Der Nachbar im Zivilrecht
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<strong>Der</strong> <strong>Nachbar</strong> <strong>im</strong> <strong>Zivilrecht</strong><br />
(erweiterte Fassung des gleichnamigen Vortrages von Mag. Habersack be<strong>im</strong><br />
Amtsleiterseminar 2010 in Bad Schallerbach)<br />
I. Allgemeines:<br />
Be<strong>im</strong> <strong>Nachbar</strong>recht handelt es sich um Rechtsvorschriften, durch welche die Ausübung des<br />
Eigentumsrechtes <strong>im</strong> Interesse der <strong>Nachbar</strong>schaft Beschränkungen unterworfen wird bzw. in<br />
denen geregelt ist, welche Einwirkungen ein <strong>Nachbar</strong> trotz seiner Eigentümerposition in Kauf<br />
nehmen muss.<br />
Es gibt ein öffentlich-rechtliches und ein privates <strong>Nachbar</strong>recht. Pr<strong>im</strong>är und insbesondere<br />
auch bei Immissionen, die örtlich größere Bereiche betreffen können, obliegt die Wahrung<br />
des <strong>Nachbar</strong>rechtes den öffentlich-rechtlichen Normen, zB dem Baurecht,<br />
Raumordnungsrecht, Gewerberecht, Wasserrecht udgl.<br />
Aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften können sich relativ starke<br />
Eigentumsbeschränkungen ergeben. Fehlt dort ein entsprechender Anspruch, so sind in einem<br />
solchen Fall die <strong>Nachbar</strong>n zur Verfolgung ihrer Interessen auf die sich aus Privatrecht<br />
ergebenden Rechte beschränkt. Zentrale <strong>Nachbar</strong>rechtsnormen sind vor allem die §§ 364ff<br />
ABGB (Schutz vor Immissionen) und, was Einwirkungen durch Pflanzen vom <strong>Nachbar</strong>grund<br />
betrifft, § 422 ABGB.<br />
II. § 364 ABGB:<br />
§ 364 (2) ABGB lautet: „Diese Best<strong>im</strong>mung regelt die Befugnisse zweier<br />
Liegenschaftseigentümer zueinander. Dabei darf der Eigentümer grundsätzlich nur bis zu<br />
seiner Liegenschaftsgrenze wirken. Darüber hinaus sind nur unwesentliche oder ortsübliche<br />
Immissionen erlaubt.“<br />
<strong>Der</strong> Begriff Immissionen ist <strong>im</strong> Gesetz selbst nicht definiert, man versteht darunter<br />
Einwirkungen, die von einem <strong>Nachbar</strong>grundstück auf das Grundstück eines anderen<br />
ausgehen.<br />
Die unzulässigen Immissionen sind <strong>im</strong> Gesetz lediglich beispielhaft (= demonstrativ)<br />
aufgezählt. <strong>Der</strong> Immissionsbegriff wird von der Rechtsprechung relativ weit gesehen. Über<br />
die bereits <strong>im</strong> Gesetz aufgezählten Beeinträchtigungen, wie Geruch, Lärm, Rauch etc. hinaus<br />
gelten: elektrische Wellen, Strahlen und magnetische Felder, Ablagerungen von Sand an einer<br />
Grenzmauer, Schneeschmelzwasser, das statt durch eine Dachrinne abzufließen, in den<br />
<strong>Nachbar</strong>grund eindringt, Beeinträchtigungen durch vom Wind verfrachteten Tennissand,<br />
verschlagene (Spiel)Bälle, Verunreinigungen des Grundwassers, in <strong>Nachbar</strong>grund<br />
eindringendes Ungeziefer sowie kleinere Tiere, wie zB Mäuse, Flugenten, frei laufende<br />
Hühner, deren Fernhaltung praktisch nicht möglich ist usw. Größere Tiere, wie Katzen,<br />
Hunde, Kühe können nach der Rechtsprechung nicht auf Basis des § 364 ABGB abgewehrt<br />
werden. <strong>Der</strong> <strong>Nachbar</strong> hat aber hier entsprechende Möglichkeiten mit der Eigentumsfreiheits-<br />
und/oder der Besitzstörungsklage. Beispielsweise ist er auch berechtigt, das fremde Tier<br />
(durch angemessene Gewalt) zu verjagen, nicht aber zu töten und hat <strong>im</strong> Falle eines<br />
Schadenseintrittes sogar ein zeitlich beschränktes Zurückhalterecht hinsichtlich des Tieres (§<br />
1321 ABGB).<br />
Nicht unter den Immissionsbegriff fallen weiters Formen der Nutzung eines Grundstückes,<br />
die den <strong>Nachbar</strong> nur in seinem ästhetischen oder sittlichen Empfinden beeinträchtigen.<br />
1
Beispiele: <strong>Nachbar</strong>n in einem Freibad, Anhäufen von Unrat auf einem Grundstück ohne<br />
Geruchsbeeinträchtigung oder Ungeziefer- oder sonstige Einwirkung auf das<br />
<strong>Nachbar</strong>grundstück, das Verbauen der Aussicht durch Bau eines Hochhauses in einer<br />
Villengegend, das bloße Betreiben eines Bordells in der <strong>Nachbar</strong>schaft etc.<br />
Bei den Ansprüchen nach § 364 (2) ABGB ist zunächst zwischen sogenannten unmittelbaren<br />
(= direkten) und sogenannten mittelbaren (= indirekten) Immissionen zu unterscheiden.<br />
Unmittelbare Zuleitungen, insbesondere von Abwässern oder Abgasen oder das Eindringen<br />
grobkörperlicher Stoffe (Steine etc) braucht ohne besonderen Rechtstitel (zB Servitutsvertrag,<br />
entsprechendes Wasserrecht oä) unter keinen Umständen geduldet werden. Diese kann daher<br />
unbeschränkt abgewehrt werden.<br />
Andere Immissionen sind dann unzulässig, wenn sie<br />
1. das nach den örtlichen Verhältnisses gewöhnliche Maß unterschreiten und<br />
2. die ortsübliche Benützung des <strong>Nachbar</strong>grundstücks wesentlich beeinträchtigen.<br />
Bei den mittelbaren Einwirkungen haben die „örtlichen Verhältnisse“ also eine doppelte<br />
Bedeutung, nämlich einerseits für das Maß der Immissionen und andererseits für das Maß der<br />
Beeinträchtigung. Mittelbare Immissionen sind daher zu dulden, wenn sie entweder das<br />
ortsübliche Maß nicht überschreiten oder, obwohl sie das tun, die ortsübliche Benutzung des<br />
Grundstückes nicht bzw. nur unwesentlich beeinträchtigen.<br />
- Ortsüblichkeit: unter Ort ist <strong>im</strong> obigen Zusammenhang nicht etwa eine gesamte<br />
