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2. Modifizierende Auflagen a) Als Besonderheit und weder in den ...

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setzt wer<strong>den</strong> kann, sondern auch, ob mit der Anfechtungsklage die Auflage angefochten oder<br />

mit der Verpflichtungsklage e<strong>in</strong>e Baugenehmigung ohne die beigefügte Bed<strong>in</strong>gung erstrebt wer<strong>den</strong><br />

kann.<br />

<strong>2.</strong> <strong>Modifizierende</strong> <strong>Auflagen</strong><br />

§ 8. Die Baugenehmigung 139<br />

a) <strong>Als</strong> <strong>Besonderheit</strong> <strong>und</strong> <strong>weder</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bauordnungen noch <strong>in</strong> § 36 VwVfG geregelt<br />

ist <strong>in</strong> der baurechtlichen Literatur83 <strong>und</strong> Rechtsprechung84 die sogenannte modifizierende<br />

Auflage entwickelt wor<strong>den</strong>. Diese Auflage modifiziert die Genehmigung <strong>und</strong><br />

verändert sie dadurch qualitativ – die modifizierende Auflage führt zu e<strong>in</strong>er modifizierten<br />

Genehmigung. In dieser Modifizierung liegt e<strong>in</strong>e Ablehnung der ursprünglich<br />

begehrten <strong>und</strong> zugleich die Erteilung e<strong>in</strong>er nicht beantragten Genehmigung. Auch<br />

hier geht es wie bei der echten Auflage darum, die dem Vorhaben entgegenstehen<strong>den</strong><br />

öffentlich-rechtlichen H<strong>in</strong>dernisse zu beseitigen <strong>und</strong> durch – allerd<strong>in</strong>gs nicht nur<br />

ger<strong>in</strong>gfügige, sondern qualitative – Veränderungen des Vorhabens die Genehmigungsfähigkeit<br />

herbeizuführen. Wird etwa der Baugenehmigung für e<strong>in</strong> Gebäude<br />

mit Satteldach der Zusatz beigefügt, das Bauwerk sei mit e<strong>in</strong>em Flachdach zu versehen,<br />

dann handelt es sich um e<strong>in</strong>e modifizierende Auflage. 85<br />

Die modifizierende Auflage ist ke<strong>in</strong>e echte Auflage <strong>und</strong> unterscheidet sich von dieser<br />

dadurch, dass sie untrennbarer Bestandteil der Genehmigung ist. Sie kann daher<br />

nicht selbständig aufgehoben wer<strong>den</strong> – <strong>weder</strong> durch die Behörde noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

gerichtlichen Verfahren. Der Bauherr muss mit e<strong>in</strong>er Verpflichtungsklage die (abgelehnte)<br />

Genehmigung ohne die modifizierende Auflage begehren. 86 Wie die echte<br />

Auflage ist die modifizierende Auflage allerd<strong>in</strong>gs als Verwaltungsakt selbständig<br />

durchsetzbar. Weyreuther87 hat m. E. überzeugend nachgewiesen, dass für die modifizierende<br />

Auflage e<strong>in</strong> praktischer Bedarf besteht, der <strong>in</strong> ihrer Funktion begründet<br />

ist: Mit der die Genehmigung überlagern<strong>den</strong> Anordnung, wie die modifizierende<br />

Auflage auch bezeichnet wer<strong>den</strong> könne, stehe der Behörde e<strong>in</strong> durchsetzbares Handlungs<strong>in</strong>strument<br />

zur Verfügung. Außerdem werde durch die unanfechtbar gewor<strong>den</strong>e<br />

Auflage zugleich die materielle Legalität „festgeschrieben“ <strong>und</strong> damit formalisiert –<br />

der Bauherr könne sich bei abweichender Bauausführung nicht auf die diese rechtfertigende<br />

materiell-rechtliche Rechtslage berufen. E<strong>in</strong>e große praktische Bedeutung<br />

kommt <strong>den</strong> Grüne<strong>in</strong>tragungen zu, die <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bauvorlagen das Vorhaben (leicht)<br />

modifizieren <strong>und</strong> damit die Versagung der Baugenehmigung vermei<strong>den</strong>. 88<br />

b) Die heftig kritisierte89 Rechtsprechung zur modifizieren<strong>den</strong> Auflage ist zwar auch<br />

für andere Rechtsgebiete übernommen wor<strong>den</strong>, 90 hat aber durch e<strong>in</strong>e weitere Entscheidung<br />

des BVerwG91 zum Baurecht e<strong>in</strong>e veränderte Begründung erfahren: Für<br />

die isolierte Aufhebung e<strong>in</strong>es Teils e<strong>in</strong>es Verwaltungsakts sei es nicht maßgebend,<br />

83 Weyreuther, DVBl. 1969, 295 (297) <strong>und</strong> DVBl. 1984, 365 m. w. Nachw.<br />

84 BVerwGE 36, 145 (153 f.); BVerwG BRS 28 Nrn. 111 <strong>und</strong> 112 m. w. Nachw.; VGH München<br />

BRS 27 Nr. 143.<br />

85 VGH Mannheim BRS 28 Nr. 113.<br />

86 S. die Rechtsprechung <strong>in</strong> Fn. 8<strong>2.</strong><br />

87 DVBl. 1984, 365 (372 f.).<br />

88 S. oben § 7 V 1 a. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Behörde nicht verpflichtet, auf diese Weise die Genehmigungsfähigkeit<br />

herbeizuführen, VGH Mannheim NVwZ-RR 1994, 133.<br />

89 Nachw. bei Weyreuther, DVBl. 1984, 365, sowie Rumpel, BayVBl. 1987, 577 <strong>und</strong> NVwZ<br />

1988, 502; s. auch die Literaturh<strong>in</strong>weise.<br />

90 Z. B. BVerwG NJW 1982, 2269 (Zweckentfremdungsrecht).<br />

91 NVwZ 1984, 366 = JuS 1984, 978 = BRS 42 Nr. 176.


140 <strong>2.</strong> Teil. Das bauordnungsrechtliche Verfahrensrecht<br />

ob sich die E<strong>in</strong>schränkung der Genehmigung als (echte) Auflage oder als e<strong>in</strong>e Veränderung<br />

des Genehmigungsgegenstandes, also als e<strong>in</strong>e andere als die beantragte<br />

Genehmigung darstellt. Maßgebend sei vielmehr, ob die Genehmigung mit e<strong>in</strong>em<br />

