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Täter-Opfer-Ausgleich im Strafvollzug - Landesarbeitsgemeinschaft ...

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TOA-Magazin - Nr. 01PrologLiebe Abonnenten des TOA-Magazins,diese persönliche Anrede sei ausnahmsweisegestattet. Drückt sie doch vor allem denDank dafür aus, dass Sie entweder bereits zuden Abonnenten des Info-Dienstes gehörenoder sich in den letzten Wochen zumAbonnement entschlossen haben.Wir hoffen sehr, dass Ihnen der neue‚Info-Dienst‘ <strong>im</strong> neuen Gewand, mit neuerinhaltlicher Ausrichtung und sogar mitneuem Namen gefallen wird.Selbstverständlich haben wir nicht allesverändert. Schließlich sind zum Beispieldie Rubriken ‚Wir stellen vor‘, ‚Rechts‘,‚Links‘, ‚Buchtipp‘ ‚Berichte aus denBundesländern‘ usw. bei unseren Lesern sehrgut angekommen.Allerdings wollen wir zukünftig jedeAusgabe einem Schwerpunktthema widmen:Die erste - hier vorliegende - Ausgabedes TOA-Magazins beschäftigt sich mitdem Thema ‚<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> <strong>im</strong><strong>Strafvollzug</strong>‘. Ein Thema, mit dem wir aufvielfältige Weise konfrontiert sind. Daist die eindrückliche Beschreibung einesBetroffenen, die ganz deutlich einen wie<strong>im</strong>mer gearteten Bedarf an Vermittlung auchbei schwersten Straftaten dokumentiert. Dasind in geringem Umfang Fallerfahrungen,aus denen abzulesen ist, dass es mit demmethodischen Mittel der Mediation gelingenkann, auch in solchen Fällen eine Befriedungherbeizuführen.Und da sind Projekte und Programme ineinzelnen Bundesländern, die dem TOA<strong>im</strong> Vollzug eine gewisse institutionalisierteBasis geben sollen. Man darf gespannt sein,was aus den hier vorgestellten Ansätzenwird und ob diese in den nächstenJahren zu den dringend notwendigenFallerfahrungen führen werden. Aber auchdie Tatsache, dass es in manchen Regionen(siehe Berichte aus den Bundesländern)der Republik keinerlei Angebote in dieserHinsicht gibt, wird nicht verschwiegen.Die Ausgabe zum Jahreswechsel wirdsich mit den Fällen beschäftigen, dieohne die Beteiligung eines Vermittlers <strong>im</strong>Gerichtssaal als TOA bewertet wurden, undhäufig weit weg von dem liegen, was in denbundesweiten TOA-Standards als zwingendnotwendig formuliert wurde. Offensichtlichgibt es zunehmend einen ‚TOA neben demTOA‘. Neben einer Bestandsaufnahme sollenmögliche Strategien in Umgang mit diesemPhänomen dargestellt werden.Die Frühjahrsausgabe 2014 soll sich dannmit den Besonderheiten des <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s <strong>im</strong> Jugendstrafrecht auseinandersetzen.Die optische Veränderung läuft eher moderatab und wird sich langsam von Auflage zuAuflage vollziehen. Augenfälligstes Indizeiner Veränderung ist, dass wir das ‚Blau-Weiß-Schema‘ reduziert haben und jetzt einbisschen ‚bunt‘ daherkommen.Wir hoffen, dass unser verändertes Produktmit neuem Namen auf Ihre Zust<strong>im</strong>mungtrifft. Wir freuen uns über jedes Feedback.Wir möchten Sie auch ermuntern, mitLeserbriefen zur Lebendigkeit des TOA-Magazins beizutragen.Mit besten GrüßenGerd DelattreKöln <strong>im</strong> Juli 2013Für die kommenden Ausgaben haben wirfolgende Themenschwerpunkte ins Augegefasst:3


September 2013und umfassenden Schmerz. Ich habe meineMutter sehr geliebt und wir hatten <strong>im</strong>merein ausgesprochen inniges Verhältnis, das geprägtwar von großer Offenheit. Daher binich fest überzeugt, dass sie mir erzählt hätte,wenn es Konflikte zwischen ihr und ihremPartner gegeben hätte.Zu einem Gerichtsprozess kam es <strong>im</strong> weiterenVerlauf nicht, jedoch habe ich mirüber den Weißen Ring eine Anwältin für die„Nebenklage“ organisiert – alleine zu demZweck, um über den Verlauf des strafrechtlichenProzesses informiert zu werden. Informationenaus dem strafrechtlichen Verfahrenerhält man als Angehöriger ja nicht automatisch,sondern nur, wenn man diese sogenannte„Nebenklage“ einreicht.Im Zusammenhang mit der strafrechtlichenVerfolgung diente ich als Sohn des Mordopferszunächst einmal nur als Zeuge, um denStaat in der Verfolgung einer Straftat zu unterstützen;so musste ich meine Mutter zumBeispiel identifizieren, wurde von der Polizeiverhört, sollte mich zur Beziehung der beidenäußern. Tatsächlich empfand ich dieseSituation als sehr frustrierend – auch, weil dieBehandlung, beispielsweise durch die Polizeibe<strong>im</strong> Verhör, nicht nur mangelhaft sensibel,sondern teilweise auch noch ausgesprochenunprofessionell war, was meines Erachtensallerdings darin begründet ist, dass die Beamten/inneneinfach nicht ausreichend für solcheGespräche qualifiziert werden.Ich erwähnte schon, dass es nicht zu einerGerichtsverhandlung gekommen ist. Dashing damit zusammen, dass der <strong>Täter</strong> bis zurHauptverhandlung aus Schonungsgründenaus der Untersuchungshaft entlassen wurde.Dies ist in Deutschland möglich, wenn keineFlucht-, Wiederholungs- oder Vereitelungsgefahrbesteht; die Justiz hatte in diesem Falldiese Gefahren ausgeschlossen. Über dieseEntscheidung wurde ich leider nicht rechtzeitiginformiert, denn sonst hätte ich dieJustiz auf die meines Erachtens bestehendeSuizidgefahr aufmerksam machen können.Tatsächlich war es so, dass ich erst mehrereWochen danach – per Zufall – davon erfuhr,dass