politische Gemeinde zu verstehen, sondern es ist auf die typischen faktischen<br />
Verhältnisse in einer best<strong>im</strong>mten Gegend abzustellen. Zu prüfen ist, was einem<br />
best<strong>im</strong>mten Gebiet eine best<strong>im</strong>mte Prägung gibt (zB Villenviertel,<br />
Buschenschankviertel usw). In Städten stellt man auf einen betreffenden Stadtteil ab.<br />
Es muss aber doch ein größeres Gebiet sein, einige Häuser oder Gassen für sich allein<br />
können in der Regel noch nicht als eigenes Viertel angesehen werden.<br />
Flächenwidmungs- und Bebauungspläne spielen bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit<br />
in der Regel keine Rolle, da auf die faktischen Verhältnisse abzustellen ist.<br />
Die örtlichen Verhältnisse können durch den Lauf der Zeit auch verändert werden, so<br />
können zB allmählich wachsende Immissionen das Maß des Zulässigen erhöhen. In<br />
der Lehre strittig und von der Rechtsprechung (noch) uneinheitlich beantwortet wird<br />
allerdings die Frage, welcher konkrete Zeitraum nun notwendig ist, um aus einer bis<br />
dahin ortsunüblichen Immission durch Nichtabwehr eine ortsübliche Immission<br />
werden zu lassen. Die Meinungen gehen hier sehr weit auseinander und reichen von<br />
drei bis - in Anlehnung an die allgemeine Ersitzungs- und Verjährungszeit - sogar 30<br />
Jahre.<br />
Beispiel: Herr A akzeptiert die ortsunüblichen Lärm<strong>im</strong>missionen vom <strong>Nachbar</strong>grund,<br />
obwohl diese unzumutbar laut auch in der Nacht in seiner Wohnung zu hören sind und<br />
er sich daher gerichtlich zur Wehr setzen könnte. Wie lange braucht es, dass diese<br />
ursprünglich unzulässige Immission letztlich zulässig wird ?<br />
Wesentlichkeit der Immission: Es muss durch die Immission die ortsübliche<br />
Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt werden. Hiefür kommt es ganz<br />
besonders auf die Umstände des Einzelfalles an. Es darf sich jedenfalls nicht um eine<br />
nur unbedeutende Erschwerung handeln, vielmehr muss eine spürbare<br />
Beeinträchtigung vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht das subjektive<br />
Empfinden des sich gestört fühlenden <strong>Nachbar</strong>s maßgeblich, sondern das eines<br />
verständigen Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet. Bei<br />
einem vom Grundstück ausgehenden Musiklärm ist daher zB zu fragen, wie ein<br />
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durchschnittlicher <strong>Nachbar</strong> solche Geräusche empfindet. Darauf, ob der betreffende<br />
<strong>Nachbar</strong> die Musik hasst oder liebt, ob er cholerisch auf Musik reagiert oder nicht oder<br />
ob er schwerhörig ist oder besonders sensibel auf Lärm reagiert, kommt es hingegen<br />
nicht an.<br />
Wer kann was von wem verlangen?<br />
1. Wer von wem:<br />
a) <strong>Nachbar</strong>: Im österreichischen Rechtssystem gibt es keinen einheitlichen<br />
<strong>Nachbar</strong>begriff. Wenn daher <strong>im</strong> ABGB vom <strong>Nachbar</strong> die Rede ist, sind von diesem<br />
Begriff regelmäßig andere Personen umfasst, als zB <strong>im</strong> Gewerbe- oder Baurecht. <strong>Der</strong><br />
zivilrechtliche <strong>Nachbar</strong>begriff reicht sehr weit. <strong>Nachbar</strong> iSd § 364 ABGB ist nicht<br />
bloß der Eigentümer eines unmittelbar angrenzenden Grundstücks, sondern jeder<br />
Liegenschaftseigentümer, der von der Immission, die vom Grundstück des Störers<br />
ausgeht, betroffen ist, egal wie weit dieses nun entfernt ist und egal wie viele<br />
Grundstücke dazwischen liegen. Neben dem eigentlichen Liegenschaftseigentümer ist<br />
nach ständiger Rechtsprechung beispielsweise auch jeder Mit- oder<br />
Wohnungseigentümer, sowie jeder sonst dinglich Berechtigte (zB der Inhaber eines<br />
Wohnrechtes) anspruchsberechtigt. Auch dem Bestandnehmer (Mieter, Pächter)<br />
stehen entsprechende Abwehrmöglichkeiten zu.<br />
b) Anspruchsgegner: ist nicht nur der eigentliche <strong>Nachbar</strong>grundeigentümer, sondern<br />
grundsätzlich auch derjenige, der die Beeinträchtigung unmittelbar herbeiführt, also<br />
jeder Störer. Darunter fällt auch derjenige, der seine Rechte vom Eigentümer ableitet,<br />
wie zB ein Mieter oder Pächter.<br />
2. Was kann begehrt werden?<br />
a) Unterlassungsanspruch: <strong>Der</strong> beeinträchtigte Grundstückseigentümer kann pr<strong>im</strong>är<br />
Unterlassung der betreffenden Immission verlangen. Das Klagebegehren hat daher zB<br />
auf Unterlassung der vom Grundstück XY ausgehenden Lärm<strong>im</strong>mission zu lauten. Ein<br />
best<strong>im</strong>mtes aktives Tun hingegen kann in aller Regel vom <strong>Nachbar</strong>n nicht verlangt<br />
werden. Auch <strong>im</strong> Falle eines stattgebenden Urteils ist selbiges daher in weiterer Folge<br />
erst nach den Regeln der sogenannten Unterlassungsexekution, sprich unter<br />
Verhängung von Beugestrafen (Geldstrafen, Haftstrafen) zu vollstrecken. Letztendlich<br />
aber kann der Störer sich aussuchen, durch welche konkrete Maßnahme er seiner<br />
Unterlassungsverpflichtung nachkommt.<br />
Beispiel: Lärm<strong>im</strong>mission von einem Musikprobenraum. <strong>Der</strong> Kläger darf nicht<br />
verlangen, dass dem <strong>Nachbar</strong>n die Musikprobe verboten wird. Zu unterlassen ist<br />
vielmehr die Geräuschentwicklung, die unzumutbar zum <strong>Nachbar</strong>n dringt. Wie der<br />
