675<br />
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Ich Freuds. So wie sich Liebe genetisch nicht aus dem Es ableiten läßt, so kann<br />
nach Frankl das Gewissen nicht auf das Über-Ich reduziert werden. Das<br />
Gewissen kommt überall da nicht zu Wort, wo Furcht vor Strafe, Hoffnung auf<br />
Lohn oder der Wunsch, dem Über-Ich zu gefallen, menschliches Entscheiden<br />
und Handeln bestimmen. 4<br />
Liebe und Gewissen sind spezifisch humane<br />
Prinzipien in der Weise, " daß das Gewissen eine Manifestation der<br />
menschlichen Fähigkeit zu Selbstdistanzierung ist, während sich durch die<br />
Liebe menschliche Fähigkeit zur Selbsttranszendenz manifestiert." 1<br />
Man<br />
könnte geneigt sein, die intuitive Erschließung individueller<br />
Wertmöglichkeiten durch das Gewissen als instinktiv zu betrachten und danach<br />
das Gewissen im Gegensatz zur praktischen Vernunft als ethischen Instinkt zu<br />
verstehen. Frankl stellt demgegenüber fest, daß der Instinkt immer auf<br />
Allgemeines zielt und wesentlich schematisch ist, d.h. das Tier reagiert gemäß<br />
seiner Instinkte auf bestimmte Merk- und Wirkmale immer nur nach einem<br />
festen Schema, das<br />
4) ebd. S. 61.<br />
1) Frankl,Viktor E.: Der Pluralismus der Wissenschaften und die Einheit des Menschen. In:<br />
Petrilowitsch, Nikolaus (Hrs.): Die Sinnfrage in der Psychotherapie. Darmstadt 1972. S. 494.<br />
18% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
läßt. Ist es doch von einer Art Erwartungsangst diktiert, nämlich der<br />
ängstlichen Erwartung von Strafe. Das Gewissen hat mit dergleichen Ängsten<br />
nichts zu tun. Solange Furcht vor Strafe, Hoffnung auf Lohn oder der Wunsch,<br />
dem Über-Ich zu gefallen, menschliches Verhalten bestimmen, ist ja das<br />
Gewissen noch gar nicht zu Worte gekommen. Lorenz war vorsichtig genug,<br />
um von "moralanalogem Verhalten bei Tieren" zu sprechen. Anders<br />
das Uber-Ich ebensowenig reduzieren, wie sich die Liebe genetisch vom Es<br />
ableiten läßt. Liebe und Gewissen sind ebenfalls spezifisch humane Phänomene,<br />
und zwar so, " daß das Gewissen eine Manifestation der menschlichen<br />
Fähigkeit zur 115 Vgl. a. a. O., S. 683. A. a. O., S. 682. 117 A. a. O., S. 686.<br />
Selbstdistanzierung ist, während sich durch die Liebe menschliche Fähig- keit<br />
zur Selbsttranszendenz manifestiert"111. Frankl definiert schließlich das<br />
Gewissen "als die intuitive Fähigkeit, den einmaligen und einzigartigen Sinn,<br />
der in jeder Situation verborgen ist,<br />
Gewissen solche konkreten, individuellen Wertmöglichkeiten intuitiv<br />
erschließt, wäre man nun geneigt dazu, den Weg, auf dem es das bewerkstelligt,<br />
als instinktiven zu bezeichnen und demzufolge das Gewissen, im Gegensatz<br />
zur "praktischen Vernunft", als ethischen Instinkt anzusprechen. Nur zeigte<br />
sich dann alsbald bei näherem Zusehen, daß dieser ethische Instinkt in einem<br />
nicht unwesentlichen Gegensatz steht zu dem, was man als Instinkt<br />
82 Frankl, Viktor E.: Der Mensch vor der Frage nach dem S..., 1979, S. 64<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 45<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 46<br />
82 Frankl, Viktor E.: Der Mensch vor der Frage nach dem S..., 1979, S. 67<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 111<br />
daß der Instinkt immer auf Allgemeines zielt und wesentlich schematisch ist, d.<br />
h. das Tier reagiert gemäß seiner Instinkte auf bestimmte Merk- und Wirkmale<br />
immer nur nach einem festen Schema, das für alle in gleicher Weise gilt. Der<br />
vitale Instinkt vernachlässigt das Individuelle. 2<br />
Ganz anders funktioniert nach<br />
dem beschriebenen Verständnis Frankls das Gewissen: Es gibt dem Menschen<br />
Antwort auf konkrete Lebensfragen, indem es "das Eine, das not tut" erschließt,<br />
womit " jene einmalige und einzigartige Möglichkeit einer konkreten Person in<br />
einer konkreten Situation" gemeint ist. 3<br />
Das Gewissen erschließt somit<br />
individuelles Sein-Sollendes, das aufgrund seiner Individualität von keinem<br />
generellen und allgemein formulierten Gesetz gefaßt werden kann. Im Aufweis<br />
von zu verwirklichendem Sollen in einer konkreten Situation erschließt das<br />
2) "Die Wirksamkeit dieses Instinktschemas steht und fällt also damit, daß es nur allgemein gilt,<br />
daß es nur nach dem Gesetz der allgemeinen Zahl gilt, während es im Einzelfall nicht nur<br />
versagt, sondern das Einzelwesen geradezu dazu verführt, unter gewissen Umständen zwar<br />
durchaus instinktgemäß, aber gerade darum ausgesprochen zweckwidrig 'unvernünftig' sich<br />
zu verhalten. Dasselbe instinktive Reaktionsschema, das etwa der Majorität der Ameisen, dem<br />
ganzen Ameisenstaat, das Leben erhält oder rettet, kann die einzelne Ameise unter<br />
Umständen um ihr Leben bringen" (ders.: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. S. 68.).<br />
3) ebd. S. 67.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
das Leben erhält oder rettet, kann die einzelne Ameise unter Umständen um ihr<br />
Leben bringen. Das wird, vom Instinkt aus gesehen, eben in Kauf genommen:<br />
Der vitale Instinkt vernachlässigt das Individuelle. Ganz anders, ja im<br />
Gegensatz dazu wird nun die Wirksamkeit des ethischen Instinkts gerade<br />
dadurch gewährleistet, daß er eben nicht auf Allgemeines, sondern immer nur<br />
auf Individuelles<br />
Aufgabe des Gewissens nämlich darin, dem Menschen "das Eine, was not tut",<br />
zu erschließen. "Dieses Eine aber ist ein jeweils Einziges. Es geht dabei um<br />
jene einmalige und einzigartige Möglichkeit einer konkreten Person in ihrer<br />
konkreten Situation." Es geht beim Gewissen also um keine allgemein<br />
formulierten moralischen Gesetze, sondern "um etwas absolut Individuelles,<br />
um ein individuelles >Sein-sollen
Textstelle (Prüfdokument) S. 112<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
bemüht sich um eine möglichst gesamtheitliche Erfassung des Menschen, Bios, Psyche und Person, Freiburg - München 1957, S. 313 335. Die<br />
deren oberste Gesetzmäßigkeit die progressive Personalisation ist. 1 3.7.2. progressive Personalisation hat weder mit dem totalen Narzißmus des Todes (<br />
Menschliche Entwicklung als Prozeß der Personalisation Personalisation nach Freud) noch mit der Individuation (Jung), noch sogar mit der<br />
Caruso ist weder gleichsetzbar mit der Individuation bei CG.Jung noch mit der<br />
Vergesellschaftung des Ichs in der Psychologie Adlers. Personwerden bedeutet<br />
Vergesellschaftung des Ichs in der Psychologie Adlers zu tun. Das<br />
Wesentliche der nämlichen Entwicklung ist nicht das Individuumwerden,<br />
nicht Individuumwerden. Das Ziel der Personalisation ist nicht ein Maximum sondern das Personwerden, und das Ziel der > Personalisation ist keineswegs<br />
an Individuation, sondern deren Optimum. " Die überoptimale Steigerung der ein Maximum an Individuation, sondern deren Optimum. ~A Die überoptimale<br />
Individuation würde Isolation bedeuten. Die Personalisation hingegen, als Steigerung der Individuation würde Isolation bedeuten. Die Personalisation<br />
Optimum der Realisation zwischen Individuellem und Gemeinschaftlichen, hingegen, als Optimum der Realisation zwischen Individuellem und<br />
geht letztlich nicht 'auf Kosten' der Spezies, sondern stellt deren eigentliche, Gemeinschaftlichem, geht letztlich nicht "auf Kosten" der Spezies, sondern<br />
bestmögliche Entfaltung dar." 2<br />
Insofern ist Person-Werdung "typisch-human stellt deren eigentliche, bestmögliche Entfaltung dar ( in diesem Sinne ist "<br />
". Sie vollzieht sich dialektisch, " denn die Widersprüche zwischen der<br />
Person werden" auch "typisch-human" werden); I. A. Caruso, a.a.O., S. 417 418.<br />
Determination des Leibes und der Freiheit des Geistes bilden eine<br />
Die progressive Personalisation ist charakterisiert durch a) Symbolisation, denn<br />
Persönlichkeit." 1<br />
Da Sinn und Aufgabe menschlichen Daseins nach Caruso an jede Entwicklungsstufe hat ihre Integration, in<br />
eine absolute und transzendente Ordnung von Werten gebunden ist, gehört zur<br />
Die psychologische Orientierung Carusos konzentriert sich auf den Übergang<br />
Person-Werdung die Reifung auf diese transzendente Ordnung hin.<br />
aus dem Zustand des Unbewußten zum Bewußtsein. Die Entwicklung des<br />
Entwicklung meint, " durch Widerspruch und unzählige Versuche überzugehen<br />
Menschen kann man bloß dialektisch verstehen, denn die Widersprüche<br />
zu höheren, differenzierteren Formen." 2<br />
Der ontogenetische Prozeß der<br />
Personalisation zielt darauf, daß die Person im Laufe ihrer Entwicklung<br />
weniger determiniert und weniger heteronom wird. Man muß den Menschen<br />
auf jeder Stufe der Entwicklung als Person verstehen, gleichzeitig besteht aber<br />
die Aufgabe des Menschen darin, immer mehr Person zu werden, denn " die<br />
Person ist nicht die Summe eines abstrakten Individuums und einer ebenso<br />
abstrakten statischen Umwelt, sondern die Person ist ein sich wahrscheinlich<br />
quantenhaft ausdehnendes einheitliches Wirkfeld." 3<br />
Caruso bezeichnet die<br />
Person schließlich als " ein inkommunikables Gestaltungsprinzip, das sowohl<br />
ein Optimum an Individuation innerhalb der Spezies als auch an Beziehungen<br />
zum Du, zu sich selbst, zur Welt darstellt." 4<br />
Ein stets Bewußtwerden der<br />
Entfremdung von Natur und Welt bildet den Weg der Befreiung, der<br />
Personalisation. Insofern ist dieser Prozeß ein dialektischer: "<br />
zwischen der Determination des Leibes und der Freiheit des Geistes bilden eine<br />
Persönlichkeit. Die Entwicklung bedeutet " durch Widerspruch und unzählige<br />
Versuche überzugehen zu höheren, differenzierteren Formen"'19. Sogar das<br />
Leben kann man nicht anders verstehen, als nur in dialektischer Sicht, und zwar<br />
als Strukturisation, Organisation, Vitalisation, Hominisation und<br />
Personalisation'30. 128<br />
A. a. o., s. 11. 12' Vgl. a a. O., S. 13. Caruso erfaßt<br />
mit der Zeit weniger determiniert und weniger heteronom ist. Den Menschen<br />
muß man auf jeder Stufe der Evolution als Person verstehen, aber seine<br />
Aufgabe ist, immer mehr Person zu werden, denn " die Person ist nicht die<br />
Summe eines abstrakten Individuums und einer ebenso abstrakten statischen<br />
Umwelt, sondern die Person ist ein sich wahrscheinlich quantenhaft<br />
ausdehnendes einheitliches Wirkfeld"131. Schließlich bezeichnet Caruso die<br />
Person als " ein inkommunikables Gestaltungsprinzip, das sowohl ein Optimum<br />
an Individuation innerhalb der Spezies als auch an Beziehungen zum Du, zu<br />
sich selbst, zur Welt darstellt"132. Der Mensch ist in sich widerspruchsvoll, er<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 2<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 47<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 48<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 113<br />
Die Person steht im Brennpunkt dieser zwei Polarisierungen, die<br />
Gleichgewicht suchen, indem sie sich widersprechen und dadurch die<br />
Dialektik der Personalisation ermöglichen." 5 3.7.3. Das personale Gewissen<br />
als angeborener auslösender Mechanismus für Wertbezüge Caruso beschreibt<br />
das Gewissen als gelebte, wenn auch manchmal nicht bewußte Sicherheit einer<br />
Transzendenz und als eine Qualität des Menschseins. 1<br />
Es ist ein auf<br />
Weltoffenheit hin rezeptorisch angelegtes angeborenes Schema. In der<br />
symbolischen Gestalt des Über-Ich wird die Gewissensfunktion geprägt und<br />
eingelebt, d.h. das Über-Ich scheint für Caruso "Verteidigungsmechanis mus<br />
auf dem Wege zum Gewissen, ist " die provisorische faktische Repräsentanz<br />
des Gewissens, das in der progressiven Personalisation dialektisch überwunden<br />
werden muß". 2<br />
Die Über-Ich Lehre wertet Caruso als ernst zu nehmende<br />
Zeiterscheinung, die den Subjektivismus seiner Zeit und das "Janusgesicht<br />
jeglichen Subjektivismus" zeigt. 3<br />
Sie besagt zum einen, daß die eigene<br />
individuelle Intention das eigene individuelle Motiv<br />
1) vgl. dazu vor allem: Caruso,Igor A. (und Mitarbeiter): Bios,Psyche und Person. Freiburg 1957.<br />
2) Nowak,Antoni J.: a.a.O. S. 47. Anm. 128. Darin bezieht sich Nowak auf Caruso,Igor A. : a.a.O.<br />
S. 417-418.<br />
1) ebd. S. 47.<br />
2) Caruso,Igor A.: Der Vorstoß ins Weltall als psychologisches Problem. In: Der Psychologe. 11 (<br />
1960). Heft 12. S. 466.<br />
3) ders.: Person und Symbol. In: Jahrbuch für Psychologie und Psychotherapie. 2/3 (1955). S. 124.<br />
4) ders.(und Mitarbeiter): Bios,Psyche und Person. S. 420.<br />
5) ders.: Soziale Aspekte der Psychoanalyse. Stuttgart 1962. S. 56.<br />
1) ders.: Tiefenpsychologie und Angst. In: Anima.3 (1953). S. 247.<br />
2) Nowak,Antoni J.: a.a.O. S. 50/51.<br />
3) Caruso,Igor A.: Person und Gewissen. In: Jahrbuch für Psychologie und Psychotherapie. 2 (<br />
1954). Heft 4. S. 341-353. hier: S. 344.<br />
14% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ist von der Natur und von der Welt, die er noch nicht vermenschlicht hat,<br />
entfremdet; er hat ein<br />
der Welt, die er noch nicht vermenschlicht hat, entfremdet; er hat ein stetes<br />
Bewußtwerden der Entfremdung, die zugleich ein Weg der Befreiung, der<br />
Personalisation, ist. " Die Person steht im Brennpunkt dieser zwei<br />
Polarisierungen, die Gleichgewicht suchen, indem sie sich widersprechen und<br />
dadurch die Dialektik der Personalisation ermöglichen"133. Die neue Richtung<br />
in der Tiefenpsychologie, die Caruso begründet hat, können wir als "Phase der<br />
Synthese" bezeichnen, oder besser, als "personale Analyse"134. lsl I. A. Caruso,<br />
Person<br />
und also gewertet wird"138. Freud hat das Gewissen (Uber-Ich) als<br />
Verbotsinstanz verstanden, die von außen eingeprägt worden ist; für Caruso ist<br />
das Gewissen die gelebte, wenn auch manchmal nicht bewußte Sicherheit einer<br />
Transzendenz und eine Qualität des Menschseins140. Das Über-Ich scheint<br />
deshalb als ein Verteidigungsmechanismus auf dem Wege zum Gewissen. Im<br />
Über-Ich-Verhalten sieht Caruso also lediglich<br />
also das (zerfallende) Schema gerade im Überschreiten der jeweiligen<br />
faktischen Entwicklungsgrenzen aus. Jede Fixierung an eine geschlossene<br />
Umwelt ist eine Entäußerung, Entfremdung." "Die Gewissensfunktion wird<br />
der symbolischen Gestalt des Über-Ich geprägt und eingelernt. Bei dem<br />
Menschen ist es paradoxerweise ein Charakteristikum des angeborenen<br />
auslösenden Schemas, daß die das Schema modifizierende Lernfähigkeit<br />
praktisch unbegrenzt offen ist (<br />
die Weltoffenheit hin rezeptorisch angelegtes angeborenes Schema. Die<br />
Gewissensfunktion wird in der symbolischen Gestalt des Uber-Ich geprägt und<br />
eingelernt. Schließlich ist das Uber-Ich die provisorische faktische<br />
Repräsentanz des "Gewissens, das in der progressiven Personalisation<br />
dialektisch überwunden werden muß. Das Gewissen ist also kein Erbe des Uber-<br />
Ich, sondern im Gegenteil, es ist ein angeborener auslösender Mechanismus,<br />
der sich durch verschiedene Stufen entwickelt, wie<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 48<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 50<br />
34 Dienelt, Karl: Anthropologie des Jugendalters, 1974, S. 92<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 51<br />
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Es ist doch ein existentieller Wunsch des Menschen, frei zu sein von Zwang,<br />
sich frei von Angst und Unterdrückung zu fühlen und in großem Ausmaß über<br />
das eigene Leben und seine Gestaltung bestimmen zu können. Dast ist der<br />
existentielle Drang zur Selbstbestimmung, die zugleich eine Stufe zum<br />
personalen Gewissen darstellt. Eine nicht-dirigierende Aktivität von<br />
Erwachsenen wird hier notwendig und<br />
Auseinandersetzung mit der von Eltern und Gesellschaft repräsentierten<br />
Wertwelt. Ihr Ziel ist es, das Über-Ich zu überwinden und zur<br />
Selbstbestimmung zu finden. Der existenzielle Drang des Menschen zu<br />
Freiheit und Selbstbestimmung zu kommen und über das eigene Leben und<br />
seine Gestaltung bestimmen zu können, entspricht einer Stufe zum personalen<br />
Gewissen. " Eine normale, gesunde Persönlichkeitsentwicklung ist dadurch<br />
gekennzeichnet, daß allmählich an die Stelle des in der Kindheit anerzogenen<br />
Über-Ichs das tritt, was wir mit Caruso als "personales Gewissen" bezeichnen." 2<br />
Dieses personale Gewissen ist nicht statisch, sondern dynamisch in der Weise,<br />
als es ermöglicht, gegebene Möglichkeiten zu prüfen, sich auseinanderzusetzen<br />
, ohne Zwang und Ängstlichkeit Verantwortung auf sich zu nehmen, " denn<br />
Moral im Werden ist doppeldeutig, ambivalent; verwirklichte Moral ist<br />
höchste Ordnung in Freiheit." 3<br />
Gewissensbildung meint bei Caruso immer ein<br />
pädagogisches Bezugssystem. Sie ereignet sich in einem Interaktionsprozeß<br />
zwischen Kind und Eltern bzw. im mitmenschlichen Bezugssystem, in dem die<br />
angeborene Befähigung zur Wertbindung entfaltet wird. 4<br />
3.8. Auswertung Der<br />
Name "Tiefenpsychologie" wurde<br />
Aggressivität, Kindchenschema und ähnliches. Zum Funktionieren der Schemen<br />
nimmt nur die Person Stellung, jedoch wiederum nicht idealistisch, sondern<br />
durch die Vermittlung des geprägten Uber-Ichs""4. Eine normale, gesunde<br />
Persönlichkeitsentwicklung ist dadurch gekennzeichnet, daß allmählich an die<br />
Stelle des in der Kindheit anerzogenen Uber-Ichs das tritt, was wir mit Caruso<br />
als "personales Gewissen" bezeichnen. 144 Aus einem Brief I. A. Carusos (mit<br />
seiner Zustimmung zitiert), Wien, 14. November 1967, IAC/LW, geschrieben<br />
an den Verfasser. II. Teil Zur Psychogenese des Gewissens Es gibt<br />
spezifische menschliche<br />
ist elastisch im Sinne einer gegebenen Möglichkeit, zu prüfen, sich<br />
auseinanderzusetzen, hat nichts mit einem Zwang zu tun, ist nicht ängstlich, ist<br />
reif geworden, die Verantwortung auf sich zu nehmen, denn "Moral im Werden<br />
ist doppeldeutig, ambivalent, verwirklichte Moral ist höchste Ordnung in<br />
Freiheit"55. a) Selbstbestimmung Wenn wir von einem personalen Gewissen<br />
sprechen, dann denken wir nicht an die Strenge und an den Zwang des Uber-<br />
Ichs, sondern an den<br />
religiöse Inhalte. Man "ererbt" funktional was wir "Gewissen" nennen. Anders<br />
wäre es nicht denkbar, daß so große Unterschiede im Gewissensverhalten<br />
auftreten. "Gewissensbildung" betont I. A. Caruso "ereigne sich in einem<br />
Interaktionsprozeß zwischen Kind und Eltern bzw. immer in einem "<br />
mitmenschlichen Bezugssystem"4. Damit stellt sich Gewissensbildung als<br />
pädagogisches Bezugssystem dar. 1. Lustprinzip und Realitätsprinzip Freud<br />
hat in allen Phasen seines Werkes das Lustprinzip<br />
Erlösungslehre. Obwohl die Tiefenpsychologie die Religion ernstnimmt, so<br />
kann sie doch weder Religion ersetzen noch Seelsorge vertreten2. 1.<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 70<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 51<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 69<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 53<br />
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von Freud geschaffen 1 , um den Unterschied zwischen der damals<br />
herrschenden akademischen Bewußtseinspsychologie und seiner Psychologie<br />
herauszustellen. Während Freud diesen Begriff als Synonym für "<br />
Psychoanalyse" benutzt, wird im allgemeinen Sprachgebrauch - ausgehend von<br />
der Begriffsverwendung der Bewußtseinspsychologen - unter "<br />
Tiefenpsychologie" das Gesamt aller psychologischen Schulen inklusive der<br />
Psychoanalyse verstanden, die mit dem Begriff des Unbewußten operieren. 2<br />
So<br />
bilden den Ausgangspunkt unserer Auswertung die in der Tiefenpsychologie<br />
beachteten und analysierten unbewußten psychischen Erlebnisse und Vorgänge<br />
in ihrer Bedeutung für die psychische Gesundheit des Menschen<br />
2) Nowak,Antoni J.: a.a.O. S. 51.<br />
3) Caruso,Igor A.: Schema,Gewissen und Neurose. In: Frankl,Viktor u.a. (Hrsg.): Handbuch der<br />
Neurosenlehre und Psychotherapie. München 1959. Band II. S. 727-732. hier: S. 730.<br />
4) Nowak,Antoni J.: a.a.O. S. 53 (nach: Caruso,Igor A.: Über Gewissensbildung.<br />
Vorlesungsskriptum. WS 1969. S.7).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Tiefenpsychologie und Psychoanalyse Der Name "Tiefenpsychologie" wurde<br />
zuerst von Freud geschaffen3, um den Unterschied zwischen seiner<br />
Psychologie und der herrschenden akademischen Bewußtseinspsychologie zu<br />
begründen. Er gebrauchte das Wort strikt als Synonym von "Psychoanalyse" 4<br />
. Im Sprachgebrauch der Bewußtseinspsychologen, die die Ablehnung der<br />
Bewußtseinspsychologie durch Freud unwillkürlich introjiziert haben, bedeutet<br />
das Wort " Tiefenpsychologie" das Gesamt aller psychologischen Schulen,<br />
inklusive der Psychoanalyse, die mit dem Begriff des Unbewußten operiert.<br />
Dieser Sprachgebrauch ist sozusagen allgemein und weist auf die<br />
psychologische Systematik mit Einbeziehung der unbewußten Motivationen<br />
des Verhaltens<br />
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1) vgl. dazu: Freud,Sigmund: Das Interesse an der Psychoanalyse. G.W. VIII. S. 398: "Man darf<br />
es wohl aussprechen, daß das psychoanalytische Studium der Träume den ersten Einblick in<br />
eine bisher nicht geahnte Tiefenpsychologie eröffnet hat."<br />
2) Den Unterschied zwischen Psychoanalyse und Tiefenpsychologie beschreibt Nowak wie folgt:<br />
Mit Psychoanalyse sei "in erster Linie eine Methode der seelischen Heilbehandlung<br />
dargestellt, eine Analyse der Tiefenseele nach verdrängten unbewußten Inhalten, die das<br />
bewußte Denken und Handeln stören. ... Das Wort 'Tiefenpsychologie' unterstreicht mehr den<br />
allgemein theoretischen und systematischen Aspekt der Disziplin" (Nowak,Antoni J.: a.a.O. S.<br />
14).<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 12<br />
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uns von Bedeutung sind hierbei jene Fallbeispiele, die die Reaktionen des<br />
kindlichen Gewissens betreffen. Zulliger stellt heraus, daß das Kind zur<br />
Gewissensbildung eines Partners bedarf. Diese Bindung - meist die zwischen<br />
dem Kind und seinen Eltern - ist entweder auf Liebe oder auf Angst gegründet,<br />
meist sind beide Faktoren gepaart. So schildert er das Beispiel eines<br />
zweieinhalbjährigen Jungen, der vor einem Kirschbaum steht und gerne von<br />
den reifen Früchten essen möchte. " Er sagt aber zu sich selber: 'Nicht nehmen,<br />
hat Mutti nicht gern, wird traurig', und er trollt von dannen." Eine Gleichaltrige<br />
klopft sich in ähnlicher Situation strafend auf ihr Händchen und sagt: "' Mutti<br />
gibt Schläge, Mädi' - das heißt Mädchen - 'darf nicht nehmen'." 1<br />
Bei beiden<br />
Kindern kommen Gewissensregungen zum Ausdruck. Während dem Jungen<br />
sein Gewissen etwas verbietet, weil er seine Mutter nicht enttäuschen möchte,<br />
nach Zulliger sein Verhalten somit ein Ausfluß seiner Liebe zur Mutter ist,<br />
entspricht beim<br />
1) Zulliger,Hans: Psychoanalyse und die Entwicklung und Erziehung des Gewissens (1957). In:<br />
Cremerius,Johannes (Hrsg.): Psychoanalyse und Erziehungspraxis. Frankfurt 1917. S. 166-184.<br />
hier: S. 172.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Mensch eines Partners. Das Gewissen, sagten wir, sei eine<br />
sozialpsychologische Erscheinung oder Funktion, und der Mensch müsse an<br />
einen Partner gebunden "7t sein. Die Bindung ist entweder auf Liebe oder auf<br />
Angst gegründet, in den meisten Fällen wohl auf beide Faktoren. Ein etwa<br />
zweieinhalb] ähriges Büblein steht allein vor dem Spalierkirschbaum im Garten.<br />
Die Früchte sind schon rot,<br />
steht allein vor dem Spalierkirschbaum im Garten. Die Früchte sind schon rot,<br />
und man sieht dem Kleinen an, daß es ihn gelüstet, davon zu pflücken. Er sagt<br />
aber zu sich selber: "Nicht nehmen, hat Mutti nicht gern, wird traurig", und er<br />
trollt sich von dannen. - Eine ungefähr Gleichaltrige in ähnlicher Situation<br />
klopft sich strafend auf das begehrliche Händchen und äußert: " Mutti gibt<br />
Schläge, Mädi" - das heißt Mädchen - "darf nicht nehmen." Beide Kinder gaben<br />
Gewissensregungen Ausdruck. Der Knabe widersteht einer Regung, die ihm<br />
das Gewissen darum verbietet, weil die Mutter einen Wunsch ausgesprochen<br />
hat; der Knabe<br />
83 Zulliger, Hans: Psychoanalyse und die Entwicklung u..., 1957, S. 72<br />
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1) ebd. S. 172.<br />
2) ebd. S. 173.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gewissen fast ausschließlich auf Strafangst baut, können wir in der<br />
Kinderstube sogar nicht selten ein Phänome h obachten, das der Projektion und<br />
dem Sündenbock-Prinzip entspricht * Eine Mutter hat ihr Söhnchen<br />
hauptsächlich mit harten Strafen dressiert und gewissenhaft machen wollen.<br />
Eines Tages geht sie zu einer Besorgung aus und läßt den ungefähr<br />
Dreijährigen zu Hause allein. Als sie zurückkommt, sieht sie das<br />
Kanarienvögelchen tot auf dem Stubenboden liegen. Blaß vor Schrecken errät<br />
sie, der Kleine habe es umgebracht, und sie stellt ihn zur Rede. Mit empörtem<br />
Gesichtchen meldet er: "Mani" so heißt das Vögelchen "hat Zucker genascht;<br />
das darf man nicht, Zucker naschen. Ich habe Mani bestraft. Wirklich, die<br />
Zuckerdose auf dem Stubentisch war geleert, aber es war gewiß nicht das<br />
Vögelchen sondern der Kleine selber gewesen, der hinter die Dose geraten<br />
dem Verlust der mütterlichen Liebe. Im andern Fall, in dem das kindliche<br />
Gewissen aus Strafangst reagiert, beobachtet Zulliger häufig eine Projektion<br />
der Schuld nach dem Sündenbock-Prinzip. Eines seiner zahlreichen Beispiele<br />
hierfür ist folgende Geschichte: " Eine Mutter hat ihr Söhnchen hauptsächlich<br />
mit harten Strafen dressiert und gewissenhaft machen wollen. Eines Tages geht<br />
sie zu einer Besorgung aus und läßt den ungefähr Dreijährigen zu Haus allein.<br />
Als sie zurückkommt, sieht sie das Kanarienvögelchen tot auf dem<br />
Stubenboden liegen. Blaß vor Schrecken errät sie, der Kleine habe es<br />
umgebracht, und sie stellt ihn zur Rede. Mit empörtem Gesichtchen meldet er: '<br />
Mani' - so heißt das Vögelchen - 'hat Zucker genascht; das darf man nicht,<br />
Zucker naschen. Ich habe Mani bestraft'." 1<br />
Tatsächlich hat der Kleine von der<br />
Zuckerdose genascht. Danach regt sich bei ihm das schlechte Gewissen mit der<br />
Angst vor Strafe. Diese Gewissensangst veranlasst ihn, " der sich noch völlig<br />
im Alter des magisch-animalischen und totemistischen Denkens und<br />
Auffassens befand", die eigene Schuld auf den Kanarienvogel zu projizieren<br />
und ihn für die projizierte Tat mit dem Tod zu bestrafen. " Damit war für den<br />
Knaben die Sache abgetan, in Ordnung." 2<br />
Unbewußte Kräfte bei<br />
Gewissensäußerungen wirken auch da, wo ein Kind eine begangene Straftat<br />
bagatellisiert und durch eine weniger strafwürdige ersetzt, wie in dem<br />
folgenden Beispiel: Die zweijährige Margret läuft zu ihrem Vater und zeigt ihm<br />
ihr Porzellanpüpphen, an dem die Nase abgeschlagen ist und erklärt ihm: "'<br />
Margret hat Püppchen Nase abgeschlagen'." Der Vater wundert sich darüber,<br />
da die Nase der Puppe schon seit langem weggeschlagen ist und beruhigt das<br />
Kind mit dem Hinweis, daß die Nase schon weggewesen sei, als die die Puppe<br />
von ihrer älteren<br />
Versuchung nicht widerstehen konnte. Nachträglich hatte sich bei *7* ihm dann<br />
das Gewissen geregt. Jetzt begann ein etwas komplizierter seelischer Vorgang.<br />
Die Gewissensangst veranlagte den Knaben, der sich noch völlig im Alter des<br />
magisch-animistischen und totemistischen Denkens und Auffassens befand, zur<br />
Projektion der Schuld, um sie von sich abzuwenden. Er verschob die Schuld<br />
auf den Vogel, und er bestrafte ihn dafür mit dem Tode. Damit war für den<br />
Knaben die Sache abgetan, in Ordnung. Der Vorfall erinnert uns an Bräuche<br />
bei den alttestamentlichen Israeliten. Um das Mißfallen und die Strafe Jehovas<br />
ihrer Sünden wegen von sich abzulenken, projizierten sie<br />
recht oder erlaubt und unerlaubt ist Wir sehen unbewußte Kräfte bei<br />
Gewissensäußerungen auch dann am Werk, wenn ein Kind eine begangene<br />
Straftat, eine gewissenswidrige Tat bagatellisiert und durch eine weniger<br />
strafwürdige ersetzt. Die zweijährige Margret kommt zum Vater gelaufen und<br />
weist ihm ihr altes Püppchen vor. "Nase ab", erklärte die Kleine mit klagendem<br />
Tone. Der Vater weiß,<br />
84 Zulliger, Hans: Psychoanalyse und die Entwicklung u..., 1957, S. 386<br />
83 Zulliger, Hans: Psychoanalyse und die Entwicklung u..., 1957, S. 73<br />
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verneint das und erinnert sich an sein Gespräch mit Margret. Sie holen sie<br />
herbei und als das Kind die Kanne sieht, beginnt es zu weinen und verteidigt<br />
sich: "'Papa hat gesagt, macht nichts'." Das Kind hatte unbefugterweise mit der<br />
Teekanne gespielt und dabei den Ausguß erschlagen. Aus ihrer<br />
Straferwartungsangst rettet sie sich, indem sie an die Stelle der eigentlichen<br />
Straftat eine andere geringfügigere bzw. nicht begangene setzt und sich dann<br />
beim Vater die Absolution für eine eingebildet begangene Tat holt. 1<br />
Am<br />
genannten Beispiel läßt sich nach Zulliger auch zeigen, daß der Bekenntnis- und<br />
1) ebd. S. 175.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
die Kanne sieht, gerät die Kleine in Angst und beginnt zu heulen. "Papa hat<br />
gesagt, macht nichts", verteidigt sie sich. Wir erkennen: Die kleine Margret<br />
hatte unbefugterweise mit der Teekanne gespielt und den Ausguß<br />
abgeschlagen. Darum geriet sie in Gewissensnot; sie fürchtete, der<br />
Beschädigung wegen bestraft zu werden. Wie rettet sie sich aus ihrer<br />
Straferwartungsangst? Sie setzt<br />
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erzieherisches Tun ziehen, so wirken These wie mögliche Konsequenzen<br />
aufgrund ihrer allgemeinen, fast landläufigen Akzeptanz fast banal. Das wird<br />
deutlich an den von Behncke zusammengefaßten Warnungen einer - in seinem<br />
Fall - von der Psychoanalyse getragenen Erziehungslehre: " a) Eine zu strenge<br />
Erziehung ist für das Kind gefährlich, weil sie die Angst des Kindes weckt und<br />
sein Über-Ich zu stark werden läßt, b) Werden die Triebe des Kindes durch<br />
Verführung gereizt, so besteht ebenfalls die Gefahr einer ungünstigen<br />
Entwicklung. Neurosen können auf diese Weise entstehen, c) Werden dem Kind<br />
notwendige Versagungen vorenthalten, verwöhnt man es, wird es 'laisser faire'<br />
erzogen, so wird es mit seinem Triebleben allein gelassen. Es steht in Gefahr,<br />
ein sehr schwaches oder ungebührlich starkes Überich, sowie ein nicht<br />
widerstandsfähiges Ich zu entwickeln. Später wird es mit den Versagungen in<br />
der Schule und im Beruf nicht fertig, wird ängstlich oder aggressiv und hat<br />
Schwierigkeiten, sich durchzusetzen." 1<br />
Aus solchen allgemein gehaltenen<br />
Sätzen wird ersichtlich, daß sich aus dem Faktum des Unbewußten ohne<br />
Heranziehung von Quelle und Grund für diese unbewußten Kräfte wenig<br />
schließen läßt für die erzieherische Arbeit, speziell die Gewissensbildung.<br />
Nimmt<br />
1) Behncke,Burghard: Psychoanalyse in der Erziehung. München 1972. S. 79/80.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Ansätze, die Psychoanalyse für die Erziehung fruchtbar zu machen, fallen<br />
relativ mager aus. So fasst B. Behncke die aus psychoanalytischer<br />
Erziehungslehre ausgesprochenen Warnungen etwa so zusammen: "a) Eine zu<br />
strenge Erziehung ist für das Kind gefährlich, weil sie die Angst des Kindes<br />
weckt und sein Ueber-Ich zu stark werden lässt. b) Werden die Triebe des<br />
Kindes durch Verführung gereizt, so besteht ebenfalls die Gefahr einer<br />
ungünstigen Entwicklung. Neurosen können auf diese Weise entstehen. c)<br />
Werden dem Kind notwendige Versagungen vorenthalten, verwöhnt man es,<br />
wird es 'laisser faire' erzogen, so wird es mit seinem Triebleben allein gelassen.<br />
Es steht in Gefahr, ein sehr schwaches oder ungebührlich starkes Ueber-Ich<br />
sowie ein nicht widerstandsfähiges Ich zu entwickeln. Später wird es mit den<br />
Versagungen in der Schule und im Beruf nicht fertig, wird ängstlich oder<br />
aggressiv und hat Schwierigkeiten, sich durchzusetzen." 1<br />
Innerhalb eines solch<br />
banalen Rahmens lassen sich viele Erziehungskonzepte anpreisen bzw.<br />
verwerfen: denn auf solche Konsequenzen könnte man auch stossen, wenn man<br />
anstelle des Freud1<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 268<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 121<br />
auf die spezifischen Thesen der einzelnen Autoren über das Gewissen, seine<br />
Entwicklung und daraus sich ergebende erzieherische Möglichkeiten. 1. Zur<br />
Genese des Menschen Nach Freuds Entwicklungsmodell strebt der Mensch von<br />
Geburt an bei allem, was er tut, nach Gewinnung von Lust und Vermeidung von<br />
Unlust. Zur Kultivierung bedarf es des Aufbaus eines Über-Ich, das im Dienst<br />
von Realitätsprinzip und Idealvorstellungen steht. Um den damit verbundenen<br />
Anforderungen gerecht zu werden, muß der einzelne schon in frühester<br />
Kindheit unbefriedigt bleibende Triebwünsche<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
unserer Brust verspüren."27 Lustprinzip und Realitätsprinzip Lustprinzip Das<br />
Lustprinzip beherrscht nach Freud sämtliche Funktionen des Seelenapparates.<br />
Jedes Individuum strebt im Grund bei allem, was es tut, nach Gewinnung von<br />
Lust und Vermeidung von Unlust. Die Steigerung der Erregungsquantität in der<br />
Psyche ruft unangenehme Empfindungen hervor, die Abfuhr der gestauten<br />
Triebenergie ist mit angenehmen Gefühlen verbunden.28 Sogar die sublimen<br />
Vollzüge<br />
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56 Stadter, Ernst: Psychoanalyse und Gewissen, 1970, S. 51<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 123<br />
vor Liebesverlust unterwirft sich das Kind diesem Einfluß und den damit<br />
verbundenen Wertsetzungen. Ähnlich argumentiert Adler, für den gut und böse<br />
gleichzusetzen sind mit dem, was in der Gemeinschaft als gut und böse<br />
empfunden wird. 1<br />
Freud und Adler versuchen, die zielgerichtete Dynamik des<br />
menschlichen Seelenlebens auf die Thematik einer einzigen Strebung zu<br />
bringen und in einem in naturwissenschaftlichen Denkmechanismen und<br />
Erklärungsschematismen gegründeten Monismus zu behandeln. 2<br />
Sie sprechen<br />
lediglich die Problematik einer kollektiven Moral an, die von den übrigen<br />
Autoren als Vorstufe zum individuellen Moralbewußtsein gewertet wird. CG.<br />
Jung<br />
1) "Die Macht der Gemeinschaft verdrängt das Werturteil des individuellen, personalen<br />
Gewissens. Der Mensch ist also "gut", wenn er anpassungsfähig ist. Ein System, in dem die<br />
Gemeinschaft über Gut und Böse entscheidet, kann schnell zum Totalitarismus führen" (Nowak,<br />
Antoni J. a.a.O. S. 86).<br />
2) ebd. S. 87.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
entscheidet, kann schnell zum Totalitarismus führen. 's E. Ringel,<br />
Tiefenpsychologie und Glaube, in: "Gott, Mensch, Universum" (Hrsg. J.<br />
Hüttenbügel), Graz - Wien - Köln 1974, S. 235 236. s* Vgl. A. Adler,<br />
Religion und Individualpsychologie, Leipzig 1933, S. 73. Freud und Adler<br />
versuchen, die zielgerichtete Dynamik des mensch- lichen Seelenlebens auf die<br />
Thematik einer einzigen Strebung zu bringen, in einem auf die Spitze<br />
getriebenen Monismus zu erklären, der seine Wurzeln in den<br />
Denkgewohnheiten und Erklärungsschematismen der Naturwissenschaft hat.<br />
Nach Ph. Lerschs Meinung hat<br />
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63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 87<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 124<br />
den übrigen Autoren als Vorstufe zum individuellen Moralbewußtsein<br />
gewertet wird. CG. Jung kommt von daher zu einer Unterscheidung zwischen<br />
Moral und Ethik. Unter ersterer versteht er den von der Umwelt aufgestellten<br />
Sittenkodex, mit Ethik ist "jene existentielle Grundnatur, auf die hin die<br />
Schöpfungsordnung den Menschen ausgerichtet hat" gemeint. 1<br />
Da die<br />
Bestimmung von Gut und Böse sich nicht primär bezieht auf menschliches<br />
Verhalten gegenüber dem Sittenkodex, sondern vor allem die Bewältigung des<br />
Individuationsprozesses betrifft und damit auch die ursprüngliche religiöse<br />
Bestimmung des Menschen,<br />
1) Jacobi,Jolande: a.a.O. S. 138.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
erinnern, daß Jung in diesem Zusammenhang mit dem Worte "Moral" das<br />
bezeichnet, was von der Umwelt als Sittenkodex aufgestellt wurde und mit "<br />
Ethik" jene essentielle Grundnatur, auf die hin die Schöpfungsordnung den<br />
Menschen ausgerichtet hat1. Der Mensch ist in dieser Welt beiden Ordnungen<br />
verpflichtet und anheimgegeben. Da diese aber oft in unlösbare Konflikte<br />
miteinander geraten, muß er lernen, auch diese<br />
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144<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 137<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 124<br />
Bewältigung des Individuationsprozesses betrifft und damit auch die<br />
ursprüngliche religiöse Bestimmung des Menschen, ist ihre Verallgemeinerung<br />
in schlechthin Gutes und Böses kaum möglich. 2<br />
Gut und Böse verlieren also<br />
ihren absoluten Charakter. Sie stellen Urteile dar. " Die Unvollkommenheit<br />
alles menschlichen Urteilens legt uns jedoch Zweifel nahe, ob unsere Meinung<br />
jeweils das Richtige trifft. Wir können auch einem Fehlurteil unterliegen." 3<br />
Will der Mensch ohne Selbstlüge und Selbsttäuschung leben, dann muß er das<br />
Böse als Faktum seines Lebens anerkennen. Der Mensch " muß ohne Schonung<br />
wissen, wieviel des Guten er vermag und welcher Schandtaten er fähig ist, und<br />
er muß sich hüten, das eine für wirklich und das andere für Illusion zu halten.<br />
Es ist beides wahr als Möglichkeit, und er wird weder dem einen noch dem<br />
anderen ganz entgehen." 1<br />
Konflikte zwischen dem allgemeinen Guten und<br />
Bösen, d.h. dem Sittenkodex der Umwelt als solchen bezeichneten und dem<br />
individuellen Guten und Bösen erwachsen bei Jung speziell aus der<br />
Auseinandersetzung zwischen den Inhalten des Bewußten und denen<br />
desjenigen<br />
2) "Das absolut Gute und das schlechthin Böse existieren wohl als abstrakte Begriffe. Sobald sie<br />
jedoch als psychologische Phänomene betrachtet werden, muß man stets davon ausgehen,<br />
welcher Mensch unter welchen Umständen etwas getan, gesagt oder gedacht hat. Ob etwas als<br />
böse und schuldhaft bezeichnet wird, ist zudem weitgehend von dem subjektiven Urteil<br />
abhängig, ebenso wie auch das Maß und die Schwere einer Schuld" (ebd. S.143f).<br />
3) Jung,Carl Gustav: Erinnerungen, Träume, Gedanken. Aufgezeichnet und herausgegeben von A.<br />
Jaff . Zürich 1962. S. 332.<br />
1) ebd. S. 333.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ein paradoxes Ganzes. Praktisch heißt das, daß Gut-Böse ihren absoluten<br />
Charakter verlieren und wir gezwungen sind, uns darauf zu besinnen, daß sie<br />
Urteile darstellen... Die Unvollkommenheit alles menschlichen Urteilens legt<br />
uns jedoch den Zweifel nahe, ob unsere Meinung jeweils das Richtige trifft. Wir<br />
können auch einem Fehlurteil unterliegen. Davon wird das ethische Problem<br />
nur insoferne betroffen, als wir uns in bezug auf die moralische Bewertung<br />
unsicher fühlen. Trotzdem müssen wir uns ethisch<br />
eine Antwort haben will auf das heute gestellte Problem des Bösen, der bedarf<br />
in erster Linie einer gründlichen Selbsterkenntnis, d. h. einer bestmöglichen<br />
Erkenntnis seiner Ganzheit. Er muß ohne Schonung wissen, wieviel des Guten<br />
er vermag und welcher Schandtaten er fähig ist, und er muß sich hüten, das<br />
eine für wirklich und das andere für Illusion zu halten. Es ist beides wahr als<br />
Möglichkeit, und er wird weder dem einen noch dem anderen ganz entgehen,<br />
wenn er - wie er es eigentlich von Hause ius müßte - ohne Selbstbelügung oder<br />
Selbsttäuschung leben will. Von einem derartigen Erkenntnisgrad ist man aber<br />
im allgemeinen<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 146<br />
85 Jung, Carl Gustav: ERINNERUNGEN TRÄUME GEDANKEN (Auszug), 1962, S. 0<br />
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der Bewußtmachung unbewußter vitaler Triebkräfte in ihrer Bedeutung für wie die Gegner jeglicher Autorität zwischen Autorität und autoritär<br />
menschliches Verhalten und auf die ebenfalls schon genannte Hilfe beim unterscheiden können. Die Autorität, ohne die sich das Gewissen einfach nicht<br />
Aufbau eines"gesunden Über-Ich". Als weitere erzieherische Aufgabe nennt er bilden kann; die Autorität, auf die das Kind mit seinen Wunschregungen<br />
die Schaffung von Institutionen, an die das Kind mit seinen Wunschregungen stoßen und gegen die es auch ein gewisses Maß an unbefriedigter Aggression<br />
stoßen und gegen die es auch ein gewisses Maß an unbefriedigter Aggression entwickeln muß: diese Autorität ist das glaubhafte Bemühen der Eltern und<br />
entwickeln muß. 2<br />
Da das unbewußte Moralgewissen inhaltlich abhängt von dem, dann der Gesellschaft, für sinnvoll, richtig, menschen- würdig gehaltene<br />
was in der jeweiligen Gesellschaft an Idealen gilt, müssen solche<br />
Entscheidungen zu leben; ist das Bemühen, Kinder<br />
Wertforderungen dem Heranwachsenden vermittelt werden. Schließlich bedarf<br />
es der Institutionen, die sittliche Normen vertreten und solcher, die<br />
2) ebd. S. 39-41.<br />
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45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 41<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 128<br />
und Gesellschaftsverständnis entspringt als demjenigen, das Freuds Theorie<br />
zugrundeliegt. 1<br />
Die Schwierigkeit einer pädagogischen Auswertung der<br />
Freudschen Gedanken zum Gewissen bereiten - will man über die genannten<br />
Bewußtmachungsmechanismen hinausgehen - Schwierigkeiten, insofern dem<br />
Freudschen Denken die Formel voransteht, " dass mit dem Erkennen eines<br />
psychischen Faktums bzw. eines psychotischen Phänomens und seiner<br />
Entstehung auch schon der Lernweg zur Heilung, also der therapeutische Weg,<br />
gegeben sei." 2<br />
Indem Erikson das Gewissen als Ausdruck und Garant des<br />
Gefühls des "Sich-auf-sich-selber-verlassen-Könnens" bezeichnet, rückt in den<br />
Mittelpunkt erzieherischer Bemühungen in seinem Modell die Hilfe zur<br />
Identitätsfindung. Unverzichtbare Voraussetzung dazu ist ein doppelseitiges<br />
Vertrauen: dasjenige in die eigene Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit und<br />
dasjenige in die der anderen. Beide<br />
1) vgl. dazu: Oser,Fritz: Das Gewissen lernen. S.272-273.<br />
2) ebd. S. 268.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
viel mehr, als allgemein angenommen wird, mit der Phänomenologie des<br />
Gewissens und mit der Anamnese beschäftigt hat, und irgendwie liegt seinem<br />
Denken die Formel zugrunde, dass mit dem Erkennen eines psychischen<br />
Faktums bzw. eines psychotischen Phänomens und seiner Entstehung auch<br />
schon der Lernweg zur Heilung, also der therapeutische Weg, gegeben sei.<br />
Dieser beschränkt sich dann weitgehend auf Introspektion, Uebertragung und<br />
Suggestion, alles Prozesse, die so subtil sind, dass sie für die intentionalen<br />
Lernprozesse in Familie und<br />
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47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 268<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 129<br />
Lebenssicherung bezeichnet. Es wirkt als Regulator in dem Spannungsfeld<br />
zwischen Minderwertigkeitsgefühl und daraus erwachsenem Machtstreben des<br />
Menschen und seiner Gemeinschaftsbezogenheit. Zu seiner Entfaltung muß<br />
nach Adler in der Erziehung vor allem Wert darauf gelegt werden, für die<br />
Kinder keinen Reiz zu schaffen, mehr sein zu wollen als andere. Privilegien und<br />
Sonderstellungen innerhalb der Familie, sowie vor allem von Familien oftmals<br />
geförderter Gruppenegoismus, müssen vermieden werden. Das für das Kind<br />
wichtigste Erlebnis, einen verläßlichen Menschen zu haben, ein Du zu<br />
erkennen und zu empfinden,<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
eine ganze Reihe von Folgerungen für die Erziehung, die zum einen darauf<br />
hinaus laufen, auf Privilegien und Sonderstellung - besonders in der Familie -<br />
zu verzichten, um für die Kinder keinen Reiz zu schaffen, mehr sein zu wollen<br />
als andere; und jenen Gruppenegoismus abzubauen - er wird in vielen Familien<br />
geradezu gezüchtet -, der dem Kind die Meinung einimpft, man sei besser als<br />
andere, sei etwas Besonderes.<br />
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45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 83<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 130<br />
des ethischen Gewissens aus Jungs Konzeption erzieherisch relevante Schlüsse<br />
ziehen: Sein Ausgangspunkt ist die von Baumhauer gemachte Feststellung, daß<br />
die Quelle des Gewissens bei Jung der Archetypus des Gewissens - also eine<br />
vererbte instinktive Verhaltensweise - sei. "' Was... kann man an einem solchen<br />
Gewissen eigentlich bilden...? Um es kurz zu machen: Gewissen als solches<br />
läßt sich nicht bilden, wenn wir von der Jung'sehen Gewissensauffassung<br />
ausgehen. Was sich bilden läßt, ist nur die Gesamtpersönlichkeit; und die<br />
Bildung der Gesamtpersönlichkeit im Ergebnis ist dann auch<br />
Gewissensbildung'." 1<br />
Baumhauers Schlußfolgerung lehnt Oser ab und setzt<br />
dagegen folgende Möglichkeiten erzieherischen Wirkens in Bezug auf das<br />
ethische Gewissen: 1. Als eigener innerer Archetypus kann das Gewissen<br />
mittels durch Lernprozesse erfolgender Sensibilisierung entdeckt werden. Es<br />
müssen "quasi<br />
1) Baumhauer,Otto: a.a.O. S.59/60.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
könne. Nun aber nochmals zurück zu unserer Hauptfrage. 0. Baumhauer sagt: "<br />
Die Quelle des Gewissens ist für Jung der Archetypus des Gewissens, eine '<br />
vererbte instinktive Verhaltensweise' ... Was ... kann man an einem solchen<br />
Gewissen eigentlich bilden ...? Um es kurz zu machen: Gewissen als solches<br />
lässt sich nicht bilden, wenn wir von der Jung'sehen Gewissensauffassung<br />
ausgehen. Was sich bilden lässt, ist nur die Gesamtpersönlichkeit; und die<br />
Bildung der Gesamtpersönlichkeit ist im Ergebnis dann auch<br />
Gewissensbildung." 1<br />
Meint Jung nun tatsächlich, dass diese "vererbte<br />
instinktive Verhaltensweise" nichts mit dem Lernprozess zu tun habe? Auf den<br />
ersten<br />
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47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 295<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 131<br />
auf das ethische Gewissen: 1. Als eigener innerer Archetypus kann das<br />
Gewissen mittels durch Lernprozesse erfolgender Sensibilisierung entdeckt<br />
werden. Es müssen "quasi eidetische Fähigkeiten" geübt werden, sich selbst<br />
zugleich auf dem Hintergrund sozialer Bestimmungen als auch auf dem<br />
Hintergrund der individuellen Bestimmung zu sehen. 2. Die Intuition als über<br />
das Unbewußte laufende Wahrnehmung kann geschult werden durch: - "<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
des Ich bedarf eines Lernprozesses, einer Sensibilisierung. Es müssen quasi<br />
eidetische Fähigkeiten (Qualifikationen) geübt werden, sich selber zugleich auf<br />
dem Vordergrund der sozialen Beziehungen und auf dem Hintergrund der "<br />
individuellen Bestimmung" zu sehen. Jung sagt zwar, dass den Menschen ein<br />
bestimmtes Grundmuster angeboren sei, das ihn spezifisch menschlich mache.<br />
Aber er sagt auch: "Wir sind uns dieser Tatsache<br />
Gruppendynamische Uebungen und Sensitivity-Training. Hier wird der eigene<br />
Erachtens vier sehr wirkungsvolle Möglichkeiten, die zum Teil in dieser Arbeit<br />
persönliche Anspruch aus dem Unbewußten positiv den sozialen Normen<br />
schon erwähnt worden sind, auf die ich zum Teil noch zu sprechen kommen<br />
gegenübergestellt und der Konflikt, die sog. Pflichtenkollision, durchgetragen. -<br />
werde: - Gruppendynamische Uebungen und Sensitivity-Training. Hier wird<br />
Betont emotiver Unterricht. Hier werden durch erlebnishafte<br />
der eigene persönliche Anspruch aus dem Unbewussten positiv den sozialen<br />
Verarbeitungsformen wie Soziodrama, musikalische Improvisation, kreatives<br />
Normen gegenübergestellt und der Konflikt, die sog. Pflichtenkollision,<br />
Sprach- und Gebetsverhalten, Tanz, Meditation etc. die 'innere' Sprache, d.h.<br />
durchgetragen. - Betont emotiver Unterricht. Hier werden durch erlebnishafte<br />
die Intuition des Menschen aktiv in Bewegung gesetzt und so sekundär geübt. -<br />
Verarbeitungsformen wie Soziodrama, musikalische Improvisation, kreatives<br />
Schülermitbestimmung im Unterricht und damit Garantie des Einbringens von<br />
Sprach- und Gebetsverhalten, Tanz, Meditation etc. die "innere Sprache", d.h.<br />
Schülerinteressen. Bedürfnisse werden so dem allgemeinen Normenkodex<br />
die Intuition des Menschen aktiv in Bewegung gesetzt und so sekundär geübt. -<br />
entgegengestellt. In die Bedürfnisse fliessen möglicherweise archetypische<br />
Schülermitbestimmung im Unterricht und damit Garantie des Einbringens von<br />
Grundfunktionen des Einzelnen mit ein. - Allgemeine Sensibilisierung oder<br />
Schülerinteressen. Bedürfnisse werden so dem allgemeinen Normenkodex<br />
Kräfteschulung bzw. Schulung eidetischer Fähigkeiten wie: Dankbarkeit zum<br />
entgegengestellt. In die Bedürfnisse fliessen möglicherweise archetypische<br />
Ausdruck bringen, Freude zeigen lernen, bitten, loben, staunen lernen,<br />
Grundfunktionen des Einzelnen mit ein. 5<br />
- Allgemeine Sensibilisierung oder<br />
Kooperationsfähigkeit, Solidarität lernen etc. Dafür gibt es spezielle Programme.<br />
" 1 Osers Vorschläge müssen auf dem Hintergrund seines Versuches, Wege des<br />
Lernens von Gewissen zu beschreiben, gesehen werden. In diesem Fall<br />
beziehen sich die von ihm vorgeschlagenen Lernprozesse auf die Erschließung<br />
des ethischen Gewissens. Für ein<br />
1) Oser,Fritz: a.a.O. S. 297.<br />
Kräfteschulung bzw. Schulung eidetischer Fähigkeiten wie: Dankbarkeit zum<br />
Ausdruck bringen, Freude zeigen lernen, bitten, loben, staunen lernen,<br />
Kooperationsfähigkeit, Solidarität lernen etc. Dafür gibt es spezielle Programme. 6<br />
Neben diesen vier Möglichkeiten indirekter Beeinflussung gibt es die direkte<br />
Auseinandersetzung im Sinne der Analyse von Fallstudien mit Schülern. Hier c)<br />
Es geschieht eine Art vorwegnehmende<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 296<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 297<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 133<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
seinem letzten Bezugspunkt - zu Gott. Bei Caruso ist mit Gewissen die gelebte das Gewissen verbunden ist, eine besondere Rolle in den Veröffentlichungen I.<br />
Sicherheit einer Transzendenz gemeint. Der Mensch ist immer schon auf eine A. Carusos". Das Spezifikum des menschlichen Schemas liegt darin, daß der<br />
transzendente Wertordnung gerichtet. In der Hinordnung darauf überschreitet Mensch seine eigene Natur überschreitet, er ist das einzige Wesen, das seine<br />
er seine eigene Natur. Er ist das einzige Wesen, das seine Grenze kennt, " die Grenzen kennt, " die Grenze aber ist der Ort, da sich eine Immanenz mit einer<br />
Grenze aber ist der Ort, da sich eine Immanenz mit einer Transzendenz<br />
begegnet." 1<br />
In der Auseinandersetzung mit der von Eltern und Gesellschaft<br />
repräsentierten Wertewelt soll das Kind das Ober-Ich überwinden und zur<br />
verantwortlichen Auslösung der angeborenen Wertmechanismen kommen. Das<br />
personale Gewissen erweist sich in der personalen Analyse<br />
1) Caruso,Igor A.: Schema,Gewissen und Neurose. S. 728.<br />
Transzendenz begegnet"''. Ob es im Menschen ein archetypisches Schema gibt,<br />
das zur Transzendenz tendiert, ist psychologisch gesehen nicht zu beantworten.<br />
Caruso betont, wenn sich der Mensch von<br />
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151<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 94<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 133<br />
der von Eltern und Gesellschaft repräsentierten Wertewelt soll das Kind das<br />
Ober-Ich überwinden und zur verantwortlichen Auslösung der angeborenen<br />
Wertmechanismen kommen. Das personale Gewissen erweist sich in der<br />
personalen Analyse Carusos auf der obersten Stufe seiner Entwicklung als<br />
Selbstverwirklichung der Person, die fähig ist zur Übernahme von<br />
Verantwortung und ihre Entscheidungen auf Grund der Einsicht in eine<br />
objektiv gültige Ordnung fällt. 2<br />
Da das Gewissen nach Caruso geprägt werden<br />
muß, um konkret funktionstüchtig zu werden, dieses angeborene<br />
2) Nowak,Antoni J.: a.a.O. S. 99.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Kompetenz liegt. '8 IV. Teil Zur Theologie des Gewissens Das pjAngnaleA<br />
JAwjsgen erweist sich im Lichte der Tiefenpsychologie, vor allem aber der<br />
personalen Analyse, auf der "letzten" Stufe seiner Entwicklung als<br />
Selbstverwirklichung der Person, welche imstande ist, die Verantwortung zu<br />
übernehmen! * Die reife *Pqrsön]iriifofü,t "R lhre Entscheidung nicht nach<br />
inneren oder äußeren Zwängen, sondern auf Grund ihrer Einsicht in<br />
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12.01.2014<br />
152<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 99<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 134<br />
Übernahme von Verantwortung und ihre Entscheidungen auf Grund der<br />
Einsicht in eine objektiv gültige Ordnung fällt. 2<br />
Da das Gewissen nach Caruso<br />
geprägt werden muß, um konkret funktionstüchtig zu werden, dieses<br />
angeborene Wertschema in seiner Potenz " unbegrenzt offen (und gerade daher<br />
unbegrenzt prägsam)" ist 1 , scheint sich inhaltlich diese "objektiv gültige<br />
Ordnung", an deren Spitze Gott steht, auf das Faktum des Sollens, nicht aber<br />
auf konkrete Einzelnormen zu beziehen. 2<br />
Gewissensbildung meint nach Caruso<br />
ein pädagogisches Bezugssystem. In der Interaktion<br />
2) Nowak,Antoni J.: a.a.O. S. 99.<br />
1) Caruso,Igor A.: Werden und "Entwerden" im Handeln. In: Wiesenhütter, E. (Hrsg.): Werden<br />
und Handeln. Stuttgart 1963.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Verantwortung sich selbst gegenüber gibt (A. Wegeler, ebenda, I.e.). Das<br />
angeborene Wertschema des Menschen braucht Prägungen, um konkret<br />
funktionstüchtig zu sein, es ist aber in der Potenz unbegrenzt offen (und gerade<br />
daher unbegrenzt prägsam). Wenn auch manche neuere Forschungen über<br />
eineiige Zwillinge und die Schizophrenie die dominante Bedeutung des<br />
Erbfaktors und dadurch die hypothetische Existenz eines "konfliktfreien",<br />
statischen Grundbereiches<br />
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12.01.2014<br />
153<br />
2) Die Annahme von der Transzendenzverwiesenheit des Menschen und die damit verbundene<br />
These von der Hinordnung auf eine objektiv gültige Wertordnung übersteigt die mit den<br />
Mitteln der Psychologie mögliche wissenschaftliche Faßbarkeit. So bleiben denn auch Fragen<br />
nach Inhalten und Ausprägungen der objektiv gültigen Werteordnung und Kriterien des<br />
personalen Gewissens für gut und böse, die eine inhaltliche Analyse der Werteordnung<br />
voraussetzen, unbeantwortet.<br />
86 von Wiesenhütter, Eckart: Werden und Handeln, 1962, S. 223<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 135<br />
Entwicklung des moralischen Urteils beim Kind 1<br />
sind auf dem Hintergrund<br />
seines Interesses an der Klärung des Anpassungsverhaltens und der<br />
Entwicklung biologischer Strukturen zu sehen. Piaget überträgt Eiqenarten der<br />
biologischen Evalution auf die Entwicklung des Individuums: - die beständige<br />
Anpassung alter Strukturen an neue Funktionen und die Entwicklung neuer<br />
Strukturen in alten Funktionen unter veränderten Umständen. - Während neue<br />
Strukturveränderungen eintreten zur Entwicklung neuer Forderungen, bleibt die<br />
Kontinuität mit der Vergangenheit gewahrt. - Die Entwicklung der einzelnen<br />
Anpassungsmeachanismen erfolgt nicht in Isolation, sondern ergibt ein<br />
kohärentes Muster. " Wenn auch jede Art an ihre Umgebung angepaßt ist, so ist<br />
doch die spezifische Natur der Anpassung nicht eine Funktion der Natur allein,<br />
sondern des gesamten Systems." 2<br />
Somit bleibt die Totalität des biologischen<br />
Lebens an seine Umgebung angepaßt. Auf menschliches Verhalten angewandt,<br />
versucht Piaget die Strukturen jedes Altersniveaus zu identifizieren, um zu<br />
zeigen, wie sie sich an Erfordernisse der Umwelt anpassen und aneinander, und<br />
wie sie sich den Umweltanforderungen entsprechend verändern. Die Frage nach<br />
Gesetzmäßigkeiten und Stadien der Entwicklung des moralischen Urteils beim<br />
Kind versucht Piaget am Beispiel eines Kinderspiels - des Murmelspiels - zu<br />
erläutern. Dazu befragt er ca. hundert Kinder aus Genf und Neuchätel nach<br />
einem festen Schema, das in Zusammenhang mit dem Murmelspiel steht. Der<br />
Frager bittet das<br />
1) Piaget,Jean: Das moralische Urteil beim Kinde. Ölten und Freiburg 1976.<br />
2) Baldwin,Alfred L.: Theorien primärer Sozialisationsprozesse. Weinheim und Basel 1974. Band<br />
1. S. 211.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
eines komplexen, sich gegenseitig regulierenden Systems im Gleichgewicht.<br />
Piaget überträgt drei Eigenarten der biologischen Evolution auf seine Theorie<br />
der Entwicklung des Individuums. Das eine ist die beständige Anpassung alter<br />
Strukturen an neue Funktionen und die Entwicklung neuer Strukturen in alten<br />
Funktionen unter veränderten Umständen. Die Entwicklung wird fest auf dem<br />
aufgebaut, was bereits existiert, und zeigt eine Kontinuität mit der<br />
Vergangenheit; zur selben Zeit verändern sich die Strukturen, um<br />
entwickeln sich diese Anpassungsmechanismen nicht in der Isolation. Alle<br />
formen ein kohärentes Muster, so daß die Totalität des biologischen Lebens an<br />
seine Umgebung angepaßt bleibt. Wenn auch jede Art an ihre Umgebung<br />
angepaßt ist, so ist doch die spezifische Natur der Anpassung nicht eine<br />
Funktion der Natur allein, sondern des gesamten Systems. In der Biologie wird<br />
diese Art von dynamischem Equilibrium der Flora und Fauna erklärt, ohne daß<br />
das Prinzip der Naturwissenschaften verletzt wird, daß eine teleologische<br />
verändern sich die Strukturen, um neue Forderungen zu erfüllen. Zweitens<br />
entwickeln sich diese Anpassungsmechanismen nicht in der Isolation. Alle<br />
formen ein kohärentes Muster, so daß die Totalität des biologischen Lebens an<br />
seine Umgebung angepaßt bleibt. Wenn auch jede Art an ihre Umgebung<br />
angepaßt ist, so ist doch die spezifische Natur der Anpassung nicht eine<br />
Funktion der Natur allein, sondern<br />
teleologische Anpassung auf Mechanismen beruhen muß, die nach kausalen<br />
Gesetzen operieren. Piaget wendet diesen biologischen Gesichtspunkt auf seine<br />
Theorie des menschlichen Verhaltens an. Er versucht, die Strukturen jedes<br />
Altersniveaus zu identifizieren, um zu zeigen, wie sie sich an Erfordernisse der<br />
Umwelt anpassen und aneinander, und wie sie wiederum verändern, was die<br />
Umwelt verlangt. Wenn z. B. das Kind geht, dann kann es Ziele gebaut ist, daß<br />
sie Gehen erforderlich macht. Darüber hinaus sind Gehen<br />
begegnet im Prozeß eines umfassenden Lernens 16<br />
vor ahem an der Stehe, wo<br />
Verstehen und Zustimmen zur Werteinsicht konvergieren. Hier liegt die<br />
relative Bedeutung der Darstellung der "Entwicklung des moralischen Urteils<br />
beim Kind". 2. Kognitive Einseitigkeit verbietet sich schon deshalb, weil "<br />
87 Baldwin, Alfred L.: Theorien primärer Sozialisationspro..., 1974, S. 211<br />
72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 122<br />
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12.01.2014<br />
154<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 136<br />
Mannschaftsspiel mit streng kodifizierten Spielregeln handelt. 4.2.<br />
Untersuchungen zu Praxis und Bewußtsein der Regeln beim Spiel Die<br />
Erarbeitung des Verständnisses kindlicher Moral mit Hilfe von Kenntnissen<br />
kindlichen Regelbewußtseins und -Verhaltens folgt aus Piagets Definition der<br />
Moral: " Jede Moral ist ein System von Regeln, und das Wesen jeder<br />
Sittlichkeit besteht in der Achtung, welche das Individuum für diese Regeln<br />
empfindet." 2<br />
In seine Untersuchung nimmt Piaget zwei Gruppen von<br />
Erscheinungen auf: - die Praxis der Regeln, d.h. die Art und Weise, wie das<br />
Kind mit den Regeln tatsächlich umgeht 3 und - das Bewußtsein der Regeln, d.<br />
h. die Art und Weise der Verpflichtung der Regeln bzw. Entscheidungen im<br />
Sinne von Heteronomie und Autonomie. Seine Beobachtungen und Interviews<br />
zur Praxis der Regeln führen zur Unterscheidung von vier Stadien: 1. Das<br />
motorische oder individuelle Stadium, in dem das Kind nach<br />
2) ebd. S. 7.<br />
3) Zu den möglichen Variationen der Regeln beim Murmelspiel vgl.: ebd. S. 10 - 18.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
den Reichtum dieser Regeln ersehen. Will man daher zum Verständnis der<br />
kindlichen Moral gelangen, so ist es angebracht, mit der Analyse derartiger<br />
Tatsachen zu beginnen. Jede Moral ist ein System von Regeln, und das Wesen<br />
jeder Sittlichkeit besteht in der Achtung, welche das Individuum für diese<br />
Regeln empfindet. Die Analyse Kants, die Soziologie Dürkheims oder die<br />
individualistische Psychologie Bovets stimmen in diesem Punkt überein. Die<br />
Abweichungen in den Lehren treten erst da in<br />
gerne wieder spielen. Wir wollen zusammen spielen. Du lehrst mich die Regeln,<br />
und ich spiele mit dir." 2<br />
Bei der Durchführung dieses Interviews stiess Piaget<br />
auf zwei Gruppen von Erscheinungen, aa) auf die Praxis der Regeln bzw. auf<br />
die Art und Weise, wie die Kinder mit den Regeln tatsächlich umgehen, bb) auf<br />
das Bewusstsein der Regeln, d.h. auf die Art, wie verpflichtend die<br />
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12.01.2014<br />
155<br />
88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954, S. 1<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 2<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 138<br />
Augen des Kindes keine Änderungen zu. 3. Im Stadium der Zusammenarbeit<br />
gilt die Regel als auf gegenseitigem Übereinkommen beruhendes Gesetz mit<br />
bindendverpflichtendem Charakter. Sie kann bei allgemeiner Übereinkunft und<br />
Abstimmung verändert werden. Von daher unterscheidet Piaget drei Typen von<br />
Regeln: 1. Die motorische Regel, die der vorsprachlichen motorischen<br />
Intelligenz entspricht und von jeder sozialen Beziehung unabhängig ist.<br />
Anfangs fällt sie mit der Gewohnheit zusammen, d.h. " sie ergibt sich aus einem<br />
Gefühl der Wiederholung, das mit der Ritualisierung der motorischen<br />
Anpassungs-Schemata entsteht." 1 2. Die zwingende Regel, die dem<br />
präsozialen bzw. parasozialen Stadium entspricht und als unumstößlich gilt. "<br />
Die Regel ist wie geheiligt, als ob eine göttliche Autorität dahinterstünde." 1<br />
Das<br />
Regelbewußtsein des Kindes ist heteronom, es denkt in dieser Phase<br />
synkretisch und ist ganz auf sich bezogen. 3. Die rationale Regel, die von<br />
autonomem Regelbewußtsein zeugt. Je mehr das Kind sich seines Ichs bewußt<br />
wird<br />
1) Oser,Fritz: Das Gewissen lernen. S. 319. "Am Ausgangspunkt dieser Verhaltensweisen steht<br />
ein Bedürfnis nach Übung. ... Das Kind beginnt, indem es die ihm überlassenen Murmeln in<br />
dieses oder jenes ihm bereits bekannte Assimilationsschema einfügt. ... Dann akkomodiert es<br />
diese Schemata dem Gegenstand. ...Diese Mischung von Assimilation an die früheren<br />
Schemata und Anpassung an gegenwärtige Bindungen definiert die motorische Intelligenz"<br />
(ebd. S. 93f).<br />
1) Oser,Fritz: a.a.O. S. 319.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Beachtung man verpflichtet ist, wenn man ehrlich sein will, das man jedoch<br />
umgestalten darf, wenn das allgemeine Einverständnis da ist. Er umschreibt in<br />
der Folge drei Typen von Regeln: - Die motorische Regel: Sie entspricht der<br />
vorsprachlichen motorischen Intelligenz, ist von jeder sozialen Beziehung<br />
relativ unabhängig. In ihren Anfängen fällt sie mit der Gewohnheit zusammen,<br />
d.h. sie ergibt sich<br />
das Vorhandensein von drei Typen von Regeln zu unterscheiden, bei denen<br />
sich die Frage der genauen Bestimmung ihrer Beziehungen stellen wird: die<br />
motorische Regel, welche der vorsprachlichen motorischen Intelligenz<br />
entspricht, und von jeder sozialen Beziehung verhältnismäßig unabhängig ist<br />
, die auf einseitige Achtung begründete Zwangs-Regel und die auf Grund<br />
gegenseitiger Achtung gegründete Vernunft-Regel. Betrachten wir<br />
nacheinander diese drei Typen<br />
der Folge drei Typen von Regeln: - Die motorische Regel: Sie entspricht der<br />
vorsprachlichen motorischen Intelligenz, ist von jeder sozialen Beziehung<br />
relativ unabhängig. In ihren Anfängen fällt sie mit der Gewohnheit zusammen,<br />
d.h. sie ergibt sich aus einem Gefühl der Wiederholung, das mit der<br />
Ritualisierung der motorischen Anpassungs-Schemata entsteht. - Die<br />
zwingende Regel: Sie entspricht dem sogenannten präsozialen bzw.<br />
parasozialen Stadium. Die Regel ist wie geheiligt, als ob eine göttliche<br />
Autorität dahinterstünde. Das Regelbewusstsein ist deshalb heteronom. Das<br />
Kind denkt synkretisch und ist egozentrisch d.h. absolut auf sich bezogen. - Die<br />
rationale Reqel: Hier tritt die Zusammenarbeit auf den<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 319<br />
88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954, S. 92<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 319<br />
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rationale Regel, die von autonomem Regelbewußtsein zeugt. Je mehr das Kind<br />
sich seines Ichs bewußt wird und als Gleichgestellter handeln und diskutieren<br />
kann, um so mehr wächst seine Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Im Mittelpunkt<br />
stehen nun wechselseitige Übereinstimmung und Beschluss, individueller<br />
Vorschlag und entsprechender Konsens. 2<br />
Die Entwicklung des<br />
Regelverständnisses von der motorischen über die zwingende zur rationalen<br />
Regel zeichnet nach Piaget gleichzeitig den Weg von der Heteronomie zur<br />
Autonomie durch den Übergang von der einseitigen Achtung des Kindes vor<br />
einer<br />
2) ebd. S. 319.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Regelbewusstsein ist deshalb heteronom. Das Kind denkt synkretisch und ist<br />
egozentrisch d.h. absolut auf sich bezogen. - Die rationale Reqel: Hier tritt die<br />
Zusammenarbeit auf den Plan. Wechselseitige Uebereinstimmung und<br />
Beschluss, individueller Vorschlag und entsprechender Konsens stehen im<br />
Mittelpunkt. Alles Mystisch-Mächtige geht zu Gunsten des Ausgleichs von<br />
sozialem und motorischem Ich verloren. Das Regelbewusstsein ist autonom<br />
geworden. Piaget hat auch<br />
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157<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 319<br />
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6% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 139<br />
von der einseitigen Achtung des Kindes vor einer hinter den Regeln stehenden<br />
Autorität hin zur gegenseitigen Achtung der Spieler untereinander. Obgleich<br />
einseitige und gegenseitige Achtung qualitativ verschieden sind, entwickelt<br />
sich Letztere aus der einseitigen Achtung. "Es gibt gegenseitige Achtung nur<br />
auf Gebieten, die die Individuen selbst als moralisch betrachten." 3<br />
Gegenseitige Achtung gründet auf Bewunderung für Menschen bzw. Gruppen,<br />
die selbst die moralischen Regeln befolgen. 4.3. Untersuchungen zum<br />
moralischen Realismus Mit der Analyse von Regelverhalten und -bewußtsein<br />
ist nicht geklärt, wodurch das Kind zur Unterscheidung von<br />
3) Piaget,Jean: a.a.O. S. 105.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
für die gegenseitige Achtung) Bewunderung für eine Persönlichkeit, gerade<br />
insofern als diese sich den Regeln unterordnet. Daher gibt es eine gegenseitige<br />
Achtung nur auf den Gebieten, die die Individuen selbst als moralisch<br />
betrachten. Sodann ist, sobald eine Zusammenarbeit besteht (und das auf allen,<br />
sowohl moralischen als intellektuellen Gebieten), die Methode von ihren<br />
Ergebnissen, mit anderen Worten, nach dem<br />
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88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954, S. 104<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 140<br />
nicht geklärt, wodurch das Kind zur Unterscheidung von Gutem und Bösem<br />
kommt, zur Entwicklung eines Pflichtbewußtseins und eines autonomen<br />
Bewußtseins des idealen Guten. Danach fragt Piaget im Rahmen seiner<br />
Untersuchungen zum moralischen Realismus. Damit bezeichnet er die Neigung<br />
des Kindes, " die Pflichten und die sich auf sie beziehenden Werte als für sich,<br />
unabhängig vom Bewußtsein existierend und sich gleichsam obligatorisch<br />
aufzwingend, zu betrachten, welches auch immer die Umstände sein mögen, in<br />
denen das Individuum sich befindet." 1<br />
Charakteristische Merkmale des<br />
moralischen Realismus sind: - Die Pflicht ist heteronom. Gut ist die Handlung,<br />
die vom Gehorsam der Regel gegenüber zeugt. " Das Gute wird demnach<br />
ausschließlich durch den Gehorsam definiert." 2 - Bedingt durch den Zwang der<br />
Erwachsenen wird die Regel wörtlich und nicht dem Geiste nach befolgt. - Im<br />
moralischen Realismus tritt ein zweifaches Verständnis von Verantwortung<br />
zutage: Die objektive Verantwortlichkeit, bei der das bis zu siebenjährige Kind<br />
Handlungen ausschließlich bewertet im Vergleich des materiellen Ergebnisses<br />
mit der äußerlichen Übereinstimmung mit der Regel.<br />
1) Piaget,Jean: a.a.O. S. 121.<br />
2) ebd. S. 121.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
kindliche Situation durch den moralischen Zwang" der Erwachsenen bestimmt.<br />
Dieser bedeute für das Kind Heteronomie sowie eine Einstellung, die Piaget "<br />
moralischen Realismus" nennt. Hierunter versteht er die Neigung des Kindes .,<br />
die Pflichten und die sich auf sie beziehenden Werte als für sich, unabhängig<br />
vom Bewußtsein existierend und sich gleichsam obligatorisch aufzwingend, zu<br />
betrachten"51". Danach läßt<br />
der Erwachsenen resultiert, ebenso ergibt sich der moralische Realismus aus<br />
dem Zusammenwirken dieser beiden Faktoren. Wir werden als MORALISCHEN<br />
REALISMUS die Neipung des Kindes bezeichnen, die Pflichten und die sich<br />
auf sie beziehenden Werte als für sich, unabhängig vom Bewußtsein<br />
existierend und sich gleichsam obligatorisch aufzwingend, zu betrachten,<br />
welches auch immer die Umstände sein mögen, in denen das Individuum sich<br />
befindet. Der moralische Realismus enthält daher mindestens drei<br />
Charakterzüge. Erstens ist für den moralischen Realismus die Pflicht hetero-nom.<br />
Jede Handlung ist gut, welche vom Gehorsam<br />
wird als solche in fertiger Form von außen her ins Bewußtsein getragen.<br />
Außerdem wird sie als durch den Erwachsenen offenbart und von ihm<br />
aufgezwungen betrachtet. Das | Gute wird demnach ausschließlich durch den<br />
Gehorsam definiert. / Zweitens muß für den moralischen Realismus die Regel<br />
wörtlich und nicht dem Geiste nach befolgt werden. Diese Eigenschaft ist<br />
eine Folge der vorherigen. Indessen kann man sich auch eine Moral der<br />
Heteronomie vorstellen, die auf dem Geist der Regeln und<br />
62 Klier, Gerhard: Gewissensfreiheit und Psychologie. ..., 1977, S. 102<br />
88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954, S. 120<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 141<br />
sind immer dieselben: Eine Verhaltensabweichung geschieht absichtlich bzw.<br />
durch Übertretung einer Norm (Regel), das anderemal unabsichtlich. 4<br />
Die<br />
Interpretation der Reaktionen der Kinder auf diese Geschichten führt Piaget zu<br />
folgenden zusätzlichen Resultaten: 1 . Der moralische Realismus entsteht aus<br />
dem Zusammentreffen des Zwangs der Eltern mit dem intellektuellen<br />
Egozentrismus des kindlichen Denkens. Dieser äußert sich in der<br />
Schwierigkeit, die Wahrheit zu sagen; das Kind verändert die Wahrheit<br />
aufgrund seiner Bedürfnisse. Das realistische Denken des Kindes hat zur Folge,<br />
daß es auf moralische" Gebiet weniger die verborgene Absicht, denn das<br />
äußerliche und sichtbare Element einer Handlung betont. Die Verdinglichung<br />
abstrakter Gesetzmäßigkeiten führt zudem zu einer einseitig<br />
4) vgl. zu den Geschichten: Piaget,Jean: a.a.O. S. 134/135.<br />
1) ebd. S. 222.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
und sie heimlich gegessen." 1<br />
wiederum durch hermeneutische Analyse und<br />
Interpretation der Ergebnisse aufgrund eines hypothetischen Grundrasters<br />
kommt Piaget zu folgenden Resultaten: - Der "Moralische Realismus" entstehe<br />
aus dem Zusammentreffen des Zwangs der Eltern mit dem Intellektuellen<br />
Egozentrismus des kindlichen Denkens. Dieser Egozentrismus äussere sich in<br />
der Schwierigkeit, die Wahrheit zu sagen (Pseudolüge: das Kind verändert die<br />
Wahrheit aufgrund seiner Bedürfnisse). Da das Kind auf allen Gebieten sehr<br />
realistisch denke, sei es natürlich, dass es auch auf moralischem Gebiet mehr<br />
das äusserliche und sichtbare Element<br />
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47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 323<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 141<br />
objektive Verantwortung werden verstärkt durch eine betont autoritär<br />
ausgerichtete Erziehung. In ihr kann das Kind keine innere Beziehung zur<br />
Regel ausbilden, da sie immer als äußerer Zwang und darin meist<br />
unverständlich auftritt. 3. Aus der Erkenntnis, " daß die Wahrhaftigkeit für die<br />
Beziehungen gegenseitiger Sympathie und Achtung notwendig ist" 1, erwirbt<br />
das Kind mit zunehmendem Alter ein autonomes Regelverhalten. " Wenn das<br />
Bewußtsein ein Ideal als notwendig erachtet, das von jedem äußeren Druck<br />
unabhängig ist" 2 , dann scheint nach Piaget eine moralische Autonomie<br />
erreicht zu sein. 4. Die subjektive Verantwortung ist das Ergebnis einer<br />
Erziehung, in der Regeln dem Kind nicht kategorisch aufgezwungen werden,<br />
sondern im Sinne von Zusammenarbeit und gegenseitiger Achtung<br />
2) ebd. S. 222.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
könne sich keine innere Beziehung zu Ihr herausbilden. - Mit dem<br />
zunehmenden Alter erwerbe sich das Kind ein autonomes Regel verhalten, das<br />
in der Entdeckung gründe, " dass die Wahrhaftigkeit für die Beziehungen<br />
gegenseitiger Sympathie und Achtung notwendig ist". Eine moralische<br />
Autonomie scheine dann erreicht zu sein, " wenn das Bewusstsein ein Ideal als<br />
notwendig erachtet, das von jedem äusseren Druck unabhängig ist". 2 - Die<br />
subjektive Verantwortung sei das direkte Ergebnis einer aufgeklärten<br />
Erziehung, die dem Kind die Regeln nicht 1n kategorischer Weise aufzwingen<br />
wolle, sondern sie im Sinne der<br />
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47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 323<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 141<br />
Erziehung, in der Regeln dem Kind nicht kategorisch aufgezwungen werden,<br />
sondern im Sinne von Zusammenarbeit und gegenseitiger Achtung erklärt<br />
werden. 3<br />
Von diesen Untersuchungen her unterscheidet Piaget eine zweifache<br />
Moral, die er auf zwei Bildungsprozesse zurückführt: " Der erste dieser<br />
Prozesse ist der moralische Zwang des Erwachsenen, welcher zur Heteronomie<br />
und folglich zum moralischen Realismus führt. Der zweite ist die<br />
Zusammenarbeit, welche zur Autonomie führt." 1<br />
Die Entwicklung des<br />
Bewußtseins des Guten vollzieht sich nicht nur in der gegenseitigen Achtung<br />
und Zusammenarbeit der Kinder untereinander, sondern ist auch davon<br />
abhängig, ob zwischen Kind und Erwachsenem eine Beziehung der<br />
gegenseitigen Achtung und<br />
3) vgl. zum Vorangegangenen: Oser,Fritz: a.a.O. S. 323.<br />
1) ebd. S. 220/221.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zu erklären und veranschaulichen suche. Es gibt also grundsätzlich eine<br />
zweifache Moral, welche nach Piaget auf zwei Bildungsprozesse zurückgeht,<br />
nicht aber scharf abgrenzbare Stadien bildet. " Der erste dieser Prozesse ist der<br />
moralische Zwang des Erwachsenen, welcher zur Heteronomie und folglich zum<br />
moralischen Realismus führt. Der zweite ist die Zusammenarbeit, welche zur<br />
Autonomie führt. Zwischen beiden kann man ein Stadium der Verinnerlichung<br />
und Verallgemeinerung der Regeln und Weisungen unterscheiden." 1<br />
Solange<br />
noch eine Regel besteht, die sich von aussen aufzwingt<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 142<br />
gegenseitigen Achtung und Zusammenarbeit der Kinder untereinander,<br />
sondern ist auch davon abhängig, ob zwischen Kind und Erwachsenem eine<br />
Beziehung der gegenseitigen Achtung und Sympathie aufgebaut ist. Die<br />
Autonomie des Gewissens ist solange nicht erreicht, wie eine Regel besteht, die<br />
sich von aussen aufzwingt, ohne " notwendiges Ergebnis des Bewußtseins<br />
selbst" zu sein. 4.4. Untersuchungen zum Gerechtigkeitsbegriff Während<br />
Merkmale der durch Zwang und Heteronomie gekennzeichneten Moral durch<br />
die Analyse des Regelbewußtseins und -Verhaltens aufgezeigt werden konnten,<br />
läßt sich die auf gegenseitige Achtung und Autonomie bestehende Moral sehr<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zweite ist die Zusammenarbeit, welche zur Autonomie führt. Zwischen beiden<br />
kann man ein Stadium der Verinnerlichung und Verallgemeinerung der Regeln<br />
und Weisungen unterscheiden." 1<br />
Solange noch eine Regel besteht, die sich von<br />
aussen aufzwingt ohne " notwendiges Ergebnis des Bewusstseins selbst", ist die<br />
Autonomie des Gewissens nicht erreicht. d) Untersuchungen zum<br />
Gerechtigkeitsbegriff Bei den weiteren Untersuchungen Piagets zum<br />
Gerechtigkeitsbegriff möchten wir nur einige Resultate festhalten: Er<br />
unterscheidet<br />
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47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 324<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 142<br />
durch die Analyse des Regelbewußtseins und -Verhaltens aufgezeigt werden<br />
konnten, läßt sich die auf gegenseitige Achtung und Autonomie bestehende<br />
Moral sehr viel schwerer klären, da man kaum in die inneren Bewegungen des<br />
Gewissens eindringen kann. " Die gefühlsmäßige Seite der Zusammenarbeit und<br />
der Gegenseitigkeit" entzieht sich nach Piaget der Befragung. Von daher rückt<br />
nun ein Begriff in den Mittelpunkt, der als rationalster unter den moralischen<br />
Begriffen gilt, der sich aus der Zusammenarbeit unmittelbar ergibt und der<br />
einer psychologischen Analyse<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
bis 12 jährigen Kinder betrachtet. Jetzt müssen wir weitergehen und in das<br />
Gewissen des Kindes selbst eindringen. Hier werden jedoch die Dinge<br />
komplizierter. Wenn sich indessen die gefühlsmäßige Seite der<br />
Zusammenarbeit und der Gegenseitigkeit der Befragung entzieht, gibt es<br />
immerhin einen Begriff, zweifellos den rationalsten unter den moralischen<br />
Begriffen, der sich unmittelbar aus der Zusammenarbeit zu ergeben scheint und<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 142<br />
Von daher rückt nun ein Begriff in den Mittelpunkt, der als rationalster unter<br />
den moralischen Begriffen gilt, der sich aus der Zusammenarbeit unmittelbar<br />
ergibt und der einer psychologischen Analyse zugänglich ist: der<br />
Gerechtigkeitsbegriff. 2 Piaget erklärt, " daß das Gerechtigkeitsgefühl, wenn es<br />
auch durch Vorschriften und das praktische Beispiel der Erwachsenen<br />
verstärkt werden kann, zum guten Teil unabhängig von diesen Einflüssen ist<br />
und zu seiner Entwicklung nur der gegenseitigen Achtung und Solidarität der<br />
Kinder untereinander bedarf." 3<br />
Wieder werden den Kindern Geschichten<br />
vorgelegt und aus ihren "Bestrafungsanregungen" Schlüsse gezogen. Dabei<br />
stellt Piaget zwei Begriffe von Gerechtigkeit fest: die vergeltende und die<br />
austeilende Gerechtigkeit. Zur vergeltenden Gerechtigkeit lassen sich zwei<br />
Typen von strafen<br />
2) ebd. S. 223.<br />
3) ebd. S. 223/224.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ohne zu große Schwierigkeiten unternommen werden kann: der<br />
Gerechtigkeitsbegriff. Wir werden uns daher hauptsächlich mit ihm befassen.<br />
Die Schlußfolgerung, zu welcher wir gelangen werden, ist, daß das<br />
Gerechtigkeitsgefühl, wenn es auch durch Vorschriften und das praktische<br />
Beispiel des Erwachsenen verstärkt werden kann, zum guten Teil unabhängig<br />
von diesen Einflüssen ist und / zu seiner Entwicklung nur der gegenseitigen<br />
Achtung und Solidarität der Kinder untereinander bedarf. Häufig drängen sich<br />
die Begriffe von Recht und Unrecht dem kindlichen Bewußtsein trotz und<br />
nicht durch den Erwachsenen auf. Im Gegensatz zu einer solchen, zuerst<br />
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88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954, S. 222<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 143<br />
vergeltende und die austeilende Gerechtigkeit. Zur vergeltenden Gerechtigkeit<br />
lassen sich zwei Typen von strafen unterscheiden: - Bei auf Zwang beruhenden<br />
Beziehungen im Rahmen einer heteronomen Moral und reinen Pflicht<br />
entscheiden sich die Kinder für Sühne-Strafen. Zwischen dem Inhalt der Strafe<br />
und der bestraften Handlung selbst gibt es keine Beziehung. Die Sühne wird<br />
als moralisch notwendig und als pädagogisch nützliche Vorbeugungsmaßnahme<br />
gegen Rückfälle angesehen. Einfluß auf die Verteidigung der Sühne-Strafen<br />
nehmen dabei vor allem das individuelle Rachebedürfnis und die einseitige<br />
Achtung vor der Autorität der Erwachsenen. - Auf Gegenseitigkeit beruhende<br />
Strafen entsprechen der Moral der Autonomie und Zusammenarbeit. Sie<br />
erscheinen insofern als begründet, als zwischen dem jeweiligen Schweregrad<br />
von Vergehen und Strafe eine inhaltliche Beziehung besteht. Solche<br />
Strafformen entstehen als Folge der Anerkennung der Gleichheits- und<br />
Gerechtigkeitsbeziehungen der Kinder untereinander. Die austeilende<br />
Gerechtigkeit setzt die Idee der Gleichheit voraus. Hier gilt eine Verteilung<br />
dann als ungerecht, wenn<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zwischen zwei Typen von vergeltender Gerechtigkeit: - Die Sühne-Strafen<br />
entsprächen den auf Zwang beruhenden Beziehungen, der Heteronomie-Moral<br />
und reinen Pflicht. Es bestehe keine Beziehung zwischen dem Inhalt der Strafe<br />
und der Natur der bestraften Handlung. Die Sühne wird als moralisch absolut<br />
notwendig und als pädagogisch nützliche Vorbeugungsmassnahme gegen<br />
Rückfälle angesehen. Der Begriff der Sühne ergebe sich aus der Verbindung<br />
zweier Einflüsse: dem individuellen Rachebedürfnis und der einseitigen<br />
Achtung vor der Autorität der Erwachsenen. - Die auf Gegenseitigkeit<br />
beruhenden Strafen entsprächen der Moral der Autonomie und<br />
Zusammenarbeit. Sie erscheinen " begründet", d.h. es bestehe ausser dem<br />
Verhältnis zwischen dem jeweiligen Schweregrad von Vergehen und Strafe<br />
noch eine inhaltliche Beziehung. Diese Strafformen entständen als Folge des<br />
allmählichen, entwicklungsbedingten Zurücktretens der einseitigen Achtung<br />
vor dem Erwachsenen zugunsten der Gleichheits- und<br />
Gegenseitigkeitsbeziehungen der<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 143<br />
als ungerecht, wenn sie einen auf Kosten der anderen begünstigt. Ausserdem<br />
setzt das jüngere Kind voraus, daß ein beliebiger Fehler automatisch eine<br />
Strafe nach sich zieht. Es glaubt an eine den Dingen immanente Gerechtigkeit,<br />
die "von der Übertragung der unter dem Einfluß des Zwangs der Erwachsenen<br />
erworbenen Gefühle auf die Dinge" herrührt. 1<br />
Insgesamt nimmt Piaget drei<br />
Entwicklungsstadien von der vergeltenden zur ausgleichenden Gerechtigkeit<br />
an: 1. In der Phase der einseitigen Achtung (bis zum 7./8. Lebensjahr) wird die<br />
Gerechtigkeit bestimmt durch die Autorität der Erwachsenen und deren<br />
Gesetze. Die<br />
1) ebd. S. 295.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Fehler automatisch seine Strafe nach sich zieht. Der Glaube an die den Dingen<br />
immanente Gerechtigkeit rühre "von einer Uebertragung der unter dem<br />
Einfluss des Zwanges der Erwachsenen erworbenen Gefühle auf die Dinge her"<br />
, 3 und nehme allmählich als Folge der wachsenden Autonomie und konkreten<br />
Erfahrung ab. Es sei möglich, ein deutliches Entwicklungsgesetz zu erkennen<br />
und drei grosse Etappen<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 144<br />
für vergeltende Gerechtigkeit, so werden dann mildernde Umstände anerkannt.<br />
Entscheidet es sich für austeilende Gerechtigkeit, so berücksichtigt das Kind<br />
Altersverhältnisse, frühere Gefälligkeiten und besondere Umstände, sieht also<br />
die strafbare Handlung in einem umfassenderen Kontext. 1<br />
Insofern die<br />
Entwicklung der Gerechtigkeit die Autonomie voraussetzt, kann die Autorität<br />
als solche nicht Quelle der Gerechtigkeit sein. " Die Autorität des Erwachsenen,<br />
selbst wenn sie der Gerechtigkeit entspricht, hat demnach die Wirkung, das<br />
abzuschwächen, was das Wesen der Gerechtigkeit selbst ausmacht." 2<br />
Solange<br />
das Kind unter der Autorität des Erwachsenen steht, verwechselt es<br />
Gerechtigkeit und Gesetz, wobei unter Gesetz das verstanden wird, was der<br />
Erwachsene vorschreibt. Andererseits erklärt Piaget die Autorität als<br />
möglicherweise notwendiges Moment in der<br />
1) ebd. S. 356-359.<br />
2) ebd. S. 361/362.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ist. In diesem Punkt scheinen uns die Ergebnisse unserer Analysen<br />
entscheidend zu sein: die Autorität als solche kann nicht die Quelle der<br />
Gerechtigkeit bilden, da die Entwicklung der Gerechtigkeit die Autonomie<br />
voraussetzt. Natürlich bedeutet dies nicht, daß der Erwachsene bei der<br />
Entwicklung der Gerechtigkeit, selbst der austeilenden, nicht beteiligt ist. In dem<br />
Maße, wo er ein Gegenseitigkeitsverhältnis<br />
von der Gerechtigkeit vorausgesetzten völligen Autonomie. In der Tat kann die<br />
Gerechtigkeit, da sie / auf Gleichheit und Gegenseitigkeit beruht, nur bei freier<br />
Zu- I Stimmung auftreten. Die Autorität des Erwachsenen, selbst wenn sie der<br />
Gerechtigkeit entspricht, hat demnach die Wirkung, das abzuschwächen, was<br />
das Wesen der Gerechtigkeit / t selbst ausmacht. Daher die Reaktionen der<br />
Kleinen, die Gerechtigkeit und Gesetz verwechseln, wobei sie unter Gesetz das<br />
verstehen, was der Erwachsene vorschreibt. Daß das Rechte mit der<br />
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Entwicklung des Kindes. Dabei darf sie aber nur Zwischenstadium sein auf dem<br />
Wege zu von gegenseitiger Achtung und Zusammenarbeit zwischen Kindern<br />
und Erwachsenen geprägter Autonomie. Von einer Autonomie des Gewissens<br />
kann nach Piaget gesprochen werden, wenn das Kind entdeckt, " daß die<br />
Wahrhaftigkeit für die Beziehungen gegenseitiger Sympathie und Achtung<br />
notwendig ist." 1<br />
Somit wird die Gegenseitigkeit zu einem entscheidenden<br />
Faktor der Autonomie. Die ethische Notwendigkeit, ein von äußerem Druck<br />
unabhängiges Ideal zu begründen, ergibt sich nach Piaget, wenn in einer<br />
sozialen Beziehung die gegenseitige Achtung so stark geworden ist, daß der<br />
einzelne das Bedürfnis hat, " den anderen so zu behandeln, wie er selbst<br />
behandelt werden möchte." 2<br />
4.5. Auswertung Piaget thematisiert seine<br />
Untersuchung als solche zur Entwicklung des moralischen Urteils beim Kind<br />
und benutzt den Begriff des Gewissens, insofern er die erreichten Stadien im<br />
moralischen Urteil als solche des Gewissens bezeichnet. Tatsächlich aber<br />
beschäftigt er sich weder mit der Gesamtentwicklung kindlicher Moral noch<br />
mit der des Gewissens, sondern<br />
1) ebd. S. 222.<br />
2) ebd. S. 222.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Regel sich immer noch von außen aufzwinge und noch nicht als notwendiges<br />
Ergebnis einer Reflexion erscheine. (3) Die eigentliche Autonomie des<br />
Gewissens ist nach Piaget erreicht, wenn das Kind entdeckt, " daß die<br />
Wahrhaftigkeit für die Beziehungen gegenseitiger Sympathie und Achtung<br />
notwendig ist" 521 . Insofern sieht Piaget die Gegenseitigkeit als "Faktor der<br />
Autonomie" an. Dies folge daraus, daß der einzelne für sich nur die Anomie<br />
kenne. Die ethische Notwendigkeit, ein von äußerem Druck unabhängiges<br />
Ideal zu begründen, ergebe sich erst, wenn in einer sozialen Beziehung die<br />
gegenseitige Achtung so stark geworden sei, daß das Individuum das<br />
Bedürfnis hat, " den anderen so zu behandeln, wie es selbst behandelt sein<br />
möchte" 522 . 3. Kritik Mit dieser letzten Aussage führt Piaget ein<br />
philosophisches Postulat, den kategorischen Imperativ Kants 523 , als Variable<br />
zur Beschreibung der kognitiven<br />
und dennoch man selber bleibt. Sehr viele sind von so viel Freiheit überfordert." 66<br />
5 Moratoädaeoeischer Intellektualismus und kritisch-emanzipatorische<br />
Konzeote des ethischen Lernens. Die Theorie der " Entwicklung des<br />
moralischen Urteils beim Kind" und ihre Auswirkungen. Ein ganzheitliches<br />
Konzept ethischen Lernens. Günter Stachel 5.1 Moralpädagogischer<br />
Intellektualismus Der moralische Intellektualismus ist eine alte und verbreitete<br />
Form westlichen Denkens Wie ist es<br />
62 Klier, Gerhard: Gewissensfreiheit und Psychologie. ..., 1977, S. 103<br />
72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 61<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 146<br />
sondern mit formalen Veränderungen im moralischen Urteil des Kindes. H.J.<br />
Huijts 3<br />
wirft Piaget vor, die emotionalen Komponenten im Lernprozeß zu<br />
unterschätzen. In seiner Psychologie sei die höchste Stufe des Murmelspiels das<br />
Stadium der Kodifizierung der Regeln. " Das Kind ist dann auf einer Ebene<br />
gelandet, auf der es wegen der Regeln spielt, die Regeln machen aber nie das<br />
Spiel aus. Sie begleiten es höchstens und sind Aktualisierungen des Spiels."<br />
Huijts meint, das Kind spiele bereits, bevor es Spielregeln kenne: " Zuerst ahmt<br />
es das Spiel nach, dann sind die Regeln heilig. Später entwirft es bewußt<br />
Regeln, oder es übernimmt sie. Dann tritt die Intellektualisierung des Spiels ein.<br />
" Solche Intellektualisierung sei aber nie erschöpfend, wenn das Spiel noch<br />
Spiel bleiben soll. " Die Regelabsprache bleibt in die emotionale<br />
Verbundenheit eingebettet. Beim Murmelspiel geht es ganz sicher um die<br />
Murmeln, die man gewinnen oder verlieren kann, und nur in zweiter Linie um<br />
die Regeln." In analoger Weise kritisiert Huijts auch Piagets Moralverständnis,<br />
dessen "höchste Stufe die intellektuelle Anerkennung der Normen auf Grund<br />
wechselseitiger Verabredung" ist. Piaget übersehe, daß das sittliche Urteil<br />
stark von persönlichen Bindungen, von historischen und individuellen<br />
Wachstumschancen und moralischen Empfindungen abhängig sei. "<br />
5% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Piaget unterschätzt die emotionalen Komponenten im Lehrprozeß. In seiner<br />
Psychologie rückt das Murmelspiel deutlich in den Vordergrund. Die höchste<br />
Entwicklungsstufe ist das Stadium der Kodifizierung. Das Kind ist dann auf<br />
einer Ebene gelandet, auf der es wegen der Regel spielt. Die Regeln machen<br />
aber nie das Spiel aus, sie begleiten es höchstens und sind Aktualisierungen des<br />
Spiels. Das Kind spielt bereits, bevor es Spielregeln kennt. Zuerst ahmt es das<br />
Spiel nach, dann sind die Regeln heilig. Später entwirft es bewußt Regeln, oder<br />
es übernimmt sie. Dann tritt die Intellektualisierung des Spiels ein. Aber diese<br />
ist nie erschöpfend, wenn das Spiel noch Spiel bleiben soll. Mit anderen Worten:<br />
Die Regelabsprache ist in die emotionale Verbundenheit eingebettet. Beim<br />
Murmelspiel<br />
dann sind die Regeln heilig. Später entwirft es bewusst Regeln, oder es<br />
Ubernimmt sie. Dann tritt die Intellektual1s1erung des Spiels ein. Aber dies Ist<br />
nie erschöpfend, wenn das Spiel noch Spiel bleiben soll. Mit anderen Worten:<br />