Inhalt bestehen bleiben kann, der der Rechtsordnung entspricht. Da diese Begründung<br />

zahlreiche neue Fragen aufwirft, trifft m. E. noch immer der Rat zu, bis zu<br />

deren Klärung die für die Praxis bewährte oben aufgezeigte Ansicht der Rechtsprechung<br />

beizubehalten. 92<br />

3. Befristungen <strong>und</strong> Widerrufsvorbehalte<br />

Zwar ist die Geltungsdauer e<strong>in</strong>er noch nicht ausgenutzten Baugenehmigung<br />

begrenzt, doch bleibt die ausgenutzte Genehmigung gr<strong>und</strong>sätzlich so lange bestehen<br />

wie die bauliche Anlage selbst. E<strong>in</strong>e Befristung oder e<strong>in</strong> Widerrufsvorbehalt 93 s<strong>in</strong>d<br />

mit der Rechtsnatur der Baugenehmigung als e<strong>in</strong>er geb<strong>und</strong>enen Entscheidung, 94 die<br />

die materielle Rechtmäßigkeit des Vorhabens im Zeitpunkt der Entscheidung feststellt<br />

<strong>und</strong> die Bauausführung freigibt, nur vere<strong>in</strong>bar, wenn sie ausdrücklich im Gesetz<br />

vorgesehen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> <strong>den</strong> Inhalt des Eigentums auch <strong>in</strong> dieser zeitlichen H<strong>in</strong>sicht –<br />

zulässigerweise – bestimmen (vgl. § 78 II 2 BauONW – Typengenehmigung, § 79 V<br />

BauONW – Fliegende Bauten). 95 E<strong>in</strong>e Befristung kommt auch <strong>in</strong> Betracht, wenn<br />

das materielle Recht lediglich auf diese Weise das Vorhaben zulässt (z. B. § 15 I<br />

BauNVO: Zumutbarkeit nur e<strong>in</strong>er befristeten Nutzung e<strong>in</strong>es Gebäudes als Aussiedlerwohnheim).<br />

96 Ermessensentscheidungen über die Erteilung von Ausnahmen oder<br />

Befreiungen bzw. Abweichungen können unter dem Vorbehalt des Widerrufs oder<br />

befristet ergehen (vgl. § 36 II Nrn. 1 u. 3 VwVfG).<br />

VI. Rücknahme <strong>und</strong> Widerruf der Baugenehmigung<br />

Nach der Term<strong>in</strong>ologie der Verwaltungsverfahrensgesetze des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder<br />

ist unter der „Rücknahme“ die behördliche Aufhebung e<strong>in</strong>es rechtswidrigen <strong>und</strong><br />

unter „Widerruf“ die e<strong>in</strong>es rechtmäßigen Verwaltungsakts zu verstehen (vgl. §§ 48<br />

<strong>und</strong> 49 VwVfG). Rechtswidrige Baugenehmigungen – auch wenn sie bereits ausgenutzt<br />

wor<strong>den</strong> s<strong>in</strong>d 97 – können (teilweise 98 ) zurückgenommen 99 <strong>und</strong> rechtmäßige (teil-<br />

92 Stelkens, NVwZ 1985, 469.<br />

93 VGH Mannheim BauR 2008, 1592; OVG Lüneburg BauR 2004, 1281 = NdsVBl 2004,<br />

219 (Pflicht zur Begründung nach <strong>den</strong> örtlichen Gegebenheiten, warum für e<strong>in</strong>e Werbeanlage<br />

e<strong>in</strong> Widerrufsvorbehalt beigefügt wird); OVG Münster NVwZ-RR 2004, 721 (Widerrufsvorbehalt<br />

für W<strong>in</strong><strong>den</strong>ergieanlage zum Schutz des Nachbarn).<br />

94 S. oben § 8II1.<br />

95 VGH Kassel NVwZ 1985, 429 <strong>und</strong> BRS 42 Nr. 145.<br />

96 OVG Berl<strong>in</strong> BRS 49 Nr. 50; ähnlich OVG Koblenz UPR 2002, 398 (befristete Aufstellung<br />

von Wohnconta<strong>in</strong>ern für Erntehelfer im Außenbereich); zur jahreszeitlichen Befristung e<strong>in</strong>er<br />

Gaststätte für Skiläufer <strong>und</strong> Wanderer im Außenbereich BVerwG NVwZ 2000, 678 = BRS 63<br />

Nr. 109. Zur zeitlich begrenzten Zulässigkeit e<strong>in</strong>es rechtswidrigen Vorhabens Ortloff, NVwZ<br />

2001, Sonderheft (Beilage Heft 11), 51.<br />

97 VGH München BRS 33 Nr. 153; allerd<strong>in</strong>gs kann die mit Ablauf ihrer Geltungsdauer erloschene<br />

Baugenehmigung nicht (mehr) zurückgenommen wer<strong>den</strong>, VGH München NVwZ-RR<br />

1991, 117.<br />

98 E<strong>in</strong>e teilweise Rücknahme kommt nur bei Teilbarkeit des genehmigten Vorhabens <strong>in</strong><br />

Betracht, OVG Saarl. BRS 58 Nr. 146 = BauR 1997, 283. A. A. OVG Berl<strong>in</strong> OVGE 22, 214<br />

= NVwZ-RR 1999, 9 = BRS 60 Nr. 151, das darauf abstellt, „dass objektiv der herauszulösende<br />

Teil e<strong>in</strong>deutig beschrieben wird <strong>und</strong> vom Gesamtvorhaben räumlich-gegenständlich oder, wenn


weise) widerrufen 100 wer<strong>den</strong>, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen; gegebenenfalls<br />

ist der Betroffene zu entschädigen. 101<br />

1. Vorbescheid<br />

§ 8. Die Baugenehmigung 141<br />

VII. Besondere Arten von Baugenehmigungen<br />

Bereits vor E<strong>in</strong>reichen des Bauantrages ist auf e<strong>in</strong>e Bauvoranfrage – e<strong>in</strong>en Antrag des<br />