Störer diese Geräuschentwicklung verhindert, ob er nun einfach nicht mehr probt oder<br />
ob er den Musikprobenraum besser schalldämmt oder sonstige Maßnahmen zur<br />
Geräuschverminderung setzt, ist seine Entscheidung.<br />
b) Beseitigungsanspruch: Dem beeinträchtigten Grundeigentümer steht darüber hinaus<br />
ein Beseitigungsanspruch hinsichtlich von durch Immissionen auf seine Liegenschaft<br />
gelangten Substanzen zu, zB verunreinigtes Erdreich etc.<br />
c) Sowohl obiger Unterlassungs- als auch der Beseitigungsanspruch sind<br />
verschuldensunabhängig. Liegen darüber hinaus auch die Voraussetzungen für<br />
Schadenersatz vor (Verschulden, Rechtswidrigkeit, Kausalität etc) kann zusätzlich<br />
auch dieser begehrt werden.<br />
Beweislast. Die Beweislastverteilung kann oft prozessentscheidend sein. <strong>Der</strong> Kläger hat<br />
sein Eigentum und das Vorliegen einer vom <strong>Nachbar</strong>grund ausgehenden Immission zu<br />
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eweisen. <strong>Der</strong> Beklagte hat zu beweisen, dass der Eingriff die Ortsüblichkeit und<br />
Wesentlichkeit nicht überschreitet. Damit ist die Beweislage eindeutig für den Gestörten<br />
günstig: Er muss <strong>im</strong> wesentlichen nur die Einwirkung beweisen, während der Störer den<br />
wesentlich schwierigeren Beweis erbringen muss, dass die zulässigen Grenzen nicht<br />
überschritten werden.<br />
Ausgewählte Beispiele aus der Rechtsprechung:<br />
- Eindringen von rotem Tennissand: kann als mittelbare Einwirkung grundsätzlich<br />
untersagt werden, wenn zB Gartenmöbel jeweils vor ihrer Benützung gereinigt werden<br />
müssen, weil sie dick von rotem Staub bedeckt sind. Lediglich durch<br />
außergewöhnliche Naturereignisse (orkanartige Stürme) hervorgerufene<br />
Versandungen sind dem Tennisplatzbetreiber nicht anzulasten.<br />
- Ein auf dem <strong>Nachbar</strong>grund installierter Beleuchtungskörper kann eine unzulässige<br />
Licht<strong>im</strong>mission darstellen, wenn dadurch in deutlicher Verschlechterung der bisher<br />
bestehenden Verhältnisse die Schlafqualität einer normal empfindlichen Person<br />
wesentlich gestört wird. Gleiches wird mE auch für die <strong>im</strong>mer öfter anzufindenden<br />
überd<strong>im</strong>ensionalen Mult<strong>im</strong>edia-Werbebildschirme gelten.<br />
- In einem geschlossenen Siedlungsgebiet sind Störungen durch Baumaßnahmen, soweit<br />
sie selbst bei schonender Durchführung notwendig und unvermeidlich sind, zu dulden.<br />
- Bei einem Sportplatz ist mit der Anpassung an den technischen Fortschritt (Einbau<br />
einer Flutlichtanlage, verbesserte Lautsprecheranlage) zu rechnen und ist die dadurch<br />
bedingte größere Zuschauerfrequenz grundsätzlich hinzunehmen.<br />
- Eine Ablagerung von Abfällen auf einem Komposthaufen kann dann vom<br />
beeinträchtigten <strong>Nachbar</strong>n untersagt werden, wenn damit in weiterer Folge Geruchs-<br />
oder Ungezieferbelästigungen resultieren. <strong>Der</strong> bloße unschöne Anblick (ohne<br />
Einwirkung) kann hingegen nicht abgewehrt werden.<br />
- In Fremdenverkehrsgemeinden muss be<strong>im</strong> Straßenbau auf die Nacht- und<br />
Wochenendruhe Rücksicht genommen werden.<br />
- Tennislärm: Dass ein Tennisbetrieb mit einer Geräuschentwicklung verbunden ist,<br />
liegt in der Natur der Sache. Es ist dabei jedoch die Besonderheit und Andersartigkeit<br />
der Lärmbelästigung zu berücksichtigen. Insbesondere bedeutet ein zu duldender<br />
Straßenlärm nicht, dass nun auch der Tennislärm hingenommen werden muss. In<br />
Folge seiner Andersartigkeit (Impulsartigkeit) und der sozialen Geräusche der<br />
Tennisspieler (laute Zurufe, Flüche etc) werden diese als zusätzlich unangenehm<br />
empfunden. Gleiches gilt beispielsweise auch für Schiessstätten und dem Lärm aus<br />
einer Kegelbahn. Auch bei der Beurteilung einer Lärmbelästigung durch Proben einer<br />
Musikkapelle etwa ist nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Lärmlästigkeit, vor<br />
allem die Tonhöhe, die Dauer und die Eigenart der Geräusche maßgeblich.<br />
- Gaststättenbetrieb: Immissionen durch zu- und abfahrende Gäste können dem<br />
Betreiber zugerechnet und gegebenenfalls abgewehrt werden, da der Unternehmen den<br />
Nutzen aus dem Kundenverkehr zieht. Auch Verunreinigungen durch menschliche<br />
Ausscheidungen, die durch Lokalgäste <strong>im</strong>mer wieder auf einem best<strong>im</strong>mten<br />
<strong>Nachbar</strong>grundstück verursacht werden, sind als typische Folge der<br />
Unternehmensführung dann untersagbar, wenn dem Betreiber bekannt war, dass das<br />
<strong>Nachbar</strong>grundstück bereits wiederholt verunreinigt wurde.<br />
- Nächtliches Baden und Duschen zur Unzeit, das ist jedenfalls die Zeit von 22.00 –<br />
6.00 Uhr früh, an Sonn- und Feiertagen bis 7.00 Uhr früh, kann abgewehrt werden,<br />
wenn ein Wohnungsnachbar dadurch in seiner Nachtruhe gestört werden kann. Wenn<br />
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allerdings eine Störung anderer Bewohner durch entsprechende Schalldämmung,<br />
moderne Armaturen oder Wannen ausgeschlossen ist, ist Baden und Duschen zur<br />
Nachtzeit kein Problem.<br />
- Lärm infolge Klavierspielen in einer Wohnung von jedenfalls ein bis eineinhalb<br />
Stunden täglich ist üblich und nicht untersagbar. Ebenso Lärm von einem<br />
Kinderspielplatz <strong>im</strong> Wohngebiet oder in einer Wohngegend mit Gärten das<br />