Die Regelsprache ist in die emotionale Verbundenheit eingebettet. Beim<br />
Murmelspiel geht es ganz sicher um die Murmeln, die man gewinnen oder<br />
verlieren<br />
Dann tritt die Intellektualisierung des Spiels ein. Aber diese ist nie erschöpfend,<br />
wenn das Spiel noch Spiel bleiben soll. Mit anderen Worten: Die<br />
Regelabsprache ist in die emotionale Verbundenheit eingebettet. Beim<br />
Murmelspiel geht es ganz sicher um die Murmeln, die man gewinnen oder<br />
verlieren kann, und nur in zweiter Linie um die Regeln. Eine analoge Frage<br />
stellt sich auf dem Gebiet der Mo-ralität. Auch hier ist die höchste Stufe die<br />
intellektuelle Anerkennungder Normen auf Grund wechselseitiger<br />
Verabredung.<br />
die man gewinnen oder verlieren kann, und nur 1n zweiter Linie um die Regeln.<br />
" 2 Dasselbe meint Huljts auch 1n Bezug auf die Moralität im Sinne der<br />
Intellektuellen " Anerkennung der Normen auf Grund wechselseitiger<br />
Verabredung". Das sittliche Urteil hänge in weit grösserem Masse von<br />
Bindungen ab, von Motivationen, von der emotionalen Sozialität. Die Frage der<br />
Einverleibung der moralischen Regeln sei<br />
43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969, S. 158<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 326<br />
43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969, S. 158<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 326<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 146<br />
Natürlich findet das Kind moralische Regeln vor, aber deren Einverleibung ist<br />
nicht nur eine Frage des logischen Denkstils unter Vermeidung von Zweifel,<br />
Konflikt und Verschiebung in moralischen Auffassungen." 1<br />
Huijts setzt mit<br />
seiner Kritik vor allem da an, wo es um Anlage und Auswertung der<br />
Untersuchungen Piagets geht. Wir unterstreichen diese kritischen Anmerkungen,<br />
meinen aber, daß dieses Vorgehen und Werten Piagets von seinem<br />
Ausgangspunkt<br />
3) Huijts,Joseph Hubertus: Gewissensbildung. Köln 1969.<br />
1) sämtliche Zitate: ebd. S. 159.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
aber stark von persönlichen Bindungen abhängig, von historischen und<br />
individuellen Wachstumschancen, von "den moralischen Führungen und<br />
Empfindungen", die Piaget ausdrücklich aus seiner Untersuchung heraushalten<br />
wollte [278, S. IX]. Natürlich findet das Kind moralische Regeln vor, aber<br />
deren Einverleibung ist nicht nur eine Frage des logischen Denkstils unter<br />
Vermeidung von Zweifel, Konflikt und Verschiebung in moralischen<br />
Auffassungen [36]. Piagets Psychologie ist funktionalistisch. Dagegen ist an<br />
sich nichts einzuwenden Beschreibende und axiologische Ordnung werden<br />
dann aber leicht verwechselt, und allmählich läßt man parallel laufen:<br />
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171<br />
43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969, S. 158<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 147<br />
vorneherein auf Formalien, womit er allerdings dem Titel seines Buches nur<br />
schwer gerecht wird. Theodor Wilhelm 1<br />
hat darauf hingewiesen, daß der Kern<br />
von Humanität in der menschlichen Fähigkeit liege, Gesetzlichkeiten zu<br />
durchbrechen. Bloße Anpassungsvorgänge können als verpaßte Gelegenheiten<br />
des rechten Gebrauchs der Freiheit gesehen werden. Sittliches Verhalten kann<br />
demnach gerade nicht primär in der Beachtung bestehender Regeln liegen,<br />
findet darin vor allem nicht seine besondere Auszeichnung, sondern<br />
möglicherweise im Bruch mit solchen Regeln, soweit sie bestimmten<br />
Vorstellungen von<br />
1) Wilhelm,Theodor: Sozialisation und soziale Erziehung. In: Wurzbacher,Gerhard (Hrsg.):<br />
Sozialisation und Personalisation. S. 120-163.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
selbständigen Stellungnahme wird auch von Th. Wilhelm betont, der geradezu<br />
den "Kern der Humanität" in der menschlichen Fähigkeit sieht,<br />
Gesetzlichkeiten zu durchbrechen; Anpassungsvorgänge sind dann als<br />
verpaßte Gelegenheiten des rechten Gebrauchs der Freiheit zu sehen. "Insofern<br />
es die Erziehung mit der lebendigen Totalität des Individuums zu tun hat,<br />
bewegen sieh die pädagogischen Überlegungen immer auch auf dieser, der<br />
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172<br />
39 Speck, Josef: Die anthropologische Fundierung erz..., 1968, S. 58<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 147<br />
auf bestehende Regelsysteme und deren Entsprechung. Dies kann bei ihm als<br />
konstanter Tatbestand gewertet werden; veränderbar sind hingegen die Gründe<br />
und Motive, aus denen heraus den Regeln entsprochen wird. Und hier taucht<br />
das pädagogisch bedeutsame " Problem des Übergangs von der heteronomen<br />
Moral des Kleinkindes zu der möglichen autonomen und freien Moral des<br />
Erwachsenen" 2<br />
auf. Piaget nimmt an, daß die Entwicklung des moralischen<br />
Urteils parallel laufe zu der kognitiver Prozesse. Von sozialem Einfluß spricht<br />
er primär in Zusammenhang mit sanktionierten Gesetzen, Heteronomie und<br />
daraus erwachsenem Pflichtgefühl. Damit unterschätzt er -<br />
2) Roth,Heinrich: Pädagogische Anthropologie. Band II. Hannover 11-1971. S. 560.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sollen."2 84) Was Piaget aber mit Recht besonders interessiert hat, blieb, wie<br />
Roth richtig sagt, bis heute die "Crux aller moralischen Entwicklungs- und<br />
Erziehungsprobleme", nämlich: das Problem des Übergangs von der<br />
heteronomen Moral des Kleinkindes zu der möglichen autonomen und freien<br />
Moral des Erwachsenen. Da ist es nun bemerkenswert, daß Piaget die<br />
Entwicklung des moralischen Bewußtseins, wie schon erwähnt, parallel zu der<br />
kognitiven als Folge von nicht umkehrbaren Reifesequenzen<br />
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173<br />
34 Dienelt, Karl: Anthropologie des Jugendalters, 1974, S. 94<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 150<br />
menschlichen Verhaltens ist für ihn insofern von Interesse, als darin das<br />
Erleben des Menschen zum Ausdruck kommt. "Das Insgesamt aller Erlebnisse"<br />
bezeichnet er als den Gegenstand der Psychologie. Im "Aufbau der Person" 1<br />
will Lersch die verschiedenartigen Inhalte und Vollzüge menschlichen<br />
Erlebens und Verhaltens so darstellen, daß sie " als Glieder eines Ganzen<br />
sichtbar und verständlich werden". Solches Rechenschaftgeben über das, was<br />
zum "ganzen Menschen" gehört, zählt er zu den unbedingt notwendigen<br />
Voraussetzungen erzieherischer Arbeit, soweit Erziehung nicht aufgehen soll<br />
in Wissensvermittlung und der Schulung von Fertigkeiten. Wo ernsthaft das<br />
Ziel verfolgt<br />
1) Lersch,Philipp: Aufbau der Person. München 1970.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
stehen. Nun wäre wenig gewonnen, wollte ich nur einen Katalog, ein<br />
summatives Nebeneinander seelischer Vorgänge und Zustände aufstellen. Es<br />
wird vielmehr darauf ankommen, die sehr verschiedenartigen Inhalte und<br />
Vollzüge menschlichen Erlebens und Verhaltens so darzustellen, daß sie als<br />
Glieder eines Ganzen sichtbar und verständlich werden. Wir erleben ja auch<br />
uns selbst nicht als ein pluralistisches Vielerlei von Wahrnehmungen,<br />
Erinnerungen, Gedanken, Gefühlen, Strebungen und Handlungen im Sinne<br />
einer bloßen Und-Verbindung,<br />
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89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 124<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 150<br />
des ganzen Menschen" zu praktizieren, wo man sich um die Förderung<br />
seelischer Reife und die Lenkung individueller Entwicklung "in die richtigen<br />
Bahnen" bemüht, da braucht man ein Gesamtbild vom Menschen, seiner<br />
Stellung in der Welt und seiner Verflochtenheit mit ihr. Im folgenden soll<br />
herausgearbeitet werden, welche Rolle das Gewissen in Lerschs "Aufbau der<br />
Person" einnimmt. 5.2. Der Aufbau der Person Aus der Erfahrung, daß unsere<br />
Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gedanken, Strebungen und Handlungen nicht<br />
einfach nebeneinander bestehen, sondern<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Worten: jede Psychologie bleibt vordergründig, sofern es ihr nicht gelingt,<br />
hinter den mannigfaltigen Tatsachen der Erfahrung ein Gesamtbild des<br />
Menschen, seiner Stellung in der Welt und seiner Verflochtenheit mit ihr<br />
sichtbar werden zu lassen. Wenn nun gesagt wurde, es sei Aufgabe und Ziel<br />
unserer Darstellung, die mannigfachen Formen zur Kenntnis zu bringen und<br />
verständlich zu<br />
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90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl., 1970, S. 74<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 151<br />
einnimmt. 5.2. Der Aufbau der Person Aus der Erfahrung, daß unsere<br />
Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gedanken, Strebungen und Handlungen nicht<br />
einfach nebeneinander bestehen, sondern integriert sind in das, was wir unser<br />
Selbst nennen, und dieses Selbst immer zugleich in einem ganzheitlichen<br />
Zusammenhang mit der Welt steht, betrachtet Lersch das seelische Leben in<br />
einem doppelten Ganzheitsbezug: in seinem intramundanen, innerweltlichen,<br />
der als kommunikative Verflechtung mit der Welt horizontal verläuft und in<br />
seinem intrapersonalen, der als Einheit in sich selbst vertikal geschichtet ist. 1<br />
Wenn Lersch von einem "intramundanen Ganzheitsbezug" spricht, dann meint<br />
er damit, daß seelisches Leben immer ein Dialog zwischen Mensch und Welt 2<br />
ist, der bei näherer Betrachtung vierfach gegliedert ist: - Damit der Dialog<br />
zustande kommt, muß der Mensch der Umwelt innewerden und sich in ihr<br />
orientieren können. Das leistet er, indem er durch seine Sinnesorgane<br />
wahrnimmt, im Gedächtnis<br />
1) Lersch,Philipp: Zum Personverständnis in der Psychologie. In: Speck,Josef (Hrsg): Das<br />
Personverständnis in der Pädagogik und ihren Nachbarwissenschaften. S. 125-141. hier: S. 126.<br />
2) "Der Mensch ist das, was er ist, immer nur durch die Art, wie er die Welt erlebt und wie er sich<br />
zur Welt verhält. Erleben und Verhalten ... sind recht eigentlich ein Dialog zwischen Mensch<br />
und Welt" (ebd. S. 125).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wenn wir von der menschlichen Person sprechen. Seelisches Leben ist aber<br />
nicht nur in sich ein Ganzes, dessen Glieder integrativ zusammenhängen. Es<br />
steht zugleich auch in einem ganzheitlichen Zusammenhang mit der Welt. Der<br />
Mensch ist das, was er ist, immer nur durch die Art, wie er die Welt erlebt und<br />
wie er sich zur Welt verhält. Erleben<br />
ihn aufgehoben in der Einheit seiner Person. Damit ist die Grundkonzeption<br />
einer anthropologisch, das heißt auf die Gewinnung eines Menschenbildes<br />
gerichteten Psychologie angedeutet. Sie betrachtet das seelische Leben in einem<br />
doppelten Ganzheitsbezug: zum einen in seinem intramundanen,<br />
innerweltlichen, der als kommunikative Verflechtung mit der Welt horizontal<br />
verläuft; und zum anderen in seinem intrapersonalen Ganzheitsbezug, der als<br />
Einheit in sich selbst vertikal geschichtet ist. Ich will nun versuchen, die beiden<br />
Dimensionen, in denen sich das menschliche Seelenleben vollzieht, zu<br />
skizzieren, wobei Sie es mir nachsehen wollen, wenn ich unter<br />
Der Funktionskreis des Erlebens Mit der Rede vom intramundanen,<br />
innerweltlichen, horizontal gerichteten Ganzheitsbezug ist wie gesagt die<br />
Tatsache gemeint, daß seelisches Leben immer ein Geschehen, ein Dialog<br />
zwischen Mensch und Welt ist. Einer näheren Betrachtung erweist sich dieser<br />
Dialog als vierfach gegliedert. Damit er überhaupt zustande kommt, bedarf der<br />
Mensch der Fähigkeit, der Umwelt inne zu werden<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 124<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 125<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 151<br />
All das, was der Mensch in dieser Welt erlebt, die Art, wie sich ihm die Welt<br />
erschließt, ist beeinflußt von seinen Trieben und Strebungen. Sie sind letztlich<br />
entscheidend dafür, welche Bedeutung einzelnen Wahrnehmungen gegeben<br />
wird. - Drittes Glied im Dialog zwischen Mensch und Welt sind die<br />
Gefühlsregungen (Freude, Trauer, Schreck, Aufregung...), in denen den<br />
Menschen die Bedeutung der Wahrnehmungen bewußt werden. - Die Antwort<br />
des Menschen in seinem Dialog mit der Welt ist die Handlung. In ihr findet "<br />
das kommunikative Kreisgeschehen zwischen Mensch und Welt" seinen<br />
vorläufigen Abschluß, wenn Triebe und Strebungen aus der Spannung von<br />
Bedürfnissen kommen und die Handlung darauf zielt, diese Spannung zur<br />
Lösung zu bringen. 1<br />
Das beschriebene kommunikative Kreisgeschehen ist<br />
eingebettet in " bestimmte das Erleben durchtönende Gesamtbefindlichkeiten<br />
des Zumuteseins", die Lersch "stationäre Gestimmtheiten" nennt. 2<br />
Sie<br />
erschließen sich, wenn man das menschliche Seelenleben intrapersonal, im<br />
Aspekt des geschichteten Aufbaus betrachtet: Die unterste psychologische<br />
Schicht bilden das Lebens- und Selbstgefühl, unter deren Wirkung wir immer<br />
schon an die Welt herantreten. Arten des Lebensgefühls sind Stimmungen wie<br />
Heiterkeit, Schwermut, Angst. Mit Selbstgefühl ist die Einschätzung eigener<br />
Möglichkeiten des Wertes und Wirkens in der Welt gemeint. Beide -<br />
Selbstgefühl und Stimmungen - bestimmen die Art, wie wir der Welt<br />
gegenübertreten und in ihr<br />
1) ebd. S. 126/127.<br />
2) ebd. S. 128.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Ärger, Freude und Trauer, als Mitleid und Liebe, als Neid, Eifersucht und Haß,<br />
als Hoffnung und Enttäuschung, als Resignation und Verzweiflung. Die<br />
Gefühlsregungen sind ein drittes Glied im Dialog zwischen Mensch und Welt,<br />
eine dritte Gruppe von Vorgängen, die in den Gesamtvollzug des seelischen<br />
Lebens eingegliedert sind. Mit der Dynamik der Triebe und Strebungen und der<br />
ihnen korrespondierenden<br />
letztes Glied im kommunikativen Bezug zwischen Mensch und Welt gekoppelt.<br />
Es ist das Insgesamt dessen, was wir als Handlung bezeichnen. Die Handlung<br />
ist die eigentliche Antwort des Menschen in seinem Dialog mit der Welt. In ihr<br />
gelangt das kommunikative Kreisgeschehen zwischen Mensch und Welt zu<br />
einem vorläufigen Abschluß. Kommen Triebe und Strebungen aus der<br />
Spannung von Bedürfnissen, so zielt die Handlung darauf ab, diese Spannung<br />
zur Lösung zu bringen. Die aufgewiesenen Grundvollzüge des seelischen<br />
Lebens Weltinnewerden und Weltorientierung, Triebe und Strebungen,<br />
Gefühlsregungen<br />
Abb.l Ergänzend ist zu sagen, daß dieses viergliedrige Kreisgeschehen des<br />
psychischen Lebens eingebettet ist in etwas, das selbst nicht mehr Prozeß ist,<br />
eingebettet nämlich in bestimmte das Erleben durchtönende<br />
Gesamtbefindlichkeiten des Zumuteseins, die ich als stationäre Gestimmtheiten<br />
bezeichne und auf die gleich zurückzukommen ist, wenn wir uns jetzt dem<br />
zweiten der beiden eingangs genannten Ganzheitsbezüge zuwenden, in<br />
Lebensgefühl und Selbstgefühl gleichsam den Hintergrund und Untergrund<br />
bilden, in den die wechselnden seelischen Prozesse eingebettet sind und unter<br />
deren Wirkung wir je und je schon an die Welt herantreten. Arten des<br />
Lebensgefühls sind die Stimmungen, die wir als Heiterkeit, Schwermut,<br />
Verdrossenheit oder Angst kennen. Wenn vom ganzen Menschen die Rede ist,<br />
dann sind es nicht zuletzt die Varianten<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 126<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 127<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 128<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 153<br />
Aufregung, Wut, Vertrauen und Furcht; dem Egoismus, Machtstreben und<br />
Geltungsdrang zugehörig: Zufriedenheit, Unzufriedenheit, Neid, Triumph und<br />
Niederlage; zum Vergeltungsdrang gehörend: Genugtuung, Schadenfreude,<br />
Dankbarkeit; dem Eigenwertstreben zugeordnet: Minderwertigkeitsgefühl,<br />
Scham, Selbstachtung, Selbstverachtung, Reue; - den Gefühlsregungen, die aus<br />
der Thematik des Über-sich-hinaus-seins zu verstehen sind, wozu Lersch die<br />
mitmenschlichen Gefühlsregungen (Miteinandersein, Füreinandersein) ebenso<br />
zählt, wie die der schaffenden und wissenden, der liebenden und<br />
verpflichtenden und enthebenden Teilhabe. Schließlich gehören dazu das Gemüt<br />
und das Gewissen, die im<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
gemeint, mit der der Mensch sich auf die Welt nicht als Gegenspielerin des<br />
Individuums, sondern als Horizont jener Werte entworfen fühlt, um die es in<br />
der Thematik des über-sich-hinaus-seins geht, der Werte des Sinnes also, aus<br />
denen das eigene Dasein Sinn und Gehalt empfängt. Weltgefühl ist eine Durchstimmtheit<br />
des Gemütes, mit der wir<br />
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90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl., 1970, S. 338<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 154<br />
in Zukunft erwartet, mit dem, was wahrscheinlich und kalkulierbar und dem,<br />
was unvorhersehbar und unbestimmt bleibt. 1<br />
Die beschriebenen stationären<br />
Gestimmtheiten des Lebens- und Selbstgefühls, die Strebungen und<br />
Gefühlsregungen siedelt Lersch im sogenannten "endothymen Grund" an: " sie<br />
alle tauchen auf aus einer für das bewußte Ich nicht mehr kontrollierbaren<br />
Tiefe eines seelischen Grundes." 2<br />
Gemeinsam ist ihnen, daß sie den Menschen<br />
überkommen, ihn ergreifen, nicht aber von ihm hingenommen werden. Indem<br />
der Mensch die einen hemmt und unterdrückt, andere zur vollen Auswirkung<br />
kommen läßt, nimmt er dazu Stellung. Durch<br />
1) vgl. dazu: Lersch,Philipp: Aufbau der Person. S. 226 - 293.<br />
2) ders.: Zum Personverständnis in der Psychologie. S. 135.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Lebensgefühls und des Selbstgefühls und die Prozesse der Strebungen und<br />
Gefühlsregungen. Vergleicht man sie miteinander, dann zeigen sie bei aller<br />
Verschiedenheit doch einen gemeinsamen Grundzug: sie alle tauchen auf aus<br />
einer für das bewußte Ich nicht mehr kontrollierbaren Tiefe eines seelischen<br />
Grundes. Ich nenne diesen Bereich den "endothymen Grund" (griech. evöov =<br />
drinnen, innen; ftvuos = Mut, Gemüt, Zumutesein). Stationäre Gestimmtheiten,<br />
Strebungen und Gefühlsregungen sind endothyme Erlebnisse, Erlebnisse des<br />
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89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 134<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 154<br />
der biologischen Mangelhaftigkeit des Menschen und dem daraus<br />
resultierenden Zwang, eine lebensdienliche Umwelt zu schaffen. Dazu bedarf<br />
der Mensch der Gabe des Denkens und der sprachgebundenen Intelligenz. - Zum<br />
anderen aus der Tatsache, daß der Mensch nicht wie das Tier eingefügt ist in<br />
das Geschehen der Natur und seine Ordnungen, sondern sich im Laufe der<br />
Geschichte eine zweite Welt oder Kultur aufgebaut hat, die ihre eigenen<br />
Forderungen an den Menschen stellt und ihm ein ungehemmtes Sichausleben<br />
verbietet. Dazu bedarf der Mensch der Funktion des Willens. Während die<br />
endothymen Erlebnisse - in Anlehnung an die Terminologie Sigmund Freuds -<br />
das Merkmal der Eshaftigkeit tragen, wird im " Denken und Wollen das Ich als<br />
identischer Ausgangspunkt und Initiator erlebt." 1<br />
Die Schicht des endothymen<br />
Grundes und die des personellen Oberbaus machen " erst in ihrem<br />
wechselseitigen Zusammenwirken und in ihrer funktionalen Integration das<br />
Ganze der menschlichen Person aus." Seine Impulse und inhaltliche Thematik<br />
erhält das seelische Leben aus den endothymen Erlebnissen, die dem<br />
menschlichen Dasein " Schwung und inhaltliche Fülle, Tiefe, Fähigkeit, Licht<br />
und Dunkel" verleihen. Im Denken wird die Welt im Widerschein der<br />
endothymen Erlebnisse erhellt, geordnet und gegliedert. " Sache des Willens ist<br />
es, die endothyme Dynamik nicht ungehemmt und unkontrolliert geschehen zu<br />
lassen, sondern verantwortlich zu leiten und sinnvoll zu gestalten.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
teilhaftig werde, als die er sich selbst, frei von Instinkt, durch eigene Vernunft<br />
verschafft hat."JKant spricht hier die anthropologische Grunderfahrung aus, daß<br />
der Mensch nicht wie das Tier in seinem Verhalten instinkt- und triebgebunden<br />
ist und in einer ihm relativ starr zugeordneten Umwelt lebt, sondern daß er in<br />
seinem Verhalten gleichsam weltoffen ist;<br />
Rechts, in den Schöpfungen der Technik, der Kunst, der Moral und der<br />
Religion eine zweite Welt der Kultur aufgebaut, die ihre eigenen Ordnungen<br />
hat, ihre Forderungen an den Menschen stellt und ihm ein ungehemmtes<br />
Sichausleben verbietet. Eben dies ist es, wozu er der Funktion des Willens<br />
bedarf. Als Glied im seelischen Aufbau des Menschen gesehen stellen Denken<br />
und Wollen eine den<br />
Menschen gesehen stellen Denken und Wollen eine den endothymen Impulsen<br />
übergeordnete Schicht dar. Die endothymen Erlebnisse haben wie erwähnt<br />
pathischen Charakter. Sie tragen wie wir in Anlehnung an die Terminologie<br />
Sigmund Freuds sagen können das Merkmal der Eshaftigkeit an sich. In den<br />
endothymen Erlebnissen geschieht etwas in uns und mit uns, es vollzieht sich<br />
etwas an uns. Im Unterschied hiervon wird in Denken und Wollen das Ich als<br />
identischer Ausgangspunkt und Initiator erlebt. Wir erfahren uns im<br />
Engagement des Willens, in Selbstbeherrschung, im Sichzusammennehmen und<br />
Sichkonzentrieren, aber auch in der wülensmäßigen Überwindung äußerer<br />
Widerstände nicht als pathisch getrieben,<br />
die höhere des personellen Oberbaus gegenüberzustellen. Die Termini tiefer und<br />
höher sind dabei aber keineswegs im Sinne einer Wertordnung zu verstehen;<br />
denn beide Schichten machen erst in ihrem wechselseitigen Zusammenwirken<br />
und in ihrer funktionalen Integration das Ganze der menschlichen Person aus.<br />
Das, was dem menschlichen Dasein Schwung und inhaltliche Fülle, Tiefe,<br />
Farbigkeit, Licht und Dunkel verleiht, sind immer die endothymen Erlebnisse.<br />
Aus ihnen empfängt das seelische Leben seine Impulse und seine inhaltliche<br />
Thematik. Sache des Denkens ist es, die Welt im Widerschein der endothymen<br />
Erlebnisse begrifflich zu erhellen, zu ordnen und zu gliedern. Sache des<br />
Willens ist es, die endothyme Dynamik nicht ungehemmt und unkontrolliert<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 55<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 135<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 136<br />
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Das variable Verhältnis zwischen den beiden genannten Schichten nennt<br />
Lersch die "Tektonik der Person". Variabel ist dieses Verhältnis, insofern beim<br />
Menschen je nach Situation mal endothyme Impulse und ein andermal<br />
rationale Überlegungen und zielgerichteter Wille<br />
1) ebd. S. 137. "Wir erfahren uns im Engagement des Willens, in Selbstbeherrschung, im<br />
Sichzusammenehmen und Sichkonzentrieren, aber auch in der willensmäßigen Überwindung<br />
äußerer Widerstände nicht als pathisch getrieben, sondern als aktiv steuernd, nicht als bewegt,<br />
sondern als bewegend" (ebd. S. 137)<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
geschehen zu lassen, sondern verantwortlich zu leiten und sinnvoll zu gestalten.<br />
In Anlehnung an das bekannte Wort von Kant, daß Anschauungen ohne<br />
Begriffe blind, Begriffe ohne Anschauungen aber leer sind, könnte man sagen,<br />
daß auch endothyme<br />
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89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 136<br />
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der Gefühlsregungen Stationäre Gestimmtheiten 5.3. Gemüt und Gewissen Aus<br />
den bisher dargelegten Gedanken Lerschs sind die zu Gemüt und Gewissen<br />
ausgespart geblieben. Angedeutet wurde bereits, daß Lersch Gemüt und<br />
Gewissen zu den Gefühlsregungen zählt, die aus der Thematik des Über-sichhinaus-Seins<br />
verstanden werden. Mit Gemüt ist hierbei der Bereich jener<br />
Ergriffenheit des Fühlens gemeint, bei dem wesentlich eine wertfühlende<br />
Teilnahme an Menschen, Wesen und Dingen und ein Verbundensein mit ihnen<br />
im Sinne eines gegenseitigen Zusammengehörens erlebt wird. Gemüt haben "<br />
heißt die Mitwelt und Umwelt in sich widerklingen ... und unmittelbar werden<br />
lassen zur eigenen Innerlichkeit als einem Horizont des Seienden, der in sich<br />
seinen Sinn und Wert trägt und aus dessen Sein und Sinn das eigene Dasein<br />
Fülle und Sinn empfängt." 1<br />
Im Gemüt fühlt der Mensch sich über sich hinaus<br />
gerufen zur Teilnahme an Sinnwerten. Der Mensch erscheint hier auch als<br />
Geistwesen, das über sich hinaus fragen kann und teilhat an den Sinnwerten.<br />
Mit Gewissen meint<br />
1) ebd. S. 241.<br />
11% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
gemeint, mit der der Mensch sich auf die Welt nicht als Gegenspielerin des<br />
Individuums, sondern als Horizont jener Werte entworfen fühlt, um die es in<br />
der Thematik des über-sich-hinaus-seins geht, der Werte des Sinnes also, aus<br />
denen das eigene Dasein Sinn und Gehalt empfängt. Weltgefühl ist eine Durchstimmtheit<br />
des Gemütes, mit der wir<br />
Der Begriff des Gemütes erweitert sich damit also über die Gefühlsregungen<br />
der mitmenschUchen Teilhabe hinaus und meint den Bereich jener<br />
Ergriffenheiten des Fühlens, bei denen wesentlich eine wertfühlende<br />
Teilnahme an Menschen, Wesen und Dingen und ein Verbundensein mit ihnen,<br />
ein gegenseitiges Zusammengehören erlebt wird. Gemüt haben in diesem<br />
Sinne verstanden - heißt die Mitwelt und Umwelt in sich widerIdingen und<br />
aufleuchten, sie unmittelbar werden lassen zur eigenen Innerlichkeit als einen<br />
Horizont des Seienden, der in sich seinen Sinn und Wert ""ägt und aus<br />
des Über-sich-hinaus-seins mit besonderen Namen belegt, nämlich mit dem des<br />
Gemütes und dem des Gewissens. Gemüt haben bedeutet, die Umwelt und<br />
Mitwelt unmittelbar werden lassen zur eigenen Innerlichkeit als ein Seiendes,<br />
das in sich seinen Wert trägt und aus dessen Gültigkeit das eigene Dasein Sinn<br />
und Fülle empfängt. Gemüt ist die Fähigkeit zu Bindungen<br />
Gemüt haben in diesem Sinne verstanden - heißt die Mitwelt und Umwelt in<br />
sich widerIdingen und aufleuchten, sie unmittelbar werden lassen zur eigenen<br />
Innerlichkeit als einen Horizont des Seienden, der in sich seinen Sinn und Wert<br />
"" ägt und aus dessen Sein und Sinn das eigene Dasein Fülle und Sinn<br />
empfängt109 Und dies gilt nicht nur für die Gefühlsregungen der<br />
mitmenschlichen und der liebenden Teilhabe, sondern auch für die der<br />
schaffenden, der wissenden und der enthebenden<br />
90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl., 1970, S. 338<br />
90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl., 1970, S. 280<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 132<br />
90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl., 1970, S. 280<br />
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fühlt der Mensch sich über sich hinaus gerufen zur Teilnahme an Sinnwerten.<br />
Der Mensch erscheint hier auch als Geistwesen, das über sich hinaus fragen<br />
kann und teilhat an den Sinnwerten. Mit Gewissen meint Lersch dann die<br />
Bindungen des Über-sich-hinaus-Seins. Die im Gemüt sich erweisenden<br />
Fähigkeiten rufen ein Gefühl der Verantwortung hervor für die im Gemüt<br />
erlebten individuellen Werte: " dieses Gefühl ist verankert in dem, was wir das<br />
Gewissen nennen." 2<br />
Im Gewissen werden die im Gemüt verankerten Werte auf<br />
das Handeln bezogen. Ein Sich-verbunden-fühlen im Sinne der Ergriffenheit<br />
im Gemüt wird zur Bindung im Sich-verantwortlich-fühlen. Der Mensch spürt<br />
das Gewissen immer<br />
2) ebd. S. 243.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gemüt, wie Ph. Lersch (240) bemerkt, "mit einem Hof schillernder,<br />
definitorisch schwer faßbarer Bedeutungen umgeben ist", sieht er doch darin<br />
den Träger des Gewissens. Dort werden die Bindungen des über-sich-hinausseins<br />
auf unser Handeln bezogen und das Gefühl der Verantwortung für<br />
überindividuelle Werte erlebt. Gewissen regt sich immer dann, "wenn wir uns<br />
dessen bewußt werden, etwas<br />
Fähigkeit zu Bindungen des Uber-sich-hinaus-seins erweist, so entspringt<br />
diesen Bindungen immer ein Gefühl der Verantwortung für die im Gemüt<br />
erlebten überindividuellen Werte. Dieses Gefühl ist verankert in dem, was wir<br />
das Gewissen nennen. Im Gewissen wird das, was wir in den Regungen des<br />
Gemüts an Bindungen erleben, auf unser Handeln bezogen. Denn wie alle<br />
Gefühlsregungen, so enthalten auch<br />
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92 Stelzenberger, Johannes: Das Gewissen. Besinnliches zur Klar..., 1961, S. 5<br />
90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl., 1970, S. 282<br />
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Handeln bezogen. Ein Sich-verbunden-fühlen im Sinne der Ergriffenheit im<br />
Gemüt wird zur Bindung im Sich-verantwortlich-fühlen. Der Mensch spürt das<br />
Gewissen immer da, wo er sich bewußt wird, daß er in seinem Tun und Lassen<br />
den Bindungen und Verpflichtungen nicht entspricht, bzw. nicht entsprechen<br />
will. 3<br />
Das Gewissen ist nach Lersch gerichtet auf die Sinnwerte der Welt, zu<br />
denen der Mensch im Gemüt in Bindung steht und auf das eigene geistigpersonale<br />
Selbst. " Und in den Regungen des Gewissens wird offenbar, daß ihm<br />
sein Dasein nicht nur, wie der Pflanze, gegeben ist als ein Sachverhalt des<br />
Lebens, daß er auch nicht nur zu besorgen hat in der Fristung seines Daseins<br />
wie das Tier, sondern daß es ihm recht eigentlich aufgegeben und er dazu<br />
bestimmt ist, die Sinnverwirklichung der Welt mitzuvollziehen." 1 5.4.<br />
Auswertung Während Piaget das Gesamt emotionaler Erlebnisse des Menschen<br />
als möglichen Einflußfaktor auf das moralische Bewußtsein und als Triebfeder<br />
seines Entscheidens und Handelns auch in moralischer Hinsicht ausserhalb<br />
seiner empirisch orientierten Betrachtung läßt, wählt Lersch<br />
3) "In den Regungen des Gewissens wird die Erfüllung oder Nichterfüllung der in den<br />
Gemütsregungen erfahrenen Verbindlichkeiten und Bindungen endothym erlebt" (ebd. S. 243).<br />
1) ebd. S. 245.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
unterbleibt, ob also die Welt ihren Sinn erfüllt oder verfehlt und verleugnet.<br />
Immer schlägt uns das Gewissen, sobald wir uns dessen bewußt werden, in<br />
unserem Tun und Lassen den Bindungen und Verpflichtungen nicht<br />
entsprochen zu haben oder nicht entsprechen zu wollen, die in den Regungen<br />
des im weitesten Sinne verstandenen Gemütes erlebt werden. Dieses<br />
Bewußtsein kann freilich verschiedene<br />
der Welt und die darin gelegene Verpflichtung melden, nur eine Seite des<br />
Gewissens aufgezeigt. Tatsächlich hat das Gewissen ein Janusgesicht. Es sieht<br />
nicht nur hin auf die Sinnwerte der Welt, zu denen wir durch das Gemüt in<br />
Bindung stehen. Die Intimität der Gewissensregungen deutet an, daß es sich in<br />
ihnen immer auch handelt um uns selbst, und<br />
durchzusetzen hat, sondern daß er wesentlich auch geistiges Wesen ist, das<br />
über sich hinaus zu fragen und in die Teilhabe an Sinnwerten zu gelangen<br />
vermag. Und in den Regungen des Gewissens wird offenbar, daß ihm sein<br />
Dasein nicht nur, wie der Pflanze, gegeben ist als ein Sachverhalt des Lebens,<br />
daß er es auch nicht nur zu besorgen hat in der Fristung seines Daseins wie das<br />
Tier, sondern daß es ihm recht eigentlich aufgegeben und er dazu bestimmt ist,<br />
die Sinnverwirklichung der Welt mitzuvollziehen. D) Die Schicksalsgefühle<br />
Wir haben uns nunmehr noch einmal zurückzubesinnen auf die bisher<br />
getroffene Aufgliederung der Gefühlsregungen in solche des lebendigen<br />
Daseins, des individuellen Selbstseins<br />
90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl., 1970, S. 283<br />
90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl., 1970, S. 284<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 158<br />
möglichen Einflußfaktor auf das moralische Bewußtsein und als Triebfeder<br />
seines Entscheidens und Handelns auch in moralischer Hinsicht ausserhalb<br />
seiner empirisch orientierten Betrachtung läßt, wählt Lersch genau dieses<br />
Erlebnispotential des Menschen als Ausgangspunkt. Seine Unterscheidung von<br />
Gemüt und Gewissen als Kernschichten der Persönlichkeit, in der die tiefsten<br />
psychischen Regungen ihre Wurzeln haben, 2 geht auf Felix Krueger 3 zurück<br />
und wird im Bereich der Strukturpsychologie auch von Albert Wellek 4 , August<br />
Vetter 5 und Nikolaus Petrilowitsch 6 vertreten. Nach Lersch sind die<br />
Stimmungen<br />
2) Petrilowitsch,Nikolaus: Der Strukturbegriff in der Psychologie und Psychopathologie. In: ders.<br />
(Hrsg.): Das Gewissen als Problem. S. 233-268. hier: S. 255.<br />
3) Krueger,Felix: Der Begriff des absolut Wertvollen als Grundbegriff der Moralphilosophie.<br />
Leibzig 1898. ders.: Lehre von dem Ganzen. Bern 1948.<br />
4) Wellek, Albert: Die Polarität im Aufbau des Charakters. Bern 1965.<br />
5) Vetter,August: Wirklichkeit des Menschlichen. München 1960.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
enthält u. a. folgende Beiträge: pädagogische Handeln (20: Gewissen als<br />
Begriffliches Bezugssystem im Motivationsbewußtsein). 129-143: E.<br />
Bornemann. Persönlichkeitsbildung (135: Im 2. Lebensjahr sind _<br />
Gewissensregungen des Kindes festzustellen). 330-354: A. Gaupp.<br />
Psychologische Probleme der Familienerziehung (335: Gemüt und Gewissen<br />
als Kernschichten der Persönlichkeit. 341: Bildung des Gewissens). 455-469:<br />
K. Eyierth, Schwere Erziehbarkeit, ihre Ursachen und Formen L465:<br />
mangelhafte Gewissensbildung). 502-520: R. Rudert - R. Stein,<br />
Erziehungsberatung. (510: "Das Gewissen hat seine Wurzeln im<br />
frühkindlichen innigen Kontakt von<br />
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185<br />
6) In dem genannten Sammelband von Petrilowitsch "Das Gewissen als Problem" sind neben<br />
seinem erwähnten Aufsatz weitere Beiträge u.a. von Felix Krueger (Seelische Struktur, 1948),<br />
Albert Wellek (Polaritäten der 'Kernschicht', 1965) August Vetter (Die Person in<br />
strukturpsychologischer Sicht, 1960) als Ausschnitte aus den erwähnten Büchern der Autoren<br />
abgedruckt.<br />
93 Stelzenberger, Johannes: Syneidesis, conscientia, Gewissen. ..., 1963, S. 189<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 159<br />
und wird im Bereich der Strukturpsychologie auch von Albert Wellek 4 , August<br />
Vetter 5 und Nikolaus Petrilowitsch 6 vertreten. Nach Lersch sind die<br />
Stimmungen tragender Untergrund menschlichen Daseins und bilden den<br />
Ansatz zur ersten Weltorientierung und ethischen Stellungnahme. 1 " Dieser<br />
typische Untergrund bindet den Menschen auf undurchdachte und unmittelbare<br />
Weise an sich selbst und seine Welt. Die Stimmungen sind die ersten Formen<br />
des intimen Mitseins, sie bestimmen den 'Wert-Grund der Seele'." 2<br />
Menschliches Denken und zielbewußtes Handeln erfolgt erst auf der Grundlage<br />
endothymer Erlebnisse. Im Gemüt wird der Mensch ergriffen von Mit- und<br />
Umwelt und fühlt sich im Gewissen gebunden und verantwortlich für die<br />
Sinnwerte der Welt.<br />
4) Wellek, Albert: Die Polarität im Aufbau des Charakters. Bern 1965.<br />
5) Vetter,August: Wirklichkeit des Menschlichen. München 1960.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
einer Stimmung, je mehr es die Züge eines "All-gefühls" annimmt. "In der<br />
Stimmung wird somit die vorprädikative, vorintentionale Einheit von Subjekt<br />
und Objekt Erlebnis." Dieser typische Untergrund bindet den Menschen auf<br />
undurchdachte und unmittelbare Weise an sich selbst und seine Welt. Die<br />
Stimmungen sind die ersten Formen des intimen Mitseins, sie bestimmen den "<br />
Wert-Grund der Seele". Die intentionalenAktewachsen gleichsam aus der<br />
Gesamtheit der Stimmungen empor und verwachsen wieder damit. Im Leben<br />
ist also nicht nur von Bedeutung, was uns widerfährt, sondern<br />
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186<br />
6) In dem genannten Sammelband von Petrilowitsch "Das Gewissen als Problem" sind neben<br />
seinem erwähnten Aufsatz weitere Beiträge u.a. von Felix Krueger (Seelische Struktur, 1948),<br />
Albert Wellek (Polaritäten der 'Kernschicht', 1965) August Vetter (Die Person in<br />
strukturpsychologischer Sicht, 1960) als Ausschnitte aus den erwähnten Büchern der Autoren<br />
abgedruckt.<br />
1) Huijts,Joseph Hubertus: Gewissensbildung. S. 55.<br />
2) ebd. S. 56.<br />
43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969, S. 55<br />
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Anteil an und Hilfe zu dieser Entwicklung leisten will, muß er die "<br />
Stimmungssphäre" in ihrer Bedeutung für das moralische Wachsen - und damit<br />
als den tragenden Untergrund - einbeziehen in die Gestaltung der Umwelt des<br />
Kindes. Dies gilt in verstärktem Maße für das kleine Kind, " das in seiner<br />
Hilflosigkeit von dem abhängig ist, was sein Lebensmilieu anzubieten hat". 2 6.<br />
Kant: Das Gewissen als Richter der Vernunft 6.1. Vorbemerkung Kant wird<br />
vielfach als der Philosoph der Aufklärung bezeichnet. Er selbst betrachtet sein<br />
eigenes Zeitalter nicht als ein schon aufgeklärtes, sondern als eine Zeit, die zur<br />
Aufklärung<br />
2) Langeveld,Martinus Jan: Studien zur Anthropologie des Kindes. Tübingen 1956. zitiert nach:<br />
Huijts,Joseph Hubertus: a.a.O. S. 57.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
die Bedeutung der Sphäre für das moralische Wachsen unterstrichen. Es<br />
gedeiht mehr in einer Sphäre der Geborgenheit als in der der Frostigkeit und<br />
Trostlosigkeit [46]. Das gilt in verstärktem Maße für das kleine Kind, das in<br />
seiner Hilflosigkeit von dem abhängig ist, was sein Lebensmilieu anzubieten<br />
hat [218]. In der Gefühlsatmosphäre des Heims wird die erste moralische<br />
Abschätzung der Welt bestimmt. Bei der Erziehung verwenden wir - bewußt<br />
oder unbewußt -Stimmungund Sphäre, um unsere<br />
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43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969, S. 56<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 161<br />
des Ausgangs des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit<br />
verringert werden. 1<br />
Aufklärung bei Kant meint die im Freiheitsdrang des<br />
Menschen und seiner Erfahrung unbedingten Sollens begründete, jedem neu<br />
gestellte Aufgabe, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, sich zu sich<br />
selbst zu befreien und seiner selbst mächtig zu werden. 2<br />
In Kants Ethik taucht<br />
der Begriff Gewissen relativ selten auf. Ein Gewissensmodell expressis verbis<br />
legt er nicht vor. Seinen Ansatz deshalb in dieser Arbeit nicht zu beschreiben<br />
hieße, eine kopernikanische Wende im Verständnis des Verhältnisses<br />
1) Kant,Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784). In:<br />
Akademieausgabe Band 8 Berlin 1912. S. 33-42.<br />
2) Schwartländer,Johannes: Der Mensch ist Person. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1968. S.7/8.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sociale erweist. Er braucht für sein Selbst-werden die Erfahrung, in der er sich<br />
selbst mit den Augen des Anderen sieht. Um sich zu entdecken, sich zu sich<br />
selbst zu befreien und zu der ihm zugedachten Statur heranzuwachsen, braucht<br />
er den gläubig-teilnehmend auf ihn gerichteten Blick eines Gefährten, und er<br />
braucht dessen sorgenvoll-forschenden Blick, um<br />
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94 Kuhn, Helmut: BEGEGNUNG MIT DEM SEIN, 1953, S. 149<br />
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zu formulierenden pädagogisch relevanten Gewissensverständnis liefert. 6.2.<br />
Der Mensch als Zweck an sich selbst Nach der Auffassung des 18.<br />
Jahrhunderts ist der Mensch Teil der Natur. Er hat sich ihren Gesetzen zu<br />
unterwerfen und soll sich so " handelnd in die ruhende Harmonie und<br />
Vollkommenheit des Alls" 3<br />
einfügen. Dagegen wendet sich Kant: er deutet das<br />
Sein der Natur nicht nur als die Weise ihrer Erscheinung für uns, sondern mißt<br />
darüberhinaus die Natur am Maßstab der Vernunft und erklärt sie für<br />
mangelhaft, da sich in ihr das Schicksal des Menschen nicht erfüllt. 1<br />
Indem er<br />
abkehrt hin zur Autonomie des Subjekts 3<br />
, vollzieht er die "anthropologische Wende". Im Vordergrund seines Denkens<br />
steht fortan nicht mehr die Frage nach dem Sein der Natur und dem, was sie vom<br />
Menschen als Teil ihrer Ordnung verlangt, sondern die Frage nach dem<br />
Menschen selbst, nach der Selbstbegründung seiner Erkenntnis und der<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Schulphilosophie von G. W. Leibniz und Chr. Wolff) abgekehrt und immer<br />
mehr der Autonomie des Subjekts zugewandt hat 4 . Nicht mehr die Forderung,<br />
daß sich der Mensch handelnd in die ruhende Harmonie und Vollkommenheit<br />
des Alls einfügt, sondern die Frage nach der Selbstbegründung der Erkenntnis<br />
und die Selbstbindung des Willens bilden fortan den Ausgangspunkt seines<br />
Denkens. Dazu gewinnt für Kant die<br />
Mensch ein Teil der Natur ist und sich ihren Gesetzen unterwerfen sollte,<br />
wandte sich Kant, indem er die Ordnung umkehrte und das Sein der Natur als<br />
sich von der Autonomie der Natur 2 die Weise ihrer Erscheinung für uns deutete. Sodann ging er selbst über dieses<br />
Kopernikanische Wagnis noch hinaus, indem er die Natur am Maßstab der<br />
Vernunft zu messen unternahm und sie für mangelhaft erklärte, da sich in ihr<br />
das Schicksal des Menschen nicht erfüllt. Das Praktische - die Frage, was der<br />
Mensch sein soll und wie er seine Existenz verändern soll - gewinnt in seiner<br />
Selbstbindung des Willens. 1<br />
Das gegenüber dem bisherigen Denken der<br />
Auffassung das Ubergewicht über das Sein<br />
Aufklärung Neue besteht bei Kant darin, daß der Mensch selbst Grund seines<br />
Fragens wird, er sich im ursprünglichen<br />
Selbstbindung des Subjekts an das Gesetz vernünftiger Selbstbestimmung. 1.<br />
Immanuel Kant Kant gilt zu Recht als Begründer dieses Denkansatzes. Er<br />
3) (Fußnote fehlt)<br />
selbst hat die "anthropologische Wende" vollzogen, indem er sich von der "<br />
1) Beck,Lewis White: Kants "Kritik der praktischen Vernunft". München 1974. S. 124.<br />
Autonomie der Natur" ( im Sinne der Schulphilosophie von G. W. Leibniz und<br />
Chr. Wolff) abgekehrt und immer mehr der Autonomie des Subjekts zugewandt<br />
hat 4 . Nicht mehr die Forderung, daß sich<br />
2) Beim Kant der 50er Jahre dominiert noch der Objektivismus der Aufklärung: "Im Gegensatz zum<br />
Gedanken einer autonomen Naturgeschichte fehlt der Gedanke einer theoretischen oder<br />
praktischen Autonomie des Menschen im Sinn der kritischen Hauptschriften nach 1781 trotz<br />
ihres Aufklärungshintergrundes dieser frühen Philosophie, die Gesetzmäßigkeit des<br />
Gegenstandsbereichs wird nicht in ihrer Relation zum Menschen verstanden, sondern im<br />
Blick auf ihren naturhaften Seinsgrund gedeutet, die Freiheit des Menschen nicht als<br />
autonome Distanz zur Weltgesetzlichkeit und absolute Selbstbestimmung der Vernunft,<br />
sondern als Moment einer kosmischen Ordnung bestimmt" (Forschner, Maximilian: Gesetz und<br />
Freiheit. Zum Problem der Autonomie bei I. Kant. München 1974. S. 33).<br />
3) Die Schriften der frühen 60er Jahre ("Der einzig mögliche Beweisgrund..." 1762 und "<br />
Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze..." 1762/63) zeigen bereits Kants Wandel:<br />
"Entscheidend ist zunächst der Wandel des Begriffs der Vollkommenheit und im Gefolge<br />
davon eine Neuformulierung des Gedankens der Verbindlichkeit wie des notwendigen<br />
Zweckes, demzufolge eine Handlung als sittlich gut qualifiziert werden kann. Die Wandlung<br />
Kants läßt sich als anthropologische Wende oder besser als Wende zur Subjektivität<br />
bezeichnen, da nunmehr Vollkommenheit, Ordnung, Verbindlichkeit, das Gute etc.<br />
wesentlich vom Erkennen und Willen eines Subjektes her konzipiert werden" (ebd. S. 64).<br />
1) Böckle,Franz : a.a.O. S. 52.<br />
Wenn die menschl. Vernunft urteilen will, welches Verhalten für den Menschen<br />
sittl. richtig ist, muß sie eine Ahnung von dem haben, was der Mensch ist.<br />
Die Frage nach dem Sein, der /Natur des Menschen spielt für die natürl.<br />
Erkenntnis des richtigen sittl. Verhaltens eine wesentl. Rolle. Das "natürl." s.<br />
G. hat seinen Namen nicht nur desh., weil es auf<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 51<br />
96 Beck, Lewis W.: Kants Kritik der praktischen Vernun..., 1978, S. 123<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 51<br />
97 Hörmann, Karl: Artikel Gewissen, in: Hörmann (1976), 1976, S. 672<br />
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und der Selbstbindung des Willens. 1<br />
Das gegenüber dem bisherigen Denken<br />
der Aufklärung Neue besteht bei Kant darin, daß der Mensch selbst Grund<br />
seines Fragens wird, er sich im ursprünglichen Sinn als frag-würdig betrachtet<br />
und die Möglichkeit der Beantwortung allein im Menschen gesehen wird. " Der<br />
Mensch kann und darf sie ... nur in seiner Vernunft und durch seine Vernunft<br />
suchen. Ja, seine Vernunft ist wesenhaft die Ermöglichung jenes Fragens und<br />
Antwortgebens, eine Ermöglichung jedoch, deren positiver Sinn letztlich nur<br />
zur Gegebenheit kommt in der sittlichen Freiheit und damit um ihre eigentliche<br />
Realität nur weiß im Bewußtsein seiner unbedingten Pflicht." 2<br />
Die Fragen des<br />
Menschen nach sich selbst faßt Kant in die berühmten drei Grundfragen, die<br />
der kritischen Philosophie zu Hauptaufgaben werden: " Alles Interesse meiner<br />
Vernunft (das spekulative sowohl, als das praktische) vereinigt sich in<br />
folgenden Fragen: 1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3 . Was darf<br />
ich hoffen?"|3 Mit ihnen versucht er, das Auszeichnende und zugleich das<br />
Fragwürdige des menschlichen Seins zu bestimmen: Die erste Frage weist zum<br />
einen auf die menschliche Fähigkeit, wissen zu können, deutet aber zum<br />
anderen auch die Möglichkeit<br />
1) Böckle,Franz : a.a.O. S. 52.<br />
2) Schwartländer,Johannes: a.a.O. S. 15.<br />
3) Kant,Immanuel: Kritik der reinen Vernunft. Hamburg 1976. S. 728.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
daß einmal der Mensch selbst jetzt Grund des Fragens wird, daß der Mensch<br />
sich selbst im ursprünglichen Sinn fragwürdig geworden ist. Und daß zum<br />
andern die Möglichkeit der Beantwortung allein im Menschen gesehen, wird. -<br />
Das erstere meint die wahrlich alte, nun aber ganz neu und wesenhaft erfahrene<br />
Urtatsache, daß der Mensch vernünftig ist, daß Vernunft der Charakter des<br />
Menschen<br />
Die Antwort auf die Frage nach dem Menschen kann nicht - nach Kant nicht<br />
mehr - einfach autoritär gegeben werden. Der Mensch kann und darf sie<br />
vielmehr nur in seiner Vernunft und durch seine Vernunft suchen. Ja seine<br />
Vernunft ist wesenhaft die Ermöglichung jenes Fragens und Antwortgebens,<br />
eine Ermöglichung jedoch, deren positiver Sinn letztlich nur zur Ge- gebenheit<br />
kommt in der sittlichen Einsicht, so wie der Mensch um den positiven Sinn<br />
seiner Freiheit, und damit um ihre eigentliche Realität, nur weiß im<br />
Bewußtsein seiner unbedingten Pflicht. Eben dadurch wird es jetzt zur Aufgabe<br />
der Philosophie, vor allem die Vernunft in ihrem Wesen, ihrem Sinn und ihrem<br />
ganzen Vermögen zu untersuchen; d. h. es<br />
die wesenhafte Unbedingtheit der Vernunft im praktischen Gebrauch, d. i. der<br />
sittlichen Vernunft, aufzudecken. Die Hauptaufgaben der kritischen Philosophie<br />
hat Kant in den bekannten drei Grundfragen zusammengefaßt: " Alles<br />
Interesse meiner Vernunft (das spekulative sowohl, als das praktische)<br />
vereinigt sich in folgenden drei Fragen? J) Was kann ich wissen? 2. Was soll<br />
ich tun?,'! Was darf ich hoffen?" (Kr, III, 540). Diese drei Fragen weisen in<br />
ganz verschiedene Richtungen und eröffnen somit die Weite dieses<br />
philosophischen Frageraumes. Dennoch fassen sie die Möglichkeiten des<br />
menschlichen<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 14<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 15<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 16<br />
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Verkehrung von Hoffnung in falsch berechnende Erwartung. 1<br />
Alle drei Fragen<br />
bleiben letztlich rückbezogen auf die eine Frage: Was ist der Mensch? Sie ist<br />
nicht die Frage des Menschen nach dem Menschen als einem Seienden<br />
überhaupt, " sondern es geht um den Menschen in seiner Selbstbetroffenheit." 2<br />
Bei Beantwortung genannter Frage erhält für Kant die Unterscheidung von<br />
Natur und Vernunft, bzw. empirischem und intelligiblem Subjekt<br />
Schlüsselfunktion. Das empirische Subjekt, d.h. der Mensch als Naturwesen ist<br />
zunächst bestimmt von seinen Bedürfnissen und Trieben, davon, nach Glück<br />
und Wohlbefinden zu streben. Kant anerkennt somit das Faktum, daß der<br />
1) Schwartländer,Johannes: a.a.O. S. 16/17.<br />
2) "Die Frage: Was ist der Mensch? hat immer auch die Bedeutung: Wer ist der Mensch? Ja: Was<br />
und wer bin ich?" (ebd. S. 18).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ich hoffen? In all diesen Fragen ist also nicht die Rede von dem Menschen als<br />
einem Seienden überhaupt, also einer Gegebenheit gleich und neben anderen;<br />
sondern es geht um den Menschen in seiner jeweiligen Selbstbetroffegkeit.<br />
Damit verweist Kant noch einmal auf den Sinn des Philosophieren nach seinem<br />
Weltbegriff, wonach philosophische Erkenntnis des Menschen wesentlich eine<br />
Selbstbesinnung des Menschen<br />
Vollkommenheit des Alls einfügt, sondern die Frage nach der<br />
Selbstbegründung der Erkenntnis und die Selbstbindung des Willens bilden<br />
fortan den Ausgangspunkt seines Denkens. Dazu gewinnt für Kant die<br />
Unterscheidung von Natur und Vernunft5, von empirischem und intelligiblem<br />
Subjekt tragende Bedeutung. Der Mensch verwirklicht beides. Er ist<br />
gewissermaßen Natur und Vernunft zugleich. Er ist ein "Stück Sinnenwelt" und<br />
dadurch<br />
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12.01.2014<br />
191<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 17<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 52<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 164<br />
Bedürfnissen und Trieben, davon, nach Glück und Wohlbefinden zu streben.<br />
Kant anerkennt somit das Faktum, daß der Mensch in seinem natürlichen<br />
Dasein und Verhalten, d.h. als Teil des Mechanismus der Natur nach<br />
Glückseligkeit strebt. Die Glückseligkeit ist eine "Absicht, die man sicher und<br />
a priori bei jedem Menschen voraussetzen kann, weil sie zu seinem Wesen<br />
gehört. 3<br />
Jedes vernünftige, aber endliche Wesen verlangt danach, glücklich zu<br />
sein, womit dieses Verlangen nach Kant zu einem unvermeidlichen<br />
Bestimmungsgrund des Begehrungsvermögens wird. 4<br />
Schon als Naturwesen<br />
ermöglicht seine Vernunft dem Menschen, " aus einem Aggregat von<br />
zweckmäßig gebildeten Dingen ... ein System der Zwecke" zu machen. 1<br />
Es ist<br />
das einzige Wesen, das sich selbst willkürlich Zwecke zu setzen vermag. 2<br />
Diese Art von Freiheit nennt Kant die "freie Willkür" oder auch "praktische<br />
Freiheit", die sich in der täglichen Erfahrung erschließt.<br />
3) Kant,Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hamburg 1965. S. 36.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
nicht geleugnet oder in irgendeiner Weise abzuschwächen versucht, sondern<br />
ausdrücklich als unabweislich festgestellt. Die Glückseligkeit ist, wie er sagt,<br />
des Menschen "innigster Wunsch" (KU V, 516 A), sie ist eine "Absicht, die man<br />
sicher und a priori bei jedem Menschen voraussetzen kann, weil sie zu seinem<br />
Wesen gehört* ( GM IV, 273); kurz: "Glücklich zu sein, ist notwendig das<br />
Verlangen jedes vernünftigen, aber endlichen Wesens und also ein<br />
unvermeidlicher Bestimmungsgrund seines Begehrungsvermögens" (Kp V, 28).<br />
Das Faktum und<br />
rechtfertigen, die Natur überhaupt als ein teleologisches System zu bezeichnen.<br />
Dies ist nur möglich, sofern ein Wesen existiert, das in sich selbst das Vermögen<br />
hat, " aus einem Aggregat von zweckmäßig gebildeten Dingen durch seine<br />
Vernunft ein System der Zwecke" (KU V, 506) zu machen. Als ein solches<br />
Wesen kennen wir in der Welt nur den Menschen. Damit wird die<br />
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192<br />
4) Glück und Glückseligkeit stehen bei Kant im Gegensatz zur autonomen Sittlichkeit: Alles, was<br />
mit Glück und Wohlbefinden zusammenhängt, liegt nur beschränkt in der Macht<br />
1) Kant,Immanuel: Kritik der Urteilskraft, zitiert nach: Schwartländer,Johannes: a.a.O. S. 180.<br />
2) ebd. S. 180.<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 25<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 23<br />
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Diese Art von Freiheit nennt Kant die "freie Willkür" oder auch "praktische<br />
Freiheit", die sich in der täglichen Erfahrung erschließt. Gleichzeitig hat der<br />
Mensch aber auch Anteil an der intelligiblen Welt, ist er Vernunftwesen. Die<br />
natürliche Lebenserfahrung führt an Grenzen, die deutlich machen, daß die<br />
eigentliche Bestimmung des Menschen nicht in seinem natürlichen Dasein und<br />
dessen Zielen liegen kann. Die überall sich meldende Frage: Was soll ich tun?<br />
gründet in der Würde des Menschen. " Was sich auf die allgemeinen<br />
menschlichen Neigungen und Bedürfnisse bezieht, hat einen Marktpreis; ... das<br />
aber, was die Bedingung ausmacht, unter der allein etwas Zweck an sich selbst<br />
sein kann, hat nicht bloß einen relativen Wert, d.i. einen Preis, sondern einen<br />
inneren Wert, d.i. Würde." 3<br />
Der Vernunft des Menschen wird die Forderung<br />
zu unbedingtem Gutsein gegeben. Darin vermittelt sie dem Menschen die<br />
Unbedingtheit seines Daseins, nicht im Sinne einer nur vorgefundenen<br />
Gegebenheit, sondern als Notwendigkeit einer absoluten Selbstverwirklichung<br />
. " Der Mensch hat nicht Vernunft und ist deshalb auch moralisch, sondern weil<br />
er moralisch ist, ist er vernünftig; d.h. der Mensch ist im ursprünglichen Sinne<br />
vernünftig, weil und sofern er sittliches Wesen ist, denn nur wegen seiner<br />
sittlichen freien Selbstbestimmung, der Bestimmung seines Willens durch<br />
Vernunft, ist er würdig, Vernunftwesen genannt zu werden." 4<br />
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Textstelle (Originalquellen)<br />
gegeben, kann sie selbst zur moralischen Aufgabe werden. ZWEITER TEIL<br />
Sittliche Freiheit das Wesen des Menschen Von der sittlichen Grunderfahrung -<br />
Vernunft als Ursprung Die nur natürliche Lebenserfahrung führt an Grenzen,<br />
die deutlich machen, daß die eigentliche Bestimmung des Menschen nicht in<br />
seinem natürlichen Dasein und dessen Zielsetzungen allein liegen kann. Die<br />
sich in allem natürlichen Verhalten meldende Frage: was soll ich tun? gründet<br />
in einem tieferen Wesen des Menschen. Es handelt sich hier auch nicht um<br />
eine theoretische Frage und entsprechend nicht um eine theoretisch einsichtige<br />
Antwort, sondern um<br />
aufgegeben. Zweck in digsem_Sinne kann nur der Mensch-sein. und zwar als<br />
Subjekt des moralischen Geützes. An ihn ergeht die Forderung zur<br />
Unbedingtheit, nämlich "" " Was sich auf die allgemeinen menschlichen<br />
Neigungen und Bedürfnisse bezieht, hat einen Marktpreis; das, was auch ohne<br />
ein Bedürfnis vorauszusetzen, einem gewissen Geschmacke, d. i. einem<br />
Wohlgefallen am bloßen zwecklosen Spiel unserer Gemütskräfte, gemäß ist,<br />
einen Af f ektionspreis" (GM IV, 293). - In der<br />
Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde. Was<br />
sich auf die allgemeinen menschlichen Neigungen und Bedürfnisse bezieht, hat<br />
einen Marktpreis; ... das ... was die Bedingung ausmacht, unter der allein etwas<br />
Zweck an sich selbst sein kann, hat nicht bloß einen relativen Wert, d. i. einen<br />
Preis, sondern einen inneren Wert, d. i. Würde ... Geschicklichkeit und Fleiß<br />
im Arbeiten haben einen Marktpreis;... dagegen Treue im Versprechen,<br />
Wohlwollen aus Grundsätzen (nicht aus Instinkt) haben einen inneren Wert." 6<br />
Die Würde des<br />
Vernunft, in Die Gegenwart der Griechen im neueren Denken, Tübingen 1960.<br />
Es ist das Ereignis, durch das der Mensch der Unbedingtheit seines Daseins<br />
inne wird; dies nicht im Sinne einer nur vorgefundenen Gegebenheit, so wie<br />
die Dinge und Lebewesen der Natur, auch seine eigene natürliche Existenz,<br />
vorgefunden werden, sondern als die Notwendigkeit einer absoluten<br />
Selbstverwirklichung. Zugespitzt können wir sagen: Der Mensch hat nicht<br />
Vernunft und ist deshalb auch moralisch, sondern weil er moralisch ist, ist er<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 122<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 181<br />
98 Preuß, Ulrich K.: Die Internalisier..., 1979, S. 263<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 124<br />
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des Menschen. Hier muß er erfahren, daß er in dem Bereich, in dem er am<br />
unabhängigsten sein möchte, er am meisten dem Zufall und Abhängigkeiten<br />
ausgeliefert ist (Schwartländer, Johannes: a.a.O. S. 27). Die eigentliche Würde<br />
des Vernunftwesens liegt<br />
3) Kant,Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Hamburg 1965. S. 58.<br />
4) Schwartländer,Johannes: a.a.O. S. 124.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
vernünftig; d. h. der Mensch ist im ursprünglichen Sinne vernünftig, weil und<br />
sofern er .sittliches Wesen ist, denn nur wegen seiner sittlichen freien<br />
Selbstbestimmung, der Bestimmung seines Willens durch Vernunft, ist er<br />
würdig, Vernunftwesen genannt zu werden. Diese Würde kommt ihm nicht<br />
schon zu durch den theoretisch-technischen Gebrauch seines Verstandes".<br />
Dieses Faktum der reinen Vernunft ist als solches unableitbar, unabweislich und<br />
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unter dem Anspruch absoluter Verbindlichkeit. Seine moralische<br />
Grunderfahrung ist die Erfahrung unbedingten Sollens, die nur von der<br />
Darum erhebt sich die Frage, ob und wie menschliches Wollen, Streben und<br />
Handeln allein durch Vernunft bestimmbar sei. Dies ist nach Kants<br />
Vernunft adäquat bewußt gemacht werden kann. 1<br />
Menschliches Wollen, Überzeugung nur möglich, wenn der Wille in Identität mit der Vernunft sich<br />
Streben und Handeln ist dann allein von der Vernunft bestimmbar, " wenn der<br />
Wille in Identität mit der Vernunft sich selbst unabhängig von allen<br />
selbst unabhängig von allen Gegenständen des Wollens das Gesetz gibt. In<br />
dieser von Zwecken freien Selbstbestimmung des Willens durch das<br />
Gegenständen des Wollens das Gesetz gibt." 2<br />
Die sittliche Autonomie des allgemeine Gesetz der Vernunft sieht Kant die sittliche Autonomie. Autonomie<br />
intelligiblen Subjekts liegt in der Selbstbindung an das eigene Gesetz der besagt demnach keine Willkür individueller Subjektivität, sondern die<br />
Vernunft. 3 Darin ist der Mensch Person 4<br />
aus aller Naturbestimmung<br />
Selbstbindung an das eigene Gesetz der Vernunft. " Das kantische Problem der<br />
herausgehoben, daß er unter dem unbedingten Anspruch des Sollens steht und " Autonomie als Gesetzgebung der Vernunft bezüglich des Begehrens betrifft<br />
Autonomie als transzendentale Idee der Freiheit" umfaßt. " Sie ist Bestimmung also nicht die Wahlmöglichkeit des Menschen bezüglich verschiedener<br />
des transzendentalen (intelligiblen) Subjekts und bindet ihn an eine Ordnung, Begehrungsobjekte, betrifft auch nicht<br />
die nur der Verstand zu denken vermag." 1 6.3. Die Imperative Die<br />
sieht Kant den Menschen herausgehoben aus aller Naturbestimmung. Die<br />
Zugehörigkeit des Menschen zur natürlichen (empirischen) und zur<br />
Autonomie als transzendentale Idee der Freiheit hebt ihn über sich selbst (als<br />
intelligiblen (transzendentalen) Welt führt in den ethischen Untersuchungen<br />
Teil der Sinnenwelt) hinaus. Sie ist Bestimmung des transzendentalen (<br />
Kants über die objektiven Regeln des menschlichen Handelns zur<br />
intelligiblen) Subjekts und bindet ihn an eine Ordnung, die nur der Verstand zu<br />
Unterscheidung von hypothetischen Imperativen und dem kategorischen<br />
denken vermag. Dem theoretischen Vernunftgeindessen daß die<br />
1) "Das Bewußtsein der unbedingten Verbindlichkeit ist ein Faktum, aber kein empirisches, transzendentale Freiheit eine Unabhängigkeit dieser Vernunft selbst ... von<br />
sondern ein Faktum der Vernunft, und zwar 'das einzige Faktum der reinen Vernunft'" (<br />
allen bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt fordert, und so fern dem<br />
Schwartländer,Johannes: a.a.O. S. 123).<br />
Naturgesetze, mithin<br />
2) Böckle,Franz: a.a.O. S. 53.<br />
3) "Das kantische Problem der Autonomie als Gesetzgebung der Vernunft bezüglich des<br />
Begehrens betrifft also nicht die Wahlmöglichkeit des Menschen bezüglich verschiedener<br />
Begehrungsobjekte, betrifft auch nicht die vernunftgeleitete Ablehnung bzw. Bevorzugung<br />
bestimmter Handlungsziele mit Rücksicht auf ihre Durchführbarkeit, Nützlichkeit und<br />
Schädlichkeit... betrifft schließlich nicht 'praktische' Handlungsanweisungen zur<br />
Realisierung eines Ziels..., das kantische Problem der Autonomie im praktischen Sinn betrifft<br />
lediglich die Möglichkeit eines Willens, bzw. einer reinen praktischen Vernunft" (Forschner,<br />
Maximilian: a.a.O. S. 195).<br />
4) "Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserem Willen, sondern der Natur beruht, haben<br />
dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen relativen Wert, als Mittel, und heißen<br />
daher Sachen, dagegen vernünftige Wesen Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon<br />
als Zwecke an sich selbst, d.i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden darf,<br />
auszeichnet, mithin sofern alle Willkür eingeschränkt (und ein Gegenstand der Achtung ist).<br />
Dies sind also nicht bloß subjektive Zwecke, deren Existenz als Wirkung unserer Handlung für<br />
uns einen Wert hat: sondern objektive Zwecke, d.i. Dinge, deren Dasein an sich selbst Zweck<br />
ist, und zwar ein solcher, an dessen Statt kein anderer Zweck gesetzt werden kann, dem sie<br />
bloß als Mittel zu Diensten stehen sollten, weil ohne dieses übera ......<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 53<br />
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1) Böckle, Franz: a.a.O. S. 53.<br />
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intelligiblen (transzendentalen) Welt führt in den ethischen Untersuchungen<br />
Kants über die objektiven Regeln des menschlichen Handelns zur<br />
Unterscheidung von hypothetischen Imperativen und dem kategorischen<br />
Imperativ. 2<br />
Imperative drücken generell ein Sollen in Bezug auf Handlungen<br />
aus, d.h. " sie sagen, daß etwas zu tun oder zu unterlassen gut sein würde." 3<br />
Hierbei trennt Kant das Gute vom Angenehmen: Während das Angenehme aus<br />
"bloß subjektiven Ursachen" den Willen beeinflußt und nur für dieses oder<br />
jenes gilt, aber "nicht als Prinzip der Vernunft" für jedermann gelten kann, wird<br />
das praktisch Gute durch die Vorstellungen der Vernunft vermittelt. Es<br />
bestimmt den Willen " mithin nicht aus subjektiven Ursachen, sondern objektiv<br />
d.i. aus Gründen, die für jedes vernünftige Wesen als ein solches gültig sind." 4<br />
Imperative gebieten nach Kant entweder hypothetisch oder kategorisch. " Jene<br />
stellen die praktische Notwendigkeit einer möglichen Handlung als Mittel zu<br />
etwas anderem, was man will (oder doch möglich ist, daß man es wolle), zu<br />
gelangen vor. Der kategorische Imperativ würde der sein, welcher eine<br />
Handlung als für sich selbst, ohne Beziehung auf einen anderen Zweck, als<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Imperativ Kants ethische Untersuchungen richten sich vor allem auf die<br />
objektiven Regeln des menschlichen Handelns, das sind die Imperative. Alle<br />
Imperative drücken ein Sollen aus, d. h. " sie sagen, daß etwas zu tun oder zu<br />
unterlassen gut sein würde, allein sie sagen es einem Willen, der nicht immer<br />
darum etwas tut, weil ihm vorgestellt wird, daß es zu tun gut sei" (GM IV, 270)<br />
. Die Vorstellung<br />
nicht immer darum etwas tut, weil ihm vorgestellt wird, daß es zu tun gut sei.<br />
Praktisch gut ist aber, was vermittelst der Vorstellungen der Vernunft, mithin<br />
nicht aus subjektiven Ursachen, sondern objektiv, d.i. aus Gründen, die für<br />
jedes vernünftige Wesen, als ein solches, gültig sind, den Willen bestimmt. Es<br />
wird vom Angenehmen unterschieden, als demjenigen, was nur vermittelst der<br />
Empfindung aus bloß subjektiven Ursachen, die nur für dieses oder jenes<br />
Verhältnis objektiver Gesetze des Wollens überhaupt zu der subjektiven<br />
Unvollkommenheit des Willens dieses oder jenes vernünftigen Wesens, z.B.<br />
des menschlichen Willens, auszudrücken. Alle Imperativen nun gebieten<br />
objektiv-notwendig vorstellte." 1 Die hypothetischen Imperative setzen jeweils entweder hypothetisch, oder kategorisch. Jene stellen die praktische<br />
eine Absicht voraus, zu deren Verwirklichung sie dann geeignete Handlungen Notwendigkeit einer möglichen Handlung als Mittel, zu etwas anderem, was<br />
angeben. Das von ihnen ausgedrückte Sollen bezieht sich also auf die zu man will (oder doch möglich ist, daß man es wolle), zu gelangen, vor. Der<br />
ergreifenden Notwendigkeiten in bezug auf einen gesetzten Zweck.<br />
kategorische Imperativ würde der sein, welcher eine Handlung als für sich<br />
2) vgl. zum folgenden: Schwartländer,Johannes: a.a.O. S.144ff<br />
selbst, ohne Beziehung auf einen andern Zweck, als objektiv-notwendig<br />
vorstellte. Weil jedes praktische Gesetz eine mögliche Handlung als gut und<br />
3) Kant,Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. S. 3<br />
darum, für ein durch Vernunft praktisch bestimmbares Subjekt, als<br />
4) ebd. S. 33.<br />
glich ist, dass man es wolle), zu gelangen vor. Der kategorische Imperativ w<br />
rde der sein, welcher eine Handlung als f r sich selbst, ohne Beziehung auf<br />
1) ebd. S. 34.<br />
einen anderen Zweck, als objektiv-notwendig vorstellte" ( IV, 262). Im<br />
Unterschied von der Kritik der praktischen Vernunft" geht dann aber die<br />
Grundlegung" auf die hypothetischen Imperative ausf hrlicher ein, indem 1)<br />
Die Zitate beziehen sich<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 144<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799, S. 48<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799, S. 49<br />
100 o.V.,: Kant-Studien. Philosophische Zeitsc..., 1900, S.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 168<br />
zu ergreifenden Notwendigkeiten in bezug auf einen gesetzten Zweck. Das<br />
Handeln wird einmal bestimmt durch die der Vernunft vorgegebene, ausser ihr<br />
liegende Absicht und durch die Anweisungen der Vernunft zur<br />
Verwirklichung der Absicht, die sich " durch ihre Erkenntnis der Gesetzlichkeit<br />
der Zusammenhänge der Natur" ergeben. 2<br />
Problematisch wird ein<br />
hypothetischer Imperativ nach Kant genannt, wenn der Zweck, auf den sich die<br />
Handlung als Mittel bezieht, ein solcher ist, den jemand möglicherweise will.<br />
Gemeint sind beliebige Zwecke, die man auch solche<br />
2) Schwartländer,Johannes: a.a.O. S. 145.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
vielmehr durch die der Vernunft vorgegebene oder doch außer ihr liegende<br />
Absicht; die Vernunft selbst ist hier "theoretisch" und ermöglicht nur die<br />
Verwirklichung dieser Absicht durch ihre Erkenntnis der Gesetzlichkeit der<br />
Zusammenhänge der Natur. " Alles Praktische, was nach Naturgesetzen<br />
möglich sein soll (die eigentliche Beschäftigung der Kunst), hängt seiner<br />
Vorschrift nach gänzlich von der Theorie der Natur ab" (MS<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 169<br />
gebieten, "sondern als Mittel zu einer anderen Absicht." 4<br />
So wenig Kant also<br />
die auf Glückseligkeit gerichteten Ziele ablehnt, so sehr spricht er ihnen doch<br />
den Anspruch auf Unbedingtheit ab. Sie mögen zwar die Vernunft<br />
beanspruchen, " aber diese Forderung an die Vernunft wird von der Vernunft<br />
selbst als nur relativ angesehen, relativ nämlich auf unser natürliches Dasein." 1<br />
Die Tatsache, daß die Vernunft die Relativität dieser Ansprüche einsehen kann,<br />
ist möglich, da sie selbst unter einem unbedingten Anspruch steht. " Dieser<br />
unbedingte Anspruch an die Vernunft kann selbst nur ein vernünftiger sein, d.h.<br />
er muß sich verstehen als ein nur durch die Vernunft gegebener und zu<br />
vollziehender." 2<br />
Von daher kommt Kant zur Bestimmung des kategorischen<br />
Imperativs, der eine Handlung um ihrer selbst willen gebietet, als eine, die in<br />
sich, ohne Bezug auf einen weiteren Zweck, gut ist. Alle praktischen<br />
Prinzipien haben ihren<br />
4) ebd. S. 36.<br />
1) Schwartländer,Johannes: a.a.O. S. 146.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
bedingt, d. h. sie betreffen nicht den Menschen als ursprüngliches<br />
Vernunftwesen. Sie mögen - und als menschliche Zielsetzungen werden sie es<br />
auch tun - die Vernunft des Menschen beanspruchen, aber diese Forderung an<br />
die Vernunft wird von der Vernunft selbst als nur relativ eingesehen, relativ<br />
nämlich auf unser natürliches Dasein. Die Einsicht in die Relativität dieser<br />
Ansprüche ist der Vernunft aber nur dadurch möglich, daß sie selbst schon<br />
immer in einem unbedingten Anspruch steht; dies<br />
möglich, daß sie selbst schon immer in einem unbedingten Anspruch steht;<br />
dies ist die sittliche Grunderfahrung überhaupt, die unabweislich dem Menschen<br />
gegeben und aufgegeben ist. Dieser unbedingte Anspruch an die Vernunft kann<br />
selbst nur ein vernünftiger sein,~aTTi. er muß sich verstehen als ein nur durch<br />
die Vernunft gegebener und zu vollziehender. Dies aber heißt in der Sprache<br />
Kants: Das menschliche Wollen und Handeln wird nicht nur bestimmt durch<br />
hypothetische Imperative, sondern letztlich und eigentlich durch<br />
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2) ebd. S. 146.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 170<br />
die unabhängig von empirischen Bedingungen, als reiner Wille, durch die<br />
bloße Form des Gesetzes als bestimmt gedacht werden kann und als<br />
Bestimmungsgrund der obersten Bedingung aller Maximen gelten kann, ist<br />
nach Kant dieser kategorische Imperativ: " Handle so, daß die Maxime deines<br />
Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten<br />
können." Es gilt als das Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft, als<br />
einziges Faktum der reinen Vernunft, es ist " ein allgemeines Gesetz, welches<br />
wir das Sittengesetz nennen." 1<br />
Da die Menschen einen auch mit Bedürfnissen<br />
und sinnlichen Beweggründen affizierten Willen haben, hat dieses Sittengesetz<br />
die Form des Imperativs. Kategorisch gebietet er, weil er - dem unbedingten<br />
Sollensanspruch des intelligiblen Subjekts entsprechend - unbedingten, von<br />
allen<br />
1) Kant,Immanuel: a.a.O. S.36.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
aufs engste miteinander zusammenhängen: die rationale Ethik und die<br />
kollektive Ethik. Als moderner Begründer der rationalen Ethik ist Kant zu<br />
betrachten durch seinen kategorischen Imperativ: " Handle so, daß die Maxime<br />
deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung<br />
gelten könne." Er besteht in dem Versuch, das Gewissen durch Grundsätze der<br />
Vernunft zu ersetzen, und das Endergebnis dieses Versuchs ist das bekannte<br />
Wohlfahrtsprinzip, für möglichst<br />
Ebda. 407. 7 KpV 31. Hier tritt die Verwechselung von Gesetz und Imperativ<br />
zu Tage, aut die ich gelegentlich bereits hingewiesen habe. Kant hatte besser<br />
gesagt: "Sic gibt ein allgemeines Gesetz, welches wir das Sittengesetz nennen<br />
und das "ür alle Vernunftwesen gültig ist; für den Menschen ist es die<br />
Grundlage eine tut sprechenden kategorischen Imperativs." KrV A 550 = B 578.<br />
KpV 42. Im folgenden Satz heißt<br />
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199<br />
78 o.V.,: Das Gewissen. Zürich 1958 (Studien ..., 1958, S. 67<br />
101 Beck, Lewis W.: Kants " Kritik der praktischen Vern..., 1974, S. 285<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 170<br />
Sollensanspruch des intelligiblen Subjekts entsprechend - unbedingten, von<br />
allen empirischen Fakten unabhängigen Charakter hat. 2<br />
Als ein praktischer<br />
enthält der kategorische Imperativ zugleich den einzigen materialen Inhalt der<br />
kantischen Ethik, die Anerkennung der personalen Würde des Menschen: "<br />
Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person<br />
eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel<br />
brauchst." 3<br />
Sittlich ist menschliches Entscheiden und Handeln nach Kant nur<br />
dann zu nennen, wenn es in Beachtung des genannten Sittengesetzes erfolgt, d.<br />
h. unabhängig von materialen Inhalten die Maxime des eigenen Tuns zur<br />
allgemeinen Maxime werden kann. 6.4. Die Richterfunktionen des Gewissens<br />
Vor dem Hintergrund des beschriebenen Verständnisses vom Menschen als<br />
autonomem Subjekt<br />
2) ebd. S. 37/38.<br />
3) ders.: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. S. 52.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
den Menschen, der nicht von Natur aus den absoluten Wert von Vernunft zur<br />
Maxime seines Wollens macht, ergibt die zweite Formulierung des<br />
Sittengesetzes als Gebot: " Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner<br />
Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck<br />
niemals bloß als Mittel brauchst" ( GMS IV, 429). ce) Eine dritte Betrachtung,<br />
die das Sein der Vernunft als Gesetzlidikeit r " i und den vernünftigen Willen<br />
als sich selbst wollenden Willen verbindet,
Textstelle (Prüfdokument) S. 171<br />
beschriebenen Verständnisses vom Menschen als autonomem Subjekt und<br />
Zweck an sich selbst und der Imperative, die menschliches, vernunftgeleitetes<br />
Handeln regulieren, sollen Kants Gedanken zum Gewissen betrachtet werden.<br />
In der Religionsschrift 1 bezeichnet Kant das Gewissen als " ein Bewußtsein,<br />
das für sich selbst Pflicht ist. ... Es ist ein moralischer Grundsatz, der keines<br />
Beweises bedarf: man soll nichts auf die Gefahr wagen, daß es unrecht sei." 2<br />
Die unbedingte Pflicht besteht also in dem Bewußtsein, daß mein Handeln<br />
recht sein soll. Das Urteil darüber, ob eine Handlung recht oder unrecht sei,<br />
schreibt Kant dem Verstand zu und erklärt, es sei nicht unbedingt nötig, über<br />
jegliches Handeln zu wissen, ob es rechtens sei. Dagegen müsse man von<br />
seinen eigenen Handlungen nicht nur wissen, ob sie recht seien, "sondern auch<br />
gewiß sein, daß sich nicht unrecht" seien. 3<br />
Diese Notwendigkeit, sich der<br />
Richtigkeit seiner Handlungen gewiß zu sein, bezeichnet Kant dann als ein<br />
Postulat des Gewissens. Es tritt der Meinung entgegen, " daß die bloße Meinung,<br />
eine Handlung könne wohl recht sein, schon hinreichend sei, sie zu<br />
unternehmen." 4<br />
Von daher kann das Gewissen nach Kant definiert werden als "<br />
Es ist nicht auf Objekte<br />
bezogen, sondern beurteilt das Subjekt und ist die Bedingung aller Pflicht<br />
überhaupt, 6<br />
die nicht erwerblich ist, sondern die jeder Mensch, als sittliches<br />
Wesen, in sich ursprünglich hat. 7<br />
Das Gewissen beurteilt<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
bezwungen werden muß. Die Gewissenserfahrung wird dann "der Herrschaft<br />
unserer Gedanken" unterworfen [299, S. 82]. Sie verwandelt sich zu einer<br />
Konfrontation mit der formalen Pflicht: "Das Gewissen ist ein Bewußtsein, das<br />
für sich selbst Pflicht ist" [192, S. 336]. Dieses Gewissenserlebnis wird<br />
mitbestimmt von der Gesellschaftsstruktur, in der der Mensch wurzelt. Riesman<br />
hat uns auf den Zusammenhang zwischen dieser Struktur und dem<br />
persönlichen Charakter<br />
innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" spricht er über das Gewissen als<br />
Leitfaden in Glaubenssachen: "Das Gewissen ist ein Bewußtsein, das für sich<br />
selbst Pflicht ist... ein moralischer Grundsatz, der keines Beweises bedarf: man<br />
soll nichts auf die Gefahr wagen, daß es unrecht sei... Das Bewußtsein also, daß<br />
eine Handlung, die ich unternehmen will, recht sei, ist unbedingt Pflicht." 1<br />
Nicht das Urteil darüber, ob eine Handlung richtig oder falsch<br />
das etwas gänzlich anderes ist als der kalte, fremde und seiner Natur nach<br />
immer zu spät kommende Richter1. In dem feinen Ohre für die<br />
die sich selbst richtende moralische Urteilskraft." 5 Bewußtseinstatsachen ( ob eine Handlung recht oder unrecht sei) in der<br />
Fähigkeit und Übung, auf sie zu merken, nicht in den Akten der Beurteilung,<br />
besteht in erster Linie das, was man "Gewissen" nennt1 und<br />
meinen, sondern auch gewiß sein, daß sie nicht unrecht sei, und diese<br />
1) Kant,Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Hamburg 1966. Forderung ist ein Postulat des Gewissens, welchem der Probabilismus, d. i. der<br />
Grundsatz entgegengesetzt ist, daß die bloße Meinung, eine Handlung könne<br />
2) ebd. S. 209.<br />
wohl recht sein, schon hinreichend sei, sie zu unternehmen." Das Gewissen ist "<br />
3) ebd. S. 210.<br />
die sich selbst richtende moralische Urteilskraft". "Das Gewissen richtet nicht<br />
die Handlungen als Kasus, die unter dem Gesetz stehen; denn das tut<br />
4) ebd. S. 210.<br />
Vgl. II; 7, 1-15. 105 Vgl. zum Folgenden III; 13, 3. 5; 14,18 f.; 19, 8 f.; 10,1.<br />
5) ebd. S. 210.<br />
122 Vgl. Metaphysik der Sitten, Tugendlehre, A 38 f. 123 Vgl. Die Religion<br />
6) ders.: Metaphysik der Sitten. Hamburg 1966. S. 250.<br />
innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, A 288. Ebenso bezeichnet Kant<br />
7) ebd. S. 242.<br />
hier das Gewissen als " die sich selbst richtende moralische Urteilskraft". 124<br />
Vgl. Metaphysik der Sitten A 35 ff. und KdpV A 129 f. 125 Vgl. Kant,<br />
Vorlesungen über die Metaphysik, Abschnitt 4. 126 Vgl. Die Religion<br />
innerhalb etc., A 287-295. 127 F. A. Schultz hat außer den kurzen "<br />
4% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969, S. 33<br />
103 Gründel, Johannes: Das Gewissen als 'norma normans' un..., 1967, S. 401<br />
104 Stoker, H.G.: Das Gewissen, 1925, S. 126<br />
105 Eisler, Rudolf: Kant-Lexikon. Nachschlagewerk zu Ka..., 1930, S.<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 165<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 171<br />
die nicht erwerblich ist, sondern die jeder Mensch, als sittliches Wesen, in sich<br />
ursprünglich hat. 7<br />
Das Gewissen beurteilt und richtet die Vernunft danach, ob<br />
sie die eigenen Handlungen mit aller notwendigen Behutsamkeit beurteilt hat.<br />
Es "stellt den Menschen wider oder vor sich selbst zum Zeugen auf, daß dies<br />
geschehen oder nicht geschehen sei." 8<br />
Kant nimmt also zwei<br />
vernunftbestimmte Beurteilungsstufen an: die Urteile der ersten Stufe sind<br />
bezogen darauf, ob die Entscheidungen und Handlungen des Menschen "recht"<br />
oder "unrecht" sind. Die Urteile der zweiten Stufe - die Beurteilungen durch das<br />
7) ebd. S. 242.<br />
8) ders.: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. S. 210.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Regulativen" von 1735<br />
richtet die Vernunft sich selbst, ob sie auch wirklich jene Beurtheilung der<br />
Handlungen mit aller Behutsamkeit unternommen habe, und stellt den<br />
Menschen wider oder für sich selbst zum Zeugen auf, dass dies geschehen oder<br />
nicht geschehen sei". Und diesem inneren Gerichtshof schreibt Kant<br />
bekanntlich eine unbedingte Sicherheit zu, das irrende Gewissen erklärt er für<br />
ein Unding; denn man könne wohl in dem<br />
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107 Gass, Wilhelm: Die Lehre vom Gewissen. Ein Beitrag..., 1869, S. 70<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 172<br />
Stufe - die Beurteilungen durch das Gewissen - stellen die "Gewißheit" derer<br />
der ersten Stufe fest. Sie sind auf den Menschen selbst bezogen, der sich darin<br />
über die Richtigkeit seines Tuns vergewissert. 1<br />
So erscheint das Gewissen als<br />
" das Bewußtsein eines inneren Gerichtshofes im Menschen" 2 , von dem sich<br />
jeder Mensch beobachtet, bedroht und überhaupt in Respekt gehalten fühlt, der<br />
seinem Wesen einverleibt ist. 3<br />
Das Gewissen ist eine "ursprüngliche<br />
intellektuelle und... moralische Anlage". Obgleich " sein Geschäfte ein<br />
Geschäft des Menschen mit sich selbst ist", zu dem sich der Mensch durch<br />
seine Vernunft genötigt sieht, so tritt es doch "auf das Geheiß einer anderen<br />
Person" in Funktion." - " Denn der Handel ist hier die Führung einer<br />
Rechtssache (causa) vor Gericht. Daß aber der durch sein Gewissen<br />
Angeklagte mit dem Richter als eine und dieselbe Person vorgestellt werde, ist<br />
eine ungereimte Vorstellungsart von einem Gerichtshofe; denn da würde ja der<br />
Ankläger jederzeit verlieren." 4<br />
Deshalb muß sich das Gewissen des Menschen<br />
bei allen Pflichten einen anderen Richter als es selbst denken. Dies mag "<br />
9% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
philosophie occidentale. 2 Bände, Paris 2l95 3)b) Die deutsche Philosophie des<br />
17. bis 20.Jh knüpft zunächst an die Überlieferung an (z.B. G.W.Leibniz und<br />
Ch.Wolff). Auch I.Kant faßt Gewissen als " das Bewußtsein eines inneren<br />
Gerichtshofes im Menschen" ( Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, §13).<br />
Neue Auffassungen bringt der deutsche Idealismus. J.G.Fichte sieht Gewissen<br />
als "das unmittelbare Bewußtsein unserer bestimmten Pflichten", für G. W.F.<br />
Hegel ist es<br />
spontaner Vorgang. Die beste Beschreibung dieses Vorganges gibt Kant in<br />
seiner "Metaphysik der Sitten": "Jeder Mensch hat Gewissen und findet sich<br />
durch einen inneren Richter beobachtet, bedroht und überhaupt in Respekt<br />
gehalten, und diese über die Gesetze in ihm wachende Gewalt ist nicht etwas,<br />
was er sich selbst (willkürlich) macht, sondern es ist seinem Wesen einverleibt.<br />
Es<br />
er doch nicht vermeiden. Diese ursprüngliche Intellektuelle und (well sie<br />
Pflichtvorstellung ist) moralische Anlage, Gewissen genannt, hat nun das<br />
Besondere In sich, daß, obzwar dieses sein Geschäfte ein Geschäft des<br />
Menschen mit sich selbst ist, dieser sich doch durch seine Vernunft genötigt<br />
sieht, es als auf das Geheiß einer anderen Person zu treiben... Diese andere mag<br />
nun eine wirkliche oder<br />
Geschäfte des Menschen mit sich selbst ist, dieser sich doch durch seine<br />
Vernunft genöthigt sieht, es als auf den Geheiß einer anderen Person zu treiben.<br />
Denn der Handel ist hier die Führung einer Rechtssache (causa) vor Gericht.<br />
Daß aber der durch sein Gewissen Angeklagte mit dem Richter als eine und<br />
dieselbe Person vorgestellt werde, ist eine ungereimte Vorstellungsart von<br />
einem Gerichtshofe; denn da würde ja der Ankläger jederzeit verlieren." Hier<br />
geht es nicht mehr um die Antinomie von Ankläger und Verteidiger in einer<br />
Person, die sich in einer der Vernunft eigentümlichen Dialektik (die "casus<br />
sich genötigt sieht, es als auf das Geheiß einer anderen Person zu treiben. Denn<br />
der Handel ist hier Führung einer Rechtssache vor Gericht... Also wird sich das<br />
Gewissen des Menschen bei allen Pflichten einen anderen ( als den Menschen<br />
überhaupt) d. h. einen anderen als sich selbst zum Richter seiner Handlungen<br />
108 Stelzenberger, Johannes: Gewissen, in: Handbuch theologische..., 1962, S. 0<br />
109 Roth, Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des G..., 1957, S. 3<br />
1 Dittert, Kurt: Alternativen. Das Gewissen - fragwü..., 1970, S. 7<br />
110 Meyer, Rudolf: Vernunft und Gewissen, in: Humanitä..., 1964, S. 240<br />
109 Roth, Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des G..., 1957, S. 243<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 173<br />
eine wirkliche oder bloß idealische Person sein, welche die Vernunft sich<br />
selbst schafft." 1<br />
Da nun das Gewissen über sämtliche freie Handlungen urteilt,<br />
muß diese Person alle Gewalt haben und dieses "über alles machthabende<br />
moralische Wesen" 2 ist nach Kant Gott: " so wird das Gewissen als subjektives<br />
Prinzip einer vor Gott seiner Taten wegen zu leistenden Verantwortung<br />
gedacht werden müssen." 3<br />
Die Idee von der Existenz Gottes wird hierbei dem<br />
Menschen nicht " objektiv durch theoretische, sondern bloß subjektiv durch<br />
praktische, sich selbst verpflichtende Vernunft, ihr angemessen zu handeln,<br />
gegeben" 4 , wie überhaupt der Begriff der Religion dem Menschen nur ein<br />
Prinzip zur Beurteilung aller seiner Pflichten als göttlicher Gebote vermittelt. 5<br />
Vor der Entschließung zu einer Tat denkt sich der Mensch das "warnende<br />
Gewissen" in einer<br />
1) Nessler,Gerhard: Einige Bemerkungen zu dem Satze: 'Das Gewissen kann nicht irren'. In:<br />
Zeitschrift für philosophische Forschung 27 (1973). S. 445-449. hier: S. 446.<br />
2) Kant,Immanuel: Metaphysik der Sitten. S. 289.<br />
3) "Es folgt ihm wie ein Schatten, wenn er zu entfliehen gedenkt. Er kann sich zwar durch Lüste<br />
und Zerstreuungen betäuben oder in den Schlaf bringen, aber nicht vermeiden, dann und wann<br />
zu sich selbst zu kommen oder zu erwachen, wo er alsbald die furchtbare Stimme desselben<br />
vernimmt" (ebd. S. 290).<br />
4) ebd. S. 290.<br />
1) ebd. S. 290.<br />
2) ebd. S. 291.<br />
3) ebd. S. 291.<br />
4) ebd. S. 292.<br />
5) ebd. S. 292.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
denken müssen, wenn es nicht mit sidi spihtr im WirWsnnirli ircVien "ill Diese<br />
sich selbst ist, dieser sich doch durch seine Vernunft genötigt sieht, es als auf<br />
das Geheiß einer anderen Person zu treiben... Diese andere mag nun eine<br />
wirkliche oder bloß idealische Person sein, welche die Vernunft sich selbst<br />
schafft. Eine solche idealische Person (der autorisierte Gewissensrichter) muß<br />
ein Herzenskündiger sein; denn der Gerichtshof ist im Inneren des Menschen<br />
aufgeschlagen; - zugleich muß er aber auch<br />
nicht (was doch zum Richteramt notwendig gehört) seinen Gesetzen den ihnen<br />
angemessenen Effekt verschaffen könnte, ein solches über alles machthabende<br />
moralische Wesen aber Gott heißt: so wird das Gewissen als subjektives<br />
Prinzip einer vor Gott seiner Taten wegen zu leistenden Verantwortung<br />
gedacht werden müssen; ja es wird der letztere Begriff (wenngleich nur auf<br />
dunkle Art) In jenem moralischen Selbstbewußtsein jederzeit enthalten sein.<br />
Entnommen aus: Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten.<br />
Mensch im Gewissen nicht dazu verpflichtet, das höchste fordernde Wesen "<br />
außer sich als wirklich anzunehmen".25 Denn die Idee dieses höchsten Wesens<br />
ist ihm ja "nicht objektiv durch theoretische, sondern bloß subjektiv durch<br />
praktische, sich selbst verpflichtende Vernunft, ihr angemessen zu handeln,<br />
gegeben".- § 2. GEWISSEN ALS RUF ZUM EIGENSTEN SEINKÖNNEN ? Da<br />
auch Heidegger die "Grenzziehung" Kants bis zur letzten Konsequenz<br />
durchführt, entfällt für ihn nicht nur die objektive Verbindlichkeit<br />
1 Dittert, Kurt: Alternativen. Das Gewissen - fragwü..., 1970, S. 7<br />
1 Dittert, Kurt: Alternativen. Das Gewissen - fragwü..., 1970, S. 8<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 315<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 173<br />
die Frage nach dem irrenden Gewissen ein. Er bezeichnet das irrende Gewissen<br />
als ein "Unding" 7 , weil zwar ein objektives Urteil über das, was Pflicht sei oder<br />
nicht, ein irrendes sein könne, nicht aber das subjektive: " ob ich es mit meiner<br />
praktischen (hier richtenden) Vernunft zum Behuf jenes Urteils verglichen habe,<br />
kann ich nicht irren, weil ich alsdann praktisch gar nicht geurteilt haben würde;<br />
in welchem Fall weder Irrtum noch Wahrheit statthat." 1<br />
Vom Menschen kann<br />
nach Kant nicht mehr erwartet werden, als daß er sich bewußt nach seinem<br />
Gewissen richtet. Er muß seinen Verstand aufklären über das, was Pflicht ist<br />
oder nicht, " wenn es aber zur Tat kommt oder gekommen ist, so spricht das<br />
Gewissen unwillkürlich und unvermeidlich." 2<br />
Es kann dem Menschen nicht<br />
zur Pflicht gemacht werden, nach seinem Gewissen zu handeln, "weil es sonst<br />
noch ein zweites Gewissen geben müßte, um sich des Akts des ersteren bewußt<br />
zu werden. 3 Wohl aber besteht die Pflicht, "<br />
13% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ist ein "irrendes Gewissen" ein Unding. "Denn in dem objektiven Urteil, ob<br />
etwas Pflicht sei oder nicht, kann man wohl bisweilen irren; aber im<br />
subjektiven, ob ich es mit meiner praktischen (hier richtenden) Vernunft zum<br />
Behuf jenes Urteils verglichen habe, kann ich nicht irren, weil ich alsdann<br />
praktisch gar nicht geurteilt haben würde; in diesem Falle hat weder Irrtum<br />
noch Wahrheit statt. Gewissenlosigkeit ist nicht Mangel des Gewissens,<br />
sondern Hang, sich an dessen Urteil nicht zu kehren." Man muß<br />
hier also richtenden - Vernunft zum Zwecke jenes Urteils verglichen habe, kann<br />
ich nicht irren, weil ich dann praktisch gar nicht geurteilt haben würde; in<br />
welchem Fall weder Irrtum noch Wahrheit statt hat. Der hier vorliegende<br />
Gedanke einer Unfehlbarkeit des Gewissens ist ohne weitere Umsicht im Text<br />
nicht zu verstehen. Es liegt jedenfalls nahe, den Urteilsspruch<br />
in diesem Falle hat weder Irrtum noch Wahrheit statt. Gewissenlosigkeit ist<br />
nicht Mangel des Gewissens, sondern Hang, sich an dessen Urteil nicht zu<br />
kehren." Man muß seinen Verstand aufklären über das, was Pflicht ist oder<br />
nicht, wenn aber die Tat geschehen ist, spricht das Gewissen unwillkürlich und<br />
"unvermeidlich". "Nach Gewissen zu handeln kann also selbst nicht Pflicht<br />
sein, weil es sonst noch<br />
die raffiniertesten Ausflüchte des Verstandes sich dem Urteil des Gewissens<br />
nicht entziehen kann, falls sein Verstand vorher etwas als Pflicht erkannt hat.<br />
Wenn es darum " zur Tat kommt oder gekommen ist, so spricht das Gewissen<br />
unwillkürlich und unvermeidlich. "21 Darum betont Kant mit Recht, daß es<br />
keine Pflicht gibt, ein Gewissen zu haben, sondern das Gewissen hat man.<br />
Dieser verfügende und fordernde Charakter des<br />
könne nicht irren ? Was ist das aber für ein seltsamer Richter, dessen Stimme<br />
jederzeit überhört werden kann ? Wenn es schon nicht Pflicht sein kann, nach<br />
Gewissen zu handeln - "weil es sonst noch ein zweites Gewissen geben müßte,<br />
um sich des Acts des ersteren bewußt zu werden" - wie kann es dann Pflicht<br />
sein, "sein Gewissen zu cultivieren, die Aufmerksamkeit auf die Stimme des<br />
inneren Richters zu<br />
104 Stoker, H.G.: Das Gewissen, 1925, S. 52<br />
110 Meyer, Rudolf: Vernunft und Gewissen, in: Humanitä..., 1964, S. 226<br />
104 Stoker, H.G.: Das Gewissen, 1925, S. 52<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 314<br />
110 Meyer, Rudolf: Vernunft und Gewissen, in: Humanitä..., 1964, S. 226<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 174<br />
sein Gewissen zu kultivieren, die Aufmerksamkeit auf die Stimme des inneren<br />
Richters zu schärfen und alle Mittel anzuwenden ... um ihm Gehör zu<br />
verschaffen." 4<br />
Kant erläutert seine Ansicht zum irrenden Gewissen am<br />
Beispiel des Ketzerrichters: Seine Entscheidung, jemanden wegen seines<br />
Glaubens bzw. Unglaubens zu töten, ist nach Kant nicht Ausdruck eines<br />
irrenden Gewissens, sondern Folge von Gewissenlosigkeit. 5<br />
Der Ketzerrichter<br />
7) ebd. S. 243.<br />
1) ebd. S. 243.<br />
2) ebd. S. 243.<br />
3) ebd. S. 243.<br />
4) ebd. S. 243.<br />
5) ders.: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. S. 210.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Pflicht ist oder nicht, aufzuklären; wenn es aber zur Tat kommt, gekommen ist,<br />
so spricht das Gewissen unwillkürlich und unvermeidlich. Die Pflicht ist hier<br />
nur, " sein Gewissen zu kultivieren", die Aufmerksamkeit auf die "Stimme des<br />
inneren Richters" zu schärfen und alle Mittel anzuwenden ... um ihm Gehör zu<br />