sich der <strong>Täter</strong> nicht mehr in der Untersuchungshaftbefand. Genau an diesem Tagsuizidierte er sich.Diese Selbsttötung ereignete sich ein halbesJahr nach dem Mord an meiner Mutter. Abgesehendavon, dass aus meiner Sicht mitdem Suizid des <strong>Täter</strong>s alle drei von der Justizausgeschlossenen Tatbestände in einer Handlungerfüllt waren – Flucht, Wiederholungund Vereitelung – hatte es für mich die Konsequenz,mich mit den Folgen seiner Handlungerneut selbstständig auseinandersetzenzu müssen. Es gab somit für mich keineForm der Aufarbeitung seiner Tat über einenProzess, es gab keinen Kontakt zum <strong>Täter</strong>,kein Gespräch, keine Information über denVerlauf des Mordtages, seine Beweggründe,seine aktuelle Situation – und: kein Gehör fürmein Anliegen.Wie sind Sie auf die Idee gekommen,einen <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>(TOA)machen zu wollen? Was haben Sieunternommen, um die Idee zu verwirklichen?Ich selbst hatte zum damaligen Zeitpunktmeine Mediationsausbildung schon einigeJahre zuvor abgeschlossen und mit der Ausbildertätigkeitin Mediation begonnen. Vordem Hintergrund war mir TOA an sich –theoretisch – vertraut. Mir war nicht bewusst,ob und in welcher Weise TOA auch bei solchschwerwiegenden Taten in Deutschlanddurchgeführt wird. Da fehlten mir die Erfahrungswerte,so dass ich mich an ein <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>sbüro wandte, um diese Fragenzu klären.Mit welchen Menschen kamen Siewährend Ihres Versuchs eines TOAsin Kontakt und wie sind sie mit Ihnenumgegangen? Auf welche Widerständesind Sie gestoßen?Die Menschen, mit denen ich bei meinemVersuch, Antworten auf meine Fragen zu erhalten,in Kontakt kam, waren freundlich undzugewandt, hörten mir zu – waren aber auchauf eine bedrückende Art vorsichtig, weil essich um eine derartig schwere Straftat handelte.Die Erkenntnis, dass es keine Erfahrungswertein Deutschland zu dem Thema gab unddie Vorsicht, zu der meine Ansprechpartner/innen rieten, ließen mich schließlich Abstandvon der Idee des TOAs nehmen.6


TOA-Magazin - Nr. 01Was haben Sie sich von einem TOAversprochen?Mein Anliegen war zum damaligen Zeitpunktzunächst einmal, mit dem <strong>Täter</strong> zu sprechen,mehr zu erfahren, was denn eigentlich genaupassiert ist und auch, was denn in dieser entsetzlichenSituation in ihm vorgegangen ist.Also, erst einmal mehr zu hören.Im zweiten Schritt war es mir ein Anliegen,ihm mehr Informationen zu geben, die ausmeiner Sicht für eine wirkliche Auseinandersetzungmit seiner Tat wichtig gewesen wären.Dazu hätte für mich gehört, ihm mehr überunsere liebevolle Mutter-Kind-Bindung zuberichten, so dass klarer wird, welchen intensivenVerlust er in meinem Leben erzeugt hat.Auch wäre mir wichtig gewesen, verständlichzu machen, dass er mir nicht nur meine Mutter,sondern auch eine wichtige Ratgeberinund Begleiterin genommen hat, die für michbesonders in der nächsten Zeit von elementarerBedeutung gewesen wäre: Wenige Monatenach dem Tod meiner Mutter wurde ichselbst Vater und in diesem Mich-Einfindenin die Vaterrolle wäre mir meine Mutter einegroße Hilfe gewesen. Daneben war es meinWunsch, ihm zu verdeutlichen, dass er mitseiner Tat also auch diesem ungeborenenKind die Großmutter genommen hat. Hierwäre es mir also darum gegangen, dass erAuswirkungen seiner Tat hört, die ihm ausmeiner Sicht nicht bekannt waren und die erdemnach auch in seiner Auseinandersetzungmit der Tat bisher nicht berücksichtigte.Mit welchen Erwartungen sind Siedaran gegangen?Mein erstes Anliegen war ja, selbst mehr zuerfahren; ich denke, diese Erwartung wäre allerVoraussicht nach erfüllt worden, wäre eszu einem TOA gekommen.Mein zweites Anliegen, also ihn mit den Auswirkungenseiner Tat zu konfrontieren – insbesondereden Aspekten, die er vermutlichnicht mit einbeziehen konnte – wäre vermutlichauch möglich gewesen. Mir ist bewusst,dass das Einbeziehen dieser Aspekte in seineeigene Auseinandersetzung mit der Tat nichtin meinem Einflussbereich liegt, es also auchhätte passieren können, dass er es einmalighört und sich dann nicht weiter damit auseinandersetzenmöchte. Gleichzeitig wäre es– auch aus meiner heutigen Sicht – für michjedoch bereits ausreichend gewesen, ihm gegenüberdie Auswirkungen einmal explizitbenannt zu haben.Haben Ihre Erwartungen ausschließlichmit Ihren Gefühlen zu tun, oderhaben Sie Erwartungen, in denender <strong>Täter</strong> und seine Gefühle eineRolle spielen, z. B. dass er Reueempfindet oder Verantwortung übernehmensoll?Zunächst einmal ist es so, dass es mir ummehr Informationen ging, das hat mit mirund meinen Gefühlen zu tun. Gleichzeitigbezieht sich mein zweites Anliegen darauf,ihm mehr Informationen zu geben. Daswiederum hat <strong>im</strong> ersten Schritt mit mir undmeinen Gefühlen zu tun. Darin ist jedoch<strong>im</strong> zweiten Schritt enthalten, dass er sich mitdiesen Informationen auseinandersetzt, alsobezieht sich dies dann auch auf ihn und seineGefühle. Der dritte Schritt besteht darin, dassin meiner Selbst- und Weltsicht eine persönlicheAuseinandersetzung mit eigenen strafrechtlichrelevanten Handlungen einer Formvon Verantwortungsübernahme – über dasAkzeptieren strafrechtlicher Konsequenzenhinaus – entspricht, die ich positiv bewerte:Hätte er sich also die Aspekte angehört, diemir