Holzschneiden mit der Kreissäge für den Eigenbedarf.<br />
- Auch in einem Kurgebiet kann auf Baumaßnahmen nicht gänzlich verzichtet werden.<br />
Den besonderen schutzwürdigen Charakter eines derartigen Gebietes kann durch<br />
möglichste Herabsetzung der Lärmintensität und durch Beachtung bestehender<br />
täglicher Ruhezeiten, allenfalls aber auch durch ein absolutes Verbot aufschiebbarer<br />
Bauarbeiten während der Saison Rechnung getragen werden.<br />
- Immissionen auf Grund ordnungsgemäßer land- und forstwirtschaftlicher Nutzung, zB<br />
durch Ausbringung durch Jauche und Dünger, gelten grundsätzlich als ortsüblich.<br />
Nicht ortsüblich sind jedoch Einwirkungen, die zur Unbrauchbarkeit eines<br />
Trinkwasserbrunnens führen.<br />
- Unmittelbare Zuleitung ohne besonderen Rechtstitel ist unter allen Umständen<br />
unzulässig. Eine derartige Immission kann daher auch dann abgewehrt werden, wenn<br />
keine Ortsüblichkeit und keine wesentliche Nutzungsbeeinträchtigung vorliegt. Als<br />
solche Immissionen gelten zB die Zuleitung von durch Blitzschlag hervorgerufener<br />
Energie auf ein <strong>Nachbar</strong>grundstück, das Ableiten von Wasser durch ein Rohr auf ein<br />
<strong>Nachbar</strong>grundstück, Dachlawinen oder das Einbringen von festeren, größeren<br />
Gegenständen, wie etwa Steinen, Geschoßen, Erdmassen oder (Spiel)Bällen. Be<strong>im</strong><br />
Eindringen von Tennisbällen kann beispielsweise verlangt werden, dass jedenfalls das<br />
durch übliche Fehlschläge hervorgerufene Eindringen der Bälle auf dem<br />
<strong>Nachbar</strong>grund vermieden wird. Als geeignete Maßnahmen kommen dafür zB eine<br />
wesentliche Erhöhung der Gitter oder eine dem Spielkönnen entsprechende<br />
Platzzuweisung in Betracht. Ein Verlangen nach Errichtung einer Art Einhausung in<br />
Form eines Käfigs stellt hingegen eine Schikane dar und kann nicht verlangt werden.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Nachbar</strong> braucht auch nicht das Betreten seines Grundes durch die Spieler, um die<br />
Bälle zurückzuholen, dulden. Er kann nicht verpflichtet werden, den „Ballschani“ zu<br />
spielen und die Bälle herauszugeben. Auch verschlagene Fußbälle braucht der<br />
<strong>Nachbar</strong> grundsätzlich nicht zu dulden, öffentliche Interessen an der Ausübung des<br />
Fußballsports können daran nichts ändern. Ganz besonders krass gilt dies für<br />
Golfbälle. Schon das Eindringen eines einzigen mit Wucht geschlagenen, zu hoch<br />
fliegenden Golfballes ist weder tolerabel noch zumutbar.<br />
- Das <strong>Nachbar</strong>recht besteht nicht, wenn die Einwirkung Folge eines<br />
Elementarereignisses ohne menschliches Zutun ist (zB Vermurung auf Grund<br />
Hochwassers, Lawinenabgang).<br />
- Das <strong>Nachbar</strong>recht nach ABGB ist auch <strong>im</strong> Verhältnis zwischen einem<br />
Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße anzuwenden; insbesondere kann daher<br />
auch gegen eine Gemeinde als Straßengrundeigentümer ein derartiger<br />
verschuldensunabhängiger Anspruch gestellt werden. Eine grundsätzliche<br />
Verantwortlichkeit liegt nach der Rechtsprechung hier beispielsweise vor:<br />
bei Wasseraustritt auf Grund Rohrbruchs der Gemeindewasserleitung.<br />
bei einem unzureichend sanierten betriebenen Kanalnetz<br />
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ei Vorhandensein einer nicht konsensmäßig betriebenen, veralteten Kläranlage einer<br />
Ortskanalisation. Insbesondere schließen hier weder der Umstand, dass daneben auch<br />
wasserrechtliche Eingriffsmöglichkeiten bestehen und die Anlage der Daseinsvorsorge<br />
dient, die <strong>Zivilrecht</strong>sklage nicht aus. Ist jedoch die Schadenszuführung der Gemeinde<br />
nicht zurechenbar, zB weil unbefugte Personen Kanaldeckel geöffnet und damit das<br />
Eindringen von Oberflächenwasser in den Fäkalkanal verursacht haben, so kann der<br />
Gemeinde keine Verantwortung auferlegt werden.<br />
bei Kanalbauten und Straßenerhaltungsmaßnahmen, zB bei Auftreten von Rissen an<br />
Gebäuden auf Grund der Verwendung von Verdichtungsmaschinen:<br />
Hat die Gemeinde einen privaten Bauunternehmer mit derartigen Arbeiten beauftragt,<br />
so haften grundsätzlich beide, die Gemeinde als Eigentümer und der Bauunternehmer<br />
als Störer. Im Innenverhältnis besteht aber eine Regressmöglichkeit der Gemeinde idR<br />
nur bei Vorliegen eines Verschuldens des Bauunternehmers, was dann nicht vorliegen<br />
wird, wenn sich dieser bei Ausführung der Bauarbeiten auf den Stand der Technik<br />
berufen kann. Damit die Gemeinde nicht endgültig auf den ihr<br />
verschuldensunabhängig zu leistenden Schaden sitzen bleibt, empfiehlt sich jedenfalls<br />
1. eine eingehende Beweissicherung vor Durchführung der Arbeiten durch einen<br />
neutralen Fachmann<br />
2. möglichst eine Überbindung der Haftung auch für nachbarrechtliche Ansprüche<br />
bereits bei der Ausschreibung auf den Bauunternehmer.<br />
3. der Abschluss einer eigenen, auch <strong>Nachbar</strong>rechtsansprüche abdeckenden<br />
Versicherung (zB Bauherrenhaftpflichtversicherung o. ä.)<br />
- für Schäden auf Grund Anpressens von Schnee und Eis an Einfriedungen und<br />
Gebäuden <strong>im</strong> Zuge der Schneeräumung wird grundsätzlich nach dem <strong>Nachbar</strong>recht<br />
verschuldensunabhängig gehaftet. Was den sonstigen entlang der Straße von dieser auf<br />
das <strong>Nachbar</strong>grundstück verfrachteten Schnee anbelangt, so ist hier bei uns § 21 Abs 3<br />