verschaffen, MST Einl. XII b (III 242 f.). Die innere Zurechnung einer Tat als<br />
eines unter dem Gesetz stehenden Falles gehört zur Urteilskraft, welche<br />
rechtskräftig urteilt, worauf dann der Schluß der<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 175<br />
Ketzerrichter seine Vernunft durch sein von diesem obersten Prinzip<br />
bestimmten Gewissen prüfen lassen, so wäre ihm von daher Klarheit über sein<br />
Tun verschafft worden. In der Autonomie des intelligiblen Subjekts bleibt dem<br />
Menschen nach Kant " die objektive sittliche Ordnung keine fremde, äußerliche<br />
Forderung, sondern sie wird vom Willen wegen ihrer sachlichen Gültigkeit als<br />
eigenes verpflichtendes Gesetz angenommen." 1<br />
Indem der Mensch sich aus<br />
freiem Willen dem Gesetz unterwirft, wird er teilhaftig an der allgemeinen<br />
Gesetzgebung. 2<br />
Als "ein vernünftiges Wesen" gehört der Mensch "als Glied<br />
zum Reich der Zwecke, wenn er darin zwar allgemein gesetzgebend, aber auch<br />
diesen Gesetzen selbst unterworfen ist" 3 , d.h. das autonome Subjekt wird in der<br />
Unterwerfung unter das Sittengesetz zum verantwortlichen Mitträger der<br />
sittlichen Weltordnung. 4 Das heißt dann auch, daß " der Mensch sowohl sich<br />
selbst als anderen Zweck" ist, "und es ist nicht genug, daß er weder sich selbst<br />
noch andere bloß als Mittel zu brauchen befugt ist ( dabei er doch gegen sie<br />
auch indifferent sein kann), sondern den Menschen überhaupt sich zum Zwecke<br />
zu machen, ist an sich selbst des Menschen Pflicht." 5 6.5. Auswertung Als eine<br />
ursprüngliche Anlage in jedem Menschen, die die Vernunft danach richtet, ob<br />
sie in der Beurteilung der eigenen Handlungen "behutsam" vorgeht und deren<br />
Urteil unwillkürlich und unvermeidlich fällt - so kennzeichnet Kant das<br />
Gewissen.<br />
1) Welzel.Hans: Vom irrenden Gewissen. In: Blühdorn, Jürgen (Hrsg.): Das Gewissen in der<br />
Diskussion. Darmstadt 1976. S. 384-406. hier: S. 393.<br />
2) "Der Wille wird also nicht lediglich dem Gesetze unterworfen, sondern so unterworfen, daß er<br />
auch als selbstge setzgebend und eben um deswillen allererst dem Gesetze (davon er selbst<br />
sich als Urheber betrachten kann) unter worfen angesehen werden muß" (Kant,Immanuel:<br />
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. S. 54).<br />
3) ebd. S. 57.<br />
4) Welzel,Hans: a.a.O. S. 393.<br />
5) Kant,Immanuel: Metaphysik der Sitten. S. 237.<br />
1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sittliche "Ordnung der Dinge" " 31 Kritik der praktischen Vernunft (Philosoph.<br />
Bibliothek, Meiner) S.90. voraus, an die der Wille des Einzelnen gebunden ist.<br />
Aber in der Autonomie bleibt die objektive sittliche Ordnung keine fremde,<br />
äußerliche Forderung, sondern sie wird vom Willen wegen ihrer sachlichen<br />
Gültigkeit als eigenes verpflichtendes Gesetz aufgenommen. Autonomie ist<br />
Freiheit in der Bindung; sie ist "die freie Unterwerfung des Willens unter das<br />
Gesetz" ", weil der Wille es in seiner sachlichen Richtigkeit<br />
haben, ein Reich der Zwecke (freilich nur ein Ideal) heißen kann. Es gehört<br />
aber ein vernünftiges Wesen als Glied zum Reiche der Zwecke, wenn es darin<br />
zwar allgemein gesetzgebend, aber auch diesen Gesetzen selbst unterworfen ist.<br />
Es gehört dazu als Oberhaupt, wenn es als gesetzgebend keinem Willen eines<br />
andern unterworfen ist. Das vernünftige Wesen muß sich jederzeit als<br />
gesetzgebend in einem<br />
über den Menschen als Selbstzweck: "Handle nach einer Maxime der Zwecke,<br />
die zu haben für jedermann ein allgemeines Gesetz sein kann. - Nach diesem<br />
Prinzip ist der Mensch sowohl sich selbst als anderen Zweck und es ist nicht<br />
genug, daß er weder sich selbst noch andere bloß als Mittel zu brauchen befugt<br />
ist ..., sondern den Menschen überhaupt sich zum Zwecke zu machen, ist an<br />
sich selbst des Menschen Pflicht." Kant hat natürlich nicht geleugnet, daß der<br />
Erfüllung dieser<br />
sowohl sich selbst als anderen Zweck, und es ist nicht genug, da er weder sich<br />
selbst noch andere blo als Mittel zu brauchen befugt ist ( dabei er doch, gegen<br />
sie auch indifferent sein kann), sondern den Menschen berhaupt sich zum<br />
Zwecke zu machen, ist an sich selbst des Menschen Pflicht". Der Begriff des<br />
Menschen also ist es, deutlicher die rationale Idee der<br />
als anderen Zweck und es ist nicht genug, daß er weder sich selbst noch andere<br />
bloß als Mittel zu brauchen befugt ist ..., sondern den Menschen überhaupt sich<br />
zum Zwecke zu machen, ist an sich selbst des Menschen Pflicht." Kant hat<br />
natürlich nicht geleugnet, daß der Erfüllung dieser Pflicht der "empirische<br />
Charakter" des Menschen entgegensteht. In diesem "empirischen Charakter"<br />
spukt, so sagt Roth, wieder<br />
111 Welzel, Hans: Vom irrenden Gewissen. Eine rechtsp..., 1949, S. 393<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799, S. 82<br />
34 Dienelt, Karl: Anthropologie des Jugendalters, 1974, S. 107<br />
112 o.V.,: Kant-Studien. Philosophische Zeitsc..., 1921, S.<br />
34 Dienelt, Karl: Anthropologie des Jugendalters, 1974, S. 107<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 176<br />
entgegengehalten, daß die Allgemeinheit als Kriterium für die allgemeine<br />
Gesetzgebung, wie es im kategorischen Imperativ gefordert wird, nicht primär<br />
Gültigkeit für alle Menschen besage, sondern dies erst sekundäre Folge sei.<br />
Zunächst einmal müsse die Universalität " in sich selbst ihren bestimmenden<br />
Grund tragen." 2<br />
Dafür ist nach Kant Kriterium der Satz des Widerspruchs, d.h.<br />
" eine Handlung ist sittlich, oder es müßte eigentlich heißen, eine Handlung<br />
zeugt für die Sittlichkeit der zugehörigen Maxime als Ausdruck einer sittlichen<br />
Persönlichkeit, wenn sie sich selbst nicht widerspricht." 3<br />
Kant erläutert das am<br />
Beispiel der Lüge: Er lehnt sie nicht deshalb ab, weil sich kein Zusammenleben<br />
denken ließe, bei dem jeder lügen könnte, sondern darum, weil " im lügenden<br />
Sagen das Gesagte dem Sinn des Sagens widerspricht." 4<br />
So auch im Fall des<br />
Nichthaltens eines Versprechens. Es geht nicht um die Handlung als solche,<br />
sondern um die damit verbundene Maxime: dem Sinn des Versprechens würde<br />
mit dem Richteinhalten widersprochen und "es würde ... eigentlich gar kein<br />
Versprechen geben, weil es vergeblich wäre, meinen Willen in Ansehung<br />
meiner künftigen Handlungen anderen vorzugeben, die diesem Vorgeben doch<br />
nicht glauben ... würden; mithin meine Maxime, sobald sie zum allgemeinen<br />
Gesetze gemacht würde, sich selbst zerstören müsse." 1<br />
Hinzu kommt ein<br />
weiterer Aspekt, der deutlich wurde in unserer Darlegung der von Kant<br />
beschriebenen Imperative: Kant kommt es nie auf die Handlungen als solche<br />
an. Sittlich ist von daher nur jenes Handeln zu nennen,<br />
2) ebd. S. 28.<br />
3) ebd. S. 28.<br />
4) ebd. S. 28.<br />
1) Kant,Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. S. 21/22.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
contra gegenüber gilt es festzustellen, daß Allgemeinheit als universalitas<br />
nicht besagt Gültigkeit für alle Menschen das ist erst eine sekundäre Folge.<br />
Vielmehr muß die Universalität in sich selbst ihren bestimmenden Grund<br />
tragen; das Kriterium dafür ist nach Kant der Satz des Widerspruches 10 ), der<br />
aber gerade hier im rechten Sinne verstanden werden muß, soll nicht daraus<br />
wieder der Vorwurf der Intellektualisierung des Moralischen resultieren: eine<br />
Handlung ist sittlich, oder es müßte eigentlich heißen, eine Handlung zeugt für<br />
die Sittlichkeit der zugehörigen Maxime als Ausdruck einer sittlichen<br />
Persönlichkeit, wenn sie sich selbst nicht widerspricht. Nehmen wir ein<br />
Beispiel: die Lüge oder das Nichthalten von Versprechungen: nicht darum geht<br />
es hier, ob sich ein Zusammenleben ausdenken ließe, bei dem jeder<br />
ja entsprechend einstellen könne, d. h. wo keiner damit rechne, daß der andere<br />
ihm die "Wahrheit" sage. Darum geht es hier auf keinen Fall, vielmehr darum,<br />
daß im lügenden Sagen das Gesagte dem Sinn des Sagens widerspricht. Es ist<br />
genau das gleiche beim Nichthalten von Versprechen bzw. um das Nichthalten-<br />
Wollen es geht ja nicht um die Handlung als solche, sondern um die<br />
entsprechende Maxime. Auch hier würde eine solche Maxime dem "Sinn" des<br />
Versprechens widersprechen und somit das Versprechen als solches aufheben, "<br />
mithin meine Maxime, sobald sie<br />
werde ich bald inne, daß ich zwar die Lüge, aber ein allgemeines Gesetz zu<br />
lügen gar nicht wollen könne; denn nach einem solchen würde es eigentlich gar<br />
kein Versprechen geben, weil es vergeblich wäre, meinen Willen in Ansehung<br />
meiner künftigen Handlungen andern vorzugeben, die diesem Vorgeben doch<br />
nicht glauben, oder, wenn sie es übereilter Weise täten, mich doch mit gleicher<br />
Münze bezahlen würden, mithin meine Maxime, so bald sie zum allgemeinen<br />
Gesetze gemacht würde,<br />
als solche, sondern um die entsprechende Maxime. Auch hier würde eine<br />
solche Maxime dem "Sinn" des Versprechens widersprechen und somit das<br />
Versprechen als solches aufheben, " mithin meine Maxime, sobald sie zum<br />
allgemeinen Gesetze gemacht würde, sich selbst zerstören müsse" "). Daraus<br />
ergibt sich dann auch das Wesen des kategorischen Imperativs, "jener<br />
113 Diemer, Alwin: Zum Problem des Materialen in der E..., 1954, S. 27<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799, S. 30<br />
113 Diemer, Alwin: Zum Problem des Materialen in der E..., 1954, S. 27<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 177<br />
solche an. Sittlich ist von daher nur jenes Handeln zu nennen, daß von<br />
empirischen Bestimmungen unabhängig geschieht. Entscheidend ist aber für<br />
jede sittliche Handlung, für eine solche also, deren Maxime zum allgemeinen<br />
Gesetz werden kann, " daß das vernünftige Wesen als Zweck seiner Natur nach,<br />
mithin als Zweck an sich selbst ... zur einschränkenden Bedingung aller bloß<br />
relativen und willkürlichen Zwecke dienen müsse." 2<br />
Dies ist der einzige und<br />
gleichzeitig entscheidende materiale Inhalt des kategorischen Imperativs: " Die<br />
Schönheit und Würde der menschlichen Natur" 3 , den absoluten Wert des<br />
Menschen als Person anzuerkennen. 4<br />
Beide Aspekte, der Satz des<br />
Widerspruchs als Kriterium der Universalität der allgemeinen Gesetzgebung<br />
und die Achtung menschlicher Personalität lassen den Vorwurf des "leeren<br />
Formalismus" der kantischen Ethik<br />
2) ebd. S. 60.<br />
3) ders.: Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen (1764). S. 217. In: Ges.<br />
Schriften. Akademieausgabe Band II. Berlin 1905.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
daß die Maximen so müssen gewählt werden, als ob sie wie allgemeine<br />
Naturgesetze gelten sollten; 2) eine Maxime, nämlich einen Zweck, und da<br />
sagt die Formel: daß das vernünftige Wesen, als Zweck seiner Natur nach,<br />
mithin als Zweck an sich selbst, jeder Maxime zur einschränkenden Bedingung<br />
aller bloß relativen und willkürlichen Zwecke dienen müsse; 3) eine<br />
vollständige Bestimmung aller Maximen durch jene Formel, nämlich: daß alle<br />
Maximen aus eigener Gesetzgebung zu einem möglichen Reiche der Zwecke,<br />
als einem<br />
vormalige Erklärung des moralisehen Gefühls. Eine Ableitung der<br />
Nächstenliebe aus der sich selbst über- "*Z d, *. Sa*. und der Gefälligkeit<br />
abdecken, nicht aber das moralische Gefühl für die Schönheit und Würde der<br />
menschlichen Natur als Grund einer allgemeinen Wohlgewogenheit und<br />
Achtung. Die Formalisierung dieses Grundsatzes hatte sich in den .Träumen"<br />
als Gefühl expliziert, das die Abhängigkeit des privaten Willens<br />
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4) Forschner,Maximilian: a.a.O. S. 87.<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799, S. 87<br />
102 Forschner, Maximilian: Gesetz und Freiheit. Zum Problem de..., 1974, S. 111<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 178<br />
Kant von allen Wirkungen des Handelns absehen will, stellt sich diese Frage<br />
bei ihm so nicht und kann von daher aus seinem Denkmodell darauf auch keine<br />
Anwort erwartet werden. Unzureichend bleibt ebenso die Frage nach " dem<br />
Grund der Bedingungen endlicher Erkenntnis und dem Grund des<br />
Sollenscharakters noumenalen Seins für den Menschen." 1<br />
Gewissen erscheint<br />
bei Kant als ein "Faktum per se" 2 , auf dessen Anlage, Beurteilungskriterien bzw.<br />
Inhalt und Tätigwerden der Mensch keinen Einfluß hat, d.h. auch erzieherisch<br />
kein Einfluß genommen werden kann. Dem Erzieher ergibt sich aus Kants<br />
1) ebd. S. 261.<br />
2) Oser,Fritz: das Gewissen lernen. S. 78.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
seine vorgegebene erkenntnismäßige Angewiesenheit auf Erfahrung und seine<br />
vernünftige Praxis als kategorisch geforderte Aufgabe, in Richtung einer<br />
apriorisch harmonisierenden Vernunftwirklichkeit überstieg. Auf die Frage nach<br />
dem Grund der Bedingungen endlicher Erkenntnis und dem Grund des<br />
Sollenscharakters noumenalen Seins für den Menschen vermag er keine<br />
metaphysisch zureichende Antwort mehr zu geben. Die Sesetzlichkeit selbst<br />
im theoretischen und praktischen Sinn, so notwendig sie dem menschlichen<br />
Erkennen und Handeln<br />
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102 Forschner, Maximilian: Gesetz und Freiheit. Zum Problem de..., 1974, S. 260<br />
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die Stimme seines "inneren Gerichtshofes" und ihn damit vor<br />
Gewissenlosigkeit im kantischen Sinne schützt. Fritz Oser nimmt an, daß Kants<br />
Modell für lerntheoretische Überlegungen zum Gewissen insofern wertvoll sei,<br />
als darin ethische Funktionen Berücksichtigung finden, " die situativ, d.h.<br />
handelnd ins Feld der Entscheidung geraten und/oder pro- und reaktiv sich<br />
durch ihr verdecktes Vorhandensein zu Worte melden." 3<br />
Dabei stellt sich<br />
allerdings die von Oser nicht behandelte Frage, inwieweit solche Funktionen<br />
unabhängig von ethischen Werten gesehen werden können, vor allem aber, ob<br />
nicht jeder Versuch der lerntheoretischen Vermittlung solcher Funktionen<br />
wider die Kantischen<br />
3) ebd. S. 78.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
besser schulisch realisierbar zu sein als die der Empiristen, weil sie den<br />
Abstraktionsbegriff formal und zugleich auch apriorisch festlegen. Gewissen<br />
lernen meint doch Funktionen lernen, die situativ d.h. handelnd ins Feld der<br />
Entscheidung geraten und/oder pro- und reaktiv sich durch ihr verdecktes<br />
Vorhandensein zu Worte melden. Zwar spricht Kant selten von Gewissen als "<br />
Mittelding zwischen Gott und Mensch" und er spricht auch von einem "<br />
wundersamen Vermögen in uns", das sich immer<br />
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47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 77<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 179<br />
selbst zu sein. Anstelle des Ich-selbst ergreift ein unbestimmt bleibendes Manselbst<br />
die Seinsmöglichkeiten des Daseins. Um das "wahllose<br />
Mitgenommenwerden von Niemand, wodurch sich das Dasein in die<br />
Uneigentlichkeit verstrickt", rückgängig zu machen, muß das Dasein aus der<br />
Verfallenheit an das Man zu sich selbst zurückgeholt werden. Dieses<br />
Zurückholen aus dem Man, eine "existenzielle Modifikation des Man-selbst zum<br />
eigensten Selbstsein" geschieht, indem das Dasein die Wahl zum Selbstsein<br />
nachholt. 1<br />
Damit taucht unweigerlich die Frage auf, woher das Dasein um die<br />
Wahl der eigensten Möglichkeit weiß. "Das Dasein bedarf der Bezeugung<br />
eines Selbstseinkönnens, das es der Möglichkeit nach je schon ist" 2<br />
Das, was<br />
dieses eigentliche Selbstseinkönnen bezeugt, ist nach Heidegger in der<br />
Alltagssprache bekannt als "Stimme des Gewissens". Die Mannigfaltigkeit der<br />
Meinungen über Entstehen, Faktum und Wirken des Gewissens wertet<br />
Heidegger als Beweis für die Ursprünglichkeit<br />
1) Heidegger,Martin: Sein und Zeit. S. 268.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
des Man verfallen ist. Insofern erscheint dieser Gewisscnsbegriff ontologisch<br />
gesehen zunächst weiter zu sein als der ethische, denn er beinhaltet ja jene<br />
allgemeinste Funktion, die das Dasein aus der Verfallenheit an das Man<br />
zurückruft auf sein eigenstes Selbstscinkönncn. Während sich das Gewissen bei<br />
Heidegger auf die existenzialen Modi der "Eigentlichkeit" und "<br />
Uneigentlichkeit" bezieht, umfaßt das ethische Gewissen die<br />
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2) ebd. S. 268.<br />
114 Frankl, Viktor E.: Handbuch der Neurosenlehre und psyc..., 1959, S. 714<br />
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die Möglichkeit versetzt, "sein Da zu sein". 1<br />
Sein Da zu sein ist für das Dasein<br />
nicht selbstverständlich, weil es in der Uneigentlichkeit durch das Hinhören auf<br />
das zweideutige Gerede des Man sich selbst überhört. Um das Dasein aus der<br />
Verlorenheit an das Man und damit aus dem Sich-überhören durch sich selbst<br />
wieder zu sich selbst zu bringen, dazu muß das Hinhören an das Man<br />
unterbrochen werden. Dieser Bruch wird möglich, indem das Gewissen das<br />
Dasein unmittelbar anruft.<br />
1) ebd. S. 270.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Sympathie zu den Nationalsozialisten gemacht hat, seine Darlegungen gerade<br />
davon wegführen, dass totalitäre Systeme das Gewissen im Sinne der völligen<br />
Internalisierung der Staatsnorm manipulieren können. Das Dasein aus der<br />
Verlorenheit an das Man zurückholen, heisst immer, auf sich selber gestellt zu<br />
sein. Allerdings könnte man einwenden, dass gerade deshalb die Wirklichkeit<br />
nicht gesehen wird. Aber das wäre eine<br />
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47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 315<br />
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durch sich selbst wieder zu sich selbst zu bringen, dazu muß das Hinhören an<br />
das Man unterbrochen werden. Dieser Bruch wird möglich, indem das<br />
Gewissen das Dasein unmittelbar anruft. Dieser Ruf ist unzweideutig und<br />
lärmlos. " Das Man-selbst des besorgenden Mitseins mit Anderen wird vom Ruf<br />
getroffen" 1<br />
und aufgerufen auf sein eigenstes Selbst. Dabei wird das auf<br />
öffentliches Ansehen angelegte Man übergangen und so in die<br />
Bedeutungslosigkeit gestoßen. Im Anruf wird das Selbst vom Man entledigt, es<br />
kann sich dahinter nicht mehr<br />
1) ebd. S. 272.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Dasein der Ferne, es ruft in die Ferne, um sich zurückzuholen. "Der Ruf trifft<br />
das Dasein in diesem alltäglich-durchschnittlich besorgenden Sich-immerschon-verstehen.<br />
Das Man-selbst des besorgenden Mitseins mit anderen wird<br />
vom Ruf getroffen." 3<br />
Weil der Ruf das öffentliche Dasein umgeht, geht er auch<br />
am Man vorbei, lässt dieses bedeutungslos zusammenfallen. Was aber gerufen<br />
wird, ist eigentlich nichts oder<br />
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47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 307<br />
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auf öffentliches Ansehen angelegte Man übergangen und so in die<br />
Bedeutungslosigkeit gestoßen. Im Anruf wird das Selbst vom Man entledigt, es<br />
kann sich dahinter nicht mehr verstecken, sondern wird zu sich selbst gebracht.<br />
Der Gewissensruf " gibt keine Auskunft über Weltereignisse, hat nichts zu<br />
erzählen". Er ruft dem Dasein nichts zu, sondern ruft es auf zum eigensten<br />
Seinkönnen und ruft es damit vor in seine eigensten Möglichkeiten. " Das<br />
Gewissen redet einzig und ständig im Modus des Schweigens". Es entbehrt<br />
jeglicher Verlautbarung. Obgleich es auf jede wörtliche Formulierung<br />
verzichtet, bleibt es nicht unbestimmt und unverständlich. " So verliert es nicht<br />
nur nichts an Vernehmlichkeit, sondern zwingt das an- und aufgerufene Dasein<br />
in die Verschwiegenheit seiner selbst" 2 . Der Ruf des Gewissens ist<br />
unverwechselbar. Entsprechend den Verstehensmöglichkeiten des Daseins mag<br />
er wohl verschiedene Auslegungen erfahren; was er erschließt, bleibt aber<br />
trotzdem eindeutig. Täuschungen entstehen nicht durch den Ruf, bedingt etwa<br />
durch ein Sichverrufen<br />
2) ebd. S. 273.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Was und Wozu ruft das Gewissen?1'4 Wie ruft das Gewissen? "Im Modus des<br />
Schweigens!" Denn es ruft "streng genommen - nichts! Der Ruf sagt nichts aus,<br />
gibt keine Auskunft über Weltereignisse, hat nichts zu erzählen". Wie sollte<br />
Heidegger auch anders antworten, denn mit jeder Konkretion hätte er den<br />
Gewissensruf in den Bereich des Ontischen und Empirischen gerückt. Er<br />
möchte ihn<br />
Dasein umgeht, geht er auch am Man vorbei, lässt dieses bedeutungslos<br />
zusammenfallen. Was aber gerufen wird, ist eigentlich nichts oder zum<br />
eigenen Selbstseinkönnen hin. Deswegen: " Das Gewissen redet einzig und<br />
ständig im Modus des Schweigens." 4<br />
Es ist aber nicht eine geheimnisvolle<br />
Stimme, sondern etwas Eindeutiges, das verschieden interpretiert oder aber<br />
missverstanden werden kann, weil die Art des Hörens umgebogen, vom<br />
nichts zu erzählen. Am wenigsten strebt er danach, im angerufenen Selbst ein "<br />
Selbstgespräch- zu eröffnen... Das Gewissen redet einzig und ständig im Modus<br />
des Schweigens. So verliert es nicht nur nichts an Vernehmlichkeit, sondern<br />
zwingt das an- und aufgerufene Dasein in die Verschwiegenheit seiner selbst",<br />
und zwar mit eigentlich unwider-sprechlicher Eindeutigkeit; zu Täuschungen<br />
kommt es erst aufgrund der Flucht in ein "verhandelndes Selbstgespräch." 4<br />
Andererseits gibt es doch nicht bloß<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 81<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 307<br />
41 Splett, Jörg: Der Mensch ist Person. Zur christli..., 1978, S. 44<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 181<br />
Daseins mag er wohl verschiedene Auslegungen erfahren; was er erschließt,<br />
bleibt aber trotzdem eindeutig. Täuschungen entstehen nicht durch den Ruf,<br />
bedingt etwa durch ein Sichverrufen des Rufes, sondern durch die Art, wie er<br />
gehört wird - "dadurch, daß er, statt eigentlich verstanden zu werden, vom Manselbst<br />
in ein verhandelndes Selbstgespräch gezogen und in seiner<br />
Erschließungstendenz verkehrt wird" 1 . Am Ende eines ersten Schrittes in<br />
seiner Analyse beschreibt Heidegger den Ruf, den man als Gewissen<br />
kennzeichnet - als "Anruf des Man-selbst in seinem Selbst" und darin - als "<br />
Aufruf des Selbst zu seinem Selbstseinkönnen" und - damit als ein "Vorrufen<br />
des Daseins auf seine Möglichkeiten" 2 . Zur Analyse des Gewissensrufes<br />
gehört die Frage danach, wer der Rufer sei. Er bleibt unbestimmt und gibt<br />
keine Möglichkeit, ihn "für ein 'weltlich' orientiertes Daseinsverständnis<br />
vertraut zu machen". 3<br />
Damit kommt zum Ausdruck, daß er im Aufrufen ganz<br />
aufgeht, nur als solcher gehört werden und nicht beredet werden will. " Das<br />
Dasein ruft im Gewissen sich selbst" und doch erscheint der Ruf fremd, sind<br />
Rufer und Angerufener nicht identisch. Der Ruf wird weder von mir<br />
willentlich vollzogen, noch kommt er von einem Anderen, der mit mir in der<br />
Welt ist. " Der Ruf kommt aus mir und doch über mich" 4 . Leitfaden für die<br />
Interpretation des rufenden "Es" kann nach Heidegger nur die existenziale<br />
Verfassung des Daseins sein, insofern der Ruf ein Phänomen allein dieses<br />
Seienden ist. Im Unterschied zu tatsächlich Vorhandenem existiert das Dasein<br />
immer<br />
1) ebd. S. 274.<br />
2) ebd. S. 274.<br />
3) ebd. S. 274.<br />
4) ebd. S. 275.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
entstehen nicht durch ein "SichVerrufen" des Rufes, sondern erst aus der Art,<br />
wie der Ruf gehört wird. Statt ihn eigentlich zu verstehen, kann der Ruf vom<br />
Man-Selbst in ein verhandelndes Selbstgespräch gezogen und in seiner<br />
Erschließungstendenz verkehrt werden. Der Ruf des Gewissens kann nicht<br />
geplant werden. Er kommt "aus mir und doch über mich". Der Rufer ist das im<br />
Grunde seiner Unheimlichkeit<br />
Philosophie per se zuständig zur Bestimmung des in Art. 41 GG verwendeten<br />
Gewissensbegriffs ist, ist festzuhalten, daß sich "Philosophie" und Daseins auf<br />
aus der Verlorenheit des Man." 275: " Das Dasein ruft im Gewissen sich selbst."<br />
Zur Krit. vgl. Hupperschwiller 1970, 24; Ek. Stein 1971, "Ideologie" der<br />
Gewissensinterpretation i. S. des Grundgesetzes nur aus diesem selbst ergeben<br />
können. Hier hat auch das bereits erwähnte Argument Bäumlins82<br />
vollzogen "3 wird. | Darum erscheint der Ruf dem Menschen wie die Stimme<br />
eines Anderen: ",Es' ruft, widererwarten und gar Widerwillen. Andererseits<br />
kommt der Ruf zweifellos nicht von einem Anderen, der mit mir in der Welt ist.<br />
Der J Ruf kommt aus mir und doch über mich. "4 Diese Fremdheit des<br />
Gewissensrufes ist für Heidegger bedingt in der "Sorge"-Struktur des "Daseins"<br />
, wobei Dasein der Wesensbereich ist, in dem der Mensch steht. Da<br />
114 Frankl, Viktor E.: Handbuch der Neurosenlehre und psyc..., 1959, S. 699<br />
62 Klier, Gerhard: Gewissensfreiheit und Psychologie. ..., 1977, S. 33<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 16<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 183<br />
immer schon Sorge um sein eigenstes Seinkönnen. In der Alltäglichkeit des Man<br />
verwirkt es sein eigenstes Selbstseinkönnen, bleibt es in der Uneigentlichkeit.<br />
An dieser Stelle wird die These vom Dasein als Rufer und Angerufener<br />
deutlicher: " Das Gewissen offenbart sich als Ruf der Sorge" 1 : Rufer ist das<br />
Dasein, das sich in der Unheimlichkeit befindet und im Ruf sich um sein<br />
eigenstes Seinkönnen sorgt. 2<br />
Da das alltägliche Man-selbst sich verliert an die<br />
besorgte, vielfältige Welt, das Dasein darin sich<br />
1) ebd. S. 277.<br />
2) "Es ist das Dasein in seine Unheimlichkeit, das ursprüngliche geworfene In-der-Welt-sein als<br />
Un-zuhause, das nackte 'Daß' im Nichts der Welt" (ebd. S. 276/277).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
nun aber die "Grundart des In-der-Welt-Seins", nämlich "Angst" vor dem "<br />
Entwurf seiner selbst auf sein eigenstes Seinkönnen hin", - d. h. "Sorge".<br />
Deshalb interpretiert er: " Das Gewissen offenbart sich als Ruf der Sorge: Der<br />
Rufer ist das Dasein, sich ängstigend in der Geworfenheit ... um sein<br />
Seinkönnen". Das unbestimmte und unheimliche Dasein in der Sorge um sein<br />
Seinkönnen - das<br />
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106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 82<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 183<br />
ihm das Phänomen der Schuld nicht aufgezwungen werden kann, sondern ein<br />
Verständnis der Schuld im Dasein bereits vorgezeichnet sein muß. 3<br />
Vom<br />
landläufigen Schuldverständnis herleitend, bestimmt Heidegger in einem<br />
ersten Schritt den formalen Begriff des Schuldigseins im Sinne des<br />
Schuldiggewordenseins am Andern als " Grundsein für einen Mangel im Dasein<br />
des Andern, so zwar, daß dieses Grundsein selbst sich aus seinem Wofür als "<br />
mangelhaft" bestimmt. Diese Mangelhaftigkeit ist das Ungenügen gegenüber<br />
einer Forderung, die an das existierende Mitsein mit Anderen ergeht." 1<br />
Dann<br />
muß - so folgert Heidegger - die Idee der Schuld " abgelöst werden von dem<br />
Bezug auf ein Sollen und Gesetz, wogegen sich verfehlend jemand Schuld auf<br />
sich lädt." 2<br />
Sonst wird nämlich die Schuld als Mangel, " als Fehlen von etwas,<br />
was sein soll und kann" betrachtet. 3<br />
Da aber Fehlen Nichtvorhandensein<br />
besagt und Nichtvorhandensein eines Gesollten eine Selbstbestimmung von<br />
Vorhandenem ist, so kann sich ein solches Schuldverständnis nicht auf die<br />
Existenz beziehen, die in ihrem Seinscharakter von allem Vorhandenen<br />
verschieden bleibt.<br />
3) ebd. S. 281<br />
1) ebd. S. 282.<br />
2) ebd. S. 283.<br />
3) ebd. S. 281.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wenn man des anderen Existenz in irgendeiner Weise gefährdet, etwa indem<br />
man Zuspruch und Trost versagt, wenn ihrer der andere bedarf. Heidegger<br />
bestimmt das Schuldigsein im Sinne des "Schuldiggewordenseins am andern"<br />
als " Grundsein für einen Mangel im Dasein eines anderen". In all diesen<br />
Bedeutungen von "Schuld" nun sieht Heidegger Verdeckungen des "<br />
eigentlichen" Schuldphänomens, das nur aus der Seinsart des Daseins selbst zu<br />
erhellen<br />
der Mensch ist zuerst das, was er zu sein geplant hat" (Sartre""). Der objektive<br />
Ansatz der Kantischen Ethik wird aufgelöst: "Die Idee der Schuld muß<br />
abgelöst werden von dem Bezug auf ein Sollen und Gesetz, wogegen sich<br />
verfehlend jemand Schuld auf sich lädt" ( Heidegger-). Es gibt keinen " .<br />
positiven' Gehalt im Gerufenen aus der Erwartung einer jeweilig brauchbaren<br />
Angabe verfügbarer und berechenbarer sicherer Möglichkeiten des Handelns",<br />
wie es die<br />
Bezug auf ein Sollen und Gesetz, wogegen sich verfehlend jemand Schuld auf<br />
sich lädt. Denn auch hier wird die Schuld notwendig noch als Mangel bestimmt,<br />
als Fehlen von etwas, was sein soll und kann. Fehlen besagt aber<br />
Nichtvorhandensein. Mangel als Nichtvorhandensein eines Gesollten ist eine<br />
Seinsbestimmung des Vorhandenen. In diesem Sinne kann an der Existenz<br />
wesenhaft nichts mangeln, nicht<br />
115 Neuhäusler, Anton: Phänomenlogie des Gewissens, 1968, S. 90<br />
111 Welzel, Hans: Vom irrenden Gewissen. Eine rechtsp..., 1949, S. 401<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 17<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 184<br />
von "Schuld" und "schuldig" gehört nach Heidegger gleichwohl der Charakter<br />
des Nicht. So klärt er den "Nicht-Charakter dieses Nicht" 4<br />
existenzial auf und<br />
drückt gleichzeitig aus, was sich im Schuldbegriff als "Schuld haben an"<br />
verbirgt: "Die formal existenziale Idee des 'schuldig' bestimmen wir daher also:<br />
Grundsein für ein durch ein Nicht bestimmtes Sein - das heißt Grundsein einer<br />
Nichtigkeit" 5 , d.h. die Idee des "schuldig" wird als Seinsart des Daseins und<br />
nicht als Mangel an Beachtung eines Gesetzes gewertet. Von daher resultiert<br />
das Schuldigsein des Menschen nicht erst aus einer Verschuldung, " sondern<br />
umgekehrt: diese wird erst möglich 'auf Grund' eines ursprünglichen<br />
Schuldigseins." 6<br />
Diesen Schuldbegriff begründet Heidegger wie folgt: " Das<br />
Sein des Daseins ist die Sorge" 7 . Sie umfasst Geworfenheit, Existenz und<br />
Verfallen. Als Geworfenes bleibt das Dasein in seinem Grundsein, d.h. von<br />
seinem Wesen her, immer hinter seinen eigenen Möglichkeiten zurück. Es kann<br />
nicht hinter seinen Grund zurück, es wird des eigenen Seins von Grund nie<br />
mächtig, da es nicht aus ihm entspringt. Das Nicht gehört somit zum "<br />
existenzialen Sinn der Geworfenheit", es konstituiert die Geworfenheit als Sein<br />
des Daseins. "Selbst seiend ist das Dasein das geworfene Seiende als Selbst.<br />
Nicht durch es selbst, sondern an es selbst entlassen aus dem Grunde, um als<br />
dieser zu sein." 1<br />
Als sein existierender Grund versteht das Dasein sich aus<br />
seinen Möglichkeiten. Es steht immer in der einen oder anderen Möglichkeit<br />
und schließt damit andere aus, worin sich gleichzeitig das Freisein des Daseins<br />
ausspricht. Zu dieser<br />
4) ebd. S. 283.<br />
5) ebd. S. 283.<br />
6) ebd. S. 284.<br />
7) ebd. S. 284.<br />
1) ebd. S. 284/285.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
mehr als die Modi des besorgenden Mitseins, wie "Schuldenhaben" oder "<br />
schuld sein" oder "sich schuldig machen" etc. Es bedeutet inbezug auf das oben<br />
erwähnte Gewissen " Grundsein für ein durch ein Nicht bestimmtes Sein das<br />
heisst Grundsein einer Nichtigkeit". 4<br />
Dies ist nicht "Nichterfüllung einer<br />
Forderung", es ist viel mehr: "Das Schuldigsein resultiert nicht erst aus einer<br />
Verschuldung, sondern umgekehrt: diese wird erst möglich 'auf Grund' eines<br />
ursprünglichen Schuldigseins." 5<br />
Wie begründet Heidegger diesen<br />
Schuldbegriff? Es geht ihm darum, zu zeigen, dass das Dasein ein Geworfenes<br />
ist, das grund-seiend (d.h. von seinem Wesen her) immer<br />
Punkt nach der direkten oder indirekten "Zuhandenheit" der Umwelt orientiert (<br />
52 ff.). Auf diesem Wege gelangt Heidegger zu einer anderen Hauptthese: Das<br />
innerste Wesen des menschlichen Daseins ( das Sein des Daseins") ist "die<br />
Sorge" ( vgl. besonders 180 ff.). Aber das In-der-Welt-Sein bedeutet auch und<br />
damit sind wir bei der Frage, die uns in diesem Zusammenhang am meisten<br />
interessiert<br />
auf Grund' eines ursprünglichen Schuldigseins." 5<br />
Wie begründet Heidegger<br />
diesen Schuldbegriff? Es geht ihm darum, zu zeigen, dass das Dasein ein<br />
Geworfenes ist, das grund-seiend (d.h. von seinem Wesen her) immer hinter<br />
seinen eigenen Möglichkeiten zurückbleibt. "Das Dasein ist nicht insofern<br />
selbst der Grund seines Seins, als dieser aus eigenem Entwurf erst entspringt,<br />
wohl aber ist es als Selbstsein das<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 308<br />
116 Cullberg, John: Das Du und die Wirklichkeit. Zum on..., 1933, S.<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 308<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 185<br />
von Schuld ohne jede Wertung verstanden wissen. Das vor jedem Entschluß<br />
und Entwurf bestehende "schuldig-sein" des Menschen ist bei ihm vielmehr<br />
Voraussetzung und Bedingung für eine Entscheidung von gut und böse als<br />
moralische Kategorien. Darin, das das Dasein im Grunde seines Seins immer<br />
schon schuldig ist,liegt eine ontologische Bedingung dafür, " daß das Dasein<br />
faktisch existierend schuldig werden kann." 1<br />
Für die Annahme solchen<br />
ursprünglichen Schuldigseins spricht für Heidegger die Frage, ob von Schuld<br />
nur gesprochen werden kann, wenn sie "da" ist, d.h. bewußt ist oder ob sich<br />
nicht gerade in der "schlafenden" Schuld, in solcher,<br />
1) ebd. S. 286.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
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durch den Anruf aus dem Verfallen in das Man (Schon-sein-bei der besorgten<br />
11357<br />
Welt). Der Ruf des Gewissens, d. h. dieses selbst, hat seine ontologische<br />
Möglichkeit darin, daß das Dasein im Grunde seines Seins Sorge ist. "252 § 5. 12.01.2014<br />
ANGST - SORGE - ZEITLICHKEIT ODER LOGISCH DENKENDES GESCHÖPF IN 220<br />
DER ZEIT ? Weil "das Dasein im Grunde seines Seins Sorge ist",253 ist es "<br />
im Grunde<br />
ZEIT ? Weil "das Dasein im Grunde seines Seins Sorge ist",253 ist es "im<br />
Grunde seines Seins schuldig, welches Schuldigsein allererst die ontologische<br />
Bedingung dafür gibt, daß das Dasein faktisch existierend schuldig werden<br />
kann."254 Die "traditionelle Ethik" würde den gemeinten Sachverhalt etwa so<br />
formulieren: weil der Mensch im Grunde seines Seins ein knechthaftes<br />
Geschöpf ist, schuldet er dem Schöpfer<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 126<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 186<br />
schuldig-sein" zu verstehen. Es holt das Seiende aus der Uneigentlichkeit in die<br />
Eigentlichkeit und damit in sein ursprüngliches "schuldig-sein". Das Gewissen<br />
ruft das Dasein in die unverstellte Nichtigkeit als der Möglichkeit eigenen<br />
Seinkönnens. " Der vorrufende Rückruf des Gewissens gibt dem Dasein zu<br />
verstehen, daß es - nichtiger Grund seines nichtigen Entwurfs in der<br />
Möglichkeit seines Seins stehend - aus der Verlorenheit in das Man sich zu ihm<br />
selbst zurückholen soll, das heißt 2<br />
schuldig ist. " Im Hören des Anrufs entwirft<br />
das Dasein sich auf "das eigenste eigentliche Schuldigseinkönnen" 3 , wird<br />
seiner eigensten Existenzmöglichkeiten hörig und hat sich selbst gewählt. "Mit<br />
dieser Wahl ermöglicht sich das Dasein sein eigenstes Schuldigsein, das dem<br />
Man-selbst verschlossen bleibt." 4<br />
Das Man-selbst wird auf das eigenste<br />
Schuldigsein des Selbst angerufen. Hierbei wird nicht das Gewissen gewählt,<br />
sondern die Wahl liegt im Verstehen des Rufes. "Gewählt wird das Gewissenhaben<br />
als Freisein für das eigenste Schuldigsein." 5<br />
Den Anruf verstehen heißt<br />
für Heidegger Gewissen-haben wollen. Da er dies nicht gleichsetzt mit dem<br />
Wollen eines "guten Gewissens", steht es weder im Zusammenhang mit<br />
faktischer Schuld noch mit einer Befreiung aus wesenhafter Schuld. " Das<br />
Gewissen-haben wollen ist vielmehr die ursprünglichste existenzielle<br />
Voraussetzung für die Möglichkeit des faktischen Schuldigwerdens."|1 Die<br />
einzige existenzielle Möglichkeit, "gut" zu sein, besteht dann in der Annahme<br />
von Gewissenlosigkeit in jedem faktischen Handeln, insofern sie faktische<br />
moralische Verschuldung nicht verhindert und immer schon auf "dem<br />
nichtigen Grunde eines nichtigen Entwerfens je schon im Mitsein mit Andern<br />
an ihnen schuldig geworden ist." 2<br />
Alle alltäglichen Gewissensauslegungen, mit<br />
denen Heidegger seine ontologische Analyse vergleicht, treffen das Phänomen<br />
nicht ganz. Seine Analyse legt die ontologischen Verwurzelungen frei. In ihr<br />
wird deutlich, daß allen Gewissensinterpretationen ein ursprüngliches schuldigsein<br />
zugrunde liegt. 3 7.4.<br />
2) ebd. S. 287.<br />
3) ebd. S. 287.<br />
4) ebd. S. 288.<br />
5) ebd. S. 288.<br />
2) ebd. S. 288.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ist; und dieses Nichtigsein führt zur Sorge, ist an sich aber dunkel. Mit<br />
Nichtigkeit meint Heidegger nicht Privation und Negation, sondern wiederum<br />
ursprüngliches Schuldigsein. Und " der vorrufende Rückruf des Gewissens gibt<br />
dem Dasein zu verstehen, dass es - nichtiger Grund seines nichtigen Entwurfs<br />
in der Möglichkeit seines Seins stehend - aus der Verlorenheit in das Man sich<br />
zu ihm selbst zurückholen soll, das heisst schuldig ist." 1<br />
Es kommt also zu<br />
einer Gewissensinterpretation, die nicht besagt, es sei notwendig, die<br />
Verfehlungen einzusehen und man habe sich durch Unterlassungen schuldig<br />
gemacht. Vielmehr geht<br />
zunächst schon immer in der Verfallenheit an das Man ist daß es sich seine<br />
Eigenthchkeit als Freisein für das eigenste Schuldigsein ermöghcht. Zu diesem<br />
eigensten Schuldigsein, das dem Man-selbst verschlossen bleibt, wird das<br />
Dasein aufgerufen im Gewissen. Das ursprüngliche Schuldigsein des Daseins<br />
ist ja der Boden für ein durch ein Nicht bestimmtes Sein, insofern das Nicht<br />
gutes" Gewissen haben wollen, noch die Pflege des Rufs mit dem eigenen Ich.<br />
Vielmehr ist einzig "Bereitschaft für das Angerufenwerden" notwendig. Das<br />
führt zur Aussage: " Das Gewissen-haben-wollen ist vielmehr die ursprüngliche<br />
existentielle Voraussetzung für die Möglichkeit des faktischen<br />
Schuldigwerdens. Rufverstehend lässt das Dasein das eigenste Salbst aus<br />
seinem gewählten Seinkönnen in sich handeln." 2<br />
Schuld ist also von Anfang<br />
an da, bevor gleichsam die moralische<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 309<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 316<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 309<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 187<br />
3) ebd. S. 289-295.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 187<br />
alltäglichen Gewissensauslegungen, mit denen Heidegger seine ontologische<br />
Analyse vergleicht, treffen das Phänomen nicht ganz. Seine Analyse legt die<br />
ontologischen Verwurzelungen frei. In ihr wird deutlich, daß allen<br />
Gewissensinterpretationen ein ursprüngliches schuldig-sein zugrunde liegt. 3 7.<br />
4. Auswertung " Die Gefahr des Menschen besteht nicht darin, daß er Verrat<br />
begeht wie Petrus, Königsmord wie Macbeth, oder daß er sich lieblos verhält<br />
wie wir alle oft; sondern vielmehr darin, daß er sich an sein System klammert,<br />
welches ihm als Gehäuse dient, daß er sich in einem Gebäude von Dogmen vor<br />
der Wahrheit versteckt, daß er sich einen Begriffspanzer anlegt - mit einem<br />
Wort, daß er 'unecht' wird, ein Opfer der Entfremdung." 4 - In diesen Sätzen<br />
Helmut Kuhns wird eine wesentliche Voraussetzung der Heideggerschen<br />
Gewissensauslegung deutlich: Nicht mehr die Differenz von gut und böse ist<br />
entscheidend für die Deutung l) ebd. S. 288. des Gewissens, sondern die<br />
Annahme, daß der Mensch ständig unter der Differenz von "eigentlichem<br />
Selbstsein" und "Verfallenheit an das Man" lebt. Das Gewissen als Ruf des<br />
Daseins zum eigentlichen Selbstsein hat nun bei Heidegger - und darin<br />
unterscheidet es sich im Grundsatz vom Kantischen Gewissensbegriff - nicht<br />
die Funktion der Vergewisserung über sich und sein Tun, sondern<br />
3) ebd. S. 289-295.<br />
4) Kuhn,Helmut: Die ontologische Bedeutung des Gewissens. In: Hochland. 62 (1970). Heft 5. S.<br />
400-416. hier: S. 415.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
auftritt, als das Heraufdämmern einer neuen Seinssprache, das ist bei den Die<br />
Voraussetzung der "existentialistischen " Gewissensauslegung läßt sich in drei<br />
Sätzen aussprechen. Der erste Satz: Die Gefahr des Menschen besteht nicht<br />
darin, daß er Verrat begeht wie Petrus, Königsmord wie Macbeth, oder daß er<br />
sich lieblos verhält wie wir alle oft; sondern vielmehr darin, daß er sich an ein<br />
System klammert, welches ihm als Gehäuse dient, daß er sich in einem Gebäude<br />
von Dogmen vor der Wahrheit versteckt, daß er sich einen Begriffspanzer<br />
anlegt - mit einem Wort, daß er "unecht" wird, ein Opfer der Entfremdung. Und<br />
all dem wird entgegengestellt die verzweifelte Echtheit, die bedenkenlose<br />
Entschlossenheit zum Selbstsein oder auch, mit futuristischer Wendung, zu der<br />
von aller Repression befreiten Neuen<br />
Trennung der Gegensätze ist gleichbedeutend mit schärferer Diskrimination,<br />
und diese stellt die conditio sine qua non jeder Erweiterung und Intensivierung<br />
des Bewußtseins dar." 88<br />
.".,_" A Der Gegensatz von Gut und Böse ist<br />
entscheidend für jede Ethik unc somit auch für das Gewissen. Wir wollen<br />
daher auch zu diesem Thema /ungs Gedanken beiziehen - "Die Idee von Gut<br />
und Böse ist. . .<br />
117 Kuhn, Helmut: Die ontologische Bedeutung des Gewi..., 1970, S. 415<br />
57 Spengler, Ernst: Das Gewissen bei Freud und Jung. Mi..., 1964, S. 58<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 189<br />
auf andere Seinsformen beinhalten. Zum anderen wird vor allem auf die<br />
ständige Gefahr des Menschen, sich selbst zu verlieren, aufmerksam gemacht.<br />
Es stellt sich die Frage, ob man vom Verfallensein an das Man sprechen muß, "<br />
um zu verstehen, wie die öffentliche Meinung das Gewissens des einzelnen '<br />
auslöschen' kann?" 1<br />
In der Umschreibung all dessen, was Heidegger als<br />
Anzeichen für die Verfallenheit an das Man wertet, stellen sich sicher Zweifel<br />
ein an seiner radikalen Ansicht, " sowohl das feige und falsche<br />
Zufriedenseinwollen, wie das Vor-Gott-bestehen-wollen" 2<br />
dazu zu rechnen,<br />
also jeglichen Versuch des Einklangs eigenen Tuns mit ausserhalb des<br />
einzelnen liegenden, von ihm anerkannten Maßstäben und Autoritäten negativ<br />
zu werten. Damit scheint Heidegger die Eingebundenheit und Verwiesenheit<br />
des einzelnen in und<br />
1) Hollenbach,Johannes M.: Sein und Gewissen. Baden-Baden 1954. S.323.<br />
2) ebd. S. 324.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ruhiges Gewissen", wenn man sich den Normen und Ordnungen, die für alle<br />
gelten, unterwirft. Bedarf es wirklich eines Verfallenseins an das Man als<br />
gleichursprünglichen Existenzials, um zu verstehen, wie die öffentliche<br />
Meinung das Gewissen des einzelnen "auslöschen" kann? Schon das Gewissen<br />
selbst weiß 71. SZ 295 72. SZ 295/296 21" 324 SINNERFÜLLUNQ VON SEIN<br />
UND GEWISSEN ja zu unterscheiden, wann ich aus Feigheit "mit<br />
heule" und so gegen mein Gewissen handle, und wann ich aus Überzeugung<br />
mich nach jenen Normen richte, die tatsächlich für ahe gelten. Heidegger aber<br />
deutet sowohl das feige und falsche Zufriedenseinwollen wie das Vor-Gottbestehen-wollen<br />
in Verfallenheit an das Man um. Wer jetzt im Sinne dieser<br />
Philosophie nach festen Normen handelt, der müßte eigenthch ein schlechtes<br />
Gewissen haben, weil er<br />
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23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 322<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 323<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 197<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Handeln der autonomen Person aus Selbsteinsicht und Selbstkompetenz. Bei<br />
solchem Entscheiden und Handeln tritt das Phänomen Gewissen in den<br />
kam es zu dieser "Anlage"? Wie hat sich diese Gewissenspedanterie festgenagt?<br />
Vordergrund. 8.3. Das Gewissen als Seimograph selbstkompetenten Handelns<br />
Ein intaktes Gewissen, so wird von vornherein klar, ist nicht einfach eine "<br />
und Träger humaner Prinzipien Heinrich Roth beschreibt das Gewissen "als ein<br />
Eigenschaft-, sondern ein lebendiges seelisches Organ, das im Spannungsfeld<br />
lebendiges seelisches Organ, das im Spannungsfeld des Gleichgewichts der<br />
des Gleichgewichts der Kräfte und Fähigkeiten einer Person steht. Wenden wir<br />
Kräfte und Fähigkeiten einer Person steht" 2 . In Anwendung des von Aristoteles<br />
das von Aristoteles entdeckte und neuerdings von N. Hartmann fortentwickelte<br />
entdeckten und von N. Hartmann fortentwickelten "Wertequadrates" auf das<br />
"Wertequadrat" auf das Gewissen an, so ergibt sich folgendes Bild: Zur<br />
Gewissen kommt er zu folgendem Bild 1 : intaktes Gewissen<br />
pädagogischen Psychologie des Gewissens und der Gewissenserziehung 231<br />
Gewissenhaftigkeit - Weitherzigkeit (als verstehende Güte auch sich selbst<br />
intaktes Gewissen Gewissenhaftigkeit Weitherzigkeit (als verstehende<br />
gegenüber) Übergewissenhaftigkeit (skrupelhaft) - Gewissenlosigkeit (<br />
Güte auch sich selbst gegenüber Übergewissenhaftigkeit (skrupelhaft)<br />
Skrupellosigkeit) Danach ist das intakte Gewissen die "rechte Mitte" zwischen<br />
Gewissenlosigkeit (Skrupellosigkeit) Das intakte Gewissen wäre dann die<br />
Gewissenhaftigkeit, die zur Übergewissenhaftigkeit entarten kann und<br />
rechte Mitte zwischen Gewissenhaftigkeit, die zur Übergewissenhaftigkeit<br />
Weitherzigkeit sich selbst gegenüber, die zur Gewissenlosigkeit führen kann.<br />
entarten kann, und Weitherzigkeit *, die zur Gewissenlosigkeit entarten kann.<br />
Vom intakten Gewissen wird erwartet, daß es seismographisch empfindlich und<br />
Es bleibt nur intakt, wenn es in diesem Spannungsfeld möglicher<br />
spontan in bezug auf das Entscheiden und Handeln des einzelnen reagiert auf<br />
Verhaltensweisen nicht absolut gesetzt wird, sondern in der Spannung zu<br />
dem Hintergrund eines gesunden seelischen Gleichgewichts. Es soll<br />
individuelles Verhalten produktiv auf die höchstmögliche Form individueller fühlte er sich von einem verpflichtenden Anspruch gerufen, noch trieb ihn eine<br />
Handlungsmöglichkeiten beziehen und an ihr messen und den einzelnen zum Stimme zur Umkehr, Reue, Buße. Von einem gesunden Gewissen erwarten wir,<br />
rechten Verhalten oder zur Wiedergutmachung seines Versagens vor einer Norm daß es 1. auf dem Hintergrund eines gesunden seelischen Gleichgewichts (<br />
antreiben. 2 Alles Reden über das siehe Wertequadrat) 2. mein Verhalten produktiv auf die höchstmögliche Form<br />
meiner Handlungsmöglichkeiten bezieht und an ihr mißt, 3. mich zur<br />
2) ders.: Zum Problem der Gewissensbildung und Gewissenserziehung. In: ders.: Jugend und<br />
Schule zwischen Reform und Restauration. Hannover 1965. S.241-279. hier: S. 243. Wiedergutmachung meines Versagens vor dieser Norm heftig<br />
1) ebd. S. 243.<br />
2) ebd. S. 244.<br />
109 Roth, Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des G..., 1957, S. 2<br />
109 Roth, Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des G..., 1957, S. 3<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 198<br />
und Gewissen. Gemeinsam ist ihnen: ein unmittelbares Agieren und Reagieren,<br />
das ohne bewußtes Zutun erfolgt. "Es sind 'Stimmen', die sich von selbst melden<br />
." Sie kommen "aus der Tiefe der Person" aus dem Bereich des Unbewußten. "<br />
Wir können sie nicht willkürlich wollen, sondern sie haben uns, überkommen<br />
uns, überwältigen uns. " Schließlich sind beide häufig mit leiblichen Vorgängen<br />
wie Herzklopfen, Erröten u.a. verbunden. 1<br />
Unterschiedlich sind beide in dem,<br />
worauf sie sich beziehen: Während die Gefühle auf die vitalen<br />
Triebbedürfnisse des Menschen bezogen sind, sie rein subjektives Innewerden<br />
der Erfüllung oder Nichterfüllung unserer Bedürfnisse, Antriebe oder<br />
Interessen darstellen, zeigt das Gewissen die Erfüllung oder Nichterfüllung<br />
objektiver sittlicher Verpflichtungenan. 2<br />
Diese sittlichen Verpflichtungen sind<br />
nach Roth solche Forderungen und Ansprüche, wie sie im Gebot der<br />
Nächstenliebe und in den Ideen der Gerechtigkeit, Ordnung, Freiheit und<br />
anderer moralischer Ideen der Menschheit an den einzelnen herantreten. Die<br />
Entwicklung des Gewissens hat nach Roth zwei Wurzeln: Zum einen spiegelt<br />
sich im Gewissen des Kindes die Wertewelt seiner Erzieher wider. Das<br />
Gewissen reagiert auf den Umgang des Kindes mit Geboten und Verboten<br />
seiner Erzieher. Darüberhinaus sucht Roth aber vor allem eine Wurzel für die<br />
Entfaltung des Gewissens, woraus verständlich wird, wieso einerseits eine<br />
Übertragung des elterlichen Gewissens auf das Kind möglich ist und<br />
andererseits im Kind doch die Tendenz zu einem selbständigen Gewissen<br />
erwacht, das sich auch gegen Autoritäten entscheiden kann. Eine solche Wurzel<br />
liegt nach Roth in der normenproduzierenden Seite des menschlichen Wesens 3<br />
. Der Ursprung menschlicher Normenproduktion liegt dabei in dauernden<br />
Vorwegentwürfen von Handlungen. Der Mensch steht latent im<br />
Spannungsgefälle zwischen seinen Entwürfen und seinen Taten. Jeder Entwurf,<br />
den er auf Zukunft hin entwickelt, wirkt sich auf sein Handeln normativ aus.<br />
Das Gewissen erscheint hierbei als "das Erlebnis der Diskrepanz zwischen<br />
Entwurf und Tat" 1 , bzw. als das Gefühl der Antinomie des individuellen<br />
Lebens und der imperativen und in diesem Fall selbstproduzierten Norm. 2 8.4.<br />
Auswertung Heinrich Roth verbindet in seinem Konzept die Erkenntnis<br />
menschlicher Lernbedürftigkeit und daraus erwachsender, in allen Bereichen<br />
der Entwicklung notwendiger Lernprozesse mit dem Bekenntnis zum Menschen<br />
als autonomer, sittlicher<br />
1) ders.: Zur pädagogischen Psychologie des Gewissens und der Gewissenserziehung. In:<br />
Jahrbuch für Psychologie und Psychotherapie. 4 (1956). Heft 3/4. S. 229-248. hier: S.233.<br />
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die sich von selbst melden. 2. Beide kommen aus der Tiefe unserer Person, dem<br />
Es, aus dem Bereich der schwer-zugänglichen unterbewußten und unbewußten<br />
seelischen Vorgänge. Wir können sie nicht willkürlich wollen, sondern sie<br />
haben uns, überkommen uns, überwältigen uns. 3. Beide sind oft mit leiblichen<br />
Vorgängen verknüpft wie Herzklopfen, Erröten, Schweißausbruch,<br />
motorischer Unruhe und dergleichen. Der Unterschied liegt in der Bezogenheit<br />
beider. Die Gefühle sind<br />
Kruegers (15). Das Gewissen zeigt uns nicht die Erfüllung oder Nichterfüllung<br />
unserer subjektiven Triebbedürfnisse an, sondern unserer objektiven sittlichen<br />
Verpflichtungen an, d. h. die , Erfüllung oder Nichterfüllung solcher<br />
Forderungen und Ansprüche, wie sie im Gebot der Nächstenliebe, in der<br />
Forderung nach Gerechtigkeit, Ordnung, Freiheit und anderem an uns<br />
herantreten Gewissen wäre demnach sozusagen ein für das Anzeigen der<br />
Erfüllung oder Nichterfüllung geistiger<br />
Bedürfnisse und ihre Gleichgewichtsnormen, beziehbar sind. Wir suchen vor<br />
allem eine Wurzel für das Entstehen und die Entfaltung des Gewissens, die<br />
sowohl verständlich macht, wieso eine Übertragung des elterlichen Gewissens<br />
auf das Kind überhaupt möglich ist und wieso doch andererseits im Kind eine<br />
Tendenz erwacht, ein selbständiges Gewissen zu entwickeln, das sich auch<br />
gegen die "Autoritäten" zu entscheiden<br />
des Ichs umfassende Idealbild allerdings auf die Antizipation einzelner<br />
Handlungen zurückgeführt werden kann, wie dies Roth (1957, 241 f.) unter<br />
Berufung und Sganzini meint, und damit das Gewissen als das Erlebnis der<br />
Diskrepanz zwischen Entwurf und Tat bezeichnet werden kann, soll hier nicht<br />
weiter untersucht werden. Bezogen auf die bereits introzipierten heteronomen<br />
Normen sind alle Lösungsformen möglich. Dank positiver Erfahrungen und<br />
eigener<br />
hinter sich zurück ist. Er wäre das Wesen, das sich dauernd - auch vor sich<br />
selbst - verantworten muß. Und G ewissen wäre dann, wie Häberlin einmal<br />
formuliert, " das Gefühl der Antinomie des individuellen Lebens und - der<br />
imperativen Norm", in diesem Fall: der dauernd von uns selbst produzierten<br />
109 Roth, Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des G..., 1957, S. 2<br />
109 Roth, Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des G..., 1957, S. 241<br />
35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in ju..., 1970, S. 62<br />
109 Roth, Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des G..., 1957, S. 242<br />
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2) ebd. S. 233.<br />
3) Roth verweist hierzu auf den Schweizer Pädagogen und Psychologen Carlo Sganzini:<br />
Ursprung und Wirklichkeit. Stuttgart 1951.<br />
1) Roth,Heinrich: Zum Problem der Gewissensbildung und Gewissenserziehung. S. 268.<br />
2) ebd. S. 269.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 204<br />
kopernikanische Wende" in der Pädagogik: das individuelle Du des Kindes ist<br />
nun Bezugspunkt aller pädagogischen Verantwortung. Unvollständig bleibt<br />
aber noch die Erklärung dieses Du. Nohl sucht es allein aus der eigenen<br />
schöpferischen Lebenswelt des Kindes zu verstehen und zu entwickeln, " nicht<br />
zugleich ... in seiner Auseinandersetzung mit dem 'Andern' der<br />
Erwachsenenwelt" 1 . Diese häufig vernachlässigte Einbeziehung der objektiven<br />
Welt in die Entwicklung des individuellen Du, die vor allem in der<br />
Reformpädagogik herausgestellte Antinomie zwischen subjektiven<br />
Bedürfnissen und objektiven Anforderungen versucht Derbolav zu überwinden,<br />
indem er den Bildungsprozeß<br />
1) Derbolav,Josef: Problem und Aufgabe einer pädagogischen Anthropologie. In: ders.:<br />
Systematische Perspektiven der Pädagogik. Heidelberg 1971. S. 22-51. hier: S. 22.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
pädagogischen Verantwortung aufgewiesen und damit eine entscheidende<br />
Voraussetzung des pädagogischen Denkens freigelegt. Er sucht dieses Du des<br />
Kindes aber noch aus dessen eigener schöpferischer Lebenswelt zu verstehen<br />
und zu entwickeln, nicht zugleich und auf dieses "zugleich" kommt alles an,<br />
ein " nebeneinander" bleibt hier notgedrungen ein "gegeneinander" - in seiner<br />
Auseinandersetzung mit dem "Andern" der Erwachsenenwelt zu "begreifen".<br />
Flitner bemüht sich daher, den Sinn der pädagogischen Verantwortung<br />
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118 Derbolav, Josef: Systematische Perspektiv der Pädagogik, 1971, S. 27<br />
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individuellen Du, die vor allem in der Reformpädagogik herausgestellte<br />
Antinomie zwischen subjektiven Bedürfnissen und objektiven Anforderungen<br />
versucht Derbolav zu überwinden, indem er den Bildungsprozeß als dialektisch<br />
strukturiert beschreibt. Darin wird das "Andere" als die Gesamtheit der Naturund<br />
Geisteswelt, in die das Kind hineingeboren wird und hineinlebt zur<br />
dialektischen Voraussetzung des Selbst, zum Horizont des "objektiven Geistes"<br />
erklärt. Das Kind muß diesen "objektiven Geist" in seiner natürlichen und<br />
geschichtlichen Erscheinungsform sachlich verstehen, ihn sinnhaft begreifen<br />
lernen und<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
beschreibt die dialektische Struktur der Bildungsbewegung mit der<br />
philosophischen Formel Hegels vom "Im-Andern-zu-sich-sel-ber-Kommen". 2<br />
Das "Andere" bezeichnet dabei das Insgesamt der Natur- und Geisteswelt, in<br />
die das menschliche Individuum hineingeboren wird, die ihm deshalb sowohl<br />
vor- als auch aufgegeben ist. Damit ist die völlige Inhaltsleere des<br />
Bildungsbegriffs der geisteswissenschaftlichen Pädagogik aber bereits<br />
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12.01.2014<br />
229<br />
119 Merkert, Rainald: Didaktik und Fachdidaktik Religion, 1979, S. 67<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 204<br />
des Selbst, zum Horizont des "objektiven Geistes" erklärt. Das Kind muß<br />
diesen "objektiven Geist" in seiner natürlichen und geschichtlichen<br />
Erscheinungsform sachlich verstehen, ihn sinnhaft begreifen lernen und sich in<br />
ihm zur verantwortlich handelnden Individualität emporarbeiten. Bildung stellt<br />
sich demnach dar als " die Vermittlung des 'Selbst' im oder über das 'Andere',<br />
wobei das Selbst dem Erzieher als das je bestimmte Du und Individuum, das<br />
Andere als die je bestimmten Objektivationen, Wissens- und Kulturbereiche<br />
gegeben bzw. aufgegeben sind" 2 . Derbolav faßt die Struktur der<br />
Bildungsbewegung kurz in die Hegelsche Formel: "Im-Andern-zu-sich-selberkommen".<br />
3<br />
Ihre Vollendung findet die Vermittlungsbewegung in der<br />
Erschließung der im Sachwissen untergegangenen Sinn- und Sollensgehalte,<br />
die wiederum als situationsspezifische Beweggründe des Handelns dem<br />
Individuum zur Bewährung aufgegeben sind. Entscheidend ist nicht mehr der<br />
wissende, sondern der handelnde Mensch, " genauer: das Gewissen selbst ist<br />
das Bezugssystem dieses Bildungsmodells" 4<br />
Im Vordergrund pädagogischer<br />
Verantwortung steht nicht mehr die Verteidigung des Kindesrechtes gegenüber<br />
Kulturansprüchen. Vielmehr erwächst aus der Erkenntnis, daß sich das<br />
individuelle Du des Kindes nur in der Auseinandersetzung mit den Gehalten,<br />
Forderungen und Ansprüchen der Kultur- und Normenwelt entwickeln kann<br />
die Notwendigkeit, das Kind über den Sachverstand zum Sinnbegreifen zu<br />
führen. 1<br />
In dem Maße, in dem der Heranwachsende sich den Ansprüchen der<br />
geistigen Welt erschließt und ihnen zu entsprechen lernt, "<br />
9% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
das vorgegebene "Andere" mit seiner Inhaltlichkeit ist ja "ebenso<br />
unvertauschbar ein bestimmtes Allgemeines, wie das individuelle, in der<br />
Erziehung angesprochene 'Du' ein bestimmtes Du ist." 3<br />
Bildung stellt sich<br />
demnach dar als " die Vermittlung des 'Selbst' im oder über das 'Andere', wobei<br />
das Selbst dem Erzieher als das je bestimmte Du und Individuum, das andere<br />
als die je bestimmten geistigen Objektivationen, Wissens- und Kulturbereiche<br />
gegeben beziehungsweise aufgegeben sind". 4<br />
Derbolav veranschaulicht dieses<br />
dialektische Bildungsmodell am Beispiel des Spracherwerbs. Die Sprache ist<br />
jedem Menschen vorgegeben, und<br />
Selbst" im oder über das "Andere", wobei das Selbst dem Erzieher als das je<br />
bestimmte Du und Individuum! das Andere als die je bestimmten geistigen<br />
Objektivationen, Wissens- und Kulturbereiche gegeben bzw. aufgegeben sind.<br />
Schön demonstrieren läßt sich dieses dialektische Verhältnis am<br />
Primärstadium aller Bildung, das zugleich exemplarisch für alle weiteren<br />
Bildungsstufen und -Vorgänge eintreten kann; am unmittelbaren Erwerb<br />
und je zur Bewährung aufgegeben sind. So verstanden umschreiben sie<br />
gewissermaßen den vermittelten Inhalt ihrer Verantwortung. - Entscheidend<br />
dabei ist: nicht mehr der wissende oder erlebniserweckte, sondern der<br />
handelnde Mensch, genauer: das Gewissen 13 selber ist das Bezugsystem<br />
dieses Bildungsmodells: wie sehr es jedes bloß funktionelle<br />
Bildungsverständnis hinter sich läßt, zeigt sich vor allem darin, daß ihm die<br />
alte<br />
Du sich gar nicht anders in seinen je persönlichen Möglichkeiten verwirklichen,<br />
gar nicht anders es selber werden kann als in der ebenso geführten wie<br />
eigenständigen Auseinandersetzung mit den Gehalten, Forderungen und<br />
Ansprüchen eben jener Kultur- und Normenwelt. Dem "pädagogischen Wohl"<br />
des Kindes (seiner zu verwirklichenden "Bestimmung" also) ist somit am<br />
besten gedient, ja kann überhaupt nicht anders<br />
Wissen um sie zum Vernehmen ihrer distinkten Ansprüche emporarbeitet. In<br />
119 Merkert, Rainald: Didaktik und Fachdidaktik Religion, 1979, S. 67<br />
118 Derbolav, Josef: Systematische Perspektiv der Pädagogik, 1971, S. 33<br />
118 Derbolav, Josef: Systematische Perspektiv der Pädagogik, 1971, S. 29<br />
118 Derbolav, Josef: Systematische Perspektiv der Pädagogik, 1971, S. 30<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 205<br />
tritt er seiner Welt vernünftig und verantwortlich gegenüber, setzt sich von ihr<br />
frei und verbindet sich ihr zugleich, gewinnt er sein persönliches Selbst und<br />
konstituiert sich als Individualität" 2 . 9.3. Wissen und Gewissen Im Rahmen<br />
seiner wissenschaftstheoretischen Grundlegung der Didaktik versucht Derbolav<br />
die Personalisation des Heranwachsenden in einem Reflexionsstufenmodell zu<br />
verdeutlichen: Danach kommt der Zögling zu sich selbst und damit nach<br />
Derbolav zu einem individuell<br />
2) ebd. S. 33.<br />
3) Derbolav,Josef: Versuch einer wissenschaftstheoretischen Grundlegung der Didaktik. In: ders.:<br />
Systematische Perspektiven der Pädagogik. Heidelberg 1971. S. 66-93. hier: S. 71.<br />
4) Derbolav,Josef: Problem und Aufgabe einer pädagogischen Anthropologie. S. 29.<br />
1) ebd. S. 30.<br />
2) Derbolav, Josef: Versuch einer wissenschaftstheoretischen Grundlegung der Didaktik. S. 71.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Art und dem Maße, wie er sich diesen Ansprüchen erschließt und ihnen<br />
entsprechen lernt, tritt er seiner Welt vernünftig und verantwortlich gegenüber,<br />
setzt er sich von ihr frei und verbindet sich ihr zugleich, gewinnt er sein<br />
persönliches Selbst und konstituiert sich als Individualität. Für unseren<br />
thematischen Zusammenhang muß hier festgehalten werden: in jenem<br />
Auseinandersetzungsprozeß, den wir als Bildung charakterisiert haben, geht die<br />
Erfahrung der Welt als Feld<br />
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118 Derbolav, Josef: Systematische Perspektiv der Pädagogik, 1971, S. 71<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 205<br />
nach Derbolav zu einem individuell strukturierten Gewissen im Vollzug dreier<br />
aufeinanderfolgender Stufen geistiger Aktivität: Auf der ersten Stufe ist die<br />
Beziehung zwischen Kind und Welt geprägt durch den unmittelbar-praktischen<br />
Umgang des Kindes mit den herrschenden Ordnungen von Sprache, Kultur,<br />
Sitte, Religion u.a.. In diesem Stadium noch unkritischen Vertrauens zu Eltern<br />
und Erziehern ist das Kind mit den es umgebenden Ordnungen gleichsam<br />
verflochten. Mit dem Was der Dinge erfährt es zugleich ihr Wozu und Wofür<br />
. Erziehung und Bildung<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
das heißt zu einem individuell strukturierten Gewissen. Auf der ersten Stufe der<br />
"Umgangserfahrung" ist der Heranwachsende unmittelbar-praktisch auf seine<br />
Welt und die in ihr herrschenden Ordnungen von Sprache, Kultur, Sitte,<br />
Religion bezogen, ist mit ihr verflochten und in sie "gleichsam hineingebunden"<br />
. Mit dem Was der Dinge erfährt er zugleich ihr Wozu und Wofür, Wissen und<br />
Gewissen<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 205<br />
Eltern und Erziehern ist das Kind mit den es umgebenden Ordnungen<br />
gleichsam verflochten. Mit dem Was der Dinge erfährt es zugleich ihr Wozu<br />
und Wofür. Erziehung und Bildung sind Momente der einen und "heilen"<br />
Bildungswirklichkeit. Wissen und Gewissen bilden noch eine ungeschiedene<br />
Einheit, insofern das Wissendwerden unmittelbar der Gewissenserschließung<br />
zugute kommt. 3<br />
Mit dem Erwachen des Verstandes zerbricht in der zweiten<br />
Stufe die Einheit von Wissen und Gewissen Erkennen und Handeln fallen<br />
auseinander, die Wirklichkeit wird zu erforschendes Objekt. Anstelle von "<br />
Wahrheit" tritt die Richtigkeit des Wissens. Der Anspruch der Wirklichkeit ist<br />
reduziert auf die empirische Erkenntnis. Geistige Auseinandersetzung richtet<br />
sich allein auf den Gewinn objektiver Erkenntnis. Im Vordergrund steht<br />
3) ebd. S. 69.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Kultur, Sitte, Religion bezogen, ist mit ihr verflochten und in sie "gleichsam<br />
hineingebunden". Mit dem Was der Dinge erfährt er zugleich ihr Wozu und<br />
Wofür, Wissen und Gewissen bilden noch eine ungeschiedene Einheit. Auf<br />
dieser Stufe bewegt sich der Mensch, solange er noch im unkritischen<br />
Vertrauen zu Eltern und Erziehern lebt, also noch nicht zu kritischem Denken<br />
erwacht<br />
Einheit von Wissen und Gewissen, und zwar zerbricht sie notwendigerweise.<br />
Der kritische Verstand erwacht und tritt in Distanz zur Welt, macht sie zu<br />
seinem Objekt. Erkennen und Handeln fallen auseinander, die Wirklichkeit,<br />
auch jene von Sitte und Religion, wird Gegenstand der Erforschung und damit<br />
der positiven Wissenschaft. Die "Wahrheit" wird durch die Richtigkeit des<br />
Wissens ersetzt, der "<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 206<br />
steht der Sachverstand, nach dem Wozu erworbenen Wissens wird nicht<br />
gefragt. 1<br />
Indem eine solch theoretische Haltung Einzug in die Schule hält,<br />
fallen Wissendwerden und Gewissenserschließung nicht nur auseinander,<br />
sondern treten bald in antinomischer Entgegensetzung auf, " die Erziehung lebt<br />
aus der persönlichen Zuwendung zum Kinde und seinem Gewissen, der<br />
Unterricht von der Hinwendung zur Sache und ihrer Erkenntnis, in deren<br />
Auftrag der Erzieher nunmehr zum Lehrer wird." 2<br />
Im dritten Reflexionsschritt<br />
muß die ursprüngliche Einheit von Sachbezug und pädagogischem Bezug, von<br />
Wissensvermittlung und Gewissenserschließung wiederhergestellt werden. Es<br />
gilt zu erkennen, daß die Umsetzung erworbenen Wissens nicht willkürlich<br />
erfolgen darf, sondern verantwortet werden muß, d.h.<br />
1) "Die Sollensbestimmungen, die ursprünglich zugleich mit den Gegebenheiten der<br />
Wirklichkeit erfahren und befolgt werden, kommen dem Sachverstand nicht mehr in den<br />
Blick" (Merkert, Rainald/Simon,Werner: Didaktik und Fachdidaktik Religion. S. 72.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wurden, kommen dem Sachverstand nicht mehr in den Blick. Der Einzug<br />
dieser theoretischen Haltung in die Schule bedeutet, daß auch hier<br />
Wissendwerden und Gewissenserschließung auseinanderfallen: " Die<br />
Erziehung lebt aus der persönlichen Zuwendung zum Kinde und seinem<br />
Gewissen, der Unterricht von der Hinwendung zur Sache und ihrer Erkenntnis,<br />
in deren Auftrag der Erzieher nunmehr zum Lehrer wird." 15<br />
Da das Wissen nun<br />
aber einen nur instrumenteilen Charakter hat, also zu diesem oder jenem Zweck<br />
beliebig einsetzbar ist, das Gesetz seiner sittlichen Anwendung nicht<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
234<br />
2) Derbolav,Josef: a.a.O. S. 69. Bei zunehmender Komplizierung der Gesellschaft und<br />
Verwissenschaftlichung unseres Welt- und Lebensverhältnisses verstärkt sich der Aspekt von<br />
Wissen und Erkennen und besteht die Gefahr seiner Verselbständigung aus dem<br />
erzieherischen Bereich.<br />
119 Merkert, Rainald: Didaktik und Fachdidaktik Religion, 1979, S. 71<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 206<br />
Gewissen Sinn- und Sollensgehalte erschlossen werden, stellt sich die Frage<br />
nach Herkunft und Begründung solcher normativer Strukturen. Derbolav<br />
verweist hierzu auf die sogenannten Bildungskategorien als den in<br />
Wissenschaften und einzelnen Sachverhalten vorausgesetzten<br />
bereichsspezifischen Normstrukturen bzw. Sollensgehalten, die sich das Selbst<br />
im Bildungsgespräch erarbeitet. 3<br />
Das Gewissen ist danach der Resonanzboden<br />
für die Ansprüche dessen, was dem einzelnen in den verschiedenen<br />
Erfahrungsfeldern des Welthabens begegnet und zur Auseinandersetzung und<br />
Aufarbeitung zwingt. Ein gebildetes Gewissen meint die Aufgeschlossenheit<br />
für diese Ansprüche. Das Prinzip, in dem solche Erfahrungen organisiert sind,<br />
ist die Bildungskategorie. Dies bedeutet am Beispiel der Gerechtigkeit Sie ist<br />
weder eine objektive Qualität des positiven Rechts noch Anlage menschlichen<br />
Charakters, aber Bedingung für beides: für gerechtes Recht und gerechte<br />
Gesinnung, d.h. Gerechtigkeit ist die organisierende Kategorie aller<br />
Rechtserfahrung, Rechtserziehung und politischen Bildung. Sie ist das<br />
erkenntnisleitende Interesse, das nicht von Willkür geprägt ist, sondern als<br />
Anspruch im Sachbereich "Recht" erfahrbar ist. Derbolav hat in zweifacher<br />
Weise versucht, das Phänomen "Bildungskategorie" zu erklären: "<br />
21% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wie aus dem rechten Wissen das rechte Gewissen erwächst es ist die Frage nach<br />
den "Bildungskategorien" als den "in den Sachgehalten vorausgesetzten<br />
bereichsspezifischen Normstrukturen oder Sollensgehalten, die sich das Selbst<br />
im Bildungsgespräch erarbeitet und in denen es sich zugleich in Gestalt eines<br />
bestimmten Verantwortungshorizontes individuell strukturiert"19. Etwas<br />
anderes akzentuierend wirken Begriffe wie "Mündigkeit" und "Reife", wobei<br />
dieser nicht<br />
als die Akkumulation jener sittlich-humanen Grundattitüden, die den<br />
Weltbezug des reifen Menschen konstituieren. Im Bereich der Didaktik aber ist<br />
Gewissen gewiß nichts anderes als der Resonanzboden für die Ansprüche<br />
dessen, was uns in den verschiedenen Erfahrungsfeldern unseres Wclthabens<br />
begegnet und zur Auseinandersetzung und Aufarbeitung zwingt. Das können<br />
Erfahrungen religiöser, ästhetischer, aber aud, moralischer und politischer<br />
Natur<br />
modifiziert. Gewissen - oder wie immer es umschrieben wird - ist "nichts<br />
anderes als der Resonanzboden für die Ansprüche dessen, was uns in den<br />
verschiedenen Erfahrungsfeldern unseres Welthabens begegnet und zur<br />
Auseinandersetzung und Aufarbeitung zwingt. Das können Erfahrungen<br />
religiöser, ästhetischer, aber auch moralischer und politischer Natur sein ... Ein<br />
gebildetes Gewissen heißt für mich soviel wie 'Erschlos-senheit für den Sinn<br />
gleichfalls der zwischenmenschlichen Kommunikation entnommen, nämlich<br />
der Sphäre des Rechts und des rechtlichen Handelns, das seine Begründung in<br />
der Kategorie der Gerechtigkeit erhält. Diese Kategorie ist weder eine<br />
objektive Qualität des positiven Rechts noch eine Anlage des menschlichen<br />
Charakters, und doch die Bedingung der Möglichkeit für beides: für ein<br />
gerechtes Recht und für eine gerechte Gesinnung. So verstanden ist<br />
menschlichen Charakters, und doch ist sie die Bedingung der Möglichkeit für<br />
beides: für ein gerechtes Recht und für eine gerechte Gesinnung. "So<br />
verstanden ist sie die organisierende Kategorie aller Rechtserfahrung,<br />
Rechtserziehung und politischer Bildung ... In ähnlicher Weise ließen sich die<br />
didaktischen Bezüge zu anderen Welt- und Erfahrungsbereichen<br />
28 Wehle, Gerhard: Person und Erziehung. Zur Stellung ..., 1966, S. 73<br />
118 Derbolav, Josef: Systematische Perspektiv der Pädagogik, 1971, S. 112<br />
119 Merkert, Rainald: Didaktik und Fachdidaktik Religion, 1979, S. 75<br />
118 Derbolav, Josef: Systematische Perspektiv der Pädagogik, 1971, S. 113<br />
119 Merkert, Rainald: Didaktik und Fachdidaktik Religion, 1979, S. 76<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 207<br />
Wenn ich früher die Bildungskategorien auf die normativen Voraussetzungen<br />
der Wissenschaftsaspekte bezogen habe - was dann dazu geführt hat, daß<br />
solche Voraussetzungen bei den Erkenntniswissenschaften überhaupt bestritten<br />
wurden -, so würde ich heute im Habermaschen Sprachgebrauch lieber von<br />
erkenntnisleitenden Interessen reden, die freilich nicht der Willkür des<br />
Erkenntniszugriffs entspringen, sondern von den spezifischen<br />
Erfahrungsansprüchen der Einzelaspekte her provoziert werden." 1<br />
Damit<br />
verlagert er jedoch nur das Problem von der Frage, was die normativen<br />
Voraussetzungen der Wissenschaftsaspekte seien hin zu dem nicht weniger<br />
schwierigen Problem, die erkenntnisleitenden Interessen, die als Ansprüche aus<br />
den jeweiligen Sachbereichen erfahrbar<br />
3) Merkert,Rainald/Simon,Werner: a.a.O. S.75.<br />
1) Derbolav,Josef: Systematische Perspektiven der Pädagogik. Heidelberg 1971. S. 113f.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
bildungskategorial interpretieren." In einer Hinsicht allerdings hat Derbolav<br />
seine Position modifiziert: " Wenn ich früher die Bildungskategorien auf die<br />
normativen Voraussetzungen der Wissenschaftsaspekte bezogen habe - was<br />
dann dazu geführt hat, daß solche Voraussetzungen bei den<br />
Erkenntniswissenschaften überhaupt bestritten wurden -, so würde ich heute im<br />
Habermasschen Sprachgebrauch lieber von erkenntnisleitenden Interessen<br />
reden, die freilich nicht der Willkür des Erkenntniszugriffs entspringen,<br />
sondern von den spezifischen Erfahrungsansprüchen der Einzelaspekte her<br />
provoziert werden." 25 2. Der Ertrag des Entwurfs Es liegt auf der Hand, daß<br />
dieser bildungstheoretische Entwurf nicht auf pädagogische<br />
Augenblicksinteressen hin konzipiert ist. Sosehr er auch für diese<br />
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119 Merkert, Rainald: Didaktik und Fachdidaktik Religion, 1979, S. 76<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 208<br />
ehemaligen Assistenten Franz Fischer, der sich um die Erarbeitung der<br />
Bildungskategorien bemüht hat, läßt vermuten, was damit -auf sehr abstrakter<br />
Ebene- gemeint sein könnte: Er geht davon aus, daß die Einzelwissenschaften<br />
Erkenntnisse verschiedener Wirklichkeitsbereiche vermitteln, " die für sich<br />
genommen noch keinen Bildungssinn erfüllen und die daher den Menschen in<br />
dem, was er tut und wird, nicht unmittelbar bestimmen können." 1<br />
Die in den<br />
Einzelwissenschaften wiedergegebenen Seinsverhalte sind keine<br />
Sollensverhalte, insofern sie nie die konkrete Situationen der sich der einzelne<br />
befindet, ganz fassen können, " sondern sie zwar stets 'meinen', sobald sie aber '<br />
sagen', sie stets nur in ihren Beziehungen zu anderen 'Situationsgegebenheiten'<br />
erkennbar machen können." 2<br />
So versucht Fischer nachzuweisen, daß der<br />
Bildungssinn einerseits in jeder Sinnvermittlung impliziert ist und "<br />
andererseits sich selbst erst aus deren Grenze als Sinn des Sinnes erschließt." 3<br />
Die Kategorien des Bildungssinnes wertet er als die Bedingungen der<br />
Möglichkeit der Bildung des Menschen zum Menschen, insofern sie ihm<br />
ermöglichen, "<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik XIII I HALBJAHRESBERICHTE AN DIE<br />
DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT 1. Exposition zur Darstellung<br />
der Kategorien des Bildungssinnes im System der Wissenschaften Die<br />
Einzelwissenschaften vermitteln Erkenntnisse verschiedener<br />
Wirklichkeitsbereiche, die für sich genommen noch keinen Bildungssinn<br />
erfüllen und die daher den Menschen in dem, was er tut und wird, nicht<br />
unmittelbar bestimmen können. Das erklärt sich daraus, daß sich diese<br />
Erkenntnisse -von den analytischen Systemen bis zu denen der Theologie -<br />
durchwegs in Prädikationen formulieren, die das, was sie<br />
von jener ihrer irreduziblen Aussagen - zeigen, daß sie nie die konkrete<br />
Situation, in der sich der Einzelne findet, in ihrem ganzen Sinn zu erschließen<br />
vermögen, sondern sie zwar stets "meinen", sobald sie sie aber "sagen", sie<br />
stets nur aus ihren Beziehungen zu anderen "Situationsgegebenheiten"<br />
erkennbar machen können. Hieraus erklärt sich uns auch näher, inwiefern<br />
dieser kognitive Sinn es eigentlich nicht mit der Wirklichkeit in ihrer letzten<br />
Bedeutung zu tun hat, weshalb auch<br />
in unserem Beitrag zur Grundlegung der Erziehungstheorie geht, ist,<br />
nachzuweisen, daß der Bildungssinn - hier als motivbildender oder positiver<br />
Sinn entwickelt - einerseits bereits in aller prädikativen Sinnvermittlung<br />
impliziert ist und andererseits sich selbst erst aus deren Grenze als der Sinn<br />
ihres Sinnes erschließt. In dieser eigentümlichen Bezogenheit ermöglicht er dem<br />
Menschen, der als Reflektierender je in der Unmittelbarkeit des<br />
Daseinsvollzuges gebrochen ist, durch<br />
Sagen aufgehoben werden könnte, hat Fischer an sechs Bestimmungsmomenten<br />
philosophischer Wissenschaftstheorie aufgezeigt, die zugleich die<br />
grundlegenden Büdungskategorien sind, da sie die Bedingung der Möglichkeit<br />
der Bildung des Menschen zum Menschen entwickeln - insofern fällt hier für<br />
Fischer Philosophie und Bildungstheorie (Pädagogik) zusammen. ( 17 ) 1. Die "<br />
unvermittelte Wirklichkeit", die aller Vermittlung als sie ermöglichender Sinn<br />
vorausgesetzt ist. "Sie ist<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 3<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 177<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 208<br />
sich zu sich selbst, gemäß dem Sinn des Sinnes aller 'seiner' Seinsverhalte, zu<br />
bestimmen und darin handelnd 'er selbst' zu werden." 4<br />
Da sie Kategorien des<br />
Gewissens sind, haben sie nicht nur Reflexionsgehalt, sondern sind<br />
motivationsbestimmend. Fischer nennt nun sechs Bestimmungsmomente<br />
philosophischer Wissenschaftstheorie, die zugleich die grundlegenden<br />
Bildungskategorien sind: 5 1 . Die "unvermittelte Wirklichkeit", die als<br />
ermöglichender Sinn aller<br />
1) Fischer,Franz: Darstellung der Bildungskategorien im System der Wissenschaften. (Aus dem<br />
Nachlaß herausgegeben von Benner,Dietrich und Schmied-Kowarzik,Wolfdietrich.)<br />
Ratingen/Kastellaun 1975. S. 1.<br />
2) ebd. S. 1<br />
3) ebd. S. 4.<br />
4) ebd. S. 4.<br />
5) vgl. zum folgenden: ebd. S. 80-85.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Einzelpersönlichkeit begreift. Die Kategorien des Bildungssinnes sind<br />
somit insofern Bedingungen der Möglichkeit des Menschen als Menschen, als<br />
sie es sind, die es ihm ermöglichen, sich zu sich selbst, gemäß dem Sinn des<br />
Sinnes aller "seiner" Seinsverhalte, zu bestimmen und darin handelnd "er selbst"<br />
zu werden. Sofern diese Kategorien Kategorien des Gewissens sind, sind sie<br />
nun nicht bloß Reflexionsgehalte, sondern Motivationsbestimmungen und<br />
darin in unmittelbarer Sinngebung wirklich. Die Erziehungsreflexion aber hat<br />
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238<br />
1) ebd. S. 81.<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 3<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 209<br />
Kategorien des Gewissens sind, haben sie nicht nur Reflexionsgehalt, sondern<br />
sind motivationsbestimmend. Fischer nennt nun sechs Bestimmungsmomente<br />
philosophischer Wissenschaftstheorie, die zugleich die grundlegenden<br />
Bildungskategorien sind: 5 1 . Die "unvermittelte Wirklichkeit", die als<br />
ermöglichender Sinn aller Vermittlung vorausgestezt ist. " Sie ist als solche<br />
gemeint aber nicht gesagt und geht als Sinn von Sinn jeder Aussage oder<br />
Denkbewegung vorher." 1 2 . Das "Unmittelbar-Allgemeine" als Modus der "<br />
primären Aussagen der Gewißheit des Gegebenen". Gemeint sind solche<br />
Aussagen, die das Wirkliche unmittelbar meinen, aber nur allgemein als "Dies",<br />
"Hier" und "Jetzt" bezeichnen. Es bedarf der Vermittlungsbewegung des<br />
Denkens, um sie konkret zu begreifen. 3 . Das "Prädikativ-Allgemeine"<br />
wissenschaftlicher Aussagesysteme durch Auslegung der unmittelbarallgemeinen<br />
Aussagen des Gemeinten, wodurch das Wissen konstituiert wird.<br />
Das Unmittelbar-Gemeinte der primären Aussagen soll darin erklärt werden,<br />
indem die "Gegebenheiten nach dem in ihrem unmittelbarallgemeinenPrädikaten<br />
unvermittelt gebliebenen Gemeinten befragt und in<br />
ihrem Beziehungszusammenhang zu ihm bestimmt" 2 werden. Solche<br />
Aussagen ergeben noch keinen Bildungssinn. 4. Das "Positiv-Allgemeine", das<br />
dem Selbst den nicht sagbaren Sinn der Wirklichkeit als allgemeinen Anspruch<br />
und Beweggrund für sein Handeln erschließt. Dieser Anspruch der<br />
Wirklichkeit geht<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Menschen zum Menschen entwickeln - insofern fällt hier für Fischer<br />
Philosophie und Bildungstheorie (Pädagogik) zusammen. ( 17 ) 1. Die "<br />
unvermittelte Wirklichkeit", die aller Vermittlung als sie ermöglichender Sinn<br />
vorausgesetzt ist. " Sie ist als solche gemeint, aber nicht gesagt und geht als<br />
Sinn von ,Sinn' jeder Aussage oder Denkbewegung vorher". Als diese absolute<br />
Voraussetzung kann sie allerdings erst am Ende der sich selbst negativ<br />
begrenzenden Vermittlungsbewegung des "Sinnes von Sinn" erfaßt werden. 2.<br />
Das "Unmittelbar-Allgemeine" als Modus der " primären Aussagen der<br />
Gewißheit des Gegebenen", welches das Wirkliche unmittelbar meint, aber nur<br />
allgemein als "Dies", "Hier", "Jetzt" bezeichnet. Hegel hat in der "<br />
Phänomenologie des Geistes" mit Recht hervorgehoben, daß das.<br />
Allgemeinheit ermöglicht jedoch wissenschaftliche Ableitung. Die primären<br />
Aussagen sagen noch nicht, was sie meinen, für sich festgehalten haben sie<br />
tautologischen Charakter. 3. Das Prädikativ-Allgemeine Die Auslegung der<br />
unmittelbar-allgemeinen Aussagen des Gemeinten geschieht in einer dritten<br />
Stufe, die das Wissen konstituiert. Sie stellt die Beziehungen unter den<br />
Gegebenheiten nach dem jeweiligen Modus ihrer unmittelbaren Allgemeinheit,<br />
wie er<br />
könnte, sondern dadurch, daß es nun diese Gegebenheiten nach dem in ihren<br />
unmittelbar-allgemeinen * Siehe zu diesem Abschnitt ergänzend II, 2: "Zum<br />
horizontalen Schema der Bildungskategorie" Prädikaten unvermittelt<br />
gebliebenen Gemeinten befragt und in ihrem Beziehungszusammenhang zu ihm<br />
bestimmt. Von diesem her sind Vorhersagen auf diese Gegebenheiten (sofern<br />
sie sind, waren oder sein soll"- möglich. Diese hypothetische Struktur gilt für<br />
alle Wissenschaften, gleich sie<br />
werden. 4. Das "Positiv-Allgemeine", welches an den von den einzelnen<br />
Wissenschaften vorausgesetzten "Grundbegriffen", den von ihnen gemeinten,<br />
ab" nicht sagbaren Sinn der Wirklichkeit dem Selbst als allgemeinen Anspruch<br />
und Beweggrund für sein Handeln erschließt. Der in den wissenschaftlichen<br />
Aussagesystemen gemeinte Sinn ist die Erkenntnis der Wirklichkeit, ohne sie<br />
doch als solche sagen zu können; wo sich nun die Reflexion<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 177<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 80<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 178<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 209<br />
über das Gegebene und sein Wissen hinaus. So wird nicht die Wirklichkeit als<br />
solche vermittelt, sondern " das Gewissen ihrer Unvermitteltheit, das einerseits<br />
die Manipulation und die Reduzierung des prädikativen Horizontes verbietet<br />
und andererseits sich in positiven Beweggründen ihm gegenüber ausspricht." 3<br />
Aus den Modi der Gewissheit und des Wissens geht damit der Modus des<br />
Gewissens hervor. Das Positiv-Allgemeine erschließt den Bildungssinn der<br />
Wirklichkeit, " nämlich das Verhältnis des Selbst zum Anspruch des<br />
Wirklichen" und damit die Beweggründe des Gewissens. 5. Das "Unmittelbar-<br />
Konkrete" des Handelns, das den allgemeinen Anspruch in konkreten Mitteln<br />
einer Situation sagbar werden läßt. Im Schritt vom "Positiv-Allgemeinen" zum<br />
"Unmittelbar-Konkreten" kommt zu der Erschließung der Beweggründe des<br />
Handelns die der Motive. Darin vollzieht sich " die methodische Frage der<br />
Bildungsvermittlung", die sich auf das handelnde Antwortenkönnen des Selbst<br />
gegenüber dem Anspruch der Wirklichkeit in der konkreten Situation richtet. 6.<br />
Das "Positiv-Konkrete" des erzieherischen Handelns, in dem " der in dieser<br />
ganzen bildungstheoretischen Aufdeckung von Bildungskategorien gemeinte<br />
Sinn" thematisiert wird. 1<br />
Erst dann, wenn der Erzieher den Sinn dieser<br />
Strukturmomente " als Anspruch aus dem 'Sinn aus sich selber' erfährt, vermag<br />
er selber sie 'positiv-konkret' zu erfüllen, d.h. kann er ihren positiv-allgemeinen<br />
Sinn in konkreten Situationen 'bezeugen und zugleich dem Schüler den<br />
Glauben zuwenden, daß auch er in die Bewährung des Anspruchs berufen sei'." 2<br />
Die genannten Bildungskategorien will Fischer nicht als aufeinander folgende<br />
Stufen des Bildungsprozesses verstanden wissen, sondern als das Gefüge von<br />
Voraussetzungen,<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Gegebenheit der Wissenschaft als den Anspruch der Wirklichkeit in sie<br />
hinein eröffnet. a. Der Anspruch der Wirklichkeit als Aufgegebenheit Dieser<br />
Anspruch der Wirklichkeit geht also über das Gegebene und sein Wissen<br />
hinaus. Er vermittelt die Wirklichkeit noch nicht als solche, sondern nur das<br />
Gewissen ihrer Unvermitteltheit, das einerseits die Manipulation und die<br />
Reduzierung des prädikativen Horizontes verbietet und andererseits sich in<br />
positiven Beweggründen ihm gegenüber ausspricht. Damit geht aus den Modi<br />
der Gewissheit und des Wissens der Modus des Gewissens hervor. Da die<br />
Grundbegriffe qualitativ auf die Wirklichkeit verweisen, sind auch die<br />
Beweggründe inhaltlicher Struktur. Das Positiv-Allgemeine erschliesst den<br />
Bildungssinn der Wirklichkeit, nämlich das Verhältnis des Selbst zum<br />
Anspruch des Wirklichen ( Selbstverhältnis). Dieser Anspruch ist immer<br />
Aufgegebenheit des Gegebenen, zwar positiv und inhaltlich zugleich, aber -als<br />
Sinn des Sinnes der Grundbegriffe - allgemein. Hier bestimmt sich das<br />
noch nicht die Motive, die diese Beweggründe für konkrete Situationen meinen,<br />
und durch deren Vollbringen dann sich die Bewegung der Vermittlung der<br />
Unmittelbarkeit erst schließt". Im Schritt vom "Positiv-Allgemeinen" zum "<br />
Unmittelbar-Konkreten" vollzieht sich die methodische Frage der<br />
Bildungsvermittlung, sie richtet sich auf das handelnde "Antwortenkönnen" des<br />
Selbst gegenüber dem Anspruch der Wirklichkeit in der konkreten Situation.<br />
Obwohl im "Unmittelbar-Konkreten" die Bedingungen der Möglichkeit der<br />
Bildungsvermittlung bereits aufgezeigt sind, muß noch der in dieser ganzen<br />
bildungstheoretischen Aufdeckung von Bildungskategorien gemeinte Sinn im "<br />
Positiv-Konkreten" (6.) des erzieherischen Handelns thematisiert werden. Die<br />
Bildungstheorie hat in den Bildungskategorien nicht die konkrete Bewegung<br />
des Selbst zum "Unmittelbar-Konkreten" seines Vollbringens verfügbar,<br />
sondern erst dort, wo der Erzieher den Sinn dieser Strukturmomente als<br />
Anspruch aus dem "Sinn aus sich selber" erfährt, vermag er selber sie "positivkonkret"<br />
zu erfüllen, d. h. kann er ihren positiv-allgemeinen Sinn in konkreten<br />
Situationen "bezeugen und zugleich dem Schüler den Glauben zuwenden, daß<br />
auch er in die Bewährung des Anspruchs berufen sei. Hierin vollendet sich die<br />
Affinität der Bewegung der Bildungskategorien", Als entscheidender<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 82<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 178<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 179<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 210<br />
die alle gemeinsam die Bedingungen der Möglichkeit von Bildung<br />
konstituieren. Fischer selbst bezeichnet als "die crux des Unternehmens", daß<br />
das, was durch die Bestimmung von Voraussetzungen der Bildung geklärt<br />
werden soll, darin und als deren eigener Vollzug bereits vorausgesetzt ist.<br />
Sinngehalte und Sollensbestimmungen werden also nicht von aussen<br />
herangetragen, sondern erschließen sich aus<br />
5) vgl. zum folgenden: ebd. S. 80-85.<br />
1) ebd. S. 81.<br />
2) ebd. S. 82.<br />
3) ebd. S. 83.<br />
1) Schmied-Kowarzik,Wolfdietrich: Fischers Konzeption der Bildungskategorien in ihren<br />
Bezügen zur Bildungslehre von Litt und Derbolav. In: Fischer,Franz: a.a.O. S. 163-188. hier:<br />
S.180.<br />
2) ebd. S. 180<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gesichtspunkt dieser büdungsphüosophischen Position von Fischer ist<br />
insbesondere gegenüber Derbolavs Konzeption der Büdungsbewegung<br />
festzuhalten,<br />
selber aufgefaßt werden, so als müßte die Bildung nacheinander die einzelnen<br />
Momente durchlaufen, sondern ausdrücklich deshalb "Bildungskategorien"<br />
heißen, weil sie das Gefüge von Voraussetzungen darstellen, die alle<br />
gemeinsam die Bedingungen der Möglichkeit von Bildung konstitutieren.<br />
Fischer sagt also nicht, daß auf eine Phase unmittelbar-allgemeinen Umgangs<br />
eine Phase prädikativ-allgemeiner Wissenschaftlichkeit und auf diese wiederum<br />
eine Phase positiv-allgemeiner<br />
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120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 179<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 210<br />
soll, darin und als deren eigener Vollzug bereits vorausgesetzt ist. Sinngehalte<br />
und Sollensbestimmungen werden also nicht von aussen herangetragen,<br />
sondern erschließen sich aus dem jeweiligen Sachbereich selbst. Das Gewissen<br />
ist in seiner Bildungstheorie dann der Ort, an dem der unmittelbare und<br />
unableitbare Sinn, der unserer Reflexion vorgegeben ist, gemäß seiner<br />
Unmittelbarkeit vermittelt wird, also der Ort, wo er nicht in unmittelbarer,<br />
allgemeiner Weise wiedergegeben, notwendig seiner ganzen Bedeutung nach<br />
unvermittelt bleibt, sondern sich der Kreis der Sinnbewegung schließt." 1<br />
Derbolav bezeichnet das Gewissen in einem neueren Ansatz über den Beitrag<br />
seines praxeologischen Modells 2 zur Lösung des Normenproblems als "<br />
Subjektivitätskorrelat nicht nur des spezifisch ethischen Beweggrundsystems<br />
der Nahbeziehungen der Menschen, sondern die Motivationsgrundlage alles<br />
irgendwie auf den Mitmenschen, die Gesellschaft, den Staat und die<br />
Menschheit hin bezogenen Handelns, sofern es über den technischen Aspekt<br />
hinaus praktische Ziele intendiert." 3<br />
Damit unterstreicht er sein Verständnis<br />
vom Gewissen als einem sämtliche, das menschliche Handeln herausfordernde<br />
Lebensbereiche umfassenden Phänomen. Als oberster pädagogischer<br />
Bezugspunkt bildet das Gewissen bei Fischer und Derbolav den Schnittpunkt<br />
zwischen Weltbewältigung und Selbstverwirklichung. Bildung<br />
1) Fischer,Franz: a.a.O. S. 3-4.<br />
2) vgl. die Darstellung der Praxeologie in: Derbolav,Josef: Pädagogik und Politik. Stuttgart 1975.<br />
3) Derbolav,Josef: Der Beitrag der Praxeologie zu einer Theorie der Normativität. In:<br />
Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Pädagogik. 55 (1979). Heft 4. S. 420-440. hier: S. 436.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Begriff des Gewissens, wie wir ihn in unserer Skizze andeutend entwickeln,<br />
keineswegs etwa auf jenen eines ethischen Gewissens eingeschränkt ist. Er<br />
bezeichnet vielmehr den Ort, an dem der unmittelbare und unableitbare Sinn,<br />
der unserer Reflexion vorgegeben ist, gemäß seiner Unmittelbarkeit vermittelt<br />
wird, also den Ort, wo er nicht, in unmittelbarer, allgemeiner Weise<br />
wiedergegeben, notwendig seiner ganzen Bedeutung nach unvermittelt bleibt,<br />
sondern sich der Kreis der Sinnbewegung schließt. Die Sinnbewegung würde<br />
dann, wenn der Sinn in seiner prädikativen Struktur, entgegen dem Sinn seines<br />
Sinnes, verabsolutiert würde, unvollendet bleiben. Worum es uns also in<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 2<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 211<br />
sein Verständnis vom Gewissen als einem sämtliche, das menschliche Handeln<br />
herausfordernde Lebensbereiche umfassenden Phänomen. Als oberster<br />
pädagogischer Bezugspunkt bildet das Gewissen bei Fischer und Derbolav den<br />
Schnittpunkt zwischen Weltbewältigung und Selbstverwirklichung. Bildung<br />
beinhaltet dann sowohl die Erfahrung der Welt als Feld qualifizierter<br />
Ansprüche, die theoretische Vergegenständlichung im Wissen wie die kritische<br />