wichtig waren, ihm zu sagen, und daraufreagiert, so hätte ich das persönlich positivgewertet. Auf diese Weise hätte auch diesdann wieder mit mir und meinen Gefühlenzu tun. Mir ist jedoch wichtig, noch einmal zusagen, dass mir bewusst ist, dass ich eine solcheintensive Reaktion bzw. Auseinandersetzungseinerseits nicht erwarten konnte unddies in meine Überlegungen mit einbezogenhabe.Wie ist es Ihnen persönlich ergangenseit der Tat? Wie geht es Ihnenheute?Diese Tat hat mein Leben sehr verändert –ich denke, dass ich persönlich über eine ungewöhnlicheinnere Stärke oder Kraft verfüge,so dass es mir gelungen ist, diesen auf entsetzlicheWeise erfolgten schrecklichen Verlustfür mich in mein Leben zu integrieren.Ich habe <strong>im</strong> Namen meiner Mutter eine kleineStiftung gegründet, die Gertrud FrohnStiftung, die ihr Wirken und ihr Engagementfortsetzt: Die Stiftung unterstützt Kinder in7


September 2013Im Zuge seiner Auseinandersetzung mit diesereinschneidenden Erfahrung hat Dominic Frohn dieGertrud Frohn Stiftung gegründet.www.gertrudfrohnstiftung.deaußergewöhnlichen Lebenssituationen, beispielsweiseKinder, die in He<strong>im</strong>zusammenhängenaufwachsen, die früh ihre Elternverloren haben, oder auch Kinder, die anschweren Erkrankungen leiden. Die Stiftunghabe ich 2009 mit einer sehr geringen Summe,nämlich 5.000 Euro, teilweise aus demErbe meiner Mutter und teilweise aus einerkleinen Schmerzensgeldzahlung, gegründet.Die Stiftung entwickelt sich ausgezeichnetund wir haben schon einige förderungswürdigeProjekte in Deutschland und <strong>im</strong> Auslandunterstützt. Der Beirat entscheidet jedes Jahram Geburtstag meiner Mutter über die jährlicheProjektförderung.Selbstverständlich gibt es <strong>im</strong>mer wieder Momente,in denen ich mir wünsche, meineMutter wäre noch am Leben und die Stiftungwürde es nicht geben. Gleichzeitig ist es dennochauf diese Weise gelungen, etwas, das ihrein großes Anliegen war, nämlich Kinderneine positive Perspektive geben zu können,sinnvoll weiter leben zu lassen – über ihrensinnlosen Tod hinaus.Was würden Sie sich für die Zukunftwünschen?Ich bin der festen Überzeugung, dass fürmich persönlich ein TOA hilfreich und sinnvollgewesen wäre. Klar ist, dass es best<strong>im</strong>mteGrundlagen dafür braucht, z.B. eine intensiveVorarbeit mit einer Reflexion der Anliegenfür den TOA, einer Auftragsklärung, wasdurch einen TOA zu erreichen ist und wasnicht, und einen achtsamen Umgang mit derGefahr eventueller Retraumatisierung sowieeine professionelle Begleitung der Beteiligten.Und auch, wenn ich mir bewusst bin, dass einTOA nicht für alle <strong>Opfer</strong> bzw. Angehörigenvon <strong>Opfer</strong>n schwerer Straftaten eine passendeForm der Auseinandersetzung ist, so istmir durch meine Erfahrung klar geworden,dass wir hier in Deutschland einen Mangelhaben: Personen, denen es ähnlich geht wiemir damals, haben aktuell nicht die Chance,eine solche Form der persönlichen Auseinandersetzungper TOA zu wählen. Hier ist derStaat aus meiner Sicht in der Verantwortung,<strong>Opfer</strong>n bzw. ihren Angehörigen diese Chancenicht zu verweigern.Gertrud Frohn* 05. November 1950† 27. November 20078


TOA-Magazin - Nr. 01Gesetzliche Rahmenbedingungen des<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>- ein VorschlagDieter RössnerMöglichkeiten des <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>Die Straftaten, die <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> für einen<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> in Frage kommen,entsprechen unter vielen Aspekten den auchsonst bekannten <strong>Ausgleich</strong>sfällen mit einempersönlichen <strong>Opfer</strong> und häufig mit einer Beziehungsproblematik.Die Besonderheitenliegen darin, dass es sich in der Regel umrelativ schwere Straftaten mit entsprechendenFolgen für das <strong>Opfer</strong> und einer tieferenBeziehungsproblematik handelt. Hinzukommt, dass das Strafverfahren abgeschlossenist. Dennoch sprechen die Besonderheiteneigentlich dafür, den TOA entsprechendseinen Zielsetzungen, seinen Aufgaben undder Resozialisierungschancen gerade an dieserStelle einzusetzen. Das wird <strong>im</strong>mer mehrerkannt und versucht umzusetzen. Eine klaregesetzliche Vorgabe erscheint jedoch zurUmsetzung notwendig zu sein. Die Vorteilefür alle Beteiligten liegen gerade hier auf derHand.a) Vorteile für das <strong>Opfer</strong>Der Prozess der <strong>Opfer</strong>werdung führt beiden Betroffenen häufig zu einer Veränderungihres subjektiven Sicherheitsgefühlsund des Gerechtigkeitsempfindens. Die zugefügteVerletzung muss deshalb als solcheanerkannt, beachtet und thematisiert werden.Der <strong>Strafvollzug</strong> könnte daran mitwirken,<strong>Opfer</strong>gerechtigkeit durch Unterstützung beider Konfliktverarbeitung Wiedergutmachunggerade nach schweren Straftaten herzustellen.Erlittene materielle Schäden, Demütigungen,Einbußen, Verletzungen können auchmit einem <strong>Täter</strong> <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> noch bearbeitetwerden, wenn das <strong>Opfer</strong> aktiv am<strong>Ausgleich</strong>sgeschehen beteiligt wird. Wichtigist dabei, dass <strong>Opfer</strong> als Personen, um derenVerletzung es geht, wahrgenommen undernst genommen werden. Der Wiederherstellungvon Rechtsfrieden dient es wenig, wennlediglich der <strong>Täter</strong> behandelt wird. Währendfür den Verurteilten ganz zu Recht ein Systemder Unterstützung und sozialer Hilfen bereitsteht, ist das <strong>Opfer</strong> in der Regel von der Unterstützungprivater Vereinigungen abhängig.