Oö. Straßengesetz einschlägig. Danach haben die bis zu einem Abstand von 50 m<br />
neben einer öffentlichen Straße befindlichen Anrainer sowohl die Ablagerung des<br />
Schnees als auch der darin notwendigerweise befindlichen Stoffe wie Staub, Laub,<br />
Streusplitt (so genanntes Schneeräumgut) meines Erachtens zumindest so lange<br />
entschädigungslos zu dulden, als dies eine Folge der üblichen, sprich notwendigen<br />
Schneeräumung ist (siehe dazu u. a. OÖGZ Folge 5/1996, Seite 116). Ohne<br />
Vereinbarung jedoch nicht zu dulden ist m. E. das in manchen Orten oft anzutreffende<br />
meterhohe Lagern von Schnee auf Privatgrundstücken mit einem Radlader o. Ä.<br />
§ 364 ABGB ist eine dispositive Norm, so dass die Eigentümer benachbarter<br />
Grundstücke vom Gesetz abweichende Vertragsregelungen treffen können. So ist es<br />
z. B. grundsätzlich möglich, durch entsprechende Vereinbarung die Haftung eines<br />
Liegenschaftseigentümers auf best<strong>im</strong>mte Einwirkungen zu erweitern oder auch<br />
einzuschränken. Falls man als <strong>im</strong>mitierender Grundeigentümer jedoch eine solche<br />
Haftungseinschränkung oder Haftungsausschluss anstrebt, muss man stets bedenken,<br />
dass der zivilrechtliche <strong>Nachbar</strong>begriff ein sehr weiter ist. Um eine entsprechende<br />
Wirksamkeit zu erlangen, müsste man also mit entsprechend vielen Grundanrainern<br />
und nicht nur mit den unmittelbaren eine derartige Vereinbarung treffen.<br />
Sonderfall: Behördlich genehmigte Anlage (§ 364 a ABGB):<br />
Geht eine ortsunübliche und die <strong>Nachbar</strong>grundnutzung wesentlich beeinträchtigende<br />
Immission von einer Bergwerksanlage oder einer behördlich genehmigten Anlage aus, so ist<br />
ein Unterlassungsanspruch des beeinträchtigten Grundeigentümers nicht gegeben (§ 364 a<br />
ABGB). In diesem Fall muss die Immission hingenommen werden. Als Ausgleich für diese<br />
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Duldungspflicht steht dem beeinträchtigten <strong>Nachbar</strong>n jedoch ein verschuldensunabhängiger<br />
Ausgleichsanspruch (= eine Art „Schadenersatz“) zu.<br />
Beispiel: Man ist <strong>Nachbar</strong> eines unter entsprechender <strong>Nachbar</strong>parteistellung<br />
gewerbebehördlich genehmigten Betriebes, in welchem mit Nachtschichten gearbeitet wird.<br />
Ist die Nachschicht von der Bewilligung erfasst, kann man sich als in der Nachtruhe gestörter<br />
<strong>Nachbar</strong> zivilrechtlich nicht mit Unterlassungsklage gegenüber der ortsunüblichen Immission<br />
zur Wehr setzen. Man kann jedoch ähnlich einer Enteignung einen entsprechenden<br />
finanziellen Ausgleich verlangen.<br />
Nach der Rechtssprechung gelten als behördlich genehmigte Anlagen beispielsweise<br />
- die auf Grund von Gemeinderatsbeschlüssen angelegten Hauptkanäle<br />
- eine <strong>im</strong> herkömmlichen Bewilligungsverfahren gewerberechtlich bewilligte<br />
Betriebsanlage; nicht jedoch eine solche, die bloß <strong>im</strong> vereinfachten<br />
Bewilligungsverfahren bewilligt wurde, weil dort keine entsprechende<br />
<strong>Nachbar</strong>parteistellung besteht.<br />
- eine öffentliche Straße<br />
- ob auch ein bloß baubewilligtes Bauvorhaben zu derartigen Anlagen zählt, wird in der<br />
Judikatur uneinheitlich beantwortet. Während dies in früheren Entscheidungen (OGH<br />
vom 29.5.1995, 1 Ob 620/94) noch verneint wurde, zeigen sich nunmehr zumindest<br />
Tendenzen einer analogen Anwendung. Keinesfalls aber gelten <strong>im</strong> bloßen<br />
Bauanzeigeverfahren konsentierte Bauvorhaben als derartige Anlagen.<br />
<strong>Der</strong> betreffende Vergütungsanspruch verjährt in 3 Jahren ab Kenntnis der Immission, doch<br />
setzt jede Immission eine neue Frist in Lauf.<br />
Sonderfall: Grundstücksvertiefung (§ 364 b ABGB)<br />
Nach § 364 b ABGB darf ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden<br />
oder das Gebäude des <strong>Nachbar</strong>n die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass durch eine<br />
genügende anderweitige Befestigung hier vorgesorgt wird.<br />
Unter Gebäude ist hier jede Anlage, z. B. auch ein Zaun, zu verstehen. Unter Vertiefung ist<br />
beispielsweise die Verlegung von Telefonkabeln oder sonstigen Leitungen und auch eine<br />
Untertunnelung zu verstehen. Anderweitige Befestigung wird etwa durch Errichtung einer<br />
entsprechenden Stützmauer, durch Vornahme einer entsprechenden Pölzung etc. erreicht.<br />
<strong>Der</strong> Gefährdete kann hier verschuldensunabhängig die Vertiefung untersagen und die<br />
Wiederherstellung der erforderlichen Stütze verlangen. Wird die Vertiefung durch eine<br />
genehmigte Anlage <strong>im</strong> Sinne de § 364 a ABGB bewirkt, tritt an Stelle des<br />
Untersagungsanspruches ein entsprechender Vergütungsanspruch.<br />
Einwirkungen durch Bäume<br />
Bäume und andere Pflanzen an und in der Nähe von Grundstücksgrenzen führen und führten<br />
<strong>im</strong>mer wieder zu Streitigkeiten. Egal ob diese Einwirkung nun Äste oder Wurzeln sind, die<br />
über die Grundstücksgrenze wachsen, oder Laub oder Zapfen, die auf das fremde Grundstück<br />
fallen oder Bäume und Sträucher am <strong>Nachbar</strong>grund eine Beschattung herbeiführen, so können<br />
all diese Beeinträchtigungen eine <strong>Nachbar</strong>schaft einer schweren Prüfung unterziehen.<br />
Im <strong>Zivilrecht</strong> bestehen keinerlei gesetzliche Abstandsbest<strong>im</strong>mungen für Pflanzungen. Man<br />