Qualifizierung jener Ansprüche im Gewissen. Im Erwerb der sittlichpraktischen<br />
Maßstäbe und Beweggründe zur Bewältigung der ihm<br />
wissensmäßig aufgeschlossenen Lebenssituationen erfolgt der Aufstieg vom<br />
theoretischen Verstand zur praktischen Vernunft. Die Gewissensbildung<br />
erfolgt nach Derbolav in drei Dimensionen: Erstens "in Richtung einer<br />
Ausweitung bzw. Expansion der Gewissenshorizonte", womit er den Weg<br />
individueller Gewissensbildung meint, der "vom familialen über das Gruppen-,<br />
das Gesellschafts-, das Gewissen des Staates bis zu dem der<br />
Völkergemeinschaft und Menschheit weiterführt." 4<br />
Ein Weg, der allerdings<br />
vom Einzelgewissen nur partiell durchschritten wird. Zweitens erfolgt<br />
Gewissensbildung "in Richtung einer Konkretisierung der<br />
Gewissensansprüche auf immer bestimmtere Situationstypen" 1 . Diese<br />
Dimension der Konkretisierung des Gewissens erfolgt von den Ansprüchen der<br />
Sitte, Religion und allgemeiner Wertsysteme hin zu den Herausforderungen<br />
einer konkreten EinzelSituation. Die dritte Dimension bezieht sich schließlich<br />
auf den Fortschritt "von der Fremd- zur Selbstbestimmung der<br />
Gewissensentscheidungen" 2<br />
Damit ist die "Verselbstung des Gewissens"<br />
gemeint, die die Kernfrage erzieherischer Bemühungen aufwirft, wann und wie<br />
das Stadium der Heteronomie übergeführt werden kann in ein solches der<br />
Autonomie des Gewissens, "wo der Mensch seine Pflichten als<br />
Selbstverpflichtungen übernimmt und nicht bloß aus Furcht vor Sanktionen<br />
oder aus Gedankenlosigkeit ausübt." 3<br />
Ohne solche Selbstverpflichtung bleibt<br />
das Gewissen nach Derbolav "im Grunde 'außer sich selbst'" 4 ). 9.5.<br />
Auswertung Während bei Heinrich Roth das Gewissen bei der Erziehung zu<br />
selbstkompetentem Handeln als Träger humaner Prinzipien lediglich<br />
Teilfunktion übernimmt, hebt Derbolav es aus einem traditionell eng gefaßten<br />
und oftmals auf den moralischen Bereich der<br />
4) ebd. S. 436.<br />
1) ebd. S. 436.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
den Menschen gestellten Aufgabe in der Welt führt und somit die<br />
Selbstverwirklichung des Individuums ermöglicht. "In jenem<br />
Auseinandersetzungsprozeß, den wir als Bildung charakterisiert haben, geht die<br />
Erfahrung der Welt als Feld qualifizierter Ansprüche ihrer theoretischen<br />
Vergegenständlichung im Wissen ebenso notwendig voraus, wie diesem<br />
theoretischen Wissensausgriff der Rückgang ins Praktische, die kritische<br />
Qualifizierung jener Ansprüche im Gewissen folgen muß, wenn überhaupt von<br />
.Bildung' die Rede sein soll" (Systematische Perspektiven, 71). Diese<br />
dialektische Struktur der Bildung ist dem Heranwachsenden im Durchgang der<br />
Bewegung keineswegs<br />
Geist werden. Was ihn erst wirklich zur "Individualität" erhöht, ist nicht sein (<br />
abstrakt-allgemeiner) Wissenshon-*ont, sondern die (positiv-allgemeine)<br />
Strukturierung seines persönlichen Gewissens, d. h. der Erwerb der sittlichpraktischen<br />
Maßstäbe und Beweggründe zur Bewältigung der ihm<br />
wissensmäßig aufgeschlossenen Lebenssituationen. Mit anderen Worten: die<br />
Rückkehr in Handeln aus vermittelter Verantwortung, worin erst die<br />
Individualität überzeugend in Erscheinung tritt, setzt eine Wiederaneignung der<br />
in der Positivität<br />
darin als Vermittlungsbewegung dar, die im Ubersteigen der zweiten<br />
Reflexionsstufe deren praktische Voraussetzungen in der ersten kritisch<br />
aufklärt und sich verpflichtend zu eigen macht ". Diesen Aufstieg vom<br />
theoretischen "Verstand" zur praktischen "Vernunft", der zugleich die<br />
vermittelnde Aufdeckung der ersten in der zweiten Versuch einer<br />
wissenschaftstheoretischen Grundlegung der Didaktik 73 Reflexionsstufe<br />
vollzieht, nennen wir dialektisch, und nun wird auch<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien ..., 1975, S. 174<br />
118 Derbolav, Josef: Systematische Perspektiv der Pädagogik, 1971, S. 72<br />
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2) ebd. S. 436.<br />
3) ebd. S. 437/438.<br />
4) ebd. S. 438.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 213<br />
der Einzelsituation, noch aus der Geschichte oder dem sozio-kulturellen Umfeld<br />
entnommen werden. Sinn und Sollen erschließen sich vielmehr aus den<br />
Sachgegebenheiten selbst. Sie sind immer schon in ihnen vorhanden. Damit<br />
unternimmt Derbolav den Versuch, "eine übergeschichtliche, ... Normativität<br />
mit deren geschichtlich und damit auch gesellschaftlich bedingter<br />
Konkretisierung zusammenzudenken" 2 . Es bleibt dabei ungeklärt, welche<br />
positiven Sollensansprüche Derbolav im einzelnen meint. Man könnte die<br />
Tatsache, daß er keine inhaltlichen Ansprüche nennt, als situationsbedingte<br />
Flexibilität betrachten, hätte nicht Derbolav selbst sehr deutlich darauf<br />
verwiesen, daß es<br />
2) ebd. S. 81.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Erziehung bewahren. Sein Entwurf ist, mit anderen Worten, der Versuch<br />
einer kritischen Umschrift dieses natürlichen Systems, das heißt der Versuch,<br />
eine übergeschichtliche, weil seinsfundierte Normativität mit deren<br />
geschichtlich und damit auch gesellschaftlich bedingter Konkretisierung<br />
zusammenzudenken, also eine Synthese dessen zu bewerkstelligen, was vom<br />
alten und vom modernen Denken jeweils richtig gesehen wird. Die zu<br />
erschließenden Sollensgehalte bilden deshalb für sein<br />
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119 Merkert, Rainald: Didaktik und Fachdidaktik Religion, 1979, S. 80<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 215<br />
verstanden als die subjektive Möglichkeit sittlichen Erkennens und Handelns<br />
des Menschen, eine lange Traditionsgeschichte nachweisen. Einige Daten aus<br />
dieser Geschichte werden, gleichsam als Verstehenshorizont, unseren<br />
Überlegungen vorangestellt. Ein Blick auf die Heilige Schrift zeigt, daß im<br />
Alten Testament und in den Evangelien - obgleich dort kein terminus technicus<br />
dafür vorhanden ist- häufig Gewissenserlebnisse dargestellt werden: das<br />
schlechte Gewissen der Stammeltern nach dem Sündenfall ( Gen 3,7ff), Kains<br />
böses Gewissen (Gen 4,13), Beltschazzar gewahrt die schreibende Hand (Dan<br />
5,6), der Prophet Nathan weckt das Gewissen Davids (2 Sam 12, die<br />
Verzweiflung des Verräters (Mt 27,3), die Verleugnung des Petrus (Mk 14,66ff<br />
). In den Briefen des Apostels Paulus wird der stoische Begriff Syneidesis<br />
mehrfach verwendet. Das damit gemeinte Gewissen bindet die Heiden an das<br />
Gesetz Gottes, indem es sie anklagt, wenn sie gegen die Vernunft handeln (Rom<br />
bedeutet nach dem Gewissen zu handeln, dem<br />
Glauben gemäß zu handeln (Rom 14,23). Der Glaube erleuchtet das Gewissen,<br />
und das gute Gewissen schützt den Glauben (1 Tim 3,9). Schließlich erscheint<br />
bei 2 Kor 1,12 und 1 Tim 1,5 das vollkommene Gewissen als das vom Glauben<br />
Das Gewissen wird in den<br />
paulinischen Schriften also immer von Gott her verstanden, "bald entspricht es<br />
dem ins Herz geschriebenen Naturgesetz, bald dem sittlichen Urteil aus dem<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gewissens, das wir darum etwas näher betrachten müssen. A. Das Wesen des<br />
Gewissens Wenn wir zunächst die Hl. Schrift über das Gewissen befragen, so<br />
finden wir im Alten Testament und in den Evangelien zwar keinen eigenen<br />
Ausdruck dafür, Gewissenserlebnisse aber werden häufig dar- 67 ü gestellt: das<br />
schlechte Gewissen der Stammeltern nach dem Sünden- fall ( Gen 3,7 ff); Kains<br />
böses Gewissen (Gen 4,10); Beltschazzar gewahrt die schreibende Hand (Dan<br />
5,6); Nathan und David (2 Sam 12); Verzweiflung des Verräters (Mt 27,3);<br />
Verleugnung des Petrus (Mk i4,66ff). In all diesen Beispielen ist es "der Geist",<br />
"die Seele", "das Innere", "das<br />
der stoische Fachausdruck "Syneidesis". Das Gewissen ist der Lehrmeister der<br />
Heiden, indem es sie an Gottes Gesetz bindet, wie es in der Schöpfung sichtbar<br />
2,14). Für den Gläubigen wird, indem es sie anklagt, wenn sie gegen die Vernunft handeln (Rom 2,14).<br />
Für den Gläubigen aber heißt nach dem Gewissen gleich viel wie aus dem<br />
Glauben handeln (Rom 14,23). Der Glaube erleuchtet das Gewissen, und das<br />
gute Gewissen schützt den Glauben (1 Tim 3,9). Das vollkommene Gewissen<br />
erleuchtete und von der Liebe beseelte Gewissen. 1 ist das vom Glauben erleuchtete und von der Liebe beseelte Gewissen (2 Kor<br />
1, 12; i Tim 1,5). Paulus gebraucht also den Ausdruck Gewissen in<br />
verschiedener Bedeutung:<br />
Glauben." 2<br />
Während die Kirchenväter die Syneidesis-Lehre des Paulus in<br />
eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des<br />
vielfacher Bedeutung fortführen 1 , wird dann in der Scholastik, anknüpfend an<br />
Herrn" (2. Kor. 3, '. '7 f.). "Dies ist paradox die "Norm"<br />
Hieronymus, unterschieden zwischen Gewissensanlage (synteresis) und<br />
neutestamentlicherEtrfilc"37. "Das vollkommene Gewissen" schreibt B.<br />
Gewissensurteil (conscientia). Für diese Unterscheidung sind zwei<br />
Häring "ist das vom Glauben erleuchtete und von der Liebe beseelte Gewissen" 48<br />
Wendepunkte im mittelalterlichen<br />
. 3. Christus und das Gesetz Die Heilsbotschaft war schon durch die Predigt<br />
1) vgl. dazu: Böckle,Franz: Grundbegriffe der Moral. Aschaffenburg 1977. S. 68.<br />
Jesu als etwas unerhört Neues gekennzeichnet, als eine neue Lehre mit<br />
Stelzenberger,Johannes: Lehrbuch der Moraltheologie. Paderborn 1953. S. 90f.<br />
Vollmacht (Mk. ', 27) wird<br />
2) Böckle,Franz: a.a.O. S.68.<br />
1) Stelzenberger, Johannes: a.a.O. S. 92f.<br />
38% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
ist das vom Glauben erleuchtete und von der Liebe beseelte Gewissen (2 Kor 1,<br />
12; i Tim 1,5). Paulus gebraucht also den Ausdruck Gewissen in<br />
verschiedener Bedeutung: bald entspricht er dem ins Herz geschriebenen<br />
Naturgesetz, bald dem sittlichen Urteil aus dem Glauben. Immer aber wird das<br />
Gewissen religiös von Gott her verstanden. Auch die Tradition folgt praktisch<br />
121 Böckle, Franz: Grundbegriffe der Moral. Gewissen u..., 1966, S. 67<br />
121 Böckle, Franz: Grundbegriffe der Moral. Gewissen u..., 1966, S. 68<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 8<br />
121 Böckle, Franz: Grundbegriffe der Moral. Gewissen u..., 1966, S. 68<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 216<br />
Für diese Unterscheidung sind zwei Wendepunkte im mittelalterlichen<br />
Gewissensverständnis entscheidend: die vor der offiziellen Ketzerverfolgung<br />
von P. Abälard verfaßte Gewissenskonzeption und das nach dem Auftrag der<br />
Ketzerinquisition konzipierte Gewissensverständnis Alexander von Hales. Die<br />
erste Wende bahnt sich in der Frühscholastik, d.h. im späten 11. und 12.<br />
Jahrhundert an. Während die Theologen seit der Karolingerzeit das Gewissen<br />
als objektive, gesetzgebende Normeninstanz verstanden hatten und es in der<br />
Konsequenz zur Erstellung von Bußbüchern und Beichtspiegeln kam,<br />
interpretiert der Pariser Frühscholastiker P. Abälard (1079-1142) das Gewissen<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Ketzerverfolgung verfaßte Gewissenskonzeption P. Abälards und das nach dem<br />
Auftrag zur Ketzerinquisition konzipierte Gewissensverständnis Alexander von<br />
Haies. Ich möchte beide Wendepunkte kurz skizzieren. Der erste bahnte sich<br />
in der Frühscholastik, d. h. im späten 11. und im 12. Jahrhundert an: Hatten die<br />
Theologen seit der Karolingerzeit (8. und 9. Jahrhundert) das, Gewjssgnals<br />
bjektiue, gesetzgebende Normeninstanz verstanden und für die Erstellung von<br />
BußbucHern uncTBeichtspiegeln gleichermaßen<br />
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106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 15<br />
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4% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 216<br />
als subjektive Gesinnung und persönliche Überzeugung. Er nimmt an, daß das "<br />
natürliche Gesetz", worunter er das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe<br />
versteht, als objektives, allgemeinverpflichtendes im Gewissen eines jeden<br />
Menschen individuell spreche. Damit verlagert er die objektiven Normen und<br />
Gesetze, die bisher außerhalb des Menschen von einem überindividuellen<br />
Gewissen diktiert worden waren, in das individuelle Gewissen jedes Menschen.<br />
Die Verknüpfung von Subjektivität und Objektivität führt bei Abälard zu<br />
absurden Behauptungen, die einen harten Theologenstreit auslösen. So erklärt<br />
er, die Mörder Jesu wie die Steiniger des Stephanus hätten ihrem<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gebot der Gottes- und Nächstenliebe),7 welches überzeitlich, objektiv und<br />
allgemein-verpflichtend sei, im Gewissen jedes einzelnen Menschen individuell<br />
und für sich spreche. Er verlegte also die objektiven Normen und Gesetze, die<br />
bisher außerhalb des Menschen von einem überindividuellen Gewissen diktiert<br />
worden waren, in den Menschen und dessen je individuelles Gewissen. Damit<br />
behielt das Gewissen zwar den Charakter einer normativen Instanz, die in jeder<br />
Lebenssituation dem einzelnen das Richtige<br />
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12.01.2014<br />
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106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 15<br />
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Verknüpfung von Subjektivität und Objektivität führt bei Abälard zu absurden<br />
Behauptungen, die einen harten Theologenstreit auslösen. So erklärt er, die<br />
Mörder Jesu wie die Steiniger des Stephanus hätten ihrem Gewissen gemäß<br />
gehandelt und folgert daraus, " da in ihrem Gewissen das natürliche Gesetz und<br />
durch dieses hindurch die Stimme Gottes gesprochen hätte, hätten sie weder<br />
gegen das natürliche Gesetz noch gegen Gott gesündigt." 2<br />
Nach Abälards<br />
Ansicht wäre ein Ketzer kein Ketzer, sondern ein Heiliger gewesen, weil er<br />
unbeugsam an seiner Gewissensüberzeugung festhält und damit an dem ihm<br />
darin vermittelten Willen Gottes. Die zweite Wende im mittelalterlichen<br />
Gewissensverständnis bahnt sich mit der Ketzerinquisation an, die den<br />
Abälardschen Ansatz als unhaltbar erscheinen läßt. " Es mußte theologisch<br />
nachgewiesen werden, daß jeder in seiner Gewissensüberzeugung irren, gegen<br />
Gott sündigen und gegen das natürliche Gesetz verstoßen könne - obwohl er in<br />
seinem Gewissen die Stimme Gottes und die des natürlichen Gesetzes höre." 1<br />
Damit, daß man ein Weisungsmonopol der katholischen Kirche gegenüber dem<br />
Gewissen des einzelnen annahm und gleichzeitig an dem von Abälard betonten<br />
personhaften, indvididuellen Charakter des Gewissens festhielt, tat sich ein<br />
weites Feld von Konfliktmöglichkeiten auf,<br />
2) Mokrosch,Reinhold: Das religiöse Gewissen. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1979. S. 15.<br />
1) ebd. S. 16.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
rabiaten Theologenstreit auslösten: Die Mörder Jesu, so urteilte er, hätten<br />
genauso wie die Steiniger des Stephanus ihrem Gewissen entsprechend<br />
gehandelt. Und, so folgerte er weiter, da in ihrem Gewissen das natürliche<br />
Gesetz und durch dieses hindurch die Stimme Gottes gesprochen hätte, hätten<br />
sie weder gegen das natürliche Gesetz noch gegen Gott gesündigt. Ergo: Wer<br />
seiner innersten Überzeugung entsprechend handele, sündige nicht, "wer (aber)<br />
gegen sein Gewissen handelt, der sündigt".8 Diesen Satz nahm er auch für<br />
seine eigene<br />
in einer Zeit ausbreiten, in der es zwar sporadische, aber noch keine<br />
institutionalisierten Ketzerverfolgungen gab. Denn nach Abälard wäre ein<br />
Ketzer kein Ketzer, sondern eher ein Heiliger gewesen, weil er unbeugsam an<br />
seiner Gewissensüberzeugung festhalte. Diese Einschätzung änderte sich aber<br />
mit der Kxixexioauisilion. Mit dieser Art der Verfolgung Andersdenkender<br />
wurde die zweite Wende im mittelalterlichen Gewissensverständnis eingeläutet:<br />
Es_mußte theologisch nachgewiesen werden, daß jeder in seiner<br />
Gewissensüberzeugung irren, gegen Gott sündigen und gegen das natürliche<br />
Gesetz verstoßen könne, - obwohl er in seinem Gewissen die Stimme Gottes<br />
und die des natürlichen Gesetzes höre. Man hielt nämlich an Abälards<br />
Betonung des personhaften, individuellen Charakters des Gewissens fest,<br />
verteidigte aber zugleich das G ejismonopol der katholischen Kirche. Man<br />
hatte - besonders auf<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 15<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 16<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 217<br />
tat sich ein weites Feld von Konfliktmöglichkeiten auf, das bis heute nicht ganz<br />
bewältigt ist. Die IV. Lateransynode von 1215 demonstriert die kirchliche<br />
Gewissensautorität, indem sie genaue Beichtregeln", alphabetisch geordnete<br />
Gewissenslexika, umfangreiche Fegfeuerstrafregister und Eheprüfungsspiegel<br />
erläßt als Auflagen zur jährlichen Beichtpflicht, zum regelmäßigen Ablaß und<br />
zur kirchlichen Eheschließung. In den seit 1232 von der Kurie vorgenommenen<br />
inquisitorischen Maßnahmen gegen Gewissenabtrünnige beansprucht die<br />
katholische Kirche einerseits das Weisungsmonopol auf Wahrheit und gesteht<br />
den Gläubigen andererseits ein unfehlbares Gewissen zu, an das sie mit einer<br />
Fülle von Maßnahmen zur Gewissensselbstprüfung und Gewissenspflege<br />
appelliert. Die dadurch auftauchenden Widersprüche sind der auslösende Grund<br />
für die von Alexander von Haies (1170-1245) formulierte Unterscheidung von<br />
synteresis und conscientia. Unter synteresis 1 versteht er " das Unfehlbare,<br />
Wahrhaftige und Gute im Gewissen und nennt es das 'Urbewußtsein des<br />
Sittengesetzes'. Die conscientia dagegen hält er für fehlbar, wandelbar und zürn<br />
Bösen fähig und interpretiert sie im Sinne eines Situationsgewissens." 2<br />
Er<br />
schließt aus dieser Unterscheidung, daß jeder Mensch im Gewissen irren und<br />
von der katholischen Kirche als der Inhaberin des Wahren und Guten geführt<br />
werden könne, ja verpflichtet sei, sich von ihr führen zu lassen. Mit der Frage,<br />
ob synteresis und conscientia mehr willens- oder mehr vernunftorientiert seien,<br />
bilden sich im 13. Jahrhundert die Gewissensinterpretationen von Bonaventura<br />
und Thomas von Aquin<br />
1) Der Begriff "synteresis" meint die "syneidesis" und beruht auf einem Schreibfehler in einem<br />
Kommentar des Hl. Hieronymus (vgl. dazu u.a.: Waldmann,M.: Synteresis oder Syneidesis?<br />
Ein Beitrag zur Lehre vom Gewissen. In: ThQ 119 (1938). S. 332-371.<br />
2) Mokrosch,Reinhold: a.a.O. S. 19.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
versuchte nun, diesen Graben rechtspolitisch und theologisch unter dem<br />
vorrangigen Gesichtspunkt der Wahrung kirchlicher Gewissensautorität zu<br />
überbrücken: Die IV. Lateransynode von 1215 demonstrierte ihre Macht mit<br />
ihren Auflagen zur jährlichen Beichtpflicht, zum regelmäßigen Ablaß und zur<br />
kirchlichen Eheschließung nach genauesten Beichtregeln, alphabetisch gestern<br />
und Eheprüfungsspiegeln. Den überall aufkeimenden asketischen<br />
Sektenbewegungen der Waldenser, Katharer, Tertiarier, Beginen u. a.<br />
begegnete die Kurie ab 1232 mit der Inquisition. Und<br />
Gewissensgründen. In allen Fällen reagierte die Kirche auf die<br />
Gewissensabtrünnigen mit einer Art Doppelstrategie: Einerseits beanspruchte<br />
sie das GewissensmonopoTauf Wahjheft. Andererseits gestand,.sie jedem<br />
Gläubigen ein unfehlbares Gewissen zu" an. das sie rn.it einem reichhaltigen<br />
Angebot an Gewisjensselbstprüfung und Gewissenspflege appellieren konnte.*<br />
Rechtspolitisch Hatte sie das Kernproblem des 13. Jh., die >Häresie aus<br />
Gewissensgründens also gelöst. Aber<br />
jedes einzelnen-begrifflieh geklärt werden? Diese Frage wj r je Geburtsstunde<br />
der Synteresis.10 Alexander vonTJoTeT(i 170-1245) war der erste, der als<br />
Geburtshelfer beistand." Er verstand unter synteresis das Unfehlbare,<br />
Wahrhaftige und Gute im Gewissen und nannte es das "Urbewußtseln des<br />
Sittengesetzes". Die conscientia dagegen hielt er für fehlbar, wandelbar und zum<br />
Bösen fähig und interpretierte sie im Sinne eines Situationsgewissens.<br />
Nicht jeder Mensch sei von sich aus zum Wahren und Guten fähig, sondern<br />
könne im Gewissen irren; aber jeder Mensch könne von der katholischen Kirche<br />
, der Inhaberin des Wahren und Guten, geführt werden. Ja, er müsse sich in<br />
Gewissenssachen sogar von der Kirche leiten lassen, weil nicht er, sondern nur<br />
die Kirche über die Fülle an Geboten und<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 16<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 17<br />
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von ihr führen zu lassen. Mit der Frage, ob synteresis und conscientia mehr<br />
willens- oder mehr vernunftorientiert seien, bilden sich im 13. Jahrhundert die<br />
Gewissensinterpretationen von Bonaventura und Thomas von Aquin heraus.<br />
Bonaventuras Ausgangspunkt ist der von Trieben und Leidenschaften hin- und<br />
hergerissene Mensch. Als synteresis bezeichnet er " eine 'Leidenschaft und<br />
Stoßkraft des Willens' hin zum Guten" 3 . Als eine zum Guten gerichtete<br />
Leidenschaft leitet sie den Menschen zum Guten, drängt sie den Willen, das<br />
Wahre und Richtige zu tun. Bonaventura wertet die synteresis als Fähigkeit (<br />
potentia) des Willens, das Gute und Wahre<br />
3) ebd. S. 19.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
eine "Leidenschaft und Stoßkraft des Willens" hin zum Guten: Sie dränge den<br />
Willen, stets das Wahre und Richtige zu tun. Sie >leite und neige< den von<br />
Trieben und Leidenschaften hin- und hergerissenen Menschen, weil sie selbst<br />
ein "Trieb und eine Leidenschaft" - freilich zum Guten - sei. Sie treibe zwar<br />
auch die Vernunft, aber vorrangig sei sie für<br />
Nach scholastisch subtiler Methode ging er in seinem Sentenzenkommentar<br />
diesen Fragen ausführlich nach." Ich fasse nur die wesentlichsten Gedanken<br />
zusammen: Die synteresis ist für Bonaventura eine "Leidenschaft und<br />
Stoßkraft des Willens" hin zum Guten: Sie dränge den Willen, stets das Wahre<br />
und Richtige zu tun. Sie >leite und neige< den von Trieben und<br />
Leidenschaften hin- und hergerissenen Menschen, weil<br />
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und Richtige zu tun. Bonaventura wertet die synteresis als Fähigkeit (potentia)<br />
des Willens, das Gute und Wahre zu wollen. Dann, wenn solche<br />
Willensfähigkeit und Gewissensselbstverantwortung dem Guten und damit dem<br />
Willen Gottes sehr unähnlich werden, " in solchen Fällen könne jeder Mensch<br />
sein Sündersein fühlen." 4<br />
Mit conscientia verbindet Bonaventura die "<br />
Fähigkeit des Intellekts" bzw. des "praktischen Erkenntnisvermögens" dazu,<br />
das praktische Verhalten des Menschen zu regulieren. Sie gibt dem Menschen<br />
Anweisungen zum Handeln. Obgleich aus der Vernunft wirkend, ist auch sie<br />
4) ebd. S. 19.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
denn, so betonte er, in solchen Fällen der "Behinderung" der synteresis könne<br />
diese doch zumindest noch ihre Unähnlichkeit mit dem Guten und Gott<br />
erkennen. Kurz: in solchen Fällen könne jeder Mensch sein Sündersein fühlen.<br />
Von einem Bevormundungsrecht der Kirche über die Gewissen ihrer<br />
Gläubigen konnte bei dieser Gewissenskonzeption keine Rede sein. Um so<br />
erstaunlicher war es, wenn Bonaventura - im<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 219<br />
verbindet Bonaventura die "Fähigkeit des Intellekts" bzw. des "praktischen<br />
Erkenntnisvermögens" dazu, das praktische Verhalten des Menschen zu<br />
regulieren. Sie gibt dem Menschen Anweisungen zum Handeln. Obgleich aus<br />
der Vernunft wirkend, ist auch sie nach Bonaventura " eine Direktive des<br />
Willens". " Als Fertigkeit sei sie 'hinsichtlich des Allgemeinen' angeboren (z.B.<br />
fühle jeder die allgemeine Forderung der Nächstenliebe), 'hinsichtlich des<br />
Speziellen aber erworben' (jeder müsse erst lernen, wer sein Nächster sei)." 1<br />
Während Bonaventura die synteresis für selbständig hält, ist die conscientia<br />
abhängig von vorgegebenen Einflüssen und Anweisungen, die sie verarbeiten<br />
muß. Mokrosch nennt das in Bonaventuras Konzeption beschriebene<br />
willensorientierte Gewissen " ein an der Norm des Wahren und Guten<br />
ausgerichtetes Willensprozeßgewissen." 2<br />
Die Willensfähigkeit des einzelnen<br />
lasse keine Fremdbestimmung zu, so daß man von einer "<br />
Gewissensunabhängigkeit und ethischen Gewissensverantwortung" sprechen<br />
könne. 3 Dem Menschen ist darin die " Gewissenserfahrung des guten und bösen<br />
Willens, der Gottesnähe und Gottesferne, des Gerecht- und Sünderseins"<br />
ermöglicht. 4<br />
Bonaventura verzichtet in seiner - vom Gedanken der<br />
selbstverantwortlichen Willensfähigkeit geprägten Gewissenskonzeption -<br />
nicht darauf, der Kirche Möglichkeiten der Kontrolle und Lenkung der<br />
synteresis zuzuschreiben. Ihren Einfluß auf die conscientia hingegen lehnt er<br />
ab. 5<br />
Thomas von<br />
1) ebd. S. 20.<br />
2) ebd. S. 21.<br />
3) ebd. S. 22.<br />
4) ebd. S. 22.<br />
5) ebd. S. 20.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Genauso wie die synteresis wirke sie zwar auch auf die Vernunft, aber<br />
insbesondere auf den Willen des Menschen ein. Sie sei, so formuliert er<br />
vorsichtig, " eine Direktive des Willens". Als Fertigkeit sei sie "hinsichtlich des<br />
Allgemeinen angeboren" (z. B. fühle jeder die allgemeine Forderung der<br />
Nächstenliebe), "hinsichtlich des Speziellen aber erworben" (jeder müsse erst<br />
lernen, wer sein Nächster sei). Insgesamt aber überwiege ihre Funktion als<br />
angeborene "natürliche Urteilsfertigkeit". Aufgrund dieser Interpretation hält er<br />
sie nun nicht wie die synteresis für selbständig, unabhängig und eigenständig,<br />
sondern als von vorgegebenen Einflüssen und Anweisungen, die sie<br />
weiterzuverarbeiten habe, abhängig. - Wäre also hier ein Einfluß kirchlicher<br />
Gewissensbildung und -kontrolle gerechtfertigt? Keineswegs! Der einzige<br />
Einfluß, so betont Bonaventura, der legitimerweise auf die conscientia<br />
einen Willensprozeß im Menschen wider. Dieser Prozeß orientiert sich nicht an<br />
Einzelnormen, sondern an der übergeordneten Norm des Wahren und Guten.<br />
Ich nenne es deshalb ein an der Norm des Wahren und Guten ausgerichtetes<br />
Willensprozeßgewissen. 2. Es appelliert an die Willensfähigkeit jedes<br />
einzelnen, die keine Fremdbestimmung zuläßt. Ich wage deshalb, von einer<br />
Gewissensunabhängigkeit und ethischen Gewissensverant- wortung zu reden.<br />
3. Es läßt<br />
reden. 3. Es läßt den Menschen sowohl seinen Willen zum Wahren und Guten<br />
als auch zum Unwahren und Bösen erfahren. Anders ausgedrückt: Es<br />
ermöglicht ihm die Gewissenserfahrung des guten und bösen Willens, der<br />
Gottesnähe und Gottesferne, des Gerecht- und des Sünderseins. Diese drei<br />
Elemente haben sich aber, wie gesagt, in der Franziskanerschule nicht<br />
durchsetzen können, weil Bonaventura der Kirche und nicht dem einzelnen das<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 20<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 21<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 22<br />
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seine Geisthaftigkeit, die ihn über alles andere Lebende hebt, Ebenbild Gottes.<br />
Er nimmt teil an der Herrschaft Gottes und befindet sich in einer steten<br />
Bewegung zu Gott hin. Seine Teilhabe an der göttlichen Vorsehung liegt " in<br />
der natürlichen Neigung der praktischen Vernunft zu normsetzender Aktivität<br />
im Hinblick auf seine aufgebene Vollendung und Erfüllung. Diese Art von<br />
Teilnahme und nur diese bezeichnet Thomas als natürliches Sittengesetz (vgl. I-<br />
II 91,2)". 1<br />
Damit ist also weder eine Naturordnung gemeint, aus der Normen<br />
abgelesen werden können, noch eine Summe von vernünftigen<br />
Verhaltensregeln oder allgemeinen Rechtssätzen. Vielmehr handelt es sich beim<br />
natürlichen Sittengesetz " um jenes innere Gesetz, das den Menschen als<br />
sittliches Wesen zur Selbst- und Weltgestaltung beansprucht und ihn durch<br />
einfache Reflexion die wichtigsten der seiner Verantwortung unabdingbar<br />
aufgebenen Ziele (fundamentale Rechtsgüter) erkennen läßt." 2<br />
Die dem<br />
sittlichen Wesen angeborene und unverlierbare Fähigkeit, die ersten<br />
Grundsätze der Sittlichkeit zu erkennen, die in den obersten Grundsatz<br />
zusammengefaßt werden "bonum est faciendum, malum vitandum", nennt<br />
Thomas die synteresis. Sie beruht nicht - wie häufig dargestellt wird -<br />
ursprünglich in der Vernunft, sondern in der menschlichen<br />
Gottebenbildlichkeit. Die Vernunft ist nicht das Ursprungsprinzip der synteresis<br />
, sondern das den Willen bestimmende Prinzip. Die<br />
1) Böckle,Franz: Fundamentalmoral. S.90/91.<br />
2) ebd. S. 250.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Erfahrung zum Bewußtsein gekommen ist, erweist es sich als unmittelbar<br />
einsichtig. Die Teilnahme des Menschen an der göttlichen Vorsehung (am<br />
ewigen Gesetz) liegt daher spezifisch in der natürlichen Neigung der<br />
praktischen Vernunft zu normsetzender Aktivität im Hinblick auf seine<br />
aufgegebene Vollendung und Erfüllung. Diese Art von Teilnahme und nur<br />
diese bezeichnet Thomas als natürliches Sittengesetz (vgl. I-II 91,2). Daß der<br />
Mensch ein sich selbst aufgegebenes sittliches Wesen ist, führt Thomas<br />
selbstverständlich auch auf Gott zurück. In diesem So-Sein der Vernunftnatur,<br />
das Thomas<br />
ist aber nichts darüber ausgesagt, wie sie konkret zu verwirklichen oder zu<br />
bewahren seien. Mit anderen Worten, das natürliche Sittengesetz besteht weder<br />
in einer Naturordnung, aus der Normen abgelesen werden können, noch in<br />
einer Summe vernünftiger Verhaltensregeln oder allgemeiner Rechtssätze. Es<br />
handelt sich vielmehr um jenes innere Gesetz, das den Menschen als sittliches<br />
Wesen zur Selbst- und Weltgestaltung beansprucht und ihn durch einfache<br />
Reflexion die wichtigsten der seiner Verantwortung unabdingbar<br />
aufgegebenen Ziele (fundamentale Rechtsgüter) erkennen läßt. Die<br />
Ausgestaltung der Rechts- und Sittlichkeitsordnung bleibt Aufgabe<br />
interpretierenden und determinierenden Suchens und Denkens. Dabei läßt sich<br />
nicht verkennen,<br />
Vgl. hierzu schon H. Noldin, siehe oben S. 73; J. Mausbach (op. cit. 95) sieht<br />
in der Synteresis nur "die angeborene und unverlierbare Fähigkeit und<br />
Leichtigkeit (habitus) der praktischen Vernunft, die ersten Grundsätze der<br />
Sittlichkeit zu erkennen", während O. Schilling (op. cit. 153) einräumt, daß<br />
sich mit der Synteresis "ohne weiteres die entsprechenden natürlichen<br />
Hinneigungen verbinden." 88 Vgl. oben S. 75 ff. mit angeführter Literatur. "<br />
Erst im Jahre 1942<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 91<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 250<br />
122 Golser, Karl: GEWISSEN UND OBJEKTIVE SITTENORDNUNG, 1975, S. 199<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 220<br />
der Vernunft, sondern in der menschlichen Gottebenbildlichkeit. Die Vernunft<br />
ist nicht das Ursprungsprinzip der synteresis, sondern das den Willen<br />
bestimmende Prinzip. Die Betonung der Ratio gegenüber dem Willen in Thomas'<br />
Gewissenslehre liegt begründet darin, daß die Erkenntnis des Zieles bzw. des<br />
Guten und damit Erstrebenswerten dem Willen vorausgeht. Der Wille kann das<br />
Gute nicht begehren, wenn es nicht zuvor durch die Vernunft erfaßt worden ist.<br />
Die Vernunft erhält ihre bewegende Kraft durch den Willen, logisch aber geht<br />
sie dem Willen voraus. 3<br />
Eine andere Dimension der thomasischen Sittenlehre<br />
wird häufig übersehen, obgleich sie für die synteresis entscheidend ist: gemeint<br />
sind<br />
3) Bujo,Benezet: Moralautonomie und Normenfindung bei Thomas von Aquin. Paderborn,<br />
München,Wien,Zürich 1979. S. 196-198.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Vernunft (ratio practica) 14 . Nach der Gesamtlehre des Thomas ist dies damit<br />
zu begründen, daß der Wille insofern nicht in erster Linie in Betracht kommt,<br />
als die Erkenntnis des Zieles bzw. des Guten dem Wollen vorausgeht 15 . Das<br />
besagt: Das Gute als das Wahre gehört eher dem Bereich der Vernunft als dem<br />
des Willens an, zumindest soweit dieser das<br />
dem des Willens an, zumindest soweit dieser das Gute unter dem Aspekt des<br />
Erstrebenswerten in Anspruch nimmt. Der Wille könnte niemals das Gute<br />
begehren, wäre es nicht zuvor durch die Vernunft erfaßt worden 16 . Stellt man<br />
also Vernunft und Willen einander gegenüber, dann ist die Führung der<br />
Vernunft zuzuschreiben 17<br />
197 Sicherlich darf die Rolle der Vernunft nicht<br />
überbetont werden. Der<br />
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123 Bujo, Benezet: Moralautonomie und Normenfindung be..., 1979, S. 196<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 221<br />
dem Willen voraus. 3<br />
Eine andere Dimension der thomasischen Sittenlehre wird<br />
häufig übersehen, obgleich sie für die synteresis entscheidend ist: gemeint sind<br />
die triebhaften Kräfte im Menschen und ihre Bedeutung für das sittliche<br />
Handeln. Pfürtner 1<br />
hat in seinem umfangreichen Werk über die Trieblehre des<br />
Thomas dargelegt, daß auch die menschliche Triebsphäre Berührungspunkte<br />
mit dem Göttlichen haben kann, daß sie zur Vergöttlichung" fähig sei. " Der<br />
Mensch als Ganzes ist Subjekt des sittlichen Handelns, und als Ganzes wird er<br />
von seinem Schöpfergott auf- und angenommen und nicht nur als Träger der<br />
höheren Vermögen." 2<br />
Zur Ganzheitlichkeit des Menschen gehören nicht nur<br />
die Vernunft und der Wille, sondern ebenso seine Leiblichkeit und damit seine<br />
Triebsphäre. Thomas betont, daß der Mensch als Leib und Seele ein "ens<br />
naturale" 3<br />
bildet, das Triebleben im Dienst des Sittlichen steht<br />
3) Bujo,Benezet: Moralautonomie und Normenfindung bei Thomas von Aquin. Paderborn,<br />
München,Wien,Zürich 1979. S. 196-198.<br />
1) Pfürtner,Stephan H.: Triebleben und sittliche Vollendung nach Thomas von Aquin. Freiburg/<br />
Schw. 1958.<br />
2) Bujo,Benezet: a.a.O. S. 199.<br />
3) STh 1 q. 17a. 4.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
das Gute bei Thomas von Aquin, in: FZPhTh 8 (1971) 88-136; A. Zimmermann,<br />
Der Begriff der Freiheit nach Thomas von Aquin, in: L. Oeing-Hanhoff (Hrsg)<br />
Thomas von Aquin 1274/1974, München 1974, 125-159. 199 In seinem<br />
umfangreichen Werk über die Trieblehre des Thomas hat S. Pfürtner<br />
aufgezeigt, daß die thomanische Sittenlehre nicht nur die Vernunft und den<br />
Willen als entscheidend ansieht, auch wenn sie die wichtigen Momente sind,<br />
sondern<br />
Berührungspunkte mit dem Göttlichen haben kann, ja, daß sie überhaupt zur<br />
Vergöttlichung fähig ist (habeant proprias operationes!). Thomas will also<br />
keine Dichotomie- bzw. "Stockwerkmoral" aufbauen. Der Mensch als Ganzes<br />
ist Subjekt des sittlichen Handelns, und als Ganzes wird er von seinem<br />
Schöpfergott auf- und angenommen und nicht nur als Träger der höheren<br />
Vermögen. Zur Ganzheitlichkeit des Menschen gehören also um es nochmal<br />
zu sagen - nicht nur die Vernunft, sondern auch die niedrigeren Kräfte der<br />
Seele, und wie schon im Zusammenhang mit der Imago-<br />
123 Bujo, Benezet: Moralautonomie und Normenfindung be..., 1979, S. 199<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 222<br />
letztere von ersteren humanisiert werden. Aus der ursprünglichen Anlage zu<br />
normsetzendem Handeln resultierend vermag der Mensch in der synteresis die<br />
obersten Grundsätze sittlichen Handelns zu erkennen und baut sich der Habitus<br />
des sittlichen Wissens auf. " Der Begriff des sittlich Guten und die näheren<br />
Arten und Normen des Sittlichen entstehen ... in der Vernunft nur allmählich<br />
auf Grund der Erfahrung und der Erziehung." 1<br />
Im Urgewissen (der synteresis)<br />
erhalten die persönliche Wertetafel, d.h. das Bewußtsein von Werten und die<br />
sittlichen Grundhaltungen ihren verpflichtenden Charakter. " Es bildet sich der<br />
Gewissenshabitus, der für das eigentliche praktische Gewissensurteil die<br />
entscheidende Voraussetzung bildet." 2<br />
Dabei besteht die sittliche Erkenntnis<br />
nicht in der bloßen Aneignung von Gesetzeswissen und dem Aufnehmen von<br />
Tabus, sondern in der Entscheidung für das Gute. So wächst die Erkenntnis des<br />
"wahrhaft Guten", die geleitet ist vom<br />
1) Böckle,Franz: Grundbegriffe der Moral. S. 69.<br />
2) ebd. S. 69.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
im Heiligen Geist eine neue Kraft, die "uns in alle Wahrheit einführen soll". b.<br />
Das sittliche Wissen. Das Urgewissen ist dem Menschen als sittliche<br />
Grundlage angeboren; der Begriff des sittlich Guten und die näheren Arten und<br />
Normen des Sittlichen enstehen aber in der Vernunft nur allmählich auf Grund<br />
der Erfahrung und Erziehung; in der Kraft des Urgewissens erhalten sie dann<br />
den verpflichtenden Charakter. So bauen sich im Menschen auf dem<br />
Urgewissen immer mehr das sittliche Wissen, die persönliche Wertetafel (<br />
Wertbewußtsein) und die sittlichen Grundhaltungen auf: es bildet sich der<br />
Gewissenshabitus, der für das eigentliche praktische Gewissensurteil die<br />
entscheidende Voraussetzung bildet. Die richtige sittliche Erkenntnis vollzieht<br />
sich in einer steten gegenseitigen Beeinflussung von Erkenntnis und<br />
Entscheidung. Sittliche Erretisches Erkennen von Gut und Bös, ein Aufnehmen<br />
von<br />
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121 Böckle, Franz: Grundbegriffe der Moral. Gewissen u..., 1966, S. 69<br />
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wächst die Erkenntnis des "wahrhaft Guten", die geleitet ist vom Gebot der<br />
Liebe. 3<br />
Im praktischen Gewissensurteil - und dies nennt Thomas die<br />
conscientia - findet das sittliche Wissen Anwendung auf das persönliche<br />
Handeln. Die conscientia ist die " applicatio scientiae ad actum" ( Anwendung<br />
des Wissens auf den Akt) und so "quodammodo dictamen rationis" (<br />
gewissermaßen eine Vorschrift der Vernunft). 4<br />
Dabei lassen sich drei Phasen<br />
bzw. Formen der Gewissensfunktion, d.h. der Anwendung des sittlichen<br />
Wissens auf eine konkrete Entscheidungssituation feststellen: Die erste Form<br />
ist das vorausgehende Gewissen: " In der Form eines praktischen Urteils wird<br />
eine konkrete Handlungssituation an der sittlichen Werttafel gemessen. Normen<br />
werden konkretisiert, noch bestehende Zweifel und Unklarheiten soweit als<br />
möglich behoben. Gebieterisch meldet sich das sittliche Sollen und mahnt zur<br />
Werttreue." 1<br />
Die zweite Form ist die eigentliche Gewissensentscheidung, bei<br />
der der Mensch an einem geschaffenen Wert in Freiheit die konkrete<br />
Entscheidung für oder gegen das Gute fällt. Die dritte Form ist das<br />
nachfolgende Gewissen, das die getroffene Entscheidung bestätigt und billigt (<br />
gutes Gewissen) oder mißbilligt (schlechtes Gewissen). 2<br />
Da die thomasische<br />
Sittenlehre grundlegend in der aktuellen theologischen Diskussion um das<br />
Gewissen<br />
3) "Ausdrücklich betont der hl. Johannes: 'Wer keine Liebe hat, kennt Gott nicht, denn Gott ist die<br />
Liebe' (1 Joh. 4,8). Je mehr in uns die Liebe wächst, um so mehr wird sich uns Gott zeigen,um<br />
so mehr werden wir dann auch das sittlich Gute erkennen: 'Wer mich liebt, der wird vom<br />
Vater geliebt, und ich werde ihn lieben und mich ihm kundmachen' (Joh. 14,21)" (ebd. S. 70).<br />
4) STh I/II 19,5.<br />
1) ebd. S. 70.<br />
2) ebd. S. 70/71.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
des Handelns, die natürliche Prinzipien des Naturrechts sind), und dieser<br />
habitus existiert "in ratione" [14]. Dagegen ist die c. "proprie loquendo" nicht<br />
potentia, sondern actus [15]. Sie ist " applicatio scientiae ad actum" ( Anwendung<br />
des Wissens auf den Akt) und so "quodammodo dictamen rationis" (<br />
gewissermaßen eine Vorschrift der Vernunft) [16]. Zwischen beiden steht noch<br />
der"actus"der synderesis als solcher, der ein "remurmurare malo et inclinare ad<br />
bonum". ein Murren (wörtlich: ein Entgegenmurmeln) gegen das<br />
Entscheidungsakt kann man drei Phasen unterscheiden: Die erste Phase nennen<br />
wir das vorausgehende Gewissen. Dabei meldet sich die Gewissensanlage vor<br />
dem Forum der geistigen Überlegung: In der Form eines praktischen Urteils<br />
wird eine konkrete Handlungssituation an der sittlichen Werttafel gemessen.<br />
Normen werden konkretisiert, noch bestehende Zweifel und Unklarheiten<br />
soweit als möglich behoben. Gebieterisch meldet sich das sittliche Sollen und<br />
mahnt zur Werttreue. Es meldet sich auch die Stimme der Warnung vor dem<br />
Ausweichen, eine Mahnung gegen die Verdrängung der Gewissensregung. In<br />
diesem Stadium spielt die Klugheit eine<br />
der Klugheit folgt nun als die zweite Phase, die eigentliche<br />
Gewissensentscheidung. Der Mensch, der im innersten auf Gott, d. h. auf das<br />
Gute schlechthin, ausgerichtet ist, fällt an einem geschaffenen Wert in Freiheit<br />
die konkrete Entscheidung für oder gegen das absolut Gute und nimmt dafür<br />
die Verantwortung auf sich. Hier geht es letztlich nicht mehr um die Sache,<br />
sondern um die Person: "Ich entscheide mich!"<br />
42 Ritter, Joachim: Historisches Wörterbuch der Philoso..., 1974, S. 0<br />
121 Böckle, Franz: Grundbegriffe der Moral. Gewissen u..., 1966, S. 70<br />
121 Böckle, Franz: Grundbegriffe der Moral. Gewissen u..., 1966, S. 71<br />
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Textstelle (Originalquellen)<br />
angegebenen Werken und den Veröffentlichungen von A. Auer: F. Böckle.<br />
Theonome Autonomie, in: Humanuni,Festschrift für R. Egenter, hg. v. J.<br />
Griindel u. a., Düsseldorf 1972,17-46; B. Stöckle, Grenzen der autonomen<br />
Moral, München 1974; B. Schüller, Zur Diskussion um das Proprium einer<br />
christlichen Ethik, in: Theologie und Philosophie 51 (1976) 321-343. 14 14 Vgl.<br />
A. Auer, Autonome Moral und christlicher Glaube 31. 26 15 15 Vgl. D. Mieth,<br />
Rechtfertigung und Gerechtigkeit, in: Gerechtigkeit (Herausforderung und<br />
Besinnung 1), Freiburg/Schweiz 1977,64-89. 16 16 Vgl. A. Auer,<br />
Werken und den Veröffentlichungen von A. Auer: F. Böckle.Theonome<br />
Autonomie, in: Humanuni,Festschrift für R. Egenter, hg. v. J. Griindel u. a.,<br />
Düsseldorf 1972,17-46; B. Stöckle, Grenzen der autonomen Moral, München<br />
1974; B. Schüller, Zur Diskussion um das Proprium einer christlichen Ethik,<br />
in: Theologie und Philosophie 51 (1976) 321-343. 14 14 Vgl. A. Auer, Autonome<br />
Moral und christlicher Glaube 31. 26 15 15 Vgl. D. Mieth, Rechtfertigung und<br />
Gerechtigkeit, in: Gerechtigkeit (Herausforderung und Besinnung 1), Freiburg/<br />
Schweiz 1977,64-89. 16 16 Vgl. A. Auer,<br />
ob und wenn ja, in welcher Weise Gewissen und christlicher Glaube, bzw.<br />
christliche Moral in Bezug zueinander stehen. Die aufzuweisende Beziehung<br />
ist dann Gegenstand der Überlegungen über Möglichkeiten und Erfordernisse<br />
einer Gewissenserziehung im christlichen Kontext. 10.2. Zur Diskussion um<br />
das Proprium einer christlichen Ethik Die aktuelle moraltheologische<br />
Diskussion um das Proprium einer christlichen Ethik ist bestimmt von der<br />
Streitfrage, ob es eine spezifisch christliche Moral hinsichtlich des material-<br />
inhaltlichen sittlichen Anspruchs gibt, bzw. geben kann. Man will wissen, ob<br />
aus der Lehre der Bibel oder der Tradition der Kirche exclusiv christliche,<br />
konkret sittliche Werte und Normen abgeleitet werden können, d.h. es im<br />
christlichen Ethos<br />
ein Blick geworfen auf die eigentliche Streitfrage innerhalb der<br />
Propriumsdiskussion. Die Präge: gibt es eine spezifisch christliche Moral bzw.<br />
Ethik? ist vor allem die Präge, ob es eine spezifisch christliche Moral<br />
hinsichtlich des material-inhaltliehen sittlichen Anspruchs gibt oder<br />
überhaupt geben könne, ob es also - den oben skizzierten spezifisch<br />
christlichen Begründungszusammenhang vorausgesetzt - spezifisch christliche,<br />
praxisnahe, konkrete, sittliche Normen (oder<br />
72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 1<br />
124 Halter, Hans: Taufe und Ethos. Eine Untersuchung ..., 1975, S. 17<br />
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gibt, bzw. geben kann. Man will wissen, ob aus der Lehre der Bibel oder der<br />
Tradition der Kirche exclusiv christliche, konkret sittliche Werte und Normen<br />
abgeleitet werden können, d.h. es im christlichen Ethos solche Normen gibt,<br />
die nur dem Christen aufgrund seines Glaubens einsichtig sind und von daher<br />
auch nur für ihn Gültigkeit haben. 3<br />
In der Auseinandersetzung darüber haben<br />
sich zwei Modelle herauskristallisiert: das glaubensethische Modell und das<br />
Die Vertreter einer<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
erhoben, universale Botschaft für alle Menschen zu sein. Die Frage, ob es im<br />
Bereich der sittlichen Tugenden, also im zwischenmenschlichen Bereich,<br />
Gebote oder Verbote gebe, die nur dem Christen aufgrund seines Glaubens<br />
erkennbar und somit verpflichtend aufgegeben seien, ist kaum von praktischer<br />
Relevanz. Uns interessiert es nicht so sehr zu wissen, ob die vom Christentum<br />
für das<br />
Konzept einer autonomen<br />
Glaubensethik 2<br />
Moral im christlichen Kontext. 1<br />
gehen davon aus, daß christliche Sittlichkeit nicht autonom ist,<br />
Hilpert im "Wörterbuch christlicher Ethik"." Eine eingehende<br />
Auseinandersetzung überschreitet allerdings die hier gegebenen Möglichkeiten.<br />
Doch soll wenigstens der Haupteinwand erwähnt werden. K. Hilpert stellt<br />
infrage, ob das Konzept einer autonomen Moral im christlichen Kontext "<br />
sondern aus dem Glauben entwickelt werden muß. Soweit nicht explizit<br />
vorhanden, müssen danach konkrete ethische Normen durch Ableitung oder<br />
Anwendung von der christlichen Botschaft her entwickelt werden. Je nach<br />
Ausformung<br />
3) vgl. dazu: Halter,Hans: Taufe und Ethos. Paulinische Kriterien für das Proprium christlicher<br />
Moral. Freiburg, Basel,Wien 1977. Einleitung: S. 13-32. hier:S.17/18.<br />
überhaupt mit dem (seit Kant bzw. schon seit Descartes entwickelten)<br />
historischen Programm autonomer Moral< zusammengebracht werden bzw.,<br />
falls sie dieses konsequent rezipieren würde, ihre Identität<br />
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1) vgl. dazu u.a.: Sauer,Joseph (Hrsg.): Normen im Konflikt. Freiburg,Basel,Wien 1977.<br />
2) vgl. dazu u.a.: Stöckle,Bernhard: Autonome Moral. In: Stimmen der Zeit. 98 (1973). S. 723 -<br />
736. ders.: Grenzen der autonomen Moral. München 1974. ders.(Hrsg.): Wörterbuch<br />
christlicher Ethik. Freiburg 1975. Ratzinger,Josef )Hrsg.): Prinzipien christlicher Moral.<br />
Einsiedeln 1976 (mit Beiträgen von Heinz Schürmann und Hans Urs von Balthasar).<br />
Scheffczyk,Leo: Die Theologie und das Ethos der Wissenschaften. In: Münchener<br />
Theologische Zeitschrift. 25 (1974). S.336-358.<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 234<br />
125 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Gla..., 1977, S. 65<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 225<br />
christlichen Sinnhorizontes" finden sie allgemeine Zustimmung. Strittig werden<br />
ihre Thesen dort, wo es um die Methoden der Normenfindung geht. Ein<br />
Beispiel für die Argumentation der Glaubensethiker ist die folgende Aussage<br />
von Hans Urs von Balthasar: " Die konkrete Existenz Christi - sein Leben,<br />
Leiden, Sterben und endgültig leiblich Auferstehen - hebt alle übrigen Systeme<br />
ethischer Normierung in sich auf; sittliches Handeln von Christen hat sich im<br />
letzten nur vor dieser Norm zu verantworten. Die in der Person Christi<br />
vollbrachte Synthese des gesamten Willens des Vaters ist eschatologisch und<br />
unüberbietbar, deshalb a priori universal normativ." 3<br />
So sehr darin Aspekte der<br />
kritischen und stimulierenden Wirkung der christlichen Botschaft im Prozeß<br />
sittlicher Bewußtseinsbildung deutlich werden, so wenig führen solche Aussagen<br />
weiter in der Suche nach konkret inhaltlichen Normen, die daraus abgeleitet<br />
werden<br />
3) Balthasar,Hans Urs von: Neun Sätze zur christlichen Ethik. In: Ratzinger,Josef (Hrsg.): a.a.O. S.<br />
67-93. hier: S.74.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sie nicht nur eine Aussage über den Begründungszusammenhang darstellen,<br />
sondern eine bestimmte Meinung über Normenfindung insinuieren so etwa,<br />
wenn H. Urs von Balthasar schreibt: 64 Alfons Auer " Die konkrete Existenz<br />
Christi - sein Leben, Leiden, Sterben und endgültig leiblich Auferstehen - hebt<br />
alle übrigen Systeme ethischer Normierung in sich auf; sittliches Handeln von<br />
Christen hat sich im letzten nur vor dieser Norm zu verantworten ... Die in der<br />
Person Christi vollbrachte Synthese des gesamten Willens des Vaters ist<br />
eschatologisch und unüberbietbar, deshalb a priori universal normativ.""<br />
Solche Aussagen führen nicht weiter, wenn nicht konkret, d. h. an<br />
signifikanten Einzelbeispielen, gezeigt wird, wie man denn nun von Christi<br />
Leben, Leiden, Sterben und Auferstehen zu<br />
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125 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Gla..., 1977, S. 65<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 226<br />
unser Interesse primär den Denkansätzen einer autonomen Moral im<br />
christlichen Kontext. Nach Alfons Auer, einem Hauptvertreter dieses Modells,<br />
beziehen sich die Anhänger einer relationalen Autonomie des Sittlichen auf<br />
einen "locus classicus der Theologie", auf Rom. 2,14: " Paulus sagt hier von den<br />
Heiden: Die das Gesetz nicht haben, 'sind sich selbst Gesetz - heautois eisin<br />
nomos' ... Nach Paulus entspricht die. 'relationale' Autonomie des Menschen<br />
und der weit ganz offensichtlich dem Willen Gottes. ... Der vom rufenden<br />
Schöpfer distanzierte Mensch ist und bleibt 'sich selbst Gesetz' (Rom. 2 ,14).<br />
Die Basis relationalen Selbstands bleibt erhalten."|2 So gehen die Vertreter<br />
einer relationalen Autonomie des Sittlichen davon aus, " daß das Sittliche eine<br />
Schöpfung des menschlichen Geistes ist" 3 . Es gehört zur Erfüllung des<br />
göttlichen Kulturauftrages (Gen. 1,28), der dem Menschen als originäre<br />
Aufgabe zugewiesen ist. Der Mensch erfährt sich immer von einem<br />
Sollensanspruch gefordert, den man an ihn stellt und den er selbst an andere<br />
stellt. Dieser Anspruch ist ein unbedingter, von dem niemand ausgeschlossen<br />
ist. Antwort auf diesen Anspruch<br />
2) ebd. S. 66.<br />
3) ders.: Autonome Moral und christlicher Glaube. Düsseldorf 1971. A. 160.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
geistig-kulturellen Prozeß zu exkommunizieren. Zum zweiten dürfte nicht<br />
unbekannt sein, daß wir uns auf einen locus classicus der Theologie, nämlich<br />
auf Rom 2,14 berufen können. Paulus sagt hier von den Heiden: Die das<br />
Gesetz nicht haben, "sind sich selbst Gesetz - heautois eisin nomos". Hier haben<br />
wir bereits den Begriff der Auto-nomie. Und man fragt sich, warum bei<br />
Darstellungen der Geschichte des Autonomie-Begriffs auf diese Stelle nie<br />
eingegangen wird." Nach Paulus entspricht die "relationale" Autonomie des<br />
Menschen<br />
Welt ganz offensichtlich dem Willen Gottes; nach Paulus behält auch der im<br />
Nein zur Klesis stehende und den Äonsmächten sich unterwerfende Mensch<br />
seine sittliche Autonomie. Der vom rufenden Schöpfer distanzierte Mensch ist<br />
und bleibt "sich selbst Gesetz" (Rom 2,14). Die Basis relationalen Selbstands<br />
bleibt erhalten. Von dieser fundamentalen These seiner Anthropologie her kann<br />
Paulus zu einer ethischen Verständigung und Kooperation mit Nicht-<br />
Glaubenden kommen; nur wenn er ihre sittliche Autonomie<br />
Frankfurt 1970. III. Einige Reflexionen über die Zuständigkeit des Lehramts<br />
und der Moraltheologie bei der Statuierung weltethischer Weisungen 1. Die<br />
Autonomie des Sittlichen Unsere bisherigen Überlegungen haben ergeben, daß<br />
das Sittliche, eine Schöpfung des menschlichen Geistes ist. Es gehört in den<br />
Bereich der "Wahrheit der Welt", deren Entfaltung im göttlichen Kulturauf-<br />
Träg (Gen 1.28) dem Menschen .als originäre Aufgabe zugewiesen ist. in der<br />
traditionellen Naturrechtslehre kommtd nnT auch TsTar zum Ausdruck, daß<br />
die ethische Ordnung wohl gänzlich vom Menschen aufgefunden und entfaltet<br />
werden kann. Von der<br />
125 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Gla..., 1977, S. 66<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 160<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 227<br />
einem Sollensanspruch gefordert, den man an ihn stellt und den er selbst an<br />
andere stellt. Dieser Anspruch ist ein unbedingter, von dem niemand<br />
ausgeschlossen ist. Antwort auf diesen Anspruch der Wirklichkeit ist das<br />
Sittliche. Es " zielt auf die optimale Entfaltung des Menschlichen in der<br />
konkreten Situation des Einzelnen, der Gesellschaft und der Menschheit im<br />
ganzen, auf das 'Gelingen des menschlichen Lebens' (G.Meyer)." 1<br />
Aus der<br />
Vernunftnatur des Menschen resultiert die Möglichkeit der rationalen<br />
Erkenntnis des Sittlichen. Der Mensch muß über sein In-der-Welt-sein<br />
nachdenken und seine eigenen guten und schlechten Erfahrungen, sowie Wege<br />
zu einer sinnvollen und fruchtbaren Existenz, die im Laufe der Geschichte<br />
gewonnen bzw. verfehlt wurden, überdenken und auswerten, wenn er zu einem<br />
sinnvollen Entwurf seines Daseins und seines Handelns kommen will. Mit<br />
ihrer Rationalität ist auch die Autonomie des Sittlichen gegeben. Diese These<br />
kann man theologisch verantworten, soweit man darauf verzichtet, "von allem<br />
Anfang an (auszugehen) und ausdrücklich die ontologischen Grundlagen des<br />
Sittlichen bis auf den tiefsten Grund in die Diskussion miteinbringen zu wollen.<br />
Nach theologischer Lehre kann der Mensch den Vollsinn seiner Existenz in<br />
der Welt und damit auch den Kern des Sittlichen<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zur Maschine.") Wenn wir vom Sittlichen sprechen, meinen wir das Ja zu dem<br />
Anspruch, der von der Wirklichkeit her auf den Menschen zukommt. Das<br />
Sittliche zielt auf die optimale Entfaltung des Menschlichen in der konkreten<br />
Situation des einzelnen, der Gesellschaft und der Menschheit im ganzen, auf<br />
das "Gelingen des menschlichen Lebens" (G. Meyer). Wenn das richtig ist,<br />
wenn also das Sittliche auf optimal geglücktes Menschsein zielt, dann muß die<br />
ethische Aussage jedem Menschen verständlich gemacht werden können; sie<br />
sein nachdenken und seine guten und schlechn Erfahrungen in gründlicher<br />
Reflexion bedenken, wenn er zu nem sinnvollen Entwurf seines Daseins und<br />
seines Handelns körnen will. Aus der Vernunftnatur des Menschen resultiert<br />
die Rationatät des Sittlichen. Das Tier wird durch seine Instinkte angeleitet, is<br />
für sein Dasein Notwendige zu tun. Der Mensch kann den Sinn iner Existenz<br />
und<br />
der Mensch durch seine Vernunft. Jber die Bedeutung von Offenbarung und<br />
Glauben für das menschche Selbstverständnis wird später zu handeln sein.) Der<br />
" 2 Mensch muß jer sein In-der-Welt-sein nachdenken und seine guten und<br />
schlechn Erfahrungen in gründlicher Reflexion bedenken, wenn er zu nem<br />
sinnvollen Entwurf seines Daseins und seines Handelns körnen will. Aus der<br />
Vernunftnatur des Menschen resultiert die Rationatät des Sittlichen. Das Tier<br />
wird durch seine Instinkte angeleitet, is für sein Dasein Notwendige zu<br />
die Krise der Moral, in: eol. Quartalschrift 14' (1'6') 4 22. 2' nomie des<br />
Sittlichen sprechen. Man muß allerdings darauf verzichten von allem Anfang<br />
an und ausdrücklich die ontologischen Grundlager des Sittlichen bis auf den<br />
tiefsten Grund in die Diskussion miteinbringen zu wollen. Der eigentliche Sinn<br />
und der unmittelbare Gebrauchswert der Formel von der Autonomie der Moral<br />
liegt darin, sichtbai zu machen, "daß die (ontologischen) Grundlagen (der<br />
praktischer<br />
Entscheidungen noch nicht einschließen"23. Nach theologischer Lehre kann<br />
der Mensch zwar nicht ohne die wirksame Hilfe Gottes, aber sehi wohl ohne<br />
die ausdrückliche Erkenntnis Gottes den Vollsinn- seiner Existenz in der Welt<br />
und damit auch den entscheidenden-Xernu des Sittlichen verstehen. Aus der<br />
127 Auer, Alfons: Die Bedeutung des Christlichen bei ..., 1977, S. 33<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 29<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 30<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 227<br />
zwar nicht ohne die wirksame Hilfe Gottes, wohl aber ohne die ausdrückliche<br />
Erkenntnis Gottes erkennen. Schließlich zeichnet sich das Sittliche durch<br />
Realistik aus. Die konkrete geschichtliche Erfahrung zeigt, daß dort, wo<br />
ethische Vorstellungen gegen das eigentlich Menschliche verstoßen,<br />
Verwirrung und Zerstörung die<br />
1) ders.: Die Bedeutung des Christlichen bei der Normfindung. In: Sauer,Joseph (Hrsg.): a.a.O. S.<br />
29-54. hier: S. 33.<br />
2) ders.: Autonome Moral und christlicher Glaube. Düsseldorf 1971. S. 30.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Mitte seiner eigenen Existenz tritt ihn der unabdingbare Anspruch der ihm<br />
vorgegebenen Wirklichkeit entgegen. c) Realistik des Sittlichen Schließlich<br />
Ideale) in verschiedenen Tiefenbereichen angetroffen werden können von<br />
denen einige die radikalen metaphysischen und religiösen Entscheidungen noch<br />
nicht einschließen"23. Nach theologischer Lehre kann der Mensch zwar nicht<br />
ohne die wirksame Hilfe Gottes, aber sehi wohl ohne die ausdrückliche<br />
Erkenntnis Gottes den Vollsinn- seiner Existenz in der Welt und damit auch den<br />
entscheidenden-Xernu des Sittlichen verstehen. Aus<br />
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Realistik aus. Die konkrete geschichtliche Erfahrung zeigt, daß dort, wo<br />
ethische Vorstellungen gegen das eigentlich Menschliche verstoßen,<br />
Verwirrung und Zerstörung die Folge sind. Das Funktionieren von Normen ist<br />
unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen menschlichen Zusammenlebens.<br />
"Normen und Strukturen sind richtig, wenn und solange es unter ihrer Geltung<br />
mit der Menschheit und ihrem Weg zu Freiheit und Liebe vorangeht. ...<br />
Menschsein ist das freie Gelingen auf konkreten, sich geschichtlich<br />
durchdeterminierenden Sachfeldern." 1<br />
An dieser Stelle taucht die Frage auf,<br />
worin das spezifisch Christliche einer Moral liegt, bzw. welchen Beitrag der<br />
Glaube an Gott und seine Offenbarung zum Sittlichen liefert? Damit hängt auch<br />
die Beweisführung darüber zusammen, wieso dieser Glaube nicht Heteronomie,<br />
sondern - indem sie "der Vernünftigkeit der Vernunft ihren transzendentalen<br />
Grund" 2<br />
erschließt - dem Menschen die Freiheit eröffnet. Alfons Auer faßt das<br />
christliche Spezifikum des Sittlichen wie folgt zusammen: " Das christliche<br />
Proprium des Sittlichen liegt nicht in konkreten weltethischen Weisungen, die<br />
aus dem Glaubensverständnis heraus entwickelt werden und zu denen der<br />
Christ - neben den autonom entwickelten weltethischen Weisungen - zusätzlich<br />
verpflichtet wird. Der Christ ist Mensch wie jeder andere auch, er hat kein<br />
eigenes Einmaleins und kein eigenes Alphabet, er hat auch keine eigenen<br />
naturalen Strukturen. Das Menschliche ist menschlich für die Heiden wie für<br />
die Christen. Aber der Christ steht aufgrund seines Glaubens in einem neuen<br />
Sinnhorizont." 3<br />
Diesen neuen Sinnhorizont und die sich aus ihm ergebenden<br />
Konsequenzen kann man zusammenfassend etwa so darstellen: 1. Durch seine<br />
Selbstvergegenwärtigung und rückhaltlose Solidarisierung mit den Menschen<br />
und ihrer Welt hat Gott<br />
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Textstelle (Originalquellen)<br />
das menschliche Dasein in seiner Identität, Sinnhaftigkeit und Werthaftigkeit<br />
gehindert wird und der Mensch eine sinnvolle und fruchtbare Existenz verfehlt.<br />
Insofern sind Normen und Strukturen richtig, "wenn und solange es unter ihrer<br />
Geltung mit der Menschheit auf ihrem Weg zur vollen Entfaltung ihrer Werte<br />
und Möglichkeiten vorangeht"11. Hier bestätigt sich die Autonomie des<br />
Sittlichen. Der Mensch soll nicht einfach ein Prinzip<br />
revolutionären Ziele in steigendem Maße Konkurrenz macht, und zwar bei all<br />
denen, bei denen die wichtigste Voraussetzung des politischen Chiliasmus,<br />
nämlich mangelnde säkulare Aufklärung, entfällt. An dieser Stelle taucht die<br />
Frage auf, warum man denn die Partei mit allen Mankos einer ungerechten<br />
Distribution belasten muß und ob die Partei ihre bisher ohnehin nur zögernd<br />
wahrgenommene Distributionsverantwortung nicht<br />
oder die Gesellschaft? Die Frage kann nur beantwortet werden, wenn zunächst<br />
klargemacht wird, worin denn eigentlich das spezifisch Christliche einer Moral<br />
liegt. Unsere These heißt: Das christliche Proprium des Sittlichen liegt nicht in<br />
konkreten weltethischen Weisungen, die aus dem Glaubensverständnis heraus<br />
entwickelt werden und zu denen der Christ - neben den autonom entwickelten<br />
weltethischen Weisungen - zusätzlich verpflichtet wird. Der Christ ist Mensch<br />
wie jeder andere auch, er hat kein eigenes Einmaleins und kein eigenes<br />
Alphabet, er hat auch keine eigenen naturalen Strukturen. Das Menschliche ist<br />
menschlich für die Heiden wie für die Christen. Aber der Christ steht aufgrund<br />
seines Glaubens in einem neuen Sinnhorizont, und aus diesem Sinnhorizont<br />
ergeben sich neue Motivationen für sein Handeln in der Welt. Aus diesem<br />
Sinnhorizont entsteht auch ein Effekt, der sich im Prozeß<br />
und Welt endgültig in Liebe angenommen. Die Annahme geschah nicht durch<br />
eine innergöttliche Deklaration, sondern durch die Selbstvergegenw'drtigung<br />
Gottes in der Geschichte und seine rückhaltlose Solidarisierung mit den<br />
Menschen und ihrer Welt. Die Kategorie der Heilsgeschichte gehört zur<br />
unverzichtbaren Substanz des Christentums. Durch Menschwerdung, Tod und<br />
Auferstehung hat Gott den Menschen der heilvollen Gemeinschaft mit sich<br />
128 Küng, Hans: Christ sein (Auszug), 1974, S. 525<br />
129 Partei und System, Eine kritische E..., 1973, S. 241<br />
127 Auer, Alfons: Die Bedeutung des Christlichen bei ..., 1977, S. 38<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 165<br />
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in Jesus Christus Menschheit und Welt endgültig in Liebe angenommen. Durch<br />
Menschwerdung, Tod und Auferstehung Jesu Christi läßt Gott den Menschen<br />
teilhaben an seiner heilvollen Gemeinschaft und verleiht ihm dadurch eine<br />
neue Seinswürde. 2. Danach kann der Mensch den letzten Sinn seiner Existenz<br />
nicht im Innerweltlichen<br />
1) ebd. S. 31.<br />
2) Böckle,Franz: Theonomie und Autonomie der Vernunft. In: Oelmüller,Willi: Fortschritt wohin?<br />
Düsseldorf 1972. S. 63-86. hier: S. 76.<br />
3) Auer,Alfons: Die Bedeutung des Christlichen bei der Normfindung. S. 38.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
teilhaft<br />
und dann hat sie auch eben gerade in einer säkularen Welt ihre besten<br />
Lebenschancen."5' - Was ist nun das christliche Proprium? a) Das christliche<br />
Proprium Gott hat in Jesus Christus Menschheit und Welt endgültig in Liebe<br />
angenommen. Die Annahme geschah nicht durch eine innergöttliche<br />
Deklaration, sondern durch die Selbstvergegenw'drtigung Gottes in der<br />
Geschichte und seine rückhaltlose Solidarisierung mit den Menschen und<br />
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126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 165<br />
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Textstelle (Originalquellen)<br />
und Auferstehung Jesu Christi läßt Gott den Menschen teilhaben an seiner<br />
heilvollen Gemeinschaft und verleiht ihm dadurch eine neue Seinswürde. 2.<br />
Danach kann der Mensch den letzten Sinn seiner Existenz nicht im<br />
Menschwerdung, Tod und Auferstehung hat Gott den Menschen der heilvollen<br />
Gemeinschaft mit sich teilhaft gemacht und ihm dadurch eine neue Seinswürde<br />
geschenkt. Wenn der Mensch nur im Heil voll zu sich selbst kommen kann,<br />
Innerweltlichen finden, weil er nur im Heil voll zu sich selbst kommen kann. heißt dies zugleich, daß der letzte Sinn seiner Existenz nicht im<br />
Er findet ihn " nur in jener Bewegung zum Vater, die Jesus in Gang gebracht Innerweltlichen gefunden werden kann, sondern nur in jener Bewegung zum<br />
hat und in der die gesamte Menschheit in der noch ausstehenden Geschichte in Vater, die Jesus in Gang gebracht hat und in der die gesamte Menschheit in der<br />
die Nähe zu Gott gebracht werden soll." 1 3. Wenn in Jesus wirklich die Liebe noch ausstehenden Geschichte in die Nähe zu Gott eingebracht werden soll.<br />
Gottes als neue menschliche Existenzgrundlage in die Geschichte eingetreten Diese Kernaussage über das christliche Proprium ist durch die biblische<br />
ist, dann ist durch ihn die Kommunikation aller Menschen miteinander möglich. 2<br />
Christologie vielfach und vielfältig bezeugt. Ihre Grundformeln sind freilich<br />
4. Indem der Mensch in einer Grundentscheidung sein Dasein auf Christus bis in die<br />
richtet, wird er frei, von sich selbst wegzugehen " und in die Bewegung Christi<br />
den Dienst am anderen befähige. Aber dieser Jesus ist nicht mehr Mittler des<br />
auf die anderen hin einzutreten." 3 5. Durch die in Jesus Christus ermöglichte<br />
Heils, sondern nur noch ansteckendes Modell der Mitmenschlichkeit - ohne<br />
Teilnahme am Leben Gottes entsteht ein 'neuer Mensch' und eine 'neue<br />
jede transzendente Perspektive.61 Wenn in Jesus wirklich die Liebe Gottes als<br />
Schöpfung'. Die Fixierungen auf Selbstbehauptung werden aufgebrochen und '<br />
friedenswirksame Energien' in der Menschheit aktiviert."Das Bewußtsein um<br />
die Geborgenheit der Welt in Gottes Huld schafft die Basis für die freie und<br />
liebende Zuwendung zum Nächsten und zum Ganzen der menschlichen<br />
Gesellschaft." 4 6. Kein noch so radikales menschliches Engagement wird aus<br />
sich heraus die Vollendung der Welt bewirken. Vielmehr wird der Kyrios in<br />
einer noch ausstehenden Heilstat das Werk, das er in Christus eröffnet hat,<br />
vollenden und die jetzige Welt<br />
neue menschliche Existenzgrundlage in die Geschichte eingetreten ist, dann ist<br />
durch ihn die Kommunikation aller Menschen miteinander möglich. Wer in<br />
einer Grundentscheidung sein ganzes Dasein auf Christus ausrichtet, gewinnt<br />
jene Freiheit, die es ihm ermöglicht, von sich selbst wegzugehen und in die<br />
Bewegung Christi auf die anderen hin einzutreten. Es mag tatsächlich mit der<br />
existentialen und personalistischen Orientierung der neueren Theologie<br />
zusammenhängen, daß die christliche Liebe in die "Kategorien des Intimen, des<br />
Privaten, des A-<br />
nicht aus dem Glauben heraus programmiert werden. Das christliche<br />
Proprium wird vielmehr darin manifest, daß durch die in Jesus Christus<br />
eröffnete Teilnahme am Leben Gottes ein "neuer Mensch" und eine "neue<br />
Schöpfung" entstehen, daß die Fixierungen auf die Selbstbehauptung<br />
aufgebrochen und friedenswirksame Energien in der Menschheit aktiviert,<br />
werden. Das Bewußtsein um die Geborgenheit der Welt in Gottes Huld schafft<br />
die Basis für die freie und liebende Zuwendung zum Nächsten und zum Ganzen<br />
der menschlichen Gesellschaft. Die christliche Kernaussage, daß Gott in Jesus<br />
Christus die Welt ? endgültig angenommen hat, erfährt im<br />
eschatologischen Kerygma eine konstitutive Explikation: In einer noch<br />
ausstehenden Heilstat , wird der Kyrios das Werk, das er als Christus eröffnet<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 165<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 166<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 167<br />
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damit zu ihrer absoluten Erfüllung bringen. Die Geschichte erhält für den<br />
Menschen den Charakter der Entscheidungszeit, in der die absolute<br />
Offenbarung vorbereitet und entfaltet wird. 7. In dieser Zeit tritt die christliche<br />
Gemeinde dann in Funktion,<br />
1) ders.: Autonome Moral und christlicher Glaube. Düsseldorf 1971. S. 165.<br />
2) ebd. S. 166.<br />
3) ebd. S. 166.<br />
4) ebd. S. 167.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
hat, vollenden und die jetzige Welt zur Erfüllung bringen. Die dynamische<br />
Orientierung unserer Zeit auf Zukunft hin hat ein bisher nicht gekanntes<br />
Pathos und teilweise auch ein echtes Ethos der Zukünftigkeit<br />
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126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 167<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 230<br />
der Entscheidungszeit, in der die absolute Offenbarung vorbereitet und<br />
entfaltet wird. 7. In dieser Zeit tritt die christliche Gemeinde dann in Funktion,<br />
wenn unter möglichen Zwecken Präferenzen und Prioritäten gesetzt werden<br />
müssen. Dabei orientiert sie sich " an den eschatologischen Verheißungen der<br />
Versöhnung, der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens." 1 8. Christus ist<br />
der Kyrios und Logos der Schöpfung. 'Gott als Sinn des Daseins' wird dann zur<br />
Leerformel, wenn er nicht zugleich der Anfang ist. " Ein Gott, der nicht Alpha<br />
ist, kann auch nicht Omega sein." 2<br />
Auf dem Fundament der Schöpfung<br />
entfaltet sich das gesamte Heilsgeschehen. Wahrheit, Ordnung und die<br />
geschichtliche Dynamik der Welt sind durch den Logos gestiftet und gehören<br />
nach der Schrift eindeutig zusammen. 9. Der Logos "hat der Welt die<br />
Möglichkeit sinnvoller und fruchtbarer menschlich-geschichtlicher Existenz<br />
vermittelt. Er hält diese Möglichkeit durch die ganze Geschichte hindurch<br />
offen. Er tut dies als transzendentale Ursache, er stellt die Welt frei in die<br />
Eigentlichkeit ihrer selbst, er läßt sie aus ihrer Immanenz heraus fortwährend<br />
sich erschaffen und näher zu sich selbst kommen. In ihren Anfang hinein<br />
erschafft er die Möglichkeit ihrer Fülle, die sie nunmehr aus sich selbst heraus<br />
entfaltet. Die in den einzelnen Bereichen der Welt aufzuspürenden<br />
Gesetzlichkeiten - wir nennen sie ihre Autonomie - sind durch den Logos<br />
vermittelte, aber selbstwirksame Stiftungen. Der Stifter interveniert nicht<br />
ständig in ihren Ablauf. Er läßt den Menschen in Freiheit walten und<br />
1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
christlichen Zukunftsgewissen kritisch-befreiend in jene gesellschaftlichpolitische<br />
Wirklichkeit hineinspricht, in der diese Planungsvorhaben<br />
programmiert werden"". Bei diesen Einsprüchen orientiert sich die Gemeinde<br />
der Gläubigen an den eschatologischen Verheißungen der Versöhnung, der<br />
Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens. Aus diesem "Horizont einer<br />
universalen Humanisierung" (J. B. Metz) heraus lyitisiext sie alle Versuche,<br />
geschichtlich gewordene Zustände zu verabsolutieren bzw. bestimmte<br />
Zielvorstellungen künftiger Gesellschaftsgestaltung ideologisch als definitivoffene<br />
Zukunft der Menschen, Gott als Sinn des Daseins, das wird zur schönen,<br />
leeren Formel, wenn dieser Gott nicht zugleich als mächtiger Anfang gedacht<br />
wird. Ein Gott, der nicht Alpha ist, kann auch nicht Omega sein. Ohne<br />
Schöpfungslehre keine Eschatologie ... Der christliche Gottesbegriff wird<br />
verfälscht, wenn er auf das spezifisch Christliche reduzier! wird. Der Satz,<br />
daß Gott die Liebe ist, soll<br />
Ordnung und geschichtliche Dynamik der Welt sind durch das "Wort"<br />
entstanden. Durch sein "Wort" hat Gott der Welt die Möglichkeiten sinnvoller<br />
und fruchtbarer Geschichte ermittelt. Er hält diese Möglichkeit durch die ganze<br />
Geschichte hindurch offen. Er tut dies als transzendentale Ursache, d. h., er<br />
stellt die Welt frei in die Eigentlichkeit ihrer selbst, er läßt sie immer mehr zu<br />
sich selbst kommen, indem er sie aus ihren immanenten Kräften heraus<br />
fortwährend sich selbst erschaffen läßt. In ihren Anfang hinein hat er<br />
transzendentale Ursache, er stellt die Welt frei in die Eigentlich-, keit ihrer<br />
selbst, er läßt sie immer mehr zu sich selbst kommen, indem er sie aus ihrer<br />
Immanenz heraus fortwährend sich' erschaffena läßt. Jn Jfrim-Anfang a ihrer<br />
Theologie, Proph tie, Politik 494 f. " /. Groß, in: Mysterium Salutis II,<br />
437 f. . Fülle, die sie nunmehr aus sich selbst heraus entfaltet.77 Die in den<br />
einzelnen Bereichen der Welt aufzuspürenden Gesetzlichkeiten wir nennen sie<br />
ihre Autonomie - sind durch den Logos vermittelte, aber selbstwirksame<br />
Stiftungen Gottes. Der Stifter interveniert nicht : ständig in ihren Ablauf. Er<br />
läßt den Menschen in Freiheit walten und jAtut nichts, um ihn zur Marionette<br />
zu erniedrigen. Sein Wirken in der Welt ist nicht "eine Art metaphysisches<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 169<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 171<br />
127 Auer, Alfons: Die Bedeutung des Christlichen bei ..., 1977, S. 44<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 171<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 172<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 230<br />
tut nichts, um ihn zur Marionette zu erniedrigen. ... Die transzendentale<br />
Ursächlichkeit des Schöpfers und die damit gegebene totale Abhängigkeit der<br />
Welt von seiner Schöpferkraft gefährden also in keiner Weise die Autonomie<br />
der Welt, sie begründen vielmehr ihre Möglichkeit." 3 10. Christos, Kyrios und<br />
Logos - dies sind die drei Würdenamen, mit denen sich das christliche Proprium<br />
umschreiben läßt. Die Welt - und dazu gehört auch das Sittliche als freie<br />
Schöpfung des menschlichen Geistes - steht in sich selbst. Dieses In-sichselbst-stehen<br />
ist aber nur möglich, wenn sie in Relation zum Christos, dem<br />
Kyrios und Logos - und damit zum göttlichen Urgrund aller Wirklichkeit -<br />
steht. Die Vertreter einer autonomen Moral im christlichen Kontext bejahen<br />
also die Autonomie des Sittlichen, weil sie in der Autonomie der Wirklichkeit<br />
impliziert ist. Sie lehnen eine absolute Autonomie ab, weil sie ihren<br />
Ermöglichungsgrund in bestimmten transzendentalen Relationen hat, die aber<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Subsidiaritätsprinzip" 78 , das sich neben den innerweltlichen<br />
durch das "Wort" vermittelte, aber selbstwirksame Stiftungen Gottes. Der<br />
Stifter interveniert nicht ständig in ihren Ablauf hinein. Er läßt den Menschen<br />
in Freiheit walten und tut nichts, um ihn zur Marionette zu erniedrigen. Gott ist<br />
nicht der Rivale des Menschen, er will ihn nicht aus seiner Herrschaftsstellung<br />
in der Welt verdrängen, er hat ihn selbst in diese Stellung<br />
der Welt ist nicht "eine Art metaphysisches Subsidiaritätsprinzip" 78 , das sich<br />
neben den innerweltlichen Kräften kategorial aktuiert (mögen auch bei vielen<br />
christlichen Betern andere Vorstellungen herrschen). Die transzendentale<br />
Ursächlichkeit des Schöpfers und die damit gegebene totale Abhängigkeit der<br />
Welt von seiner Schöpferkraft gefährden also in keiner Weise die Autonomie<br />
der Welt, sie begründen vielmehr ihre Möglichkeit. Gott ist nicht der Rivale des<br />
Menschen, er will ihn nicht aus seiner Herrschaftsstellung in der Welt<br />
verdrängen, im Gegenteil: er will, daß er sie<br />
daß sich das christliche Proprium mit den drei Würdenamen Christos, Kyrios<br />
und Logos umschreiben läßt. Die Welt zur Welt gehört auch das Sittliche als<br />
eine freie Schöpfung des menschlichen Geistes - steht in sich selbst, aber<br />
dieses In-sich-selbst- Stehen der Welt ist nur möglich, weil sie in Relation zum<br />
Christos, zum Kyrios und zum Logos und damit zum göttlichen Urgrund aller<br />
Wirklichkeit steht. Die Behauptung der Eigenständigkeit der Welt bringt noch<br />
nicht die volle Wahrheit zum Ausdruck. Diese Behauptung muß dahingehend<br />
integriert werden, daß die Welt in transzendente Relationen<br />
göttlicher, als die Dinge zu machen, ist es, zu machen, daß sie sich selber<br />
machen." b) Das christliche Proprium und die Autonomie des Sittlichen Wir<br />
bejahen die Autonomie des Sittlichen, weil sie in der Autonomie der<br />
Wirklichkeit impliziert ist. Wir bestreiten eine absolute Autonomie der Welt<br />
und des Sittlichen, weil diese Autonomie ihren Ermöglichungsgrund in<br />
bestimmten transzendenten Relationen hat, die freilich der Eigenwertigkeit und<br />
Aber es gibt keine absolute Autonomie der Welt und auch keine absolute<br />
Autonomie des Sittlichen, weil diese Autonomie wesenhaft in bestimmten<br />
127 Auer, Alfons: Die Bedeutung des Christlichen bei ..., 1977, S. 44<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 172<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 173<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 231<br />
der Eigenwertigkeit und Eigengesetzlichkeit der Welt nicht abträglich sind. Nun<br />
ist die Beschreibung 'autonome Moral im christlichen Kontext' ein<br />
Sammelbegriff für mehrere Denkmodelle, die vor allem in der Beschreibung<br />
des Verhältnisses von autonomer Moral und ihrem Ermöglichungsgrund<br />
Unterschiede aufweisen. Ich möchte unter<br />
1) ebd. S. 169.<br />
2) ebd. S. 171.<br />
3) ebd. S. 172.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Relationen steht, die freilich der Eigenwertigkeit und Eigengesetzlichkeit der<br />
Welt nicht nur nicht abträglich sind, sondern sie erst recht begründen und<br />
erfüllen. Wir bejahen die Autonomie des Sittlichen, aber wir behaupten ihre<br />
wesenhafte Relationalität. Mit der<br />
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125 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Gla..., 1977, S. 63<br />
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der Marek sieht das Spezifikum christlicher Moral ausgeprägt auf der Ebene<br />
der Erkenntnis: Christliche Offenbarung verweist den Menschen auf das, was<br />
von Anfang der Welt an verborgen ist, die geschichtliche Gegenwärtigkeit<br />
Gottes in jedem Menschen. Die spezifische Form der Gegenwart Gottes in der<br />
Welt ist die Tatsache, daß menschliches Handeln intersubjektiv ist. Darum ist<br />
jedes intersubjektiv-menschliche Handeln Gottesgemeinschaft. " Es gibt keine<br />
Menschlichkeit, die nicht Gottes Antlitz zeigt, und es ist Gottes Antlitz, das für<br />
uns in aller Menschlichkeit sichtbar wird. ... Ethik kann nicht anders als<br />
christliche Ethik sein, nicht kraft der Natur oder Menschlichkeit, sondern kraft<br />
Gottes Menschwerdung und Selbstoffenbarung in Menschlichkeit." 1<br />
Jede<br />
menschliche Ethik ist somit faktisch christlich und wirklich christliche Ethik<br />
betreibt nur, wer konsequent die menschliche Autonomie erkennen und gelten<br />
läßt. Dies ist ein Aspekt der Menschwerdung Gottes. " Gott und Mensch sind<br />
keine Konkurrenten." Der Mensch besteht nicht trotz Gott, sondern dank Gott;<br />
er ist nicht frei, obgleich er Geschöpf Gottes ist, sondern gerade seine<br />
Geschöpflichkeit läßt ihn frei werden. " Die menschliche Autonomie tut Gott in<br />
keiner Weise Abbruch, sondern ist im Gegenteil göttliche Gabe. Die<br />
menschliche Tätigkeit, Intersubjektivität, Gutheit und Gutwilligkeit tasten<br />
Gottes Menschwerdung und Erlösung nicht an, sondern sind im Gegenteil<br />
deren durch Gott selbst gewirkte und getragene Gestalt." 2<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sei hingewiesen auf die mannigfachen Versuche, das christliche Proprium in<br />
neuen, dem heutigen Verstehenshorizont angemessenen "Kurzformeln des<br />
Glaubens" zum Ausdruck zu bringen. Subjektivität ist aber die spezifische<br />
Form der Gegenwart Gottes in der Welt, darum ist jedes intersubjektivmenschliche<br />
Handeln Gottesgemeinschaft. Durch den wesentlichen und<br />
zentralen Inhalt der christlichen Offenbarung finden wir uns - so W. van der<br />
Marek "dorthin verwiesen, wo ausgesprochen und enthüllt wird, was von<br />
an der göttlichen Reichweite dieses Christus vorbeisehen. Außer ihm gibt es<br />
keine Menschlichkeit, und alles, was es an Menschlichkeit gibt, besteht in ihm.<br />
Anders ausgedrückt: Es gibt keine Menschlichkeit, die nicht Gottes Antlitz<br />
zeigt, und es ist Gottes Antlitz, das für uns in aller Menschlichkeit sichtbar wird.<br />
Schöpfung erweist sich als Menschwerdung - und Erlösung -, und deshalb ist<br />
die traditionelle Dogmatik so "christologisch". Natur erweist sich als Gnade (<br />
wir werden das später nodi näher aufzeigen) - und deshalb ist die traditionelle<br />
Moral so "christozentrisch". Ethik kann nicht anders als christliche Ethik sein,<br />
nicht kraft der Natur<br />
um zu sagen, daß die menschliche Ethik faktisch christlich ist und daß wir<br />
deshalb nur dann eine wirklich christliche Ethik betreiben, wenn wir<br />
fortwährend und konsequent die menschliche Autonomie erkennen und gelten<br />
lassen. Diese Autonomie - Schlüsselformel von "Schema 13" des II.<br />
Vatikanischen Konzils - ist eine wesentliche Voraussetzung der christlichen<br />
Ethik, und ohne sie ist eine christliche Ethik nicht möglich. Sie ist ein anderer<br />
Aspekt der Menschwerdung Gottes. Gott und Mensch sind keine Konkurrenten.<br />
Der Mensch besteht nicht trotz Gott, sondern dank Gott, und der Mensch wird<br />
durch die Tatsache, daß er Gottes Menschlichkeit Gestak gibt, nicht<br />
beeinträchtigt, im Gegenteil; wie könnte es anders sein, und was wäre<br />
nicht beeinträchtigt, im Gegenteil; wie könnte es anders sein, und was wäre der<br />
Mensch sonst? Der Mensch ist nicht trotz Gott, sondern dank Gott frei. Die<br />
menschliche Autonomie tut Gott in keiner Weise Abbruch, sondern ist im<br />
Gegenteil göttliche Gabe. Die menschliche Tätigkeit, Intersubjektivität,<br />
Gutheit und Gutwilligkeit tasten Gottes Menschwerdung und Erlösung nicht an,<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 174<br />
130 van der Marek, Wilhelm: Grundzüge einer christlichen Ethik, 1967, S. 19<br />
130 van der Marek, Wilhelm: Grundzüge einer christlichen Ethik, 1967, S. 20<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 232<br />
Kirchliche Verkündigung hat den Sinn aller innerweltlichen Aufgaben<br />
aufzuweisen, muß zeigen, daß sie göttliche Heilsaufgaben sind. Leitbegriff:<br />
Intentionalität Josef Fuchs sieht das Proprium christlicher Moral ausgeprägt auf<br />
der Ebene des Vollzugs in einer besonderen Motivation, die dem menschlichen<br />
Handeln einen tieferen und reicheren Sinn gibt. Christliche Intentionalität<br />
zeichnet sich aus durch die grundlegende Entschiedenheit des Glaubenden, die<br />
Liebe Gottes anzunehmen und zu erwidern. Zugrunde liegt die Einsicht, daß<br />
sich im Sittlichen kategoriale Werte (Gerechtigkeit,Treue,Keuschheit u.a.)<br />
realisieren und eben darin der Mensch sich als Person verwirklicht. Aus<br />
vollpersonaler Entschiedenheit für Christus tritt der Mensch in die Nachfolge<br />
Christi<br />
1) van der Marek,Wilhelm: Grundzüge einer christlichen Ethik. Düsseldorf 1967. S. 20/21.<br />
2) ebd. S. 21.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sondern sind im Gegenteil deren durch Gott selbst gewirkte und getragene<br />
Gestalt. Es wäre ein fataler Irrtum, Gott mit der evolvierenden Menschheit zu<br />
identifizieren, aber wenn wir weiterhin von Gottes Transzendenz und Immanenz<br />
sprechen wollen, dann müssen<br />
eher in unthematisch-unreflexer (aber keineswegs geringerer) Bewußtheit<br />
realisiert werden. Näherhin wirkt sich die christliche Intentionalität für das<br />
konkrete sittliche Verhalten in christlichen Motivationen aus, die dem<br />
menschlichen Handeln einen "tieferen und reichen Sinn" geben. Allerdings<br />
sieht J. Fuchs im christlichen Sinnverständnis etwa der Entsagung oder der<br />
Jungfräulichkeit eine "inhaltliche" Bestimmung der Weisen unseres Verhaltens.<br />
Darüber könnte man<br />
sondern in der christlichen Intentionalität. Er hebt also mehr auf die Ebene des<br />
konkret-existentiellen Vollzugs ab. Er versteht unter christlicher Intentionalität<br />
die-"grundlegende christliche Entschiedenheit des Glaubenden, die Liebe<br />
Gottes anzunehmen und zu erwidern, als Glaubender und Liebender in der<br />
Nachfolge Christi die Verantwortung des Lebens in dieser Welt auf sich zu<br />
nehmen, also als einer, der in Glauben<br />
130 van der Marek, Wilhelm: Grundzüge einer christlichen Ethik, 1967, S. 20<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 176<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 175<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 233<br />
Gerechtigkeit,Treue,Keuschheit u.a.) realisieren und eben darin der Mensch<br />
sich als Person verwirklicht. Aus vollpersonaler Entschiedenheit für Christus<br />
tritt der Mensch in die Nachfolge Christi und nimmt bei der Gestaltung der<br />
Welt Verantwortung auf sich. Der Selbstvollzug der Person vor dem Absoluten<br />
verwirklicht sich in sittlichen Einzelhandlungen. 1<br />
Leitbegriff: Integrierung<br />
Alfons Auer sieht unter dem Begriff 'Integrierung' alle Dimensionen - die<br />
heilsgeschichtlich-vermittelte Wirklichkeit des neuen Seins, die Interpretation<br />
der Welt aus dem Glauben an diese neue Wirklichkeit und die daraus<br />
entwickelte Verifizierung im sittlichen Vollzug zusammengefaßt. Vergleicht<br />
man die Schriften Auers, so stellt man eine Entwicklung fest: In seinem 1960<br />
erschienen Buch "Weltoffener Christ" stellt er die Erkenntnis, Anerkennung<br />
1) Fuchs,Josef: Gibt es eine spezifisch christliche Moral? StdZ 95 (1970). S. 90-112.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wie Gerechtigkeit, Treue, Keuschheit) realisiert werden, daß sich eben darin<br />
andererseits der Mensch selbst als Person aktuiert - als Person, d. h. letztlich in<br />
seiner Verwiesenheit auf Gott. Der Selbstvollzug der Person vor dem<br />
Absoluten verwirklicht sich konkret also in partikulären sittlichen<br />
Einzelhandlungen, wobei die kategorialen sittlichen Werte eher in thematischreflexer,<br />
die Person selbst eher in unthematisch-unreflexer (aber keineswegs<br />
geringerer)<br />
bei dieser Darstellung des christlichen Proprium hauptsächlich auf die<br />
Intentionalität und damit auf den Vollzuejdes sittlichen Handelns abgehoben<br />
ist.86 Weil unter dem drittenStichworf, äemTcler "Integrierttng", alle<br />
Dimensionen - die heilsgeschichtlich vermittelte Wirklichkeit des "neuen Seins"<br />
in Christus, die Interpretation der Welt aus dem Glauben 81 Gibt es eine<br />
spezifisch christliche Moral? 102; a. a. O. 108 heißt es einfach "der lebendige<br />
christliche Glaube". A*.y : : an diese Wirklichkeit und die ethisch-spirituelle<br />
Verifizierung im sittlichen<br />
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126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 176<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 234<br />
Umschreibung des Stichwortes 'Integrierung' mehr zu der 'Dynamik-These. Er<br />
sieht im Neuen Testament das spezifisch Christliche in der Begründung der<br />
gängigen sittlichen Weisungen und in ihrer Ausrichtung auf Christus hin. Das<br />
Engagement des Christen " in der autonomen Welt ist im Glauben gewußte<br />
Partnerschaft mit dem Schöpfergott in der Entfaltung der von ihm gestifteten<br />
Möglichkeiten" 1 . Das christliche Proprium des Sittlichen besteht " in der<br />
Integrierung des natürlich-sittlichen (autonomen) Handelns in den Vollzug<br />
seiner religiösen Verbundenheit mit Gott. ... Die autonom entwickelte<br />
Sittlichkeit wird zum BeWährungsfeld der Gottesliebe." 2<br />
In seinem Aufsatz "<br />
Die Autonomie des Sittlichen nach Thomas von Aquin", der 1977 erschienen<br />
ist, verzichtet Auer auf die Herausstellung der Sachgesetzlichkeiten. Bei<br />
Interpretation von Thomas von Aquin spricht er sogar davon, daß "die<br />
Autonomie des Sittlichen im Sinne von Selbstgesetzlichkeiten" 3<br />
zu sehen sei.<br />
Er stellt fest, daß Thomas die Autonomie des Sittlichen gegenüber der<br />
Naturordnung wahrt. Die Naturordnung selbst kann nicht Kriterium<br />
menschlichen Handelns sein. " Prinzip und Maß des Sittlichen ist vielmehr die<br />
praktische Vernunft des Menschen. Sie ist sich selbst Gesetz." 4<br />
Die Vernunft<br />
erkennt die in der Wirklichkeit<br />
6% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
weil aus seinem Glaubenswissen neue Motivationen erstehen, die ihn in eine<br />
Unentrinnbarkeit personaler Verantwortung stellen, wie sie der Nicht-<br />
Glaubende eben nicht kennt. Sein Engagement in der autonomen Welt ist im<br />
Glauben gewußte Partnerschaft mit dem Schöpfergott in der Entfaltung der von<br />
ihm gestifteten Möglichkeiten und im Widerstand gegen alle aus ihm selbst und<br />
seinen Mitmenschen hervorbrechenden Sperrungen gegen diese Entfaltung.<br />
Sein Engage- ment in der autonomen Welt ist im<br />
Heraufkunft der letzten Heilstat des wiederkommenden Herrn vorbehalten ist.<br />
Das christliche Proprium des Sittlichen liegt also nicht in neuen, nur dem<br />
Gläubigen zugänglichen Verhaltensnormen, sondern in der Integrierung des<br />
natürlich-sittlichen (autonomen) Handelns in den Vollzug seiner religiösen<br />
Verbundenheit mit Gott. In der Treue zur sittlichen Entfaltung seiner Person<br />
und seiner sozialen Beziehungen muß der Christ die Redlichkeit seines<br />
Glaubens an seine Verbundenheit mit Gott und die' Fruchtbarkeit einer<br />
Existenz aus dem damit eröffneten Sinnhorizont<br />
zitiert der Verfasser den Kommentar zum Galaterbrief von Gutjahr 21912 1 1<br />
Hier ist auf eine einseitige Betonung der ratio bei Thomas durch A. Auer<br />
hinzuweisen. Vgl. seinen Aufsatz: Die Autonomie des Sittlichen nach Thomas<br />
von Aquin 31-54. 2 2 Vgl. O. H. Pesch, Theologie der Rechtfertigung 950 Vgl<br />
bes Ders Existentielle und sapientiale Theologie. Hermeneutische Erwägungen<br />
zur systematisch-theologischen Konfrontation zwischen Luther und Thomas<br />
von Aquin in -<br />
und nur durch die Vernunft zum Wohl des Menschen verwirklicht werden. Sie<br />
ist das eigentlich ordnende, das letztlich normierende Prinzip.24 Wir stellen<br />
fest: Thomas wahrt die Autonomie des Sittlichen gegenüber der Naturordnung.<br />
Diese kann als solche nicht Kriterium menschlichen Handelns sein. Prinzip und<br />
Maß des Sittlichen ist vielmehr die praktische Vernunft des Menschen. Sie ist<br />
sich selbst Gesetz. Das ,secundum rationem vivere', das Leben und Handeln<br />
nach den aus der Erfahrung gewonnenen Einsichten der Vernunft, entfaltet das<br />
bonum humanum, läßt Menschsein glücken. Aber<br />
eine relationale: sie steht in realer Beziehung zum Finalitätsgefüge der Natur.<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 177<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971, S. 178<br />
123 Bujo, Benezet: Moralautonomie und Normenfindung be..., 1979, S. #P#Amour 69<br />
131 Walgenbach, Christoph: Die Autonomie des Sittlichen nach T..., 1977, S. 35<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 234<br />
wirksamen Intentionalitäten in ihrer Zuordnung auf erfülltes Menschsein. Die<br />
Autonomie des Sittlichen ist insofern eine relationale, " sie steht in realer<br />
Beziehung zum Finalitätsgefüge der Natur." 5<br />
Wollte man die Entwicklung der<br />
Argumentation Auers in eine Formel bringen, so könnte man sagen: Während<br />
er in seinen frühen Schriften den Begriff der Sachgesetzlichkeiten (und deren<br />
Auffinden) in den Vordergrund stellt, spricht er in<br />
1) Auer,Alfons: a.a.O. S. 177/178.<br />
2) ebd. S. 178.<br />
3) ders.: Die Autonomie des Sittlichen nach Thomas von Aquin. In: Christlich glauben und<br />
handeln. Düsseldorf 1977. S. 3-54. hier: S. 52.<br />
4) ebd. S. 36<br />
5) ebd. S. 36/37.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Die Vernunft lernt aus dem Umgang mit der Wirklichkeit, sie erkennt die in ihr<br />
wirksamen Intentionalitäten in ihrer Zuordnung auf erfülltes Menschsein. Die<br />
nachdrückliche Hervorhebung der praktischen Vernunft als des Organs der<br />
Entdeckung menschlicher Möglichkeiten und damit sittlicher Verbindlichkeiten 25<br />
läßt erkennen, wieviel Thomas an der Herausstellung der Autonomie<br />
Handeln nach den aus der Erfahrung gewonnenen Einsichten der Vernunft,<br />
entfaltet das bonum humanum, läßt Menschsein glücken. Aber die Autonomie<br />
des Sittlichen ist eine relationale: sie steht in realer Beziehung zum<br />
Finalitätsgefüge der Natur. Die Vernunft lernt aus dem Umgang mit der<br />