<strong>Opfer</strong> wollen wissen, warum gerade sie <strong>Opfer</strong>einer Straftat geworden sind. Sie wollenAngst, Ärger und sonstige psychische Belastungen,die durch die Tat ausgelöst wurden,verarbeiten. Gerade diese Gesichtspunktezeigen, dass sie einen hohen Kommunikationsbedarfhaben. Dieser entfällt in der Regel,wenn der <strong>Täter</strong> inhaftiert ist, es sei denn,es werden solche Strukturen <strong>im</strong> Rahmen des<strong>Strafvollzug</strong>s aufgebaut.Der <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> wird den <strong>Opfer</strong>bedürfnissenauch <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> gerecht.Er gibt <strong>Opfer</strong>n die Möglichkeit, durch verbaleDarstellung des Tatablaufs und durchAuseinandersetzung mit dem <strong>Täter</strong> die Tatzu verarbeiten. Dabei spielt die Anwesenheiteines kompetenten Vermittlers und auch dieVerbüßung der Strafe, die dem <strong>Opfer</strong> jetzteine stärkere Position einräumt, eine großeRolle. Dieses bewirkt, dass sich der <strong>Täter</strong>dem <strong>Ausgleich</strong>sversuch erst einmal stellt, weiler vorrangig dadurch motiviert ist, dass ihmder <strong>Ausgleich</strong> Vorteile <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> bringenkann. In so angebahnten Kontakten ergibtsich jedoch häufig, dass der <strong>Täter</strong> sehrwohl auch Schuldgefühle hat, die Tat und dieFolgen bereut und zur Wiedergutmachungbereit ist. Er muss sich der Konfrontationmit dem Ärger und den Gefühlen des <strong>Opfer</strong>sstellen, hat dabei aber andererseits die Möglichkeit,deutlich zu machen, dass er auch einMensch ist, der sich nicht nur auf „den <strong>Täter</strong>“reduzieren lässt. Er kann Motivationenund Gründe für sein Verhalten vorbringenund - ganz wichtig - die Verantwortung für9


September 2013sein Fehlverhalten übernehmen, indem ersich selbst von der Tat distanziert. Diesenletztgenannten Aspekt der unterschiedlichenWirkweisen von Wiedergutmachung undVerurteilung hat der australische Kr<strong>im</strong>inologeBraithwaite als Vertreter einer „RestorativeJustice“ in seiner Theorie des „ReintegrativeShaming“ aufgegriffen.b) Vorteile für den <strong>Täter</strong><strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> ist ein zentraler Behandlungsansatzder Kr<strong>im</strong>inalprävention.<strong>Täter</strong> können gerade durch schwere Tatenin einen Konflikt mit sich selbst geraten, habenSchuldgefühle, bereuen die Tat. Deshalbwenden sie verschiedene Techniken der Neutralisierung,Verdrängung und Leugnung desUnrechts und der Verschiebung der Schuldauf andere an, um ein inneres Gleichgewichtwiederherzustellen. Be<strong>im</strong> Zusammentreffenmit dem <strong>Opfer</strong> werden Verdrängungsprozesse<strong>im</strong> Gegensatz zur sonst möglichen„Schutzzone <strong>Strafvollzug</strong>“ verhindert. DieKonfrontation mit dem <strong>Opfer</strong> erlaubt es indessen Gegenwart nicht mehr, die Schuld aufandere, gar auf das <strong>Opfer</strong> selbst abzuwälzen.Dass sich der <strong>Täter</strong> der Verantwortung stellenmuss, ist nicht <strong>im</strong>mer angenehm. Durcheine Leistung oder eine Geste der Wiedergutmachung,der Bitte um Entschuldigung, kannder <strong>Täter</strong> aber auch zeigen, dass er sich vonder Tat distanziert und die Verantwortungfür sein Verhalten übern<strong>im</strong>mt. Diese Verarbeitungsprozessekönnen in vielfältiger Weisein die Therapie des Gefangenen integriertwerden.Diese positiven Aspekte der Behandlungwerden nicht dadurch in Frage gestellt, dassdaneben die Aussicht auf Vergünstigungen<strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> eine wesentliche Motivationfür den Gefangenen ist, an einem <strong>Ausgleich</strong>teilzunehmen. Der TOA unterscheidet sichinsoweit nicht vom Angebot traditionellerBehandlungsansätze <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>. Be<strong>im</strong>TOA sind auch die positiven Folgen für denGefangenen nach der Entlassung zu berücksichtigen.Mit einem <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>ist auch der Konflikt bereinigt und eventuellsonst auf den Entlassenen zukommendegerichtliche Auseinandersetzungen auf zivilrechtlichemWeg werden vorher erledigt.Restorative Justice <strong>im</strong><strong>Strafvollzug</strong>a) Grundsätze des TOA <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>Die Entwicklung der Restorative Justice <strong>im</strong>Strafrecht in den letzten 20 Jahren hat ihrenEinsatz verfestigt und sehr positive Effektebei der Resozialisierung gezeigt. Diese Beobachtunggilt international wie national. InDeutschland sind die Ansätze der Mediationmit ihrem Ziel des Tatfolgenausgleichs durchBerücksichtigung der <strong>Opfer</strong>interessen, freiwilligeVerantwortungsübernahme durchden <strong>Täter</strong> und Konfliktregelung <strong>im</strong> allgemeinenStrafrecht (§§ 46 a StGB; 155, 155 aStPO) und <strong>im</strong> Jugendstrafrecht (§ 45 Abs. 2s. 2 