Bauherrn zu e<strong>in</strong>zelnen Fragen se<strong>in</strong>es Vorhabens – e<strong>in</strong> schriftlicher Vorbescheid zu<br />

erlassen. Nach dem S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Zweck des Vorbescheids, e<strong>in</strong>e für das Baugenehmigungsverfahren<br />

b<strong>in</strong><strong>den</strong>de Wirkung zu erzeugen, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>zelne Fragen des Bauvorhabens<br />

nur solche, über die auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Baugenehmigung zu entschei<strong>den</strong> ist. 102 Deshalb<br />

darf zwar die Frage, ob das Vorhaben nach § 34 BauGB zulässig ist, gestellt<br />

wer<strong>den</strong>, nicht aber die Frage, ob das Baugr<strong>und</strong>stück im Innenbereich (§ 34 BauGB)<br />

gelegen ist. Die Fragen müssen dabei so exakt gestellt se<strong>in</strong>, dass sie von der Baugenehmigungsbehörde<br />

mit B<strong>in</strong>dungswirkung beantwortet wer<strong>den</strong> können. 103 Der Vorbescheid<br />

hat e<strong>in</strong>e Geltungsdauer je nach B<strong>und</strong>esland von zwei, drei, vier oder sechs<br />

Jahren (vgl. § 69 BbgBO; § 71 BauONW). 104 Die Geltungsdauer kann – ausgenom-<br />

es sich ausschließlich um e<strong>in</strong>zelne Regelungselemente handelt, <strong>in</strong>nerhalb des rechtlichen Gefüges<br />

der Genehmigung abgegrenzt wer<strong>den</strong> kann <strong>und</strong> dass ohne <strong>den</strong> zurückgenommenen Teil<br />

noch e<strong>in</strong>e rechtmäßige Baugenehmigung für e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoll nutzbares Vorhaben verbleibt“; das<br />

OVG Bautzen SächsVBl. 1999, 137, hält – zu Recht – diese Ansicht nicht für überzeugend.<br />

99 Zum behördlichen Ermessen VGH München BRS 38 Nr. 164 (private Interessen des Bauherrn);<br />

BVerwG NVwZ 2002, 730 = BRS 64 Nr. 71 (Ermessensreduzierung auf Null bei<br />

begründetem Nachbarwiderspruch). – Zum Fristbeg<strong>in</strong>n i. S. des § 48 IV 1 VwVfG: BVerwG<br />

Großer Senat BVerwGE 70, 356 = NJW 1985, 819 mit kritischen Anmerkungen von Kopp,<br />

DVBl. 1985, 525, <strong>und</strong> Weides, DÖV 1985, 431; zur Vorgeschichte dieser Entscheidung Martens,<br />

NVwZ 1985, 163, <strong>und</strong> Weides, DÖV 1985, 91. Dieser Rechtsprechung hat sich der für<br />

das Baurecht zuständige 4. Senat des BVerwG „auch <strong>in</strong> Kenntnis <strong>und</strong> Würdigung der sich<br />

mit diesem Beschluss (scil.: des Großen Senats) kritisch ause<strong>in</strong>andersetzen<strong>den</strong> Äußerungen <strong>in</strong><br />

der Literatur“, angeschlossen, NVwZ 1986, 119 = BRS 44 Nr. 157; ebenso OVG Münster<br />

BRS 44 Nr. 99 <strong>und</strong> NVwZ-RR 2000, 268 = BRS 62 Nr. 171; s. auch BVerwGE 110, 226<br />

(Kenntnis der zuständigen bzw. unzuständigen Behörde). – Dritten gegenüber wird die Rücknahme<br />

bereits mit ihrer Bekanntgabe an <strong>den</strong> Bauherrn wirksam, vgl. zum Atomrecht BVerwG<br />

NVwZ 1988, 151. Zur – gemäß § 50 VwVfG erleichterten – Rücknahme bei Drittwiderspruch<br />

OVG Bautzen LKV 1993, 97 = SächsVBl. 1993, 85 sowie SächsVBl. 1995, 286. Die Rücknahme<br />

wirkt gr<strong>und</strong>sätzlich ex tunc, OVG Münster BRS 65 Nr. 165; a. A. wohl OVG Bautzen<br />

LKV 2002, 417 = BRS 64 Nr. 169.<br />

100 Zum Widerrufsgr<strong>und</strong> der nachträglich e<strong>in</strong>getretenen Tatsachen, der e<strong>in</strong>schränkend auszulegen<br />

ist, OVG Berl<strong>in</strong> LKV 2004, 33 (Beschluss zur Aufstellung e<strong>in</strong>es Bebauungsplans ke<strong>in</strong><br />

Widerrufsgr<strong>und</strong>), <strong>und</strong> zum Widerrufsgr<strong>und</strong> der nachträglich veränderten Rechtslage VGH<br />

Mannheim VBlBW 2001, 323 (Veränderungssperre ke<strong>in</strong> Widerrufsgr<strong>und</strong>). Zur Gefährdung<br />

des öffentlichen Interesses i. S. des § 49 II 1 Nrn. 3 <strong>und</strong> 4 VwVfG, die bei fortbestehender Baugenehmigung<br />

wegen der eigentumskräftig verfestigten Rechtsposition des Bauherrn i. d. R.<br />

nicht anzunehmen ist, Ortloff, NVwZ 1983, 705 (708); s. auch OVG Münster NVwZ 1988,<br />

942 (beabsichtigte Abrissverfügung ke<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> für Widerruf); VGH Mannheim NVwZ-RR<br />

1992, 543 <strong>und</strong> 60<strong>2.</strong> Die Baugenehmigung an mehrere Miteigentümer muss diesen allen gegenüber<br />

widerrufen wer<strong>den</strong>, um die Wirkungen der Baugenehmigung zu been<strong>den</strong>, VGH Mannheim<br />

NVwZ 1994, 698 (L) = VBlBW 1994, 27.<br />

101 LG Detmold NVwZ 1991, 508.<br />

102 VGH München BauR 2008, 975; vgl. Schmaltz, BauR 2007, 975.<br />

103 OVG Weimar BRS 71 Nr. 65.<br />

104 S. oben § 7 IV 2 <strong>und</strong> § 8 IV 1 a, bb.


142 <strong>2.</strong> Teil. Das bauordnungsrechtliche Verfahrensrecht<br />

men <strong>in</strong> Bran<strong>den</strong>burg – verlängert wer<strong>den</strong>. Nach <strong>den</strong> Bauordnungen <strong>in</strong> Hessen <strong>und</strong><br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong> kann der Erlasse des Vorbescheids auch f<strong>in</strong>giert wer<strong>den</strong>. 105<br />

a) Rechtsnatur<br />

aa) Feststellender Verwaltungsakt oder Zusage?<br />

Die Rechtsnatur des Vorbescheids war längere Zeit umstritten. Dies beruht vor allem<br />

darauf, dass der Vorbescheid e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bauordnungen geregeltes landesrechtliches<br />