Wirklichkeit, sie erkennt die in ihr wirksamen Intentionalitäten in ihrer<br />
Zuordnung auf erfülltes Menschsein. Die nachdrückliche Hervorhebung<br />
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131 Walgenbach, Christoph: Die Autonomie des Sittlichen nach T..., 1977, S. 36<br />
131 Walgenbach, Christoph: Die Autonomie des Sittlichen nach T..., 1977, S. 35<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 235<br />
Anliegen zum Ausdruck, das schon früher in Formulierung und<br />
dazugehörenden Konsequenzen bei Franz Böckle auftaucht. Gemeint ist das<br />
Anliegen der Kommunikabilität sittlicher Weisungen. 1<br />
Leitbegriff:<br />
Kommunikabilität Böckle umschreibt das proprium christianum im strengen<br />
Sinn als den Glauben an Gottes Heilshandeln in Jesus Christus, das Grund und<br />
Ziel menschlichen Lebens ist. Dementsprechender Existenzvollzug erfolgt in<br />
Glaube, Hoffnung und Liebe. Sein und Handeln werden von daher und<br />
daraufhin gedeutet und vollzogen. Er meint, es müßte möglich sein, " die<br />
Konsequenzen für das zwischenmenschliche Verhalten, die sich aus dem<br />
Glauben an Gott und an die Macht seiner befreienden Liebe ergeben, allen<br />
Menschen erfahrbar zu machen." 1<br />
Wesentliche Voraussetzung von<br />
Kommunikabilität und Konsensbildung ist die Verstehbarkeit des sittlich<br />
Geforderten. " Sittlich handeln heißt verantwortlich handeln. Und dies erfordert<br />
ein Handeln aus Einsicht." Ein sittlicher Akt muß als solcher grundsätzlich<br />
einsehbar und verstehbar sein. Dies gilt in gleicher Weise für die Normen, die<br />
dem Menschen als Orientierung für sittliches Handeln gegeben werden. Dabei<br />
kann es genügen, sich von einer sachkompetenten Autorität, die über diese<br />
Einsicht verfügt, führen zu lassen. "<br />
19% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Kirche Theologie ist keine Privatwissenschaft. Theologie geschieht im Raum<br />
der Kirche; sie gehört zur wesentlichen Eunktion der Kirche. Weil die Kirche<br />
sich aus dem Glauben an Gottes Heilshandeln in Jesus Christus aufbaut, gehört<br />
das immer neue Durchdringen und Verstehen der Offenbarung Gottes in der<br />
Geschichte zu ihrem Selbstvollzug als Gemeinschaft gläubiger und im gleichen<br />
Glauben verbundener<br />
vom Christentum für das Zusammenleben der Menschen erhobenen sittlichen<br />
Normen originär oder gar exklusiv christlich sind; uns interessiert letztlich vor<br />
allem ihre Kommunikabilität. Wir meinen, es müßte möglich sein, die<br />
Konsequenzen für das zwischenmenschliche Verhalten, die sich aus unserem<br />
Glauben an Gott und an die Macht seiner befreienden Liebe ergeben, allen<br />
Menschen erfahrbar zu machen. Entscheidend ist darum auch nicht die Frage,<br />
welche und wie viele ethische Wahrheiten (Weltethos) das Christentum aus der<br />
Geistesgeschichte des Menschen rezipiert hat. Es gilt<br />
Ordnung geht es den Moraltheologen in ihrer Diskussion um das Proprium der<br />
christlichen Ethik. Kommunikation und Konsensbildung sind aber nur möglich<br />
unter der Voraussetzung der Verstehbarkeit des sittlich Geforderten: Sittlich<br />
handeln heißt verantwortlich handeln. Und dies fordert ein Handeln aus<br />
Einsicht. Mit dieser Forderung nach Einsicht ist nicht gemeint, daß der<br />
Handelnde in jedem Fall die Sachgründe für ein bestimmtes Tun<br />
Gehorsams reduzieren. Die in solchem Gehorsam vollzogene Tat wäre zwar<br />
indirekt im Gehorsamsakt sittlich verantwortet, formal könnte sie aber nicht als<br />
eigener sittlicher Akt gelten. Ein sittlicher Akt muß als solcher grundsätzlich<br />
einsehbar und verstehbar sein. Entsprechend müssen aber auch die Normen,<br />
durch die unser verantwortliches Verhalten zum Menschen und zur Welt direkt<br />
geregelt werden soll, grundsätzlich der vernünftigen menschlichen Einsicht<br />
daß der Handelnde in jedem Fall die Sachgründe für ein bestimmtes Tun<br />
durchschauen müsse, um überhaupt verantwortlich handeln zu können. Es kann<br />
genügen, daß er sich von einer sachkompetenten Autorität, die über diese<br />
Einsicht verfügt, führen läßt. Wenn aber ein Sachbezug überhaupt nicht positiv<br />
einsehbar wäre, oder wenn jemand überhaupt keine Einsicht hätte in das, was<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 321<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 234<br />
132 Böckle, Franz: Glaube und Handeln, 1976, S. 642<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 291<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 236<br />
Die Geltung einer sittlichen Norm als solcher (kann) nicht allein auf einen<br />
autoritativen Akt, auch nicht auf das bloße Faktum des Bezeugtseins in Schrift<br />
und Tradition zurückgeführt werden, ... die Norm muß in der Sache selbst<br />
einsichtig sein." 2<br />
In drei Thesen umschreibt Böckle den Einfluß des Glaubens<br />
auf die Sittlichkeit: 1. " Der Glaube an Gottes Heilstat in Jesus Christus gibt dem<br />
sittlichen Freiheitsvollzug den tragenden Grund und Sinn. ... 2. Der Glaube<br />
vertieft und sichert die für das konkrete Handeln bedeutsamen Einsichten. ... 3<br />
. Der Glaube verbietet uns die Verabsolutierung irgendeines geschaffenen<br />
Gutes."|3 zu 1: Eigentliches Motiv menschlichen Handelns ist nicht die Sorge<br />
und Angst um Lohn und Strafe, sondern die Dankbarkeit für bereits erfahrene<br />
Liebe. zu 2: Böckle unterscheidet<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
er sachlich tun soll, dann<br />
dem Menschen bestimmend zu sein, muß der Würdebegriff durch eindeutig und<br />
allgemein verständliche Wertprädikate wie z.B. "Person", "Leben", "leibliche<br />
Integrität" usw. interpretiert und operational gemacht werden. Die Geltung<br />
einer sittlichen Norm als solcher kann eben nicht allein auf einen autoritativen<br />
Akt, auch nicht auf das bloße Faktum des Bezeugtseins in Schrift und<br />
Tradition zurückgeführt werden, dje__Norm muß in der Sache selbst einsichtig<br />
sein. Ein theologischer Positivismus wäre in der Moraltheologie nicht mehr<br />
wert als der Rechtspositivismus in der<br />
sittlichen Norm als solcher nicht allein auf einen autoritativen Akt, auch nicht<br />
auf das bloße Faktum des Bezeugtseins in Schrift und Tradition zurückgeführt<br />
werden kann, die Norm muß in der Sache selbst einsichtig sein. Man muß sich<br />
daher fragen, was genauerhin gemeint ist, wenn man in der traditionellen<br />
Moraltheologie von "geoffenbarten sittlichen Forderungen" spricht. Keinesfalls<br />
sind damit - wenn wir<br />
der freilich den partikulären Normen des Verhaltens einen bestimmten<br />
Stellenwert gibt. Allgemein läßt sich der Einfluß des Glaubens auf die<br />
Sittlichkeit in drei Thesen verdeutlichen: 1. Der Glaube an Gottes Heilstat in<br />
Jesus Christus gibt dem sittlichen Freiheitsvollzug den tragenden Grund und<br />
Sinn. Die ständige Erinnerung an das, was Gott durch Jesus Christus am<br />
Menschen getan hat und immerfort tut, weist hin auf den tragenden Grund und<br />
das Leitmotiv des sittlichen Lebens der Christen. Gefordert wird eine<br />
grundlegende Entscheidung (Metanoia, Umkehr), die als "fundamentum et<br />
radix" (DS 1532) die ganze<br />
Existenz gibt dem ganzen Leben eine unterscheidende Richtung. Christliches<br />
Leben will verstanden werden als ein Leben aus der Fülle. Dankbarkeit für<br />
erfahrene Liebe und nicht Sorge und Angst um Lohn und Strafe bildet daher<br />
das eigentliche Motiv des Handelns. Die Grundentscheidung-man könnte vom<br />
geformten Glauben sprechen (fides formata) - soll als transzendental sittlicher<br />
Akt das ganze Leben<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 292<br />
132 Böckle, Franz: Glaube und Handeln, 1976, S. 642<br />
132 Böckle, Franz: Glaube und Handeln, 1976, S. 643<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 236<br />
zwischen 'sittlich relevanten Einsichten und sittlichen Urteilen'. Er behauptet,<br />
daß der Glaube nur auf der Ebene der Werteinsicht (= Erkenntnis und<br />
Einschätzung bestimmter Gegebenheiten, die für den Menschen und sein<br />
Verhalten bedeutsam sind) direkten Einfluß haben kann. Werteinsichten sollen<br />
beim Handeln beachtet werden, aus ihnen ergibt sich aber nicht unmittelbar<br />
eine konkrete Handlungsregel. " Darum ist das Wertfeststellungsurteil noch<br />
kein sittliches Urteil, wiewohl es für das sittliche Handeln bedeutsam ist." 1<br />
Der<br />
Glaube an einen Gott, der den Menschen aus Liebe geschaffen und ihn in Liebe<br />
angenommen hat, impliziert, daß jedem Menschen als Geschöpf Gottes ein<br />
personaler Wert zu eigen ist, der völlig unabhängig ist vom<br />
1) Eduard Hengstenberg thematisiert in einem jüngst gehaltenen Vortrag ebenfalls die<br />
Notwendigkeit der Kommunikabilität ethischer Normen. Er nimmt eine "universale Ethik" an, "<br />
deren Prinzipien, trotz aller Barrieren völkischer, sozialer, gesellschaftlicher,<br />
geschichtlicher und sprachlicher Art, allen Menschen einleuchtend gemacht werden können.<br />
Kurzformel dieser Ethik ist das universale Sinngebot." Daneben lehnt er eine spezifisch "<br />
christliche Ethik" ab. Zum sittlichen Sollen, das Universalanspruch erhebe, kommt nach<br />
Hengstenberg für den Christen hinzu das "offenbarungsherkünftige Sollen", ein Sollen, das<br />
nicht weiter hinterfragbar ist, "das müssen sie sich sagen lassen aus der Offenbarung". Beide<br />
bilden "beim Christen einen einheitlichen Gesamtlebensvollzug: das Leben aus dem<br />
offenbarungs ......<br />
1) Böckle, Franz: Glaube und Handeln. In: CONCILIUM. 12 (1976). Heft 12. S. 641-647. hier: S.<br />
641/642.<br />
2) ebd. S. 642.<br />
3) ebd. S. 643/644.<br />
1) ebd. S. 643.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Eigenstruktur. Darauf zielt die zweite These. 2. Der Glaube vertieft und sichert<br />
die für das konkrete Handeln bedeutsamen Einsichten. Wir greifen mit dieser<br />
These die Unterscheidung zwischen "sittlich relevanten Einsichten" und "<br />
sittlichen Urteilen" auf und behaupten, daß der Glaube .nur* auf die<br />
Werteinsichten einen direkten Einfluß haben kann. Auf die sittlichen Urteile, d.<br />
h. auf die Beurteilung, ob ein bestimmtes<br />
immer auf das Handeln. Sittlich werten ' kann man strenggenommen nur das<br />
Handeln des Menschen, den wertrealisierenden Akt. Bei der Werteinsicht<br />
handelt es sich um die Erkenntnis und Einschätzung bestimmter<br />
Gegebenheiten, die für den Menschen und sein Verhalten bedeutsam sind, die<br />
gewiß beim Handeln beachtet sein wollen, die aber aus sich unmittelbar noch<br />
keine konkrete Handlungsregel ergeben. Darum ist das Wertfeststellungsurteil<br />
noch kein sittliches Urteil,<br />
Gegebenheiten, die für den Menschen und sein Verhalten bedeutsam sind. Sie<br />
wollen beim Handeln beachtet werden; aber sie ergeben aus sich noch keine<br />
konkrete Handlungsregel. Darum ist das Wertfeststellungsurteil noch kein<br />
sittliches Urteil, wiewohl es für das sittliche Handeln bedeutsam ist. In diesem<br />
Sinne ist der jedem Menschen unabhängig von Geburt und Leistung<br />
zukommende Wert (die Menschenwürde als sogenannter Symbolwert) ein<br />
fundamentaler vorsittlicher Wert. Desgleichen sind<br />
132 Böckle, Franz: Glaube und Handeln, 1976, S. 643<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 23<br />
132 Böckle, Franz: Glaube und Handeln, 1976, S. 643<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 237<br />
anderer, von der Mitgliedschaft in irgendeinem denkbaren Sozialsystem und<br />
allen sonstigen denkbaren Bedingungen - die unverzichtbare, unbedingte Würde<br />
des Menschen. zu 3: Der Mensch ist vom unbedingten Wert des Sittlichen<br />
gefordert. Dieses absolute bonum kann er nur in den bona verwirklichen, " die<br />
als kontingente Güter und Werte eben relative Werte sind und als solche<br />
niemals a priori als der je größte Wert, der überhaupt nicht mit einem anderen<br />
konkurrieren könnte, ausgewiesen sind." 2<br />
Für den, der sittlich verantwortlich<br />
handeln will, sind die Grundwerte verpflichtende Werte. Dieser<br />
Verpflichtungscharakter läßt aber keine Verabsolutierung zu. Kein Grundwert<br />
kann aus jeder denkbaren Güterabwägung herausgehoben werden. " Das<br />
menschliche Leben, die körperliche Integrität, das Gut der Zeugung oder der<br />
natürliche Verlauf eines Sexualaktes bleiben auch und gerade im Licht des<br />
Glaubens begrenzte Werte. Sie erhalten einen bestimmten Stellenwert in der<br />
Präferenzordnung, aber sie bleiben im Bereich der Menschlichkeit, in der bis<br />
zum Ende das Gute immer nur in der Wahl zwischen vorläufigen Gütern zu<br />
suchen ist." 3<br />
Grundwerte helfen dem einzelnen bei seiner Orientierung zu<br />
sittlichem Handeln, sie entlasten ihn aber nicht von der Prüfung, ob und in<br />
wieweit allgemeine Vorschriften auf einen konkreten Fall zutreffen. Leitbegriff:<br />
Intelligibilität Bruno Schüller definiert das<br />
2) ebd. S. 644.<br />
3) ebd. S. 644.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
absoluten Grund des Sittlichen unbedingt gefordert, doch als kontingentes<br />
Wesen in einer kontingenten Welt kann er das ihn absolut anfordernde "bonum"<br />
immer nur an und in den "bona" verwirklichen, die als kontingente Güter oder<br />
Werte eben "relative" Werte sind und als solche niemals a priori als der je<br />
größte Wert, der überhaupt nicht mit einem höheren konkurrieren könnte,<br />
ausgewiesen<br />
Wesen in einer kontingenten Welt kann er das ihn absolut anfordernde bonum<br />
immer nur an und in den bona verwirklichen, die als kontingente Güter oder<br />
Werte eben relative Werte sind und als solche niemals a priori als der je größte<br />
Wert, der überhaupt nicht mit einem anderen konkurrieren könnte,<br />
ausgewiesen sind. Im Hinblick auf die Güter bleibt daher je nur die Frage nach<br />
dem vorzugswürdigeren Gut möglich, und das heißt, jede konkrete kategoriale<br />
Entscheidung muß - um<br />
Glauben her als unverzichtbar geltenden Werte hingewiesen. Aber mit der<br />
Betonung der Unverzichtbarkeit menschlicher Grundwerte werden diese nicht<br />
verabsolutiert und aus jeder denkbaren Güterabwägung herausgehoben. Das<br />
menschliche Leben, die körperliche Integrität, das Gut der Zeugung oder der<br />
natürliche Verlauf eines Sexualaktes bleiben auch und gerade im Lichte des<br />
Glaubens begrenzte Werte. Sie erhalten einen bestimmten Stellenwert in der<br />
Präferenzordnung, aber sie bleiben im Bereich der Menschlichkeit, in der bis<br />
zum Ende der Zeiten das Gute immer nur in der Wahl zwischen vorläufigen<br />
Gütern zu suchen ist. Es wird damit aber auch nicht die Möglichkeit allgemein<br />
verbindlicher<br />
absoluter Wert jeder denkbaren Güterabwägung entzogen. Das<br />
Dispositionsfeld wird zwar eingeschränkt, aber wir bleiben im Bereich der<br />
Menschlichkeit, in der bis zum Ende der Zeiten das Gute immer nur in der Wahl<br />
zwischen vorläufigen Gütern zu suchen ist. 3. Herausforderung zum<br />
christlichen Radikalismus Gilt aber die Bedingung vernünftiger Einsicht und<br />
Abwägung in das, was vom gläubigen Menschen verlangt wird, auch für die<br />
radikalen Forderungen<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 307<br />
132 Böckle, Franz: Glaube und Handeln, 1976, S. 644<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 300<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 238<br />
einzelnen bei seiner Orientierung zu sittlichem Handeln, sie entlasten ihn aber<br />
nicht von der Prüfung, ob und in wieweit allgemeine Vorschriften auf einen<br />
konkreten Fall zutreffen. Leitbegriff: Intelligibilität Bruno Schüller definiert<br />
das natürliche Sittengesetz als " die Gesamtheit der sittlichen Forderungen, die<br />
der Mensch durch seine Vernunft zu erkennen vermag." 1<br />
Sittliches Handeln<br />
wird daran gemessen, ob es der Natur des Menschen entspricht. Schüller stellt<br />
die Gleichung auf: " Sittlich gut = naturgemäß = vernunftgemäß; sittlich<br />
schlecht = naturwidrig = vernunftwidrig." 2<br />
Dem Christen wird durch den<br />
Glauben " die heilsgeschichtlich-konkrete Gestalt erschlossen, die Gott in<br />
Christus seinem Verhältnis zum Menschen gegeben hat. Darum verwirklicht<br />
der Christ sein Grundverhältnis zu Gott als sakramental vermittelte Hinwendung<br />
zu Gott in Christus durch Glaube, Hoffnung und Liebe." 3<br />
Aus diesem<br />
Grundverhältnis ergibt sich keine einzige sittliche Forderung, die ihrem Inhalt<br />
nach nicht grundsätzlich der Vernunft einsichtig ist. Der Mensch ist als Person<br />
ein Wert um seiner selbst willen, und darum verdient er, um seiner selbst<br />
willen als ein Selbstzweck geliebt zu werden. "<br />
9% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
er der Schöpfungsordnung angehört. Und genau sie sind es, die in ihrer<br />
Gesamtheit das natürliche Sittengesetz heißen. Man kann also definieren: Das<br />
natürliche Sittengesetz ist die Gesamtheit der sittlichen Forderungen, die der<br />
Mensch durch seine Vernunft zu erkennen vermag. Davon zu unterscheiden<br />
wären solche sittlichen Forderungen, die nur der Christ aufgrund seines<br />
Glaubens an Jesus Christus erfassen kann. Es liegt nahe, anzunehmen, daß<br />
solche<br />
und Böse. Sie könnte mithin auch antworten, die Verleumdung sei deshalb<br />
sittlich schlecht, weil sie der "rechten Vernunft" widerspreche. Es ergeben sich<br />
daraus folgende Gleichsetzungen: sittlich gut = naturgemäß = vernunftgemäß;<br />
sittlich schlecht = naturwidrig = vernunftwidrig. Wie die noch fortdauernde<br />
Diskussion über die sittliche Beurteilung der Empfängnisverhütung allen<br />
deutlich vor Augen geführt hat, ist es in höchstem Maße umstritten, in welchem<br />
und zum Nächsten auf geheimnisvolle Weise teilhaben an der Liebe, mit der<br />
Christus den Vater und die Menschen liebt. 5. Durch den Glauben ist dem<br />
Christen die heilsgeschichtlich-konkrete Gestalt erschlossen, die Gott in<br />
Christus seinem Verhältnis zum Menschen gegeben hat. Darum verwirklicht<br />
der Christ sein Grundverhältnis zu Gott als sakramental vermittelte Hinwendung<br />
zu Gott in Christus durch Glaube, Hoffnung und Liebe. Alle voraufgehenden<br />
Überlegungen haben uns zum Bewußtsein gebracht, daß auch der Christ, will<br />
er beurteilen, was der Wille Gottes ist, sich dazu aufgefordert findet, sich<br />
vielleicht irgendwo verborgen in unserer Argumentation? Sehen wir genauer<br />
zu! Den sittlichen Wert der Nächstenliebe als eines Wohlwollens haben wir<br />
damit begründet, daß der Mitmensch als Person ein Wert um seiner selbst<br />
willen sei und darum verdiene, geliebt zu werden. In dieser Aussage steckt<br />
eine Ungenauigkeit. Es müßte exakt heißen: als Person ist der Mensch ein Wert<br />
um seiner selbst willen, und darum verdient er es, um seiner selbst willen, als<br />
ein Selbstzweck, geliebt zu werden. Was soll diese Präzisierung? Auch ein Tier<br />
ist ein Wert in sich, aber offensichtlich nicht ein Wert um seiner selbst willen,<br />
wenigstens nicht im selben<br />
mit der Vernunft des Menschen. Solche Formulierungen mögen heutzutage<br />
133 Hertz, Anselm: Normfindung und Normerkenntnis in d..., 1971, S. 104<br />
133 Hertz, Anselm: Normfindung und Normerkenntnis in d..., 1971, S. 106<br />
133 Hertz, Anselm: Normfindung und Normerkenntnis in d..., 1971, S. 119<br />
133 Hertz, Anselm: Normfindung und Normerkenntnis in d..., 1971, S. 121<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 238<br />
Maßstab für Gut und Böse ist die rechte Liebe; rechte Liebe ist eine solche, die<br />
sich einzig und allein von der 'Liebens-würdigkeit' dessen bestimmen läßt, was<br />
sie liebt, die also Gott über alles liebt, den Nächsten um seiner selbst willen" 4<br />
. 10.3. Das Gewissen im Rahmen einer autonomen Moral im christlichen<br />
Kontext Die ausführliche Darstellung der verschiedenen Denkansätze zu einer<br />
autonomen Moral im christlichen Kontext, die von der großen Mehrheit der<br />
christlichen Ethiker vertreten wird, bildet die Grundlage unserer Überlegungen<br />
zu Verständnis, Rolle und Funktionen des Gewissens in der christlichen Ethik. 1<br />
In den Schriften zur autonomen Moral im christlichen Kontext findet<br />
1) Schüller,Bruno: Die Bedeutung des Sittengesetzes für den Christen. In: Teichtweier/Dreier (<br />
Hrsg.): Herausforderung und Kritik der Moraltheologie. Würzburg 1971. S. 105-130. hier: S.<br />
105.<br />
2) ebd. S. 107.<br />
3) ebd. S. 120.<br />
4) ebd. S. 124.<br />
1) Auf die glaubensethischen Ansätze gehen wir deshalb nicht weiter ein, weil die gemachten<br />
Ausführungen zum christlichen Sinnhorizont auch dort Zustimmung finden und - auf das<br />
Gewissen bezogen - eine Auseinandersetzung mit ihnen erst sinnvoll erscheint, wenn klar wird,<br />
welche konkreten Werte und Normen aus der Schrift und Tradition abgeleitet werden können.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
leicht fremdartig klingen. Sie lassen sich aber ohne weiteres in eine vielleicht<br />
mehr zusagende Sprache übersetzen. Maßstab für Gut und Böse ist die rechte<br />
Liebe; rechte Liebe ist eine solche, die sich einzig und allein von der "Liebenswürdigkeit"<br />
dessen bestimmen läßt, was sie liebt, die also Gott über alles liebt,<br />
den Nächsten um seiner selbst willen usf. Daraus läßt sich entnehmen, daß man<br />
bei der Suche nach dem jeweils sittlich Geforderten bei weitem die meiste Mühe<br />
darauf verwenden muß, nicht auf<br />
modelltypisch als normativ zu fassen ist. Das bedeutet, daß die normative<br />
Sittlichkeit vor allem in den Kategorien autonomer philosophischer Ethik zu<br />
behandeln ist. 12.22 Die Position einer autonomen Moral im christlichen<br />
Kontext Die Position einer autonomen Moral im christlichen Kontext hat im<br />
wesentlichen folgende Voraussetzungen ihrer Arbeit zu formulieren versucht: 7<br />
Die Erkenntnis-These: Die der Wirklichkeit innewohnende Wahrheit<br />
modelltypisch als normativ zu fassen ist. Das bedeutet, daß die normative<br />
Sittlichkeit vor allem in den Kategorien autonomer philosophischer Ethik zu<br />
behandeln ist. 12.22 Die Position einer autonomen Moral im christlichen<br />
Kontext Die Position einer autonomen Moral im christlichen Kontext hat im<br />
wesentlichen folgende Voraussetzungen ihrer Arbeit zu formulieren versucht: 7<br />
Die Erkenntnis-These: Die der Wirklichkeit innewohnende Wahrheit<br />
133 Hertz, Anselm: Normfindung und Normerkenntnis in d..., 1971, S. 123<br />
72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 189<br />
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drückt sich darin aus, daß er in all seinem Entscheiden und Handeln unter dem<br />
aus seiner Gottesebenbildlichkeit resultierenden Anspruch zu normsetzendem<br />
Tun steht, der sich in dem ersten Grundsatz "bonum est faciendum, malum<br />
vitandum" ausspricht. " Wer Gott von ganzem Herzen und von ganzer Seele<br />
liebt, gehorcht dem Gesetz, doch mit der erfinderischen Freiheit, die zwischen<br />
dem Wesentlichen und dem, was nur nebensächlich, nur zeitbedingte und oft<br />
probende Anwendung ist, zu unterscheiden weiß." 1<br />
Dieser Gehorsam dem<br />
Gesetz, dem ersten Grundsatz des sittlichen Tuns gegenüber, die Teilhabe an<br />
der Vorsehung Gottes meint vor allem die Bindung an die allein freimachende<br />
absolute Freiheit Gottes: " Im Verständnis des Schöpfungsglaubens ist ja der<br />
unbedingte Sollensanspruch nichts anderes als die Abhängigkeit eines personalfreien<br />
Selbst, das in dieser seiner Freiheit total beansprucht ist, über sich in<br />
Freiheit zu verfügen." 2<br />
In dieser totalen Beanspruchung des Menschen durch<br />
die unendliche Freiheit Gottes, "gewinnt er als sittliches Wesen sich selbst in<br />
freier Selbstbestimmung. Jedes von uns selbst gesetzte endliche Ziel, dem wir<br />
uns mit Haut und Haar verschreiben, müßte unsere Freiheit einengen. Jedes<br />
verabsolutierte Ziel, mag es noch so wertvoll sein, zwingt uns, alles, was es<br />
sonst noch gibt, als Stufe oder Mittel zum Zweck zu verdinglichen." 3<br />
Die<br />
theologische Legitimation des Sollens weist auf, daß der Mensch " einen<br />
Vorbehalt gegen jede Verabsolutierung des Kategorialen" 4<br />
haben muß, wenn<br />
er sich dem Anspruch vollkommener Freiheit als einem von Gott ihm<br />
angebotenen und zugesagten Anspruch fügt, den er in seinem Gewissen erfährt.<br />
Er muß den unbedingten Anspruch in kontingenten Einzelakten vollziehen. "<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
hat das Gesetz keineswegs aufgehoben, sondern es auf seinen Ursprung<br />
zurückgeführt: auf den Willen Gottes. Das ganze Gesetz hängt am ersten und<br />
größten aller Gebote. Wer Gott von ganzem Herzen und von ganzer Seele liebt,<br />
gehorcht dem Gesetz, doch mit der erfinderischen Freiheit, die zwischen dem<br />
Wesentlichen und dem, was nur nebensächlich, nur zeitbedingte und oft<br />
probende Anwendung ist, zu unterscheiden weiß. Die Zustimmung Jesu zum<br />
Willen des Vaters ist so innig und erfolgt so unmittelbar, daß von seinem<br />
ganzen Verhalten eine persönliche Autorität ausgeht und er<br />
Selbstwahl miteinzuschließen. Menschliche Freiheit bedarf offenbar der Grenze,<br />
um sich zu sammeln und die Bestimmtheit zum Handeln zu erlangen. Dem<br />
entspricht vollends die geschöpfliche Freiheit. Im Verständnis des<br />
Schöpfungsglaubens ist ja der unbedingte Sollensanspruch nichts anderes als<br />
die Abhängigkeit eines personal-freien Selbst, das in dieser seiner Freiheit total<br />
beansprucht ist, über sich in Freiheit zu verfügen. Das Dasein unter dem<br />
Sollensanspruch erweist sich theologisch als die notwendige Verfassung des<br />
Menschen, der sich nicht sich selbst verdankt, sondern sich als Kreatur<br />
konstituiert<br />
Gewissens. Nur in dem Maße, in dem er sich diesem Grundanspruch (es ist der<br />
Anspruch vollkommener Freiheit!) fügt, gewinnt er als sittliches Wesen sich<br />
selber in freier Selbstbestimmung. Jedes von uns selbst gesetzte endliche Ziel,<br />
dem wir uns mit Haut und Haar verschreiben, müßte unsere Freiheit einengen.<br />
Jedes verabsolutierte Ziel, mag es noch so wertvoll sein, zwingt uns, alles, was<br />
es sonst noch gibt, als Stufe oder Mittel zum Zweck zu verdinglichen. Nur die<br />
Bindung an die freimachende Freiheit selbst kann endliche Freiheit nicht<br />
einengen, sondern zu sich potentielle Aseität. Fichte und Hegel weisen dem Ich<br />
aufgrund<br />
der theologischen Legitimation des Sollens im_ ganzen keine Absolutsetzung<br />
kategorialer sittlicher Urteile35. Diese Aussage über die unbedingte<br />
Beanspruchung im Ganzen des sittlichen Lebens enthält vielmehr einen<br />
Vorbehalt gegen jede Verabsolutierung des Kategorialen. Selbstverständlich<br />
wirkt sich die Annahme der Kontingenz im gläubigen Bekenntnis<br />
134 Vergote, Antoon: Gott unser Vater, 1977, S. 618<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 84<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 85<br />
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Die Absolutheit in der Beanspruchung kommt aber nicht aus der<br />
Einzelhandlung, sondern aus der Beanspruchung des kontingenten Menschen<br />
durch den absoluten Gott." 1<br />
Daraus ergibt sich, daß konkrete Moralität immer<br />
auch konditionierte Moralität ist, d.h. das jeweils unbedingt anzustrebende<br />
bonum im Sinne des ersten handlungsleitenden Prinzips kann der Mensch als<br />
bedingtes Wesen in einer bedingten Welt immer nur in und an den bedingten<br />
bona verwirklichen. 2<br />
Die Bedingtheit jeglicher Güter wiederum hat zur Folge,<br />
daß sie sich unter bestimmten Umständen einander ausschließen und dann in<br />
einer konkreten Situation dem jeweils ethisch geboteneren<br />
1) Vergote,Antoon: Gott unser Vater. In: CONCILIUM. 13 (1977). Heft 12. S. 618-623. hier: S.<br />
619.<br />
2) Böckle,Franz: a.a.O. S. 84.<br />
3) ebd. S. 84.<br />
4) ebd. S. 85.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
menschlicher Kreatürlichkeit auch auf die Werturteile aus, doch sind dies eben<br />
Konsequenzen, die auch von<br />
humanistischen Atheismus, in: K. Rahner (Hrsg.), Ist Gott noch gefragt?, a.a.O.<br />
47f. " Der unbedingte Anspruch, den der Mensch in seiner Freiheit erfährt, muß<br />
in kontingenten Einzelakten vollzogen werden. Die Absolutheit in der<br />
Beanspruchung kommt aber nicht aus der Einzelhandlung, sondern aus der<br />
Beanspruchung des kontingenten Menschen durch den absoluten Gott. liehen<br />
Akt des Sich-Öffnens oder des Sich-Verschließens vor , Gott. Erst der Mensch<br />
, der in Übereinstimmung steht mit Maximen des Handelns, die er sich<br />
kontin- gelten, sondern durchgängig "ut in pluribus", als in der Regel, als<br />
zumeist, als in der Mehrzahl der Fälle gültig zu betrachten sind.6 Anders<br />
gewendet: als bedingtes Wesen in einer bedingten Welt kann der Mensch das<br />
jeweils unbedingt anzustrebende und zu tuende "bonum" - das "Gute" im Sinne<br />
des obersten handlungsleitenden Prinzips - immer nur an und in den "<br />
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1) ebd. S. 85. Anm. 35.<br />
2) Korff,Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie. Frankfurt 1979. S. 18/19.<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 85<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 19<br />
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Die Bedingtheit jeglicher Güter wiederum hat zur Folge, daß sie sich unter<br />
bestimmten Umständen einander ausschließen und dann in einer konkreten<br />
Situation dem jeweils ethisch geboteneren die Verwirklichungspriorität zu<br />
geben ist, entsprechend der allgemeinen Vorzugsregel: " Vor zwei miteinander<br />
konkurrierende, einander ausschließende Werte gestellt, hat der Mensch zu<br />
prüfen, welcher von beiden den Vorzug verdient und den handelnd zu<br />
verwirklichen." 3<br />
Reben die Konditionalität aller dem menschlichen Handeln<br />
vorgegebenen Güter und damit auch der auf die Verwirklichung des Guten<br />
gerichteten Verhaltensregeln 4<br />
kommt hinzu die Forderung nach Transparenz<br />
und Kommunikabilität der Normen, das heißt im einzelnen: Der<br />
3) Schüller,Bruno: Zur Problematik allgemein verbindlicher ethischer Grundsätze. In: Theologie<br />
und Philosophie. 45 (1970). S. 1-23. hier: S. 4.<br />
4) vgl. dazu: Böckle,Franz: Unfehlbare Normen? In: Küng,Hans (Hrsg.): Unfehlbar? Zürich,<br />
Einsiedeln, Köln 1973. S. 280-304. hier: S. 283.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Darum basieren alle ethischen Normen, die das zwischenmenschliche<br />
Verhalten betreffen', letztlich auf einem Vorzugsurteil. Sie sind reflex bewußt<br />
gemachte und dann formulierte Anwendungen der Vorzugsregel: " Vor zwei<br />
miteinander konkurrierende, einander ausschließende Werte gestellt, hat der<br />
Mensch zu prüfen, welcher von beiden den Vorzug verdient und den handelnd<br />
zu verwirklichen." > Es handelt sich also in der Sache - wenn auch nicht immer<br />
in der sprachlichen Formulierung - um hypothetische Imperative." Sie gebieten<br />
oder verbieten eine Handlung nicht<br />
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136 Böckle, Franz: Unfehlbare Normen, 1973, S. 284<br />
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trägt also nicht nur Gehorsamsverantwortung vor Normen, sondern ist<br />
aufgrund seiner Selbstaufgegebenheit auch zur Gestaltungsverantwortung für<br />
Normen aufgerufen. Der konditionierte Verbindlichkeitsstatus der Normen<br />
wird unter dem Anspruch der Offenbarung nicht aufgehoben, sondern bestätigt.<br />
Durch die " fundamentale Gleichsetzung des Guten mit dem Willen Gottes"<br />
steht der Mensch in dieser doppelten Verantwortung vor Gott. " Das konkrete<br />
Finden des Guten und dami: das konkrete Erfassen des Willens Gottes" wird<br />
dem Menschen nicht von Gott abgenommen, sondern wird " in seine<br />
wesenhafte und ureigene Kompetenz gelegt" 1<br />
Der Mensch ist "<br />
Ursprungsprinzip seiner eigenen Werke", ist "das Wesen der<br />
Selbstursächlichkeit" 2<br />
und trägt dadurch die alleinige Verantwortung für sein<br />
Tun, das gezeichnet ist von der Notwendigkeit ständiger Güterabwägungen und<br />
bewußter Wertentscheidungen. Die. Normen, nach denen er diese<br />
handlungsleitenden Abwägungen vornimmt, müssen transparent gemacht<br />
werden und das<br />
1) Korff,Wilhelm: a.a.O. S. 20.<br />
2) ebd. S. 21.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Offenbarung als der Selbstmitteilung und Selbsterschließung Gottes nicht<br />
aufgehoben. Was hier vielmehr geschieht, ist zunächst etwas ganz anderes und<br />
sehr viel entscheidenderes, nämlich die fundamentale Gleichsetzung des Guten<br />
mit dem Willen Gottes. Gott will das Gute und haßt das Böse. Von daher<br />
können jetzt die fundamentalen Güter des Menschen und die sie sichernden<br />
Ordnungsgestaltungen zugleich, wie dies<br />
sie diese zugleich als gottgewollte Bestimmung, als unmittelbaren und<br />
unbedingten Ausdruck des Willens Gottes zu erkennen geben. Darin ist aber<br />
doch jetzt zugleich festgehalten, daß das konkrete Finden des Guten und damit<br />
das konkrete Erfassen des Willens Gottes, dem Menschen keineswegs von Gott<br />
abgenommen wird, sondern in seine wesenhafte und ureigene Kompetenz<br />
gelegt bleibt. Ja diese Kompetenz erstreckt sich nach Thomas auch auf das<br />
Prüfen der Weisungen Gottes selbst. Thomas kennt nicht nur eine kritischentfaltende<br />
Funktion des "<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 20<br />
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zu einem verantwortlichen, gewissenhaften Tun kommen? Dazu wird bereits in<br />
der Antike mit dem Begriff "Epikie" eine Lösung vorgezeichnet, die als<br />
Bestätigung des Gewissens Phänomens gewertet werden kann: Die klassische<br />
griechische Tradition versteht unter "epieikeia" " das nach Zumutbarkeit,<br />
Angemessenheit und Billigkeit verfahrende, am übergreifenden Gedanken der<br />
Gerechtigkeit ausgerichtete ' rechtschaffende' Verhalten des Menschen im<br />
Umgang mit positiven Gesetzesnormen." 1<br />
Während der "rechtschaffende"<br />
Umgang mit positiven Gesetzesnormen zunächst die bloße Beachtung dieser<br />
Regeln meint, gewinnt die Epikie bei zunehmender Differenzierung der<br />
gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit die Funktion eines "spezifischen<br />
Korrektivs gegenüber der bloßen Legalgerechtigkeit" im Hinblick auf die<br />
Erfordernisse der spezifischen Einzelsituation. 2<br />
Piaton billigt dieses Recht,<br />
Gesetze " nach gerechtem Ermessen anzuwenden und dem Einzelfall<br />
zuzupassen" lediglich dem Staatsmann und dem Richter als dem Verwalter und<br />
Durchsetzer des Rechts zu. Erst Aristoteles leitet in seiner politisch-ethischen<br />
Konzeption eine entscheidende Wende ein, indem er " die Eignung, positive<br />
Gesetzesnormen nach Zumutbarkeit, Billigkeit und Angemessenheit auf die<br />
Situation anzuwenden" jedem " freien, von der Tugend der Gerechtigkeit<br />
bestimmten Bürger" zubilligt. 3<br />
Im Hinblick auf die, durch den Anspruch nach<br />
universaler Geltung notwendige, allgemeine und abstrakte Formulierung des<br />
Gesetzes erweist sich die Epikie im Blick auf die Erfordernisse einer konkreten<br />
Situation als von der Gerechtigkeit her<br />
1) ebd. S. 29.<br />
2) ebd. S. 29.<br />
3) ebd. S. 30.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
im Anspruch heutigen Fragens 1. Die Lehre von der Epikie. Epikie und<br />
Gewissensfreiheit. Die "personale" Vorzugsregel Unter Epikie (griech.:<br />
epieikeia, lat: aequitas) versteht die ethische Tradition das nach Zumutbarkeit,<br />
Angemessenheit und Billigkeit verfahrende, am übergreifenden Gedanken der<br />
Gerechtigkeit ausgerichtete " rechtschaffene" Verhalten des Menschen im<br />
Umgang mit positiven Gesetzesnormen. Als "rechtschaffen" im Umgang mit<br />
positiven Gesetzesnormen hat aber zunächst ein Verhalten zu gelten, das<br />
diesen Gesetzesnormen entspricht, und hierauf zielt denn auch der Begriff "<br />
festgelegt hat". Um also diese dem Gesetz eigentümliche Unbeweglichkeit,<br />
Realitätsferne und Situationsfremdheit auszugleichen, bedarf es bei seiner<br />
Anwendung der Epikie. Eben solche Fähigkeit, Ge- setze nach gerechtem<br />
Ermessen anzuwenden und dem Einzelfall zuzupassen, übersteigt nun aber<br />
nach Piaton wiederum zugleich das Vermögen der Menge, der dafür jede<br />
geistige und politische Kompetenz abgeht. Die Befähigung zur Epikie, zu<br />
gerechter<br />
dem Richter.20 Erst Aristoteles bringt hier, dem tatsächlichen Gang der<br />
geschichtlichen Entwicklung der Polis folgend, mit seiner politisch-ethischen<br />
Konzeption die entscheidende Wende. Er spricht die Eignung, positive<br />
Gesetzesnormen nach Zumutbarkeit, Billigkeit und Angemessenheit auf die<br />
Situation anzuwenden und das Recht darauf, einem jeden freien, von der<br />
Tugend der Gerechtigkeit bestimmten Bürger zu. Angesichts der Abstraktheit<br />
jedweder Gesetzesformulierung, die, weil im allgemeinen bleibend, auch immer<br />
nur "katholou"21, "im allgemeinen" gelten kann, erweist sich die Epikie im<br />
Hinblick<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 29<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 30<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 243<br />
Epikie im Blick auf die Erfordernisse einer konkreten Situation als von der<br />
Gerechtigkeit her bestimmtes notwendiges Gesetzeskorrektiv. Thomas von<br />
Aquin übernimmt diese Auffassung des Aristoteles und versteht die Epikie bei<br />
der Handhabung der Legalgerechtigkeit als " gleichsam eine höhere Regel für<br />
die menschlichen Akte." 4<br />
Bei Aristoteles und Thomas bezeichnet die Epikie<br />
eine notwendige und unentbehrliche sittliche Grundhaltung zur Verbesserung<br />
des Gesetzes, indem " der Mensch das im Hinblick auf die Einzelsituation<br />
jeweils gebotene optimale Gerechte zu finden vermag, ohne sich darin dem<br />
Vorwurf subjektiver Willkür und schlauer Gesetzesumgehung ausgesetzt zu<br />
sehen." 1<br />
Die Epikie-Lehre gewinnt bei Aristoteles ihre volle Legitimation im<br />
Kontext der Lehre von der Polis und damit dem Verständnis vom Menschen<br />
als "zoon politikon", bei Thomas hingegen im Bild vom Menschen als "imago<br />
Dei".<br />
4) STh II-II 120,2.<br />
1) Korff,Wilhelm: a.a.O. S. 31.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Thomas von Aquin diese Auffassung des Aristoteles übernimmt. Nach Thomas<br />
ist die Epikie maßgebend für die Handhabung der Legalgerechtigkeit (dirigitur<br />
secundum epicheiam), ja sie bedeutet " gleichsam eine höhere Regel für die<br />
menschlichen Akte" 23. Die durch Gesetze allein nicht durchrationalisierbare<br />
Vielfalt und Unübersehbarkeit der Handlungssituationen ruft die sittli- che<br />
Einzel Vernunft auf den Plan und eröffnet ihr darin den<br />
Thomas im Begriff der Epikie um die Herausarbeitung einer für menschliches<br />
Handeln in Gemeinschaft notwendigen und unentbehrlichen sittlichen<br />
Grundhaltung, um eine Tugend geht, kraft deren der Mensch das im Hinblick<br />
auf die Einzelsituation jeweils gebotene optimale Gerechte zu finden vermag,<br />
ohne sich darin dem Vorwurf subjektiver Willkür und schlauer<br />
Gesetzesumgehung ausgesetzt zu sehen. Epikie ist nach Aristoteles nicht "<br />
Verwässerung" (elattosis), sondern gerade "Verbesserung" (epanorthoma) des<br />
Gesetzes.25 Daß dem Menschen solche Reife im Umgang mit Normen<br />
überhaupt zugetraut werden<br />
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hingegen im Bild vom Menschen als "imago Dei". Die Schwierigkeit epikiegeprägter<br />
Selbstverantwortlichkeit im Umgang mit positiven Gesetzesnormen<br />
läßt die Frage nach ihrer möglichen Kontrollinstanz aufkommen, und so<br />
formuliert Suarez drei Anwendungsfälle für die Epikie: "1. wenn die<br />
Gesetzeserfüllung im konkreten Fall sittlich unerlaubt ist, 2. wenn sie sich für<br />
den einzelnen als unverhältnismäßig schwer, ja verderblich erweist, 3. wenn<br />
nach vernünftigem Ermessen der Gesetzgeber hier nicht verpflichten wollte." 2<br />
Im modernen Rechtsstaat wird die sittliche Grundhaltung der Epikie<br />
aufgenommen im Begriff der Gewissensfreiheit, " vom Recht selbst wesentlich<br />
vorausgesetzt, ja, sie wird als Grundrecht der Gewissensfreiheit zu seinem<br />
ausdrücklichen Inhalt gemacht, einzig begrenzt durch die sich aus ihr selbst<br />
ergebende Gegenseitigkeitsforderung: die Unantastbarkeit der menschlichen<br />
Person." 3<br />
Das vom Gedanken der Gerechtigkeit geleitete, nach<br />
Rechtschaffenheit, Billigkeit und Angemessenheit verfahrende Gewissen "<br />
stimuliert so eine ganz neue gesellschaftliche Handlungsdynamik." 4<br />
Die so<br />
verstandene Freiheit des Gewissens ist nicht Privileg "der normsetzenden und -<br />
verwaltenden Instanzen" 5 , sondern kommt jedem Staatsbürger zu und<br />
ermöglicht somit eine unmittelbare Gestaltungsverantwortung für Normen,<br />
indem der überkommene Weg der Rormenfindung "von oben" ausgeweitet<br />
wird auf die Normfindung "von unten". 1<br />
Dabei kann im Falle eines "von unten"<br />
2) ebd. S. 33.<br />
3) ebd. S. 34.<br />
4) ebd. S. 34.<br />
5) ebd. S. 34.<br />
1) "Wahlrecht, Petitionsrecht, Streikrecht, Demonstrationsrecht sind ihrerseits bereits<br />
institutionalisierte, und das heißt vom Recht selbst her legitimierte Formen des am eigenen und<br />
am öffentlichen Wohl vital interessierten, nach Billigkeit und Angemessenheit fragenden und<br />
verfahrenden Einzelgewissens" (ebd. S. 34).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
einer kasuistischen Interpretationsregel. Dieser Prozeß im Verständnis von<br />
Epikie ist spätestens mit Suärez abgeschlossen. Nach Suärez26 gibt es nurmehr<br />
drei Anwendungsfälle: 1. wenn die Gesetz zeserfüllung im konkreten Fall<br />
sittlich unerlaubt ist27, 2. wenn sie sich für den einzelnen als<br />
unverhältnismäßig schwer, ja verderblich erweist, 3. wenn nach vernünftigem<br />
Ermessen der Gesetzgeber hier nicht verpflichten wollte. Nun wird man in der<br />
Tat sagen müssen, daß mit wachsender Tendenz zur Entwicklung einer<br />
Gesetzgebung, die das Leben sowohl rechtlich als auch ethisch möglichst<br />
gerade auf deren Schutz und Sicherung. Insofern bleibt hier auch die sittliche<br />
Grundhaltung der Epikie, nunmehr aufge- nommen und weitergeführt im<br />
politischen Begriff der Gewissensfreiheit, vom Recht selbst wesentlich<br />
vorausgesetzt, ja sie wird alsGrundrecht der Gewissensfreiheit zu seinem<br />
ausdrücklichen Inhalt gemacht, einzig begrenzt durch die sich aus ihr selbst<br />
ergebende Gegenseitigkeitsforderung: die Unantastbarkeit der Würde der<br />
menschlichen Person. Das vom Gedanken der Gerechtigkeit bewegte, nach<br />
Rechtschaffenheit, Billigkeit und Angemessenheit verfahrende Gewissen<br />
stimuliert so eine ganz neue gesellschaftliche Handlungsdynamik. Es wird zum<br />
Impulsgeber und Richtmaß aller an den "öffentlichen Dingen" Beteiligten. Es<br />
bleibt nicht länger Privileg der normsetzenden und -verwaltenden Instanzen,<br />
der auf je<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 33<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 34<br />
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somit eine unmittelbare Gestaltungsverantwortung für Normen, indem der<br />
überkommene Weg der Rormenfindung "von oben" ausgeweitet wird auf die<br />
Normfindung "von unten". 1<br />
Dabei kann im Falle eines "von unten" kommenden<br />
Verlangens nach Neulösung moralischer Probleme nicht von einer bloßen<br />
normativen Kraft des Faktischen gesprochen werden. 2<br />
"Zu<br />
Kormveränderungen kann in der Tat nur ein Verhalten führen, das mit<br />
Überzeugung und das heißt mit objektiv guten Gründen gelebt wird, selbst wenn<br />
sich diese im Nachhinein unter umfassenderen Gesichtspunkten als nicht<br />
zureichend erweisen sollten." 3<br />
So wirkt also normverändernd nach Korff nur<br />
die normative Kraft der faktisch gelebten Überzeugung. 4<br />
Die zitierte<br />
allgemeine Vorzugsregel erfährt im vom Epikieverständnis getragenen<br />
Freiheitsrecht des Gewissens eine erste grundlegende inhaltliche Bestimmung: "<br />
Das sittliche Gute der freien Eigenverantwortlichkeit, der Freiheit des<br />
Gewissens, ist im Konfliktfall sämtlichen übrigen Gütern, die ein Gesetz<br />
schützen will, vorzuziehen." 5<br />
Diese "personale" Vorzugsregel gebietet in ihrer<br />
Konsequenz genau das, was Kant in den kategorischen Imperativ faßt, daß<br />
nämlich der Mensch niemals als Mittel benutzt werden darf, sondern immer als<br />
"Zweck an sich selbst" respektiert werden muß. 1<br />
Daraus kann nach Korff<br />
gefolgert werden: " An niemandem dürfen Handlungen vollzogen werden,<br />
denen sein Gewissen nicht zustimmen würde (Beispiel: medizinische<br />
Therapieversuche ohne vorherigen 'informed consent' der Testperson). Niemand<br />
darf zu Handlungen gezwungen werden, die zu tun ihm sein Gewissen<br />
verbietet (Beispiel: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen) Niemand<br />
darf daran gehindert werden, gegen Handlungen und Unternehmungen<br />
aufzubegehren, die nach seiner Gewissensüberzeugung sittlich nicht vertretbar<br />
sind (Beispiel: 2<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Stellung der Frau; Scheidungsrecht; innerkirchlich: Problem der Zulassung<br />
wiederverheirateter Geschiedener zur Eucharistie), des vorehelichen Verkehrs (<br />
Kuppeleiparagraph), der Empfängnisverhütung, der Homosexualität und des<br />
Schwangerschaftsabbruchs. Hier undifferenziert von einer bloßen "normativen<br />
Kraft des Faktischen" zu sprechen, geht offenkundig an der Sache vorbei. Das<br />
faktische Abweichen von gegebenen Normen hat als solches noch nie<br />
normverändernd gewirkt, solange die Abweichenden im Grunde von der<br />
Richtigkeit der Norm überzeugt waren. Zu Normveränderungen kann in der Tat<br />
nur ein Verhalten führen, das mit Uberzeugung und das heißt mit objektiv<br />
guten Gründen gelebt wird, selbst wenn sich diese im Nachhinein unter<br />
umfassenderen Gesichtspunkten als nicht zureichend erweisen sollten. Eben<br />
dies aber muß letztlich auch bei jeder Normsetzung "von oben" als<br />
Möglichkeit in Rechnung gestellt werden. Fortschritt und Verfall im<br />
Normbildungsprozeß sind beidemal möglich<br />
vgl. Seite 18), nach der im Falle einer vorliegenden Güterkonkurrenz dem<br />
ethisch geboteneren Gut der Vorzug zu geben und Handlungspriorität<br />
einzuräumen ist, eine erste grundlegende inhaltantwortlichkeit, der Freiheit des<br />
Gewissens, ist im Konfliktfall liehe Spezifizierung: Das sittliche Gut der freien<br />
Eigenver- sämtlichen übrigen Gütern, die ein Gesetz schützen will,<br />
vorzuziehen. 28 Diese zweite, "personale" Vorzugsregel ist unmittelbar mit dem<br />
Anspruch der Unantastbarkeit der Würde der menschlichen Person gegeben.<br />
Sie gebietet in ihrer Konsequenz genau das, was Kant in den kategorischen<br />
Imperativ faßt, daß der Mensch "von keinem Menschen (weder von anderen<br />
noch sogar von sich selbst) bloß als Mittel" gebraucht werden darf, sondern<br />
jederzeit zugleich als "Zweck an<br />
darin bestehe seine Würde, "dadurch er sich über alle anderen Weltwesen, die<br />
nicht Menschen sind, und doch gebraucht werden können, mithin über alle<br />
Sachen erhebt"30. An niemandem dürfen Handlungen vollzogen werden, denen<br />
sein Gewissen nicht zustimmen würde (Beispiel: medizinische<br />
Therapieversuche ohne vorherigen "informed consent" der Testpersonen).<br />
Niemand darf zu Handlungen gezwungen werden, die zu tun ihm sein<br />
Gewissen verbietet (Beispiel: Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen)<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 35<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 36<br />
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Kernkraftgegner)." Überall da, wo es in wesentlichen Fragen zu einem<br />
unüberbrückbaren Widerstreit zwischen den an der sittlichen Urteilsfindung<br />
Beteiligten kommt, wo Überzeugung gegen Überzeugung steht, da müssen<br />
anerkannte Spielregeln angewandt werden, um den jeweiligen<br />
Entscheidungsprozeß zu einem Ende zu bringen. Dabei findet auch der<br />
Grundsatz "Gemeinwohl geht vor Eigenwohl" seine Grenze " an der<br />
selbstverantwortlichen Würde und Unantastbarkeit des Gewissens des<br />
einzelnen als Person und damit als 'Zweck an sich selbst'." 3<br />
Wo immer im<br />
Prozeß sittlicher Urteilsbildung eine Entscheidung gesucht wird, die an den<br />
Kriterien der Angemessenheit, Billigkeit und Zumutbarkeit gemessen werden<br />
soll, da gewinnt die Lehre von den "Circumstantiae" eine besondere Rolle, d.h.<br />
es muß gefragt<br />
1) "Wahlrecht, Petitionsrecht, Streikrecht, Demonstrationsrecht sind ihrerseits bereits<br />
institutionalisierte, und das heißt vom Recht selbst her legitimierte Formen des am eigenen und<br />
am öffentlichen Wohl vital interessierten, nach Billigkeit und Angemessenheit fragenden und<br />
verfahrenden Einzelgewissens" (ebd. S. 34).<br />
2) "So zum Beispiel im Bezug auf die ethische Bewertung und rechtliche Behandlung der Ehe und<br />
ihrer Ordnungen (Stellung der Frau; Scheidungsrecht; innerkirchlich: Problem der Zulassung<br />
wiederverheirateter Geschiedener zur Eucharistie), des vorehelichen Verkehrs (<br />
Kuppeleiparagraph) der Empfängnisverhütung, der Homosexualität und des<br />
Schwangerschaftsabbruchs. Hier undifferenziert von einer bloßen 'normativen Kraft des<br />
Faktischen' zu sprechen, geht offenkundig an der Sache vorbei" (ebd. S. 35).<br />
3) ebd. S. 35.<br />
4) vgl. dazu auch: Korff,Wilhelm: Norm und Sittlichkeit. Mainz 1973. S. 136-139.<br />
5) Korff,Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie. S. 36. Bezug auf Schüller,Bruno: Die<br />
Begründung sittlicher Urteile Düsseldorf 11973. S. 43.<br />
1) vgl. dazu das Kapitel über Kants Gewissensverständnis in dieser Arbeit.<br />
2) Korff,Wilhelm: a.a.O. S. 36.<br />
3) ebd. S. 37.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
. Niemand darf daran gehindert werden, gegen Handlungen und<br />
Unternehmungen aufzubegehren, die nach seiner Gewissensüberzeugung<br />
sittlich nicht vertretbar sind (Beispiel: Kernkraftwerkgegner). Gerade an den<br />
hier genannten Beispielen wird nun freilich auch deutlich, daß solche durch das<br />
Recht garantierte Gewissensfreiheit keineswegs risikolos und die Handhabung<br />
der<br />
neu auf ihre eigene Tragfähigkeit und Vernunft hin befragen lassen. Dies tritt<br />
überall dort hervor, wo es in wesentlichen, das Einzelwohl oder das<br />
Gemeinwohl betreffenden Fragen zu einem unüberbrückbaren Widerstreit<br />
zwischen den an der sittlichen Urteilsfindung Beteiligten kommt, wo also<br />
Überzeugung gegen Überzeugung steht. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich nun<br />
um eine Kollision z~ ' sehen den Überzeugungen der Mitglieder von<br />
gesetzgebenden Körperschaften, zwischen<br />
zur jeweiligen normativen Regelung von Einzelproblemen immer wieder in<br />
Anwendung gebrachte qualitative Prinzip gesamtgesellschaftlicher<br />
Interessengewichtung: Gemeinwohl geht vor Eigenwohl! Auch dieses Prinzip<br />
findet seine Grenze an der selbstverantwortlichen Würde und Unantastbarkeit<br />
des Gewissens des einzelnen als Person und damit als "Zweck an sich selbst".<br />
Letztlich bleibt also, will man überhaupt zu allseits verbindlichen<br />
Übereinstimmungen gelangen und dies ist nicht ohne die Chance ständiger<br />
gegenseitiger Korrektur möglich - immer wieder nur<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 36<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 37<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 246<br />
Prozeß sittlicher Urteilsbildung eine Entscheidung gesucht wird, die an den<br />
Kriterien der Angemessenheit, Billigkeit und Zumutbarkeit gemessen werden<br />
soll, da gewinnt die Lehre von den "Circumstantiae" eine besondere Rolle, d.h.<br />
es muß gefragt werden nach den jeweiligen person-, sach- und<br />
situationsspezifischen Bedingungen und Konsequenzen. Ihre Einzelaspekte<br />
wurden in der Tradition in den Merkvers gefaßt: " quis, quid, ubi, quibus<br />
auxiliis, cur, quomodo, quando." 4<br />
Um zu einem gerechten Urteil zu kommen,<br />
genügt also nicht die Berufung auf den jeweils geltenden Rechtsmaßstab,<br />
sondern müssen die jeweiligen spezifischen Handlungsumstände<br />
berücksichtigt werden. " Erst hierdurch gewinnt es seine person-, sach- und<br />
situationsspezifische Angemessenheit, Zugepaßtheit und Plausibilität." 1<br />
Diese<br />
Verpflichtung gilt nicht nur für die Beurteilung der Handlungen eines anderen,<br />
sondern gleichermaßen für die des eigenen Entscheidens und Handelns. Auch<br />
hier muß das Spektrum der "sittlich relevanten Handlungsbedingungen und<br />
Konsequenzen" berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang ist nun die<br />
von Bruno Schüller vorgenommene Unterscheidung zwischen "sittlich gut" und<br />
"sittlich richtig", bzw. "sittlich schlecht" und "sittlich falsch" hilfreich. Ein<br />
Handeln des Menschen nach der eigenen Gewissensüberzeugung ist wohl<br />
sittlich gut, muß aber noch nicht sittlich richtig sein. 2<br />
Die Argumente, die für<br />
ein solches Tun angeführt werden,<br />
4) ebd. S. 38.<br />
1) ebd. S. 38.<br />
2) ebd. S. 39.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Die Lehre von den "Umständen": Der sittlich gute Wille und die sittlich<br />
richtige Tat Nach den "Umständen" einer Handlung fragen, bedeutet nach der<br />
Vielfalt ihrer jeweiligen person-, sach- und situationsspezifischen Bedingungen<br />
und Konsequenzen fragen. Wer ist es, der handelt? Um was geht es? Wo<br />
liegen die Beweggründe? Was sind die Folgen ? Welche Mittel wurden<br />
eingesetzt bzw. sind einzusetzen,<br />
funktions- und strukturbezogene Bedingungen, Einsichtskraft, Intelligenz,<br />
Charakter, Temperament, Stimmung.) Die Tradition faßt hier wesentliche, wenn<br />
auch nicht alle Aspekte der Handlungsumstände in den Merkvers zusammen:<br />
quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando. Die Bedeutung der<br />
Circumstantiae-Lehre für den forensischen Bereich liegt auf der Hand. Um<br />
eine Handlung gerecht zu beurteilen und darin zugleich auch dem Handelnden<br />
den der jeweils geltenden sozialethischen Erwartungsnorm zu rekurrieren. Zur<br />
Gerechtigkeit des Urteils gehört vielmehr ebenso wesenhaft auch das In-<br />
Rechnung-stellen der je besonderen Handlungsumstände. Erst hierdurch<br />
gewinnt es seine person-, sachund situationsspezifische Angemessenheit,<br />
Zugepaßtheit und Plausibilität. Doch geht die Bedeutung der Circumstantiae-<br />
Lehre über diese besondere juridische Form des Zumessens und Zurech- nens<br />
normativer Ansprüche<br />
den hier immer zu fordernden "guten Willen" hinaus auch seiner<br />
Sachvernunftsseite nach sittlich stimmig sein. In diesem Zusammenhang<br />
erweist sich die von Bruno Schüller eingeführte Unterscheidung zwischen "<br />
sittlich gut" und "sittlich richtig" beziehungsweise zwischen "sittlich schlecht"<br />
und "sittlich falsch" als außerordentlich hilfreich. Wo immer der Mensch<br />
seiner Überzeugung, seinem Gewissen folgt, handelt er sittlich gut. Das<br />
bedeutet<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 38<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 39<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 247<br />
und "sittlich falsch" hilfreich. Ein Handeln des Menschen nach der eigenen<br />
Gewissensüberzeugung ist wohl sittlich gut, muß aber noch nicht sittlich<br />
richtig sein. 2<br />
Die Argumente, die für ein solches Tun angeführt werden, müssen<br />
nach Kant " eine freie und öffentliche Prüfung aushalten können". Wo in der<br />
Entscheidung für ein Handeln zur Sicherung eines Gutes wesentliche andere,<br />
davon mitberührte Güter unberücksichtigt bleiben, da kann ein solches Tun<br />
dieser geforderten Prüfung nicht standhalten, d.h.: " Jede falsche Einschätzung<br />
der Umstände einer Handlung macht diese Handlung zwar nicht sittlich<br />
schlecht, wohl aber sittlich falsch. Sie bedarf der Korrektur." 3<br />
Sowohl die auf<br />
den Schutz und die Sicherung eines Gutes gerichtete Handlung, wie die das<br />
Verhalten regelnden Normen müssen somit den Umständen einer<br />
Handlungssituation Rechnung tragen. Aus den gemachten Ausführungen ergibt<br />
sich, daß das Gewissen<br />
2) ebd. S. 39.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gesamtinventur der hierbei ins Spiel kommenden Bedingungen und<br />
Konsequenzen erbringen kann. Seine letztlich auch hier wiederum auf<br />
Güterabwägung beruhenden Argumente müssen - mit Kant zu sprechen - eine "<br />
freie und öffentliche Prüfung aushalten können"33. Wo immer sonach eine<br />
Handlungsdirektive, die der Wahrung und Sicherung eines Gutes dienen will,<br />
kraft der durch sie gesetzten Umstände wesentliche andere von ihr mitberührte<br />
andere von ihr mitberührte Güter unberücksichtigt läßt, kann sie solcher<br />
Prüfung nicht standhalten und bleibt den Beweis ihrer sittlichen Vernunft<br />
schuldig. Oder anders gewen- det: Jede falsche Einschätzung der Umstände<br />
einer Handlung macht diese Handlung zwar nicht sittlich schlecht, wohl aber<br />
sittlich falsch. Sie bedarf der Korrektur. Damit aber wird jetzt noch ein<br />
weiteres deutlich. Nicht nur die auf das Erreichen eines Gutes zielende<br />
Handlung, sondern auch die sie jeweils regelnde und<br />
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3) "Wer bestimmte Handlungsweisen für sittlich unerlaubt hält, gehe es nun um das Essen von<br />
Schweinefleisch, um Organtransplantation, Todesstrafe oder Zinsnehmen, um das Problem des<br />
Wehrdienstes oder um die Errichtung von Kernkraftwerken, handelt ohne Zweifel sittlich gut,<br />
sofern er darin seiner Überzeugung folgt. Ob solche Einstellung nun aber zugleich auch<br />
sittlich richtig ist, hängt demgegenüber einzig und allein von der Kraft der jeweiligen<br />
Sachargumente ab, die er hierfür, gleichsam im Zuge einer möglichen Gesamtinventur der<br />
hierbei ins Spiel kommenden Bedingungen und Konsequenzen erbringen kann" (ebd. S. 39).<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 39<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 40<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 248<br />
auf den Schutz und die Sicherung eines Gutes gerichtete Handlung, wie die das<br />
Verhalten regelnden Normen müssen somit den Umständen einer<br />
Handlungssituation Rechnung tragen. Aus den gemachten Ausführungen ergibt<br />
sich, daß das Gewissen im Rahmen einer autonomen Moral im christlichen<br />
Kontext die personkonstituierende - weil die Freiheit und Verantwortlichkeit<br />
der Person entsprechende und sie wirksam machende - sittliche Grundhaltung<br />
ist, wie das auch persongerechtwerdende - weil ihr Recht auf<br />
Selbstbestimmung entsprechende - Instrument ist. In der Freiheit des<br />
Gewissens findet die<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
modelltypisch als normativ zu fassen ist. Das bedeutet, daß die normative<br />
Sittlichkeit vor allem in den Kategorien autonomer philosophischer Ethik zu<br />
behandeln ist. 12.22 Die Position einer autonomen Moral im christlichen<br />
Kontext Die Position einer autonomen Moral im christlichen Kontext hat im<br />
wesentlichen folgende Voraussetzungen ihrer Arbeit zu formulieren versucht: 7<br />
Die Erkenntnis-These: Die der Wirklichkeit innewohnende Wahrheit<br />
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72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 189<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 248<br />
und sieht sich der Mensch dem unausweichlichen und unbedingten sittlichen<br />
Anspruch zu einem unter dem doppelten Liebesgebot stehenden und auf Gott<br />
bezogenen Entscheiden und Handeln bei der Gestaltung der Welt gegenüber.<br />
Entsprechend wird in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von<br />
heute (Gaudium et spes) formuliert: " Im Innern seines Gewissens entdeckt der<br />
Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß<br />
und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur<br />
Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt:<br />
Tu dies, meide jenes. Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem<br />
Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß<br />
dem er gerichtet werden wird. Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das<br />
Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem<br />
seinem Innersten zu hören ist. Im Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise<br />
jenes Gesetz, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat.<br />
Durch die Treue zum Gewissen sind die Christen mit den übrigen Menschen<br />
verbunden im Suchen nach der Wahrheit und zur wahrheitsgemäßen Lösung<br />
all der vielen moralischen Probleme, die im Leben der Einzelnen wie im<br />
gesellschaftlichen Zusammenleben entstehen." 1 10.4. Auswertung Als<br />
Ergebnis unserer Darlegungen läßt sich über das christliche Gewissen ein<br />
dreifaches feststellen: 1. Es macht dem Menschen das von Gott kommende<br />
Angebot vollkommenen Freigesetztseins bewußt und motiviert - durch seinen<br />
Bezug auf Gott als das<br />
1) Rahner,Karl/Vorgrimmler,Herbert: Kleines Konzilskompendium. Freiburg,Basel,Wien 1979.<br />
S. 462.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zu wenig darum bemüht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das<br />
Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird.<br />
Entnommen aus: Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute "<br />
Gaudium et spes", Artikel 16. Zlt. nach: Lexikon für Theologie und Kirche. Das<br />
zweite Vatikanische Konzil, Bd. III, Verlag Herder, Freiburg I. Br. 1968, S. 329.<br />
HOLLANDISCHER KATECHISMUS Jeder Mensch, religiös oder nicht, weiß,<br />
Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Hrsg. von Eberhard Bethge, Chr.<br />
Kaiser Verlag, München, Neuausgabe 1970, S. 13 f. in Auszügen. ZWEITES<br />
VATIKANISCHES KONZIL Die Bedeutung des Gewissens für den Menschen*<br />
Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht<br />
selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß und dessen Stimme ihn immer zur<br />
Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und. wo<br />
nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes. Denn der Mensch<br />
hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu<br />
gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird. Das<br />
Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er<br />
allein Ist mit Gott, dessen Stimme In diesem seinem Innersten zu hören ist. Im<br />
Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise jenes Gesetz, das in der Liebe zu.<br />
Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat. Durch die Treue zum Gewissen<br />
sind die Christen mit den übrigen Menschen verbunden im Suchen nach der<br />
Wahrheit und zur wahrheitsgemäßen Lösung all der vielen moralischen<br />
Probleme, die im Leben der einzelnen wie im gesellschaftlichen<br />
Zusammenleben entstehen. Je mehr also das rechte Gewissen sich durchsetzt,<br />
desto mehr lassen die Personen und Gruppen von der blinden Willkür ab und<br />
suchen sich nach den<br />
1 Dittert, Kurt: Alternativen. Das Gewissen - fragwü..., 1970, S. 16<br />
1 Dittert, Kurt: Alternativen. Das Gewissen - fragwü..., 1970, S. 15<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 249<br />
von Gott kommende Angebot vollkommenen Freigesetztseins bewußt und<br />
motiviert - durch seinen Bezug auf Gott als das schlechthinnige bonum - den<br />
Menschen in besonderer Weise dazu, seine individuelle Verantwortung<br />
wahrzunehmen. 2. Es sensibilisiert den Menschen, Spannungen und Konflikte "<br />
durch Durchdringung der Schöpfung und seiner Verantwortung für dieselbe<br />
lösen zu können" 1 . 3. Es führt den in die Freiheit und Verantwortung gesetzten<br />
Menschen zur Frage nach Gott und wird ihm "zur Quelle für sein gesamtes<br />
sozial-ethisches Verhalten" 2 . Dementsprechend liegt der erzieherische Beitrag<br />
zur Entfaltung eines solchen Gewissens nicht in der Errichtung einer<br />
moralischen Normeninstanz, sondern in der Weckung einer besonderen<br />
Lebensart, die getragen ist von dem Gefühl tiefer Dankbarkeit für Gottes<br />
Angebot<br />
1) Mokrosch,Reinhold: a.a.O. S.105.<br />
2) ebd. S. 105.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Religiöses "Schlechtes Gewissen"). Treibt es den Menschen zu der Erfahrung,<br />
daß er von seinen Spannungen und Konflikten nur durch externe Worte und<br />
Ereignisse und nur durch Durchdringung der Schöpfung und seiner<br />
Verantwortung für dieselbe befreit werden könne, so schlägt es um in das<br />
Bewußtsein einer transmoralisch-nichtnormativen Freiheit und Identität (<br />
Religiöses "Gutes Gewissen* ), das den so befreiten Menschen zum<br />
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106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 105<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 249<br />
moralischen Normeninstanz, sondern in der Weckung einer besonderen<br />
Lebensart, die getragen ist von dem Gefühl tiefer Dankbarkeit für Gottes<br />
Angebot an den Menschen, ihm Vater zu sein. Christliche Gewissensbildung<br />
besteht dann nach Böckle/Pohier darin, " Lust zu machen, auf eine bestimmte<br />
Weise zu handeln und zu lieben, weil wir als Glieder der Kirche entdecken, daß<br />
Gott der Vater, der Sohn und der Heilige Geist auf eine bestimmte Weise lebt,<br />
und daß er Lust macht, an seinem Leben teilzunehmen und auch andere<br />
genauso daran teilnehmen zu lassen, wie er Lust hat, uns zu Menschen zu<br />
machen, die anderen Anteil an diesem Leben geben. 3<br />
Gemeint sind damit<br />
Prozesse des Bewußtwerdens und der Motivation in mehrfacher Hinsicht: 1.<br />
Der Mensch muß seine Geschöpflichkeit und damit seine Totalabhängigkeit vom<br />
Schöpfer erkennen. Daraus erwächst für all sein Tun der erste Grundsatz der<br />
Sittlichkeit "bonum est faciendum, malum vitandum" als unausweichlicher und<br />
unbedingter Anspruch. Dieser Sollensanspruch weist dem Erzieher in seinem<br />
Tun einen letzten Bezugspunkt für sein eigenes Handeln und stellt bei seinen<br />
erzieherischen Bemühungen im allgemeinen, wie der erzieherischen Hilfe zur<br />
Gewissensentfaltung des<br />
3) Böckle,Franz/Pohier,Jacques: a.a.O. S. 617.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Ziel gesetzt hatten, schon erreicht, wenn wir einen kleinen Beitrag leisten<br />
könnten zur Beantwortung der Frage, was die wesentliche Aufgabe der<br />
christlichen Gewissensbildung sein müsse: Lust zu machen, auf eine<br />
bestimmte Weise zu leben, zu handeln und zu lieben, weil wir als Glieder der<br />
Kirche entdecken, daß Gott der Vater, der Sohn und der Heilige Geist auf eine<br />
bestimmte Weise lebt, und daß er Lust macht, an seinem Leben teilzunehmen<br />
und auch andere genauso daran teilnehmen zu lassen, wie er Lust hat, uns zu<br />
Menschen zu machen, die anderen Anteil an diesem<br />
137 Böckle, Franz: Hat die christliche Gewissensbildun..., 1977, S. 616<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 251<br />
vor der unantastbaren Würde des anderen entwickeln, als Voraussetzungen<br />
einer auch von anderen anzuerkennenden Gewissensentscheidung. 5. Damit<br />
stellt sich auch in der Erziehung die Frage nach dem anzustrebenden<br />
Verhältnis von Autorität und Autonomie. Die Autorität ist aus der Interaktion<br />
in der Erziehung kaum wegzudenken. Sie befindet sich nicht im Gegensatz zur<br />
Autonomie. Vielmehr stehen beide gemeinsam in einer Interaktion, die aus<br />
sich ethischen Charakter hat, weil sie zu den Bedingungen der Möglichkeit<br />
sittlichen Gelingens gehört. Neben die Gestaltungsverantwortung für<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Lehramtes. Die Frage lautet nun: was bleibt von der Autorität, wenn man ein<br />
autonomes Konzept ethischen Lernens auch im Kontext religiöser Erziehung<br />
vertritt? Da Autorität aus der Interaktion in der Erziehung kaum wegzudenken<br />
ist, wenn immer Erziehung von einer Interaktion mit unterschiedlicher<br />
Sachkompetenz und unterschiedlichen Stufen im Prozeß der Personwerdung<br />
geprägt ist, kann es sich nur um die<br />
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72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 13<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 251<br />
stehen beide gemeinsam in einer Interaktion, die aus sich ethischen Charakter<br />
hat, weil sie zu den Bedingungen der Möglichkeit sittlichen Gelingens gehört.<br />
Neben die Gestaltungsverantwortung für Formen tritt so immer auch die<br />
Gehorsamsverantwortung vor Formen. " Wessen Freiheit nie vor Normen und<br />
Ansprüche gestellt wurde, wer in lückenloser Permissivität nie dazu gebracht<br />
wird, eine Verantwortung zu übernehmen oder eine Entscheidung zu fällen,<br />
verfällt in die Selbstgefälligkeit in Form der Willkür und wird zum Spielball<br />
seiner wechselnden Neigungen. Wessen Freiheit hingegen stets durch Normen<br />
und Ansprüche ersetzt wurde, wer in lückenloser Repression nie dazu gebracht<br />
wurde, sich selbst zu orientieren und zu verantworten, der wird zur Kreatur und<br />
reagiert nach der Hackordnung." 1<br />
So gehört zur erzieherischen Hilfe bei der<br />
Gewissensbildung immer auch "die autoritative Interaktion", um ein Maß zu<br />
finden zwischen notwendigem Konformismus (Gehorsamsverantwortung) und<br />
Kreativität (Gestaltungsverantwortung). 2<br />
sein eigentliches und umfassendes<br />
Ziel. ... Die Kirche muß diesen theonomen Anspruch verteidigen gegen jeden<br />
Versuch, den Sollensanspruch ideologisch zu deuten und damit Kontingente<br />
Werte zu verabsolutieren. ... Konkrete sittliche Handlungsnormen können<br />
durch die Glaubenseinsicht eine inhaltliche Bestätigung sowie eine vertiefte<br />
Begründung erfahren. ... Weiter bleibt zu beachten, daß durch eine<br />
lehramtliche Bestätigung und Verkündigung als solche sittliche Normen keinen<br />
Absolutheitscharakter erhalten, d.h. daß sie deswegen nicht zu ausnahmslos und<br />
unter allen Umständen gültigen Normen werden" ( ebd. S.330). Dies bedeutet<br />
in der Konsequenz, daß ein treu zu seiner Kirche stehender Katholik in seine<br />
gewissenhafte Prüfung die objektiven Normen des kirchlichen Lehramtes<br />
miteinbeziehen muß, er aber doch zu einer von der lehramtlichen Entscheidung<br />
abweichenden Auffassung kommen kann, die er dann auch vertreten und<br />
praktizieren darf. Böckle stellt dies am Beispiel der Verhandlungen der<br />
gemeinsamen<br />
41% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
daher die Voraussetzung für eine Autonomie im Sinne verantwortlicher und<br />
nicht willkürlicher Selbstverwirklichung. Dies ist ein Phänomen, das man auch<br />
als "gestellte Freiheit" kennzeichnen könnte. Wessen Freiheit nie vor Normen<br />
und Ansprüche gestellt wurde, wer in lückenloser Permissivität nie dazu<br />
gebracht wird, eine Ver- antwortung zu übernehmen oder eine Entscheidung<br />
zu fällen, verfällt an die Selbstverfügung in Form der Willkür und wird zum<br />
Spielball seiner wechselnden Neigungen. Wessen Freiheit hingegen stets durch<br />
Normen und Ansprüche ersetzt wurde, wer in lückenloser Repression nie dazu<br />
gebracht wurde, sich selbst zu orientieren und zu verantworten, der wird zur<br />
Kreatur und reagiert nach der Hackordnung. Die autoritative Interaktion ist<br />
daher das Konzept, "autonome" Moralpädagogik zu ermöglichen, und damit<br />
das Maß zwischen Konformismus und Kreativität zu finden. Zwischen<br />
Konformismus und Kreativität -<br />
Gnade und Rechtfertigung fraglos zum klassischen Lehrbereich der Kirche. -<br />
Mit diesem Ziel ist auch die theonome Beanspruchung des Menschen im<br />
Selbstvollzug seiner Freiheit glaubensmäßig gesichert. Die Kirche muß diesen<br />
theonomen Anspruch verteidigen gegen jeden Versuch, den Sollensanspruch<br />
ideologisch zu deuten und damit kontingente Werte zu verabsolutieren. Sie muß<br />
sich aber selbst bewußt sein, daß die theonome Legitimierung des Sollens die<br />
kreatürliche Vernunft nicht verändert oder beengt, sondern als kreatürlich<br />
freisetzt. - Konkrete sittliche Handlungsnormen können durch die<br />
Glaubenseinsicht eine inhaltliche Bestätigung sowie eine vertiefte Begründung<br />
erfahren (z. B. das Verfügungsrecht über den Menschen, die eheliche<br />
Treuebindung usw.). Das Lehramt hat sie dementsprechend in ihrer Geltung zu<br />
sichern. Glaubenseinsichten über den Menschen sind dabei besonders wichtig.<br />
Auch sie können aber nur<br />
mit einem allgemeinen Prinzip begnügen, das uns den rechten Umgang mit<br />
einer lehramtlichen Äußerung lehrt. Darin liegt wohl die nicht zu<br />
unterschätzende Bedeutung dieses EntscheidsljAuch ein treu zu seiner Kirche<br />
stehender Katholik kann zu einer von der lehramtlichen Entscheidung<br />
abweichenden Auffassung kommen; er darf diese Meinung vertreten und<br />
persönlich oder z. B. als Arzt seinen Patienten gegenüber auch praktizieren.<br />
72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 19<br />
72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 20<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 330<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 328<br />
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Synode der Bistümer in der Bunddesrepublik Deutschland zur Frage nach der<br />
Methode der Empfängnisverhütung dar, bei der man sich auf folgende<br />
Formulierung geeinigt hat: " Das Urteil über die Methode der<br />
Empfängnisregelung muß in die gewissenhafte Prüfung die objektiven Normen<br />
miteinbeziehen, die das Lehramt der Kirche vorlegt" ( ebd. S. 328). Diese<br />
Auffassung bedeutet keinerlei Infragestellung kirchlicher Autorität. überall da,<br />
wo die Kirche überzeugende, der Sache angemessene und der realen Situation<br />
und übernatürlichen Bestimmung des Menschen gerechtwerdende Argumente<br />
hat, da gewinnt sie moralische Autorität. Dies wird besonders deutlich in der<br />
Art und Weise, wie sie zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Problemen der<br />
Friedenspolitik Stellung bezogen hat. Thesen zu einem pädagogischen Begriff<br />
des Gewissens und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung Vorbemerkung<br />
Die vorangegangene Vorstellung einschlägiger<br />
1) Stachel,Günter/Mieth,Dietmar: Ethisch handeln lernen. Zürich 1978. S. 19/20.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Wenn das Lehramt und die Theologie glauben, aus anderen Quellen<br />
zu einem von der Norm abweichenden Urteil kommen könne. Dieser<br />
Möglichkeit zu abweichendem Urteil und Verhalten glaubte die<br />
Sachkommission gerecht zu werden mit der Formulierung:(" Das Urteil über die<br />
Methode der Empfängnisregelung muß in die gewissenhafte Prüfung die<br />
objektiven Normen miteinbeziehen, die das Lehramt der Kirche vorlegt."\<br />
Alles hängt an dem Wort "miteinbeziehen". Dieser Begriff läßt einem<br />
abweichenden Urteil ganz anderen Raum als die Aussage, die Entscheidung<br />
müsse nach den objektiven Normen<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
300<br />
2) Das Verhältnis von Autorität und Autonomie gewinnt in den Problemen um das Verhältnis von<br />
individuellem Gewissen und dem Lehramt der katholischen Kirche eine im Laufe der<br />
Kirchengeschichte stets aktuell gebliebene Thematisierung, die wir kurz aufgreifen möchten:<br />
Es steht zunächst ausser Frage, daß der katholische Christ an Verlautbarungen des Lehramtes<br />
nicht vorbeisehen kann. Es ist aber gleichermaßen fraglos, daß der spezifische Anspruch des<br />
Lehramtes nicht dazu führen kann, das individuelle Gewissen, d.h. die selbst zu<br />
verantwortende Entscheidung des einzelnen unmöglich'zu machen. Für das verantwortliche<br />
sittliche Handeln eines mündigen Menschen gilt in erster Linie das Gewicht der Sachgründe.<br />
"Auch wenn man sich auf die Glaubensvernunft beruft, muß man mit sittlich-normativen<br />
Aussage ......<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 328<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 254<br />
anderer Disziplinen nicht per se widerlegt sind. 1<br />
Hinzu kommt, daß sich das<br />
Gewissen unabhängig von der Vielfalt der fachspezifischen Perspektiven an<br />
sich als ein äußerst komplexes Phänomen zeigt, das die Möglichkeit der<br />
Vieldeutigkeit offen läßt, " ja, es trägt in seiner Verborgenheit und<br />
Rätselhaftigkeit wesentlich dazu bei, es in vielfacher Weise zu verstehen." 1<br />
Die<br />
bearbeiteten Gewissenstheorien machen uns - neben der Vielfalt der<br />
Erscheinungs- und Erklärungsweisen des Gewissens - noch auf eine zweite,<br />
pädagogisch wichtige Besonderheit aufmerksam: einerseits erweist sich nach<br />
den einschlägigen Befunden das Gewissen als ein den Menschen<br />
1) Wenn Niklas Luhmann etwa aus juristisch-sozialwissenschaftlicher Sicht die Analyse von<br />
Gewissensfunktionen mit den Mitteln der empirischen Sozialwissenschaften für relevant hält,<br />
so hat er damit noch nicht alle Erklärungen über metaphysische Begründungen des<br />
Gewissens ad absurdum geführt.<br />
1) Kümmel,Friedrich: Zum Problem des Gewissens. In: Blühdorn,Jürgen (Hrsg.): Das Gewissen<br />
in der Diskussion. S. 441-460. hier: S. 441.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
weit gespannte Skala. Kaum ein Begriff divergiert so stark in seinen<br />
Auslegungen und Bewertungen. Das Phänomen des Gewissens selbst läßt die<br />
Möglichkeit solcher Vieldeutigkeit offen, ja es trägt in seiner Verborgenheit<br />
und Rätselhaftigkeit wesentlich dazu bei, es in vielfacher Weise zu verstehen<br />
und auch mißzuverstehen. So offenkundig das Faktum des Gewissensrufes ist,<br />
so befindet er doch über mich, ohne sich selbst in seinem Woher auszulegen<br />
und seinen<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
301<br />
138 Kümmel, Friedrich: ZUM PROBLEM DES GEWISSENS, in: Blüh..., 1976, S. 0<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 258<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
und Relation und eine solche zwischen Potentialität und Realität. Darauf soll in Menschen Personalität zukommt. Hierbei gilt: 1. Personalität ist dem Menschen<br />
zwei Schritten eingegangen werden: 1. Mit dem Satz "der Mensch ist Person" existenziell gegeben. Personalität ist dem Menschen vom Anfang seines<br />
ist vor allem gemeint: Personalität ist dem Menschen von Anfang an gegeben. Existierens und damit seines Lebens zu eigen. Person wird der Mensch nicht<br />
Person wird der Mensch nicht erst zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner erst zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Entwicklung. " Schon das Kind im<br />
Entwicklung. Es gibt kein mehr oder weniger Personsein. " Person-Sein ist Mutterleib ist Person" (Henz, 1971, S. 104). 2. Personalität ist dem Menschen<br />
etwas Begründendes und Bleibendes." 1 Der Mensch muß nicht erst<br />
unveränderlich gegeben. So wie der Mensch vom Anfang seiner Existenz<br />
Bedingungen erfüllen, aufgrund derer ihm Personalität zuerkannt wird. Person ist, gibt<br />
Vielmehr kommt sie jedem unterschiedslos zu. 2<br />
In solchermaßen substantiell<br />
unveränderlich gegeben. So wie der Mensch vom Anfang seiner Existenz<br />
verstandener Personalität 3<br />
gründet die Selbständigkeit des Menschen: Person<br />
Person ist, gibt es auch kein mehr oder weniger Person-Sein im Laufe seiner<br />
steht in sich selbst, kann<br />
Entwicklung. " Person-Sein ist etwas Begründendes und Bleibendes" ( Arnold,<br />
1) Arnold,Wilhelm: Person,Charakter,Persönlichkeit. Göttingen 1969. S. 42.<br />
1969, S. 42). Was sich im Laufe der Entwicklung ändert, ist nicht das Person-<br />
Sein, sondern die Individualität des Menschen. 3. Personalität kommt dem<br />
2) vgl. dazu: Schröder,Hartwig: Wertorientierter Unterricht. München 1978. S. 14ff.<br />
Menschen unterschiedslos zu. So<br />
3) Eines der frühesten Zeugnisse für ein auf die Substanz bezogenes Personverständnis ist die<br />
berühmte Defintion des römischen Gelehrten Boethius (480-525): "persona est naturae<br />
rationalis individua substantia."<br />
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302<br />
64 Schröder, Hartwig: Wertorientierter Unterricht, 1978, S. 14<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 259<br />
Er ist dann ein Einzelwesen, das das Grundwort Ich-Es spricht. Diese geläufige<br />
Haltung ist aber nach Buber nicht die wesenhaft menschliche. Sie kommt erst<br />
da zum Ausdruck, wo er das Grundwort Ich-Du ausspricht, jenes Grundwort,<br />
das die Welt der Beziehung stiftet. 3<br />
Im Ereignis der Begegnung, in der "<br />
Gegenseitigkeit" 4 , im Dialog erscheint des Menschen Menschlichkeit. Buber<br />
setzt diese Menschlichkeit gleich mit Personalität: " Das Ich des Grundwortes<br />
Ich-Du erscheint als Person. ... Person erscheint, indem sie zu anderen in<br />
Beziehung tritt." 5<br />
Ein Blick auf die Geschichte des Personbegriffs zeigt, daß<br />
die Grundmerkmale der Substantialität und Relationalität seltener beide dem<br />
Begriff zugerechnet werden, sondern oft in krassem Gegensatz auftreten. 1<br />
Wenn<br />
dies auch aus heutiger Sicht unzulänglich ist,<br />
3) ebd. S. 10.<br />
4) ebd. S. 19.<br />
5) ebd. S. 65.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
so häufig er sie einnehmen mag, sie ist nicht die wesenhaft menschliche<br />
Haltung. Diese tritt erst dann zutage, wenn er das "Grundwort .. . Ich- Du" 264<br />
spricht, jenes Grundwort, das die "Welt der Beziehung stiftet"266. Der Mensch<br />
ist menschlich erst im "Begegnungsereignis"269, in der "Gegenseitigkeit" 267,<br />
im "Dialog", welche Menschlichkeit dann auch von BUBER ausdrücklich mit<br />
der Personalität des ,M EBNER, Fragmente,<br />
Todesjahr 1931 geschrieben worden. 1,0 MARTIN BUBER: Ich und Du, um<br />
ein Nachwort erweiterte Neuausgabe, Heidelberg 1958, S. 9. Ml Ebd. S. 57. ,M<br />
Ebd. w Ebd. S. 9. m Ebd. w Ebd. S. 11. ,M Ebd. S. 50, 51. 1,7 Ebd. S. 19.<br />
Menschen ineinsgesetzt wird: " Das Ich des Grundwortes Ich-Du erscheint als<br />
Person ... Person erscheint, indem sie zu anderen Personen in Beziehung tritt"<br />
288. Wie bei BARTH und EBNER ergibt sich also auch hier ein rein<br />
dynamischer Personbegriff, Person ist nur als Werden, Geschehen, Ereignis<br />
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12.01.2014<br />
303<br />
1) vgl. dazu: Nosbüsch,Johannes: Das Personproblem in der gegenwärtigen Philosophie. In:<br />
Gerner,Berthold (Hrsg.): a.a.O. S. 33-88. Dort wird ein Überblick über das Verständnis des<br />
Personbegriffs gegeben mit Ausrichtung auf die Unterscheidung einer "mehr statischen und<br />
einer mehr dynamischen Betrachtung der Person. ... Im ersten Fall ist der Mensch Person, im<br />
letzteren wird er erst Person" (ebd. S. 35).<br />
139 Gerner, Berthold: Personale Erziehung . Darmstadt 196..., 1965, S. 83<br />
139 Gerner, Berthold: Personale Erziehung . Darmstadt 196..., 1965, S. 84<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 261<br />
des Einzigartigkeit verliert und zum Allgemeinen wird. Die Unmöglichkeit der<br />
Faßbarkeit dessen, was die Person ausmacht, beschreibt Bernhard Welte 2 :<br />
Letztlich könne immer nur das "Ich als Begriffenes", nie aber das "Ich als<br />
Begreifendes" formuliert werden. " Es bleibt die Differenz zwischen dem<br />
Gedachten und dem Denkenden. Und so wird das Ich als Denkendes, als der<br />
Ursprung, aus dem sich alles Denken immerfort erhebt, niemals zum Objekt,<br />
und kann dies auch nicht werden." 3<br />
Sowie menschliche Personalität als latente<br />
Realität dem Erzieher die Grenzen seiner Möglichkeiten weist, ihn zur<br />
Zurückhaltung mahnt, so sehr fordert sie ihn auch heraus angesichts der<br />
Tatsache, daß der Heranwachsende ein Recht auf Entfaltung seines<br />
2) vgl. dazu: Welte,Bernhard: Zum Begriff der Person. In: ders.: Zeit und Geheimnis. Freiburg,<br />
Basel, Wien 1975. S. 41-52.<br />
3) ebd. S. 42.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
dies gar nicht: denn was immer ich in dieser Sache denken mag, das Denkende<br />
als Denkendes bleibt hinter jedem möglichen Gedachten meiner über mich<br />
selbst. Es bleibt die Differenz zwischen dem Gedachten und dem Denkenden.<br />
Und so wird das Ich als Denkendes, als der Ursprung, aus dem sich alles<br />
Denken immerfort erhebt, niemals zum Objekt, und es kann dies nicht werden -<br />
ebensowenig zum Objekt meiner selbst wie zum Objekte anderen und fremden<br />
Denkens. Wiederum kommen wir in den Bereich des innersten<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
304<br />
140 Welte, Bernhard: Zum Begriff der Person, 1975, S. 1<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 262<br />
Entfaltung seiner Personalität gegeben wird. 1) Es handelt sich hier um eine<br />
primär philosophischtheologische Frage, deren Beantwortung eine sehr<br />
ausführliche Genese des Person-Begriffs nötig macht. These 2: Zur Entfaltung<br />
menschlicher Personalität gehören eigenverantwortliche Wertentscheidungen<br />
und Güterabwägungen. " Personalität meint das Stehen des Ich vor dem<br />
Gesollten." 1<br />
In diesem Satz von Alfred Petzelt kommt eine Grunderfahrung des<br />
Menschen zum Ausdruck: die Erkenntnis, unter Ansprüchen zu stehen, sein<br />
Wissen darum, etwas zu sollen. Sie drückt sich aus in seinen Fragen: "Was soll<br />
ich tun?" und "Wie soll ich sein?" Beide Fragen können als Einheit betrachtet<br />
werden. Im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder gestellt, sind sie -<br />
aus der Erfahrung permanenten Sollens resultierend - Ausdruck menschlichen<br />
Strebens nach Scheidung von Gutem und Bösem, Richtigem und Falschem,<br />
Sittlichem<br />
1) Petzelt,Alfred: Personalität. In: Gerner,Berthold (Hrsg.): a.a.O. S. 162-178. hier: S. 163.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Einheit. Persönlichkeit "ist" weder bloß, noch "wird" sie. Sie "ist" im Vollzug,<br />
ist zu jeder Zeit von neuem vollzogen, sie muß immer wieder vollzogen werden.<br />
Personalität meint das Stehen des Ich vor dem Gesollten. Der Vollzug geht<br />
nicht um das Stehen des Ich, sondern um das gültige Sich-Stellen. Uber das<br />
Stehen selbst hat das Ich keine Entscheidung mehr.<br />
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12.01.2014<br />
305<br />
141 Petzelt, Alfred: Personalität, 1965, S. 163<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 263<br />
sei. Bei solchem Erklären und Begründen eigenen Tuns kommt folgender<br />
Aspekt hinzu: Menschliche Vernunft will sich grundsätzlich nicht gegen sich<br />
selbst verhalten. Sie arbeitet nach dem Kontradiktionsprinzip, d.h. für den<br />
Bereich des Handelns: Ich kann nicht ein bestimmtes Tun unter Heranziehung<br />
ein und derselben Gründe zugleich als gut und zugleich als schlecht<br />
bezeichnen. 1<br />
Von daher formuliert Thomas von Aquin den allgemeinsten<br />
Grundsatz der handlungsbezogenen praktischen Vernunft: das Gute ist zu tun,<br />
das Böse ist zu meiden. Bei Bestimmung dessen, was als gut und was als böse<br />
anzusehen ist, zeigen sich dann aber erhebliche Schwierigkeiten: Der Mensch<br />
steht im Widerstreit der Interessen, Bedürfnisse und Güter. Er muß abwägen<br />
und sein Abwägen begründen.<br />
1) vgl. dazu: Korff,Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie. Frankfurt 1919. S. 12f.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Der Mensch kann nicht ein und denselben Sachverhalt unter Heranziehung ein<br />
und derselben Gründe zugleich als wahr und als falsch bezeichnen. Und er kann<br />
ebensowenig ein bestimmtes Tun unter Heranziehung ein und derselben Gründe<br />
als sittlich gut und zugleich als sittlich schlecht, als böse bezeichnen. Die<br />
Vernunft will also auch im Tun Ubereinstimmung mit sich selbst erfahren, mit<br />
den<br />
andere Motivationen mitbestimmt. Bleibt auch bei ihnen das Tun vornehmlich<br />
bestimmt durch eine egoistische oder primär narzißtische Haltung, wird von<br />
ihnen die Leerformel des Urgewissens " das Gute ist zu tun, das Böse ist zu<br />
meiden" einfachhin inhaltlich gleichgesetzt mit dem Erstreben von vitaler Lust<br />
oder mit der Erfüllung von Triebbedürfnissen und mit dem Meiden von<br />
Triebverzicht oder Versagung, so wird<br />
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12.01.2014<br />
306<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 12<br />
142 Gründel, Johannes: Entfaltung des kindlichen Gewissens, 1973, S. 35<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 263<br />
Bestimmung dessen, was als gut und was als böse anzusehen ist, zeigen sich<br />
dann aber erhebliche Schwierigkeiten: Der Mensch steht im Widerstreit der<br />
Interessen, Bedürfnisse und Güter. Er muß abwägen und sein Abwägen<br />
begründen. Dabei gehört zu den grundlegenden Einsichten der<br />
Moralphilosophie die These, daß aus der bloßen Beschreibung von Fakten noch<br />
keine Schlüsse über Gesolltes abgeleitet und begründet werden können. Wohl<br />
aber lassen sich im zwischenmenschlichen Bereich überall Sollensansprüche<br />
feststellen,und es ist diese Vielfalt normativer<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
welche Verbindlichkeit solchen Ansprüchen eigen sei und woher ihnen diese<br />
Verbindlichkeit zukomme. Es ist die Frage nach dem Grund der im Sollen<br />
vermittelten Verpflichtung. Es gehört zu den grundlegenden Einsichten der<br />
Moralphilosophie, daß eine Verpflichtung als solche (formal betrachtet: "daß<br />
ich soll" und nicht "was ich soll") nicht aus der bloßen Beschreibung von Fakten<br />
erschlossen werden kann.<br />
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95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 34<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 264<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Traditionen, Institutionen und sonstigen Bindungen zunehmend neuen<br />
Reglementierungen unterworfen zu sein. Kants Aufforderung, den Menschen<br />
aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit hinauszuführen, ist längst zum<br />
Guardini versuchte kurz nach dem letzten Krieg die Gegenwart als das "Ende<br />
der Neuzeit" (1950) zu charakterisieren. Der Mensch in der Konzeption der<br />
Neuzeit war das " aus den mittelalterlichen Bindungen gelöste" (1950, 72)<br />
das " aus den mittelalterlichen Bindungen gelöste" 1 autonome Subjekt, das sich die ihre innere Gestalt am Stoff der Welt entfaltete und so das eigene Dasein<br />
Programm geworden. In der Konzeption der Neuzeit erscheint der Mensch als autonome Subjekt, das sich seine Freiheiten erkämpft hatte, die Persönlichkeit,<br />
seine Freiheiten erkämpft hat. War die ständische Gesellschaft des Mittelalters verwirklichte. Auf diese Weise konnte seinerzeit vielleicht eine<br />
bestimmt durch ein festes, von allen akzeptiertes Wertesystem und überlieferte<br />
Lebensordnungen, so stehen in der neuzeitlichen, offenen, pluralistischen<br />
Gesellschaft mehrere Werte- und Normenhierarchien nebeneinander, haben<br />
sich die Menschen<br />
1) Guardini,Romano: Das Ende der Neuzeit. Basel 1950. S.72.<br />
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308<br />
143 Kerstiens, Ludwig: Erziehungsziele neu befragt, 1977, S. 119<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 265<br />
noch zu bewältigen. Normative Aussenlenkung erfolgt nicht mehr durch Sitte,<br />
sondern durch Mode, bei der lediglich die Tatsache ihrer Neuheit Grund zur<br />
Orientierung liefert. 2<br />
Die vielfältigen anonymen Apparaturen und Mächte der<br />
modernen pluralistischen Gesellschaften nehmen "den Einzelnen mehr und<br />
mehr das Gefühl und auch die objektiven Möglichkeiten, aufgrund eigener<br />
sachlicher Überzeugungen und Gewissensentscheidungen zu handeln". 1<br />
Reglementierende Eingriffe im Mesobereich 2<br />
grenzen die Freiheit des<br />
einzelnen immer mehr ein. Das wachsende Gefühl der Ohnmacht gegenüber<br />
der Verplanung jeglicher Lebensbereiche lähmt die Fähigkeit zu mutiger<br />
Entscheidung und zu von persönlicher Überzeugung getragenem Handeln.<br />
2) Die Begriffe "Sitte" und "Mode" werden hier im Sinne Max Webers gebraucht. Er bezeichnet<br />
dasjenige als "Brauch", was die "tatsächlich bestehende Chance einer Regelmäßigkeit der<br />
Einstellung sozialen Handelns" hat, wobei die Chance ihres Bestehens innerhalb eines<br />
Kreises von Menschen lediglich durch tatsächliche Übung gegeben ist. Zwei Arten von "<br />
Brauch" sind die "Sitte" und die "Mode". Sie unterscheiden sich in der Ursache ihrer Geltung:<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
drei Modellfälle: das Gruppenproblem, das Problem des Funktionärs und das<br />
Problem der anonymen Freiheitsberaubung. Die moderne pluralistische<br />
Gesellschaft mit ihren vielfach anonymen Apparaturen hat dem einzelnen mehr<br />
und mehr das Gefühl und vielfach auch die objektive Möglichkeit genommen,<br />
daß er als einzelner auf Grund eigener sachlicher Überzeugungen und<br />
Gewissensentscheidungen zu handeln vermöge. Das, was man stark<br />
vergröbernd und damit auch verzerrend als das "Massenschicksal" unserer Zeit<br />
zu bezeichnen pflegt, zwingt den einzelnen, weithin "mitzuschwimmen" und<br />
konformistisch<br />
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12.01.2014<br />
309<br />
1) Thielicke,Helmut: Gefährdung der Freiheit durch die Freiheit. In: Böse,Georg (Hrsg.): Unsere<br />
Freiheit morgen. Düsseldorf,Köln 1963. S. 53-61. hier: S. 55.<br />