JGG) fest etabliert.Ihr Ziel und Ihre Grundlagen der beabsichtigtenpositiven Verhaltensbeeinflussunggelten für das gesamte Strafrecht und verliereninsbesondere bei dem behandlungsorientierten<strong>Strafvollzug</strong> mit schweren Straftatenund entsprechenden <strong>Opfer</strong>schädennichts an Bedeutung. Neue Programme undModelle belegen positive Wirkungen aufmehreren Ebenen:• Thematisierung und Bearbeitung der Tatdurch Aufmerksamkeitsprozesse für dasherbeigeführte <strong>Opfer</strong>leid insbesonderein der ersten Vollzugszeit mit Elementendes Empathietrainings auch durch Konfrontationmit stellvertretenden <strong>Opfer</strong>n,• Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortungam Geschehen und Prozesseder Verantwortungsübernahme,• Unterstützung von Wiedergutmachungsbemühungengegenüber dem <strong>Opfer</strong> undvon Mediationsprozessen,• Lernen von gewaltfreienKonfliktlösungen <strong>im</strong> Umgang mit Bedienstetenund Mitgefangenen,• Möglichkeiten der symbolischen Wiedergutmachungbezogen auf die Gemeinschaft,in die der Gefangene nach derHaft zurückkehrt.Um diese Ansätze in den <strong>Strafvollzug</strong> zutransferieren, sind gesetzliche Regeln erforderlich,die einerseits die Notwendigkeit solcherBehandlungsansätze für das Gesamtprogrammder Resozialisierungsansätze genügendkonkret vorgeben, andererseits aberausreichend Spielraum für die Entwicklungneuer Konzepte bieten.10


TOA-Magazin - Nr. 01Prof. Dr. Dieter RössnerStudium, Promotion und Habilitation in den Rechtswissenschaftenin Tübingen. Ehemaliger Direktor des Institutsfür Kr<strong>im</strong>inalwissenschaften der Universität Marburg. Seit1983 Forschungen zum TOA und seit 2012 Rechtsanwaltin Tübingen.b) Gesetzesvorschlag für ein umfassendes TOA-KonzeptAls Zusammenfassung wird eine Vorschrift mit nachfolgendem Wortlaut vorgeschlagen, die schonvorhandene einzelne Ansätze der Ländervollzugsgesetze aufn<strong>im</strong>mt, vor allem aber ein Gesamtkonzept<strong>im</strong> oben dargestellten Sinn enthält:§ .....(<strong>Opfer</strong>bezogene Vollzugsgestaltung)(1) Der Verwirklichung des Vollzugszieles dienen Behandlungsansätzeder konstruktiven Tatverarbeitung unter Einbeziehung des <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-Verhältnisses.Sie setzen <strong>im</strong> Strafverfahren begonnene Tatfolgenausgleichsbemühungenfort oder wirken auf deren Beginn <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> hin.(2) Konstruktive Tatverarbeitung befasst sich mit den berechtigten Interessendes Verletzten und Möglichkeiten der Mediation. Sie wirkt daraufhin,a) die Einsicht in die be<strong>im</strong> Verletzten verursachten Tatfolgen zu weckenund Mitgefühl zu entwickeln,b) die Verantwortung zu übernehmen und den durch die Tat verursachten<strong>im</strong>materiellen und materiellen Schaden wieder gut zu machen,c) die Fähigkeiten zur konstruktiven Konfliktlösung <strong>im</strong> Zusammenlebenauch <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> zu fördern.11


September 2013LINK(S)www.ec.europa.euÖffentliche Aufträge und FinanzierungDie Europäische Kommission stellt einen Teil des EU-HaushaltsUnternehmen und Organisationen in Form von Ausschreibungen,Finanzhilfen oder Fonds und anderen Finanzierungsprogrammen zurVerfügung.EU-Förderung <strong>im</strong> ÜberblickDie europäischen Förderprogramme bieten vor allem für kollaborative und internationaleAktivitäten eine attraktive Alternative zur nationalen Forschungsförderung. Das EU-Referatunterstützt Sie gerne bei der Recherche nach passenden europäischen Fördermöglichkeiten.Wollen Sie sich einen Überblick verschaffen, finden Sie einen ersten Einstieg in die vielfältigenFörderlinien der EU auf der Webseite ‚Contracts and Grants‘ der Europäischen Kommission.http://ec.europa.eu/contracts_grants/index_de.htmDort steht z.B. ein Anfängerleitfaden zur EU-Förderung zum Download bereit.Leitfaden zu öffentlichen Aufträgen der EUWie bewerbe ich mich um einen Auftrag der Kommission? Welche Arten von Aufträgen gibtes? Wie finde ich einen Auftrag, der für mein Unternehmen interessant ist? Wie muss ich dieFormulare ausfüllen?FinanzhilfenÜber direkte Finanzhilfen unterstützt die Kommission Projekte und Organisationen, die dieInteressen der EU fördern oder zur Durchführung eines Programms oder einer Strategie derEU beitragen.Leitfaden zu EU-Finanzhilfen und -Zuschüssenhttp://ec.europa.eu/budget/contracts_grants/grants/grants_de.cfmWie finde ich Finanzierungsmöglichkeiten nach den neuen EU-Regeln für 2007–2013? Wieviel steht <strong>im</strong> Rahmen der einzelnen Programme zur Verfügung?Quelle:http://www.uni-mainz.de/forschung/149_DEU_HTML.php#WeitereEU12