Institut zur Gliederung des Baugenehmigungsverfahrens ist, dass aber<br />

andererseits das für die Auslegung von Landesrecht gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zuständige<br />

BVerwG <strong>den</strong> Vorbescheid über planungsrechtliche Fragen als sogenannte Bebauungsgenehmigung<br />

bezeichnet <strong>und</strong> als vorweggenommenen Teil der späteren Baugenehmigung<br />

versteht. 106 Der Me<strong>in</strong>ungsstreit hatte sich an der Frage entzündet, ob der Vorbescheid<br />

e<strong>in</strong>e „baurechtliche Genehmigung“ i. S. des § 14 III BBauG/BauGB sei <strong>und</strong><br />

sich daher gegen nachfolgende Änderungen der Rechtslage durchsetze oder ob er<br />

lediglich e<strong>in</strong>e Zusage darstelle, deren B<strong>in</strong>dungswirkungen gemäß § 38 III VwVfG<br />

bei Änderungen der Sach- oder Rechtslage entfallen. 107<br />

Das Landesrecht könnte <strong>den</strong> Vorbescheid auf verschie<strong>den</strong>e Weise regeln: Er könnte e<strong>in</strong>e<br />

Zusage darstellen, die Baugenehmigung werde je<strong>den</strong>falls h<strong>in</strong>sichtlich der geprüften Fragen später<br />

erteilt bzw. aus diesen Grün<strong>den</strong> nicht versagt wer<strong>den</strong> (vgl. § 38 I VwVfG). Er könnte aber<br />

auch als vorweggenommener Teil der späteren Genehmigung das Vorliegen e<strong>in</strong>zelner Genehmigungsvoraussetzungen<br />

feststellen oder schließlich e<strong>in</strong>en gemischten – teils zusagen<strong>den</strong>, teils<br />

feststellen<strong>den</strong> – Inhalt haben. Diesen drei möglichen Regelungs<strong>in</strong>halten e<strong>in</strong>es Vorbescheids entsprechen<br />

unterschiedliche B<strong>in</strong>dungswirkungen, weshalb e<strong>in</strong>e Festlegung auf <strong>den</strong> gesetzlichen<br />

Regelungsgehalt erforderlich ist <strong>und</strong> die Ausgestaltung im E<strong>in</strong>zelfall nicht der Bauaufsichtsbehörde<br />

überlassen bleiben darf.<br />

bb) Ausschnitt aus dem feststellen<strong>den</strong> Teil der Baugenehmigung<br />

Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist <strong>in</strong> allen B<strong>und</strong>esländern der Auffassung<br />

des BVerwG 108 gefolgt <strong>und</strong> versteht <strong>den</strong> Vorbescheid als Ausschnitt aus dem feststellen<strong>den</strong><br />

Teil der Baugenehmigung, der sich gegen nachfolgende Rechtsänderungen<br />

durchsetzt. 109 Diese Ansicht ist m. E. zutreffend. Denn der baurechtliche Vorscheid<br />

105 VGH Kassel NVwZ-RR 2009, 790; OVG Schleswig BauR 2009, 969.<br />

106 Gr<strong>und</strong>legend BVerwGE 48, 242 = BRS 29 Nr. 116; s. auch BVerwGE 69, 1 = NJW 1984,<br />

1473 = BRS 42 Nr. 170; BVerwGE 68, 241 = NJW 1984, 1474 = BRS 40 Nr. 176; BVerwGE<br />

70, 227 = NVwZ 1985, 563 = BRS 42 Nr. 171.<br />

107 Hierzu BVerwGE 69, 1, sowie Ortloff, NVwZ 1983, 705.<br />

108 Dieses hat klargestellt, dass B<strong>und</strong>esrecht ke<strong>in</strong>e Aussagen zur Bauvoranfrage <strong>und</strong> zur<br />

Rechtsnatur des Bauvorbescheids enthält, sondern Landesrecht bestimmt, was Inhalt e<strong>in</strong>es Vorbescheids<br />

ist, vgl. BVerwG, BauR 2009, 233; BVerwG NVwZ-RR 1998, 157 = BRS 59 Nr. 78<br />

<strong>und</strong> BRS 63 Nr. 175.<br />

109 Nachweise bei Ortloff, NVwZ 1983, 705 (706) für die Zeit vor dem Urteil des BVerwG<br />

(vom 3. <strong>2.</strong> 1984), BVerwGE 69, 1. Entscheidungen, die <strong>den</strong> Vorbescheid nicht als Ausschnitt<br />

aus der Baugenehmigung verstehen, s<strong>in</strong>d nicht veröffentlicht wor<strong>den</strong>, vgl. vielmehr VG Köln<br />

NVwZ 1984, 675; OVG Münster NVwZ 1986, 580; BGH NJW 1986, 1605 (zur Rechtslage<br />

<strong>in</strong> Bayern); OVG Berl<strong>in</strong> NVwZ 1991, 899 (LS) = LKV 1991, 243 = BRS 50 Nr. 16<strong>2.</strong> VGH<br />

Mannheim BRS 56 Nr. 151 = VBlBW 1995, 30, stellt klar dass die – häufig verwendete – Formulierung,<br />

die Baugenehmigung „<strong>in</strong> Aussicht zu stellen“, nicht der (gesetzlichen) Rechtsnatur<br />

des Vorbescheids entspricht; ähnlich VGH Mannheim BRS 63 Nr. 184 = BauR 2001, 759. Zu<br />

e<strong>in</strong>er – nicht als Vorbescheid erteilten – Zusicherung <strong>und</strong> dem Wegfall ihrer B<strong>in</strong>dungswirkung<br />

bei nachträglicher Bebauungsplanänderung VGH Mannheim VBlBW 1985, 427. Zu e<strong>in</strong>er Zusicherung,<br />

die Baugenehmigung aus bestimmten Grün<strong>den</strong> nicht zu versagen (hier: ke<strong>in</strong>e Zusicherung<br />

i. S. des § 38 VwVfG) OVG Münster BRS 47 Nr. 137 = BauR 1988, 68 = NWVBl 1988,


§ 8. Die Baugenehmigung 143<br />

ist – mangels e<strong>in</strong>schränkender, auf <strong>den</strong> Zusagecharakter h<strong>in</strong>deutender oder sonstige<br />