kann dort in der Regel auch nicht verhindern, dass jemand Bäume direkt an die Grundgrenze<br />
setzt, obwohl offenkundig ist, dass diese größer werden und mit ihren Ästen und Kronen die<br />
Grundgrenze überragen werden. Durch das sogenannte <strong>Zivilrecht</strong>sänderungsgesetz 2004<br />
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(BGBl. I 91/2003), in Kraft getreten am 1.7.2004, wurden hier <strong>im</strong> <strong>Nachbar</strong>recht größere<br />
Änderungen vorgenommen, deren Inhalt und Auswirkungen <strong>im</strong> Folgenden auf das<br />
Wesentlichste zusammengefasst skizziert werden sollen:<br />
Allgemeines Rücksichtnahmegebot:<br />
Nach der damals neu eingeführten Best<strong>im</strong>mung des § 364 Abs 1 letzter Satz haben „die<br />
Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht<br />
zu nehmen“. Dadurch wurde klargestellt, dass vom Gericht bei <strong>Nachbar</strong>schaftskonflikten stets<br />
eine beidseitige Interessensabwicklung vorzunehmen ist. Die Rechte des <strong>Nachbar</strong>n enden<br />
dort, wo die anderen beginnen. Es soll dadurch eine rechtsmissbräuchliche Verwendung von<br />
Rechten, sprich „mir bringt es zwar nichts, aber den <strong>Nachbar</strong>n schadet’s“, noch stärker als<br />
bisher ein Riegel vorgeschoben werden. So grundsätzlich begrüßenswert diese Absicht an<br />
sich ist, so habe ich trotz intensiver Recherchen kein einziges OGH-Urteil ausfindig gemacht,<br />
wo dezidiert dieses Rücksichtnahmegebot seither <strong>im</strong> Vordergrund gestanden wäre.<br />
„Negative Immissionen“ von Bäumen und anderen Pflanzen; Recht auf Licht und Luft? (§<br />
364 Abs 3 ABGB)<br />
Seit dem damals neu eingeführten § 364 Abs 3 ABGB kann ein Grundstückseigentümer<br />
einem <strong>Nachbar</strong>n auch die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden<br />
Einwirkungen durch Entzug von Licht und Luft in so weit untersagen, als diese das<br />
ortsübliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benützung<br />
des Grundstücks führen.<br />
Dies gilt sowohl für aktiv gepflanzte als auch durch natürlichen Anflug gewachsene Pflanzen.<br />
<strong>Der</strong> Grundstückseigentümer muss sich auch Anpflanzungen anrechnen lassen, die von seinem<br />
Rechtsvorgänger gepflanzt wurden, auch ist gegenständliche Best<strong>im</strong>mung grundsätzlich auf<br />
Pflanzungen anwendbar, die bereits vor 2004 gesetzt wurden. Erfasst ist nur der Licht- und<br />
Luftentzug durch Pflanzen, nicht aber der durch Bauwerke. Hinsichtlich letzterer ist man als<br />
<strong>Nachbar</strong> in der Regel auf die Abstandsbest<strong>im</strong>mungen nach den jeweiligen öffentlich<br />
rechtlichen Bauvorschriften angewiesen.<br />
Auch gegen den Entzug der Aussicht oder des Funkwellenempfangs bietet § 364 Abs 3<br />
keinerlei Handhabe. Will man <strong>Der</strong>artiges erreichen, so muss man sich eine entsprechende<br />
Servitut einräumen lassen.<br />
Das gegenständliche Recht auf Licht und Luft besteht weiters nicht, wenn bundes- oder<br />
landesrechtliche Best<strong>im</strong>mungen zum Schutz der Pflanzen dem entgegenstehen. Ist z. B. ein<br />
Baum unter Naturschutz gestellt, so geht in dem Fall der Naturschutz dem zivilrechtlichen<br />
<strong>Nachbar</strong>recht vor und darf der Baum trotz Beeinträchtigung des <strong>Nachbar</strong>n nicht gefällt<br />
werden.<br />
Voraussetzungen:<br />
1. Die Einwirkungen müssen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß<br />
überschreiten<br />
und<br />
2. die Benützung des <strong>Nachbar</strong>grundstücks … seiner Art, Lage und Größe unzumutbar<br />
beeinträchtigen.<br />
Da die Beeinträchtigung hier nicht nur wesentlich, sondern darüber hinausgehend unzumutbar<br />
sein muss, werden hier von vornherein nur schwerwiegende Fälle eine Schattenwurfs bzw.<br />
der Verhinderung der Durchlüftung erfasst.<br />
Auch die bisherige Rechtssprechung sieht das Vorliegen dieser Voraussetzungen allenfalls<br />
nur in Extremfällen als erfüllt an.<br />
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Konkret werden die vom Gesetz vorgegebenen Grenzen vom OGH in der Regel erst dann<br />
überschritten,<br />
- wenn fremde Gewächse die körperliche Sicherheit des <strong>Nachbar</strong>n beeinträchtigen (z. B.<br />
durch Depressionen auf Grund von Lichtenzug; Sch<strong>im</strong>melbildung; nicht aber durch<br />
wegbrechende Äste).<br />
- wenn nicht nur ein kleiner Grundstreifen, sondern größere Teile des Grundstückes<br />
versumpfen, vermoosen oder sonst unbrauchbar werden.<br />
- wenn fremde Bäume und Gewächse auch zu Mittag eines helllichten Sommertages<br />
eine künstliche Beleuchtung <strong>im</strong> angrenzenden Raum erfordern.<br />
- wenn der Schattenwurf der Bäume zu einer völligen Unbrauchbarkeit einer schon<br />
bestehenden Solaranlage führt.<br />
Außergerichtlicher Streitbeilegungsversuch als Prozessvoraussetzung<br />
Eine Klage gegen den Entzug von Licht und Luft durch Bäume oder andere Pflanzen ist nur<br />
dann zulässig, wenn zuvor eine außergerichtliche Streitbeilegung versucht wurde und diese<br />
nicht binnen 3 Monaten gelungen ist (Art 3 des <strong>Zivilrecht</strong>sänderungsgesetzes 2004).<br />
Zur Streitbeilegung sind berufen:<br />
1. Eine von einer Notariatskammer, einer Rechtsanwaltskammer oder ein sonstigen<br />
Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichtete Schlichtungsstelle.<br />