TOA-Magazin Nr. 01RECHT(S)Anspruch des <strong>Opfer</strong>s auf Auskunft - die gesetzliche SituationNach der Inhaftierung des <strong>Täter</strong>s hat das <strong>Opfer</strong> der Straftat das Recht aufAuskunft über Haftdauer und eventuelle Vollzugslockerungen.Es gibt zwei wenig bekannte Gesetze, auf die es sich berufen kann.§ 180 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVollzG.(5) Öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellendarf die Vollzugsbehörde auf schriftlichen Antragmitteilen, ob sich eine Person in Haft befindetsowie ob und wann ihre Entlassung voraussichtlichinnerhalb eines Jahres bevorsteht, soweit▪▪1. die Mitteilung zur Erfüllung der in der Zuständigkeitder öffentlichen Stelle liegenden Aufgabenerforderlich ist oder▪▪2. von nicht-öffentlichen Stellen ein berechtigtesInteresse an dieser Mitteilung glaubhaft dargelegtwird und der Gefangene kein schutzwürdigesInteresse an dem Ausschluss der Übermittlunghat.Dem Verletzten einer Straftat können darüberhinaus auf schriftlichen Antrag Auskünfte über dieEntlassungsadresse oder die Vermögensverhältnissedes Gefangenen erteilt werden, wenn dieErteilung zur Feststellung oder Durchsetzung vonRechtsansprüchen <strong>im</strong> Zusammenhang mit derStraftat erforderlich ist. Der Gefangene wird vor derMitteilung gehört, es sei denn, es ist zu besorgen,dass dadurch die Verfolgung des Interesses desAntragstellers vereitelt oder wesentlich erschwertwerden würde, und eine Abwägung ergibt, dassdieses Interesse des Antragstellers das Interessedes Gefangenen an seiner vorherigen Anhörungüberwiegt. Ist die Anhörung unterblieben, wirdder betroffene Gefangene über die Mitteilung derVollzugsbehörde nachträglich unterrichtet.§ 406 d Abs. 2 Satz 2 StPO(1) Dem Verletzten sind auf Antrag die Einstellungdes Verfahrens und der Ausgang des gerichtlichenVerfahrens mitzuteilen, soweit es ihn betrifft.(2) Dem Verletzten ist auf Antrag mitzuteilen, ob▪▪1. dem Verurteilten die Weisung erteilt wordenist, zu dem Verletzten keinen Kontakt aufzunehmenoder mit ihm nicht zu verkehren.▪▪2. freiheitsentziehende Maßnahmen gegen denBeschuldigten oder den Verurteilten angeordnetoder beendet oder ob erstmalig Vollzugslockerungenoder Urlaub gewährt werden,wenn er ein berechtigtes Interesse darlegt undkein überwiegendes schutzwürdiges Interessedes Betroffenen am Ausschluss der Mitteilungvorliegt; in den in § 395 Absatz 1 Nummer 1bis 5 genannten Fällen sowie in den Fällen des§ 395 Absatz 3, in denen der Verletzte zur Nebenklagezugelassen wurde, bedarf es der Darlegungeines berechtigten Interesses nicht.(3) Mitteilungen können unterbleiben, sofern sienicht unter einer Anschrift möglich sind, die derVerletzte angegeben hat. Hat der Verletzte einenRechtsanwalt als Beistand gewählt, ist ihm ein solcherbeigeordnet worden oder wird er durch einensolchen vertreten, so gilt § 145a entsprechend.Bei einem Vergleich der Vorschriften fällt auf, dass § 180 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVollzG aus dem Jahr 1998 nicht andas <strong>im</strong> Jahr 2004 neu ausgestaltete Informationsrecht des Verletzten aus § 406 d Abs. 2 Satz 2 StPO angepasstist. Die Divergenzen zwischen beiden Regelungen sind vielfältig: Antragsform, Anspruchsvoraussetzungen,Grad der Verbindlichkeit, Gegenstand des Informationsrechts und die Frage, an wen sich das <strong>Opfer</strong> mit einemInformationsantrag wenden muss, all dies ist innerhalb der bestehenden Normen nicht eindeutig geregelt 1 .1. Gelber/Walter NStZ 2013, 7813


September 2013<strong>Opfer</strong>perspektive <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> -Tatausgleich und <strong>Opfer</strong>schutzHolger Joiko und Claudia GelberEinführungDer Justizvollzugsbeauftragte des LandesNordrhein-Westfalen (NRW) hat u.a. die Aufgabe,an der konzeptionellen Weiterentwicklungdes <strong>Strafvollzug</strong>es mitzuwirken. Im Zugedessen hat er, getragen vom politischen Willender Landesregierung in NRW 1 , ein Projektinitiiert, welches sich die Förderung eineropferbezogenen Vollzugsgestaltung zum Zielgesetzt hat. 2 In der Justizvollzugsanstalt (JVA)Schwerte werden derzeit erste Elemente dieseskonzeptionellen Ansatzes in der Vollzugspraxiserprobt. 3Ausgangspunktund gesetzliche RegelungDas deutsche Straf- und Strafprozessrechtstellt von jeher den <strong>Täter</strong> in den Mittelpunkt;auch das <strong>Strafvollzug</strong>srecht war lange Zeit freivon jeglichen Elementen einer <strong>Opfer</strong>perspektive.4 Erst seit neuerer Zeit finden Aspekte des<strong>Opfer</strong>schutzes in größerem Umfang Berücksichtigungbei der Gesetzgebung <strong>im</strong> Bereichdes Justizvollzuges. 5 Diese Entwicklung ist zubegrüßen und erscheint überfällig; indes wirkendie in den vergangenen Jahren zum Beispielin Bayern, Hessen und Baden-Württembergin Kraft getretenen Normierungen nochzu selektiv. Anzustreben sind vielmehr einesystematische Erfassung und entsprechendegesetzliche Verortung. 6 Eine solche hat unlängstin NRW stattgefunden, wo seit dem1 Vgl. hierzu Nummer 8 der Leitlinien der LandesregierungNRW zum <strong>Strafvollzug</strong>, abgedruckt <strong>im</strong> Tätigkeitsberichtdes Justizvollzugsbeauftragten für das Jahr 2011, S. 318 ff.,abrufbar auch unter www.justizvollzugsbeauftragter.nrw.de2 Eingehende Informationen hierzu: Tätigkeitsberichte desJustizvollzugsbeauftragten für das Jahr 2011, S. 43 ff. sowiefür das Jahr 2012, S. 13 ff.3 Hierzu ausf. Gelber/Walter, BewHi 2013, 14 ff.4 Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten desLandes NRW für das Jahr 2011, S. 43 ff.5 Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten desLandes NRW für das Jahr 2011, S. 44 ff.; Gelber/Walter,NStZ 2013, 76 f.6 Gelber/Walter, BewHi 2013, 10 ff.1.Juni 2013 das Gesetz zur Regelung des Vollzugesder Sicherungsverwahrung (SVVollzG)gilt. Namentlich § 7 SVVollzG NRW führtdas Prinzip einer opferbezogenen Vollzugsgestaltungals allgemeinen Grundsatz ein.Die bisherige weitgehende „funktionale Reduktion“des <strong>Opfer</strong>s auf seine Rolle als Beweismittel<strong>im</strong> Strafprozess erscheint nichtnur aus Sicht der unmittelbar betroffenenVerbrechensopfer unbefriedigend. Auch unterBerücksichtigung verfassungsrechtlicherGrundsätze ist diese Sichtweise bedenklich,da der Staat zum Schutz seiner Bürger verpflichtetist, und zwar umso intensiver, jekonkreter sich die Gefahr darstellt. 