Beschränkungen der B<strong>in</strong>dungswirkung regelnder gesetzlicher Vorschriften – nicht als<br />

e<strong>in</strong>e Zusage bzw. Zusicherung, sondern als e<strong>in</strong> vorweggenommener Teil der Baugenehmigung<br />

anzusehen. 110 Mit der zulässigerweise vorgezogenen Feststellung e<strong>in</strong>zelner<br />

111 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Bauvorhabens wird <strong>in</strong>soweit der an sich<br />

für die Beurteilung der Sach- <strong>und</strong> Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt vorverlegt, nämlich<br />

von der Entscheidung über <strong>den</strong> Baugenehmigungsantrag auf die Entscheidung<br />

über die Bauvoranfrage. In diesem Zeitpunkt muss das Vorhaben h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

geprüften Zulässigkeitsvoraussetzungen rechtmäßig se<strong>in</strong>. 112 Im Gegensatz zur Baugenehmigung<br />

gibt der Vorbescheid allerd<strong>in</strong>gs <strong>den</strong> Bau noch nicht zur Ausführung frei.<br />

b) Bebauungsgenehmigung <strong>und</strong> andere Inhalte<br />

Der Rechtsprechung des BVerwG folgend wird allgeme<strong>in</strong> der Vorbescheid, der<br />

planungsrechtliche Fragen zum Gegenstand hat, als Bebauungsgenehmigung bezeichnet.<br />

113 Darüber h<strong>in</strong>aus kommen als Inhalt des Vorbescheids neben bauordnungsrechtlichen<br />

alle sonstigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen<br />

<strong>in</strong> Betracht, über die die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Sachentscheidungskompetenz<br />

eigenverantwortlich zu entschei<strong>den</strong> hat. 114 Je nach landesrechtlich geregeltem<br />

Umfang der Sachentscheidungskompetenz für die Baugenehmigung ergibt sich<br />

der (zulässige) Inhalt der Baugenehmigung <strong>und</strong> damit auch der des Vorbescheids:<br />

– In Bran<strong>den</strong>burg <strong>und</strong> Hamburg, prüft die Bauaufsichtsbehörde wegen der Verfahrenskonzentration<br />

alle e<strong>in</strong>schlägigen Normen des öffentlichen Rechts, die von der<br />

49. Aus der Literatur, die das Verständnis des Vorbescheids als e<strong>in</strong>es vorweggenommenen Teils<br />

der Baugenehmigung teilt: Goerlich, NVwZ 1985, 90; Schenke, VBlBW 1985, 442; Schneider,<br />

BauR 1988, 13; Weidemann, BauR 1987, 9; Z<strong>in</strong>kahn, ZfBR 1985, 212; vgl. auch <strong>den</strong> Bericht<br />

<strong>in</strong> ZfBR 1985, 199. A. A., soweit ersichtlich, lediglich Dürr, NJW 1980, 2295, <strong>und</strong> JuS 1984,<br />

770. S. auch die Literaturh<strong>in</strong>weise.<br />

110 Dies gilt auch <strong>in</strong> Fällen der Genehmigungsfreistellung, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en e<strong>in</strong> planungsrechtlicher<br />

Vorbescheid – bei fehlendem Bebauungsplan – dazu führt, dass gerade ke<strong>in</strong>e Baugenehmigung<br />

nachfolgt; s. oben § 7 II 3 e, f (Bremen, Hamburg).<br />

111 In der Bauvoranfrage müssen „e<strong>in</strong>zelne Fragen“ h<strong>in</strong>reichend bestimmt formuliert wer<strong>den</strong>,<br />

vgl. VGH Mannheim BRS 56 Nr. 151 = VBlBW 1995, 30 (die Bestimmtheit der Fragen kann sich<br />

auch aus sonstigen Umstän<strong>den</strong>, <strong>in</strong>sbesondere <strong>den</strong> Bauvorlagen, ergeben); VGH Mannheim BRS<br />

56 Nr. 152 (der Standort des Vorhabens muss e<strong>in</strong>deutig bestimmt se<strong>in</strong>, „zulässige Standorte auf<br />

dem Baugr<strong>und</strong>stück zu ermitteln“ ist nicht Aufgabe der Behörde); bei unzureichen<strong>den</strong> Bauvorlagen<br />

ist die Bauvoranfrage nicht bescheidungsfähig, OVG Münster NVwZ-RR 2004, 558. Es ist<br />

Sache des Bauherrn festzulegen, was das „Vorhaben“, OVG Münster BRS 65 Nr. 173 = BauR<br />

2003, 232, <strong>und</strong> ob auch die Erschließung Gegenstand der Voranfrage ist, OVG Lüneburg<br />

NVwZ-RR 2004, 91; vgl. auch OVG Frankfurt (Oder) NVwZ-RR 2000, 271 = BRS 62 Nr. 17<strong>2.</strong><br />

112 Der Vorbehalt e<strong>in</strong>er späteren Rechtmäßigkeit scheidet aus, BVerwG BRS 60 Nr. 155<br />

(Vorbehalt, dass das Baugr<strong>und</strong>stück als Bahngelände entwidmet ist).<br />

113 S. o. Fn. 107. Der VGH München BayVBl. 2000, 314, versteht <strong>den</strong> Vorbescheid nur dann<br />

als Bebauungsgenehmigung, wenn die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit e<strong>in</strong>es Vorhabens e<strong>in</strong>schließlich<br />

der Erschließung abschließend festgestellt wird; krit. Jäde, BayVBl. 2000, 314. Die<br />

beantragte Bebauungsgenehmigung kann mangels Sachbescheidungs<strong>in</strong>teresses ohne Prüfung<br />

der bebauungsrechtlichen Fragen abgelehnt wer<strong>den</strong>, wenn dem Vorhaben landesrechtliche<br />

(bauordnungsrechtliche, landschaftsschutzrechtliche oder ähnliche) H<strong>in</strong>dernisse entgegenstehen,<br />

BVerwGE 61, 128 = NJW 1981, 2426 = BRS 36 Nr. 169; BVerwGE 67, 33 = NJW 1983,<br />

2716 = BRS 40 Nr. 84; BVerwG BRS 44 Nr. 80 = BauR 1985, 544. – E<strong>in</strong> Vorbescheid kann<br />

auch über die „gr<strong>und</strong>sätzliche Zulässigkeit“ der Bebauung e<strong>in</strong>es Gr<strong>und</strong>stücks mit e<strong>in</strong>em nur<br />