2) Gemeint ist der gesamte Bereich der Infrastruktur wie z.B. Bildungs-,Verkehrs-, Bau- und<br />
Gesundheitswesen.<br />
144 Thielicke, Helmut: Gefährdung der Freiheit durch die F..., 1963, S. 55<br />
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die in der hochtechnisierten Gesellschaft in mancherlei Hinsicht notwendigen<br />
Reglementierungen den einzelnen zum reinen "Funktionsträger in der Gruppe"<br />
degradieren, dessen Freiheitsraum sich nur noch auf den Mikrobereich 3<br />
erstreckt. So fordert der evangelische Theologe Thielicke, der Raum der durch<br />
die Gruppe nicht mehr zu determinierenden Gewissensfreiheit müsse im<br />
einzelnen bestimmt werden, weil " der gewissensgebundene, in seiner<br />
Personalität intakte Mensch auch für die Gruppe ein wertvolleres Glied (sei),<br />
als das bloß funktionierende Molekül im Kollektiv". 4<br />
während die Sitte<br />
aufgrund "langer Eingelebtheit" Geltung hat, ist bei der Mode die "Tatsache der<br />
Neuheit" Grund zur Durchsetzung (vgl.: Weber,Max: Gesammelte Aufsätze zur<br />
Wissenschaftstheorie. Hrsg. Johannes Winckelmann. Tübingen 1973. S. 570f).<br />
These 4: In der aktuell-zeitgeschichtlichen<br />
3) Gemeint ist der Intimbereich von Ehe, Familie und Sexualität. Er wird heute vielfach als die<br />
einzige Möglichkeit eigenen Entscheidens angesehen und erhält damit Ventilfunktion.<br />
4) Thielicke,Helmut: a.a.O. S. 56.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wo sich für ihn auch angesichts der sonst anzuerkennenden Gruppe die Grenze<br />
seiner Gruppensolidarität ergeben muß und wo für ihn der Status confessionis<br />
entsteht. Dieser Raum der durch die Gruppe nicht mehr zu determinierenden<br />
Gewissensfreiheit ist im einzelnen zu bestimmen. Von den Parteien und den<br />
sonstigen Gruppen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens (zum Beispiel<br />
Unternehmerverbänden und Gewerkschaften) ist zu fordern,<br />
und Gewerkschaften) ist zu fordern, daß sie diesen Spielraum der<br />
Gewissensfreiheit respektieren, auch wenn für sie momentane Nachteile<br />
dadurch entstehen. Auf lange Sicht gesehen ist der gewissensgebundene, in<br />
seiner Personalität intakte Mensch auch für die Gruppe ein wertvolleres und<br />
potenteres Glied als das bloß funktionierende Molekül im Kollektiv. Unter dem<br />
"Funktionär" als Typus (nicht als Berufsbezeichnung) verstehen wir den bloßen<br />
Ausführer. Sein Ethos bezieht sich nicht darauf, daß er den Gegenstand seines<br />
Auftrages<br />
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144 Thielicke, Helmut: Gefährdung der Freiheit durch die F..., 1963, S. 56<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 266<br />
ist, scheint der Kampf des Menschen um ein überleben in Menschlichkeit nicht<br />
einfacher, sondern viel komplizierter geworden zu sein. 1<br />
Kühnste Phantasien<br />
früherer Futurologen werden durch die Fortschritte der modernen<br />
Wissenschaften weit übertroffen. Der Mensch zieht immer mehr Welt in<br />
seinen Bereich und verwandelt sie. Er verwendet sich schließlich selber. 2<br />
Gleichzeitig erweist sich der Glaube, technische Evolution führe automatisch<br />
zu mehr Humanität als Irrtum, zeigt der technische Fortschritt seine<br />
Ambivalenz: " ein Fortschritt, der, wenn er so weitergeht, die echte<br />
Menschlichkeit zugleich entwickelt und zerstört." 1<br />
Der Mensch scheint<br />
erkennen zu müssen, " daß wir uns nicht am Anfang einer fortwährend sich<br />
beschleunigenden Entwicklung befinden, sondern mitten in einer einzigartigen<br />
Übergangskrise, vergleichbar der Pubertät im Leben des Menschen, einer Krise,<br />
in der wir den Sprung von einer noch unentwickelten wissenschaftlichtechnischen<br />
Stufe zu einer vollentwickelten Gesellschaft zu machen haben." 2<br />
Der Mensch begegnet dem Unheimlichen und Unbezwingbaren nicht mehr so<br />
sehr in der Natur als vielmehr in sich selbst und seinen Leistungen. Er muß<br />
sich vor der widersprüchliche] Lage hüten, einer Wirklichkeit, die er selbst<br />
1) Ein Blick auf 50.000 Jahre Menschheitsgeschichte, in der wir bei einem Durchschnittsalter von<br />
62 Jahren im 800. Lebensalter stehen, zeigt, wie rasant technische Entwicklungen in wenigen<br />
Lebensaltern fortgeschritten sind: rund 650 Lebensalter lebten die Menschen in Höhlen; seit<br />
70 Lebensaltern gibt es Kommunikation zwischen den Menschen durch das geschriebene Wort<br />
und seit erst 6 für die Masse der Menschen das gedruckte Wort" seit 4 Lebensaltern kennen<br />
Menschen exakte Zeitmessung und seit 2 elektrischen Strom. Die meisten der für uns heute<br />
selbstverständlich gewordenen Gebrauchsgüter sind erst im Laufe unseres 800. Lebensalters<br />
entwickelt worden (vgl. dazu: Töffler,A.: The future shock. New York 1970. Kapitel 1. zitiert<br />
nach: Küng,Hans: Christ sein. München 1974. S. 30.).<br />
2) Rausch,Jürgen: Über das Menschenmögliche. In: Böse,Georg (Hrsg.): a.a.O. S. 17-36. hier: S.<br />
25.<br />
1) Küng,Hans: a.a.O. S. 31.<br />
2) Platt,John R.: Programme für den Fortschritt. München 1971. S. 215.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
die Grenze unserer Selbstorganisation und der Über das Menschenmögliche mit<br />
ihr verbundenen Weltorganisation finden? Der Mensch zieht theoretisch,<br />
technisch und organisatorisch, also objektivierend und materialisierend, immer<br />
mehr Welt in seinen Bereich und verwandelt sie dabei. Ja, er wendet dieses<br />
Verfahren der Objektivierung im Denken und Handeln auf sich selber an. Er<br />
verwendet sich selber. Bis zu welcher Grenze entspricht<br />
Manches geht zweifellos auf Kosten von Kurzschlüssen und Mißbräuchen.<br />
Alles zusammen aber hängt doch offensichtlich an diesem so sehr<br />
herbeigesehnten, herbeigeplanten, herbeigearbeiteten ambivalenten Fortschritt<br />
selbst: ein Fortschritt, der, wenn er so weitergeht, die echte Menschlichkeit<br />
zugleich entwickelt und zerstört. Die früher so positiven Kategorien des "<br />
Wachstums", der "Vermehrung", "Progression", "Größe", des "Sozialprodukts"<br />
und der "Steigerungsraten" sind ins Zwielicht geraten. Denn sie drücken nun<br />
ein<br />
auf statische Formen hin, die ohne allzuviel zusätzlichen Strukturwandel<br />
weitere technische Entwicklungen verkraften können. Z14 Meiner Ansicht nach<br />
ist es Zeit, eine andersartige Vorstellung zu akzeptieren: daß wir uns nicht am<br />
Anfang einer fortwährend sich beschleunigenden Entwicklung befinden,<br />
sondern mitten in einer einzigartigen Übergangskrise, vergleichbar der<br />
Pubertät im Leben des Menschen, einer Krise, in der wir den Sprung von einer<br />
noch unentwickelten wissenschaftlich-technischen Stufe zu einer<br />
vollentwickelten Gesellschaft zu machen haben. Wer weiß, vielleicht haben wir<br />
den schlimmsten Teil dieser Krise bereits hinter uns, zumindest in Ländern wie<br />
den USA. Die Verlangsamung des Wachstums und die<br />
145 Rausch, Jürgen: Über das Menschenmögliche, 1963, S. 24<br />
128 Küng, Hans: Christ sein (Auszug), 1974, S. 31<br />
146 Platt, John R.: Programme für den Fortschritt, 1971, S. 214<br />
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9% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 271<br />
2) ebd. S. 444.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
These 2: Der Begriff "Gewissen" entzieht sich aufgrund der<br />
Vieldimensionalität seiner Phänomenwirklichkeit einer erschöpfenden<br />
rationalen Bestimmung im Sinne einer Wesensdefinition. Aus dem<br />
Vorhergesagten wird die enge Verflochtenheit des Phänomens "Gewissen" mit<br />
der Personalität des Menschen deutlich. " Das Gewissen ist integriert in das<br />
jeweilige Ganze des Menschseins in seiner historischen und sozialen Situation." 2<br />
Es kann aus diesem Ganzen nicht herausgelöst werden. Jede Aussage über das<br />
Gewissen muß sich an der ganzen Breite des gelebten Lebens orientieren und "<br />
darf weder seine empirischen Bedingungen übersehen noch an den höchsten<br />
Möglichkeiten menschlichen Gewissen-Haben(s) vorbeigehen." 1<br />
Diese<br />
Aussagen über die Stellung des Gewissens im Gesamt des Menschen und<br />
seinen Wirkungskreis lassen unweigerlich die Frage aufkommen, wie dann<br />
dieses Phänomen begrifflich erfaßt und umgrenzt werden kann. Die<br />
Erfolglosigkeit so vieler Definitionsversuche ist<br />
Falle aber gilt, daß die Meinung darüber, was das Gewissen sei, wesentlich die<br />
Haltung zu ihm bestimmt und dadurch auch seine Wirksamkeit ermöglicht oder<br />
behindert. Das Gewissen ist integriert in das jeweilige Ganze des Menschseins<br />
in seiner historischen und sozialen Situation. Jede Aussage über das Gewissen<br />
muß sich deshalb an der ganzen Breite des gelebten Lebens orientieren und<br />
darf weder seine empirischen Bedingungen übersehen noch an den höchsten<br />
Möglichkeiten menschlichen Gewissen- Habens vorübergehen. Sie wird sich<br />
dabei von allen entlarvenden Theorien unterscheiden, die das Gewissen für "<br />
nichts anderes als . . ." auszugeben versuchen. Hier wird es nur darum<br />
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12.01.2014<br />
312<br />
1) ebd. S.<br />
138 Kümmel, Friedrich: ZUM PROBLEM DES GEWISSENS, in: Blüh..., 1976, S. 0<br />
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8% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 272<br />
sehr vermitteln sie vielfach den Eindruck, am Wesentlichen vorbei zu gehen,<br />
bzw. etwas als wesntlich zu deklarieren, was aus anderer Perspektive<br />
akzidentellen Charakter hat. Diese Beobachtung verweist auf die<br />
grundsätzliche Problematik sogenannter Wesensdefinitionen. Dabei gilt als<br />
Kriterium für die Gültigkeit einer Definition das "Wesen" einer Sache. Im<br />
Vorgang des Definierens soll " der gesamte Vorstellungsinhalt mit seinen<br />
Einzelmerkmalen", bezeichnet als Definiens, übertragen werden auf ein Wort<br />
, das Definiendum. Die Qualität der Definition hängt davon ab, inwieweit die<br />
als Definiens bezeichneten Vorstellungsinhalte möglichst vollständig und<br />
eindeutig erfaßt sind. Gültigkeit kann die Wesensdefinition dann für<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Kriterium, nach dem die Gültigkeit solcher definitorischer Festsetzungen zu<br />
beurteilen ist? Bei der Beantwortung dieser Frage gehen die Auffassungen weit<br />
auseinander. Eine erste Auffassung sieht als Kriterium für die Gültigkeit einer<br />
Definition das "Wesen" einer Sache selbst. Eine Definition ist erst dann gültig,<br />
wenn das "Wesen" der Sache im Begriff voll zum Ausdruck kommt. Die in<br />
diesem Sinne festgelegten Definitionen sind "<br />
Satz: "Zur Universität Regensburg gehören im SS 1972 1796 Jugendliche<br />
männlichen Geschlechts mit Abschluß einer Höheren Schule und z. Z.<br />
Universitätsbesucher " Damit ist schon beschrieben, was bei einem<br />
Definitionsvorgang geschieht: der gesamte Vorstellungsinhalt mit seinen<br />
Einzelmerkmalen, bezeichnet als "Definiens", wird übertragen * auf ein Wort<br />
bezeichnet als das "Definiendum". Diesen Vorgang kann man auch' in Form<br />
einer Gleichung darstellen: auf der linken<br />
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313<br />
147 Prim, Rolf: Grundlagen einer kritisch-rationale..., 1973, S. 35<br />
147 Prim, Rolf: Grundlagen einer kritisch-rationale..., 1973, S. 33<br />
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6% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 273<br />
Bestimmung dessen, was "Wesen" sei, ist oft hingewiesen worden. 4<br />
Im Fall<br />
des Gewissens kommt im Rahmen unserer Annahmen als zusätzliche<br />
Schwierigkeit hinzu die genannte Verknüpfung von Person und Gewissen in<br />
der Weise, daß im Gewissen " das Ganze der personalen Verantwortung auf dem<br />
Spiel steht." 1<br />
Die besondere Art von Wissen im Gewissen ist auf die eigene<br />
Person im Fall der persönlichen Herausforderung im Anruf des Sollens<br />
bezogen. So wenig sich das, was Person umfassen kann, in einer<br />
erschöpfenden, rationalen Definition<br />
4) vgl. dazu u.a.: Opp,K.D.: Methodologie der Sozialwissenschaften. Reinbek b. Hamburg 1970.<br />
1) Mieth,Dietmar: Funktionen des Gewissens und Probleme der Gewissensbildung. In: Stachel/<br />
Mieth: Ethisch handeln lernen. Zürich 1978. S. 202-216. hier: S. 216.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Diskreditierungen befreit werden. 13. 24<br />
Gewissensakte Als Gewissensakt wird<br />
vieles bezeichnet, was höchstens durch Analogieschluß diesen Namen verdient.<br />
Jedenfalls läßt sich vom Gewissensakt nur dann reden, I wenn das Ganze der<br />
personalen Verantwortung auf dem Spiel steht. Der Gewissensakt ist ein<br />
Totalakt des menschlichen Selbst. Dieser Totalakt kann aktualgenetisch in<br />
seinem Ablauf betrachtet werden,24 aber auch in seiner synthetischen Einheit,<br />
in der<br />
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72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 216<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 275<br />
für unser Nachdenken über Gewissensinhalte und erzieherische Hilfen bei der<br />
Gewissensbildung. These 1: "Schlagartig" und intuitiv diagnostiziert das<br />
Gewissen Gutes und Böses im Denken, Entscheiden und Handeln des<br />
einzelnen. 1<br />
Der Mensch steht mit seinem Tun immer unter der Differenz von<br />
Gut und Böse. Er soll das Gute tun und das Böse meiden. So sehr der Mensch<br />
auch Böses plant oder vollbringt, so sehr lebt er in dem Bewußtsein, daß Gutes<br />
getan werden muß. Wer Böses plant oder tut, versucht entweder, sich selbst und<br />
anderen klar zu machen, daß dies nicht böse sei, sondern aus irgendwelchen<br />
Erwägungen heraus das von irgendwem als böse<br />
1) vgl. dazu: Mieth,Dietmar: Funktionen des Gewissens und Probleme der Gewissensbildung. In:<br />
Stachel/Mieth: a.a.O. hier: S. 205/206.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
aufgegebenes und sich selbst zugelastetes Wesen sieht sich der Mensch kraft<br />
seiner Vernunft durch eben diese ihm eigene Vernunft in Verantwortung<br />
genommen. Sein Tun steht unter der Differenz von Gut und Böse. Diese<br />
Differenz ist für menschliches Handeln ebenso konstitutiv wie für<br />
menschliches Erkennen die Differenz von Wahr und Falsch. Die Vernunft will<br />
sich nicht gegen sich<br />
er seine wirkliche Lage kennen und sich von Täuschungen und Wahnbildern<br />
frei machen. Er kann nicht einfach bloß das tun, wozu er Lust hat, sondern er<br />
soll das Gute tun und das Böse bändigen. Er befindet sich nie in Sicherheit,<br />
sondern immer in Gefahr; Versuchung, Schuld und Verzweiflung bleiben ihm<br />
stets nahe. Neben der Einsicht in seine Lage<br />
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315<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 12<br />
9 Brezinka, Wolfgang: ERZIEHUNG ALS LEBENSHILFE, 8. Aufl., 1971, S. 297<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 276<br />
anderen klar zu machen, daß dies nicht böse sei, sondern aus irgendwelchen<br />
Erwägungen heraus das von irgendwem als böse Empfundene gut ist oder aber<br />
er anerkennt es als böse und sich als dadurch schuldig geworden. " Niemand<br />
aber vermag das Böse als Böses einfach stehen zu lassen." 1 " Gutes" und "Böses"<br />
erscheint in solchem Zusammenhang zunächst als rein formale Bestimmung,<br />
denn es bleibt offen, was gut und was böse ist. Bekanntlich beginnen die<br />
Schwierigkeiten nicht in der Formulierung allgemeiner formaler ethischer<br />
Prinzipien, sondern<br />
1) Scherer,Georg: Gewissen, Norm und Situation in philosophischer Sicht. In: Maas/Scherer/<br />
Teichtweier: Gesetz und Gewissen. Essen-Werden 1967. S. 7-49. hier: S. 21/22.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Böses ist. Er versucht das Böse zum Guten zu machen. Oder aber er anerkennt<br />
, dah er schuldig geworden ist, der Bekehrung und der Vergebung bedarf.<br />
Niemand aber vermag das Böse als Böses einfach stehen zu lassen. Wie die<br />
absolute Skepsis gegenüber der Wahrheit nur durch diese selbst möglich ist, so<br />
auch das Wollen des Bösen nur durch das Gute.Wer behauptet,<br />
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316<br />
148 Maas, Alfons: Gesetz und Gewissen, 1967, S. 0<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 277<br />
mit im Vollzug befindlichem Tun (gleichzeitiges gutes Gewissen) oder mit auf<br />
Zukunft hin Geplantem (vorausschauendes gutes Gewissen). Stelzenberger<br />
weist darauf hin, daß nicht jegliches Bewußtsein guten Tuns als Erleben des<br />
guten Gewissens gewertet werden kann. " Sonst wäre ja jede Erinnerung an<br />
eine gute Tat schon ein Erlebnis des Gewissens." 1<br />
Von zahlreichen Autoren ist<br />
die "Gutheit dieses sogenannten guten Gewissens" scharf angegriffen worden.<br />
So hat z.B. Albert Schweitzer in seinem Buch "Kultur und Ethik" das gute<br />
Gewissen als eine "Erfindung des Teufels" bezeichnet im Zusammenhang mit<br />
der Klage über die Abstumpfung des Verantwortungsgefühls und die damit<br />
leicht sich verbindende 2<br />
Selbstzufriedenheit. Tatsächlich mag die Rede vom<br />
guten Gewissen manches Mal Ergebnis mangelnder Sensibilität für das<br />
Geforderte sein. 3<br />
Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß schwerlich<br />
feststellbar ist, wann jemand aus mangelndem Gespür für das Rechte sich auf<br />
ein gutes Gewissen beruft und wann nicht. Ungeachtet der Gefahr<br />
oberflächlicher oder negativer Verwendung wird vom guten Gewissen vor<br />
allem im Fall<br />
1) Stelzenberger,Johannes: Das Gewissen. Paderborn 1961. S. 47.<br />
2) nach: Reiner,Hans: Die Funktionen des Gewissens. In: Blühdorn,Jürgen (Hrsg.): Das<br />
Gewissen in der Diskussion. S. 285-316. hier: S. 293.<br />
3) So spricht Reiner davon, daß vor allem bei Cicero mit "conscientia" gelegentlich in "<br />
geradezu anrüchiger Weise gesteuertes Selbstbewußtsein" gemeint ist (ebd. S. 293).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gewissens ist. Sich darüber klar zu sein, daß man etwas getan hat, was in<br />
Ordnung war, bedeutet noch nicht den Sachverhalt, den 47 letzteres Wort<br />
einschließt. Sonst wäre ja jede Erinnerung an eine gute Tat schon ein Erlebnis<br />
des Gewissens. Hier ist wieder ein Zaun, der unseren Begriff stärker als üblich<br />
abgrenzen sollte. Gutes Gewissen liegt nur vor, wenn der Mensch vorher in<br />
einer Konfliktsituation<br />
dieses Verdammungsurteil richtig zu verstehen, muß man den Zusammenhang<br />
beachten, in dem Schweitzer es ausgesprochen hat. Schweitzer wendet sich<br />
nämlich dabei gegen die Abstumpfung unseres Verantwortungsgefühls und die<br />
damit leicht sich verbindende Selbstzufriedenheit. Tatsächlich steht, wo vom<br />
guten Gewissen gesprochen wird, nicht selten eine Selbstzufriedenheit im<br />
Hintergrund, die recht bedenklich ist. Diese Bedenklichkeit und<br />
Fragwürdigkeit des guten Gewissens zeigt<br />
für die Wettbewerbsstellung relevanten Kriterien wie Gesamt umsatz,<br />
J ' Marktanteile, Finanzkraft, Verflechtungen, Marktzutrittsschranken etc.<br />
durch eine Gesamtbetrachtung zu ermitteln sind. Bei der<br />
wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Gemeinschaftsunternehmen darf<br />
aber auch nicht übersehen werden, daß diese Zusammenschlußform<br />
ein Mittel zur Lösung von Zukunftsaufgaben darstellen kann, die ein<br />
Unternehmen allein nicht zu bewältigen vermag. Dies gilt insbesondere<br />
für Gemeinschaftsunternehmen die zum<br />
92 Stelzenberger, Johannes: Das Gewissen. Besinnliches zur Klar..., 1961, S. 47<br />
149 Reiner, Hans: Die Funktionen des Gewissens, 1976, S. 293<br />
150 Das Konzentrationskontrolle in Groß..., 1974, S. 107<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 278<br />
Gewissen beruft und wann nicht. Ungeachtet der Gefahr oberflächlicher oder<br />
negativer Verwendung wird vom guten Gewissen vor allem im Fall der<br />
Reaktion des einzelnen auf erfolgte Vorwürfe gesprochen. Ein Beispiel dafür<br />
aus dem biblischen Bereich ist der Anfang des 23. Kapitels der<br />
Apostelgeschichte: Paulus erklärt, er sei mit gutem Gewissen vor Gott<br />
gewandelt. Damit verteidigt er sich gegen die an ihn gerichteten Anklagen der<br />
Juden, er habe gegen das Gesetz gelehrt und durch Einführung von Heiden in<br />
den Tempel diesen entweiht. Der Mensch befindet sich also in einer<br />
Konfliktsituation. Er wird angefochten. Dem guten Gewissen fällt dabei<br />
aufgrund der ihm zugesprochenen Diagnosefähigkeit von Gut und Böse die<br />
Rolle zu, " gegenüber einer Anklage als Zeuge der Unschuld" zu fungieren und<br />
aufgrund dessen von der Anklage freizusprechen. 1<br />
Am deutlichsten wird die<br />
Berechtigung dieser Rolle des Gewissens da, wo ein ganz konkreter Vorwurf<br />
eines Verbrechens erhoben wird und der Angeschuldigte keine sicheren<br />
äußeren Beweismittel in der Hand hat, um diese Beschuldigung zu widerlegen.<br />
Dem fälschlich Beschuldigten bleibt in solchem Fall nur übrig, sich vor sich<br />
selbst und vor der Mitwelt auf das Zeugnis seines guten Gewissens zu berufen.<br />
Wenn auch eine solche Berufung auf das eigene gute Gewissen nach außen hin<br />
wenig beweiskräftig ist, so wird man kaum bestreiten können, daß das gute<br />
Gewissen hier eine sittliche Berechtigung hat. 2<br />
2. Die Erfahrung des<br />
schlechten oder bösen Gewissens als Folge diagnostizierten schlechten Tuns<br />
wird vom einzelnen als beunruhigendes und ihn<br />
1) ebd. S. 294.<br />
2) ebd. S. 294.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ganz andere Bedeutung haben, und sie hat solche andere Bedeutung<br />
wenigstens zum Teil sowohl bei Cicero als auch im Neuen Testament. Eine<br />
solche Stelle des N. T. ist der Anfang des 23. Kapitels der Apostelgeschichte,<br />
wo der Apostel Paulus erklärt, er sei mit gutem Gewissen 18 De re publica VI,<br />
8. Ähnlich Seneca, ep. 59, 16: Virtutum conscientia. 18 Erectus ... maximi ac<br />
pulcherrimi facti sui conscientia. 1. Philip-pica 9. vor Gott gewandelt. Wenn<br />
man<br />
einer Rede zur Verteidigung gegen bestimmte Anklagen, die von den Juden<br />
gegen ihn erhoben worden waren: Er war angeklagt, gegen das Gesetz gelehrt<br />
zu haben und durch Einführung von Heiden in den Tempel diesen entweiht zu<br />
haben. Das zeigt uns eine Situation, in der das gute Gewissen offenbar eine<br />
nicht unberechtigte Funktion hat: Es ist die Situation einer Anklage, die<br />
einer Anklage, die nicht wie beim schlechten Gewissen aus diesem selbst<br />
stammt, sondern die von außen kommt! Das gute Gewissen ist also das<br />
Gewissen, das gegenüber einer Anklage als Zeuge der Unschuld fungiert und<br />
aufgrund dessen von der Anklage freispricht. Der klarste Fall der Berechtigung<br />
solcher Funktion des guten Gewissens ist der, daß einerseits ein ganz konkreter<br />
ganz konkreter Vorwurf eines ganz bestimmten Vergehens oder Verbrechens<br />
erhoben wird (etwa der Vorwurf eines bestimmten Diebstahls oder eines<br />
bestimmten Mordes); wobei aber der so Angeschuldigte keine sicheren<br />
äußeren Beweismittel in der Hand hat, um diese Beschuldigung zu widerlegen "<br />
. Dann bleibt dem so fälschlich Beschuldigten noch übrig, sich vor sich selbst<br />
und vor der Mitwelt auf das Zeugnis seines guten Gewissens zu berufen.<br />
Dieses Zeugnis kann dann bestätigen, daß er diese ihm vorgeworfene Tat eben<br />
nicht begangen hat! Zwar ist nun solche Berufung auf das eigene gute<br />
Gewissen nach außen hin wenig beweiskräftig. Aber es wird wohl niemand<br />
bestreiten können, daß in solchen Fällen das gute Gewissen doch eine sittliche<br />
Berechtigung und eine berechtigte Funktion hat. Auch A. Schweitzer<br />
149 Reiner, Hans: Die Funktionen des Gewissens, 1976, S. 293<br />
149 Reiner, Hans: Die Funktionen des Gewissens, 1976, S. 294<br />
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33% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 279<br />
Die Erfahrung des schlechten oder bösen Gewissens als Folge diagnostizierten<br />
schlechten Tuns wird vom einzelnen als beunruhigendes und ihn gleichsam<br />
überfallendes Erleben empfunden. Phänomenologisch ist das damit<br />
verbundene Schuldgefühl "die hervorstechendste Form inneren Erlebens". Das "<br />
peinigende Empfinden nach einem Handeln gegen die eigene Überzeugung und<br />
die verbindlich gehaltenen Wertnormen" 1<br />
wirkt intensiver als die Befriedigung<br />
über als richtig und gut diagnostiziertes Handeln. Die Stimme des Gewissens<br />
läßt den einzelnen aufhorchen. " Wenn sie ihn mitten in seinem Befangensein<br />
in die weltlichen Geschäfte überfällt, ruft sie ihn auf, von dem wegzuhören, was<br />
ihn gerade in Anspruch nimmt. Sie reißt den Menschen heraus aus der<br />
Verflochtenheit in die Welt und bringt ihn, selbst mitten im Getriebe des<br />
Alltags, in die Einsamkeit, in der er mit sich selbst allein ist." 2 Die Rede vom "<br />
Schlagen des Gewissens" verdeutlicht das Gefühl unmittelbaren<br />
Getroffenseins vom Schuldgefühl wie von einem Schlag. Die nachhaltige<br />
Wirkung des schlechten Gewissens hat wohl auch dazu geführt, das Erleiden<br />
von Schuld als die Erscheinung<br />
1) Stelzenberger,Johannes: a.a.O. S. 41.<br />
2) Weischedel,Wilhelm: Wesen und Ursprung des Gewissens. In: ders.: Wirklichkeit und<br />
Wirklichkeiten. Berlin 1960. S. 211-219. hier: S. 212/213.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
spielt in diesem inneren Erleben das nachfolgende tadelnde oder schlechte<br />
Gewissen die führende Rolle. Phänomenologisch ist das Schuldgefühl die<br />
hervorstechendste Form von inneren Erlebnissen. Das peinigende Empfinden<br />
nach einem Handeln gegen die eigene Überzeugung und die verbindlich<br />
gehaltenen Wertnormen ist sehr stark. Es wirkt intensiver als die Befriedigung<br />
über sog. gutes Handeln und wühlt tiefer und nachhaltiger auf. Vielfach wird<br />
Bewußtsein schlechter Taten und<br />
Stimme erreicht und auf die Gefahr aufmerksam macht, in der er schwebt, so<br />
bringt auch die Stimme des Gewissens den, den sie trifft, zum Aufhorchen.<br />
Wenn sie ihn mitten in seinem Befangensein in die weltlichen Geschäfte<br />
überfällt, ruft sie ihn auf, von dem wegzuhören, was ihn gerade in Anspruch<br />
nimmt. Sie reißt den Menschen heraus aus der Verflochtenheit in die Welt und<br />
bringt ihn, selbst mitten im Getriebe des Alltags, in die Einsamkeit, in der er<br />
mit sich selber allein ist. Da aber kann er nicht gelassen bei sich selber<br />
verweilen. Der Ruf des Gewissens versetzt ihn vielmehr in eine merkwürdige<br />
Unruhe, die<br />
93 Stelzenberger, Johannes: Syneidesis, conscientia, Gewissen. ..., 1963, S. 32<br />
151 Weischedel, Wilhelm: Wirklichkeit und Wirklichkeiten. Au..., 1960, S. 212<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 280<br />
behauptet B. Snell, in vorchristlicher Zeit werde nur vom schlechten Gewissen,<br />
nie aber vom Gewissen als etwas Gutem oder Erstrebenswerten gesprochen. 3<br />
Andere Autoren wie W. Gaß, Albrecht Ritschl, Max Scheler, H.G. Stoker,<br />
Dietrich v. Hildebrand 4 und andere meinen, daß " das echte Gewissen<br />
eigentlich nur dort vorhanden ist, wo ein personales Verhältnis zum Bösen<br />
positiv oder negativ gegeben sei. Der Kern des Gewissens sei das<br />
Schulderlebnis." 1<br />
Die im täglichen Leben gemachte Erfahrung, daß sich ein<br />
schlechtes Gewissen stärker und über längere Zeiträume hinweg bemerkbar<br />
macht als ein gutes und Gewissensqualen das Leben eines Menschen<br />
entscheidend prägen können, hat in Gestalten wie der Lady Macbeth bei<br />
Shakespeare, Boris Gudonows bei Puschkin und Raskolnikoffs bei<br />
Dostojewski Eingang in die Weltliteratur<br />
3) vgl. dazu: Stelzenberger,Johannes: a.a.O. S. 41.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
schlechte Gewissen vorkommt und daß niemals das Gewissen als etwas Gutes<br />
und Erstrebenswertes genannt wird" ". In neuester Zeit vertreten W Gass. A.<br />
Ritsehl, M. Scheier, H. G. Stoker, D. v. Hildebrand u. a., daß das echte<br />
Gewissen eigentlich nur dort vorhanden ist, wo ein personales Verhältnis zum<br />
Bösen positiv oder negativ gegeben sei. Der Kern des Gewissens sei das<br />
Schulderlebnis9'. Demgegenüber ist zunächst geschichtlich festzustellen, daß<br />
sich syneidesis, syneid s und conscientia ebenso auf positive, wertige, gute<br />
Verhaltungsweisen einer Person beziehen können wie auf Böses, Unwertiges,<br />
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320<br />
4) Gaß,W.: Die Lehre vom Gewissen. Berlin 1869. S. 89. Ritsehl,Albrecht: Über das Gewissen.<br />
Bonn 1876. S. 13. Scheler,Max: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik.<br />
Bern 1954. S. 335. Stoker,H.G.: Das Gewissen. Bonn 1925. S.79ff, 98f, 126-133 und 144ff.<br />
Hildebrand,D.v.: Sittlichkeit und ethische Werterkenntnis. In: Jahrbuch für Philosophie und<br />
phänomenologische Forschung 5. 1922. S.463-602. (sämtliche Angaben aus: Stelzenberger,<br />
Johannes: a.a.O. S. 41/42<br />
1) Stelzenberger,Johannes: a.a.O. S. 41.<br />
93 Stelzenberger, Johannes: Syneidesis, conscientia, Gewissen. ..., 1963, S. 32<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 280<br />
eines Menschen entscheidend prägen können, hat in Gestalten wie der Lady<br />
Macbeth bei Shakespeare, Boris Gudonows bei Puschkin und Raskolnikoffs<br />
bei Dostojewski Eingang in die Weltliteratur gefunden. Die tragische Titelfigur<br />
aus "Schuld und Sühne" erträgt nach dem Mord an der alten Wucherin seine<br />
Gewissensqualen nicht und bekennt seine Schuld. Raskolnikoff versucht, das<br />
Verbrechen durch schwierige Umstände in seinem Leben oder im Leben seiner<br />
Angehörigen, durch die Theorie, daß der Starke das Recht auf Verbrechen hat<br />
und durch Überlegungen von der niedrigen und schädlichen Tätigkeit der Alten<br />
zu rechtfertigen. Alle Rechtfertigungsversuche aber mißlingen. Schon sein<br />
Nachdenken über das "Recht", einen Anschlag auf das Leben eines Menschen<br />
zu machen, sein ständiges Schwanken, zeugen von dem qualvollen Kampf mit<br />
dem eigenen Gewissen, dem er schließlich nicht mehr widerstehen kann.<br />
Ausdruck schwerster Gewissensqualen ist auch der Monolog Boris Godunows<br />
. 2 Aus dem biblischen Bereich zeigt sich vor allem Judas Iskarioth als ein an<br />
seinen schweren Gewissensvorwürfen verzweifelter Mensch, der<br />
2) "Ich fühl es, ach: nichts mag beruhigen uns Inmitten vieler Kümmernis der Erde; Nichts, gar<br />
nichts ... wenn nicht einzig das Gewissen - Denn ist es rein, so wird es triumphieren, Ob auch<br />
Verleumdung oder Bosheit drohe; Doch wenn auf ihm auch nur ein Flecken ist, Ein einziger,<br />
und sei es rein zufällig. Dann steht es schlimm: wie eine Pestilenz Verzehrt's die Seele, Gift<br />
durchströmt den Busen, Der Vorwurf pocht im Ohr mit Hammerschlägen, Ein Übelsein<br />
bedrängt, im Kopfe schwindelt's Und vor den Augen Knaben blutbeströmt ... Man möchte<br />
fliehn ... weiß nicht wohin ... entsetzlich!... Unselig ist, wen das Gewissen quält." (Puschkin,<br />
Alexander: Boris Godunow. In: Ausgewählte Werke. Bd. 3. S. 30/31. zitiert nach:<br />
Schischkin,A.F.: Das Gewissen. In: Blühdorn,Jürgen(Hrsg.): Das Gewissen in der Disk ......<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gewissensqualen in der Gestalt der Lady Macbeth (Shakespeare), Manfreds (<br />
Byron), Boris Godunows (Puschkin) und Raskolnikows (Dostojewski) wider.<br />
So konnte der Held aus >Schuld und Sühne< nach dem Mord an der alten<br />
Wucherin seine Gewissensqualen nicht ertragen und bekannte seine Schuld. Er<br />
konnte sein Verbrechen weder durch schwierige Umstände in seinem Leben<br />
oder im Leben seiner Angehörigen noch durch die Theorie, daß der Starke das<br />
Recht auf Verbrechen habe, oder durch Überlegungen von der niedrigen und<br />
schädlichen Tätigkeit der Alten rechtfertigen. Alle Überlegungen<br />
Raskolnikows über das "Recht", einen Anschlag auf das Leben eines Menschen<br />
zu machen, sein Schwanken, zeugen von dem qualvollen Kampf mit dem<br />
eigenen Gewissen, mit den von Kindheit an gewohnten moralischen<br />
Forderungen. Sehr stark ist der Ausdruck der Gewissenqualen im Monolog<br />
Boris Godunows: "Ich fühl es, ach: nichts mag<br />
152 Schischkin, Alexander F.: Das Gewissen, in: Blühdorn, J. (Hrs..., 1976, S. 346<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 282<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
stehen. Was immer er auch denkt, tut oder sei - alles vollzieht sich vor dem<br />
Hintergrund und im Bewußtsein von Zu-Sollendem. Böckle bezeichnet die<br />
Existenz vielfältiger Sollensansprüche als empirisch gesicherten und<br />
Umgangsformen, sittliche Gebote und Verbote und eine Fülle menschlicher<br />
Vorschriften prägen unseren Alltag. Ebenso selbstverständlich stützen wir uns<br />
auf gesellschaftliche Institutionen oder beanspruchen sie. Das Gesamt an<br />
generellen Tatbestand. 1 Handlungswirklichkeit als " Gesamt an kulturellen, kulturellen, ökonomischen, rechtlichen, politischen und religiösen Strukturen<br />
ökonomischen, rechtlichen, politischen und religiösen Strukturen mitsamt mitsamt unseren personalen Beziehungen, in die unser Verhalten eingebunden<br />
unserer personalen Beziehungen, in die unser Verhalten eingebunden ist" wird ist, bezeichnen wir mit dem Ausdruck "Handlungswirklichkeit". Mit<br />
als "jene Dimension des Wirklichen" gesehen, die immer schon durch den Handlungswirklichkeit soll demnach jene Dimension des Wirklichen gemeint<br />
Willen des Menschen geprägt ist und prägend auf ihn zurückweist. 2<br />
sein, die stets schon durch den Willen des Menschen geprägt ist und prägend<br />
Handlungswirklichkeit als konkret gegebene erweist sich einerseits " als auf ihn zurückweist. Diese Dimension, also Handlungswirklichkeit bildet -<br />
Handlungsmuster, von dem her sich sittliches Sein-Können formuliert und allgemein gesagt - den Gegenstand der Sozialwissenschaften. Sie sind damit<br />
aktualisiert" und bleibt andererseits auch "Handlungsentwurf, der im<br />
objektiv abgegrenzt gegenüber den Naturwissenschaften. Diese beschäftigen<br />
Horizont dessen, was sein soll, je neu erhärtet bzw. erbracht werden muß". 3<br />
sich mit der physischen<br />
Kulturanthropologische und soziologische Forschungen bestätigen, daß diese<br />
Willen des Menschen in Beziehung steht, zugleich sittliche Wirklichkeit.<br />
normative Prägung menschlichen Zusammenlebens offensichtlich, "ein<br />
Zwischen Sozialität und Moralität besteht eine grundlegende Interdependenz.<br />
notwendiges strukturelles Merkmal menschlicher Praxis" ist. 4<br />
Der Mensch als<br />
Die Handlungswirklichkeit - als konkret vorgegebene - erweist sich einerseits<br />
sich selbst überantwortetes Wesen ist nicht durch Instinkte festgelegt. Er muß<br />
als Handlungsmuster, von dem her sich sittliches Sein-Können formuliert und<br />
sein Leben führen meint, er muß zu sich selbst Stellung nehmen und sein Leben<br />
aktualisiert. Andererseits bleibt dieselbe Wirklichkeit - als je zu leistende - auch<br />
gestalten. Sein Handeln steht nicht nur unter der Differenz von Gut und Böse,<br />
Handlungsenm-ur/, der im Horizont dessen, was sein soll, je neu erhärtet bzw.<br />
sondern bewegt sich auch immer im Spielraum von Möglichkeit und<br />
erbracht werden muß. Während das Soziale als vorgegebenes<br />
Wirklichkeit. Beide Erfahrungen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang.<br />
Handlungsmuster den Ansatz für die empirisch-analytische Soziologie bietet,<br />
Wenn mit dem vom Gewissen in einer konkreten Situation diagnostizierten "<br />
eröffnet sich im Begriff des Sozialen als zu leistendem Entwurf die (<br />
Guten" und "Bösen" kein naturrechtlich Abgeleitetes gemeint<br />
1) Böckle,Franz: Fundamentalmoral. S. 30.<br />
Verhalten garantieren. Die philosophische Anthropologie sieht die Grundlage<br />
für dieses Bedürfnis zum einen in der Tatsache, daß der Mensch ein zur "<br />
2) ebd. S. 31.<br />
Lebensführung" genötigtes Wesen ist, d. h., er muß zu sich selbst Stellung<br />
3) ebd. S. 38/39.<br />
nehmen und sein Leben gestalten 4 . Er ist durch seine Instinkte nicht festgelegt,<br />
sondern bewegt sich mit seinem Handeln in einem Spielraum von Möglichkeit<br />
4) ebd. S. 31.<br />
und Wirklichkeit. Das hebt ihn heraus aus<br />
aufgegebenes und sich selbst zugelastetes Wesen sieht sich der Mensch kraft<br />
seiner Vernunft durch eben diese ihm eigene Vernunft in Verantwortung<br />
genommen. Sein Tun steht unter der Differenz von Gut und Böse. Diese<br />
Differenz ist für menschliches Handeln ebenso konstitutiv wie für<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 31<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 38<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 31<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 12<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 283<br />
Reaktion darauf. Dann beinhaltet die Diagnose des Gewissens näherhin das<br />
Bewußtmachen dieser Differenz von Getanem und Gesolltem, indem es den<br />
Menschen hinweist auf die an ihn gestellten Ansprüche und Auskunft gibt über<br />
seine Antwort darauf. " Gewissen ist das Bewußtsein einer Wirklichkeit, die ich<br />
nicht selbst bin, der ich mich aber verpflichtet weiß. ... Gewissen ist das<br />
Bewußtsein meiner selbst, aber nun nicht als eines isolierten Wesens, sondern<br />
immer schon in bezug auf eine Wirklichkeit, die mir zugeordnet ist und an der<br />
ich verantwortlich teilhabe. Beides zusammengenommen besagt, daß das<br />
Gewissen mein eigenes Handeln auf eine Wirklichkeit bezieht, der ich<br />
verpflichtet bin und entsprechen soll." 1<br />
Das Gewissen funktioniert so als<br />
Anwalt und Vermittler der Wirklichkeit, indem es dem Menschen "das<br />
Wirklichsein des Wirklichen" und damit seinen Anspruch bewußt macht. " Wo<br />
die Wirklichkeit im Gewissen begegnet, hört sie auf, unverbindlich zu sein." 2<br />
Die Erfahrung des Gewissens ist hierbei die der Relationalität, insofern dem<br />
Menschen das Gegenüber von Person und Welt deutlich wird. Sein Personsein<br />
erscheint als "Geöffnetsein zur Zwiesprache mit der Welt". 3<br />
In der Sensibilität<br />
des Gewissens wird der Mensch frei für diesen Dialog, in dem sich seine<br />
Personalität entfaltet. Die " wesenhafte Außengewandtheit des Menschen, in der<br />
seine Innerlichkeit nicht übergangen, vielmehr notwendig vorausgesetzt und<br />
allererst erfüllt ist", manifestiert sich im Gewissen. 4<br />
Der Mensch wird darin<br />
frei für die Wirklichkeit, frei von der Sorge um sich selbst und damit fähig für<br />
die Sorge um den anderen und um die ihn umgebende und ihn<br />
1) Kümmel,Friedrich: Zum Problem des Gewissens. S. 450.<br />
2) ebd. S. 452.<br />
3) Bärenz,Reinhold: Das Gewissen. Würzburg 1978. S. 53.<br />
4) Kümmel,Friedrich: a.a.O. S. 452.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zu reden. Aus der Feststellung, daß alle Wirklichkeit und jeder Bereich des<br />
menschlichen Lebens zur Sache des Gewissens werden kann, ergeben sich zwei<br />
korrelative Aussagen: Gewissen ist das Bewußtsein einer Wirklichkeit, die ich<br />
nicht selbst bin, der ich mich aber verpflichtet weiß. Dazu gehört ein zweiter<br />
Satz: Gewissen ist das Bewußtsein meiner selbst, aber nun nicht als eines<br />
isolierten"Wesens, sondern immer schon in bezug auf eine Wirklichkeit, die<br />
mir zugeordnet ist und an der ich verantwortlich teilhabe. Beides<br />
zusammengenommen besagt, daß das Gewissen mein eigenes Handeln auf eine<br />
Wirklichkeit bezieht, der ich verpflichtet bin und entsprechen soll. Im.<br />
Gewissen erfahre ich mich eingeordnet in eine mir vorgängige Wirklichkeit<br />
außer mir, die ich zwar in'Tcilen negieren, von<br />
auch Vermittler1 der Wirklichkeit. Ich meine dies so, daß das Wirklichsein des<br />
Wirtlichen und damit sein Anspruch dem Menschen erst durch das Gewissen<br />
nahegebracht wird. Wo die Wirklichkeit im Gewissen begegnet, hört sie auf,<br />
unverbindlich zu sein. Und ebenso umgekehrt: Wo das Gewissen einer<br />
Wirklichkeit verstummt, da entschwindet auch die Wirklichkeit selbst. Der<br />
jeden Anspruch von sich weisende Mensch entzieht nicht nur<br />
schuldig wird, bindet es ihn nicht zurück in diese Schuld, sondern fordert ihn<br />
auf, das gestörte Verhältnis wieder herzustellen. Es manifestiert sich in ihm die<br />
wesenhafte Außengewandtheit des Menschen, in der seine Innerlichkeit nicht<br />
übergangen, vielmehr notwendig vorausgesetzt und allererst erfüllt ist. Dieses<br />
Freisein des Menschen von sich selbst und für den anderen Menschen wie für<br />
alle Wirklichkeit ist im "reinen" Gewissen ermöglicht, einem Gewissen, das der<br />
138 Kümmel, Friedrich: ZUM PROBLEM DES GEWISSENS, in: Blüh..., 1976, S. 0<br />
138 Kümmel, Friedrich: ZUM PROBLEM DES GEWISSENS, in: Blüh..., 1976, S. 2<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 284<br />
frei von der Sorge um sich selbst und damit fähig für die Sorge um den<br />
anderen und um die ihn umgebende und ihn umgebende und ihn fordernde Welt.<br />
Sein Gewissen wird zum Gewissen für andere. " Eine persönliche Integrität ist<br />
ihm nicht möglich ohne die Integrität der ganzen Wirklichkeit, in der die<br />
Person steht." 1<br />
So erfährt der Mensch im Gewissenserlebnis die ihm<br />
zueignende intersubjektive Beziehung, es läßt ihn das ethisch Gute als<br />
Zusammen-füreinander-verantwortlich-sein erleben. 2<br />
Er spürt, "sich<br />
unvertretbar entscheiden zu müssen", dem an ihn gestellten Anspruch gerecht<br />
zu werden. Genügt er ihm nicht, so fühlt er sich schuldig. 3<br />
Der angedeutete<br />
Zusammenhang der Diagnose von Gutem und Bösem und das Bewußtmachen<br />
von Sein und Sollen durch das<br />
1) Kümmel,Friedrich: a.a.O. S. 452.<br />
2) Huijts,Joseph H.: Gewissensbildung. Köln 1969. S. 30.<br />
3) Kuhn,Helmut: Begegnung mit dem Sein. In: Blühdorn,Jürgen: a.a.O. S. 166.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
zum Gewissen für andere zu werden. Die Unruhe dieses Gewissens liegt<br />
jenseits des in bezug auf das eigene Tun und Lassen guten oder schlechten<br />
Gewissens. Eine persönliche Integrität ist ihm nicht möglich ohne die Integrität<br />
der ganzen Wirklichkeit, in der die Person steht. Es gibt für dieses Gewissen<br />
keinen Rückzug in die private Existenz. Dies bedeutet nicht, daß ein solches<br />
Gewissen sich zum Maßstab der Wirklichkeit machen könnte.<br />
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138 Kümmel, Friedrich: ZUM PROBLEM DES GEWISSENS, in: Blüh..., 1976, S. 2<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 285<br />
und es begründen zu können, sondern vor allem das Bestreben des einzelnen,<br />
zu sich selbst zu finden und bei sich selbst zu bleiben. So ist damit ein<br />
doppelseitiger Anspruch gemeint in Form wechselseitiger Beziehung, die "<br />
sowohl ein dauerndes inneres Sich-selbst-Gleichsein wie ein dauerndes<br />
Teilhaben an bestimmten gruppenspezifischen Charakterzügen umfaßt." 1<br />
Niklas Luhmann hat in seiner Gewissenstheorie die ständige Gefährdung der<br />
Identität herausgearbeitet und dem Gewissen Funktionen der<br />
Identitätssicherung zugesprochen. Um diese Funktionen präziser beschreiben<br />
zu können, werden wir anhand einiger Gedanken von George Herbert Mead<br />
1) Erikson,Erik H.: Identität und Lebenszyklus. Frankfurt 1977. S. 124.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Hentig) als Bildungsziel postuliert. In der modernen Literatur wird sie als<br />
menschl. Grundproblem eigens thematisiert (M. Frisch). 1. Begriff: Nach<br />
Erikson ist I. ein dauerndes inneres Sich-selbsl- Gleichsein wie ein dauerndes<br />
Teilhaben an bestimmten gruppenspezif. Charakterzügen, sie beinhaltet somit<br />
eine wechselseitige Beziehung von Individuumskern u. Gruppenzugehörigkeit.<br />
I. wird als Gefühl empfunden, man selbst zu sein, sich selbst zu verwirklichen,<br />
in innerer<br />
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325<br />
153 Wörterbuch christlicher Ethik, Frei..., 1975, S. 4<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 288<br />
und anderen als mit sich selbst identische Persönlichkeit bestehen können, so<br />
muß er über sein Tun eine gewisse Kontrolle haben. Dies gilt vor allem für<br />
Extremsituationen, die Habermas einbezieht, wenn er Ich-Identität beschreibt<br />
als " jene eigentümliche Fähigkeit sprach- und handlungsfähiger Subjekte, auch<br />
noch in tiefgreifenden Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur, mit denen<br />
sie auf widersprüchliche Situationen antwortet, mit sich identisch zu bleiben." 1<br />
Dieses Gefühl des mit-sich-identisch-Bleibens steht in Beziehung zu der Sicht,<br />
die andere vom einzelnen haben: "Allerdings müssen die Merkmale der<br />
Selbstidentifikation intersubjektiv anerkannt sein, wenn sie die Identität einer<br />
Person sollen begründen können. Das Sich-Unterscheiden von anderen muß von<br />
diesen anderen anerkannt sein. Die durch Selbstidentifikation erzeugte und<br />
durchgehaltende symbolische Einheit der Person beruht ihrerseits auf der<br />
Zugehörigkeit zur symbolischen Realität einer Gruppe. Eine die individuellen<br />
Lebensgeschichten übergreifende Identität der Gruppe ist deshalb Bedingung<br />
für die Identität des einzelnen." 2<br />
Hegel konstruiert so die Stufe des<br />
Selbstbewußtseins als diejenige, " auf der der einzelne sich reflexiv auf sich<br />
beziehen kann, weil er mit einem anderen Ich so in Kommunikation tritt, daß<br />
beide einander reziprok als Ich erkennen und anerkennen können." 1<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
einzubringen versucht. III. TEIL: ICH-IDENTITÄT UND LIEBE IM<br />
ENTFREMDETEN DASEIN I KAPITEL 6 Die Identitätsproblematik Jürgen<br />
Habermas führt folgende grundlegende These ein: "Die gelungene Ich-Identität<br />
bedeutet jene eigentümliche Fähigkeit sprach- und handlungsfähiger Subjekte,<br />
auch noch in tiefgreifenden Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur, mit<br />
denen sie auf widersprüchliche Situationen antworret, mit sich identisch zu<br />
bleiben. Allerdings müssen die Merkmale der Selbstidentifikation<br />
intersubjektiv anerkannt sein, wenn sie die Identität einer Person sollen<br />
begründen können. Das<br />
Ich-Identität bedeutet jene eigentümliche Fähigkeit sprach- und<br />
handlungsfähiger Sub-' jekte, auch noch in tiefgreifenden Veränderungen der<br />
Persönlichkeitsstruktur, mit denen sie auf wider- \ spruchliche Situationen<br />
antwortet, mit sich identisch \ zu bleiben. Allerdings müssen die Merkmale der<br />
Selbstidentifikation intersubjektiv anerkannt sein, ' wenn sie die Identität einer<br />
Person sollen begründen können. Das Sich-Unterscheiden von anderen muß von<br />
diesen anderen anerkannt sein. Die durch Selbstidentifikation erzeugte und<br />
durchgehaltene symbolische Einheit der Person beruht ihrerseits auf der<br />
Zugehörigkeit zur symbolischen Realität einer Gruppe, auf der Möglichkeit<br />
einer Lokalisierung in der Welt dieser Gruppe. Eine die individuellen<br />
Lebensgeschichten übergreifende Identität der Gruppe ist deshalb Bedingung<br />
für die Identität der<br />
durchgehaltene symbolische Einheit der Person beruht ihrerseits auf der<br />
Zugehörigkeit zur symbolischen Realität einer Gruppe, auf der Möglichkeit<br />
einer Lokalisierung in der Welt dieser Gruppe. Eine die individuellen<br />
Lebensgeschichten übergreifende Identität der Gruppe Ist deshalb Bedingung<br />
für die Identität des einzelnen." (53,27f.)" Mit der Frage nach der Identität<br />
eröffnet sich für jede pädagogische Anthropologie ein zentraler Denkbereich.<br />
Unter Identität wird von mir verstanden, die Einheit der menschlichen<br />
der Stabilität der Verhaltenserwartungen, die sich über die Ich-Ideale auch in<br />
der Person selbst festsetzen. In Hegais Konstruktion ist dies die Stufe des<br />
Selbstbewußtseins, auf der der einzelne sich reflexiv auf sich beziehen kann,<br />
4 Gamm, Hans Jochen: Umgang mit sich selbst, 1977, S. 93<br />
154 Habermas, Jürgen: Zwei Reden Aus Anlaß der Verleihung..., 1974, S. 26<br />
4 Gamm, Hans Jochen: Umgang mit sich selbst, 1977, S. 93<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 289<br />
Dies wird deutlich in der Entwicklung des Heranwachsenden: Indem das Kind<br />
lernt, sich von seiner Umgebung abzugrenzen, gewinnt es eine "natürliche"<br />
Identität, zu der im Laufe der Zeit durch Übernahme verschiedenster Rollen -<br />
je nach Gruppenzugehörigkeit - eine Art von "Rollenidentität" 2<br />
hinzukommt.<br />
Gerade mit solcher Übernahme ganz unterschiedlicher Rollen erwächst die<br />
Aufgabe, Kontinuität in der eigenen Identität zu erreichen und zu erhalten, d.h.<br />
in diesem Zusammenhang<br />
1) Habermas,Jürgen: Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden? in:<br />
ders./D.Henrich: Zwei Reden. Frankfurt 1974. S. 27.<br />
2) ebd. S. 27/28.<br />
1) ebd. S. 28/29. "Es ist ein Selbstbewußtsein für ein anderes Selbstbewußtsein zunächst<br />
unmittelbar als ein anderes für ein anderes. Ich schaue in ihm als Ich mich selbst an, aber auch<br />
darin ein unmittelbares daseiendes, als Ich absolut gegen mich selbständiges anderes Objekt"<br />
(Hegel: Enzyklopädie § 430. zitiert nach: ebd. S. 29).<br />
2) ebd. S. 28.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
weil er mit einem anderen Ich so in Kommunikation tritt, daß beide einander<br />
reziprok als Ich erkennen und anerkennen können: " Es ist ein<br />
Selbstbewußtsein für ein anderes Selbstbewußtsein zunächst unmittelbar als ein<br />
anderes für ein anderes. Ich schaue in ihm als Ich mich selbst an,<br />
Gruppe. Eine die individuellen Lebensgeschichten übergreifende Identität der<br />
Gruppe ist deshalb Bedingung für die Identität der einzelnen. Das zeigt sich<br />
deutlich an der Entwicklung des Heranwachsenden". Indem das Kind lernt,<br />
seinen Leib von der noch nicht nach physischen und sozialen Objekten<br />
unterschiedlichen Umgebung abzugrenzen, gewinnt es eine, wie wir sagen<br />
können, "natürliche" Identität, die sich<br />
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154 Habermas, Jürgen: Zwei Reden Aus Anlaß der Verleihung..., 1974, S. 27<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 289<br />
Potentialitäten, die dem Ich mit den jeweiligen Rollen gegeben sind, muß<br />
ausgerichtet sein auf die gezogenen "Grenzen der Persönlichkeit", um so Ich-<br />
Identität erhalten zu können. Dem Gewissen als identitätssichernder Instanz<br />
fällt die Aufgabe zu, " Kontinuität in der Selbstauffassung und den<br />
Rollenbeziehungen" 3<br />
zu erreichen und zu erhalten. In der Erfahrung des<br />
Gewissens liegt die Erfahrung der Einheit des Selbst bzw. einer bedrohten oder<br />
gestörten Einheit mit der Gefahr der persönlichen Zerrissenheit. Dabei wirkt<br />
das Gewissen in zweifacher<br />
3) Luhmann,Niklas: a.a.O. S. 281.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
als unverzichtbaren Persönlichkeitswert behandelt sehen möchte. Die<br />
Gewissensfreiheit hat nur den Sinn, die Einzelperson und ihre vielfältigen<br />
Rollenbeziehungen gegen Gewissenskrisen zu schützen. Die Erhaltung der<br />
Kontinuität in der Selbstauffassung und den Rollenbeziehungen, die<br />
eigentliche Funktion des Gewissens, geht der Gewissensfreiheit vor und wird<br />
zum Maßstab für die Beurteilung der Konflikte zwischen Recht und Gewissen.<br />
Es ist nicht<br />
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50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 281<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 290<br />
zeigt.und wer sie darin ist. Wenn Ich-Identität bedroht ist in dem, was der<br />
einzelne getan hat, tut oder plant, so kann er sich in der Erfahrung des<br />
Gewissens selbst fraglich werden. Das Gewissen " rüttelt an den Stützen meines<br />
Selbstbewußtseins. Sonst bestätige ich mit jeder Tat, jedem Gedanken, wenn<br />
auch ohne reflektierende Absichtlichkeit, mich selbst als den, der sich ... aus<br />
seiner Vergangenheit her kennt." 1<br />
Als angesichts vielfältiger Potentialitäten des<br />
Ich durch Weisung, Mahnung und Kontrolle identitätssichernd, gewinnt das<br />
Gewissen die Rolle einer Instanz, die den einzelnen in die Schranken seines<br />
persönlichen Ich weist und ihn schützt vor der Versuchung, Möglichkeiten zu<br />
ergreifen und zu nutzen, die seine Identität bedrohen. These 4: Das Gewissen<br />
hat regulierende Funktion bei Art und Grad der Anpassung des einzelnen<br />
1) Kuhn,Helmut: Begegnung mit dem Sein. Tübingen 1954. S. 38.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
seiner sozusagen offiziell anerkannten Geschichte bezeugt. Aber so<br />
unerwünscht es auch ist das aus der Vergangenheit hereindrohende Ich gibt<br />
keine Ruhe, drängt sich beharrlich hervor, rüttelt an den Stützen meines<br />
Selbstbewußtseins. Sonst bestätige ich mit jeder Tat, jedem Gedanken, wenn<br />
auch ohne reflektierende Absichtlichkeit, mich selbst als den, der sich ( mit<br />
allen seinen Schwächen, natürlich weiß ich über sie mehr oder minder genau<br />
Bescheid) aus seiner Vergangenheit her kennt. Den Kern aber dieses<br />
Bewußtseins bildet,<br />
angeeigneten Vergangenheitshorizont ein störendes Moment ein . . . Sonst<br />
bestätige ich mit jeder Tat, jedem Gedanken, wenn auch ohne reflektierende<br />
Absichtlichkeit, mich selbst als den, der sich . . . aus seiner Vergangenheit her<br />
kennt. Den Kern aber dieses Bewußtseins bildet, bei aller Vorsicht der<br />
Selbsteinschätzung, jene Selbsthinnahme, ohne die niemand existieren kann.<br />
Nun ist durch den Einspruch der .Stimme'<br />
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329<br />
94 Kuhn, Helmut: BEGEGNUNG MIT DEM SEIN, 1953, S. 37<br />
122 Golser, Karl: GEWISSEN UND OBJEKTIVE SITTENORDNUNG, 1975, S. 152<br />
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Anpassung nur ein Zustand unreflektierten dahinfließenden Wahrnehmens und<br />
Handelns gemeint sein 1 , nicht aber die mit der Integration in bestehende<br />
Gruppen verbundene Anpassung, die für den Menschen als soziales Wesen<br />
lebensnotwendig ist. 2 Wenn das Gewissen als " Regulativ einer selbständigen<br />
Sittlichkeit, der inhaltliche Werte, Normen und Ordnungen vorgegeben sind" 3<br />
, bezeichnet wird, dann kommt darin die beschriebene Ambivalenz zum<br />
Ausdruck: der einzelne wächst in ein System sozio-kulureller Normen hinein.<br />
Ein "im Geist der Brüderlichkeit miteinander wirken" 4<br />
setzt voraus, daß er<br />
diesen Systemen sozialer Regeln gegenüber Achtung empfindet und sich ihnen<br />
anpasst. Da solcher "Geist der Brüderlichkeit" seinen Ausdruck immer in<br />
verbesserungsbedürftigen und weiterentwickelbaren Werte- und<br />
Normensystemen findet, darf die Anpassung nicht<br />
1) Hammel,Walter: a.a.O. S. 86.<br />
2) Dies wirft unwillkürlich das Problem des Übergangs von einem Zustand der Heteronomie in<br />
einen der Autonomie auf, der uns im Zusammenhang mit der Entwicklung des Gewissens noch<br />
beschäftigen wird.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Kant-Studien 62 (1 ), * Vgl. Georg Kerschensteiner: Theorie der Bildung.<br />
Leipzig 1926, 440 ff. durch das Gewissen geschieht nicht derart, daß neue<br />
Normen geschaffen werden. Vielmehr wirkt das Gewissen als Regulativ einer<br />
selbständigen Sittlichkeit, der inhaltliche Bestimmungen durch sittliche Werte,<br />
Normen und Ordnungen vorgegeben sind. Obgleich das Gewissen unableitbar<br />
und unmittelbar wirkt, stellt sich diese Wirkung jedoch keineswegs<br />
naturgetrieben ein. Die<br />
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330<br />
3) Hammel,Walter: a.a.O. S. 74.<br />
4) Allgemeine Menschenrechtserklärung. Artikel 1.<br />
5 Hammel, Walter: Aspekte sittlicher Erziehung, 1976, S. 73<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 295<br />
in die Zielsetzungen für künftige Möglichkeiten des Lebens. 2<br />
Die Erfahrung<br />
lehrt, daß menschliches Sein nicht in der Ansammlung von Materiellem und<br />
Geistigem aufgeht. Von daher reicht ein Katalog von Zielen, ihren Erwerb<br />
betreffend, nicht aus. " Nur in dem Maße, in dem wir uns preisgeben an die Welt<br />
und an die Aufgaben und Forderungen, die von ihr her einstrahlen in unser<br />
Leben, nur in dem Maße, in dem es uns um die Welt da draußen und die<br />
Gegenstände geht, nicht aber um uns selbst und um unsere eigensten<br />
Bedürfnisse, nur in dem Maße, in dem wir Aufgaben und Forderungen erfüllen,<br />
Sinn erfüllen und Werte verwirklichen,erfüllen und verwirklichen wir auch uns<br />
selbst. ... Menschsein heißt, immer schon über sich hinaus und auf etwas<br />
gerichtet sein, das nicht wieder es selbst ist, auf etwas oder jemanden, auf<br />
einen Sinn, den es erfüllt, oder auf anderes menschliches Sein, dem es liebend<br />
begegnet." 3<br />
Für den schulischen Bereich erarbeiten Christoph und Tobias<br />
Rülcker, von gleicher Fragestellung für die moralische Erziehung ausgehend,<br />
eine Konzeption für eine demokratische Ethik 1 : Die Schule kann sich - nach<br />
Rülckers Konzept - von dem Anspruch des Schülers,<br />
2) ebd. S. 205.<br />
3) Frankl,Viktor E.: Der Mensch auf der Suche nach Sinn, zitiert nach: ebd. S. 152.<br />
1) Rülcker,Christoph/Rülcker,Tobias: Soziale Normen und schulische Erziehung. Heidelberg 1978.<br />
speziell die Seiten: 101-159.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Akte des Menschen eine solche Wirkung haben oder mindestens haben können.<br />
Frankl gibt selbst eine Antwort , die mir den Leidenerfahrungen unserer Zeit<br />
zu entsprechen scheint: " Nur in dem Maße, in dem wir uns preisgeben an die<br />
Welt und an die Aufgaben und Forderungen, die von ihr her einstrahlen in<br />
unser Leben, nur in dem Maße, in dem es uns um die Welt da draußen und die<br />
Gegenstände geht, nicht aber um uns selbst oder um unsere eigenen<br />
Bedürfnisse, nur in dem Maße, in dem wir Aufgaben und Forderungen erfüllen,<br />
Sinn erfüllen und Werte verwirklichen, erfüllen und verwirklichen wir auch<br />
uns selbst. . . Menschsein heißt, immer schon über sich selbst hinaus und auf<br />
etwas gerichtet sein, das nicht wieder es selbst ist, auf etwas oder jemanden, auf<br />
einen Sinn, den es erfüllt, oder auf anderes menschliches Sein, dem es liebend<br />
begegnet" (ebda). In diesen Sätzen sind viele Teilgedanken zusammengefaßt,<br />
die es einzeln zu durchdenken gilt. Wir können dabei die Anregungen des<br />
letzten Kapitels aufnehmen. Menschliches<br />
143 Kerstiens, Ludwig: Erziehungsziele neu befragt, 1977, S. 152<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 296<br />
die moralische Erziehung ausgehend, eine Konzeption für eine demokratische<br />
Ethik 1 : Die Schule kann sich - nach Rülckers Konzept - von dem Anspruch des<br />
Schülers, zu erfahren, was gut und böse, rechtes und unrechtes Handeln ist,<br />
nicht dispensieren mit dem Hinweis auf den Pluralismus der Gesellschaft. Sie<br />
kann - als Konsequenz eben dieses Pluralismus' - keinen einheitlichen Werteund<br />
Normenkatalog vermitteln, muß aber andererseits, in Ausübung ihrer<br />
Aufgabe, den Heranwachsenden zum Leben in der in umgebenden<br />
Gesellschaft zu befähigen, Wert auf die Vermittlung<br />
1) Rülcker,Christoph/Rülcker,Tobias: Soziale Normen und schulische Erziehung. Heidelberg 1978.<br />
speziell die Seiten: 101-159.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
nicht in jeder Hinsicht befriedigend sein, aber immerhin, er hat eine Auskunft,<br />
auf der er weiterbauen kann. Die Schule kann sich von der Antwort nicht mit<br />
dem Hinweis auf den Pluralismus der Gesellschaft dispensieren und sich dem<br />
Schüler wie ein Bazar präsentieren, wenn sie andererseits bestimmte<br />
Regelungen mit massiven Sanktionen durchsetzt. Es ist ferner auch eine ganz<br />
berechtigte<br />
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155 Rülcker, Christoph: Soziale Normen und schulische Erzie..., 1978, S. 100<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 296<br />
in den bearbeiteten Gewissenstheorien gesagt wird, richtet sich unser Blick auf<br />
solche Orientierungen, die man durch die Art ihrer Institutionalisierung als<br />
allgemein akzeptiert werten kann. Dazu gehören: 1. die in der allgemeinen<br />
Menschenrechtserklärung verankerten Grundrechte. Johannes Schwartländer<br />
nennt fünf Grundbereiche, auf die sich die erklärten Menschenrechte<br />
zurückbinden lassen: - den Bereich der Lebenserhaltung, eingeschlossen das<br />
Grundverhältnis des Menschen zur Natur, in den Rechten auf Leben,<br />
Selbstverwirklichung, eigene Arbeit, soziale Sicherheit, Erholung u.s.w.; - den<br />
Bereich der Kultur und Zivilisation in den Rechten auf Bildung, Hygiene,<br />
Lebensqualität, soziale Anerkennung, eigene Sprache u.s.w.; - den Bereich der<br />
eigentlich politischen Menschenrechte in den Rechten auf freie<br />
Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Diskriminierungsverbot u.s.w.; -<br />
den Bereich der personalen<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sagen: erforderlich wäre als Rahmenbedingung sittlichen Sein- Könnens in der<br />
Kirche die ethische Selbstbindung der hierarchischen Gewalten, aber davon<br />
sind wir leider noch etwas entfernt. J. Schwartländer nennt fünf Grundbereiche,<br />
auf die sich die erklärten Menschenrechte zurückbinden lassen und die im<br />
Sinne der "Ursprünglichkeit" nicht aufeinander zurückgeführt werden können:<br />
den Bereich der Lebenserhaltung, eingeschlossen das Grundverhältnis des<br />
Menschen zur Natur, z.B.: Recht auf Leben, Selbstverwirklichung, eigene<br />
Arbeit, soziale Sicherheit, Erholung usw.; den Bereich der Kultur und<br />
Zivilisation, z. B. Recht auf Büdung, Hygiene, Lebensqualität, soziale<br />
Anerkennung, eigene Sprache usw.; den Bereich der eigentlich politischen<br />
Mitwirkungsrechte, z.B. freie Meinungsäußerung,<br />
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72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 200<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 297<br />
Bildung, Hygiene, Lebensqualität, soziale Anerkennung, eigene Sprache u.s.w.;<br />
- den Bereich der eigentlich politischen Menschenrechte in den Rechten auf<br />
freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Diskriminierungsverbot u.s.w.<br />
; - den Bereich der personalen Lebensgemeinschaften Ehe und Familie im<br />
Elternrecht, Kindesrecht, Altersrecht, Krankenrecht; - schließlich den Bereich<br />
des Glaubens und der Weltanschauung in den Rechten auf Glaubensfreiheit,<br />
Bekenntnisfreiheit, Religionsausübung und religiöser Unterweisung. 1<br />
Ausdruck allgemeiner Übereinstimmung ist auf nationaler Ebene das Bonner<br />
Grundgesetz. 2<br />
Ausgehend von der unantastbaren Würde des Menschen, die zu<br />
schützen "Verpflichtung aller staatlichen Gewalt" 3 ist, sind in den Artikeln 1-<br />
19 die Grundrechte katalogisiert. In beiden Dokumenten haben historische<br />
Erfahrungen der Menschheit, speziell die von Kerstiens genannten<br />
Leiderfahrungen Eingang gefunden. Menschenrechtserklärung und<br />
Grundgesetz drücken die feste Entschlossenheit aus, ein Überleben des<br />
1) Schwartländer,Johannes: Die Menschenrechte und die Notwendigkeit einer praktischen<br />
Weltorientierung. In: Kohlenberger,H./Lütterfels,W. (Hrsg.): Von der Notwendigkeit der<br />
Philosophie in der Gegenwart. München 1976. S. 166-189. S. 182ff.<br />
2) Bonner Grundgesetz vom 23.5.1949 in der Fassung vom 18.3.1971. In: Hildebrandt,Horst (Hrsg.<br />
): Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Paderborn 1971.<br />
3) GG Art. l. Abs.l.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Bereich der eigentlich politischen Mitwirkungsrechte, z.B. freie<br />
Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Diskriminierungsverbot usw.; den<br />
Bereich der personalen Lebensgemeinschaften: vor ahem Ehe und Familie,z.B.<br />
Elternrecht, Kindesrecht, Altersrecht, Krankenrecht usw.; den Bereich des<br />
Glaubens und der Weltanschauung, z. B. das Recht auf Glaubensfreiheit,<br />
Bekenntnisfreiheit, Religionsausübung, religiöse Unterweisung usw. Die<br />
Einteüung in Grundbereiche soh hier die Vieldimensionalität des einen<br />
Menschenrechts auf Rechtsgarantie seines Lebens zum<br />
immer und wie artikuliert immer Menschenrechte auftreten, sie erheben den<br />
Anspruch auf unbedingte Gültigkeit, und diese normative Gültigkeit findet<br />
ihren Ausdruck in der allgemeinen Formulierung von der unantastbaren Würde<br />
des Menschen. Diese ist daher der praktisch verbindliche - Ausdruck des<br />
allgemeinsten Konsenses darüber, daß dem menschlichen Dasein, in seiner<br />
Einzelheit und in seinen ihm wesentlichen Wirklichkeitsverhältnissen, ein<br />
72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978, S. 200<br />
156 Schwartländer, Johannes: DIE MENSCHENRECHTE UND DIE NOTWENDI..., 1976, S. 8<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 299<br />
sich in jeder autoritativen Gesinnung gegen das Gewissen regt. Dies ist<br />
beispielhaft in dem Hitler-Zitat in unserer Einführung zum Ausdruck gekommen.<br />
Argumentation und Widerstand aus dem Gewissen heraus erfolgen nicht im<br />
Namen anderer Autoritäten, sondern im Namen "der Wahrheit" und "des<br />
Rechts". Beim voll entwickelten Gewissen kann eine äußere Autorität nicht<br />
Rechtsgrund sein. " Die für uns mit dem Begriff des Gewissens unlösbar<br />
verbundene Freiheit muß jedem autoritativen Streben tief verdächtig sein, führt<br />
zu ihrer Verurteilung als anarchisches Prinzip bzw. zur Forderung nach<br />
Unterwerfung unter die Autorität, die das nun manipulierbar gewordene<br />
Gewissen für ihre eigenen Zwecke mißbraucht." 2<br />
Unabhängig von Fällen des<br />
Gewissenswiderstandes gegen gesellschaftliche Moralvorstellungen ist die<br />
Identität von Gewissen und sozio-kulturellen Normen unwahrscheinlich<br />
angesichts der Vielfalt und Unterschiedlichkeit praktizierter und geltender<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Verlust jeder moralischen Dignität beruht. Daß ein starkes Gewissen gegen die<br />
Forderungen irgendwelcher Mächte nie aufsteht im Namen anderer Autoritäten<br />
gleicher Art und gleichen Ranges, sondern im Namen "der" Wahrheit und "des"<br />
Rechtes, daß es gerade darin seine Reinheit bezeugt und für seine Gewißheit<br />
in den Tod zu gehen bereit ist, all dies weist darauf hin, daß<br />
jeder autoritären Gesinnung sich regende tiefe Mißtrauen gegenüber dem<br />
Gewissen, das sich der Autorität nicht blind unterwirft und auch dort frei ist,<br />
wo es anerkennt. Die für uns mit dem Begriff des Gewissens unlösbar<br />
verbundene Freiheit muß jedem autoritativen Streben tief verdächtig sein und<br />
führt zu ihrer Verurteilung als anarchisches Prinzip bzw. zur Forderung der<br />
Unterwerfung unter die Autorität, die das nun manipulierbar gewordene<br />
Gewissen für ihre eigenen Zwecke mißbraucht. Demgegenüber wird jede<br />
freiheitliche Gesellschaft ihren Prüfstein in der Achtung der letzten Freiheit und<br />
Normen in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft. Hofstätter hat die<br />
Verantwortlichkeit des Menschen im Gewissen haben und darüber hinaus auch<br />
Bestandteile einer Gesellschaftsordnung in ein Spektrum aufgegliedert, das<br />
die<br />
dies deutlich macht. Darin unterscheidet er unumstößliche<br />
Selbstverständlichkeiten, konventionelle Sitten und Gebräuche, Moden, stark normieren, es gibt ein Berufsethos und andere soziale<br />
individuelle Freizügigkeit und tabuiertes Verhalten. Am stärksten internalisiert Unterdeterminanten, die mehr oder weniger Einfluß auf die Entscheidungen und<br />
und damit möglicherweise auch zum Gewissensinhalt werden die tabuierten Werthaltungen des Individuums gewinnen. Hofstätter 1<br />
versucht die<br />
Verhaltensweisen, die negativen Aspekte der unumstößlichen<br />
Bestandteile einer Gesellschaftsordnung in ein Spektrum aufzugliedern:<br />
Selbstverständlichkeiten 1 , d.h. die Vielzahl der Sitten, Gebräuche, Moden und unumstößliche Selbstverständlichkeiten konventionelle Sitten und Gebräuche<br />
sonstigen Regeln kann Eingang finden in Moden individuelle Freizügigkeit tabuiertes Verhalten : a) kriminell b)<br />
2) Kümmel,Friedrich: Zum Problem des Gewissens. S. 443/444.<br />
krankhaft Die einzelnen Bereiche dieses Spektrums haben auf unterschiedliche<br />
Weise Bezug zu dem, was sich im Gewissen niederschlägt. Am stärksten<br />
werden die<br />
1) Häfner,Heinz: Das Gewissen in tiefenpsychologischer Sicht. In: Hörgl,Charlotte/Rauh,Fritz (<br />
Hrsg.): Grenzfragen des Glaubens. Einsiedeln (Zürich,Köln) 1967. S. 113-151. hier: S. 146.<br />
138 Kümmel, Friedrich: ZUM PROBLEM DES GEWISSENS, in: Blüh..., 1976, S. 0<br />
71 Häfner, Heinz: Das Gewissen aus tiefenpsychologisc..., 1967, S. 145<br />
71 Häfner, Heinz: Das Gewissen aus tiefenpsychologisc..., 1967, S. 146<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 300<br />
Eingang finden in das Gewissen, dann aber nicht als einzig angebotene und<br />
verbindliche, sondern im Rahmen von Entscheidungen des einzelnen für<br />
bestimmte Zielsetzungen und Handlungsentwürfe und damit gegen andere<br />
Möglichkeiten. Von daher ist das Gewissen " eine echte synthetische Leistung<br />
des Ich, das die Bausteine zweifellos aus vielfältigen Quellen der umgebenden<br />
Kultur entnommen hat. Da es eine einheitliche Kultur nicht gibt und die<br />
Gesellschaftsordnung jeweils nur durch vorherrschende Wertorientierungen<br />
gekennzeichnet ist, denen Gegenpositionen und Abweichungen<br />
gegenüberstehen, vermag sich auch im Ich-Ideal ein Wertsystem zu entwickeln,<br />
das keineswegs mit den dominierenden Normen der umgebenden Kultur<br />
identisch ist." 2<br />
Man kann so von einer relativen Autonomie des Gewissens und<br />
seiner Inhalte sprechen. Autonomie insoweit, als das Gewissen das Individuum<br />
instand setzt, " in unterschiedlichem Umfang das Handeln und die<br />
Wertorientierung seiner Umgebung und sogar der Kultur, in der es lebt, zu<br />
bewerten." 3<br />
Relativ ist diese Gewissensautonomie, insofern aus der<br />
unbestrittenen Wechselwirkung zwischen Individuum und Gesellschaft dem<br />
Gewissen in epochaler Wertverwirklichung und Orientierungen für situative<br />
Wertverwirklichung ein Rahmen gegeben ist und seine Selbständigkeit dort<br />
eine Grenze findet, wo<br />
2) ebd. S. 149.<br />
3) ebd. S. 149.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Person bestimmt ist, von der es seine Abkunft nahm. Das Gewissen ist auf<br />
solche Weise nicht nur eine einfache Internalisierung sozialer Tatbestände,<br />
sondern auch eine echte synthetische Leistung des Ich, das die Bausteine<br />
zweifellos aus vielfältigen Quellen der umgebenden Kultur entnommen hat. Da<br />
es eine einheitliche Kultur nicht gibt und die Gesellschaftsordnung jeweils nur<br />
durch vorherrschende Wertorientierungen gekennzeichnet ist, denen<br />
Gegenpositionen und Abweichungen gegenüberstehen, vermag sich auch im<br />
Ich-Ideal ein Wertsystem zu entwickeln, das keineswegs mit den<br />
dominierenden Normen der umgebenden Kultur identisch ist. Man mag mit<br />
Recht hier Allports Begriff der funktionellen Autonomie der Motive zur<br />
Erklärung dieses Vorgangs bemühen. So weit reicht die Erklärungsmöghchkeit<br />
mit den Mitteln<br />
das normale Gewissen, soweit man es nach psychologischen Begriffen<br />
definiert, gegenüber den Normen der Kultur auch eine relative Autonomie<br />
besitzt. Es setzt das Individuum instand, in unterschiedlichem Umfang das<br />
Handeln und die Wertorientierung seiner Umgebung und sogar der Kultur, in<br />
der es lebt, zu bewerten. Diese relative Autonomie hat zweifellos dort enge<br />
Grenzen, wo es um die Selbstverständlichkeiten und die absoluten Tabus<br />
derjenigen Gesellschaftsordnung geht, in der das Individuum selbst<br />
71 Häfner, Heinz: Das Gewissen aus tiefenpsychologisc..., 1967, S. 149<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 301<br />
es eine feste Lebensordnung nicht gibt, schwerlich ein Gewissen ausgebildet<br />
werden kann, obwohl gerade da der einzelne stärker als in<br />
traditionsbestimmten Gesellschaften auf sein Gewissen verwiesen wird. 2<br />
Aus<br />
transkulturellen Untersuchungen kann entnommen werden, daß es eine<br />
eindeutige Korrelation zwischen pathologischen Schuldgefühlen, der<br />
Häufigkeit von Depressionen und der Häufigkeit von Selbstmord einerseits und<br />
bestimmten kulturellen Systemen andererseits gibt; Sehr repressive Kulturen,<br />
die einen hohen Sozialisationsdruck ausüben, haben auch hohe Zahlen von<br />
Depression und Selbstmord und zeigen außerordentlich häufig pathologische<br />
Schuldgefühle bei den zugehörigen Individuen. Zu dieser Gruppe werden die<br />
meisten mittel- und nordeuropäischen Länder gezählt. Dagegen sind in<br />
Kulturen, bei denen die Erziehung sehr liebevoll geschieht und<br />
Strafandrohungen selten sind, die Anteile an Depression, pathologischen<br />
Schuldgefühlen und Suicidfällen sehr viel geringer. Zu<br />
2) Es stellt sich auch die Frage, ob sich bei einer Identität von Gewissen und sozio-kulturellen<br />
Normen der Begriff "Gewissen" durchhalten könnte. Wenn eine Gewissensentscheidung<br />
identisch ist mit normgerechtem Verhalten, dann gibt es schwerlich einen Grund, sprachlich<br />
beide Termini zu verwenden.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Wertsystemen einer Kultur, der besonderen Form der Kindererziehung und dem<br />
vorherrschenden "Volkscharakter" Zusammenhänge bestehen. In den<br />
transkulturellen Untersuchungen konnten diese Ergebnisse insofern bestätigt<br />
werden, als eine eindeutige Korrelation zwischen pathologischen<br />
Schuldgefühlen, der Häufigkeit von Depressionen und der Häufigkeit von<br />
Selbstmord einerseits und bestimmten kulturellen Systemen anderseits<br />
eindeutig nachzuweisen war. Sehr repressive Kulturen, die einen hohen<br />
Sozialisationsdruck ausüben, haben auch hohe Zahlen von Depression und<br />
Selbstmord und zeigen außerordentlich häufig pathologische Schuldgefühle bei<br />
den zugehörigen Individuen. Zu dieser Gruppe gehören die meisten mittel- und<br />
nordeuropäischen Länder. Dagegen haben gewährende Kulturen, bei denen die<br />
Erziehung sehr hebevoll geschieht und Strafdrohungen selten sind, einen um<br />
ein<br />
71 Häfner, Heinz: Das Gewissen aus tiefenpsychologisc..., 1967, S. 147<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 306<br />
Dualunion" zwischen Mutter und Kind. Adolf Portmann spricht in Anbetracht<br />
der Hilflosigkeit des Säuglings vom ersten Lebensjahr als dem "sozialen<br />
Mutterschoß". In dieser Zeit besitzt der Säugling eine "prinzipielle<br />
Aktionsbereitschaft", die sich als 'Wartezustand' darstellt: " sie kann nur in<br />
Aktion umgesetzt werden durch Aktion anderer Menschen. Die besondere<br />
Pflege dieses 'sekundären Nesthockers' muß also in Aktionen bestehen, die, auf<br />
seine Aktionsbereitschaft treffend, zu 'Interaktionen' werden, ihn zu eigenen<br />
Aktionen bringen und damit erst 'zu sich', 'zu der Welt' kommen lassen." 1<br />
Das<br />
Medium, in dem solche grundlegenden Interaktionen stattfinden, muß "<br />
angesichts der auf Differenzierung hin angelegten Undifferenziertheit" einfach<br />
strukturiert sein und besondere Beeinflußungsmöglichkeiten haben. Als ein<br />
derartiges Medium gilt die Mutter-Kind-Beziehung. 2<br />
Die Angewiesenheit des<br />
Neugeborenen auf eine solche stabile Beziehung zu einer Bezugsperson ist<br />
verschieden benannt worden, so z.B. als "physiologische<br />
1) Ciaessens,Dieter: Familie und Wertsystem. Berlin 1972. S. 84.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
deshalb "Nesthocker" ist, weil er einer besonderen Art von Pflege bedarf, um<br />
seine bereitliegende "Menschlichkeit" zu realisieren. Seine prinzipielle<br />
Aktionsbereitschaft stellt sich als Wartezustand dar, sie kann nur in Aktion<br />
umgesetzt werden durch Aktion und zwar durch Aktion anderer Menschen. Die<br />
besondere Pflege dieses "sekundären Nesthockers" muß also in Aktionen<br />
bestehen, die, auf seine Aktionsbereitschaft treffend, zu "Interaktionen" werden,<br />
ihn zu eigenen Aktionen bringen und damit erst "zu sich", "zu der Welt"<br />
kommen lassen. Logisch müssen Anzahl und Intensität der nötigen<br />
katalysatorischen Aktionen der Aktionsbereitschaft, Sinnesoffenheit und<br />
Differenziertheit des Säuglings und später Kleinkindes entsprechen.<br />
Angesichts der auf Differenzierung hin angelegten Undifferenziertheit der<br />
wartenden kleinen menschlichen "Persönlichkeit" kann deduziert werden, daß<br />
das Medium, das die Realisierung der notwendigen Interaktionen ermöglichen<br />
soll, besondere Eigenschaften aufweisen muß. Es muß<br />
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338<br />
2) ebd. S. 84.<br />
157 Claessens, Dieter: Familie und Wertsystem. Eine Studie..., 1972, S. 0<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 307<br />
physiologische Korrespondenz" 3 , "emotionale Symbiose" 4 , oder "symbiotischparasitäre<br />
Beziehung" 5<br />
zwischen Mutter und Kind. Wir übernehmen den von<br />
E. Kutter geprägten und auch von A. Nowak verwendeten Begriff "Dualunion"<br />
zwischen Mutter und Kind. 6 Wenn Theodor Litt vom Menschen sagt: " Er ist<br />
wie kein anderes Wesen aufgeschlossen für die Welt und die Welt erschließt<br />
sich ihm wie keinem anderen Wesen" 7 , dann kann man - auf die Stufe der<br />
Dualunion bezogen - davon ausgehen, daß hier die Mutter die Vermittlerrolle<br />
im gegenseitigen Aufschluß zwischen dem Kind und der Welt einnimmt. Die<br />
Mutter ist des Kindes Welt und öffnet<br />
3) Spitz,Ren : Nein und Ja. Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation. Stuttgart 1960.<br />
4) Benedek.Th.: Über das Wesen der Mutter-Kind-Begegnung. In: Psyche. 13 (1959/60). S. 428.<br />
5) Mahler,M.S.: On Child Psychosis and Schizophrenis. Autistic and Symbiotic Infantile<br />
Psychosis. In: The Psychoanalytic Study of the Child. 7 (1952. S.286.<br />
6) Kutter,E.: Die Krankheitslehre der Psychoanalyse. (Hrsg.: W. Loch, S. Kirzl). Stuttgart 1967.<br />
S. 166f. Nowak,Antoni J.: a.a.O. S. 56.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
im Reich des Lebendigen, Wiesbaden 1948, S. 26 i*5 ist die "andere Seite"<br />
seines Mangels an fertig bereitstehenden Leistungsformen zur Bewältigung<br />
seines Daseins. Man kann mit Litt zusammenfassend sagen: " Er ist wie kein<br />
anderes Wesen aufgeschlossen für die Welt, und die Welt erschließt sich ihm<br />
wie keinem anderen Wesen." (23) 3. Die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen<br />
im Aufbau des menschlichen Soziallebens und Sozialverhaltens Was wir<br />
bislang über den Menschen ausgesagt haben, das zeigt sich noch einmal und<br />
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339<br />
7) Litt,Theodor: Die Sonderstellung des Menschen im Bereich des Lebendigen. Wiesbaden 1948.<br />
S. 31.<br />
19 Roth, Heinrich: Pädagogische Anthropologie, Band I,..., 1976, S. 1<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 307<br />
davon ausgehen, daß hier die Mutter die Vermittlerrolle im gegenseitigen<br />
Aufschluß zwischen dem Kind und der Welt einnimmt. Die Mutter ist des<br />
Kindes Welt und öffnet ihm gleichzeitig Wege, zur Welt zu kommen. Die<br />
Mutter " transponiert 'Umwelt' in das Kind und vermittelt ihm dadurch die<br />
Chance zur Entfaltung seiner eigenen 'Gegenkräfte'." 1<br />
Das neugeborene Kind<br />
erhält damit die Chance, das Gefühl eigener Unbehilflichkeit durch die Kraft<br />
der Mutter zu überwinden. Wenn Mutter und Kind auf der Stufe der Dualunion<br />
eine geschlossene Sphäre bilden, die Mutter für das Kind die Welt bedeutet,<br />
dann schließt das ein, daß die Einstellung der Mutter zum Leben Einfluß auf<br />
das Kind nimmt, seine Grundeinstellung zum Leben und damit auch zu den<br />
sich stellenden Sollensansprüchen davon geprägt ist. So ist diese Phase von<br />
grundlegender Bedeutung für die Entfaltung des Gewissens, die gekoppelt ist<br />
an die Liebe und das Vertrauen der Mutter zum Kind. Es gehört zum<br />
Lebensdrang des Kindes, in Harmonie mit der Mutter zu leben und so ist sein<br />
Verhalten<br />
1) Ciaessens,Dieter: a.a.O. S. 87.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
die Person, die die Bedürfnisse des Kindes befriedigt, also die Mutter oder ihre<br />
Vertreterin" 10 . Die Mutter wirkt also als Vermittlerin in einem doppelten Sinne:<br />
sie transponiert "Umwelt" in das Kind und vermittelt ihm dadurch die Chance<br />
zur Entfaltung seiner eigenen "Gegenkräfte". Die Analyse der zwischen<br />
Säugling und Mutter als "Sub-System der Familie", wie Parsons es nennen<br />
würde sich entwickelnden, im wesentlichen den Säugling (aber auch<br />
wir werden jetzt essen", "wir müssen uns baden" usw. Die Bedeutung einer<br />
ungestörten Dualunion für die Entwicklung des Ichs ist inzwischen nicht mehr<br />
kontrovers. Wenn die Mutter für das Kind die Welt bedeutet, dann muß ihre<br />
Haltung, so wie sie das Kind erfährt, auf es einen großen Einfluß haben. Ihre<br />
eigene Einstellung zu ihrem Leben und zu ihrem Kind,<br />
157 Claessens, Dieter: Familie und Wertsystem. Eine Studie..., 1972, S. 0<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 56<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 308<br />
ethischen Norm" für das Kind. In seiner physiologisch bedingten Schwäche<br />
empfindet es die Mutter als das schlechthin Gute. Es wird innerlich unsicher,<br />
wenn es etwas tut, womit es eine Störung der Harmonie hervorruft. Griesl<br />
spricht von einem vormoralischen Prinzip, an das sich das Kind unbewußt hält.<br />
Danach ist böse das, was die Mutter dem Kind abgeneigt erscheinen läßt, gut<br />
ist, was sie zugeneigt werden läßt. Von daher ist diese Vorstufe der<br />
Gewissensbildung eigentlich noch eine prämoralische Phase, in der man noch<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
dabei innerlich unsicher. Ein solches Erlebnis gibt dem Kind keine Freude,<br />
denn es ist ein Konflikt zwischen ihm und der Mutter entstanden. G. Griesl<br />
spricht hier von einem vormoralischen Prinzip, an das sich das Kind unbewußt<br />
hält: " Böse ist, was die Mutter böse (= feindlich) macht; gut ist, was sie gütig (=<br />
geneigt) macht"10. _Wenn wir also die ersten Anfänge der Bildung des<br />
Gewissens<br />
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12.01.2014<br />
341<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 57<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 309<br />
auf die Gebote und Verbote der Mutter. Die Entscheidungsbereitschaft des<br />
Kleinstkindes kommt noch nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Befehl des<br />
Erziehers und durch Einübung fester Gewöhnung. 1<br />
Die an das Kind gestellten<br />
Forderungen und Gewöhnungsbildungen beziehen sich auf vielfältige<br />
Verhaltensforderungen, die nicht unbedingt von sittlicher Werthaftigkeit sein<br />
müssen. Oftmals wird die Mutter z.B. Weisungen geben, die das Kind vor<br />
drohenden Gefahren schützen sollen, bzw. positive Verhaltensreaktionen durch<br />
Gebote anzuregen versuchen. So wird auf dieser Stufe bis zum ca. 3.<br />
Lebensjahr vom "frühkindlichen Gewöhnungsgewissen" gesprochen. 2<br />
Gewissensqualität wird hier also dem Regulativ zugesprochen, das dem<br />
Kleinstkind dazu verhilft. Normen zu befolgen, die von seiner unmittelbaren<br />
Umwelt, primär von<br />
1) Hollenbach,Johannes M.: Handbuch der Elternbildung. Köln 2966. Band 1. S. 418.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gewöhnungsgewissens. Auf dieser Entwicklungsstufe spielen<br />
Gewöhnungsbildungen, die der Gestaltung des Lebens dienen, eine<br />
entscheidende Rolle. Die Weisungen erfolgen in Form von Geboten oder<br />
Verboten und beziehen sich auf vielfältige Verhaltensforderungen, die nicht<br />
unbedingt von sittlicher Werthaftigkeit sein müssen. So wird jede Mutter ihr<br />
Kind vor drohenden Gefahren durch verbindliche Weisungen zu bewahren<br />
suchen (.Finger weg vom Feuer', .Nicht auf die Straße laufen' u. a.) bzw.<br />
positive Verhaltensreaktionen durch Gebote anzuregen versuchen (, Laß Kinder<br />
mitspielen', ,Räum dein Spielzeug weg' u. a.). Durch die Setzung solcher<br />
Verhaltensforderungen wird dem Kind in einer eindeutigen Weise vor allem,<br />
wenn diese Forderungen mit<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
342<br />
2) vgl. dazu u.a.: Betz,Felicitas: a.a.O. S. 110. Cloer,Ernst: a.a.O. S. 654. Hollenbach,Johannes M.:<br />
Der Mensch als Entwurf. Frankfurt 1957. S. 346. Maas,A.: Gewissen und Schuld in<br />
psychologischer Sicht. In: Maas,Scherer,Teichtweier: Gesetz und Gewissen. Essen 1967. S. 50-<br />
91. hier: S. 56/57.<br />
148 Maas, Alfons: Gesetz und Gewissen, 1967, S. 0<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 309<br />
Regulativ zugesprochen, das dem Kleinstkind dazu verhilft. Normen zu<br />
befolgen, die von seiner unmittelbaren Umwelt, primär von den Eltern gesetzt<br />
werden. Die kindlichen Entscheidungen werden allerdings in dieser Phase noch<br />
nicht einer Norm wegen getroffen, sondern allein aufgrund einer personalen,<br />
dem Kind bewußten Instanzbeziehung. 3<br />
So ist es - nach Betz - Kindern unter<br />
drei Jahren auch nicht möglich, Gebote und Verbote der Mutter zu beachten,<br />
wenn sie nicht anwesend ist. " Ihre Gebote und Verbote sind so sehr an ihre<br />
Person gebunden, daß sie gleichsam mit ihr fortgehen." 4<br />
Die Tatsache, daß auf<br />
der ersten sittlichen Reifestufe bis zum 3. Lebensjahr Erwachsene durch ihr<br />
konkrete Gegenwart die lebendige Norm und die Harmonie zwischen Kind und<br />
Mutter bzw. Eltern das Ziel kindlichen Handelns sind, läßt deutlich<br />
3) Hupperschwiller,Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in jugendkriminologischer Sicht. (Band<br />
II von: Familie und Jugendkriminalität). Stuttgart 1970. S. 52.<br />
4) Betz,Felicitas: a.a.O. S. 106.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Verhalten gesprochen. Die ersten kindlichen Entscheidungen werden in dieser<br />
Phase noch nicht, wie wir das später in immer stärkerem Umfang finden, nach<br />
einer bestimmten Norm, sondern allein aufgrund einer personalen, dem Kind<br />
bewußten Instanzbeziehung getroffen. Nur über diese ist ihm in diesem<br />
Stadium bewußt normadäquates Verhalten möglich. Fehlt es an einer solchen<br />
Beziehung, d. h. konkret an einem Mutter-Kind-Verhältnis,<br />
Beispiel auch wichtig zu wissen, daß Kinder unter drei Jahren nicht imstande<br />
sind, die Gebote der Mutter zu beachten, wenn diese selbst nicht anwesend ist<br />
. Ihre Gebote und Verbote sind so sehr an ihre Person gebunden, daß sie<br />
gleichsam mit ihr fortgehen. 1 Vgl. dazu J. M. Hollenbach, Der Mensch als<br />
Entwurf, Frankfurt 1957, S. 182 f. 2 Vgl. dazu M. Oraison, Zwang oder Liebe,<br />
Salzburg 1963, S. 63 f. Über Entwicklungsstufen des Gewissens in der<br />
Kindheit 107 Eine andere, vielleicht<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
343<br />
35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in ju..., 1970, S. 52<br />
158 Betz, Felicitas: Über Entwicklungsstufen des Gewisse..., 1965, S. 3<br />
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6% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 310<br />
und kann zur Bildung eigener und willkürlicher Ersatzregeln führen. 1<br />
So liegt<br />
eine wesentliche Aufgabe des Erziehers auf der Stufe des<br />
Gewöhnungsgewissens in der von Konsequenz und Eindeutigkeit geprägten<br />
Setzung von Verhaltensanforderungen. Durch diese Erfahrung wird verhindert,<br />
daß dem Kind die Welt als eine willkürliche erscheint. Mit Erikson gehen wir<br />
davon aus, daß in dieser Phase eine weitere entscheidende erzieherische<br />
Aufgabe in der Ermöglichung eines für die weitere Entwicklung des Gewissens<br />
unabdingbaren Ur-Vertrauens liegt. Eines Vertrauens in die eigene Fähigkeit<br />
und die Bereitschaft der unmittelbaren Umwelt zu<br />
1) Betz merkt an, daß die sogenannten "Verbrechergesetze" wahrscheinlich als so entstandene<br />
Ersatzregeln zu verstehen sind (ebd. S.107).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
in der Welt eine bestimmte Verhaltensordnung gibt. Sie zu befolgen bedeutet<br />
geliebt und gelobt zu werden ihr zuwiderzuhandeln bringt Liebesverlust und<br />
unlustbetonte Strafreaktionen. Diese Erfahrung verhindert, daß dem Kind 76<br />
die Welt als eine willkürliche erscheint, in der es tun und lassen kann, je nach<br />
Laune und Lust. Wesentlich für die Ausprägung dieser ersten primitiven<br />
Gewissensreaktion ist die Eindeutigkeit und Konsequenz,<br />
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12.01.2014<br />
344<br />
148 Maas, Alfons: Gesetz und Gewissen, 1967, S. 0<br />
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5% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 311<br />
Vorbild zu sein, fördert die notwendige Identifikation des Kindes mit Normen<br />
und Werten auf der Stufe des Identifikationsgewissens. Etwa im dritten<br />
Lebensjahr tritt die Gewissensbildung insofern in eine.neue Phase, als das Kind<br />
nun die Sein-Sollen-Differenz 1<br />
auch in Abwesenheit der Mutter, bzw. der<br />
Erzieher erlebt. Die Gewissensregungen sind nicht mehr allein begründet durch<br />
die Gewöhnung der Affekte an die wohlwollenden oder mißbilligenden<br />
Äußerungen der anwesenden Mutter, sondern durch das Wissen um die von der<br />
Mutter vorgebene und vorgelebte Norm. 2<br />
Das so entstehende Normwissen<br />
beschränkt sich auf dieser Stufe immer noch auf solche von außen<br />
herangetragene Normen. Indem aber solche Gebote und<br />
1) Hupperschwiller,Lutz: a.a.O. S. 53.<br />
2) Hollenbach,Johannes M.: Der Mensch als Entwurf. S. 83.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gewissens Die Entwicklungsstufe, von der an von einem heteronomen<br />
Gewissen gesprochen werden kann, ist errreicht, sobald wir, zunächst einmal<br />
rein äußerlich gesehen, das Erleben einer Sein-Sollen-Differenz auch in<br />
Abwesenheit der Mutter, also auch dann konstatieren können, wenn keine<br />
unmittelbaren Nachteile aus einer Nichtbefolgung zu gewärtigen sind. Den<br />
Grund für diesen Fortschritt finden wir in einer beginnenden<br />
nur wieder zur Ruhe bringt, wenn man tut, was die nun abwesenden Eltern<br />
geboten oder verboten haben. Damit ist aber ein großer Schritt vollzogen. Nicht<br />
die Gewöhnung der Affekte an die wohlwollenden oder mißbilligenden<br />
Äußerungen der anwesenden Mutter allein begründen die Gewissensregung,<br />
sondern das Wissen um die autoritativ von der Mutter gegebene und<br />
vorgelebte Norm. Da diese Art der Gewissenshaltung bis etwa ins<br />
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12.01.2014<br />
345<br />
35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in ju..., 1970, S. 53<br />
17 Hollenbach, Johannes Michael: Der Mensch als Entwurf, 1956, S. 182<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 311<br />
Kern heute noch gültige und grundlegende Deutung der<br />
Normenverinnerlichung beim Kind ist die Über-Ich Theorie Freuds. Sie besagt<br />
in diesem Zusammenhang, daß die Verlegung äußerer elterlicher Kontrolle in<br />
das Über-Ich eine Identifizierung bedeutet, d.h. " eine Angleichung eines Ichs<br />
an ein fremdes, in deren Folge dies erste Ich sich in bestimmten Hinsichten so<br />
benimmt wie das andere, es nachahmt, gewissermaßen in sich aufnimmt." 1<br />
Für<br />
diesen Identifizierungsvorgang, der als wesentlichster Mechanismus der<br />
Übernahme von Werten, Normen und Orientierungsweisen im Laufe der<br />
Entwicklung gesehen werden kann, gibt es unterschiedliche Motive. Nach<br />
Freud gehört dazu, daß das Kind bei Überwindung des Ödipus-Komplexes aus<br />
Angst vor drohendem Liebesentzug durch den Vater oder die Mutter deren<br />
1) Freud,Sigmund: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. In: Ges.W.<br />
Band XV. London 1949. S. 69.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Über-Ich - wir hatten es bereits oben (vgl. S. 3) als eine nach innen verlegte<br />
äußere Instanz bezeichnet, deren eine Funktion das Gewissen ist - ist eine<br />
Identifizierung, d. h. " eine Angleichung eines Ichs an ein fremdes, in deren<br />
Folge dies erste Ich sich in bestimmten Hinsichten so benimmt wie das andere,<br />
es nachahmt, gewissermaßen in sich aufnimmt" ( Freud 1949, XV; 69). Es<br />
handelt sich um einen seelischen Akt der Einfühlung, der Aufnahme und der<br />
totalen emotionellen Bindung, die ihren Grund in einer triebhaft affektiven<br />
Zuwendung<br />
in dieser neben der schon früher feststellbaren Imitation, der insgesamt jedoch<br />
geringeres Gewicht zukommt, da ihr kein Verzicht zugrunde liegt, den<br />
wesentlichsten Mechanismus der Internalisierung, der Übernahme von Werten,<br />
Normen und Orientierungsweisen zu sehen (Stendenbach 1963, 21; Rudolph<br />
1959, 59). Wie wir heute feststellen können, erfolgt diese Identifizierung aus<br />
den unterschiedlichsten Motiven, von denen eines das von Freud genannte ist:<br />
bei<br />
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35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in ju..., 1970, S. 54<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 312<br />
vom Ödipuskomplex kann man generell davon ausgehen, daß es zu<br />
angstmotivierter Identifikation dann kommt, wenn die Erzieher autoritär in die<br />
Persönlichkeit eingreifen. 3<br />
Neben der Normenintrojektion aus Angst vor den<br />
Erziehern ist eine andere Motivgruppe feststellbar, " deren Häufigkeit soweit<br />
ersichtlich umgekehrt proportional zu autoritären Erziehungsformen steht" 4 .<br />