7 Für denFall, dass eine Straftat nicht verhindert werdenkann, folgt aus der staatlichen Schutzpflichtnach Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art 1 Abs.1 des Grundgesetzes, dass den <strong>Opfer</strong>n nachträglichEntschädigung und Hilfe zu gewährenist. 8 Diese Grundsätze dürfen dabei auchnach dem Urteilsspruch und mit Beginn des<strong>Strafvollzug</strong>s nicht außer Acht bleiben. Das<strong>Opfer</strong> darf von den staatlichen Organennicht allein gelassen werden. Es bedarf mituntereiner Resozialisierung. 9 Die weitergehendeBerücksichtigung von <strong>Opfer</strong>schutzinteressenist vor diesem Hintergrund in allenStadien des Verfahrens bis hin zum etwaigen<strong>Strafvollzug</strong> nicht nur erstrebenswert, sondernunabdingbar.<strong>Opfer</strong>bezogeneVollzugsgestaltung1. Bedeutung und KernbereicheDer Begriff der opferbezogenen Vollzugsgestaltungist nicht neu. 10 Er beinhaltet denGrundgedanken, berechtigte Belange der<strong>Opfer</strong> bei der Gestaltung des Vollzuges(stärker und systematischer als bisher) zu be-7 BVerfGE 109, 1338 Walther, GA 2007, 6159 Schneider, Kr<strong>im</strong>inologie, 1987, S. 77410 Vgl. bereits Wulf, ZfStrVo 1985, 6714


TOA-Magazin - Nr. 01rücksichtigen. Zur praktischen Umsetzungbedarf es indes näherer Konkretisierung,um der Gefahr zu begegnen, die hiermit verfolgteIntention auf abstrakter Ebene „verhungern“zu lassen. Folgende Kernbereichekönnen herausgearbeitet werden:a) Tatausgleich, insbesondere <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>(TOA)Auch <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> soll nach Möglichkeitein Tatausgleich erzielt bzw. gefördert werden.Ein solcher kann zunächst materiellerNatur sein. Der <strong>Täter</strong> kann einen von ihm angerichtetenfinanziellen Schaden ausgleichen,wobei auch bereits die (ratenweise) Zahlungkleinerer Beträge <strong>im</strong> Einzelfall geeignet seinkann, die Herstellung von Rechtsfrieden zufördern.Aber auch der <strong>im</strong>materielle Tatausgleich sollgefördert werden. Dieser kann bereits in einerEntschuldigung des Gefangenen zumAusdruck gelangen. Auch kommt die Abgabeeiner sogenannten Schutzerklärung inBetracht. 11Eine große – schwierige aber lohnenswerte12 – Aufgabe ist des Weiteren, den von„draußen“ bekannten TOA vermehrt auch<strong>im</strong> Vollzug mit inhaftierten <strong>Täter</strong>n zu realisieren.Wichtig erscheint hierbei, externeFachstellen einzuschalten. Hierdurch solleinerseits Professionalität gesichert und dieNeutralität unterstrichen, andererseits aberauch ein vertrauensvoller weiterer Umgangzwischen Häftlingen und Gefängnismitarbeiterngewährleistet werden. Im Ergebnis kannsich ein durchgeführter TOA für den weiterenVollzug des <strong>Täter</strong>s positiv auswirken, 13wenn und soweit bei ihm eine konstruktiveAuseinandersetzung mit seiner Tat und denFolgen für das <strong>Opfer</strong> zu konstatieren ist. Andererseitsdarf ein Fehlschlagen zu keinen negativenKonsequenzen führen, um nicht vonvorn herein Ängste zu schüren und damit dieBereitschaft des <strong>Täter</strong>s zu konterkarieren.Neben dem TOA als bekannte Technik dersogenannten Restorative Justice (RJ) bietetdiese internationale Bewegung eine Vielzahl11 Dies sind (Absichts-)Erklärungen des <strong>Täter</strong>s überzukünftiges Tun oder Unterlassen.12 Vgl. hierzu Gelber, MschrKr<strong>im</strong> 2012, 142 ff.; Hartmann/Haas/Steengrafe/Steudel, TOA-Infodienst Nr. 44 (August2012), 26 ff.13 Hierüber ist das <strong>Opfer</strong> selbstverständlich <strong>im</strong> Vorfeldaufzuklären.von Denkansätzen, die <strong>im</strong> Zuge von Tatausgleichsüberlegungenaufgegriffen werdenkönnten. Die (vielschichtige und sich auf diegesamte Strafrechtpflege beziehende) Bewegunghat sich zum Ziel gesetzt, nach einerStraftat weniger die Bestrafung des <strong>Täter</strong>s,sondern vielmehr die Wiederherstellungder hierdurch gestörten (zwischenmenschlichen)Beziehungen zu erreichen. Methodenbzw. Verfahrensweisen der RJ sind dabei z.B.Gruppenarbeit mit <strong>Opfer</strong>n, (Familien-) Konferenzenund Friedenszirkel. 14 Es gilt, die inder RJ liegende Vielfalt von Möglichkeiten<strong>im</strong> Hinblick auf den vorliegenden Kontext„<strong>Strafvollzug</strong>“ zu analysieren 15 und für Zweckeder angestrebten sozialen Integrationnutzbar zu machen.b) <strong>Opfer</strong>schutzDie zweite tragende Säule der opferbezogenenVollzugsgestaltung stellt der <strong>Opfer</strong>schutz dar.