2. Bei Zust<strong>im</strong>mung beider Parteien ein eingetragener Mediator.<br />
3. Das zuständige Bezirksgericht <strong>im</strong> Wege der Beantragung eines dortigen so genannten<br />
„prätorischen Vergleichs“.<br />
Informationen über das jeweilige Schlichtungsangebot erteilt entweder die Österreichische<br />
Notariatskammer oder die Rechtsanwaltskammer des jeweiligen Bundeslandes. Eine Liste der<br />
Mediatoren kann <strong>im</strong> Internet über das Justizministerium abgerufen werden, wo unter dem<br />
Suchfeld „Gerichtsdatenbank“ auch das zuständige Bezirksgericht ermittelt werden kann.<br />
Die Kosten des Schlichtungsversuches hat zunächst der potentielle Kläger zu tragen. Kann<br />
keine gütliche Einigung erzielt werden, ist er berechtigt, diese Kosten in weiterer Folge <strong>im</strong><br />
Gerichtsverfahren geltend zu machen.<br />
Beispiele aus der bisherigen Rechtssprechung:<br />
- Bungalow (OGH vom 31.1.2007, 8 Ob 99/06 a):<br />
55 Fichten mit einer Höhe von 22 Metern führten verbunden mit einer besonderen<br />
Dachform dazu, dass bei einem Bungalow jeden Tag zwischen 12.00 und 14.00 Uhr<br />
eine künstliche Beleuchtung verwendet werden musste, wobei diese Beleuchtung<br />
jedoch zwischen April und August nicht notwendig war. Das Klagebegehren wurde<br />
abgewiesen.<br />
- Kauf einer bebauten Liegenschaft in einem Waldgebiet (OGH vom 16.3.2007, 6 Ob<br />
51/07 d):<br />
Neu hinzukommende <strong>Nachbar</strong>n können hier keine Waldbeseitigung verlangen,<br />
sondern haben sich mit den <strong>im</strong> Gebiet vorherrschenden Immissionen abzufinden,<br />
zumal in <strong>im</strong>missionsbelasteten Gebieten auch die Grundstückspreise entsprechend<br />
niedriger sind.<br />
- 10 bis 12 Meter hohe Baumreihe, Schatten <strong>im</strong> Freizeitbereich (OGH vom 14.8.2007, 1<br />
Ob 62/07 k):<br />
Durch eine etwa 10 bis 12 Meter hohe Baumreihe am <strong>Nachbar</strong>grund war der<br />
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Gartenbereich bereits um 14.00 Uhr völlig beschattet, der Terrassenbereich ab 15.00<br />
Uhr und die Liegewiese vor dem Schw<strong>im</strong>mbecken ab 16.00 Uhr. Da sich die<br />
Beschattung erst am Nachmittag und überwiegend <strong>im</strong> Freizeitbereich ergab, hielt der<br />
OGH diese als zu geringfügig.<br />
- 30 Meter hohe Pappeln (OGH vom 9.10.2007, 10 Ob 60/06 f):<br />
Da die <strong>Nachbar</strong>n hier <strong>im</strong> Erdgeschoß und <strong>im</strong> 1. Stock teilweise das ganze Jahr über<br />
künstliches Licht verwenden mussten und es zu einer bis zu 50 % igen Vermoosung<br />
gekommen war, gab der OGH hier in der Sache Recht.<br />
- 6 Meter hohe Thujenhecke (OGH vom 9.10.2007, 10 Ob 87/07 b):<br />
<strong>Der</strong> durch eine 6 Meter hohe Thujenhecke zwischen zwei Einfamilienhäusern<br />
verursachte Schattenwurf auf das <strong>im</strong> Erdgeschoß befindliche Wohnz<strong>im</strong>mer von<br />
jahreszeitlich bedingt einer halben Stunde bis zu ca. 3 Stunden war dem OGH zu<br />
wenig.<br />
Fazit: Eine Klagsführung wegen Entzug von Licht und Luft sollte man sich äußerst gut<br />
überlegen. Während die Unterinstanzen hier bisher durchaus bereit waren, Klagen aus<br />
negativen Immissionen positiv für den Kläger zu entscheiden, war dies be<strong>im</strong> OGH bisher<br />
eigentlich fast nie der Fall. Sollte diese Judikatur in dieser Schärfe weiter praktiziert werden,<br />
wird der mit großen Erwartungen eingeführte Paragraph zum toten Recht verkommen.<br />
Weitere Auswirkungen von fremden Bäumen und Pflanzen („positive Immissionen“):<br />
Das Gesetz sagt nichts darüber, wie es sich mit weiteren Auswirkungen fremder Pflanzen<br />
verhält, z. B. wenn ein Grundeigentümer durch Laub, Nadeln, herabfallende Früchte, Zapfen,<br />
herabtropfendes Harz etc. fremder Bäume beeinträchtigt wird oder eine Geruchs- oder<br />
Staubbelästigung (Blütenstaub) durch fremde Pflanzen vorliegt. Wenn überhaupt, dann<br />
könnte man sich nur bei Ortsunüblichkeit und wesentlicher Grundstücksbeeinträchtigung (§<br />
364 Abs 1 ABGB) gegen derartige „positive Immissionen“ von Pflanzen wehren. Solche<br />
Auswirkungen sind in aller Regel jedoch zu dulden. Dass ein Hauseigentümer beispielsweise<br />
wegen <strong>Nachbar</strong>bäumen seine Dachrinne einmal Jährlich reinigen muss oder dass er fremdes<br />
Laub <strong>im</strong> Herbst mehrmals zusammenrechen und kompostieren muss, ist noch keine<br />
wesentliche Beeinträchtigung.<br />
Selbsthilferecht (§ 422 ABGB):<br />
Wie bereits erwähnt, obliegt es zivilrechtlich betrachtet der ausschließlichen Entscheidung<br />
eines Grundeigentümers, ob und wenn ja, wo, welche und wie er Bäume setzt und wachsen<br />
lässt. Allenfalls könnte man sich als Grundnachbar hier vertraglich eine Servitut des<br />
Nichtpflanzens bzw. auf Aussicht einräumen lassen, wenn der andere Eigentümer dem<br />
zust<strong>im</strong>mt. Abgesehen von einigen wenigen öffentlich rechtlichen Vorschriften (z. B. die<br />
Abstandsvorschrift des § 19 Oö. Straßengesetz oder die Zurückschneidungsverpflichtung<br />
nach § 91 StVO) bestehen hier auch außerhalb des <strong>Zivilrecht</strong>s kaum Einschränkungen.<br />
Auch nach dem seit 2004 neu geregelten <strong>Nachbar</strong>recht kann der Eigentümer von Pflanzen in<br />
der Regel nicht aktiv angehalten werden, seine überhängenden Äste und eindringenden<br />
Wurzeln zu entfernen (Siehe jedoch OGH vom 11.12.2007, 4 Ob 196/07 p, wo erstmals hier<br />