<strong>in</strong> groben Umrissen nach Art <strong>und</strong> Umfang bestimmten Vorhaben ergehen, BVerwG NVwZ<br />

1987, 884 = BRS 47 Nr. 63.<br />

114 S. oben § 7 III <strong>2.</strong>


144 <strong>2.</strong> Teil. Das bauordnungsrechtliche Verfahrensrecht<br />

Konzentrationswirkung der Baugenehmigung erfasst wer<strong>den</strong>. 115 Alle diese Normen<br />

können daher auch Gegenstand e<strong>in</strong>er Bauvoranfrage se<strong>in</strong>. 116 Der Vorbescheid<br />

besitzt nach § 59 BbgBO auch B<strong>in</strong>dungswirkung gegenüber <strong>den</strong> Fachbehör<strong>den</strong>.<br />

– In <strong>den</strong> B<strong>und</strong>esländern, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en wegen der Verfahrensverknüpfung die (modifizierte)<br />

Schlusspunkttheorie gilt, 117 kann sich die Bauvoranfrage an die Bauaufsichtsbehörde<br />

nur auf diejenigen Zulässigkeitsvoraussetzungen beziehen, für deren<br />

Prüfung <strong>und</strong> Entscheidung dieser Behörde die Sachentscheidungskompetenz<br />

zusteht. 118 Alle übrigen Genehmigungen usw. s<strong>in</strong>d von anderen Behör<strong>den</strong> zu erlassen<br />

<strong>und</strong> müssen bzw. können bei Erteilung der Baugenehmigung vorliegen, ohne<br />

dass die Bauaufsichtsbehörde <strong>in</strong>soweit e<strong>in</strong> materiell-rechtliches Prüfungsrecht hat.<br />

– In <strong>den</strong> übrigen Ländern, die e<strong>in</strong>e Verfahrenstrennung normiert haben, 119 gilt dasselbe<br />

wie zuvor: Die Sachentscheidungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde ist<br />

auf <strong>den</strong> ihr zugewiesenen Prüfungsumfang beschränkt. Nur <strong>in</strong>soweit kann sie<br />

vorab schon durch Vorbescheid entschei<strong>den</strong>. 120<br />

– In Bezug auf Vorhaben, die im vere<strong>in</strong>fachten Baugenehmigungsverfahren zugelassen<br />

wer<strong>den</strong> können, kann sich die Bauvoranfrage ebenfalls nur auf solche Fragen<br />

beziehen, die dem beschränkten Prüfungsumfang entsprechen.<br />

E<strong>in</strong> Vorbescheid kann sich also etwa nur zu bauplanungsrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen,<br />

zu planungs- <strong>und</strong> bauordnungsrechtlichen oder zu sonstigen Fragen<br />

verhalten, für deren Beantwortung die Bauaufsichtsbehörde sachentscheidungskompetent<br />

ist.<br />

c) B<strong>in</strong>dungswirkungen<br />

aa) Der Vorbescheid b<strong>in</strong>det die Behörde im Umfange se<strong>in</strong>er Feststellungen. Hierüber<br />

ist bei der Entscheidung über die Baugenehmigung nicht mehr zu bef<strong>in</strong><strong>den</strong>, auch<br />

wenn sich zwischenzeitlich die Rechtslage zu Ungunsten des Vorhabens verändert<br />

hat. Voraussetzung ist, dass der Bauantrag, der nicht <strong>in</strong> rechtserheblicher Weise von<br />

dem dem Vorbescheid zu Gr<strong>und</strong>e liegen<strong>den</strong> Vorhaben abweichen darf, 121 <strong>in</strong>nerhalb<br />

115 S. oben § 7 III 3 d aa.<br />

116 Wie hier wohl Knuth, LKV 2004, 193 (198 f.), der mit der „Konzentrationswirkung“ des<br />

Vorbescheids die Verfahrenskonzentration me<strong>in</strong>t mit der Folge, dass alle <strong>in</strong> die Prüfungskompetenz<br />

der Bauaufsichtsbehörde für die Baugenehmigung fallen<strong>den</strong> Fragen der Rechtmäßigkeit<br />

des Vorhabens auch Gegenstand e<strong>in</strong>er Bauvoranfrage se<strong>in</strong> können. Dagegen kommt dem Bauvorbescheid<br />

über „e<strong>in</strong>zelne der selbständigen Beurteilung zugänglichen Fragen zu e<strong>in</strong>em Bauvorhaben“<br />

(§ 59 BbgBauO) ke<strong>in</strong>e Konzentrationswirkung <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne zu, dass auch andere<br />

Genehmigungen e<strong>in</strong>geschlossen, also nicht gestellte Fragen beantwortet s<strong>in</strong>d; ebenso im Ergebnis<br />

VG Potsdam LKV 2004, 236.<br />

117 S. oben § 7 III d, bb, cc.<br />

118 So ausdrücklich § 74 I 1 NdsBauO: „e<strong>in</strong>zelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren<br />

zu entschei<strong>den</strong> wäre <strong>und</strong> die selbständig beurteilt wer<strong>den</strong> können“. OVG Koblenz BRS<br />

62 Nr. 165 = BauR 2000, 545 (<strong>den</strong>kmalschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit wird <strong>in</strong> eigenständigem<br />

Genehmigungsverfahren geprüft, kann also nicht Gegenstand e<strong>in</strong>es baurechtlichen<br />

Vorbescheids se<strong>in</strong>).<br />

119 S. oben § 7 III d, dd.<br />

120 So ausdrücklich Art. 75 I 1 BayBO: „zu e<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong> der Baugenehmigung zu entschei<strong>den</strong><strong>den</strong><br />

Fragen“; ähnlich § 66 I HessBauO, § 68 I 1 BauOMV.<br />

121 VGH München BRS 58 Nr. 151 = BayVBl. 1997, 341; OVG Münster NWVBl 1996, 441.<br />

Vgl. auch VGH München NVwZ 1994, 296 = BRS 55 Nr. 154, wonach bei Ablehnung des<br />

Bauantrages aus anderen als im Vorbescheid geprüften Vorschriften die Feststellungswirkung<br />

des Vorbescheids erlöschen soll; m. E. kann <strong>in</strong>nerhalb der Geltungsdauer des Vorbescheids e<strong>in</strong><br />

weiterer Bauantrag gestellt wer<strong>den</strong>, für <strong>den</strong> die B<strong>in</strong>dungswirkung bestehen bleibt.