Gemeint ist die Vielzahl der Fälle, in denen das Kind die Werte und Normen<br />
seiner Eltern verinnerlicht, weil es mit ihnen gefühlsmäßig in positiver Weise<br />
verbunden ist und den Wunsch hat, in Harmonie mit ihnen<br />
3) Freud,Anna: Das Ich und die Abwehrmechanismen. London 1946. S. 125ff.<br />
4) Hupperschwiller,Lutz: a.a.O. S. 54.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
vgl. A.Freud 1946, 125 ff.). Identifizierung aus Angst repräsentiert jedoch nur<br />
die eine Motivgruppe. Daneben steht eine mit ihren Motiven konträr<br />
ausgerichtete Gruppe: in einer Vielzahl von Fällen, deren Häufigkeit soweit<br />
ersichtlich umgekehrt proportional zu autoritären Erziehungsformen steht,<br />
introzipiert das Kind die Normen und Werte der Eltern nicht aus Angst,<br />
sondern aus dem positiven angstfreien Antrieb heraus, in Übereinstimmung mit<br />
ihnen zu leben 55 (<br />
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12.01.2014<br />
347<br />
35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in ju..., 1970, S. 54<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 312<br />
Eltern verinnerlicht, weil es mit ihnen gefühlsmäßig in positiver Weise<br />
verbunden ist und den Wunsch hat, in Harmonie mit ihnen zu leben. 5<br />
Die<br />
Eltern sind dem Kind Vorbild und lassen in ihm den Wunsch aufkommen, das<br />
zu können und zu dürfen, was sie tun 6 bzw. so zu sein, wie die Eltern. 7 Nach<br />
Maas sind in dieser Phase nicht primär einzelne Verbote und Gebote, sondern<br />
die sittliche Grundhaltung eines geliebten Menschen für das Gewissen<br />
verbindlich. 1<br />
So kann man in dieser Altersstufe, die bis ins zehnte Lebensjahr<br />
reicht, vom Identifikationsgewissen als einer personbezogenen<br />
Gewissensgestalt sprechen. 2<br />
Zieht man die dargelegten Erkenntnisse Piagets<br />
zur Entwicklung des moralischen Urteils 3<br />
hinzu, so wird die für diese Phase<br />
der Gewissensentwicklung charakteristische<br />
5) Roth,Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des Gewissens und der Gewissensbildung. S.<br />
291. Zulliger,Hans: Gespräche über Erziehung. Bern/Stuttgart 1960. S. 72. Hapke,Eduard:<br />
Über die Natur des Gewissens. In Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie. 11 (<br />
1962). S. 115.<br />
6) Caruso,Igor A.: Bios,Psyche,Person. S. 321.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sondern aus dem positiven angstfreien Antrieb heraus, in Übereinstimmung mit<br />
ihnen zu leben 55 (Roth 1957, 241; Zulliger 1960, 72; Hapke 1962, 115f.), um<br />
so zu sein wie sie (Zulliger 1960, 67), um all das zu können und zu dürfen, was<br />
diese tun 'vgl. auch Caruso 1957, 321). Wir finden hier erste Formen eines am<br />
kindlich idealisierten Elternbild ausgerichteten Ich-Ideals, das wir vom Überich<br />
zu trennen haben,<br />
auf (.Identifikation durch Introjektion'). Hier sind es nicht mehr nur die<br />
ausdrücklichen und konkreten Gebote und Verbote, die für das Gewissen des<br />
Kindes verbindlich werden, sondern die sittliche Grundhaltung eines geliebten<br />
Menschen; sein lebendiges Vorbild wird in seiner Ganzheit als verbindlich und<br />
maßgebend erlebt. Meist sind für das Kind die Personen von Mutter und 57<br />
Vater auf dieser<br />
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12.01.2014<br />
348<br />
7) Zulliger,Hans: a.a.O. S. 67.<br />
1) Maas.A.: a.a.O. S. 57.<br />
2) ebd. S. 57.<br />
3) vgl. dazu im zweiten Teil dieser Arbeit das Kapitel 4.<br />
35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in ju..., 1970, S. 55<br />
148 Maas, Alfons: Gesetz und Gewissen, 1967, S. 0<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 313<br />
ist nicht primär auf die Regel selbst gerichtet, sondern auf diejenigen, von<br />
denen die Regeln aufgestellt werden. Dies sind bis zum Schuleintritt vor allem<br />
die Eltern, so daß man davon ausgehen kann, daß das Kind in<br />
Konfliktsituationen die Stimme des Gewissens zunächst als die Stimme der<br />
Eltern, evtl. auch als die der Erzieher im Kindergarten erlebt. Das Kind<br />
anerkennt auf dieser Entwicklungsstufe noch vorbehaltlos und unkritisch die<br />
erzieherische und sittliche Autorität der Menschen, die es liebt. War auf der<br />
Stufe des Gewöhnungsgewissens die eindeutige Setzung von<br />
Verhaltensforderungen und die elterliche Bereitschaft zu einem harmonischen<br />
Verhältnis zum Kind zwecks Ermöglichung eines grundlegenden Vertrauens<br />
ausschlaggebend, so sollte die<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
und maßgebend erlebt. Meist sind für das Kind die Personen von Mutter und<br />
57 Vater auf dieser Stufe der Gewissensenfwicklung bestimmend. Das Kind<br />
erfährt daher auch in Konfliktsituationen die Stimme des Gewissens zunächst<br />
noch als die Stimme von Vater und Mutter oder anderer entsprechender<br />
Erziehungsautoritäten. Noch aber vermag sich das Kind kein selbständiges<br />
Urteil über die Richtigkeif oder<br />
sich das Kind kein selbständiges Urteil über die Richtigkeif oder Falschheit,<br />
über den Wert oder Unwert seiner Vorbilder und wertmäßigen Leitbilder zu<br />
machen. Es anerkennt noch vorbehaltlos und unkritisch die erzieherische und<br />
sittliche Autorität des Menschen, den es liebt oder fürchtet. Das Gewissen ist<br />
daher noch unkritisch an Autoritäten gebunden, denen es blindlings vertraut und<br />
deren Werturteil es übernimmt (<br />
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12.01.2014<br />
349<br />
148 Maas, Alfons: Gesetz und Gewissen, 1967, S. 0<br />
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8% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 314<br />
oder ob, bedingt durch die Freiwilligkeit, der eigene Wunsch nach positiver<br />
Bejahung der Normen vorliegt. Im letzteren Fall übernimmt das Kind die Norm<br />
der Mutter, des Vaters oder anderer ihm vertrauenswürdiger<br />
Erzieherpersönlichkeiten aus eigenem Antrieb, " nicht die Gesellschaft,<br />
vertreten durch die Eltern, handelt, sondern der einzelne, unterstützt durch<br />
seine, die Gesellschaft vertretenden Eltern." 1<br />
Die unterschiedlichen Motive<br />
haben schließlich auch bei der Reaktion des Kinde auf selbst verschuldete<br />
Störungen der Harmonie verschiedene Folgen: im Fall eines autoritären<br />
heteronomen Gewissens treten Angstgefühle auf, die Reaktion des Kindes wird<br />
überwiegend bestimmt<br />
1) Hupperschwiller,Lutz: a.a.O. S. 55.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
eine Norm der Mutter, des Vaters oder im späteren Entwicklungsstadium die<br />
Norm einer anderen "vorbildlichen" Erzieherpersönlichkeit ist. Wir finden hier<br />
die ersten Ansätze der Personalisation: nicht die Gesellschaft, vertreten durch<br />
die Eltern, handelt, sondern der einzelne, unterstützt durch seine, die<br />
Gesellschaft vertretenden Eltern. Ist das Ergebnis in beiden Fällen ein<br />
heteronomes Gewissen, so doch nur im ersten Fall eines, das man "autoritär"<br />
nennen könnte, ein Unterschied, der in<br />
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12.01.2014<br />
350<br />
35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in ju..., 1970, S. 55<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 315<br />
vom heteronomen zum autonomen Gewissen. Etwa um das zehnte bis elfte<br />
Lebensjahr beginnt sich beim Kind die totale Identifikation mit Vorbildern und<br />
deren Wertsystemen zu lösen. Es stellt fest, daß die Eltern und sonstigen<br />
Erzieher nicht so vollkommen und allmächtig sind, wie bisher angenommen."<br />
Das Kind erfährt nun, daß sie die Forderungen, die sie stellen, selbst nicht<br />
durchweg erfüllen, dies oft nicht einmal versuchen und daß ihre Forderungen<br />
zudem oft widersprüchlich sind." 1<br />
Mit zunehmender Selbständigkeit und<br />
Sicherheit bewegt es sich ausserhalb der Familie. "Seine<br />
Orinetierungsfunktionen sind so gereift, daß es vom konkreten zum abstrakten<br />
Denken gelangt, fähig wird, logische Schlüsse zu ziehen, Situationen damit<br />
unter neuen Aspekten erfaßt und anstelle des mechanischen ein sinnvolllogisches<br />
Gedächtnis entwickelt." 2<br />
Das kindliche, rein heteronome Norm- und<br />
Wertverständnis wird erschüttert durch die Erkenntnis, daß die als eindeutig<br />
und allgemeingültig betrachteten Normen und erworbenen Wertungen nicht<br />
immer die Differenziertheit einer Einzelsituation erfassen. Die damit<br />
beginnende Infragestellung bisheriger<br />
1) Roth,Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des Gewissens und der Gewissensbildung. S.<br />
244.<br />
2) Hupperschwiller,Lutz: a.a.O. S. 60.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Momente wird die für die Bildung eines autonomen Gewissens wohl<br />
schwerwiegendste und folgenreichste kindliche Entdeckung ermöglicht: die<br />
Feststellung, daß die Eltern wie auch andere Autoritätspersonen nicht so<br />
vollkommen und allmächtig sind, wie sie das Kind sich vorstellte und wie sie<br />
selbst direkt oder indirekt zu sein vorgaben (vgl. Zulliger 1956, 45). Das Kind<br />
erfaßt nun, daß sie die Forderungen, die sie stellen, selbst nicht durchweg<br />
erfüllen, dies oft nicht einmal versuchen und daß ihre Forderungen zudem oft<br />
widersprüchlich sind ( vgl. Roth 1957, 244). Es erkennt, daß das Leben selbst<br />
differenzierter und problematischer ist, als es zunächst angenommen hat, daß<br />
es von den erworbenen Wertungen her nicht<br />
auch außerhalb der Familie zu bewegen und infolge zunehmender<br />
Selbständigkeit und Sicherheit aus ihr herauszuwachsen. Seine<br />
Orientierungsfunktionen sind so gereift, daß es vom kon-' kreten zum<br />
abstrakten Denken gelangt, fähig wird, logische Schlüsse zu I ziehen,<br />
Situationen damit unter neuen Aspekten erfaßt und anstelle des mechanischen<br />
ein sinnvoll-logisches Gedächtnis entwickelt. Insbesondere durch die<br />
erstgenannten Momente wird die für die Bildung eines autonomen Gewissens<br />
wohl schwerwiegendste und folgenreichste kindliche Entdeckung ermöglicht:<br />
die Feststellung, daß die Eltern<br />
35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in ju..., 1970, S. 60<br />
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21% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 316<br />
Infragestellung bisheriger Werte macht es nötig, dem Kind zusätzliche und<br />
neue Wege eigenständigen Wertens aufzuzeigen. Dies entspricht einem<br />
beginnenden Streben des Heranwachsenden nach Unabhängigkeit von den<br />
Erziehern, das im Laufe der Zeit noch unterstützt wird durch das Einsetzen<br />
neuer Strebungen, insbesondere des Geschlechtstriebes, " der gerade bei<br />
männlichen Jugendlichen eine Durchbrechung heteronomer Normen vielfach<br />
gebieterischer verlangt als das bisherige kindliche Begehren." 3<br />
Die Suche des<br />
Jugendlichen nach neuen Wegen und Normen zur Bewältigung seines Lebens<br />
ist zunächst noch nicht auf abstrakte Werte gerichtet, sondern weiterhin auf<br />
Personen. " Er sucht sich neue Vorbilder, neue Instanzen, die seinen ersten, noch<br />
tastenden, autonomen Wertvorstellungen am nächsten kommen, mit denen er<br />
sich nun nach wenigstens teilweiser Ablösung von den Eltern aufs neue<br />
identifizieren kann." 1<br />
Sobald es ihm gelingt, die eigene Person aus ihrer<br />
Mittelpunktstellung herauszurücken, wird er fähig zu ersten autonomen und und<br />
- im Vergleich zu bisherigen -abstrakterem Norm- und Werteverständnis. Man<br />
spricht in dieser Phase vom "Kulturgewissen" 2 , vom "kritischen<br />
Belehrungsgewissen" 3 oder vom "selbstkritischen Verantwortungsgewissen" 4<br />
, kann es im allgemeinsten Sinn<br />
3) ebd. S. 60.<br />
1) ebd. S. 61.<br />
2) Pongratz,Ludwig: Psychologie menschlicher Konflikte. Phänomenologie und Theorie.<br />
Göttingen 1961. S. 181.<br />
3) Cloer,Ernst: Gewissen und Gewissensbildung, in: Katechetische Blätter. 94 (1969). Heft 11. S.<br />
650-661. hier: S. 654.<br />
4) Hollenbach,Johannes M.: Der Mensch als Entwurf. S. 196.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
vorantreibt. Eine Auseinandersetzung mit den bisher als unantastbar erachteten<br />
Normen wird dadurch nahegelegt. Sie wird noch begünstigt durch das<br />
Ausbrechen einer Reihe neuer Triebe bzw. durch das Einsetzen neuer<br />
Strebungen, insbesondere des Geschlechtstriebes, der gerade beim männlichen<br />
Jugendlichen eine Durchbrechung heteronomer Normen vielfach<br />
gebieterischer verlangt als das bisherige kindliche Begehren. Die<br />
Auseinandersetzung mit ihm oder ähnlich wirksamen Strebungen erweist sich<br />
in einer Vielzahl von Fällen als Kern autonomer Gewissensbildung (vgl.<br />
Remplein 1967, 443ff.). Auf der Suche nach<br />
Werte, sondern weiterhin an Personen, nun allerdings an solche, die ihm<br />
vollkommener zu sein scheinen als Ellern, Lehrer oder andere Personen aus der<br />
engeren Umgebung. Er sucht sich neue Vorbilder, neue Instanzen, die seinen<br />
ersten, noch tastenden autonomen Wertvorstellungen am nächsten kommen, mit<br />
denen er sich nun nach wenigstens teilweiser Ablösung von den Eltern aufs<br />
neue identifizieren kann. Aufgrund seines Wankelmutes, seiner<br />
Unentschlossenheit werden diese Vorbilder anfangs noch häufig gewechselt.<br />
Die Begeisterung für das eine oder andere schlägt leicht in das Gegenteil um<br />
dieser Phase über genügend Einflußmöglichkeiten verfügen, ist dieser<br />
Übergangszustand jedoch relativ schnell zu überwinden, vermag der<br />
Jugendliche gegen Ende der Pubertät, sobald er fähig wird, die eigene Person<br />
aus ihrer Mittelpunktstellung herauszurücken, ein erstes autonomes, nun<br />
abstrakteres Norm- und Wertsystem zu errichten. Pongratz (1961, 181) spricht<br />
nun von einem das >Strukturgewissen< ablösenden >Kulturgewissen
Textstelle (Prüfdokument) S. 319<br />
Abwägung der Konsequenzen einzelner Ziele. 4. Der Heranwachsende soll<br />
ermutigt werden, nachzudenken über das, was er an bestimmten Werten<br />
schätzt. 5. Er muß Gelegenheit haben, das von ihm Gewählte öffentlich<br />
bestätigen zu können. 6. Er soll bestärkt werden, in Übereinstimmung mit dem<br />
Gewählten zu handeln. 7. Schließlich soll der Erzieher dem Jugendlichen<br />
helfen, sich wiederholende Verhaltensweisen zu untersuchen. 3<br />
Im Mittelpunkt<br />
aller Methoden der Wertklärung steht nach Auffassung der Autoren die "<br />
klärende Entgegnung". 1<br />
Damit scheint uns eine zentrale erzieherische<br />
Hilfestellung zur Gewissensbildung<br />
3) ebd. S. 55-56.<br />
1) ebd. S. 69-103.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
das sie so schätzen und woran sie so hängen. 5. Ihnen Gelegenheit zu geben,<br />
das von ihnen Gewählte öffentlich bestätigen zu können. 6. Sie darin zu<br />
bestärken, in Übereinstimmung mit dem Gewählten zu handeln und danach zu<br />
leben. 7. Ihnen zu helfen, wiederholte Verhaltensweisen oder<br />
Verhaltensstrukturen in ihrem Leben zu untersuchen. Auf diese Art und Weise<br />
unterstützt der Erwachsene den<br />
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159 Raths, Louis E.: Werte und Ziele, 1976, S. 54<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 322<br />
so gegebenenfalls neue Wege zur konkreten Verwirklichung findet. Darin<br />
findet dann auch die von Sganzini betonte "normenproduzierende Seite" des<br />
Menschen 1<br />
ihren besonderen Ausdruck. Zusammenfassend kann man<br />
feststellen, daß in dem Maß, in dem im Jugendalter neben die heteronomen<br />
Normen selbstüberprüfte Normen treten, bzw. erstere nach kritischer<br />
persönlicher Überprüfung ersetzt oder aber gutgeheißen und als autonome<br />
Normen zur Grundlage des Entscheidens und Handelns werden, man von einem<br />
autonomen, bzw. personalen Gewissen sprechen kann und damit von einer<br />
geglückten<br />
1) Sganzini,Carlo: Ursprung und Wirklichkeit. Bonn, Stuttgart 1951. zitiert nach: Roth,Heinrich:<br />
a.a.O. S. 241f.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wir infolge seiner inhaltlichen Fremdbestimmung das heteronome nennen. Es<br />
spiegelt in seinem Inhalt den Prozeß der Sozialisation und Enkulturation wider.<br />
In dem Maß, in dem neben die heteronomen Normen selbstüberprüfte Normen<br />
treten, erstere ersetzt bzw. - und das ist die Regel - nach kritischer persönlicher<br />
Überprüfung gutgeheißen und damit nun als autonome Normen beibehalten<br />
werden, sprechen wir von einem<br />
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35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in ju..., 1970, S. 64<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 324<br />
Diese Gefährdungen nehmen in dem Maße zu, in dem der einzelne sich, wie<br />
heute vielfach festgestellt, in einem dichten Netz von Reglementierungen fühlt,<br />
das selbständiges und eigenverantwortliches Entscheiden und Handeln kaum<br />
noch zuläßt. Damit wird " die Erfahrung eigenen Könnens, eigener Kraft,<br />
eigener Kompetenz, die jedes gute Leben trägt, die Erfahrung der Freiheit" 1<br />
mehr und mehr genommen. Zwangsläufig schwindet dann auch das<br />
Bewußtsein personaler Kompetenz, d.h. das Gefühl, sich selbst aufgegeben zu<br />
sein, zuständig zu sein und sich zuständig zu verhalten. " Jeder Mensch ist als<br />
Person zuständig; das Verbindliche der Kompetenz ist die Verwirklichung des<br />
menschenwürdigen Lebens; der Einsatz der Kompetenz muß tätig, wirksam<br />
sein. ... Personale Kompetenz heißt also: das menschliche Leben aus dem<br />
Urgrund erfassen und in seiner Unvergleichlichkeit verwirklichen." 2<br />
So stellt<br />
sich heutige Gewissenserziehung- besonders dringend durch das Faktum<br />
ständig wachsender Reglementierung - vor allem dar als die Hilfe zur<br />
Entfaltung der dem Menschen von Natur her gegebenen Möglichkeit und<br />
Notwendigkeit zu individueller Wertbindung und<br />
1) Spaemann,Robert: Rousseaus "Emile": Traktat über Erziehung oder Träume eines Visionärs?<br />
In: Zeitschrift für Pädagogik. 24 (1978). Heft 6. S. 823 - 834. hier: S. 827.<br />
2) Diederich,Honoratus: Kompetenz des Gewissens. Freiburg 1968. S. 281 und 283.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Autoren verteidigt, die der Meinung waren, die moderne Gesellschaft könne<br />
sich unbeschränktes Bedürfniswachstum leisten Nun im Emile" wird diese<br />
Maxime zu einer pädagogischen Anthropologie ausgebaut: die Erfahrung<br />
eigenen Könnens, eigener Kraft, eigener Kompetenz ist die Grunderfahrung,<br />
die jedes gute Leben trägt, die Erfahrung der Freiheit. Es gibt zwei<br />
Entwicklungsstadien, in denen der Mensch von Natur schwach ist und wo dei<br />
Erzieher kunstvoll versuchen muß, die Verwandlung von<br />
an, die Erfahrungen seiner Zuständigkeit zu sammeln, beziehungsweise seine<br />
Zuständigkeit auf Grund seiner Erfahrung zu verteidigen. Sie lassen sich im<br />
wesentlichen um drei Aussagen gruppieren: jeder Mensch ist als Person<br />
zuständig; das Verbindliche der Kompetenz ist die Verwirklichung des menwtÄ<br />
SpetöL: rntden" tr"" SiAen Bedeutung gründet Kompetenz im Personalen.<br />
Kompetenz gehört zum Personsein, weil die Person nicht als sittliche Person<br />
ansprechbar wäre, wenn ihr<br />
ve ittel Mitgift gleich; niemand bedarf eines Zugeständnisses seiner<br />
Zuständigkeit von Seiten eines anderen; er selbst muß das Verständnis<br />
entwickeln; dazu soll ihm verholfen werden. Personale Kompetenz heißt also:<br />
das menschliche Leben aus dem Urgrund erfassen und in seiner<br />
Unvergleichlichkeit verErgänzend seien zwei Anmerkungen hinzugefügt.<br />
Zunächst kehrt die Erinnerung an die individuelle Kompetenz wieder. Sie hat<br />
als Vorzug, als Auszeichnung einer Persönlichkeit gegolten. Sie entsprach<br />
160 Spaemann, Robert: Rousseaus Emile : Traktat über Erzi..., 1978, S. 827<br />
161 Diederich, Honoratus: Kompetenz des Gewissens, 1968, S. 280<br />
161 Diederich, Honoratus: Kompetenz des Gewissens, 1968, S. 282<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 325<br />
sich einen Weg zu bahnen durch die vielfältigen Versuche der<br />
Fremdbestimmung hindurch, um gleichsam seiner Natur gerecht zu werden, für<br />
sich und sein Tun zuständig zu sein. In dieser Situation gewinnt Rousseaus<br />
Frage besondere Aktualität: " Wie kann ein Mensch seine Kräfte, seine<br />
Fähigkeiten und seine Sensibilität voll entfalten und das kulturelle Niveau des<br />
eigenen Zeitalters sich aneignen, ohne der Entfremdung anheimzufallen, d.h.<br />
ohne den Schwerpunkt in sich selbst zu verlieren, den der Naturmensch besaß?" 1<br />
Er sucht nach einer Pädagogik, die die Bedingungen der Autarkie in jedem<br />
Entwicklungsstadium aufrecht erhält und fördert und setzt als Ziel der<br />
sittlichen Erziehung " die Verankerung des Handelns in einer Überzeugung, die<br />
von der Existenz des Handelnden unzertrennlich ist und 'Gewissen' heißt." 2<br />
Rousseau lehnt die animalisch-naturhafte Selbstliebe des Hominiden ebenso ab<br />
wie den Patriotismus, d.h. die Selbstidentifikation des Citoyen mit einem<br />
Kollektiv-Ich und den gesellschaftlich vermittelten Egoismus des Bourgeois.<br />
Im "Emile" entwirft er die vierte und noch einzig offenbleibende Möglichkeit<br />
eines Menschen, der seine Autarkie, seinen absoluten Schwerpunkt in sich im<br />
Gewissen zurückgewinnt. 3 "<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Der Hominide war mangels entsprechender Differenzierung auch nicht der<br />
intensiven Glückserfahrung eines modernen Menschen fähig. Die Aufgabe des "<br />
Emile" kann daher auch so formuliert werden: Wie kann ein Mensch seine<br />
Kräfte, seine Fähigkeiten und seine Sensibilität voll entfalten und das<br />
kulturelle Niveau des eigenen Zeitalters sich aneignen, ohne der Entfremdung<br />
anheimzufallen, d.h. ohne den Schwerpunkt in sich selbst zu verlieren, den der<br />
Naturmensch besaß? Mit anderen Worten, wie kann die Reproduktion des<br />
Sündenfalls verhindert werden, wie kann der "Mensch der Natur" zur<br />
Entfaltung seines Potentials gelangen, ohne dabei zum "<br />
mehr gangbar. Was bleibt ist eine Pädagogik, die ihr Augenmerk unausgesetzt<br />
auf die Erhaltung des Gleichgewichts bzw. auf gewisse Überbrückungshilfen<br />
bei seiner Störung richtet, eine Pädagogik, die die Bedingungen der Autarkie<br />
in jedem Entwicklungsstadium aufrecht erhält und fördert: minimale<br />
Bedürfnisweckung, maximale Kraftentfaltung. Daß jedes überflüssige<br />
Bedürfnis eine Kette des Menschen ist, diese sokratische, kynische, stoische<br />
und epikuräische Maxime hatte Rousseau schon in der<br />
und entfremden es seiner eigenen Erfahrungswirklichkeit. Es ist für immer das<br />
Verdienst Rousseaus, diesen fundamentalen pädagogischen Gesichtspunkt<br />
entwickelt zu haben. 2. Ziel der sittlichen Erziehung ist die Verankerung des<br />
Handelns in einer Überzeugung, die von der Existenz des Handelnden<br />
unzertrennlich ist und "Gewissen" heißt. Wir haben Rousseaus Theorie von<br />
drei Weisen des Verhältnisses des Menschen zu sich selbst kennen gelernt: Es<br />
gibt die animalisch-naturhafte Selbstliebe des Hominiden, den Patriotismus, d.<br />
h. die Selbstidentifikation des Citoyen mit einem Kollektiv-Ich, und den<br />
gesellschaftlich vermittelten Egoismus des Bourgeois, der beides sein will,<br />
Mensch und Bürger, und so keines von beiden ist. Im "Emile" wird eine vierte<br />
Möglichkeit, die einzig noch offenbleibende, entworfen. Emile<br />
Gerechtigkeit der Seele ist, so nimmt Emile die "Volonte g n rale", den<br />
allgemeinen Willen, in die Innerlichkeit zurück als Gewissen" Im Gewissen<br />
gewinnt der moderne Mensch seine Autarkie, seinen absoluten Schwerpunkt in<br />
sich zurück. Er wird auf der Höhe des zivilisatorischen Niveaus der Epoche<br />
160 Spaemann, Robert: Rousseaus Emile : Traktat über Erzi..., 1978, S. 827<br />
160 Spaemann, Robert: Rousseaus Emile : Traktat über Erzi..., 1978, S. 828<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 325<br />
Im Gewissen weitet sich der Raum der Identifikation ins Universale, ins<br />
Menschheitliche und Kosmische. Aber Menschheit und Kosmos sind, so<br />
betont Rousseau, keine realen Kollektive, die das Individuum integrieren<br />
können. Es sind Abstraktionen, die ihre Wirklichkeit nur gewinnen im<br />
individuellen Gewissen. In ihm kehrt das Individuum ganz in die<br />
Selbstgenügsamkeit zurück." 4<br />
So erklärt Rousseau im Glaubensbekenntnis des<br />
savoyischen Vikars, er halte es für nicht unmöglich, daß das Gewissen,<br />
unabhängig von der Vernunft, als Folge der Natur gesehen werden könne. Im<br />
Labyrinth der menschlichen Meinungen erweise sich<br />
1) ebd. S. 827.<br />
2) ebd. S. 828.<br />
3) ebd. S. 828.<br />
4) ebd. S. 829.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wieder zum natürlichen Menschen", zum "Wilden in den Städten". Im<br />
Patriotismus hatte der denaturierte Mensch seinen Existenzgrund in ein<br />
partikulares Kollektiv-Ich verlagert. Im Gewissen weitet sich der Raum der<br />
Identifikation ins Universale, ins Menschheitliche und Kosmische. Aber<br />
Menschheit und Kosmos sind, so betont Rousseau, keine realen Kollektive, die<br />
das Individuum integrieren könnten. Es sind Abstraktionen, die ihre<br />
Wirklichkeit nur gewinnen im individuellen Gewissen. In ihm kehrt das<br />
Subjekt ganz in die Selbstgenügsamkeit zurück. Die moralische Motivation, das<br />
Streben nach der Ruhe eines guten Gewissens, ist die höchste Form der<br />
Selbstliebe, so wie<br />
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160 Spaemann, Robert: Rousseaus Emile : Traktat über Erzi..., 1978, S. 829<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 327<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
freiheitsberaubendes Hindernis darstellt, sondern grundlegende<br />
Orientierungsfunktion erhält. Eduard Spranger hat in seinem Aufsatz über die<br />
Ii selbst kontrollierende wissende Selbst, das wir das wache Gewissen nennen<br />
Lenkbarkeit des modernen Kulturprozesses 2<br />
eindringlich darauf hingewiesen,<br />
und das auf mehr als Irdisches bezogen ist. Fehlt dieses Zentrum, so enl steht<br />
daß der Mensch das Gewissen brauche als sich selbst kontrollierendes und<br />
ein Massenmensch, sei es auch in Funktionen und Stellungen, die viel Macht<br />
wissendes Sein. "Fehlt dieses Zentrum, so entsteht der Massenmensch, sei es<br />
verleihen. Es entsteht der "systemgebundene Mensel.",
Textstelle (Prüfdokument) S. 327<br />
dem Beitrag zur Gewissensentfaltung liegt darin, in dem Heranwachsenden die<br />
Bereitschaft dafür wachsen zu lassen, die mit dem Gewissen verbundene<br />
Möglichkeit selbständigen Handelns und die Notwendigkeit zur individuellen<br />
Verantwortungsübernahme anzunehmen. Das Gewissen als eine Wirklichkeit<br />
" deren Anspruch man frei anerkennen oder auch abweisen kann" 2 , macht es<br />
schließlich nötig, in der Erziehungswirklichkeit Anregung zu geben zur<br />
Bejahung dieser menschlichen Wirklichkeit und Raum zu geben zur<br />
Inanspruchnahme des individuellen Gewissens als der wesentlichen<br />
Möglichkeit zur Aktualisierung von Personalität. These 2: Zur<br />
Gewissenserziehung<br />
2) Kümmel,Friedrich: Zum Problem des Gewissens. In: a.a.O. hier: S. 449.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ein waches Gewissen der Gewalt widerstand oder durch seine Initiative<br />
weltweite Bewegungen auszulösen imstande war. Man wird also das Gewissen<br />
als eine Wirklichkeit nehmen müssen, deren Anspruch man frei anerkennen<br />
oder auch abweisen kann. Der positiven Freiheit im Gewissen entspricht eine<br />
negative Freiheit gegen das Gewisseji, deren beider Können sehr<br />
verschiedenartig ist. Wie alle freien Verhältnisse kann man die<br />
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138 Kümmel, Friedrich: ZUM PROBLEM DES GEWISSENS, in: Blüh..., 1976, S. 0<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 329<br />
der sensorischen Offenheit der Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer<br />
werthaften Aspekte, - sei es in der gemütsbezogenen verbindlichen Erfahrung<br />
der Werte, - sei es in der aktiven wissensbestimmten Verwirklichung solcher<br />
Wertverbindlichkeiten." 1<br />
Die Gewissensentscheidung ist dann als eine<br />
rationale Selbstsetzung der Person im sittlichen Verhalten ein Akt des<br />
eigenständigen Individuums, das sich nicht mehr vorbehaltlos in das soziale<br />
Geschehen einlässt. 2<br />
Die Person soll sich dabei ihrer individuellen<br />
Verantwortung für die Verwirklichung des Humanuni bewußt sein und ihr Tun<br />
an dieser<br />
1) Maas,A.: Gewissen und Schuld in psychologischer Sicht. In: Maas,A./Scherer,G./<br />
Teichtweier,G.: Gesetz und Gewissen. S. 50-91. hier: S. 53.<br />
2) Frey,Karl: Anthropologie und individuelle Gewissensentfaltung. In: Menschenbild und<br />
Menschenführung. Freiburg/Schweiz 1967. S. 96-111. hier: S. 97.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Besinnung auf die menschlichen Wesenseigenschaften. Wir möchten hier<br />
vorwiegend die anthropologische Determination der Gewissensregung, welche<br />
mit der "Gewissensentscheidung" * nicht identisch ist, behandeln. Die<br />
Gewissensentscheidung als rationale Selbstsetzung der Person im sittlichen<br />
Verhalten ist mehr ein Akt des eigenständigen Individuums. Sie ist bewußter<br />
mit den Wertungen der Gesellschaft verknüpft und in diesem Sinne weniger<br />
vorbehaltlos in das soziale<br />
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163 Frey, Karl: Menschenbild und Menschenführung, 1967, S. 96<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 331<br />
im besonderen, und soll die Argumentation im Hinblick auf ihre<br />
Anwendbarkeit auf die Aufgabe der Gewissenserziehung hier noch einmal<br />
aufgegriffen werden: In seinen Reden über Erziehung beschreibt Buber die<br />
Erziehung "von Menschen durch Menschen" als " Auslese der wirkenden Welt<br />
durch eine Person und in ihr" 1 , d.h. der Erzieher sammelt nicht nur, wählt<br />
nicht allein aus der Welt das für die Personwerdung des Heranwachsenden<br />
Nötige, sondern stellt selbst diese wirkende Welt dar. Er verhilft dem in jedem<br />
Menschen verankerten Urhebertrieb zur Entfaltung<br />
1) Buber,Martin: Über das Erzieherische. In: ders.: Reden über Erziehung. Heidelberg 1969. S. 38.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Zögling zum Aufbau seines Wesens braucht, soll der Erzieher aus der Welt<br />
lesen und in sich ziehen. Erziehung von Menschen durch Menschen bedeu- j<br />
tet Auslese der wirkenden "Welt durch eine Person i und in ihr. Der Erzieher<br />
sammelt die aufbauenden Kräfte der Welt ein. In sich selber, in seinem<br />
welterfüllten Selbst scheidet er, lehnt ab und bestätigt. Die aufbauenden Kräfte -<br />
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164 Buber, Martin: Reden über Erziehung, 1962, S. 44<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 332<br />
soll den Heranwachsenden bei dessen Versuchen eigenverantwortlichen Tuns<br />
vor einer Vereinsamung schützen, in dem er sich mit ihm verbunden weiß.<br />
Solche Verbundenheit entspricht nach Buber einem Trieb im Menschen. Sie ist<br />
der Gegenpol zum Zwang. " Zwang in der Erziehung, das ist das Nichtverbundensein,<br />
das ist Geducktheit und Aufgelehntheit; Verbundenheit in der<br />
Erziehung, nun, das ist eben die Verbundenheit, das ist Aufgeschlossen- und<br />
Einbezogensein." 1<br />
So treten Erzieher und Zögling in ein dialogisches<br />
Verhältnis. Buber spricht davon, daß ein solches Verhältnis in höherem oder<br />
geringerem Maß "vom Element der Umfassung" bestimmt ist. Damit ist "die<br />
volle Gegenwärtigkeit des Unterworfenen, des Begehrten, des Partners, nicht<br />
mit der Phantasie, sondern mit der Aktualität des Wesens" gemeint. 2<br />
Der<br />
Zögling begibt sich somit in diesem Verhältnis in die Obhut des Erziehers. Im<br />
wirklichen Dialog als dem eigentlichen Ort der Erziehung versucht der<br />
Erzieher nicht, dem anderen Wesensfremdes aufzuoktroyieren, sondern das<br />
Wesen des anderen aus der Potentialität in die Aktualität zu überführen. 3<br />
Auf<br />
Seiten des Heranwachsenden ist das Umgriffenwerden im dialogischen<br />
Verhältnis die eigentliche Ermöglichung der Ich-werdung. 4<br />
Auf unseren<br />
Gegenstand hin formuliert erweist sich das dialogische Verhältnis als der im<br />
vorangegangenen geforderte "Schutzraum", in dem der<br />
1) ebd. S. 23.<br />
2) ebd. S. 31.<br />
3) Buber,Martin: Elemente des Zwischenmenschlichen. In: Das dialogische Prinzip. Heidelberg<br />
1973. S. 271-298. hier: S. 287.<br />
4) Bock,Irmgard: Kommunikation und Erziehung. Darmstadt 1978. S. 325.<br />
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Textstelle (Originalquellen)<br />
werden, muß man freilich erst unabhängig geworden sein, aber die<br />
Unabhängigkeit ist ein Steg und kein Wohnraum. Freiheit ist das vibrierende<br />
Zünglein, der fruchtbare Nullpunkt. Zwang in der Erziehung, das ist das<br />
Nichtverbundensein, das ist Geducktheit und Aufgelehntheit; Verbundenheit in<br />
der Erziehung, nun, das ist eben die Verbundenheit, das ist Aufgeschlossen- und<br />
Einbezogensein Freiheit in der Erziehung, das ist Verbundenwerdenkönnen.<br />
Sie ist nicht zu entbehren und in sich nicht zu verwenden; ohne sie gerät es<br />
nicht, dabei auch<br />
Täter nicht mehr erträglich ist. Erst die Mächtigkeit, die umfaßt, ist Führung;<br />
erst der Eros, der umfaßt, ist Liebe. Umfassung, das ist die volle<br />
Gegenwärtigung des Unterworfenen, des Begehrten, des "Partners", nicht mit<br />
der Phantasie, sondern mit der Aktualität des Wesens. Es wäre verkehrt, das was<br />
hier gemeint ist mit dem geläufigen, aber wenig sagenden Terminus der "<br />
Einfühlung" zusammenbringen zu wollen. Einfühlung bedeutet, wenn irgend<br />
etwas,<br />
während durch die Propaganda dem anderen etwas ihm letztlich<br />
Wesensfremdes aufoktroyiert wird, soll im Dialog, der nach Buber seinen<br />
eigentlichen Ort in der Erziehung hat," das Wesen des anderen aus der<br />
Potentialität in die Aktualität überführt werden. Damit ist der echte Dialog<br />
angesprochen, von dem Buber den der "Notdurft der sachlichen Verständigung"<br />
92<br />
und den "dialogisch verkleideten Monolog" " unterscheidet. Unter welchem<br />
164 Buber, Martin: Reden über Erziehung, 1962, S. 24<br />
164 Buber, Martin: Reden über Erziehung, 1962, S. 25<br />
164 Buber, Martin: Reden über Erziehung, 1962, S. 35<br />
165 Bock, Irmgard: KOMMUNIKATION UND ERZIEHUNG. Grundz..., 1978, S. 46<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 333<br />
Normen einzuüben. Diesen Gedanken trägt Buber u.a. dadurch Rechnung, daß<br />
er keinen äußeren, absolut gültigen Sittenkodex annimmt, sondern die<br />
Situation selbst zum Ausgangspunkt wählt. 1<br />
Von daher ist Erziehung nach<br />
Buber "wesentlich Charaktererziehung", bei der der Erzieher " den<br />
Zusammenhang zwischen der Wesenseinheit dieses Einzelnen und der Folge<br />
seiner Handlungen und Haltungen" im Auge hat und so immer den ganzen<br />
Menschen in seiner gegenwärtigen Tatsächlichkeit wie seinen Möglichkeiten<br />
nach einbeziehen muß. 2<br />
Es ist bereits mehrfach festgestellt worden, daß zwar<br />
in so verstandener, auf die Entfaltung des Gewissens<br />
1) Friedman,Maurice S.: Die Grundlagen von Martin Bubers Ethik. In: Schilpp,Paul Arthur/<br />
Friedmann, Maurice S.: Martin Buber. Stuttgart o.J. (1963). S. 153 - 179. hier: S. 159.<br />
2) Buber,Martin: Über Charaktererziehung. In: Reden über Erziehung, hier: S.53.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Potenz kann man einen Menschen nur entweder als Persönlichkeit fassen, d. h.<br />
als diese einmalige geistleibliche Gestalt mitsamt den in ihr ruhenden Kräften,<br />
oder als Charakter, d.h. als den Zusammenhang zwischen der Wesenseinheit<br />
dieses Einzelnen und der Folge seiner Handlungen und Haltungen. Zwischen<br />
diesen beiden Arten, den Zögling in seiner Ganzheit zu fassen, besteht ein<br />
grundsätzlicher Unterschied. Persönlichkeit ist etwas, was im wesentlichen<br />
außerhalb der Einwirkung des<br />
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164 Buber, Martin: Reden über Erziehung, 1962, S. 61<br />
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bedarf, um dem hohen Anspruch der Gewissenhaftigkeit gerecht werden zu<br />
können, in den Jugendjahren diesen Bezug zu Personen, die ihm immer wieder<br />
die ständige Notwendigkeit zur Aktualisierung seiner Personalität im<br />
eigenverantwortlichen Tun vor Augen führen." Der Erzieher braucht kein<br />
sittliches Genie zu sein, um Charaktere zu erziehen; aber er muß ein ganzer<br />
lebendiger Mensch sein, der sich seinen Mitmenschen unmittelbar mitteilt.<br />
Seine Lebendigkeit strahlt auf sie aus und beeinflußt sie gerade dann am<br />
stärksten und reinsten, wenn er gar nicht daran denkt, sie beeinflussen zu<br />
wollen." 1<br />
Wo durch den Verlust fragloser, tradierter Ordnungen die personale<br />
Entscheidung des einzelnen an Bedeutung zunimmt, da wächst in gleichem<br />
Maße auch die Notwendigkeit, geltende Werte dadurch zum Tragen zu bringen,<br />
daß man sie überzeugend und verantwortungsbewußt vorlebt. 2<br />
In diesem<br />
Sinne sprechen wir auch vom Vorbild: Es macht deutlich, wie " Haltung und<br />
Tat konkret und in ganzer Lebensfülle vom Kern der Persönlichkeit ausgehen<br />
und geformt werden." 3<br />
Als Erzieher Vorbild zu sein meint dann auch, das<br />
ursprüngliche Identifikationsverhältnis im Laufe der Erziehung abzubauen,<br />
sich selbst nicht als absolute Norm darzustellen und sich in das dialogische<br />
Verhältnis mit dem Heranwachsenden ganz einzubringen. " Diese Vorbilder<br />
stellen für den Zögling die personale Verwirklichung sittlicher Werte und<br />
damit Richtpunkte für sein führungsbedürftiges und ratsuchendes Gewissen dar.<br />
Die Erziehung zur Gewissenhaftigkeit als konstitutiver Bestandteil der<br />
Personalisation ist eine schwerlich bis ins letzte plan- und kalkulierbare. Sie muß<br />
immer damit rechnen, "wirkungsarm" zu bleiben 1<br />
und kann gegen diese Gefahr<br />
nur die Überzeugungskraft und<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
entzieht ihm die Unmittelbarkeit, die seine Kraft ist|Xuf die Ganzheit des<br />
Zöglings wirkt nur die Ganzheit des Erziehers wahrhaft ein, seine ganze<br />
unwillkürliche Existenz Der-Erzieher braucht kein sittliches Genie zu sein, um<br />
Charaktere zu erziehen; aber er muß ein ganzer lebendiger Mensch sein, der<br />
sich seinen Mitmenschen unmittelbar mitteilt: seine Lebendigkeit strahlt auf<br />
sie aus und beeinflußt sie gerade dann am stärksten und reinsten, wenn er gar<br />
nicht daran denkt, sie beeinflussen zu wollen. Das griechische Wort Charakter<br />
bedeutet Ein-prägung. Die besondere Verbindung zwischen Sein und<br />
Erscheinen des Menschen, der besondere Zusammenhang zwischen seiner<br />
Wesenseinheit und der Folge<br />
dazu auch Pestalozzis Stanser Brief und dessen Interpretation durch W. Klafki,<br />
Weinheim 1959 Entscheidung angewiesen ist, kommt es darauf an, die<br />
geltende Wertordnung in der erzieherischen Begegnung dadurch zum Tragen<br />
zu bringen, daß man sie überzeugend und verantwortungsbewußt vorlebt. Wir<br />
haben gesehen, wie in der frühen Kindheit die Autorität der Eltern für absolut<br />
gehalten wird und in der Folgezeit die Autorität der Eltern und<br />
autoritativ und durch einzelne Verhaltensweisen, die Person ist dabei<br />
gleichsam nur als Vollzieher mitgegeben. Das Vorbild repräsentiert dagegen<br />
" 4 die Gesamtperson als solche, macht deutlich, wie Haltung und Tat konkret und<br />
in ganzer Lebensfülle vom Kern der Persönlichkeit ausgehen und geformt<br />
werden Während das Beispiel sich auf ein bestimmtes Tun oder Verhalten<br />
bezieht, zielt das Vorbild auf das innerste Sein der vorbildlichen Gestalt, auf<br />
1) ebd. S. 55.<br />
die Seinsgüte der<br />
2) Wehle,Gerhard: Die Bedeutung des Vorbildes in der Erziehung der Gegenwart. In: Der expliziten Sinne möglich, denn alle früheren Formen werden wir stärker den<br />
katholische Erzieher. 16 (1963). Heft 5. S. 230-243. hier: S. 238.<br />
Bereichen des Nachmachens, Nachahmens und Nacheiferns, die übrigens auch<br />
3) ebd. S. 231.<br />
weiterhin bedeutsam bleiben, zurechnen müssen. Diese Vorbilder stellen für<br />
den Zögling die personale Verwirklichung sittlicher Werte und damit<br />
4) ebd. S. 239.<br />
Richtpunkte für sein führungsbedürftiges und ratsuchendes Gewissen dar. In<br />
1) Stachel,Günter/Mieth, Dietmar: Ethisch handeln lernen. S. 86.<br />
diese Bilder gemeisterten Lebens kommt nun ein starker dynamischer Zug<br />
nämlich die Vergegenwärtigung des Ringens um persönliche Vollendung und<br />
164 Buber, Martin: Reden über Erziehung, 1962, S. 65<br />
166 Wehle, Gerhard: Die Bedeutung des Vorbildes in der ..., 1963, S. 237<br />
166 Wehle, Gerhard: Die Bedeutung des Vorbildes in der ..., 1963, S. 230<br />
166 Wehle, Gerhard: Die Bedeutung des Vorbildes in der ..., 1963, S. 238<br />
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41% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 25<br />
3) Kant weist auf den Zusammenhang von Instinktreduktion und<br />
vernunftgeleitetem Handeln hin in seiner Schrift " Idee zu einer allgemeinen<br />
Geschichte in weltbürgerlicher Sicht": Die Natur hat dem Menschen "Vernunft<br />
und darauf sich gründende Freiheit des Willens" gegeben. Der Mensch soll "<br />
nicht durch Instinkt geleitet" werden, sondern alles aus sich selbst<br />
herausbringen" (vgl. Bd. VIII der Akademieausgabe. Berlin 1912. S.19). Nach<br />
Gehlen hat die philosophische Anthropologie seit Herders Gedanken keinen<br />
Schritt vorwärts gemacht. Er greift Herdersche Gedanken auf in seinem Buch:<br />
Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. Frankfurt 10 1974.<br />
vgl. speziell die Seiten 73-85.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
diese Einsicht in einer dem geringeren Fachwissen seiner Zeit entsprechenden<br />
Vagheit doch im wesentlichen entschieden erfaßt hat. Aber auch Kant hatte<br />
1784 in der kleinen Schrift " Idee zu einer allgemeinen Geschichte in<br />
weltbürgerlicher Absicht" eine ähnliche Intuition. Die Natur, sagt er dort, tut<br />
nichts überflüssig, und indem sie dem Menschen Vernunft und "Freiheit des<br />
Willens" gab, verweigerte sie<br />
dem Menschen Vernunft und Freiheit des Willens gab, sollte er "nicht durch<br />
Instinkt geleitet, oder durch anerschaffene Kenntnis versorgt und unterrichtet<br />
sein,- er sollte vielmehr alles aus sich selbst herausbringen". Vgl. Bd. VIII der<br />
Akademie-Ausgabe, Berlin 1912, S. 19. Pestalozzi betrachtet den Menschen in<br />
dreifacher Hinsicht: als Werk der Natur, als Werk der Gesellschaft und als Werk<br />
seiner selbst. Seine Natur<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
365<br />
167 Gehlen, Arnold: 2. Ablehnung des Stufenschemas (Aus..., 1962, S. 34<br />
9 Brezinka, Wolfgang: ERZIEHUNG ALS LEBENSHILFE, 8. Aufl., 1971, S. 347<br />
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4% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 26<br />
1) Uexkülls bekanntestes Beispiel ist das Zeckenweibchen, das, auf der ......<br />
Spitze eines Astes sitzend, warmblütigen Tieren auflauert. Es hat lediglich drei<br />
Sinne: Lichtsinh, Geruchssinn und Temperatursinn. Mit Hilfe des Lichtsinnes<br />
findet es den Weg auf den Ast. Das blinde und taube Zeckenweibchen bemerkt<br />
die Annäherung eines Tieres am Geruch der Buttersäure, die alle Säugetiere<br />
ausströmen. Es läßt sich bei diesem Signal auf das Haarkleid des Tieres fallen<br />
und findet durch seinen Temperatursinn die wärmste Stelle des Hautgewebes,<br />
in die es sich einbohrt und sich voll Blut saugt. Nach dieser ersten und<br />
gleichzeitig letzten Mahlzeit läßt sich das Zeckenweibchen zu Boden fallen,<br />
legt seine Eier ab und stirbt, (vgl. dazu: Uexküll,Jakob von: a.a.O. S. 6f)<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
aller Säugetiere vorkommt. Hat die Zecke sich auf das Haarkleid fallen lassen,<br />
so zeigt die Empfindung der Wärme den Weg zur Haut, in die sie sich einbohrt<br />
und sich voll Blut saugt. Die Zecke ist augenlos, aber ihre lichtempfindliche<br />
Oberfläche genügt zur Orientierung in der Pflanzenwelt. In ähnlicher Weise<br />
werden die Umwelten der Muscheln, Seesterne, Seeigel, Seerosen,<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
366<br />
12 Buythendijk, Frederik J. J.: Mensch und Tier. Ein Beitrag zur ve..., 1958, S. 39<br />
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4% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 29<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) Damit verwendet er ein Wort, " das wohl den Begriff 'Vernunft' mitumfaßt, das "Leben" ist. Schon die Griechen behaupteten ein solches Prinzip und<br />
aber neben dem Ideendenken auch eine bestimmte Art der 'Anschauung' ... nannten es "Vernunft 1 ". Wir wollen lieber ein umfassenderes Wort für jenes X<br />
ferner eine bestimmte Klasse volitiver und emotionaler Akte wie Güte, Liebe, gebrauchen, ein Wort, das wohl den Begriff "Vernunft" mitumfaßt, aber neben<br />
Reue, Ehrfurcht, geistige Verwunderung, Seligkeit und Verzweiflung, die freie dem "Ideendenken" auch eine bestimmte Art der "Anschauung", die von<br />
Entscheidung mitumfaßt" ( Scheler, Max: Die Stellung des Menschen im Urphänomenen oder Wesensgehalten, ferner eine bestimmte Klasse volitiver<br />
Kosmos. Bern 8 1975. S.38).<br />
und emotionaler Akte wie Güte, Liebe, Reue, Ehrfurcht, geistige Verwunderung,<br />
Seligkeit und Verzweiflung, die freie Entscheidung mitumfaßt : das Wort "<br />
Geist". Das Aktzentrum aber, in dem Geist innerhalb endlicher Seinssphären<br />
erscheint, bezeichnen wir als "Person", in scharfem Unterschied<br />
Jacques: Emil oder Über die Erziehung, übers, v. H. Denhardt, Leipzig (<br />
Reclamjun.) 1910 (zwei Bände). Schaller, Klaus: Die Krise der humanistischen<br />
Pädagogik und der kirchliche Unterricht, Heidelberg 1961. Schein, Max: Die<br />
Stellung des Menschen im Kosmos, München 1949 (erstmals 1927). Schelsky,<br />
Helmut: Anpassung oder Widerstand? Soziologische Bedenken zur<br />
Schulreform, Heidelberg 19612. - - : Die skeptische Generation. Eine<br />
Soziologie der deutschen lugend, Düsseldorf-Köln 1957. 325 Scheuerl, Hans:<br />
Die<br />
168 Scheler, Max: DIE STELLUNG DES MENSCHEN IM KOSMOS..., 1975, S. 37<br />
169 Bartels, Klaus: Die Pädagogik Herman Nohls in ihrem..., 1968, S. 324<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
367<br />
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4% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 31<br />
3) Karl Rahner bezeichnet die Momente des "Sich-zu-sich-selber-verhalten-<br />
Könnens" und des "Mit-sich-selber-zu-tun-Habens des Menschen als " eine<br />
Wirklichkeit, die die Subjekthaftigkeit des Menschen im Unterschied zur<br />
Sachhaftigkeit eben dieses Menschen ausmacht" (Grundkurs des Glaubens.<br />
Freiburg 1976. S.41.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sich-selber-zu-tun-Haben des Menschen ist einerseits kein Moment an ihm<br />
neben anderen Elementen und kann es nicht sein, ist aber darum dennoch eine<br />
Wirklichkeit, die die Subjekthaftigkeit des Menschen im Unterschied zur<br />
Sachhaftigkeit eben dieses Menschen - die es auch gibt - ausmacht. Personsein<br />
bedeutet so Selbstbesitz eines Subjekts als solchen in einem wissenden und<br />
freien Bezogensein auf das Ganze. Diese Bezogenheit ist<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
368<br />
170 Rahner, Karl: GRUNDKURS DES GLAUBENS, 6. Aufl. (R..., 1976, S. 40<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 32<br />
3) Heidegger weist darauf hin, daß der Terminus 'Existenz' nicht<br />
gleichzusetzen ist mit der ontologischen Bedeutung des überlieferten Begriffes<br />
'existentia', der soviel bedeutet wie Vorhandensein. Vorhandensein ist nach<br />
Heidegger eine Seinsart, die dem Seienden vom Charakter des Daseins<br />
wesensmäßig nicht zukommt. Daher benutzt er zur Klarstellung für den Titel '<br />
existentia' nur den Begriff Vorhandensein.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Seienden die Bezeichnung Existenz wählen, dieser Titel nicht die ontologische<br />
Bedeutung des überlieferten Terminus existentia hat und haben kann;<br />
existentia besagt ontologisch soviel wie Vorhandensein, eine Seinsart, die dem<br />
Seienden vom Charakter des Daseins wesensmäßig nicht zukommt. Eine<br />
Verwirrung wird dadurch vermieden, daß wir für den Titel existentia immer den<br />
interpretierenden Ausdruck Vorhandenheit gebrauchen und Existenz als<br />
Seinsbestimmung allein dem Dasein zuweisen. Z25-32 2.<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
369<br />
22 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (Auszüge), 1976, S. 61<br />
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6% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 33<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
4) " Im Sichrichten auf ... und Erfassen geht das Dasein nicht etwa erst aus Der Ausdruck "bin" hängt zusammen mit "bei"; "ich bin" besagt wiederum: ich<br />
seiner Intimsphäre hinaus, in die es zunächst verkapselt ist, sondern es ist wohne, halte mich auf bei ... der Welt, als dem so und so Vertrauten. 62 Z12-<br />
seiner primären Seinsart nach immer schon 'draußen', bei einem begegnenden 16 Im Sichrichten auf ... und Erfassen geht das Dasein nicht etwa erst aus<br />
Seienden der je schon entdeckten Welt" ( ebd. S. 62.<br />
seiner Innensphäre hinaus, in die es zunächst verkapselt ist, sondern es ist<br />
seiner primären Seinsart nach immer schon "draußen" bei einem begegnenden<br />
Seienden der je schon entdeckten Welt. 64 Z23-25 " Welt" ist ontologisch keine<br />
Bestimmung des Seienden, das wesenhaft das Dasein nicht ist, sondern ein<br />
Charakter des Daseins selbst. Z12 Wird so "Welt" nicht etwas "Subjektives"?<br />
Z14-16<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
370<br />
22 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (Auszüge), 1976, S. 63<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 33<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
5) " Welt (ist) ontologisch keine Bestimmung des Seienden, das wesenhaft das in die es zunächst verkapselt ist, sondern es ist seiner primären Seinsart nach<br />
Dasein nicht ist, sondern ein Charakter des Daseins selbst" ( ebd. S. 64). immer schon "draußen" bei einem begegnenden Seienden der je schon<br />
entdeckten Welt. 64 Z23-25 " Welt" ist ontologisch keine Bestimmung des<br />
Seienden, das wesenhaft das Dasein nicht ist, sondern ein Charakter des<br />
Daseins selbst. Z12 Wird so "Welt" nicht etwas "Subjektives"? Z14-16 Und<br />
wenn die Frage nach der "Welt" gestellt wird, welche Welt ist gemeint? Weder<br />
diese noch jene, sondern die<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
371<br />
22 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (Auszüge), 1976, S. 64<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 34<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Wenn die Frage nach der 'Welt' gestellt wird, welche Welt ist gemeint? ist ontologisch keine Bestimmung des Seienden, das wesenhaft das Dasein<br />
Weder diese noch jene, sondern die Weltlichkeit von Welt überhaupt" ( ebd. S. nicht ist, sondern ein Charakter des Daseins selbst. Z12 Wird so "Welt" nicht<br />
64).<br />
etwas "Subjektives"? Z14-16 Und wenn die Frage nach der "Welt" gestellt wird,<br />
welche Welt ist gemeint? Weder diese noch jene, sondern die Weltlichkeit von<br />
Welt überhaupt. 65 Z6 [...] "<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
372<br />
22 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (Auszüge), 1976, S. 64<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 34<br />
4) "Das Selbst des alltäglichen Daseins ist das Man-selbst, das wir von dem<br />
eigentlichen, das heißt eigens ergriffenen Selbst unterscheiden" (Heidegger,<br />
Martin: a.a.O. S. 129.)<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
der Gemeinschaft ist; sondern umgekehrt, wo aus dem eigenständigen Fürsichsein<br />
ein Mitteinander-wirken aus einsichtiger Selbstentscheidung erwächst.<br />
Daraus ergibt sich folgerichtig die Sicht auf das "Man-selbst, das wir von dem<br />
eigentlichen, d. h. eigens ergriffenen Selbst unterscheiden"77. Im Mitsein mit<br />
anderen geht nach Heidegger das Dasein zunächst auf in der besorgten Welt und<br />
ist so "zugleich im Mitsein<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
373<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954, S. 234<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 35<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) Der Mensch " besteht aus einer Reihe von Unspezialisiertheiten, die unter Haut der Warmblüter für die Parasiten, und so in unzähligen, je besonderen<br />
entwicklungsbiologischem Gesichtspunkt als Primitivismen erscheinen: sein Fällen. Der Mensch dagegen hat, morphologisch gesehen, so gut wie keine<br />
Gebiß z.B. hat eine primitive Lückenlosigkeit und eine Unbestimmtheit der Spezialisierungen. Er besteht aus einer Reihe von Unspezialisiertheiten, die<br />
Struktur, die es weder zu einem Pflanzenfresser noch zu einem<br />
unter entwicklungsbiologischem Gesichtspunkt als Primitivismen erscheinen:<br />
Fleischfressergebiß, d.h. Raubtiergebiß machen. Gegenüber den Großaffen, die sein Gebiß z. B. hat eine primitive Lückenlosigkeit und eine Unbestimmtheit<br />
hochspezialisierte Baumtiere mit unterentwickelten Armen für Hangelkletterei der Struktur, die es weder zu einem Pflanzenfresser- noch zu einem<br />
sind, die Kletterfuß, Haarkleid und gewaltigen Eckzahn haben, ist der Mensch Fleischfressergebiß, d. h. Raubtiergebiß machen. Gegenüber den Großaffen,<br />
als Naturwesen hoffnungslos unangepaßt" (ebd.S 34).<br />
die hochspezialisierte Baumtiere mit überentwickelten Armen für<br />
Hangelkletterei sind, die Kletterfuß, Haarkleid und gewaltigen Eckzahn haben,<br />
ist der Mensch als Naturwesen gesehen hoffnungslos unangepaßt. Er ist von<br />
einer einzigartigen, im ersten Teil näher zu durchforschenden biologischen<br />
Mittellosigkeit, und er vergütet diesen Mangel allein durch seine<br />
Arbeitsfähigkeit<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
374<br />
10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 34<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 36<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Der Grundgedanke ist der, daß die sämtlichen 'Mängel' der menschlichen Leistungen, welchem Nachweis der ganze zweite und dritte Teil dieser Schrift<br />
Konstitution, welche unter natürlichen, sozusagen tierischen Bedingungen eine gewidmet ist. Wir beginnen hier schon, die vielfältigen Zusammenhänge, die<br />
höchste Belastung seiner Lebensfähigkeit darstellen, vom Menschen selbsttätig sich daran knüpfen, auseinanderzusetzen. Der Grundgedanke ist der, daß die<br />
und handelnd gerade zu Mitteln seiner Existenz gemacht werden, worin die sämtlichen "Mängel" der menschlichen Konstitution, welche unter natürlichen,<br />
Bestimmung des Menschen zur Handlung und seine unvergleichliche<br />
sozusagen tierischen Bedingungen eine höchste Belastung seiner<br />
Sonderstellung zuletzt beruhen" ( ebd. S. 37).<br />
Lebensfähigkeit darstellen, vom Menschen selbsttätig und handelnd gerade zu<br />
Mitteln seiner Existenz gemacht werden, worin die Bestimmung des Menschen<br />
zur Handlung und seine unvergleichliche Sonderstellung zuletzt beruhen. Die<br />
Akte, in denen der Mensch die Aufgabe, sein Leben möglich zu machen,<br />
durchsetzt, sind daher immer von zwei Seiten zu sehen: es sind produktive<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
375<br />
10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 37<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 36<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " Kultur soll uns sein: der Inbegriff der vom Menschen tätig bewältigten, hat Jagdtechniken, Waffen, Feuer, Geräte. Ebenso treten wir der bekannten<br />
veränderten und verwerteten Naturbedingungen, einschließlich der bedingteren, Unterscheidung von Kultur und Zivilisation nicht bei, die außerdem in den<br />
entlasteten Fertigkeiten und Künste, die auf jener Basis erst möglich werden" ( wenigsten Kultursprachen formulierbar wäre. Kultur soll uns sein: der<br />
ebd. S. 39).<br />
Inbegriff der vom Menschen tätig, arbeitend bewältigten, veränderten und<br />
verwerteten Naturbedingungen, einschließlich der bedingteren, entlasteten<br />
Fertigkeiten und Künste, die auf jener Basis erst möglich werden. Steht dies<br />
fest, so seh"n wir hier eine der wichtigsten Seiten des erwähnten Prinzips: die "<br />
Weltoffenheit", die untierische Ausgesetztheit gegenüber einer organisch gar<br />
nicht<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
376<br />
10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 39<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 37<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Zerschlägt man die Institutionen eines Volkes, dann wird die ganze Institutionen wirken wie Stützpfeiler und wie Außenhalte, deren<br />
elementare Unsicherheit, die Ausartungsbereitschaft und Chaotik im Menschen Veränderlichkeit zwar die gesamte menschliche Geschichte und<br />
freigesetzt" ( Gehlen, Arnold: Anthropologische Forschung. Frankfurt '1972. S. Kulturgeschichte zeigt. Aber von größter Wichtigkeit ist da ein<br />
24).<br />
Allmählichkeitspostulat. Zerschlägt man die Institutionen eines Volkes, dann<br />
wird die ganze elementare Unsicherheit, die Ausartungsbereitschaft und<br />
Chaotik im Menschen freigesetzt. Wir alle haben das mehrfach beobachtet, und<br />
auch die verdeckte, aber nicht weniger unheimliche Analogie zu den<br />
Verfallserscheinungen der Naturvölker, wenn die europäische Zivilisation mit<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
377<br />
24 Gehlen, Arnold: Anthropologische Forschung, 1977, S. 23<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 37<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) " In ihr vollendet sich die Richtung auf Entlastung vom Druck des Hier und aus der der anderen zu handeln. Zusammenfassend: die Sprache führt und<br />
Jetzt, von der Reaktion auf das zufällig Vorhandene. In ihr gipfeln die<br />
schließt die gesamte Aufbauordnung des menschlichen Sinnes- und<br />
Erfahrungsprozesse der Kommunikation, wird die Weltoffenheit zureichend und Bewegungslebens in deren unvergleichbarer Sonderstruktur zusammen. In ihr<br />
produktiv bewältigt und eine Unendlichkeit von Handlungsentwürfen und vollendet sich die Richtung auf Entlastung vom Druck des Hier und Jetzt, von<br />
Plänen möglich" ( ebd. S. 20.).<br />
der Reaktion auf das zufällig Vorhandene. In ihr gipfeln die<br />
Erfahrungsprozesse der Kommunikation, wird die Weltoffenheit zureichend und<br />
produktiv bewältigt und eine Unendlichkeit von Handlungsentwürfen und<br />
Plänen möglich. In ihr schließt sich alle Verständigung zwischen Menschen in<br />
der Gleichrichtung auf gemeinsame Tätigkeit, gemeinsame Welt und<br />
gemeinsame Zukunft. 6. Handlung und Antriebe Die Befreiung, zur<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
378<br />
10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 50<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 37<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
4) " Die bloß ausbrechenden zufälligen Triebhandlungen im 'Jetzt' müssen sind. Einsichtig hängen hiermit zwei BesonderheiterTcIeTmenschTichen<br />
grundsätzlich gehemmt werden können, wenn Dauerinteressen<br />
Antriebslebens zusammen: die Hemmbarkeit und die Verschiebbarkeit der<br />
lebensnotwendig sind" ( ebd. S. 52).<br />
Bedürfnisse und Interessen. Beide sind wieder nur möglich bei Bewußtheit<br />
derselben. Die bloß ausbrechenden zufälligen Triebhandlungen im "Jetzt"<br />
müssen grundsätzlich gehemmt werden können, wenn Dauerinteressen<br />
lebensnotwendig sind: sie wachsen nur auf den unterdrückten<br />
Jetztbewältigungen. Ohne die Hemmung des beim Kinde ja lebhaften<br />
punktuellen Zerstörungstriebes gäbe es z. B. nie ein sachliches<br />
Eigenschaftsinteresse an den<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
379<br />
10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 52<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 38<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Der 'Handlungskreis', d.h. die Zusammenarbeit der Handlung, der<br />
wollen zunächst aber die erwähnte Unabhängigkeit der Handlungen von den<br />
Wahrnehmung, des Denkens usw. ... ( kann) seine Motive und Ziele aus sich Antrieben oder die Fähigkeit, beide "auszuhängen" und den Hiatus freizulegen,<br />
selbst entwickeln" ( ebd. S. 54).<br />
noch nach mehreren Seiten verdeutlichen. Der "Handlungskreis", d. h. die<br />
Zusammenarbeit der Handlung, der Wahrnehmung, des Denkens usw. an einem<br />
zu verändernden Sachverhalt kann, da entlastet, weitgehend auf sich selbst<br />
gestellt werden und seine Motive und Ziele aus sich selbst entwickeln. Er ist<br />
genötigt, dem Gesetz und dem Antwortverhalten der Tatsachen zu folgen, sich<br />
darauf einzulassen, ihnen nachzugehen und sie auszubauen. Diese Sachlichkeit<br />
des Verhaltens innerhalb<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
380<br />
10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine S..., 1974, S. 54<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 41<br />
1) Nach Theodor Litt liegt in Nohls Theorie vom pädagogischen ...... erfüllt.<br />
Dabei werde leicht vergessen, daß sich Erziehung nicht im luftleeren Raum<br />
abspiele. Jeder pädagogische Bezug sei nur denkbar und realisierbar in einer<br />
konkreten geschichtlichen Situation, sei determiniert von gesellschaftlichen,<br />
ökonomischen und kulturellen Bedingungen. Wolfgang Klafki hat in seiner<br />
Stellungnahme gleichzeitig eine Weiterführung des Nohlschen Konzeptes<br />
vorgelegt: Im Rahmen der von ihm intendierten Erziehung zur Verantwortung<br />
ist der pädagogische Bezug ein für bestimmte Altersstufen geeignetes Medium<br />
der Erziehung, das aber ergänzt werden muß durch andere Formen der<br />
Begegnung des jungen Menschen mit der Welt ( vgl. dazu: Bartels,Klaus: Die<br />
Pädagogik Herman Nohls. Weinheim 1968. S. 196). Wolfgang Brezinka<br />
kritisiert in seinem Buch "Erziehung als Lebenshilfe" zwar die Theorie Nohls.<br />
Doch bezieht sich seine Kritik weniger auf den Inhalt als auf den Stellenwert.<br />
Denn bei Lektüre des genannten Buches von Brezinka stellt man fest, daß auch<br />
er das Vertrauen des Zöglings zum Erzieher als unersetzliche Voraussetzung<br />
für eine erfolgreiche Erziehung ansieht (vgl.: Brezinka,Wolfgang: Erziehung<br />
als Lebenshilfe, besonders: S. 250f).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Spannungszusammenhang" verstanden wird, wird ersichdich, daß er nicht das<br />
einzige - für alle Altersstufen hinreichende - Medium der Erziehung (zur<br />
Verantwortung) sein kann, sondern daß er polar ergänzt werden muß durch<br />
andere Formen der Begegnung des jungen.Menschen mit der Welt. In der<br />
Forderung Klafkis, daß die derart erworbenen Erfahrungen des<br />
Heranwachsenden dann im pädagogischen Bezug strenger Reflexion zu<br />
unterziehen seien, und daß es die Aufgabe<br />
169 Bartels, Klaus: Die Pädagogik Herman Nohls in ihrem..., 1968, S. 194<br />
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Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
381<br />
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7% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 42<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) In Wilhelm Flitners "Allgemeine(r) Pädagogik" nimmt der pädagogische weist W. Himer auf die Bedeutung des pädagogischen Bezuges als einer<br />
Bezug die erste Stelle im Gefüge der pädagogischen Kategorien ein. Im grundlegenden Kategorie der Erziehungswissenschaft hin. In dem "Gefüge der<br />
Bereich der soziologischen Pädagogik hat M. Keilhacker das Verhältnis von pädagogischen Kategorien", das er selbst entwirft, nimmt der pädagogische<br />
Mutter und Kind als die Urform der Erziehung bezeichnet. Hier werde "die Bezug die erste Stelle ein.986) "Wir unterscheiden nicht nur den Erzieher und<br />
intensivste Verdichtung menschlicher Erziehung" angelegt (Bartels, Klaus: a.a. den Zögling als den Handelnden und das Objekt seiner Tätigkeit, sondern<br />
O. S. 189.). Vom medizinisch-anthropologischen Standpunkt haben vor allem gehen davon aus, daß beide in<br />
Ren Spitz (vgl. ders.: Vom Säugling zum Kleinkind. Stuttgart 1967) und A.<br />
Auf der Grenze zwischen Allgemeiner Pädagogik und Pädagogischer<br />
Nitschke (vgl. ders.: Angst und Vertrauen. In: Sammlung. 7 (1952) S. 175-180)<br />
Soziologie liegt die schon erwähnte Arbeit des Psychologen und Pädagogen M.<br />
darauf hingewiesen, daß der Zugang zur Welt, zu den Menschen und Dingen<br />
abhängig sei von der Liebe und dem Vertrauen des Kindes zu einer festen<br />
Bezugsperson. In der modernen Begabungstheorie spielt das persönliche<br />
pädagogische Verhältnis im Prozeß des Begabens eine besondere Rolle (vgl.<br />
dazu: Roth,Heinrich: Pädagogische Psychologie des Lehrens und Lernens.<br />
Hannover 14 1973 und ders.: Jugend und Schule zwischen Reform und<br />
Restauration. Hannover 2 1965).<br />
Keilhacker über die wichtigsten "Erziehungsformen", innerhalb derer " das<br />
Verhältnis von Mutter und Kind als Urform der Erziehung" eine zentrale<br />
Stellung einnimmt. Keilhacker geht davon aus, daß es bestimmte "<br />
Verdichtungszentren der Erziehung gibt, die das besondere Interesse der<br />
Erziehungswissenschaft verdienen."<br />
das Säuglings- und Kleinkindesalter diese "liebende Bindung" und das in ihr<br />
erwachsende Vertrauen des Kindes die unerläßliche Bedingung dafür sind, daß<br />
das Kind überhaupt "den Zugang zur Welt, zu den Menschen und zu den<br />
Dingen" findet. 996) d) in der Sozialpädagogik Die von Nohl, Hertmann, Bondy,<br />
Dehn, Francke u.a. vertretene Auffassung, daß der pädagogische Bezug in der<br />
Sozialpädagogik erhöhte Bedeutung<br />
169 Bartels, Klaus: Die Pädagogik Herman Nohls in ihrem..., 1968, S. 187<br />
169 Bartels, Klaus: Die Pädagogik Herman Nohls in ihrem..., 1968, S. 188<br />
171 Heid, Helmut: Pädagogische Konsequenzen sozialkul..., 1967, S.<br />
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11% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 44<br />
1) Ein so verstandener Erziehungsbegriff ist aus der Bindung an das<br />
Generationenverhältnis lösbar und auf Lernhilfen allgemein anwendbar. In<br />
modernen, hochtechnisierten Gesellschaften wird der für traditionsgeleitete<br />
Gesellschaften konstitutive Lernvorsprung der älteren gegenüber der jungen<br />
Generation relativiert aufgrund des raschen Wandels kultureller<br />
Lebensbedingungen und -formen. Damit werden Hilfen bei der<br />
Auseinandersetzung mit Kultur auch für Erwachsene immer wichtiger.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
sogenannten Erwachsenen gegeben werden müssen, weil dort der permanente,<br />
rasche Wandel J) der kulturellen Lebensbedingungen und -formen das Lernen<br />
zu einer lebenslang- J liehen Daueraufgabe macht und der für<br />
traditionsgeleitete Gesellschaften konstitutive Lernvorsprung der älteren<br />
gegenüber der jüngeren Generation relativiert / wird wie das<br />
Generationsverhältnis selbst'. _J In dieser Begriffsbestimmung erscheint die<br />
Erziehung als eine soziale Funktion des Lernens der Kultur, die unter einer<br />
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12.01.2014<br />
383<br />
27 Weber, Erich: Der Erziehungs- und Bildungsbegriff..., 1972, S. 125<br />
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5% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 47<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) In diesem Zusammenhang sei kurz hingewiesen auf die Rollentheorie von aber nur dann gewährleistet ist, wenn sich jeder einzelne so verhält, daß sein<br />
Parsons: Er fragt danach, wie menschliches Verhalten zu sozialem Verhalten Verhalten für jeden anderen berechenbar ist, kann die Frage dahingehend<br />
wird, d.h. wie erreicht werden kann, daß das Verhalten aller Individuen einer präzisiert werden, wie menschliches Verhalten zu sozialem Verhalten wird, d.h.<br />
Gesellschaft mehr oder weniger gleichförmig ausgestaltet ist. Parsons nimmt so geformt wird, daß es bei allen Individuen in einer gegebenen Kultur oder<br />
nun ein allgemeines Handlungssystem an, das vier Subsysteme enthält: das Gesellschaft mehr oder weniger gleichförmig ausgestaltet ist. Zum näheren<br />
personale, das soziale, das kulturelle und die Organismussysteme. Soll soziales Verständnis seiner theoretischen Konstruktion müssen zunächst die beiden<br />
Handeln stabil bleiben, so müssen diese vier Subsysteme und damit auch das zentralen Begriffe der Parsonsschen Soziologie geklärt werden: System und<br />
gesamte Handlungssystem gesichert sein. Dazu müssen vier Bedingungen Rolle. 3.2. Schlüsselbegriffe der Parsonsschen Soziologie 3.2.1. Der<br />
erfüllt werden: "1. Es muß eine Zuordnung von Gütern, Personal,<br />
wir das Organismussystem im folgenden vernachlässigen. Damit soziales<br />
Möglichkeiten und Macht vorgenommen worden sein. 2. Diese Zuordnungen<br />
Handeln sichergestellt ist, d.h., damit das allgemeine Handlungssystem stabil<br />
müssen,durch ein von allen anerkanntes Wertsystem legitimiert sein. 3. Die<br />
bleibt, müssen nach Parsons die folgenden Bedingungen gegeben sein: 1. Es<br />
aufgestellten Normen müssen durch ein System sozialer Kontrolle<br />
muß eine Zuordnung von Gütern, Personal, Möglichkeiten und Macht<br />
durchgesetzt werden. 4. Jene Mitglieder eines sozialen Systems, die die Normen<br />
vorgenommen worden sein. 2. Diese Zuordnungen müssen durch ein von allen<br />
(Erwartungen,Rollen) noch nicht gelernt haben, also die Kinder, müssen durch<br />
anerkanntes Wertsystem legitimiert sein. 3. Die aufgestellten Normen müssen<br />
Sozialisation die Normen lernen, d.h. die normativen Erwartungen, die in<br />
durch ein System sozialer Kontrolle durchgesetzt werden. I 4. Jene Mitglieder<br />
Rollen eingehen, verinnerlichen" ( Helbig,Ludwig: Sozialisation. Frankfurt,<br />
eines sozialen Systems, die die Normen (Erwartungen, Rollen) noch nicht<br />
Berlin,München 1979. S. 40/41.).<br />
gelernt haben, also die Kinder, müssen durch) Sozialisation die Normen lernen,<br />
d.h., die normativen Erwartungen, die in Rollen eingehen, verinnerlichen. Was<br />
Parsons mit den ersten drei Bedingungen meint, erläutert Fend an einem<br />
fiktiven Beispiel: Angenommen, es treffen sich auf einer Insel einige Männer,<br />
um Gold<br />
69 Helbig, Ludwig: Sozialisation Eine Einführung, 1979, S. 35<br />
69 Helbig, Ludwig: Sozialisation Eine Einführung, 1979, S. 39<br />
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7% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 56<br />
4) Stelzenberger weist auf einen interessanten sprachlichen Zusammenhang hin:<br />
der Terminus "syneidesis" ist wie die lateinische Übersetzung "conscientia"<br />
und die deutsche Lehnübersetzung "Gewissen" ein Kompositum. Syn bedeutet<br />
ebenso wie das lateinische cum ( bzw. con) und das deutsche Ge soviel wie "mit"<br />
. Von daher sei die Grundbedeutung von syn-eidesis, con-scientia und Gewissen<br />
also "Mit-wissen" (ders.: Handbuch der Moraltheologie. Paderborn 1953.<br />
S.91. Diese Gleichsetzung hält Huijts für etymologisch nicht haltbar: Wohl sei<br />
bekannt, daß die Präpositionen syn, con und ge in vielen Zusammenhängen "<br />
zusammen mit" bedeuten. Es könne aber etymologisch nicht festgestellt werden,<br />
ob der Mitwisser Gott, ......<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
im ersten vorchristlichen Jahrhundert auftauchende (wohl aus der stoischen<br />
Popularphilosophie stammende) terminus syneidesis ist ebenso wie dessen<br />
lateinische Übersetzung conscientia und die Verdeutschung Ge-wissen ein<br />
Kompositum. Syn bedeutet ebenso wie das lateinische cum und das deutsche<br />
ge soviel wie "mit". Die Grundbedeutung ist also "Mitwissen" (nicht von<br />
anderen Menschen oder von Gott!), d. i. geistiges Bewußtsein, einigendes<br />
Wissen oder Verstehen von Wahrnehmungen, Selbstbewußtsein. Bei Philon v.<br />
Al. (t nach 40 n.<br />
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172 Stelzenberger, Johannes: LEHRBUCH DER MORALTHEOLOGIE. Die Si..., 1953, S. 90<br />
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8% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 56<br />
4) Stelzenberger weist auf einen interessanten sprachlichen Zusammenhang hin:<br />
der ...... con) und das deutsche Ge soviel wie "mit". Von daher sei die<br />
Grundbedeutung von syn-eidesis, con-scientia und Ge-wissen also "Mit-wissen"<br />
(ders.: Handbuch der Moraltheologie. Paderborn 1953. S.91. Diese<br />
Gleichsetzung hält Huijts für etymologisch nicht haltbar: Wohl sei bekannt, daß<br />
die Präpositionen syn, con und ge in vielen Zusammenhängen "zusammen mit"<br />
bedeuten. Es könne aber etymologisch nicht festgestellt werden, ob der<br />
Mitwisser Gott, oder ein anderer Augenzeuge ist oder " ob ich selbst es bin" (<br />
Huijts,Joseph Hubertus: a.a.0. S.26/27).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
oder eine Verstärkung des verbum simplex bedeuten. Aber auch hier ist<br />
etymologisch nicht feststellbar, ob der Mitwisser Gott oder der andere als<br />
Augenzeuge ist, oder ob ich selbst es bin. Wenn man das dennoch versucht,<br />
sucht man in der Etymologie Beweise für bestimmte theoretische Einsichten,<br />
die dort nicht zu finden sind. So hat man auch<br />
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386<br />
43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969, S. 26<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 62<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) vgl. zum folgenden: Luhmann,Niklas: Das Phänomen des Gewissens und Problem lautet, 5280 Z1-4 Und entsprechend findet man den Sinn der<br />
die normative Selbstbestimmung der Persönlichkeit. In: Böckle,Franz/ Gewissensfreiheit dann nicht mehr darin, daß sie die Gewissensorientierung<br />
Böckenförde,Ernst-Wolfgang: Naturrecht in der Kritik. Mainz 1973. S. 223- ermöglicht, sondern darin, daß sie sie erspart. Luhmann, Niklas: Das<br />
243. Luhmann,Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen. In: Archiv des Phänomen des Gewissens und die normative Selbstbestimmung der<br />
öffentlichen Rechts. 90 (1965). S.257-286.<br />
Persönlichkeit. In: Böckle, Franz/Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Naturrecht in<br />
der Kritik. Mainz 1973 S223 Z10-12 Die klassische >Logologie< des<br />
Gewissens hatte vor allem theologische und moralphilosophische<br />
Bezugsinteressen. S223 Z24-25 [...] , deren Stellenwert in einem religiösen<br />
oder theologischen, moralischen oder moralphilosophischen<br />
Argumentationskontext [...] . S227 Z22-24 [...] das Werterepertoire einer<br />
normalen Persönlichkeit ist so groß, daß für normale Verhaltensweisen immer<br />
Rechtfertigungen<br />
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12.01.2014<br />
387<br />
173 verschiedene, verschiedene: Untersuchung Plagiat Schavan (2012), 1980, S. 0<br />
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18% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 63<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Ego erwartet ein Verhalten von Alter, über das dieser als alter Ego<br />
Erwartungen des anderen erwarten können, um seine Verhaltenswahlen<br />
entscheidet nach Maßgabe von Erwartungen, die er in Bezug auf Ego als sein verstehen und voraussehen zu können. Alle Interaktion wird deshalb durch<br />
Alter hegt; vielleicht auch nach Maßgabe von Erwartungen, von denen er reflexive Bewußtseinsperspektiven, durch Erwartung von Erwartungen<br />
erwartet, daß Ego sie als sein alter Ego in bezug auf ihn als Alter hegt" ( ebd. S. gesteuert. Ego erwartet ein Verhalten von Alter, über das dieser als alter Ego<br />
225) .<br />
entscheidet nach Maßgabe von Erwartungen, die er in bezug auf Ego als sein<br />
Alter hegt; vielleicht auch nach Maßgabe von Erwartungen, von denen er<br />
erwartet, daß Ego sie als sein alter Ego in bezug auf ihn als Alter hegt. In<br />
Interaktionen sieht sich deshalb jeder Partner notwendig in einer<br />
Doppelstellung als Ego und als Alter.8 Genetisch gesehen setzt die volle<br />
Ausbildung einer solchen Struktur<br />
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12.01.2014<br />
388<br />
48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973, S. 225<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 65<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) Luhmann wählt als Beispiele-wenn einem Gelehrten Plagiate nachgewiesen Versehen vermeiden; Takt der Mitmenschen hilft über ihre Folgen hinweg.<br />
werden, ein Offizier Angst zeigt, ein Ehegatte untreu wird" ( ebd. S.265). Schwerer wiegt es, wenn ein Handeln ganze Rollenbereiche diskreditiert und<br />
für die Persönlichkeit unzugänglich macht - wenn einem Gelehrten Plagiate<br />
nachgewiesen werden, ein Offizier Angst zeigt, ein Ehegatte untreu wird. Hier<br />
hilft zumeist nur ein sehr weitgehender Wechsel der Umwelt zu neuen<br />
Möglichkeiten der Selbstdarstellung. Nicht selten ist ein Rückzug in Würde-<br />
Asyle wie die<br />
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12.01.2014<br />
389<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 265<br />
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7% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 66<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) Luhmann bezeichnet es von daher als Illusion, vom Gewissen im Namen Berufung auf ihr Gewissen der armen Frau aus der Nachbarschaft das Brot zum<br />
natürlicher Sittlichkeit Widerstand gegen eine falsch laufende soziale<br />
halben Preis verkaufen. Deshalb ist es eine Illusion - vielleicht eine gern<br />
Maschinerie zu fordern. Deren Korrektur sei Sacheder Planung und des gepflegte Illusion -, vom Gewissen im Namen natürlicher Sittlichkeit<br />
überlegten Einbaus von Lernfähigkeit in soziale Systeme (vgl. ders.: Das Widerstand gegen eine falsch laufende soziale Maschinerie zu erwarten. Deren<br />
Phänomen des Gewissens... S. 233).<br />
Korrektur wäre eine Sache der Planung, vielleicht des überlegten Einbaus von<br />
Lernfähigkeiten in soziale Systeme. Eben weil die Anerkennung des<br />
individuellen Gewissens die<br />
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12.01.2014<br />
390<br />
48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973, S. 233<br />
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8% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 68<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Die als Differenzierung des sozialen Systems geforderte Rollentrennung obwohl es institutionelle Puffer, etwa die Arbeitslosenversicherung, gibt und<br />
findet in der Konkretheit des Menschen ihre Schranke, und deshalb ist der obwohl in der Theorie Eigentum nichts mit Liebe zu tun hat und Glaube nichts<br />
Mensch nicht in der Lage, aus bestimmten Rollen aufgrund von<br />
mit Sport. Die als Differenzierung des sozialen Systems geforderte<br />
Gewissensentscheidungen auszusteigen, ohne andere Rollenzusammenhänge Rollentrennung findet in der Konkretheit des Menschen ihre Schranke, und<br />
in unverantwortlicher Weise zu stören" ( ebd. S. 272.<br />
deshalb ist der Mensch auch nicht in der Lage, aus bestimmten Rollen auf<br />
Grund von Gewissensentscheidungen oder sonstigen persönlichen Idiosynkra- .<br />
sien einfach auszusteigen, ohne andere Rollenzusammenhänge in<br />
unverantwortlicher Weise zu stören. Wir finden hier in der sozialen<br />
Rollendifferenzierung das Korrelat zu dem Problem, mit dem wir unsere<br />
Untersuchung begannen: der Differenzierung der Weisen, zu bindenden<br />
Entscheidungen<br />
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12.01.2014<br />
391<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 272<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 69<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Sie werden der Gewissensprüfung keineswegs entzogen; denn das<br />
der Einverseelung formuliert haben. er nicht wählen kann, als "unpersönlich"<br />
Gewissen erfaßt alles Verhalten ohne Ausnahme. Aber sie drängen sich nicht darzustellen. Sie werden ihm dann nicht auf sein Wesen angerechnet,<br />
zum Gewissen vor, zumindest wird es sozial nicht zugemutet, das Gewissen mit verpflichten seine künftige Selbstdarstellung nicht. Sie werden der<br />
ihnen zu befassen" ( ebd. S. 275).<br />
Gewissensprüfung keineswegs entzogen; denn das Gewissen erfaßt alles<br />
Verhalten ohne Ausnahme. Aber sie drängen sich nicht zum Gewissen vor,<br />
zumindest wird es sozial nicht zugemutet, das Gewissen mit ihnen zu befassen.<br />
Unpersönlich ist einmal das technisch komplex vermittelte Wirken, das heute<br />
die Bühne des großen Wirkens beherrscht 28 ; sodann das formal organisierte<br />
Handeln in Beruf und Wirtschaft.<br />
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12.01.2014<br />
392<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965, S. 275<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 74<br />
1) Freuds Deutungen erfahren im Laufe seines langen Wirkens Veränderungen<br />
...... und damit der Entwicklung seines Werkes verzichtet. Vielmehr ziehen wir<br />
zur Beschäftigung mit seiner Theorie über das Gewissen seine späteren Thesen<br />
heran, an denen er bis zu seinem Lebensende festhielt und die er selbst als<br />
Ergebnis langjähriger praktischer Erfahrungen und darauf aufbauender<br />
Theoriebildung bezeichnete. Eine besondere Rolle spielen dabei seine 1920<br />
erschienene spekulative Schrift "Jenseits des Lustprinzips", in der er seine<br />
Triebtheorie neu fundiert und die drei Jahre später erschienene Schrift " Das Ich<br />
und das Es", in der er seine Ichpsychologie vollendet.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
diese Auffassung der psychischen Vorgänge ihren Anfang nimmt, ist der 1914<br />
erschienene Aufsatz "Zur Einführung des Narzißmus", ihre Vollendung aber<br />
erhält sie in der 1923 erschienenen Schrift " Das Ich und das Es". In späteren<br />
Schriften, vor allem in der 1933 erschienenen "Neuen Folge der Vorlesungen<br />
zur Einführung in die Psychoanalyse" erscheinen wesentliche Ergänzungen. Die<br />
"tonische Energie" (Breuer) Wenn<br />
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12.01.2014<br />
393<br />
58 Bally, Gustav: Die Psychologie Sigmund Freuds, 1959, S. 40<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 75<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) Katastrophale Folgen entstehen, wenn die Legierung der beiden Triebanteile wenigstens partiell zu hindern. Die Widersprüchlichkeit menschlichen<br />
zerfällt und die positive Kraft die negative nicht mehr binden kann. Dieser Verhaltens tritt im Erscheinungsbild der Haßliebe hervor. Das plötzliche<br />
Sachverhalt wird am Beispiel des Triebmörders deutlich: Die seelischen Umkippen von einem Gegensatz zum anderen ist da augenscheinlich.<br />
Komponenten fallen auseinander, Liebesgenuß und Mordimpuls treten Katastrophale Folgen entstehen, wenn die Legierung der beiden Triebanteile<br />
gleichermaßen, aber getrennt voneinander auf.<br />
zerfällt, wenn sie sich >entmischen< und die positive Kraft die negative nicht<br />
mehr zu >binden< vermag. Diesen Sachverhalt demonstriert der Triebmörder.<br />
Die seelisehen Komponenten fallen auseinander, so daß Liebesgenuß und<br />
Mordimpuls gleichermaßen, aber isoliert<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
394<br />
56 Stadter, Ernst: Psychoanalyse und Gewissen, 1970, S. 47<br />
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9% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 78<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) Freud übernimmt den Begriff "Es" von Georg Groddeck, der " wohl dem gesehen, Differenzierungen von ihm sind. Der Ausdruck "das Es" wird in Das<br />
Beispiel Nietzsches gefolgt (ist), bei dem dieser grammatikalische Ausdruck Ich und das Es (19*3) eingeführt. Freud übernimmt ihn von Georg Groddeck (<br />
für das Unpersönliche und sozusagen Naturnotwendige in unserem Wesen ß), der "... selbst wohl dem Beispiel Nietzsches gefolgt (ist), bei dem dieser<br />
durchaus gebrauchlich ist" (ebd. S. 251).<br />
grammatikalische Ausdruck für das Unpersönliche und sozusagen<br />
Naturnotwendige in unserem Wesen durchaus gebräuchlich ist" (ia). Freud ist<br />
von dem Ausdruck "das Es< gefesselt, weil er den von Grod-deck entwickelten<br />
Gedanken veranschaulicht, wonach "... das, was wir unser<br />
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12.01.2014<br />
395<br />
54 Laplanche, Jean: Das Vokabular der Psychoanalyse, 1...., 1973, S. 147<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 81<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Beim kleinen Kind kann es niemals etwas anderes sein, aber auch bei Zustand "schlechtes Gewissen", aber eigentlich verdient er diesenNamen nicht,<br />
vielen Erwachsenen ändert sich nicht mehr daran, als daß an Stelle des Vaters denn auf dieser Stufe ist das Schuldbewußtsein offenbar nur Angst vor dem<br />
oder beider Eltern die größere menschliche Gemeinschaft tritt. Darum<br />
Liebesverlust, "soziale" Angst. Beim kleinen Kind kann es niemals etwas<br />
gestatten sie sich regelmäßig, das Böse, das ihnen Annehmlichkeiten verspricht, anderes sein, aber auch bei vielen Erwachsenen ändert sich nicht mehr daran,<br />
auszuführen, wenn sie nur sicher sind, daß die Autorität nichts davon erfährt als daß an Stelle des Vaters oder beider Eltern die größere menschliche<br />
oder ihnen nichts anhaben kann, und ihre Angst gilt allein der Entdeckung. Mit Gemeinschaft tritt. Darum gestatten sie sich regelmäßig, das Böse, das ihnen<br />
diesem Zustand hat die Gesellschaft unserer Tage im allgemeinen zu rechnen" ( Annehmlichkeiten verspricht, auszuführen, wenn sie nur sicher sind, daß die<br />
ebd. S. 484).<br />
Autorität nichts davon erfährt oder ihnen nichts anhaben kann, und ihre Angst<br />
gilt allein der Entdeckung.1) Mit diesem Zustand hat die Gesellschaft unserer<br />
Tage im allgemeinen zu rechnen. Eine große Änderung tritt erst ein, wenn die<br />
Autorität durch die Aufrichtung eines Über-Ichs verinnerlicht wird. Damit<br />
werden die Gewissensphänomene auf eine neue Stufe<br />
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12.01.2014<br />
396<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schrift..., 1939, S.<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 82<br />
2) Neben der beschriebenen ontogenetisehen Gewissenstheorie gibt Freud auch<br />
eine phylogenetische Begründung des Gewissens, die allerdings nur<br />
historischen Wert hat. Dazu konstruiert er die Geschichte vom Mord am Vater<br />
der Urhorde: Der Vater soll ursprünglich den Besitz aller Frauen beansprucht<br />
haben. Aus Haß, der durch dauernden Triebverzicht immer wieder neu<br />
verstärkt wurde, töteten die Söhne den Vater. Diese Tat hatte nicht den<br />
unbewußt erwarteten Erfolg, weil keiner sich an die Stelle des Vaters setzen<br />
konnte. Freud meint nun, nach der Verwirklichung der Haßbestrebungen sei es<br />
zum Wiederauftauchen der unbefriedigten Zärt ......<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
beim Menschen. Aus einer Ära aktiver ethnologischer Forschung heraus, die<br />
mit den Namen frazer, levy-brühl, fro BENIUS, BAcHOFEN und anderen<br />
verbunden ist, konstruierte FREUD die Geschichte vom Mord am Vater der<br />
Urhorde. Ursprünglich soll der Vater den Besitz aller Frauen beansprucht haben<br />
. Die Söhne schritten aus ihrem vom Triebverzicht gespeisten Haß zum<br />
Vatermord. Doch hatte diese Tat<br />
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12.01.2014<br />
397<br />
66 Frankl, Viktor E.: Das Gewissen in der Neurose. In: Fr..., 1959, S. 41<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 82<br />
2) Neben der beschriebenen ontogenetisehen Gewissenstheorie gibt Freud auch<br />
eine phylogenetische Begründung des Gewissens, die allerdings nur<br />
historischen Wert hat. Dazu konstruiert er die Geschichte vom Mord am Vater<br />
der Urhorde: Der Vater soll ursprünglich den Besitz aller Frauen beansprucht<br />
haben. Aus Haß, der durch dauernden Triebverzicht immer wieder neu<br />
verstärkt wurde, töteten die Söhne den Vater. Diese Tat hatte nicht den<br />
unbewußt erwarteten Erfolg, weil keiner sich an die Stelle des Vaters setzen<br />
konnte. Freud meint nun, nach der Verwirklichung der Haßbestrebungen sei es<br />
zum Wiederauftauchen der unbefriedigten Zärtlichkeitsregungen gegenüber dem<br />
ermordeten Vater gekommen. Trauer, Reue und Sehnsucht hatten<br />
Schuldgefühle als Urform der Gewissensregung zur Folge. So soll aus dem<br />
Ambivalenzkonflikt der Söhne das erste sittliche Gebot " Du sollst nicht töten"<br />
entstanden sein. Die Entwicklung weiterer Gebote ist nach Freud auf den<br />
fortschreitenden Verzicht der Triebbefriedigung unter dem Druck der Realität<br />
zu verstehen (vgl. dazu; Totem und Tabu. In: Ges. Werke. Band IX. London<br />
1968. S. 171ff).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
beansprucht haben. Die Söhne schritten aus ihrem vom Triebverzicht<br />
gespeisten Haß zum Vatermord. Doch hatte diese Tat nicht den unbewußt<br />
erwarteten Erfolg, denn keiner konnte sich an die Stelle des Vaters setzen.<br />
Schon NIETZScHE hatte gesehen, daß eine letztlich mißlungene oder<br />
unbefriedigende Tat eine besonders günstige Voraussetzung für<br />
Gewissensbisse ist. FREUD meint, nach der Verwirklichung der<br />
Haßstrebungen<br />
Nietzsche hatte gesehen, daß eine letztlich mißlungene oder unbefriedigende<br />
Tat eine besonders günstige Voraussetzung für Gewissensbisse ist. Freud meint,<br />
nach der Verwirklichung der Haßstreb ungen sei es zum Wiederauftauchen der<br />
unbefriedigten Zärtlichkeitsregungen gegenüber dem ermordeten Vater<br />
gekommen, was Trauer und Reue zur Folge gehabt habe. So soll aus dem Ambivalcnzkonflikt<br />
der Söhne - ähnlich der Auffassung Darwins - das erste sittliche<br />
Gebot "Du<br />
nach der Verwirklichung der Haßstrebungen sei es zum Wicdcrauftauchcn der<br />
unbefriedigten Zärtlichkeitsregungen gegenüber dem ermordeten Vater<br />
gekommen, was Trauer und Reue zur Folge gehabt habe. So soll aus dem<br />
Ambivalenzkonflikt der Söhne ähnlich der Auffassung darwins das erste<br />
sittliche Gebot " Du sollst nicht töten" hervorgegangen sein. Die weitere<br />
Entwicklung der Sittlichkeit stellt sich FREUD als einen fortschreitenden<br />
Verzicht auf Triebbefriedigung unter dem Druck der Realität vor. In der<br />
gegenwärtigen<br />
66 Frankl, Viktor E.: Das Gewissen in der Neurose. In: Fr..., 1959, S. 41<br />
114 Frankl, Viktor E.: Handbuch der Neurosenlehre und psyc..., 1959, S. 701<br />
66 Frankl, Viktor E.: Das Gewissen in der Neurose. In: Fr..., 1959, S. 42<br />
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12.01.2014<br />
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15% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 92<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Der Lebensstil wird verschiedentlich gleichgesetzt mit dem Ich, der einem und der Welt, wie auch seinen einzigartigen Weg, in seiner besonderen<br />
Menschen eigenen Persönlichkeit, der Einheit der Persönlichkeit, der<br />
Situation nach seinem Ziel zu streben. Der Begriff "Lebensstil" hat also einen<br />
individuellen Form der schöpferischen Aktivität, der Methode, Problemen ins dynamischen Inhalt. " Der Lebensstil wird verschiedentlich gleichgesetzt mit<br />
Auge zu sehen, der Meinung von sich selbst und den Lebensproblemen, der dem Ich, der einem Menschen eigenen Persönlichkeit, der Einheit der<br />
ganzen Einstellung zum Leben und anderen" ( Ansbacher,Heinz L. (Hrsg.): Persönlichkeit, der individuellen Form der schöpferischen Aktivität, der<br />
Alfred Adlers Individualpsychologie. München 1972. S.175)<br />
Methode, Problemen ins Auge zu sehen, der Meinung von sich selbst und den<br />
Lebensproblemen, der ganzen Einstellung zum Leben, und anderen"52. Eine<br />
besondere Rolle spielt das Gemeinschaftsgefühl. Adler legt seinen Standpunkt<br />
folgendermaßen dar: "Die Individualpsychologie steht auf dem Standpunkt der<br />
völligen Einheit des Individuums, das sie<br />
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12.01.2014<br />
399<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 32<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 93<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " Durch die Imagination eines übertriebenen Gewissens und übertriebener heraus, die er mit seinem aggressiven Verhalten erlitten hat, durch die<br />
Schuldgefühle wird der männliche Protest von der geradlinigen Aggression Errichtung dieser fiktiven Instanz besser "an die allgemeinen Leitbilder der<br />
abgedrängt und auf konstruierte Bahnen der Weichherzigkeit gelenkt" ( ebd. S. Moral herangebracht werden" kann: " Durch die Imagination eines<br />
62.<br />
übertriebenen Gewissens und übertriebener Schuldgefühle wird der männliche<br />
Protest von der geradlinigen Aggression abgedrängt und auf konstruierte<br />
Bahnen der Weichherzigkeit gelenkt." Zum andern beim Nervösen: ihn lockt<br />
immer "die Unfruchtbarkeit der Gewissensbisse, der Reue, der Trauer, weil ihr<br />
trügerischer Schein ihn hebt und zu veredeln und<br />
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400<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970, S. 82<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 95<br />