ein offenbarer Meinungsumschwung des OGH erkennbar ist)<br />
Es steht dem beeinträchtigten <strong>Nachbar</strong>n nach § 422 ABGB das Recht zu, den Überhang zu<br />
stutzen. § 422 Abs 1 ABGB hat folgenden Wortlaut:<br />
„Jeder Eigentümer kann die in seinen Grund eindringenden Wurzeln eines fremden Baumes<br />
oder einer anderen fremden Pflanze aus seinem Boden entfernen und die über seinem<br />
Luftraum hängenden Äste abschneiden oder sonst benützen. Dabei hat er aber fachgerecht<br />
vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen. Bundes- und landesgesetzliche<br />
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Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über<br />
den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben unberührt.“<br />
Worauf muss hier be<strong>im</strong> Zurückschneiden besonders geachtet werden?<br />
Steht der Baum nicht an, sondern direkt auf der Grenze, maßgeblich ist der Stamm, wo er aus<br />
dem Erdreich ragt (§ 421 ABGB), so handelt es sich nicht um einen benachbarten Baum,<br />
sondern um einen so genannten Grenzbaum, der <strong>im</strong> Miteigentum der berührten<br />
Grundeigentümer steht. Auf einen solchen Baum findet das <strong>Nachbar</strong>recht von vornherein<br />
keine Anwendung und darf über diesen grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des anderen<br />
Miteigentümers verfügt werden.<br />
Die Entfernung überhängender Pflanzenteile und eindringender Wurzeln ist nur unter<br />
entsprechender Schonung der Pflanzen möglich. <strong>Der</strong> Erhalt der Pflanze steht <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
<strong>Der</strong> Baumschnitt ist daher saisonal verträglich vorzunehmen, sodass die Pflanze in ihrer<br />
weiteren Entwicklung keinen Schaden n<strong>im</strong>mt.<br />
Wird durch die Entfernung von Ästen und Wurzeln die Standsicherheit eines Baumes<br />
beeinträchtigt, muss die Maßnahme gänzlich unterbleiben. Auch das Anwenden gewisser<br />
„Hausmittel“, wie der Einsatz rostiger Nägel, Kupfernägel, Pflanzengift oder natürlicher<br />
Schädlinge ist kaum ratsam und führt zu Schadenersatzansprüchen des Eigentümers der<br />
Pflanze, kann aber auch verwaltungsrechtliche und strafrechtliche (Sachbeschädigung)<br />
Konsequenzen nach sich ziehen.<br />
Be<strong>im</strong> Abschneiden sind auch die speziellen bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften<br />
über den Baum- und Pflanzenschutz zu beachten. Auch hier ist ein Zuwiderhandeln mit zum<br />
Teil empfindlichen Strafen verbunden.<br />
Wer Wurzeln oder Äste entfernen möchte, sollte über ein gewisses gartenbautechnisches<br />
Grundwissen verfügen. Im Zweifelsfall ist die Beiziehung eines Fachmannes dringend<br />
anzuraten, da dieser dann für allenfalls verursachte Baumschäden als sachverständige<br />
Personen haftet.<br />
Das Betreten des Baumgrundstückes ist ohne Einverständnis des Eigentümers nicht gestattet.<br />
Gleiches gilt für das Anlehnen einer Leiter. Sofern der Baumschnitt anders nicht möglich ist,<br />
ist er zu unterlassen, da <strong>im</strong> anderen Fall eine Besitzstörungs- und Unterlassungsklage drohen<br />
könnte.<br />
Wer trägt die Kosten für die Entfernung?<br />
§ 422 Abs 2 ABGB: „Die für die Entfernung der Wurzeln oder das Abschneiden der Äste<br />
notwendigen Kosten hat der beeinträchtigte Grundeigentümer zu tragen. Sofern diesem aber<br />
durch die Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist oder offenbar droht, hat der<br />
Eigentümer des Baumes oder der Pflanze die Hälfte der notwendigen Kosten zu ersetzen.“<br />
Grundsätzlich hat daher der beeinträchtigte <strong>Nachbar</strong> die Kosten der Entfernung von Wurzeln<br />
und Ästen selbst zu tragen. Ausnahmsweise hat aber der Pflanzeneigentümer die Hälfte der<br />
notwendigen Kosten zu ersetzen, sofern durch die herüberwachsenden Wurzeln oder Äste ein<br />
Schaden entstanden ist oder droht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eindringende Wurzeln<br />
Wasser- oder Kanalleitungen zerstören oder verstopfen oder die Platten eines Weges so stark<br />
anheben, dass dieser mangelhaft wird oder wenn die überhängenden Äste Schäden am Dach<br />
oder an der Fassade eines Hauses verursachen.<br />
Sofern die Pflanzen bereits einen Schaden verursacht haben, steht dem beeinträchtigten<br />
<strong>Nachbar</strong>n unter Umständen auch ein Anspruch auf Schadenersatz zu, wenn die Schäden vom<br />
Eigentümer der Pflanzen vorwerfbar oder schuldhaft verursacht wurden. War beispielsweise<br />
erkennbar, dass Äste eines Baumes bereits morsch sind und zerstören diese bei einem Sturm<br />
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durch Herabfallen den Gartenzaun oder das Gerätehaus des anderen <strong>Nachbar</strong>n, kann dieser<br />
gestützt auf eine analoge Anwendung der so genannten Bauwerkshaftung (§ 1319 ABGB),<br />
Schadenersatz begehren.<br />
Das Schnittgut hat grundsätzlich der beeinträchtigte <strong>Nachbar</strong> zu entsorgen, der an den<br />
abgeschnittenen Ästen, Zweigen, Früchten durch Aneignung in der Regel Eigentum erwirbt.<br />
In der Hoffnung ihnen mit obigen Ausführungen zumindest einige, für ihre<br />
verantwortungsvolle und fordernde Amtsleitertätigkeit hilfreiche Ausführungen getätigt zu<br />
haben, verbleibe ich mit kollegialen Grüßen .<br />
Ihr<br />
Mag. Helmut Habersack, Linz <strong>im</strong> Juni 2010<br />
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