§ 8. Die Baugenehmigung 145<br />

der Geltungsdauer des Vorbescheids gestellt wird. 122 Die Hessische Bauordnung normiert<br />

diese B<strong>in</strong>dungswirkung ausdrücklich. 123 Im Übrigen gelten für die B<strong>in</strong>dungswirkungen<br />

des Vorbescheids dieselben Gr<strong>und</strong>sätze wie für die Baugenehmigung. 124<br />

Diese B<strong>in</strong>dungswirkung bleibt auch bei nachfolgender Änderung der Sach- oder<br />

Rechtslage bestehen, was <strong>den</strong> baurechtlichen Vorbescheid von der Zusage (vgl.<br />

§ 38 III VwVfG) unterscheidet. Von der B<strong>in</strong>dung an <strong>den</strong> rechtmäßigen Vorbescheid<br />

kann sich die Behörde nur durch dessen Widerruf – vor oder (ausdrücklich) gleichzeitig<br />

mit der Ablehnung der Baugenehmigung – lösen (§ 49 II 1 Nrn. 3 u. 4<br />

VwVfG). 125 Für <strong>den</strong> rechtswidrigen Vorbescheid ist die Rücknahme <strong>in</strong> § 48 VwVfG<br />

geregelt. 126 Der Vorbescheid kann sich „<strong>in</strong> anderer Weise“ erledigen <strong>und</strong> unwirksam<br />

wer<strong>den</strong>, wenn alle Beteiligten „davon ausgehen, dass die Sach- <strong>und</strong> Rechtslage auf<br />

dem Bo<strong>den</strong> e<strong>in</strong>er neuen „Geschäftsgr<strong>und</strong>lage“ zu beurteilen ist“ 127<br />

Von der B<strong>in</strong>dungswirkung des erteilten Vorbescheids trotz Änderung der Sach- oder Rechtslage<br />

zu unterschei<strong>den</strong> ist die B<strong>in</strong>dungswirkung e<strong>in</strong>es verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsurteils<br />

auf Erteilung des Vorbescheids: Wenn zwischenzeitlich z. B. e<strong>in</strong> dem Vorhaben entgegenstehender<br />

Bebauungsplan <strong>in</strong> Kraft getreten ist, kann dies von der Behörde mit der<br />

Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht wer<strong>den</strong>. 128<br />

bb) Auch der durch <strong>den</strong> Nachbarn noch anfechtbare oder angefochtene Vorbescheid<br />

b<strong>in</strong>det. Die ursprünglich gegenteilige Ansicht des BVerwG, 129 die nachfolgende Baugenehmigung<br />

sei <strong>in</strong> diesen Fällen e<strong>in</strong> Zweitbescheid des Vorbescheids mit une<strong>in</strong>geschränktem<br />

Entscheidungsumfang, verkennt nicht nur Begriff <strong>und</strong> Funktion des<br />

„Zweitbescheids“, sondern verwechselt auch Inhalt <strong>und</strong> B<strong>in</strong>dungswirkungen des Verwaltungsakts<br />

(Vorbescheid gegenüber Baugenehmigung) mit dem Suspensiveffekt bei<br />

e<strong>in</strong>er Drittanfechtung: 130 Die Vollziehbarkeit, nicht aber die Wirksamkeit wird ausgesetzt<br />

– die Entscheidung über die Baugenehmigung ist aber ke<strong>in</strong> Fall der Vollziehung<br />

des Vorbescheids. 131 Allerd<strong>in</strong>gs hat das BVerwG132 später se<strong>in</strong>e Ansicht geändert <strong>und</strong><br />

122 S. oben § 8 III 1. Vgl. VGH Kassel NVwZ-RR 1990, 4 = BRS 48 Nr. 146; OVG Münster<br />

NVwZ-RR 1993, 289. Zur Verlängerung der Geltungsdauer OVG Bremen BRS 49 Nr. 112;<br />

OVG Lüneburg NVwZ-RR 1995, 246 = BRS 57 Nr. 194.<br />

123 § 66 I 4 HessBauO.<br />

124 S. oben § 8IV3.<br />

125 Hierzu Ortloff, NVwZ 1983, 705 (707 f.); s. auch VG Arnsberg NVwZ 1990, 592,<br />

zustimmend Gailus, NVwZ 1990, 536.<br />

126 OVG Berl<strong>in</strong> NVwZ-RR 1988, 6; zur Rücknahme des Vorbescheids <strong>und</strong> zum Fristbeg<strong>in</strong>n<br />

OVG Münster NVwZ-RR 2001, 568 = BRS 64 Nr. 83. Zur Rücknahme der Baugenehmigung<br />

<strong>und</strong> zum Fristbeg<strong>in</strong>n oben § 8 VI. Zu nichtigen Vorbeschei<strong>den</strong> OVG Bautzen LKV 1993, 97;<br />

OVG Münster NVwZ 1989, 1081 = BRS 49 Nr. 167 sowie NWVBl 1990, 15.<br />

127 BVerwG NVwZ 1998, 729 = BRS 60 Nr. 148.<br />

128 BVerwGE 70, 227 = NVwZ 1985, 563 = BRS 42 Nr. 171; fortgeführt durch BVerwGE<br />

117, 44 = NVwZ 2003, 214 = BRS 65 Nr. 10<strong>2.</strong><br />

129 NVwZ 1989, 863 = BRS 49 Nr. 168. Ebenso VGH Mannheim NVwZ 1995, 716.<br />

130 Der Vorbescheid ist nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar, weil er ke<strong>in</strong>e bauaufsichtliche<br />

Zulassung im S<strong>in</strong>ne des § 212 a I BauGB darstellt, s. unten § 20 II 3 b.<br />

131 Ebenso OVG Münster NVwZ 1997, 1006 = BRS 58 Nr. 52; ähnlich VGH München<br />

BayVBl. 1993, 85 m. Anm. Jäde, BayVBl. 1993, 86; OVG Lüneburg NVwZ 1990, 685 = BRS<br />

49 Nr. 108. Dagegen me<strong>in</strong>t das OVG Bautzen LKV 1998, 202 = BRS 59 Nr. 196, die „B<strong>in</strong>dungsfrist“<br />

des Vorbescheids sei so lange gehemmt, wie der Rechtsbehelf des Dritten aufschiebende<br />