3) In der autoritären Ethik stellt eine Autorität Gebote und Normen der<br />
Lebensführung auf und bestimmt, was gut und böse ist. In der humanistischen<br />
Ethik dagegen ist der Mensch zugleich Normgeber und Adressat der Normen.<br />
Autoritäre und humanistische Ethik unterscheiden sich durch ein formales und<br />
ein materiales Kriterium: Formal streitet die autoritäre Ethik dem Menschen die<br />
Fähigkeit zur Unterscheidung von gut und böse ab. Normgeber ist immer eine<br />
Autorität, die das Individuum transzendiert. Inhaltlich wird in der autoritären<br />
Ethik die Frage nach gut und böse vom Standpunkt des Nutzens für die<br />
Autorität beantwortet (vgl. dazu: ebd. S. 21-27).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ist der Mensch zugleich Normgeber und Gegenstand der Normen [...]. [Seite<br />
23, Z. 11-23] Autoritäre Ethik unterscheidet sich von humanistischer Ethik<br />
durch zwei Kriterien, ein formales und ein materiales. Formal streitet die<br />
autoritäre Ethik dem Menschen die Fähigkeit ab, zu wissen, was gut und was<br />
böse ist. Der Normgeber ist stets eine Autorität, die das Individuum<br />
transzendiert. [... ] Materialiter (oder inhaltlich) beantwortet die autoritäre<br />
Wissenschaft vom menschlichen Handeln unter der formalen Differenz von Gut<br />
und Böse 1. Die Differenz von Gut und Böse als Grund allen ethischen Fragens<br />
Die Fähigkeit zur Unterscheidung von Gut und Böse ist nicht etwas an den<br />
Menschen von außen Herangetragenes, sondern ist der Vernunftnatur des<br />
Menschen ursprünglich und wesenhaft eigen. Das allgemeinste Kriterium aller<br />
menschlichen Vernunft<br />
ab, zu wissen, was gut und was böse ist. Der Normgeber ist stets eine Autorität,<br />
die das Individuum transzendiert. [... ] Materialiter (oder inhaltlich)<br />
beantwortet die autoritäre Ethik die Frage nach Gut und Böse primär vom<br />
Standpunkt des Nutzens für die Autorität [...]. Jacobi 1971 Seite 42, Z. 19-21] [.<br />
.. ] muß das Ich in seiner Begegnung mit der Umwelt zuerst zu einem festen<br />
Kern zusammenwachsen[FN 31]. [Seite 48, Z. 38-39] Unter Persona versteht<br />
Jung jenen<br />
80 Dokumentation mutmaßlicher Plagiate..., 1979, S. 0<br />
174 Korff, Wilhelm: Theologische Ethik. Eine Einführung, 1975, S. 18<br />
80 Dokumentation mutmaßlicher Plagiate..., 1979, S. 0<br />
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15% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 111<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " Die Wirksamkeit dieses Instinktschemas steht und fällt also damit, daß es die Tiere auf bestimmte Merk- und "Wirkmale" je ihrer Umwelt immer nur<br />
nur allgemein gilt, daß es nur nach dem Gesetz der allgemeinen Zahl gilt, nach einem starren Schema, das ein für allemal und für alle Individuen<br />
während es im Einzelfall nicht nur versagt, sondern das Einzelwesen geradezu feststeht. Die Wirksamkeit dieses Instinktschemas steht und fällt also damit,<br />
dazu verführt, unter gewissen Umständen zwar durchaus instinktgemäß, aber daß es nur allgemein gilt, daß es nur nach dem Gesetz der großen Zahl gilt,<br />
gerade darum ausgesprochen zweckwidrig 'unvernünftig' sich zu verhalten. während es im Einzelfall nicht nur versagt, sondern das Einzelwesen geradezu<br />
Dasselbe instinktive Reaktionsschema, das etwa der Majorität der Ameisen, dazu verführt, unter gewissen Umständen zwar durchaus instinktgemäß, aber<br />
dem ganzen Ameisenstaat, das Leben erhält oder rettet, kann die einzelne gerade darum ausgesprochen zweckwidrig, "unvernünftig" sich zu verhalten.<br />
Ameise unter Umständen um ihr Leben bringen" ( ders.: Der Mensch vor der Dasselbe instinktive Reaktionsschema, das etwa der Majorität der Ameisen, dem<br />
Frage nach dem Sinn. S. 68.).<br />
ganzen Ameisenstaat, das Leben erhält oder rettet, kann die einzelne Ameise<br />
unter Umständen um ihr Leben bringen. Das wird, vom Instinkt aus gesehen,<br />
eben in Kauf genommen: Der vitale Instinkt vernachlässigt das Individuelle.<br />
Ganz anders, ja im Gegensatz dazu wird nun die<br />
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402<br />
82 Frankl, Viktor E.: Der Mensch vor der Frage nach dem S..., 1979, S. 67<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 116<br />
1) vgl. dazu: Freud,Sigmund: Das Interesse an der Psychoanalyse. G.W. VIII.<br />
S. 398: "Man darf es wohl aussprechen, daß das psychoanalytische Studium der<br />
Träume den ersten Einblick in eine bisher nicht geahnte Tiefenpsychologie<br />
eröffnet hat."<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Revisionen der Freudschen Doktrin ein 5 . Nur in diesem Sprachgebrauch wird<br />
der 'Vgl. I. A. Caruso, Bios, Psyche und Person, Freiburg 1957, S. 3: ders.,<br />
Psychoanalyse pour la personne, Paris 1962, S. 29) 32. s "Man darf es wohl<br />
aussprechen, daß das psychoanalytische Studium der Träume den ersten<br />
Einblick in eine bisher nicht geahnte Tiefenpsychologie eröffnet hat", S. Freud,<br />
Das Interesse an der Psychoanalyse, G. W. VIII, S. 398. angebliche<br />
Unterschied zwischen "Tiefenpsychologie" und "Psychoana- lyse" deutlich.<br />
Nach Meinung Carusos sind an diesem Sprachgebrauch vor allem die "<br />
orthodoxen"<br />
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12.01.2014<br />
403<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 12<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 116<br />
2) Den Unterschied zwischen Psychoanalyse und Tiefenpsychologie beschreibt<br />
Nowak wie folgt: Mit Psychoanalyse sei " in erster Linie eine Methode der<br />
seelischen Heilbehandlung dargestellt, eine Analyse der Tiefenseele nach<br />
verdrängten unbewußten Inhalten, die das bewußte Denken und Handeln<br />
stören. ... Das Wort 'Tiefenpsychologie' unterstreicht mehr den allgemein<br />
theoretischen und systematischen Aspekt der Disziplin" ( Nowak,Antoni J.: a.a.<br />
O. S. 14).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
für Tiefenpsychologie, Rundschreiben 8, vom 1. Oktober 1963 bis März 1964. '<br />
S. Freud, Selbstdarstellung, G. W. XIV, S. 65. Vgl. Ders., Neue Folge der<br />
Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, G. W. S. 154; ders., Die<br />
Frage der Laienanalyse, G. W. XIV, S. 223. in erster Linie eine Methode der<br />
seelischen Heilbehandlung darstellt, eine Analyse der Tiefenseele nach<br />
verdrängten unbewußten Inhalten, die das bewußte Denken und Handeln<br />
stören. Kurz gesagt, der Kern der Psychoanalyse liegt in der Methode und der<br />
Technik der seelischen Heilbehandlung. Psychoanalyse ist keine Philosophie,<br />
sondern nur eine Technik des Vorgehens, eine Haltung des Beraters dem<br />
Ratsuchenden gegenüber. Das Wort Tiefenpsychologie unterstreicht mehr<br />
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12.01.2014<br />
404<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 14<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 121<br />
1) Otto Baumhauer, der versucht hat, aus dem Freudschen Entwicklungsmodell<br />
Ableitungen für die Erziehung vorzunehmen, hat hierbei auf die Bedeutung der<br />
Sexualerziehung hingewiesen: " Wir müssen so erziehen, daß das Kind, der<br />
junge Mensch, seine eigene Sexualität zunächst, dann aber Sexualität<br />
überhaupt nicht als etwas Böses, Häßliches, Unreines empfindet, sondern sie<br />
als Ausdruck der ihm mitgegebenen Liebeskraft und Liebesfähigkeit erfahren<br />
lernt" (Baumhauer,Otto: a.a.O. S. 36).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Aggression als menschliche Grundtriebe, an die der Mensch unentrinnbar<br />
gebunden ist, erkannt werden und dass der Mensch zunächst einmal sich selbst<br />
mit diesen Grundtrieben annimmt." (35) 3. " Wir müssen so erziehen, dass das<br />
Kind, der junge Mensch seine eigene Sexualität zunächst, dann aber Sexualität<br />
überhaupt nicht als etwas Böses, Hässliches, Unreines empfindet, sondern sie<br />
als Ausdruck der ihm mitgegebenen Liebeskraft und Liebesfähigkeit erfassen<br />
lernt, und er muss begreifen - ohne dass die Sexualität als solche abgewertet<br />
würde -, dass dieser Liebestrieb sich nicht in der Sexualität erschöpft, sondern<br />
noch<br />
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405<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 269<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 123<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Die Macht der Gemeinschaft verdrängt das Werturteil des individuellen, In einer solchen Werthierarchie ist das gut, was das Leben in der Gemeinschaft<br />
personalen Gewissens. Der Mensch ist also "gut", wenn er anpassungsfähig ist. ermöglicht und böse das, was das Leben in der Gemeinschaft unmöglich macht.<br />
Ein System, in dem die Gemeinschaft über Gut und Böse entscheidet, kann Die Macht der Gemeinschaft verdrängt das Werturteil des individuellen,<br />
schnell zum Totalitarismus führen" ( Nowak,Antoni J. a.a.O. S. 86).<br />
personalen Gewissens. Der Mensch ist also "gut", wenn er anpassungsfähig ist.<br />
Ein System, in dem die Gemeinschaft über Gut und Böse entscheidet, kann<br />
schnell zum Totalitarismus führen. 's E. Ringel, Tiefenpsychologie und Glaube,<br />
in: "Gott, Mensch, Universum" (Hrsg. J. Hüttenbügel), Graz - Wien - Köln<br />
1974, S. 235 236. s* Vgl. A. Adler, Religion und Individualpsychologie,<br />
Leipzig 1933, S. 73. Freud und Adler versuchen, die zielgerichtete<br />
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406<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute..., 1978, S. 86<br />
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1<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 124<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " Das absolut Gute und das schlechthin Böse existieren wohl als abstrakte mais il est avantageux de lui repr senter l'un et l'autre1"." Worte, die sich genau<br />
Begriffe. Sobald sie jedoch als psychologische Phänomene betrachtet werden, m,t den Tatsachen decken, die Jung in seiner praktischen Arbeit begegnet sind.<br />
muß man stets davon ausgehen, welcher Mensch unter welchen Umständen Das absolut Gute und das schlechthin Böse existieren wohl als abstrakte<br />
etwas getan, gesagt oder gedacht hat. Ob etwas als böse und schuldhaft Begriffe. Sobald sie jedoch als psychologische Phänomene betrachtet werden,<br />
bezeichnet wird, ist zudem weitgehend von dem subjektiven Urteil abhängig, muß man stets davon ausgehen, welcher Mensch 14 Z. B. in seinem Buch Aion,<br />
ebenso wie auch das Maß und die Schwere einer Schuld" ( ebd. S.143f). in V. White, Gott und das Unbewußte, Vorwort; in Antwort auf Hiob; in<br />
Versuch einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas, Ges. Werke Bd.<br />
11;<br />
in Versuch einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas, Ges. Werke<br />
Bd. 11; in Mysterium Coniunctionis, Ges. Werke Bd. 14/1, und weiteren<br />
Werken. unter welchen physischen, sozialen und psychologischen Umständen<br />
etwas getan, gesagt oder gedacht hat. Ob etwas als böse und schuldhaft<br />
bezeichnet wird, ist zudem weitgehend von einem subjektiven Urteil abhängig,<br />
ebenso wie auch das Maß und die Schwere einer Schuld. Überlegen wir uns z.<br />
B. das Fünfte Gebot: "Du sollst nicht töten "." Töten ist zweifellos Sünde, aber<br />
auch sie kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus beurteilt werden. Es<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 143<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971, S. 144<br />
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12.01.2014<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 127<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
4) " Was sich da meldet - Recht auf Gewissensfreiheit, Kritik, Forderung Instanzen des Ueber-Ichs offenbar nicht mehr individualpsychologisch<br />
idealer Verhältnisse - ist nicht das Über-Ich, sondern das sind<br />
funktionieren, sondern mich selbst gleichsam verschonen und sich dafür gegen<br />
Ersatzreaktionen darauf, daß dieses Über-Ich weithin verkümmert ist" ( ebd. S. die andern, die Gesellschaft, die Institutionen richten." ..." Was sich da meldet -<br />
47).<br />
Recht auf Gewissensfreiheit, Kritik, Forderung idealer Verhältnisse - ist nicht<br />
das Ueber-Ich, sondern das sind Ersatzreaktionen darauf, dass dieses Ueber-Ich<br />
weithin verkümmert ist." (46/47) Das wären die fünfzehn wichtigsten<br />
Forderungen, die Baumhauer aus der Darstellung des Freud'schen<br />
Gewissensrhodells ableitet. Ich möchte dazu einige Bemerkungen anfügen: Aus<br />
dieser Fülle<br />
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12.01.2014<br />
408<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 271<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 136<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) "... somit haben wir es mit Tatsachen zu tun, die, wenn auch nicht zu den werden, auf die Gestaltung der Spielregeln einen I unleugbaren Einfluß aus. Im<br />
elementarsten, so doch zu den spontansten und einflußreichsten gehören" ( Falle der Spiele ist jedoch die Einwirkung der Erwachsenen zumindest auf ein<br />
Piaget,Jean:a.a.0.S.8<br />
Minimum beschränkt: somit haben wir es mit Tatsachen zu tun, die, wenn auch<br />
nicht zu den elementarsten, so doch zu den spontansten und aufschlußreichsten<br />
gehören. Vor allem ist es leicht, beim Studium der Spielregeln zwei Gruppen<br />
von Erscheinungen gleichzeitig zu beobachten: i. Die Praxis der Regeln, d. h.<br />
die Art, wie<br />
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12.01.2014<br />
409<br />
88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954, S. 7<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 137<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Einerseits empfindet das Kind in hohem Grad das Bedürfnis, wie die halten, um zu sehen, wer die anderen besiegen wird. Seine Ziele sind andere<br />
anderen zu spielen ... Auf der anderen Seite aber denkt das Kind ... einzig daran,<br />
seine Erfahrungen für sich zu verwerten; sein Vergnügen besteht noch<br />
lediglich in der Ausbildung seiner Geschicklichkeit und dem Gelingen dessen,<br />
und im übrigen zweifacher Art; ein doppeltes Verhalten, welches den<br />
Egozentrismus definiert. Einerseits empfindet das Kind in hohem Grad das<br />
Bedürfnis, wie die anderen zu spielen und vornehmlich wie die Großen, d. h.<br />
was es ausführen will. Seine Freude ist im wesentlichen ... motorisch und nicht sich als ein Glied der so ehrenwerten Brüderschaft, der korrekten<br />
sozial" (ebd. S. 38).<br />
Murmelspieler zu fühlen. Auf der andern Seite aber denkt das<br />
ist, daß sein Spiel "richtig" ist (in dieser Hinsicht entsteht seine Überzeugung<br />
ebenso leicht, wie wenn es sich darum handelt, irgendeine Handlung des<br />
Erwachsenen nachzuahmen), einzig daran, seine Erfahrungen für sich zu<br />
verwerten; sein Vergnügen besteht noch lediglich in der Ausbildung seiner<br />
Geschicklichkeit und dem Gelingen dessen, was es ausführen will. Seine<br />
Freude ist im wesentlichen wie im vorhergehenden Stadium motorisch und<br />
nicht sozial. Der wirkliche "Socius" des Spielers in diesem Stadium ist nicht<br />
der Partner aus Fleisch und Blut, sondern<br />
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12.01.2014<br />
410<br />
88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954, S. 37<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 137<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " Indem es gewinnen will, bemüht sich das Kind vor allem, mit seinen eine oder zwei Murmeln mehr als seine Gegner hinausbekommt, niemals eine<br />
Gegnern zu kämpfen, indem es die gemeinsamen Regeln beachtet. Damit hört große Bedeutung bei; der bloße Wettkampf bildet also nicht den einzigen<br />
die eigentliche Freude am Spiel auf, motorisch und egozentrisch zu sein, um Antrieb zum Spiel. Indem es gewinnen will, bemüht sich das Kind vor allem,<br />
sozial zu werden" ( ebd. S. 40).<br />
mit seinen Gegnern zu kämpfen, indem es die gemeinsamen Regeln beachtet.<br />
Damit hört die eigentliche Freude am Spiel auf motorisch und egozentrisch zu<br />
sein, um sozial zu werden. Die Handlungen einer Murmelpartie und die<br />
Murmelpartie selbst entsprechen nun den Worten eines Gesprächs: die<br />
gegenseitige Einschätzung der vorhandenen Kräfte führt dank der Beachtung<br />
der<br />
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12.01.2014<br />
411<br />
88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954, S. 38<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 138<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) Oser,Fritz: Das Gewissen lernen. S. 319. " Am Ausgangspunkt dieser entsteht. Die anfänglichen Regeln des Murmelspiels (von oben herunterwerfen,<br />
Verhaltensweisen steht ein Bedürfnis nach Übung. ... Das Kind beginnt, indem die Murmeln aufeinandersetzen, eingraben usw.), die wir um das z. bis 3.<br />
es die ihm überlassenen Murmeln in dieses oder jenes ihm bereits bekannte Lebensjahr beobachtet haben, sind nichts anderes. Am Ausgangspunkt dieser<br />
Assimilationsschema einfügt. ... Dann akkomodiert es diese Schemata dem Verhaltensweisen steht ein Bedürfnis nach Übung, welches der besonderen<br />
Gegenstand. ...Diese Mischung von Assimilation an die früheren Schemata und Natur des gehandhabten Gegenstandes Rechnung trägt. Das Kind beginnt,<br />
Anpassung an gegenwärtige Bindungen definiert die motorische Intelligenz" ( indem es die ihm überlassenen Murmeln in dieses oder jenes ihm bereits<br />
ebd. S. 93f).<br />
bekannte Assimilationsschema einfügt: ein Nest machen, eingraben usw. Dann<br />
akkomodiert es diese Schemata dem Gegenstand: Verhindern des Fortrollens,<br />
indem es sie in ein Loch legt, von oben herunterwerfen usw. Diese Mischung<br />
von Assimilation an die früheren Schemata und<br />
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12.01.2014<br />
412<br />
88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954, S. 92<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 151<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " Der Mensch ist das, was er ist, immer nur durch die Art, wie er die Welt Seelisches Leben ist aber nicht nur in sich ein Ganzes, dessen Glieder<br />
erlebt und wie er sich zur Welt verhält. Erleben und Verhalten ... sind recht integrativ zusammenhängen. Es steht zugleich auch in einem ganzheitlichen<br />
eigentlich ein Dialog zwischen Mensch und Welt" ( ebd. S. 125).<br />
Zusammenhang mit der Welt. Der Mensch ist das, was er ist, immer nur durch<br />
die Art, wie er die Welt erlebt und wie er sich zur Welt verhält. Erleben und<br />
Verhalten bewegen sich immer im Kreisgeschehen der Kommunikation<br />
zwischen dem Individuum und der Welt, sie sind recht eigentlich ein Dialog<br />
zwischen Mensch und Welt. So steht also menschliches Leben und Erleben im<br />
Zeichen einer zweifachen<br />
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12.01.2014<br />
413<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 124<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 155<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) ebd. S. 137. " Wir erfahren uns im Engagement des Willens, in<br />
und mit uns, es vollzieht sich etwas an uns. Im Unterschied hiervon wird in<br />
Selbstbeherrschung, im Sichzusammenehmen und Sichkonzentrieren, aber auch Denken und Wollen das Ich als identischer Ausgangspunkt und Initiator erlebt.<br />
in der willensmäßigen Überwindung äußerer Widerstände nicht als pathisch Wir erfahren uns im Engagement des Willens, in Selbstbeherrschung, im<br />
getrieben, sondern als aktiv steuernd, nicht als bewegt, sondern als bewegend" ( Sichzusammennehmen und Sichkonzentrieren, aber auch in der<br />
ebd. S. 137)<br />
wülensmäßigen Überwindung äußerer Widerstände nicht als pathisch getrieben,<br />
sondern als aktiv steuernd, nicht als bewegt, sondern als bewegend. In<br />
ähnlicher Weise wird auch das Denken erlebt als Initiative des bewußten Ich,<br />
in der und durch die wir uns über die reine Pathik endothymen<br />
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12.01.2014<br />
414<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psyc..., 1966, S. 136<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 157<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) " In den Regungen des Gewissens wird die Erfüllung oder Nichterfüllung der an Bindungen erleben, auf unser Handeln bezogen. Denn wie alle<br />
in den Gemütsregungen erfahrenen Verbindlichkeiten und Bindungen<br />
Gefühlsregungen, so enthalten auch die des Gemütes eine Antriebskomponente,<br />
endothym erlebt" ( ebd. S. 243).<br />
die im Handeln ihre Verwirklichung findet. In den Regungen des Gewissens<br />
wird die Erfüllung oder Nichterfüllung der in den Gemütsregungen erfahrenen<br />
Verbindlichkeiten und Bindungen endothym erlebt1" So haben wir das Recht,<br />
von sozialem Gewissen, von Wahrheits-, Leistungs- und Arbeitsgewissen zu<br />
reden. Es kann uns das Gewissen schlagen, wenn wir Imperative der<br />
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90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl., 1970, S. 282<br />
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6) In dem genannten Sammelband von Petrilowitsch " Das Gewissen als rKTTorster, Das Gewissen als freiheitliches Ordnungsprinzip (Würzburg 1962)<br />
Problem" sind neben seinem erwähnten Aufsatz weitere Beiträge u.a. von Felix 20; H. Remplein, Die seelische Entwicklung des Menschen im Kindes- und<br />
Krueger (Seelische Struktur, 1948), Albert Wellek (Polaritäten der '<br />
Jugendalter (München "1962). Über Einzelfragen informiert der Sammelband<br />
Kernschicht', 1965) August Vetter (Die Person in strukturpsychologischer von N. Petrilowitsch, Das Gewissen als Problem ( Darmstadt 1966). oder<br />
Sicht, 1960) als Ausschnitte aus den erwähnten Büchern der Autoren<br />
Fernsehen vermittelt der kindlichen Seele langanhaltende Eindrücke". ( Nach<br />
abgedruckt.<br />
und nach, am augenfälligsten ab der Vorpubertät, die beim Mädchen nach dem<br />
10. Lebensjahre, beim Jungen<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
416<br />
175 Vom Gesetz zum Gewissen. Das Verhäl..., 1968, S. 41<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 162<br />
2) Beim Kant der 50er Jahre dominiert noch der Objektivismus der Aufklärung:<br />
" Im Gegensatz zum Gedanken einer autonomen Naturgeschichte fehlt der<br />
Gedanke einer theoretischen oder praktischen Autonomie des Menschen im<br />
Sinn der kritischen Hauptschriften nach 1781 trotz ihres<br />
Aufklärungshintergrundes dieser frühen Philosophie, die Gesetzmäßigkeit des<br />
Gegenstandsbereichs wird nicht in ihrer Relation zum Menschen verstanden,<br />
sondern im Blick auf ihren naturhaften Seinsgrund gedeutet, die Freiheit des<br />
Menschen nicht als autonome Distanz zur Weltgesetzlichkeit und absolute<br />
Selbstbestimmung der Vernunft, sondern als Moment einer kosmischen<br />
Ordnung bestimmt" ( Forschner, Maximilian: Gesetz und Freiheit. Zum<br />
Problem der Autonomie bei I. Kant. München 1974. S. 33).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
ein Gott eben deswegen, weil die Natur auch selbst im Chaos nicht anders als<br />
regelmäßig und ordentlich verfahren kann." (Allgemeine Naturgeschichte und<br />
Theorie des Himmels, I, 228)1". Im Gegensatz zum Gedanken einer autonomen<br />
Naturgeschichte fehlt der Gedanke einer theoretischen oder praktischen<br />
Autonomie des Menschen im Sinn der kritischen Hauptschriften nach 1781<br />
trotz ihres Aufklärungshintergrundes dieser frühen Philosophie, die<br />
Gesetzmäßigkeit des Gegenstandsbereichs wird nicht in ihrer Relation zum<br />
Menschen verstanden, sondern im Blick auf ihren naturhaften Seinsgrund<br />
gedeutet, die Freiheit des Menschen nicht als autonome Distanz zur<br />
Weltgesetzlichkeit und absolute Selbstbestimmung der Vernunft, sondern als<br />
Moment einer kosmischen Ordnung bestimmt. Die Zuwendung zum Menschen<br />
in der Epoche der Aufklärung hatte ja allgemein noch keineswegs die Wende<br />
des wesentlich kosmologischen Denkens zur Folge, wie es die<br />
der Vorbestimmung durch die Grundwahl oder Grundbejahung der<br />
Entscheidungs-Freiheit" (M.Müller, a.a.O. 304). 48 _ J 1 1 Vgl. R.Pohlmann,<br />
Art. Autonomie, in: HWP I, 701-719, 701. 49 3 3 G. Rohrmoser, Art.<br />
Autonomie, in: HPhG (Studienausgabe) I, 155-170, 156. 50 4 4 Vgl. M.<br />
Forschner, Gesetz und Freiheit. Zum Problem der Autonomie bei 1. Kant,<br />
Epimeleia, Beiträge zur Philosophie, Bd. 24, München 1974. Während beim<br />
Kant der 50er Jahre der Objektivismus der Aufklärung dominiert, zeigen<br />
bereits die Schriften der frühen 60er Jahre ("<br />
102 Forschner, Maximilian: Gesetz und Freiheit. Zum Problem de..., 1974, S. 32<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 1<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 162<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) Die Schriften der frühen 60er Jahre ("Der einzig mögliche Beweisgrund..." Zum Problem der Autonomie bei 1. Kant, Epimeleia, Beiträge zur Philosophie,<br />
1762 und "Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze..." 1762/63) Bd. 24, München 1974. Während beim Kant der 50er Jahre der Objektivismus<br />
zeigen bereits Kants Wandel: " Entscheidend ist zunächst der Wandel des der Aufklärung dominiert, zeigen bereits die Schriften der frühen 60er Jahre ("<br />
Begriffs der Vollkommenheit und im Gefolge davon eine Neuformulierung des Der einzig mögliche Beweisgrund ..." 1762 sowie "Untersuchung über die<br />
Gedankens der Verbindlichkeit wie des notwendigen Zweckes, demzufolge Deutlichkeit der Grundsätze..." 1762/63) einen tiefgreifenden Einschnitt im<br />
eine Handlung als sittlich gut qualifiziert werden kann. Die Wandlung Kants moralphilosophischen Denken Kants. " Entscheidend ist zunächst der Wandel<br />
läßt sich als anthropologische Wende oder besser als Wende zur Subjektivität des Begriffs der Vollkommenheit und im Gefolge davon eine Neuformulierung<br />
bezeichnen, da nunmehr Vollkommenheit, Ordnung, Verbindlichkeit, das Gute des Gedankens der Verbindlichkeit wie des notwendigen Zweckes, demzufolge<br />
etc. wesentlich vom Erkennen und Willen eines Subjektes her konzipiert eine Handlung als sittlich gut qualifiziert werden kann. Diese Wandlung Kants<br />
werden" ( ebd. S. 64).<br />
läßt sich als anthropologische Wende oder besser als Wende zur Subjektivität<br />
bezeichnen, da nunmehr Vollkommenheit, Ordnung, Verbindlichkeit, das Gute<br />
etc. wesentlich vom Erkennen und Willen eines Subjektes her konzipiert<br />
werden" ( ebd. 64). 7 7 I.Kant, KrV, in: ders., Werke in zehn Bänden hrsg v W.<br />
Weischedel, IV, Darmstadt 1968, 675 (A 803 B 831). "Wir erkennen also die<br />
praktische Freiheit durch Erfahrung, als eine von den Naturursachen,<br />
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418<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 1<br />
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5% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 164<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " Die Frage: Was ist der Mensch? hat immer auch die Bedeutung: Wer ist der ganze kritische Philosophie hinführen soll auf eine solche Selbstbesinnung.<br />
Mensch? Ja: Was und wer bin ich?" ( ebd. S. 18).<br />
Damit ist zugleich deutlich, in welchem Sinne Kant die allgemeine Frage stellt<br />
und zu beantworten sucht. Die Frage: Was ist der Mensch? hat immer auch die<br />
Bedeutung: Wer ist der Mensch? Ja: Was und wer bin ich? Bestimmung der<br />
Aufgabe Von dieser vorläufigen Kennzeichnung der Kantischen Philosophie<br />
ausgehend, umgreifen wir in einigen Thesen Richtung und Aufgabe der<br />
folgenden Darstellung: 1. Kant stellt sein<br />
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91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 18<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 166<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Das Bewußtsein der unbedingten Verbindlichkeit ist ein Faktum, aber kein es nimmt als Faktum der Vernunft einen Teil gerade desjenigen in sich auf, was<br />
empirisches, sondern ein Faktum der Vernunft, und zwar 'das einzige Faktum früher Kant selbst zu der Annahme eines moralischen Grundgefühls veranlaßt<br />
der reinen Vernunft'" ( Schwartländer,Johannes: a.a.O. S. 123).<br />
hatte ". Das Bewußtsein der unbedingten Verbindlichkeit ist ein Faktum, aber<br />
kein empirisches, sondern ein Faktum der Vernunft, und zwar "das einzige<br />
Faktum der reinen Vernunft" ( Kp V, 36). Empirisch faktisch ist unsere<br />
sinnliche Erfahrung. In dieser ist es wohl unser Verstand als das spontane,<br />
formgebende Vermögen, der die Erkenntnis zuwege bringt; doch<br />
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12.01.2014<br />
420<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre ..., 1968, S. 123<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 166<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) " Das kantische Problem der Autonomie als Gesetzgebung der Vernunft allgemeine Gesetz der Vernunft sieht Kant die sittliche Autonomie. Autonomie<br />
bezüglich des Begehrens betrifft also nicht die Wahlmöglichkeit des Menschen besagt demnach keine Willkür individueller Subjektivität, sondern die<br />
bezüglich verschiedener Begehrungsobjekte, betrifft auch nicht die<br />
Selbstbindung an das eigene Gesetz der Vernunft. " Das kantische Problem der<br />
vernunftgeleitete Ablehnung bzw. Bevorzugung bestimmter Handlungsziele Autonomie als Gesetzgebung der Vernunft bezüglich des Begehrens betrifft<br />
mit Rücksicht auf ihre Durchführbarkeit, Nützlichkeit und Schädlichkeit... also nicht die Wahlmöglichkeit des Menschen bezüglich verschiedener<br />
betrifft schließlich nicht 'praktische' Handlungsanweisungen zur Realisierung Begehrungsobjekte, betrifft auch nicht die vernunftgeleitete Ablehnung bzw.<br />
eines Ziels..., das kantische Problem der Autonomie im praktischen Sinn Bevorzugung bestimmter Handlungsziele mit Rücksicht auf ihre<br />
betrifft lediglich die Möglichkeit eines Willens, bzw. einer reinen praktischen Durchführbarkeit, Nützlichkeit, Schädlichkeit..., betrifft schließlich nicht ><br />
Vernunft" ( Forschner,Maximilian: a.a.O. S. 195).<br />
praktische< Handlungsanweisungen zur Realisierung eines Ziels..., das<br />
kantische Problem der Autonomie im praktischen Sinn betrifft lediglich die<br />
Möglichkeit eines Willens, bzw. einer reinen praktischen Vernunft." 9<br />
In dieser<br />
Selbstgesetzgebung der Vernunft als Wille liegt das oberste Prinzip der<br />
Sittlichkeit. Damit sieht Kant den Menschen herausgehoben aus aller<br />
Naturbestimmung. Die Autonomie als<br />
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12.01.2014<br />
421<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 53<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 166<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
4) " Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserem Willen, sondern der Natur aber eine durchgängige Verknüpfung durch Apperzeption ist", bleiben und<br />
beruht, haben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen relativen insofern ist dieser Begriff auch "zum praktischen Gebrauche nötig und<br />
Wert, als Mittel, und heißen daher Sachen, dagegen vernünftige Wesen hinreichend", KrV 1. A. tr. Dial. 2. B. 1. H. 3. Paralogismus (I 739 ff. Rc 442<br />
Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst, ff.). " Die Wesen, deren Dasein zwar nicht auf unserem Willen, sondern der<br />
d.i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet, Natur beruhthaben dennoch, wenn sie vernunftlose Wesen sind, nur einen<br />
mithin sofern alle Willkür eingeschränkt ( und ein Gegenstand der Achtung ist). relativen Wert, als Mittel, und heißen daher Sachen, dagegen vernünftige Wesen<br />
Dies sind also nicht bloß subjektive Zwecke, deren Existenz als Wirkung Personen genannt werden, weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst,<br />
unserer Handlung für uns einen Wert hat: sondern objektive Zwecke, d.i. Dinge, d. i. als etwas, das nicht bloß als Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet,<br />
deren Dasein an sich selbst Zweck ist, und zwar ein solcher, an dessen Statt mithin sofern alle Willkür einschränkt und ein Gegenstand der Achtung ist)."<br />
kein anderer Zweck gesetzt werden kann, dem sie bloß als Mittel zu Diensten Personen sind objektive Zwecke, Zwecke an sich; sie haben "inneren Wert",<br />
stehen sollten, weil ohne dieses überall gar nicht von absolutem Werte würde Würde, GMS 2. Abs. (III 53). "Ich, der ich denke<br />
angetroffen werden; wenn aber aller Wert bedingt, mithin zufällig wäre, so<br />
Natur sie schon als Zwecke an sich selbst, d.i. als etwas, das nicht bloß als<br />
könnte für die Vernunft überall kein oberstes praktisches Prinzip angetroffen<br />
Mittel gebraucht werden darf, auszeichnet, mithin so fern alle Willkür<br />
werden" ( Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. S. 51).<br />
einschränkt ( und ein Gegenstand der Achtung ist). Dies sind also nicht bloß<br />
subjektive Zwecke, deren Existenz, als Wirkung unserer Handlung, für uns<br />
einen Wert hat; sondern objektive Zwekke, d.i. Dinge, deren Dasein an sich<br />
selbst Zweck ist, und zwar einen solchen, an dessen Statt kein anderer Zweck<br />
gesetzt werden kann, dem sie bloß als Mittel zu Diensten stehen sollten, weil<br />
ohne dieses überall gar nichts von absolutem Werte würde angetroffen werden;<br />
wenn aber aller Wert bedingt, mithin zufällig wäre, so könnte für die Vernunft<br />
überall kein oberstes praktisches Prinzip angetroffen werden. Wenn es denn<br />
also ein oberstes praktisches Prinzip, und, in Ansehung des menschlichen<br />
Willens, einen kategorischen Imperativ geben soll, so muß es ein solches sein,<br />
105 Eisler, Rudolf: Kant-Lexikon. Nachschlagewerk zu Ka..., 1930, S.<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799, S. 73<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799, S. 74<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 168<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) " Weil man in der frühen Jugend nicht weiß, welche Zwecke uns im Leben für einen Giftmischer, um ihn sicher zu töten, sind in so fern von gleichem Wert,<br />
aufstoßen dürften, so suchen Eltern vornehmlich ihre Kinder recht vielerlei als eine jede dazu dient, ihre Absicht vollkommen zu bewirken. Weil man in<br />
lernen zu lassen und sorgen für die Geschicklichkeit im Gebrauch der Mittel zu der frühen Jugend nicht weiß, welche Zwecke uns im Leben aufstoßen dürften,<br />
allerlei beliebigen Zwecken, von deren keinem sie bestimmen können, ob er so suchen Eltern vornehmlich ihre Kinder recht vielerlei lernen zu lassen, und<br />
nicht etwa wirklich künftig eine Absicht ihres Zöglings werden könne, wovon sorgen für die Geschicklichkeit im Gebrauch der Mittel zu allerlei beliebigen<br />
es indessen doch möglich ist, daß er sie einmal haben möchte" ( Kant, Immanuel: Zwekken, von deren keinem sie bestimmen können, ob er nicht etwa wirklich<br />
a.a.O. S. 35/36).<br />
künftig eine Absicht ihres Zöglings werden könne, wovon es indessen doch<br />
möglich ist, daß er sie einmal haben möchte, und diese Sorgfalt ist so groß, daß<br />
sie darüber gemeiniglich verabsäumen, ihnen das Urteil über den Wert der<br />
Dinge, die sie sich etwa zu Zwecken<br />
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12.01.2014<br />
423<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799, S. 51<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 172<br />
3) "Es folgt ihm wie ein Schatten, wenn er zu entfliehen gedenkt. Er kann sich<br />
zwar durch Lüste und Zerstreuungen betäuben oder in den Schlaf bringen, aber<br />
nicht vermeiden, dann und wann zu sich selbst zu kommen oder zu erwachen,<br />
wo er alsbald die furchtbare Stimme desselben vernimmt" ( ebd. S. 290).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Gesetze in ihm wachende Gewalt ist nicht etwas, was er sich selbst (willkürlich)<br />
macht, sondern es Ist seinem Wesen einverleibt. Es folgt Ihm wie sein<br />
Schatten, wenn er zu entfliehen gedenkt. Er kann sich zwar durch Lüste und<br />
Zerstreuungen betäuben oder In Schlaf bringen, aber nicht vermeiden, dann und<br />
wann zu sich selbst zu kommen oder zu erwachen, wo er alsbald die furchtbare<br />
Stimme desselben vernimmt. Er kann es in seiner äußersten Verworfenheit<br />
allenfalls dahin bringen, sich daran gar nicht mehr zu kehren, aber sie zu hören,<br />
kann er doch nicht<br />
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12.01.2014<br />
424<br />
1 Dittert, Kurt: Alternativen. Das Gewissen - fragwü..., 1970, S. 7<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 175<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " Der Wille wird also nicht lediglich dem Gesetze unterworfen, sondern so Wesens als eines allgemein gesetzgebenden Willens. Alle Maximen werden<br />
unterworfen, daß er auch als selbstge setzgebend und eben um deswillen nach diesem Prinzip verworfen, die mit der eigenen allgemeinen Gesetzgebung<br />
allererst dem Gesetze (davon er selbst sich als Urheber betrachten kann) unter des Willens nicht zusammen bestehen können. Der Wille wird also nicht<br />
worfen angesehen werden muß" (Kant,Immanuel: Grundlegung zur<br />
lediglich dem Gesetze unterworfen, sondern so unterworfen, daß er auch als<br />
Metaphysik der Sitten. S. 54).<br />
selbstgesetzgebend, und eben um deswillen allererst dem Gesetze (davon er<br />
selbst sich als Urheber betrachten kann) unterworfen, angesehen werden muß.<br />
Die Imperativen nach der vorigen Vorstellungsart, nämlich der allgemein einer<br />
Naturordnung ähnlichen Gesetzmäßigkeit der Handlungen, oder des<br />
allgemeinen Zwecksvorzuges vernünftiger Wesen<br />
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12.01.2014<br />
425<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799, S. 78<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 183<br />
2) "Es ist das Dasein in seine Unheimlichkeit, das ursprüngliche geworfene Inder-Welt-sein<br />
als Un-zuhause, das nackte 'Daß' im Nichts der Welt" ( ebd. S.<br />
276/277).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
es einfach als Nichts bezeichnen. Es geht um die Phänomenologie des Rufers. "<br />
Er ist das Dasein in seiner Unheimlichkeit, das ursprünglich geworfene In-der-<br />
Helt-sein als Un-zuhause, das nackte 'Das' im Nichts der Welt." 1<br />
In der<br />
Verlassenheit an es selbst ruft das Dasein als Gewissen in die Unheimlichkeit<br />
des In-der-Welt-seins. Es würde sich nur auf die<br />
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12.01.2014<br />
426<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976, S. 308<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 206<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Die Sollensbestimmungen, die ursprünglich zugleich mit den<br />
auf den Gewinn "objektiver Erkenntnis", auf Gewinn von Wissen, fragt aber<br />
Gegebenheiten der Wirklichkeit erfahren und befolgt werden, kommen dem nicht mehr nach dem Wozu dieses Wissens, erschöpft sich also im Streben nach<br />
Sachverstand nicht mehr in den Blick" ( Merkert, Rainald/Simon,Werner: "Sachverstand". Die Sollensbestimmungen, die ursprünglich zugleich mit den<br />
Didaktik und Fachdidaktik Religion. S. 72.<br />
Gegebenheiten der Wirklichkeit erfahren und befolgt wurden, kommen dem<br />
Sachverstand nicht mehr in den Blick. Der Einzug dieser theoretischen Haltung<br />
in die Schule bedeutet, daß auch hier Wissendwerden und<br />
Gewissenserschließung auseinanderfallen: "Die Erziehung lebt aus der<br />
persönlichen Zuwendung zum Kinde<br />
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11357<br />
12.01.2014<br />
427<br />
119 Merkert, Rainald: Didaktik und Fachdidaktik Religion, 1979, S. 71<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 218<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) Der Begriff "synteresis" meint die "syneidesis" und beruht auf einem das übernatürliche Gewissen an die Glaubenslehre der Kirche hält, kann es<br />
Schreibfehler in einem Kommentar des Hl. Hieronymus (vgl. dazu u.a.: nicht irren, da diese nicht irren kann. 6<br />
1) Dieser Ausdruck, später auch<br />
Waldmann,M.: Synteresis oder Syneidesis? Ein Beitrag zur Lehre vom synteresis, stammt aus einem Schreibfehler in einem Kommentar des Hl.<br />
Gewissen. In: ThQ 119 (1938). S. 332-371.<br />
Hieonymus (in 1. Ezekiel I c 1, 10), der das Wort syneideeis verunstaltete; vgl.<br />
Mausbach-Ermecke, S. 160. 2) Mausbach-Ermecke, S. 160. 3) Mausbach-<br />
Ermecke, S. 160. 4) Mausbach-Ermecke, S. 166. b) Auch in der evangelischen<br />
Ethik ist die überragende<br />
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12.01.2014<br />
428<br />
176 Beckstein, Günther: Der Gewissenstäter im Strafrecht un..., 1975, S. 79<br />
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4% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 221<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
4) "Sie sind nicht nur die Werkzeuge des Willens, sondern sind von sich aus Mit S. Pfürtner darf man also sagen, daß die sinnlichen Antriebskräfte in<br />
Handlungsprinzipien für die sittliche Leistung. Reduziert man ihren Beitrag auf thomanischer Sicht durch ihre Spontaneität die Grundvoraussetzung sittlicher<br />
eine einfache Gefügigkeit gegenüber dem Willen, beraubt man sie ihrer Reife bilden. "Sie sind nicht nur Werkzeuge des Willens, sondern sind von<br />
wertvollsten Möglichkeiten. Nicht antriebslose Sinnlichkeit, die bis zur sich aus Handlungsprinzipien für die sittliche Leistung. Reduziert man ihren<br />
Langeweile und Verödung ihrer eigenen Vitalität einexerziert ist, bildet das Beitrag auf eine einfache Gefügigkeit gegenüber dem Willen, beraubt man sie<br />
Ziel sittlicher Reife. Vielmehr geht es um einen echten Beitrag des<br />
ihrer wertvollsten Möglichkeiten. Nicht antriebslose Sinnlichkeit, die bis zur<br />
gemüthaften Untergrundes bei voller Gegenwärtigkeit des sittlichen<br />
Langeweile und Verödung ihrer eigenen Vitalität einexerziert ist, bildet das<br />
Bewußtseins 'von oben' " ( Pfürtner,Stephan H.: a.a.O. S. 255-256).<br />
Ziel sittlicher Reife. Vielmehr geht es um einen echten Beitrag des<br />
gemüthaften Untergrundes bei voller Gegenwärtigkeit des sittlichen<br />
Bewußtseins >von oben< "2S. Schon M. Wittmann 30 hatte Lehu 31<br />
entgegengehalten, daß Thomas das sittliche Verhalten nicht nur von der<br />
Vernunft her normiert sieht, sondern daß er es zugleich auf die<br />
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12.01.2014<br />
429<br />
123 Bujo, Benezet: Moralautonomie und Normenfindung be..., 1979, S. 200<br />
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33% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 222<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) " Ausdrücklich betont der hl. Johannes: 'Wer keine Liebe hat, kennt Gott ist nicht eine bloße Aneignung von Gesetzeswissen, ein theo- Nur in der<br />
nicht, denn Gott ist die Liebe' (1 Joh. 4,8). Je mehr in uns die Liebe wächst, um Entscheidung für das Gute wächst immer mehr auch die Erkenntnis des<br />
so mehr wird sich uns Gott zeigen,um so mehr werden wir dann auch das wahrhaft Guten. Ausdrücklich betont der hl. Johannes: "Wer keine Liebe hat,<br />
sittlich Gute erkennen: 'Wer mich liebt, der wird vom Vater geliebt, und ich kennt Gott nicht, denn Gott ist die Liebe" (i Joh 4,8). Je mehr in uns die Liebe<br />
werde ihn lieben und mich ihm kundmachen' (Joh. 14,21)" ( ebd. S. 70). wächst, um so mehr wird sich uns Gott zeigen, um so mehr werden wir dann<br />
auch das sittlich Gute erkennen: "Wer mich liebt, der wird vom Vater geliebt,<br />
und ich werde ihn lieben und mich ihm kundmachen" (Joh 14,21). Es ist ein<br />
Erkennen des Guten aus der innersten Verwandtschaft mit dem Guten. Weil wir<br />
von der ewigen Liebe zum Lieben geschaffen sind, werden wir<br />
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121 Böckle, Franz: Grundbegriffe der Moral. Gewissen u..., 1966, S. 70<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 224<br />
4) Für unsere weitere Argumentation ist zwar das Luthersche<br />
Gewissensverständnis nicht unbedingt nötig, es soll aber wegen seiner<br />
besonderen historischen Bedeutung kurz erwähnt werden: Luther geht von<br />
einer Identität zwischen Glaube und Gewissen aus. " Das Gewissen gehört<br />
Christus und Christus dem Gewissen; die geheime Brautkammer des<br />
Bräutigams und der Braut taste niemand an" ( Weimarer Ausgabe 8,-610. zitiert<br />
nach: Mokrosch, Reinhold: a.a.O. S. 42). Gewissen ist somit identisch mit<br />
einer bestimmten Existenzweise des Menschen vor Gott. Es ist also weder ein<br />
Willensprozeß (Bonaventura) noch eine Vernunftinstanz (Thomas), sondern<br />
meint bei Luther das "Insein in Christus" (so Ernst Wolf). Bonhoeffer hat das<br />
Luthersche Gewissensverständnis umschrieben als "Ruf der menschlich ......<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
so sehr, daß er alles, was er über die Harmonie zwischen Christus und dem<br />
Glaubenden sagt, auch über Christus und das Gute Gewissen sagen kann: " Das<br />
Gewissen gehört Christus und Christus dem Gewissen; die geheime<br />
Brautkammer des Bräutigams und der Braut taste niemand an!"" " Ewige<br />
Freude", "geistlicher Friede", "evangelische Freiheit" und "Glaube" - diese vier<br />
Synonyma des Guten Gewissens sind Charakteristika des Guten Gewissens.<br />
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106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 42<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 224<br />
4) Für unsere weitere Argumentation ist zwar das Luthersche<br />
Gewissensverständnis ...... Glaube und Gewissen aus. "Das Gewissen gehört<br />
Christus und Christus dem Gewissen; die geheime Brautkammer des<br />
Bräutigams und der Braut taste niemand an" (Weimarer Ausgabe 8,-610. zitiert<br />
nach: Mokrosch, Reinhold: a.a.O. S. 42). Gewissen ist somit identisch mit<br />
einer bestimmten Existenzweise des Menschen vor Gott. Es ist also weder ein<br />
Willensprozeß (Bonaventura) noch eine Vernunftinstanz (Thomas), sondern<br />
meint bei Luther das "Insein in Christus" (so Ernst Wolf). Bonhoeffer hat das<br />
Luthersche Gewissensverständnis umschrieben als " Ruf der menschlichen<br />
Existenz zur Einheit mit sich selbst" und darin zur Einheit mit Christus. Dieser<br />
Ruf wird vom befreiten Gewissen als Ruf zur Gemeinschaft mit Christus<br />
richtig verstanden. Befreit sein muß dieses Gewissen dann von allen<br />
menschlichen und das heißt auch kirchlichen Gesetzen. Luther lehnt von daher<br />
die Kirche als Zwischeninstanz zwischen Gott und Gewissen ab (vgl. zum<br />
Gewissensverständnis Luthers: Mokrosch,Reinhold: a.a.O. S. 27 - 51.).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
im Sinne eines "nichtnormativen" und einem moralischen im Sinne eines "<br />
normativen" Gewissens rede. Dietrich Bonhoeffer hat eine einheitliche<br />
Definition vorgeschlagen. Er bezeichnet Luthers Gewissen als " Ruf der<br />
menschlichen Existenz zur Einheit mit sich seihst". Dieser Ruf, so betont er,<br />
werde vom natürlichen Gewissen zwar als Ruf zur Autonomie miß-, aber vom<br />
befreiten Gewissen als Ruf zur Gemeinschaft mit Christus richtig verstanden.<br />
85 - Diese Definition hat den Vorteil, daß sie die Identität des Menschen ins<br />
Zentrum stellt und eine externe Identität (Gemeinschaft mit Christus) von einer<br />
internen (Autonomie)<br />
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106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979, S. 50<br />
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6% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 235<br />
1) Eduard Hengstenberg thematisiert in einem jüngst gehaltenen Vortrag<br />
ebenfalls die Notwendigkeit der Kommunikabilität ethischer Normen. Er nimmt<br />
eine "universale Ethik" an, "deren Prinzipien, trotz aller Barrieren völkischer,<br />
sozialer, gesellschaftlicher, geschichtlicher und sprachlicher Art, allen<br />
Menschen einleuchtend gemacht werden können. Kurzformel dieser Ethik ist<br />
das universale Sinngebot." Daneben lehnt er eine spezifisch "christliche Ethik<br />
" ab. Zum sittlichen Sollen, das Universalanspruch erhebe, kommt nach<br />
Hengstenberg für den Christen hinzu das "offenbarungsherkünftige Sollen", ein<br />
Sollen, das nicht weiter hinterfragbar ist, " das müssen sie sich sagen lassen aus<br />
der Offenbarung". Beide bilden " beim Christen einen einheitlichen<br />
Gesamtlebensvollzug: das Leben aus dem offenbarungsherkünftigen Sollen<br />
inkarniert sich im Leben aus dem sittlichen Sollen" ( Hengstenberg, Eduard:<br />
Natürliche Ethik und Offenbarung. In: ibw Journal. 18 (1980). Heft 6. S. 81-84)<br />
.<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Ethik, dann hätten wir auch dazu beigetragen, ihm neue Fähigkeiten zum<br />
Glaubenkönnen zu eröffnen. Ich fasse zusammen: 1. Es gibt eine universale<br />
Ethik, deren Prinzipien grundsätzlich, trotz aller Barrieren völkischer, sozialer,<br />
gesellschaftlicher, geschichtlicher und sprachlicher Art, allen Menschen<br />
einleuchtend gemacht werden können. Kurzformel dieser Ethik ist das<br />
universale Sinngebot. 2<br />
Es gibt zwar keine spezifische "christliche Ethik",<br />
dafür aber etwas anders: ein Sollen, das aus der Heilsoffenbarung Gottes in<br />
Christus kommt. Dieses "offenbarungsherkünftige Sollen" ist<br />
in die Kirche als Leib Christis eingegliedert ist und daß in dieser Einheit zu<br />
zweien Christus gegenwärtig ist, das wissen sie nicht aus der Ethik, das müssen<br />
sie sich sagen lassen aus der Offenbarung. Und damit wissen sie auch, daß sie<br />
als Ehepartner unter einem offenbarungsherkünftigen Sollen stehen, das aus<br />
nichts Sittlichem abgeleitet werden kann. Aber dieses offenbarungsherkünftige<br />
Sollen<br />
und vor aller Vermischung mit dem bloß Moralischen zu bewahren. 3 . Bei<br />
aller Wahrung der gegenseitigen Autochthonie von offen-barungsherkünftigem<br />
Sollen und sittlichem Sollen bilden beide beim Christen einen einheitlichen<br />
Gesamtlebensvollzug: das Leben aus dem offenbarungsherkünftigen Sollen<br />
inkarniert sich im Leben aus dem sittlichen Sollen. Damit ist jeder Dualismus<br />
zwischen Offen barung und natürlicher Ethik verhindert, bei gleichzeitiger<br />
Betonung ihrer Unterschiedenheit. 4. Wir gewinnen neue Maßstäbe, Motive und<br />
Realisierungsmöglichkeiten für die<br />
177 Hengstenberg, Hans-Eduard: Natürliche Ethik und Offenbarung, 1980, S. 83<br />
177 Hengstenberg, Hans-Eduard: Natürliche Ethik und Offenbarung, 1980, S. 82<br />
177 Hengstenberg, Hans-Eduard: Natürliche Ethik und Offenbarung, 1980, S. 83<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 245<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) " Wahlrecht, Petitionsrecht, Streikrecht, Demonstrationsrecht sind ihrerseits ihrer "Definitionsvollmacht" in ihrem Einsatz auf "Angemessenheit der Mittel"<br />
bereits institutionalisierte, und das heißt vom Recht selbst her legitimierte verpflichteten polizeilichen Sicherheitsorgane, sondern es gewinnt darüber<br />
Formen des am eigenen und am öffentlichen Wohl vital interessierten, nach hinaus jetzt auch maßgebliche Bedeutung für die Normadressaten selbst.<br />
Billigkeit und Angemessenheit fragenden und verfahrenden Einzelgewissens" ( Wahlrecht, Petitionsrecht, Streikrecht, Demonstrationsrecht sind ihrerseits<br />
ebd. S. 34).<br />
bereits institutionalisierte, und das heißt vom Recht selbst her legitimierte<br />
Formen des am eigenen und am öffentlichen Wohl vital interessierten, nach<br />
Billigkeit und Angemessenheit fragenden und verfahrenden Einzelgewissens.<br />
Der einzelne Staatsbürger schaltet sich auf diese Weise in den öffentlichen<br />
Prozeß der sittlichen Urteilsfindung ein und übt so mittelbar, im Falle der<br />
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135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 34<br />
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<strong>0%</strong> Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 245<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " So zum Beispiel im Bezug auf die ethische Bewertung und rechtliche die faktisch gelebte Überzeugung von Mehrheiten, aber auch die<br />
Behandlung der Ehe und ihrer Ordnungen (Stellung der Frau; Scheidungsrecht; benachteiligter Minderheiten gegen überkommene moralische Oktroyes und<br />
innerkirchlich: Problem der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur deren rechtliche Fassungen aufbegehrt und unaufhaltsam auf Neulösung drängt.<br />
Eucharistie), des vorehelichen Verkehrs (Kuppeleiparagraph) der<br />
So zum Beispiel im Bezug auf die ethische Bewertung und rechtliche<br />
Empfängnisverhütung, der Homosexualität und des Schwangerschaftsabbruchs. Behandlung der Ehe und ihrer Ordnungen (Stellung der Frau; Scheidungsrecht;<br />
Hier undifferenziert von einer bloßen 'normativen Kraft des Faktischen' zu innerkirchlich: Problem der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur<br />
sprechen, geht offenkundig an der Sache vorbei" ( ebd. S. 35).<br />
Eucharistie), des vorehelichen Verkehrs (Kuppeleiparagraph), der<br />
Empfängnisverhütung, der Homosexualität und des Schwangerschaftsabbruchs.<br />
Hier undifferenziert von einer bloßen "normativen Kraft des Faktischen" zu<br />
sprechen, geht offenkundig an der Sache vorbei. Das faktische Abweichen von<br />
gegebenen Normen hat als solches noch nie normverändernd gewirkt, solange<br />
die Abweichenden im Grunde von der Richtigkeit der Norm überzeugt waren.<br />
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135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 35<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 248<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
3) " Wer bestimmte Handlungsweisen für sittlich unerlaubt hält, gehe es nun um seiner Überzeugung, seinem Gewissen folgt, handelt er sittlich gut. Das<br />
das Essen von Schweinefleisch, um Organtransplantation, Todesstrafe oder bedeutet jedoch nicht, daß er damit in jedem Falle zugleich auch schon sittlich<br />
Zinsnehmen, um das Problem des Wehrdienstes oder um die Errichtung von richtig handelt.32 Wer bestimmte Handlungsweisen für sittlich unerlaubt hält,<br />
Kernkraftwerken, handelt ohne Zweifel sittlich gut, sofern er darin seiner gehe es nun um das Essen von Schweinefleisch, um Organtransplantation,<br />
Überzeugung folgt. Ob solche Einstellung nun aber zugleich auch sittlich Todesstrafe oder Zinsnehmen, um das Problem des Wehrdienstes oder um die<br />
richtig ist, hängt demgegenüber einzig und allein von der Kraft der jeweiligen Errichtung von Kernkraftwerken, handelt ohne jeden Zweifel sittlich gut,<br />
Sachargumente ab, die er hierfür, gleichsam im Zuge einer möglichen<br />
sofern er darin seiner Überzeugung folgt. Ob solche Einstellung nun aber<br />
Gesamtinventur der hierbei ins Spiel kommenden Bedingungen und<br />
zugleich auch sittlich richtig ist, hängt demgegenüber einzig und allein von der<br />
Konsequenzen erbringen kann" ( ebd. S. 39).<br />
Kraft der jeweiligen Sachargumente ab, die er hierfür, gleichsam im Zuge einer<br />
möglichen Gesamtinventur der hierbei ins Spiel kommenden Bedingungen und<br />
Konsequenzen erbringen kann. Seine letztlich auch hier wiederum auf<br />
Güterabwägung beruhenden Argumente müssen - mit Kant zu sprechen - eine "<br />
freie und öffentliche Prüfung aushalten können"33. Wo immer sonach<br />
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12.01.2014<br />
436<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979, S. 39<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 253<br />
2) Das Verhältnis von Autorität und Autonomie gewinnt in den ...... das<br />
Verhältnis von individuellem Gewissen und dem Lehramt der katholischen<br />
Kirche eine im Laufe der Kirchengeschichte stets aktuell gebliebene<br />
Thematisierung, die wir kurz aufgreifen möchten: Es steht zunächst ausser<br />
Frage, daß der katholische Christ an Verlautbarungen des Lehramtes nicht<br />
vorbeisehen kann. Es ist aber gleichermaßen fraglos, daß der spezifische<br />
Anspruch des Lehramtes nicht dazu führen kann, das individuelle Gewissen, d.<br />
h. die selbst zu verantwortende Entscheidung des einzelnen unmöglich'zu<br />
machen. Für das verantwortliche sittliche Handeln eines mündigen Menschen<br />
gilt in erster Linie das Gewicht der Sachgründe. " Auch wenn man sich auf die<br />
Glaubensvernunft beruft, muß man mit sittlich-normativen Aussagen<br />
vernünftig umgehen" ( Böckle,Franz: Fundamentalmoral. S. 327). Nach der<br />
übereinstimmenden Auffassung beider vatikanischer Konzilien bezieht sich die<br />
spezifische Lehrkompetenz der Kirche im Bereich der Moral auf die Anwendung<br />
des Glaubens auf das sittliche Leben. Von daher muß gefragt werden, " was aus<br />
der spezifischen Glaubenseinsicht für die sittliche Erkenntnis resultiere" und "<br />
welche Rückwirkungen möglicherweise der Fortschritt der Erkenntnis im<br />
Weltethos haben könnte für die Glaubensbotschaft" ( ebd. S. 329). Unter<br />
Auswertung dessen, was zur Eigenart des Sittlichen gesagt wurde, kann darauf<br />
nach Böckle geantwortet werden: " Der Glaube eröffnet dem transzendental<br />
sittlichen Akt<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
wie sich aus dem Kontext ergibt - mit der Weisung eine interpretative Aussage,<br />
also eine Lehrmeinung zu einer Sachfrage des Naturrechts gemeint ist. Hierbei<br />
muß sich das verantwortliche sittliche Handeln eines mündigen Menschen in<br />
erster Linie nach der Einsicht richten, und dafür zählt in erster Linie das<br />
Gewicht der Sachgründe. Man wird sich in solchen Fragen auch gerne einer<br />
kompetenten Führung anvertrauen, wenn man überzeugt ist, daß für die<br />
Autorität nur Sachgründe maßgebend sind. Auch wenn man sich auf die<br />
Glaubensvernunft beruft, muß man mit sittlich-normativen Aussagen<br />
vernünftig umgehen. Man hat ihre kategoriale Eigenstruktur in jedem Schritt<br />
zu beachten. Das natürliche Sittengesetz muß sich prinzipiell argumentativ<br />
aufweisen lassen. Man kann sieb vor den Menschen<br />
die\ Kirche in dem Maße moralische Autorität gewinnt, als sie sich einer<br />
offenen argumentativen Auseinandersetzung stellt. 1 C. Die spezifische<br />
Lehrkompetenz Nach der übereinstimmenden Lehre beider vatikanischen<br />
Konzilien 19<br />
bezieht sich die spezifische Lehrkompetenz der Kirche im Bereich<br />
der Moral auf die Anwendung des Glaubens auf das sittliche Leben. In "Lumen<br />
gentium" wird ausdrücklich gesagt, das Lehramt habe "fidem credendam et<br />
moribus applicandam praedicare" (Nr. 25). Daraus ergeben sich zwei ganz<br />
konkrete Fragen: zunächst und vornehmlich, was aus der spezifischen<br />
Glaubenseinsicht für die sittliche Erkenntnis resultiere; und dann mehr in<br />
obliquo, welche Rückwirkungen möglicherweise der Fortschritt der Erkenntnis<br />
im Weltethos haben könnte für die Glaubensbotschaft (s nete custodiendum et<br />
fideliter exponendum) 20 . Darauf kann man sachgerecht nur antworten, wennman<br />
die Eigenart des Sittlichen genau beachtet. Wir haben sie in § 22 dargelegt.<br />
Unter Beachtung<br />
des Sittlichen genau beachtet. Wir haben sie in § 22 dargelegt. Unter<br />
Beachtung der dort gewonnenen Einsichten ergibt sich für die "applicatio fidei"<br />
im Bereich der Moral: - Der Glaube eröffnet dem transzendental sittlichen Akt<br />
sein eigentliches und umfassendes Ziel. Der damit gegebene Heilsbezug gehört<br />
mit der Lehre von Gnade und Rechtfertigung fraglos zum klassischen<br />
Lehrbereich der Kirche. - Mit diesem<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 327<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 329<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977, S. 330<br />
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22% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 260<br />
1) vgl. dazu: Nosbüsch,Johannes: Das Personproblem in der gegenwärtigen<br />
Philosophie. In: Gerner,Berthold (Hrsg.): a.a.O. S. 33-88. Dort wird ein<br />
Überblick über das Verständnis des Personbegriffs gegeben mit Ausrichtung<br />
auf die Unterscheidung einer " mehr statischen und einer mehr dynamischen<br />
Betrachtung der Person. ... Im ersten Fall ist der Mensch Person, im letzteren<br />
wird er erst Person" ( ebd. S. 35).<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
verhältnismäßig unergiebig, da sie zu wenig Abstufungen und Ubergänge<br />
zuläßt. Sehr viel günstiger ist es, im Anschluß an einen Gedankengang von<br />
WALTHER BRÜNING zwischen einer mehr statischen und einer mehr<br />
dynamischen Betrachtung der Person zu unterscheiden 4 . Die verschiedenen<br />
Auffassungen über die Person sind dann zunächst einmal daraufhin zu<br />
untersuchen, ob und in welchem Maße sie das Personsein dem Menschen<br />
und in welchem Maße sie das Personsein dem Menschen immer schon mit- bzw.<br />
vorgegeben sein lassen, oder es ihm erst zur Aufgabe machen. Im ersteren Fall<br />
ist der Mensch Person, im letzteren wird er erst Person. Fällt die Entscheidung<br />
zugunsten der dynamischen Betrachtungsweise, dann kann nach zwei<br />
Richtungen hin weiterdifferenziert werden. Erstens kann man das Werden<br />
daraufhin prüfen, wieweit es unter<br />
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438<br />
139 Gerner, Berthold: Personale Erziehung . Darmstadt 196..., 1965, S. 35<br />
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1% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 265<br />
2) Die Begriffe "Sitte" und "Mode" werden hier im Sinne Max Webers<br />
gebraucht. Er bezeichnet dasjenige als "Brauch", was die " tatsächlich<br />
bestehende Chance einer Regelmäßigkeit der Einstellung sozialen Handelns"<br />
hat, wobei die Chance ihres Bestehens innerhalb eines Kreises von Menschen<br />
lediglich durch tatsächliche Übung gegeben ist. Zwei Arten von "Brauch" sind<br />
die "Sitte" und die "Mode". Sie unterscheiden sich in der Ursache ihrer Geltung:<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
von Handeln. Mit diesen Typen des Ablaufs von Handeln befaßt sich die<br />
Soziologie, im Gegensatz zur Geschichte als der kausalen Zurechnung<br />
wichtiger, d. h. schicksalhafter, Einzelzusammenhänge. Eine tatsächlich<br />
bestehende Chance einer Regelmäßigkeit der Einstellung sozialen Handelns<br />
soll heißen Brauch, wenn und soweit die Chance ihres Bestehens innerhalb<br />
eines Kreises von Menschen lediglich durch tatsächliche Uebung gel) Im<br />
übrigen vgl. Wirtschaft und Gesellschaft, I. Teil. Kapitel I § 9 und § 13. § 4-<br />
Typen sozialen Handelns: Brauch, Sitte. geben ist. Brauch soll heißen Sitte,<br />
wenn die tatsächliche Uebung<br />
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439<br />
178 Weber, Max: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaf..., 1973, S. 570<br />
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7% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 266<br />
1) Ein Blick auf 50.000 Jahre Menschheitsgeschichte, in der wir bei einem<br />
Durchschnittsalter von 62 Jahren im 800. Lebensalter stehen, zeigt, wie rasant<br />
technische Entwicklungen in wenigen Lebensaltern fortgeschritten sind: rund<br />
650 Lebensalter lebten die Menschen in Höhlen; seit 70 Lebensaltern gibt es<br />
Kommunikation zwischen den Menschen durch das geschriebene Wort und<br />
seit erst 6 für die Masse der Menschen das gedruckte Wort" seit 4 Lebensaltern<br />
kennen Menschen exakte Zeitmessung und seit 2 elektrischen Strom. Die<br />
meisten der für uns heute selbstverständlich gewordenen Gebrauchsgüter sind<br />
erst im Laufe unseres 800. Lebensalters entwickelt worden (vgl. dazu: Töffler,<br />
A.: The future shock. New York 1970. Kapitel 1. zitiert ......<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
Blick auf 50000 Jahre Menschheitsgeschichte und einem Durchschnittsalter der<br />
Menschen von 62 Jahren jetzt im 800. Lebensalter stehen, von denen die<br />
Menschheit rund 650 in Höhlen verbracht hat: erst seit 70 Lebensaltern gibt es<br />
Kommunikation zwischen den Generationen durch das geschriebene Wort, erst<br />
seit 6 für Massen von Menschen das gedruckte Wort, erst seit 4 exakte<br />
Zeitmessung und erst seit 2 einen elektrischen Motor. Die<br />
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440<br />
128 Küng, Hans: Christ sein (Auszug), 1974, S. 30<br />
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4% Einzelplagiatswahrscheinlichkeit
Textstelle (Prüfdokument) S. 281<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
2) " Ich fühl es, ach: nichts mag beruhigen uns Inmitten vieler Kümmernis der qualvollen Kampf mit dem eigenen Gewissen, mit den von Kindheit an<br />
Erde; Nichts, gar nichts ... wenn nicht einzig das Gewissen - Denn ist es rein, gewohnten moralischen Forderungen. Sehr stark ist der Ausdruck der<br />
so wird es triumphieren, Ob auch Verleumdung oder Bosheit drohe; Doch wenn Gewissenqualen im Monolog Boris Godunows: " Ich fühl es, ach: nichts mag<br />
auf ihm auch nur ein Flecken ist, Ein einziger, und sei es rein zufällig. Dann beruhigen uns Inmitten vieler Kümmernis der Erde; Nichts, gar nichts . . . wenn<br />
steht es schlimm: wie eine Pestilenz Verzehrt's die Seele, Gift durchströmt den nicht einzig das Gewissen Denn ist es rein, so wird es triumphieren, Ob auch<br />
Busen, Der Vorwurf pocht im Ohr mit Hammerschlägen, Ein Übelsein Verleumdung oder Bosheit drohe; Doch wenn auf ihm auch nur ein Flecken ist,<br />
bedrängt, im Kopfe schwindelt's Und vor den Augen Knaben blutbeströmt ... Ein einziger, und sei es rein zufällig, Dann steht es schlimm: wie eine<br />
Man möchte fliehn ... weiß nicht wohin ... entsetzlich!... Unselig ist, wen das Pestilenz Verzehrt's die Seele, Gift durchströmt den Busen, Der Vorwurf pocht<br />
Gewissen quält." ( Puschkin,Alexander: Boris Godunow. In: Ausgewählte Werke. im Ohr mit Hammerschlägen, Ein Übelsein bedrängt, im Kopfe schwindelt's<br />
Bd. 3. S. 30/31. zitiert nach: Schischkin,A.F.: Das Gewissen. In: Blühdorn,<br />
Jürgen(Hrsg.): Das Gewissen in der Diskussion. S. 343-352. hier: S. 346.<br />
Und vor den Augen Knaben blutbeströmt . .. Man möchte fliehn . .. weiß nicht<br />
wohin . . . entsetzlich! . . . Unselig ist, wen das Gewissen quält." 5<br />
Wie die<br />
anderen Kategorien der Ethik ist der Begriff Gewissen nicht nur auf die<br />
Handlungen einzelner Personen, sondern auch auf die Handlungen ganzer<br />
Klassen und<br />
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12.01.2014<br />
441<br />
152 Schischkin, Alexander F.: Das Gewissen, in: Blühdorn, J. (Hrs..., 1976, S. 346<br />
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Textstelle (Prüfdokument) S. 289<br />
Textstelle (Originalquellen)<br />
1) ebd. S. 28/29. " Es ist ein Selbstbewußtsein für ein anderes Selbstbewußtsein reflexiv auf sich beziehen kann, weil er mit einem anderen Ich so in<br />
zunächst unmittelbar als ein anderes für ein anderes. Ich schaue in ihm als Ich Kommunikation tritt, daß beide einander reziprok als Ich erkennen und<br />
mich selbst an, aber auch darin ein unmittelbares daseiendes, als Ich absolut anerkennen können: " Es ist ein Selbstbewußtsein für ein anderes<br />
gegen mich selbständiges anderes Objekt" ( Hegel: Enzyklopädie § 430. zitiert Selbstbewußtsein zunächst unmittelbar als ein anderes für ein anderes. Ich<br />
nach: ebd. S. 29).<br />
schaue in ihm als Ich mich selbst an, aber auch darin ein unmittelbar<br />
daseiendes, als Ich absolut gegen mich selbständiges anderes Objekt." (<br />
Enzyklopädie § 430) Beiden Seiten gemeinsam ist das Wissen, daß sie sich<br />
jeweils im anderen anerkannt wissen; und dieses verallgemeinerte<br />
Selbstbewußtsein nennt Hegel Geist. Dieser Geist hat<br />
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442<br />
154 Habermas, Jürgen: Zwei Reden Aus Anlaß der Verleihung..., 1974, S. 27<br />
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Quellenverzeichnis<br />
1 Dittert, Kurt: Alternativen. Das Gewissen - fragwürdige Instanz, 1970<br />
2 Rauschning, Hermann: Gespräche mit Hitler. Zürich, Wien, New York, 1940<br />
3 Krautwig, Notker: Wesen und Aufgabe des Gewissens, Werl/Westf.: Dietrich Coelde Verlag (Mit beiden Augen gesehen, H. 8),<br />
1967<br />
4 Gamm, Hans Jochen: Umgang mit sich selbst, 1977<br />
5 Hammel, Walter: Aspekte sittlicher Erziehung, 1976<br />
6 Juros, Helmut: Gewissensbildung und Ethik, 1977<br />
7 Hirst, P.H.: Die Begründung der Erziehung durch die Vernunft (Auszug), 1972<br />
8 Platon,: Platon: Sämtliche Werke. Bd. 1, Berlin o.J. (Protagoras-Übersetzung von Franz Susemihl), 1856<br />
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Platon/Protagoras<br />
9 Brezinka, Wolfgang: ERZIEHUNG ALS LEBENSHILFE, 8. Aufl., 1971<br />
10 Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 10. Aufl., Frankfurt, 1974<br />
11 von Herder, Johann Gottfried: Abhandlung über den Ursprung der Sprache , 1772<br />
http://gutenberg.spiegel.de/buch/2013/1<br />
12 Buythendijk, Frederik J. J.: Mensch und Tier. Ein Beitrag zur vergleichenden Psychologie, 1958<br />
13 Plessner, Helmuth: Über das Welt-Umweltverhältnis des Menschen, 1950<br />
14 Katz, David: Mensch und Tier, ein psychologischer Vergleich, 1946<br />
15 Portmann, Adolf: DIE TYPISCHE ENTWICKLUNG HÖHERER SÄUGETIERE (Portmann 1956), 1956<br />
16 Portmann, Adolf: Zoologie und das neue Bild vom Menschen, 1956<br />
17 Hollenbach, Johannes Michael: Der Mensch als Entwurf, 1956<br />
18 Portmann, Adolf: (Biologie und Anthropologie) Portmann 1956, 1956<br />
19 Roth, Heinrich: Pädagogische Anthropologie, Band I, 4. Aufl., 1976<br />
20 o.V.,: ANTHROPOLOGISCHE UND GESELLSCHAFTLICHE VORAUSSETZUNGEN DER Erziehung, Materialien und Basistexte (2000), 1979<br />
https://www.tu-braunschweig.de/Medien-DB/hispaed/erziehung.pdf<br />
21 Biemel, Walter: Martin Heidegger, in: In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, 1973<br />
22 Heidegger, Martin: Sein und Zeit (Auszüge), 1976<br />
23 Hollenbach, Johannes Michael: Sein und Gewissen, 1954<br />
24 Gehlen, Arnold: Anthropologische Forschung, 1977<br />
25 Arendt, Hanna: Vita activa oder Vom tätigen Leben, 1960<br />
26 Süssmuth, Rita: Handbuch pädagogischer Grundbegriffe: ERZIEHUNGSBEDÜRFTIGKEIT (Süssmuth), 1970<br />
27 Weber, Erich: Der Erziehungs- und Bildungsbegriff im 20. Jahrhundert, 3. Aufl., Bad Heilbrunn, 1972<br />
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Quellenverzeichnis<br />
28 Wehle, Gerhard: Person und Erziehung. Zur Stellung des Personbegriffs im pädagogischen Denken der Gegenwart, 1966<br />
29 Flitner, Wilhelm: Allgemeine Pädagogik, 15. Aufl., 1997, 1975<br />
30 Loch, Werner: Enkulturation als anthropologischer Grundbegriff der Pädagogik, 1971<br />
31 Fend, Helmut: Sozialisierung und Erziehung. Eine Einführung in die Sozialisierungsforschung, 8. Aufl., 1976<br />
32 Klafki, Wolfgang: Erziehungswissenschaft. Eine Einführung (Auszug), 1977<br />
33 Wurzbacher, Gerhard: Sozialisation Enkulturation Personalisation, 1974<br />
34 Dienelt, Karl: Anthropologie des Jugendalters, 1974<br />
35 Hupperschwiller, Lutz: Gewissen und Gewissensbildung in jugendkriminologischer Sicht, 1970<br />
36 Walter, Heinz: Sozialisationsforschung, 1. Band, Stuttgart 1973, 1973<br />
37 Scharmann, Theodor: Die individuelle Entwicklung in der sozialen Wirklichkeit, 1972<br />
38 Scharmann, Theodor: Psychologische Beiträge zu einer Theorie der sozial-individualen Integration, 1974<br />
39 Speck, Josef: Die anthropologische Fundierung erzieherischen Handelns, 1968<br />
40 Langeveld, Martinus Jan: Kind und Jugendlicher in anthropoogischer Sicht, 3. Aufl., 1968<br />
41 Splett, Jörg: Der Mensch ist Person. Zur christlichen Rechtfertigung des Menschseins, 2. Aufl. (1986), 1978<br />
42 Ritter, Joachim: Historisches Wörterbuch der Philosophie, 3 Bände, Basel, 1974<br />
43 Huijts, Joseph Hubertus: Gewissensbildung, 1969<br />
44 Tröger, Walter: Erziehungsziele, 1974<br />
45 Baumhauer, Otto: Das Vor-Urteil des Gewissens, 1970<br />
46 von Monakow, Constantin: Die Syneidesis, das biologische Gewissen, 1966<br />
47 Oser, Fritz: Das Gewissen lernen, 1976<br />
Worte: 817 (von 76.287) = 2 %<br />
48 Böckle, Franz: Naturrecht in der Kritik, 1973<br />
49 Wulf, Christoph: Das politisch-sozialwissenschaftliche Curriculum. Eine Analyse der Curriculumentwicklung in den USA, 1973<br />
http://www.pedocs.de/volltexte/2010/1510/pdf/Das_politisch_sozialwissenschaftliche_Curriculum_D_A.pdf<br />
50 Luhmann, Niklas: Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, 1965<br />
51 Blühdorn, Jürgen: Das Gewissen in der Diskussion, Darmstadt 1976 (Wege der Forschung. Bd.37) , 1976<br />
52 Blaß, Josef Leonhard: Modelle pädagogischer Theoriebildung, Band II (Auszug), 1978<br />
53 Freud, Sigmund: Gesammelte Werke 1920-1939. Schriften, Vorträge und Aufsätze zur Psychoanalyse, 1939<br />
http://www.textlog.de/freud-psychoanalyse-gesammelte-werke-1920-1939.html<br />
54 Laplanche, Jean: Das Vokabular der Psychoanalyse, 1. Band, 1973<br />
55 Laplanche, Jean: Das Vokabular der Psychoanalyse, 2. Band, 1973<br />
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Quellenverzeichnis<br />
56 Stadter, Ernst: Psychoanalyse und Gewissen, 1970<br />
57 Spengler, Ernst: Das Gewissen bei Freud und Jung. Mit einer philosophisch-anthropologischen Grundlegung, 1964<br />
58 Bally, Gustav: Die Psychologie Sigmund Freuds, 1959<br />
59 Freud, Sigmund: Das Ich und das Es, 1940<br />
http://www.irwish.de/PDF/Sigmund%20Freud%20-%20Das%20Ich%20und%20das%20Es.pdf?ie=UTF8&s=books&qid=1251348<br />
60 PSYCHOANALYSE UND PERSÖNLICHKEIT, 1956<br />
61 Bally, Gustav: Einführung in die Psychoanalyse Sigmund Freuds. Mit Originaltexten Freuds, 1961<br />
62 Klier, Gerhard: Gewissensfreiheit und Psychologie. Der Beitrag der Psychologie zur Normbereichsanalyse des Grundrechts der<br />
Gewissensfreiheit, 1977<br />
63 Nowak, Antoni J.: Gewissen und Gewissensbildung heute in tiefenpsychologischer und theologischer Sicht, Wien/Freiburg, 1978<br />
Worte: 839 (von 76.287) = 2 %<br />
64 Schröder, Hartwig: Wertorientierter Unterricht, 1978<br />
65 Kelsen, H.: Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960<br />
66 Frankl, Viktor E.: Das Gewissen in der Neurose. In: Frankl, Viktor E. u.a. (Hrsg.): Handbuch der Neurosenlehre und Psychotherapie<br />
. Band I I . S.692-726, 1959<br />
67 Erikson, Erik H.: Identität und Lebenszyklus Drei Aufsätze, 6. Aufl. (1980), 1979<br />
68 Nipkow, Karl-Ernst: Gewissenserziehung als pädagogisches Problem, 1964<br />
69 Helbig, Ludwig: Sozialisation Eine Einführung, 1979<br />
70 Erikson, Erik H.: Kindheit und Gesellschaft, 1976<br />
71 Häfner, Heinz: Das Gewissen aus tiefenpsychologischer Sicht, 1967<br />
72 Stachel, Günter: ethisch handeln lernen, 1978<br />
73 Adler, Alfred: Menschenkenntnis. 5. Aufl. , 1947<br />
74 Jacoby, Henry: Alfred Adlers Individualpsychologie und dialektische Charakterkunde, 1974<br />
75 Nuttin, Joseph: Psychoanalyse und Persönlichkeit, 1955<br />
76 Adler, Alfred: Grausamkeit - Gewissen - Perversion und Neurose. In: Petrilowitsch (1966), 1966<br />
77 Fromm, Erich: Psychoanalyse und Ethik, Zürich 1954, S. 158 ff, 173f, 180. Zitiert nach: E. Stadter, Psychoanalyse und Gewissen,<br />
Stuttgart 1970, 1970<br />
http://www.anne-tucker.de/Phil-Eth-FROMM.pdf<br />
78 o.V.,: Das Gewissen. Zürich 1958 (Studien des C. G. Jung Instituts 7), 1958<br />
79 Jacobi, Jolande: Der Weg zur Individuation, 1971<br />
80 Dokumentation mutmaßlicher Plagiate in der Dissertation von Prof. Dr. Annette Schavan (2012), 1979<br />
http://s.sork.so/pdf/plagiatsdokumentation_schavan_020512.pdf<br />
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Quellenverzeichnis<br />
81 Jung, Carl Gustav: Das Gewissen in psychologischer Sicht, 1966<br />
82 Frankl, Viktor E.: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk (Auszug), 1979<br />
83 Zulliger, Hans: Psychoanalyse und die Entwicklung und Erziehung des Gewissens, in: Cremerius, Johannes (Hrsg.): Psychoanalyse<br />
und Erziehungspraxis, S.166 - 184, 1957<br />
84 Zulliger, Hans: Psychoanalyse und die Entwicklung und die Erziehung des Gewissens. In: Freud in der Gegenwart. Frankfurt/M.<br />
1957, S. 379 bis 400., 1957<br />
85 Jung, Carl Gustav: ERINNERUNGEN TRÄUME GEDANKEN (Auszug), 1962<br />
86 von Wiesenhütter, Eckart: Werden und Handeln, 1962<br />
87 Baldwin, Alfred L.: Theorien primärer Sozialisationsprozesse Band 1, 1974<br />
88 Piaget, Jean: Das moralische Urteil beim Kinde, 1954<br />
89 Lersch, Phillip: Zum Personenverständnis in der Psychologie, 1966<br />
90 Lersch, Phillip: Aufbau der Person, 11. Aufl. , 1970<br />
91 Schwartländer, Johannes: Der Mensch ist Person. Kants Lehre vom Menschen, 1968<br />
92 Stelzenberger, Johannes: Das Gewissen. Besinnliches zur Klarstellung eines Begriffes, 1961<br />
http://pdf.edocr.com/71a1d065c646774b2011067e066b72ce93653307.pdf<br />
93 Stelzenberger, Johannes: Syneidesis, conscientia, Gewissen. Studie zum Bedeutungswandel eines moraltheologischen Begriffes,<br />
1963<br />
94 Kuhn, Helmut: BEGEGNUNG MIT DEM SEIN, 1953<br />
95 Böckle, Franz: Fundamentalmoral, 1977<br />
Worte: 845 (von 76.287) = 2 %<br />
96 Beck, Lewis W.: Kants Kritik der praktischen Vernunft . Ein Kommentar, 2. Aufl. 1985 (Auszug), 1978<br />
97 Hörmann, Karl: Artikel Gewissen, in: Hörmann (1976) , 1976<br />
98 Preuß, Ulrich K.: Die Internalisierung des Subjekts. Zur Kritik der Funktionsweise des subjektiven Rechts , 1979<br />
99 Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1799<br />
http://irwish.de/PDF/Immanuel%20Kant%20-%20Grundlegung%20zur%20Metaphysik%20der%20Sitten.pdf<br />
100 o.V.,: Kant-Studien. Philosophische Zeitschrift, 1900<br />
http://www.archive.org/stream/kantstudienphilo04kantuoft/kantstudienphilo04kantuoft_djvu.txt<br />
101 Beck, Lewis W.: Kants " Kritik der praktischen Vernunft" München 1974, 1974<br />
102 Forschner, Maximilian: Gesetz und Freiheit. Zum Problem der Autonomie bei I. Kant, 1974<br />
103 Gründel, Johannes: Das Gewissen als 'norma normans' und 'norma nor-mata'. In: Grenzfragen des Glaubens. Versuche christlicher<br />
Ortsbestimmung in unserer Zeit. Hrsg. v. Ch. Hörgl u. Fr. Rauh. Einsiedeln 1967, S. 389 422., 1967<br />
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Quellenverzeichnis<br />
104 Stoker, H.G.: Das Gewissen, 1925<br />
105 Eisler, Rudolf: Kant-Lexikon. Nachschlagewerk zu Kants sämtlichen Schriften, Briefen und handschriftlichen Nachlaß (Auszug),<br />
1930<br />
http://www.textlog.de/rudolf-eisler.html<br />
106 Mokrosch, Reinhold: Das religiöse Gewissen, 1979<br />
107 Gass, Wilhelm: Die Lehre vom Gewissen. Ein Beitrag zur Ethik, 1869<br />
108 Stelzenberger, Johannes: Gewissen, in: Handbuch theologische Grundbegriffe, 1962<br />
109 Roth, Heinrich: Zur pädagogischen Psychologie des Gewissens und der Gewissenserziehung, 1957<br />
110 Meyer, Rudolf: Vernunft und Gewissen, in: Humanität und politische Verantwortung, Festschrift Hans Barth (1964) Erlenbach-Zürich,<br />
S. 214 ff., 1964<br />
111 Welzel, Hans: Vom irrenden Gewissen. Eine rechtsphilosophische Studie, 1949<br />
112 o.V.,: Kant-Studien. Philosophische Zeitschrift, 1921<br />
http://www.archive.org/stream/kantstudienphilo2627kantuoft/kantstudienphilo2627kantuoft_djvu.txt<br />
113 Diemer, Alwin: Zum Problem des Materialen in der Ethik Kants, in: Kantstudien (Sonderdruck). Band 45. Heft 1-4. Köln 1953/54.<br />
S. 21-32., 1954<br />
114 Frankl, Viktor E.: Handbuch der Neurosenlehre und psychotherapie, 2. Band: Spezielle Neurosenprophylaxe (Auszug), 1959<br />
115 Neuhäusler, Anton: Phänomenlogie des Gewissens, 1968<br />
116 Cullberg, John: Das Du und die Wirklichkeit. Zum ontologischen Hintergrund der Gemeinschaftskategorie, Uppsala Universitetes<br />
rsskrift, 1933<br />
http://www.vordenker.de/ggphilosophy/j-cullberg_du-und-wirklichkeit.pdf<br />
117 Kuhn, Helmut: Die ontologische Bedeutung des Gewissens, 1970<br />
118 Derbolav, Josef: Systematische Perspektiv der Pädagogik, 1971<br />
119 Merkert, Rainald: Didaktik und Fachdidaktik Religion, 1979<br />
120 Fischer, Franz: Darstellung der Bildungskategorien im System der Wissenschaften, 1975<br />
121 Böckle, Franz: Grundbegriffe der Moral. Gewissen und Gewissensbildung, 8. Aufl., 1966<br />
122 Golser, Karl: GEWISSEN UND OBJEKTIVE SITTENORDNUNG, 1975<br />
123 Bujo, Benezet: Moralautonomie und Normenfindung bei Thomas von Aquin. Unter Einbeziehung der neutestamentlichen Kommentare,<br />
1979<br />
124 Halter, Hans: Taufe und Ethos. Eine Untersuchung zu den paulinischen Gemeindebriefen im Rahmen der moraltheologischen Propriumsdiskussion<br />
(Auszug), 1975<br />
125 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, in: Katechetische Blätter, 1977<br />
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Quellenverzeichnis<br />
126 Auer, Alfons: Autonome Moral und christlicher Glaube, 1971<br />
127 Auer, Alfons: Die Bedeutung des Christlichen bei der Normfindung, in: Sauer (1977), 1977<br />
128 Küng, Hans: Christ sein (Auszug), 1974<br />
129 Partei und System, Eine kritische Einführung in die Parteienforschung, 1973<br />
130 van der Marek, Wilhelm: Grundzüge einer christlichen Ethik, 1967<br />
131 Walgenbach, Christoph: Die Autonomie des Sittlichen nach Thomas von Thomas von Aquin, in: Christlich glauben und handeln,<br />
Düsseldorf, 1977<br />
132 Böckle, Franz: Glaube und Handeln, 1976<br />
133 Hertz, Anselm: Normfindung und Normerkenntnis in der Moraltheologie, in: Teichtweier/Dreier (1971), 1971<br />
134 Vergote, Antoon: Gott unser Vater, 1977<br />
135 Korff, Wilhelm: Kernenergie und Moraltheologie, 1979<br />
http://epub.ub.uni-muenchen.de/4535/1/4535.pdf<br />
136 Böckle, Franz: Unfehlbare Normen , 1973<br />
137 Böckle, Franz: Hat die christliche Gewissensbildung etwas unterscheidend Christliches , 1977<br />
138 Kümmel, Friedrich: ZUM PROBLEM DES GEWISSENS, in: Blühdorn, J. (Hrsg.): Das Gewissen in der Diskussion, Darmstadt 1976,<br />
1976<br />
139 Gerner, Berthold: Personale Erziehung . Darmstadt 1965. (Wege d e r Forschung Band 2 9 ) . , 1965<br />
140 Welte, Bernhard: Zum Begriff der Person, 1975<br />
141 Petzelt, Alfred: Personalität, 1965<br />
142 Gründel, Johannes: Entfaltung des kindlichen Gewissens, 1973<br />
http://epub.ub.uni-muenchen.de/10183/1/10183.pdf<br />
143 Kerstiens, Ludwig: Erziehungsziele neu befragt, 1977<br />
144 Thielicke, Helmut: Gefährdung der Freiheit durch die Freiheit , 1963<br />
145 Rausch, Jürgen: Über das Menschenmögliche, 1963<br />
146 Platt, John R.: Programme für den Fortschritt, 1971<br />
147 Prim, Rolf: Grundlagen einer kritisch-rationalen Sozialwissenschaft (Auszug), 1973<br />
148 Maas, Alfons: Gesetz und Gewissen, 1967<br />
149 Reiner, Hans: Die Funktionen des Gewissens, 1976<br />
150 Das Konzentrationskontrolle in Großbritannien, 1974<br />
151 Weischedel, Wilhelm: Wirklichkeit und Wirklichkeiten. Aufsätze und Vorräge, Berlin, 1960<br />
152 Schischkin, Alexander F.: Das Gewissen, in: Blühdorn, J. (Hrsg.): Das Gewissen in der Diskussion, Darmstadt 1976, 1976<br />
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Quellenverzeichnis<br />
153 Wörterbuch christlicher Ethik, Freiburg 1975, 1975<br />
154 Habermas, Jürgen: Zwei Reden Aus Anlaß der Verleihung des Hegel-Preises 1973 der Stadt Stuttgart an Jürgen Habermas am 19.<br />
Januar 1974, 1974<br />
155 Rülcker, Christoph: Soziale Normen und schulische Erziehung, 1978<br />
156 Schwartländer, Johannes: DIE MENSCHENRECHTE UND DIE NOTWENDIGKEIT EINER PRAKTISCHEN WELTORIENTIERUNG, 1976<br />
157 Claessens, Dieter: Familie und Wertsystem. Eine Studie zur zweiten, sozio-kulturellen Geburt des Menschen und der Belastbarkeit<br />
der Kernfamilie , 3. Aufl., 1972<br />
158 Betz, Felicitas: Über Entwicklungsstufen des Gewissens in der Kindheit, 1965<br />
159 Raths, Louis E.: Werte und Ziele, 1976<br />
160 Spaemann, Robert: Rousseaus Emile : Traktat über Erziehung oder Träume eines Visionärs Zum 200. Todestag von Jean-Jacques<br />
Rousseau, 1978<br />
161 Diederich, Honoratus: Kompetenz des Gewissens, 1968<br />
162 Spranger, Eduard: Ist der moderne Kulturprozeß noch lenkbar , 1969<br />
163 Frey, Karl: Menschenbild und Menschenführung, 1967<br />
164 Buber, Martin: Reden über Erziehung, 1962<br />
165 Bock, Irmgard: KOMMUNIKATION UND ERZIEHUNG. Grundzüge ihrer Beziehungen (Auszug), 1978<br />
166 Wehle, Gerhard: Die Bedeutung des Vorbildes in der Erziehung der Gegenwart, 1963<br />
167 Gehlen, Arnold: 2. Ablehnung des Stufenschemas (Auszug), 1962<br />
168 Scheler, Max: DIE STELLUNG DES MENSCHEN IM KOSMOS, 8. Aufl., 1975<br />
169 Bartels, Klaus: Die Pädagogik Herman Nohls in ihrem Verhältnis zum Werk Wilhelm Diltheys und zur heutigen Erziehungswissenschaft,<br />
1968<br />
170 Rahner, Karl: GRUNDKURS DES GLAUBENS, 6. Aufl. (Rahner, Auszug), 1976<br />
171 Heid, Helmut: Pädagogische Konsequenzen sozialkultureller Strukturwandlungen. Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialpädagogik,<br />
S. 191-265., 1967<br />
http://epub.uni-regensburg.de/25594/1/ubr12781_ocr.pdf<br />
172 Stelzenberger, Johannes: LEHRBUCH DER MORALTHEOLOGIE. Die Sittlichkeitslehre der Königsherrschaft Gottes (Auszug), 1953<br />
173 verschiedene, verschiedene: Untersuchung Plagiat Schavan (2012), 1980<br />
174 Korff, Wilhelm: Theologische Ethik. Eine Einführung, 1975<br />
175 Vom Gesetz zum Gewissen. Das Verhältnis von Gewissen und Gesetz und die Erneuerung der Kirche, 1968<br />
176 Beckstein, Günther: Der Gewissenstäter im Strafrecht und Strafprozeßrecht, 1975<br />
177 Hengstenberg, Hans-Eduard: Natürliche Ethik und Offenbarung, 1980<br />
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Prüfbericht<br />
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Quellenverzeichnis<br />
178 Weber, Max: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, (hrsg. von Johannes Winckelmann), Tübingen, 1973<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
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Glossar<br />
Ampel<br />
Anteil Fremdtexte (brutto)<br />
Entsprechend der Gesamtwahrscheinlichkeit wird ein Rating der Schwere durch die<br />
Ampelfarbe berechnet: grün (bis 19 %) = wenige Indizien unterhalb der<br />
Bagatellschwelle; gelb (20 bis 49 %) - deutliche Indizien enthalten, die eine<br />
Plagiatsbegutachtung durch den Prüfer notwendig machen; rot (ab 50 %) =<br />
Plagiate liegen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vor, die eine<br />
Täuschungsabsicht dokumentieren. Bei publizierten Dissertationen sollte ein<br />
offizielles Verfahren zur Prüfung und/oder zum Entzug des Doktortitels eröffnet<br />
werden.<br />
Anteil aller durch die Software automatisch gefundenen Bestandteile aus anderen<br />
Texten am Prüftext (von mindestens 7 Wörtern) in Prozent und Anzahl der Wörter<br />
gemessen. Dabei wird noch keine Interpretation auf Plagiatsindizien oder<br />
korrekte Übernahmen (z.B. Zitat, Literaturquelle) vorgenommen.<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
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451<br />
Anzahl Fremdtext (netto)<br />
Bauernopfer<br />
Compilation<br />
Eigenplagiat<br />
Einzelplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Anteil aller durch die Software automatisch gefundenen und als Plagiatsindizien<br />
interpretierten Bestandteile aus anderen Texten am Prüftext (von mindestens 7<br />
Wörtern) in Prozent und Anzahl der Wörter gemessen.<br />
Fehlende Quellenangabe bei einer inhaltlichen Zitierung (Paraphrase), wobei die<br />
Originalquelle an anderer Stelle des Textes angegeben wird.<br />
Zusammensetzen des Textes als "Patchwork" aus verschiedenen nicht oder<br />
unzureichend zitierten Quellen.<br />
Übernahme eines eigenen Textes des Autors ohne oder mit unzureichender<br />
Kennzeichnung des Autors. Auch wenn hier nur eigene Texte und Gedanken<br />
übernommen werden, handelt es sich um eine Täuschung. Der Prüfer geht davon aus,<br />
dass es sich hier um neue Texte und Gedanken des Autors handelt.<br />
Grobe Berechnung der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Plagiates des<br />
einzelnen Treffers.<br />
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Gesamtplagiatswahrscheinlichkeit<br />
Berechnung der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von Plagiaten durch<br />
Verknüpfung der Indizienanzahl, des Netto-Fremdtextanteils und der Schwere der<br />
einzelnen Plagiatsindizien.
Glossar<br />
Ghostwritersuche<br />
Indizien<br />
Literaturanalyse<br />
Mischplagiat - eine Quelle<br />
Über den statistischen Vergleich der Texte (Stilometrie) wird eine<br />
Wahrscheinlichkeit berechnet, ob die Texte von demselben Autor stammen.<br />
Dieser Prüfbericht gibt nur die von der Software automatisch ermittelten<br />
Indizien auf eine bestimmte Plagiatsart wieder. Die Feststellung eines Plagiats<br />
kann nur durch den Gutachter erfolgen.<br />
Die im Prüftext enthaltenen Literatureinträge im Literaturverzeichnis werden<br />
analysiert: Wird die Quelle im Text zitiert? Handelt es sich um eine<br />
wissenschaftliche Quelle? Wie alt sind die Quellen?<br />
Der Text wird hierbei aus verschiedenen Versatzstücken einer einzigen Quelle<br />
zusammengesetzt, also gemischt.<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
452<br />
Mischplagiat - mehrere Quellen<br />
Phrase<br />
Plagiat<br />
Plagiatsanalyse<br />
Plagiatssuche<br />
Der Text wird hierbei aus verschiedenen Versatzstücken aus verschiedenen<br />
Quellen zusammengesetzt, also gemischt.<br />
Die übernommenen Textstellen stellen allgemeintypische oder fachspezifische<br />
Wortkombinationen der deutschen Sprache dar, die viele Autoren üblicherweise<br />
verwenden. Solche Übernahmen gelten nicht als Plagiate.<br />
Übernahme von Leistungen wie Ideen, Daten oder Texten von anderen - ohne<br />
vollständige oder ausreichende Angabe der Originalquelle.<br />
Gefundene gleiche Textstellen (= Treffer) werden durch die Software automatisch<br />
auf spezifische Plagiatsindizien analysiert.<br />
Mit Hilfe von Suchmaschinen wird im Internet, in der Nationalbibliothek und im<br />
eigenen Dokumentenbestand nach Originalquellen mit gleichen oder ähnlichen<br />
Textstellen gesucht. Diese Quellen werden alle vollständig Wort für Wort mit<br />
dem Prüftext verglichen. Plagiatsindizien werden für Textstellen ab 7 Wörtern<br />
berechnet.<br />
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Plagiatswahrscheinlichkeit<br />
Grobe Berechnung der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Plagiates auf der
Glossar<br />
Stilometrie<br />
Teilplagiat<br />
Basis der Plagiatsindizien. Die Ampel zeigt drei Ergebnisse an: grün - keine<br />
Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Plagiates und somit keine weitere<br />
Überprüfung notwendig, gelb - mögliches Vorliegen eines Plagiates und somit<br />
eine weitere Überprüfung empfohlen, rot - hohe Wahrscheinlichkeit des<br />
Vorliegens eines Plagiates und somit weitere Überprüfung unbedingt notwendig.<br />
Texte werden dabei einzeln nach statistischen Kennzahlen (z.B. durchschnitliche<br />
Länge der Wörter, Häufigkeit bestimmter Wörter) analysiert. Sind diese<br />
Kennzahlen für zwei Texte ähnlich, liegt hier statistisch der gleiche "Stil"<br />
und somit mit hoher Sicherheit der selbe Autor vor.<br />
Ein Textbestandteil einer Quelle wurde vollständig ohne ausreichende Zitierung<br />
kopiert.<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
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453<br />
Textanalyse<br />
Textvergleich<br />
Übersetzungsplagiat<br />
Verschleierung<br />
Der einzelne Text wird durch die Software automatisch für sich allein<br />
analysiert, z.B nach statistischen Kennzahlen, benutzter Literatur,<br />
Rechtschreibfehlern oder Bestandteilen. Je nach Stand der Softwareentwicklung<br />
sind die absoluten Ergebnisse (z.B. Erkennung von Abbildungen, Fußnoten,<br />
Tabellen, Zitaten) im einzelnen eingeschränkt aussagefähig. Aufgrund der immer<br />
für alle Texte durchgeführten Analysen sind die relativen Unterschiede zwischen<br />
den Spalten (z.B. Diplomarbeit vs. Dissertation) uneingeschränkt aussagefähig.<br />
Jeder Text wird mit anderen älteren Texten vollständig verglichen. Gefundene<br />
gleiche Texstellen werden in einem weiteren Schritt z.B. auf Plagiatsindizien<br />
hin untersucht.<br />
Nutzung eines fremdsprachigen Textes durch Übersetzung.<br />
Ein Text wird ohne eindeutige Kennzeichnung (i.d.R. durch Anführungszeichen)<br />
Wort für Wort übernommen, aber mit Angabe der Quelle in der Fußnote. Dadurch<br />
wird der Prüfer getäuscht, der von einer nur inhaltlichen Übernahme ausgehen<br />
muss.<br />
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Vollplagiat<br />
Der gesamte Text wird vollständig ohne Zitierung kopiert.
Glossar<br />
Zitat - wörtlich<br />
Zitat - wörtlich - Veränderung<br />
Zitat - wörtlich - Verdrehung<br />
Übernommener Text wird z.B. mit Anführungszeichen korrekt dargestellt. Dieses<br />
wörtliche Zitat darf keine Veränderungen, Ergänzungen oder Auslassungen<br />
enthalten. Fehlt für das Zitat nach der Plagiatssuche ein Nachweis in einer<br />
Originalquelle, so wird der Treffer als "Zitat-wörtlich-im Text" bezeichnet.<br />
Einzelne Wörter einer korrekt gekennzeichneten wörtlichen Übernahme werden<br />
verändert oder weggelassen, ohne dass der Sinn verändert wird. Z.B.: "<br />
Unternehmung" wird durch "Unternehmen" ersetzt.<br />
In dem korrekt gekennzeichneten übernommenen wörtlichen Text wird der Sinn<br />
durch Austauschung einzelner Wörter deutlich verändert. Beispiel: "<br />
überentwickelten" statt "unterentwickelten".<br />
PlagiatService<br />
Prüfbericht<br />
11357<br />
12.01.2014<br />
454<br />
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