Wirkung entfalte; die gesetzliche Geltungsdauer des Vorbescheids betrifft jedoch <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie <strong>den</strong> Bauherrn, der <strong>in</strong>nerhalb dieser Frist <strong>den</strong> Bauantrag stellen muss, um <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Genuss der B<strong>in</strong>dungswirkungen zu kommen; tut er dies, dann kann der Rechtsbehelf des Dritten<br />

die B<strong>in</strong>dung der Behörde an <strong>den</strong> Vorbescheid <strong>weder</strong> suspendieren noch hemmen.<br />

132 NVwZ 1995, 894 = JuS 1996, 465 = BRS 57 Nr. 206; ebenso OVG Lüneburg NdsVBl<br />

1998, 14<strong>2.</strong>


146 <strong>2.</strong> Teil. Das bauordnungsrechtliche Verfahrensrecht<br />

– zutreffend – erkannt, dass aus B<strong>und</strong>esrecht nicht folgt, e<strong>in</strong> Vorbescheid werde mit<br />

der Erteilung der Baugenehmigung gegenstandslos.<br />

d) Praktische Bedeutung<br />

Der Vorbescheid ist e<strong>in</strong> Instrument zeitlicher <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltlicher Gliederung komplexer<br />

Entscheidungen, das vor allem auch im Immissionsschutz- <strong>und</strong> Atomrecht gesetzlich<br />

geregelt ist, aber auch <strong>in</strong> anderen Verfahrensarten ohne ausdrückliche Normierung<br />

angewendet wer<strong>den</strong> kann. In die Verwaltungsverfahrensgesetze des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der<br />

Länder hat es jedoch ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>gang gef<strong>und</strong>en. 133 Dem baurechtlichen Vorbescheid<br />

kam <strong>in</strong> der Praxis große Bedeutung zu, <strong>den</strong>n der Bauherr kann frühzeitig Gewissheit<br />

über wesentliche Fragen se<strong>in</strong>es Vorhabens erlangen <strong>und</strong> so se<strong>in</strong>e weitere Investitionsplanung<br />

auf gesicherter Gr<strong>und</strong>lage gestalten; je<strong>den</strong>falls spart er – zunächst – das aufwendigere<br />

<strong>und</strong> kosten<strong>in</strong>tensivere Baugenehmigungsverfahren, kann sich bei Versagung des<br />

Vorbescheids mit Widerspruch <strong>und</strong> Verpflichtungsklage zur Wehr setzen <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

als Beigela<strong>den</strong>er im Anfechtungsprozess des Nachbarn zur Klärung beitragen.<br />

Zu e<strong>in</strong>er solchen Klärung kommt es nur dann nicht, wenn die Bauaufsichtsbehörde <strong>den</strong> Vorbescheid<br />

mangels Sachbescheidungs<strong>in</strong>teresses ohne Prüfung dieser Fragen ablehnt, wenn beispielsweise<br />

wie bei der Baugenehmigung privatrechtliche H<strong>in</strong>dernisse 134 oder aber öffentlichrechtliche<br />

H<strong>in</strong>dernisse aus anderen Rechtsgebieten 135 entgegenstehen. 136<br />

Der Vorbescheid stärkt das Vertrauen des Bauherrn <strong>in</strong> die (teilweise) Rechtmäßigkeit<br />

se<strong>in</strong>es Vorhabens <strong>und</strong> führt daher zu e<strong>in</strong>em Vertrauens- oder Dispositionsschutz. Da<br />

jedoch nur teilweise die Rechtmäßigkeit des Vorhabens festgestellt, nicht aber auch<br />

die Baufreigabe verfügt wird, erhält der Bauherr – im Gegensatz zur Baugenehmigung<br />

– noch ke<strong>in</strong>e eigentumskräftig verfestigte Rechtsposition im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Eigentumsschutzes.<br />

137<br />

Der Vorbescheid hat jedoch <strong>in</strong> Folge der Ausdehnung des vere<strong>in</strong>fachten Baugenehmigungsverfahrens<br />

<strong>und</strong> der Beschränkungen im Prüfumfang der Genehmigungsbehörde<br />

an Bedeutung verloren. Gerade bei Vorhaben, die im vere<strong>in</strong>fachten Genehmigungsverfahren<br />

zugelassen wer<strong>den</strong>, unterschei<strong>den</strong> sich die im Bauvorbescheidsantrag<br />

oftmals gestellten Fragen kaum noch von <strong>den</strong>en, die im Genehmigungsverfahren zu<br />

beantworten s<strong>in</strong>d, so dass der Bauherr bei solchen Vorhaben sogleich <strong>den</strong> Bauantrag<br />

stellen wird.<br />

<strong>2.</strong> Tektur- oder Nachtragsbaugenehmigung<br />

Die <strong>in</strong> <strong>den</strong> Bauordnungen nicht ausdrücklich aufgeführte Tektur- 138 oder Nachtragsbaugenehmigung<br />

erfasst <strong>in</strong> der Baupraxis üblicherweise kle<strong>in</strong>ere Änderungen e<strong>in</strong>es<br />

bereits genehmigten 139 aber noch nicht (vollständig) ausgeführten Vorhabens, die das<br />

133 BVerwGE 70, 227 = NVwZ 1985, 563 = BRS 42 Nr. 171.<br />

134 S. oben § 8II3.<br />

135 VGH Mannheim NVwZ-RR 2003, 191 = BRS 65 Nr. 168 (Vorhaben nach BImSchG<br />

genehmigungspflichtig, Konzentrationswirkung gem. § 13 BImSchG).<br />

136 S. oben Fn. 108. Im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet soll sogar e<strong>in</strong> positiver Vorbescheid<br />

ohne die erforderliche Sanierungsgenehmigung nach § 144 BauGB nicht erteilt wer<strong>den</strong><br />

dürfen, BVerwG NVwZ-RR 1995, 66.<br />

137 Hierzu Ortloff, NVwZ 1983, 705 (707 f.).<br />

138 Zum Tektur-(Nachtrags-)Antrag VGH München BauR 2004, 1423.<br />

139 OVG Saarl. BRS 55 Nr. 150. Dies gilt nicht für Vorhaben, die nicht nur e<strong>in</strong>e Modifizierung<br />

des ursprünglichen Vorhabens darstellen, sondern e<strong>in</strong> aliud, OVG Hamburg NordÖR<br />

2004, 286; OVG Münster BauR 2004, 1771.

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