<strong>Opfer</strong> fürchten sich zuweilen vor einer plötzlichenBegegnung mit dem (noch) inhaftierten<strong>Täter</strong>. Nicht selten haben Verletzte dasBedürfnis, sich auf eine Begegnung mit dem<strong>Täter</strong> einstellen zu können, und wünschendaher entsprechende Informationen. Dabeischeuen sie oftmals die Kontaktaufnahmemit den Institutionen (Staatsanwaltschaft,Gericht, JVA), etwa aus Sorge, sich ständigerklären zu müssen und keinen rechten Ansprechpartnerzu finden. Mit <strong>Opfer</strong>schutz istin diesem Zusammenhang mithin ein konkreter,individueller Schutz des <strong>Opfer</strong>s oderanderer Personen des sozialen Nahraumes <strong>im</strong>Hinblick auf mögliche Konfrontationen mitdem noch inhaftierten oder bereits entlassenen<strong>Täter</strong> gemeint.Gefangene haben die Möglichkeit Außenkontaktezu pflegen, insbesondere Besuchezu empfangen und schriftlich oder fernmündlichzu kommunizieren, nicht seltenauch von oder mit dem <strong>Opfer</strong> oder Personenaus dessen sozialem Nahraum. Inhaftiertekommen überdies <strong>im</strong> weiteren Verlauf derInhaftierung gewöhnlich in den Genuss vonvollzugsöffnenden Maßnahmen. Irgendwannwerden die allermeisten Gefangenen - bedingtoder endgültig – zudem entlassen. In al-14 Grundlegend Liebmann, Restorative Justice – How itworks, London, 2007; vgl. auch Domenig, TOA-InfodienstNr. 41 (August 2011) Sammelband Restorative Justice, 1 ff.15 Vgl. z.B. die EU-Projekte „Mediation and RJ in prisonsettings“ (abgeschlossen) sowie „RJ nach der Verurteilung;<strong>Opfer</strong> schützen und unterstützen“ (aktuell laufend)15


September 2013len diesen Fällen kann eine potentielle Gefahrfür das <strong>Opfer</strong> oder weitere konkret betroffenePersonen vorliegen. Eine überraschende,unvorbereitete oder gar unerwünschte Konfrontationmit dem <strong>Täter</strong>, der nicht selten als„Peiniger“ empfunden wird, kann erheblichenegative Konsequenzen für das <strong>Opfer</strong> haben.Die Maßnahmen zur Gewährleistung des soverstandenen <strong>Opfer</strong>schutzes können vielfältigsein und von Erkundungen <strong>im</strong> sozialenEmpfangsraum über Verhaltensanweisungenan den (gelockerten oder ehemaligen) Gefangenen,Hinweisen auf Hilfsangebote anbetroffene Personen, bis hin zur Vernetzungsolcher Stellen, Agenturen und Institutionen<strong>im</strong> Rahmen eines Übergangsmanagementssein. Stets ist Kommunikation und Kooperationin den Vordergrund zu stellen. Dem<strong>Opfer</strong> (oder den konkret betroffenen Dritten)müssen Hilfen aufgezeigt und angebotenwerden. Entscheidende Bedeutung kommtin diesem Zusammenhang den sogenannten<strong>Opfer</strong>informationsrechten zu, deren zufriedenstellendeRealisierung ebenfalls aktiven<strong>Opfer</strong>schutz darstellt (dazu sogleich unter<strong>Opfer</strong>informationsrechte).c) <strong>Opfer</strong>autonomieBei allen Maßnahmen steht <strong>im</strong>mer derGrundsatz der <strong>Opfer</strong>autonomie <strong>im</strong> Vordergrund.Es darf und soll keinen „aufgedrängten“Schutz und keinen „erzwungenen“ <strong>Ausgleich</strong>geben. Stets muss das <strong>Opfer</strong> einverstandensein und zust<strong>im</strong>men. Ein „Nein“ istselbstverständlich zu akzeptieren.2. Kein „Vollzugsverschärfungsinstrument“Sämtliche Aspekte einer opferbezogenenVollzugsgestaltung müssen sich nicht nur mitdem Vollzugsziel der Wiedereingliederungdes Gefangenen vereinbaren lassen, sondernsie sollen dieses <strong>im</strong> Ergebnis sogar fördern.Die opferbezogene Vollzugsgestaltung richtetsich nicht gegen den <strong>Täter</strong>. 16 Sie darf nichtals Mittel dienen, den Vollzug zu verschärfen,die <strong>Opfer</strong>interessen quasi gegen den Anspruchdes Gefangenen auf resozialisierendeBehandlung auszuspielen. So sollen dem<strong>Täter</strong> bspw. vollzugsöffnende Maßnahmennicht etwa wegen des <strong>Opfer</strong>bezuges verwehrtwerden. Im Gegenteil kann in diesen Fällen16 Gelber/Walter, BewHi 2013, 10dem <strong>Opfer</strong>schutz Genüge getan und geradehierdurch die Gewährung von Lockerungenermöglicht werden, z.B. durch die Erteilungentsprechender opferschützender Weisungen(wie z.B. Kontakt- oder Annäherungsverbote).<strong>Opfer</strong>schutz und Tatausgleich sowieWiedereingliederung stehen mithin in einemErgänzungsverhältnis zueinander; sie dürfensich nicht wechselseitig zuwiderlaufen.<strong>Opfer</strong>informationsrechteUm überhaupt in der Lage zu sein, sich aufeine – wie auch <strong>im</strong>mer geartete – Begegnungmit dem <strong>Täter</strong> einzustellen, muss das <strong>Opfer</strong>über best<strong>im</strong>mte Informationen, z.B. zu anstehendenvollzugsöffnenden Maßnahmenoder dem Zeitpunkt der Entlassung, verfügen.Hierzu existieren und dienen Auskunftsrechtedes <strong>Opfer</strong>s einer Straftat, namentlich§ 406d Strafprozessordnung (StPO) sowie§ 180 Abs. 5 StVollzG (des Bundes). 17 DieVorschriften regeln zwar inhaltlich wichtigePunkte und gewährleisten theoretisch einenicht unerhebliche Information des <strong>Opfer</strong>süber für dessen Schutz bedeutsame Umstände.Entscheidend für eine Stärkung des <strong>Opfer</strong>schutzesist insoweit aber nicht die bloßeExistenz solcher Auskunftsrechte. Vielmehrmuss die Inanspruchnahme und Erfüllung inzuverlässiger und einfacher Form gewährleistetwerden. Hieran scheint es bislang in derPraxis allzu oft zu mangeln. 18 Dabei sind dieProbleme der Anwendung bereits <strong>im</strong> Gesetzselbst angelegt. So sind neben divergierendenVoraussetzungen und Rechtsfolgen unterschiedlicheZuständigkeiten festzustellen.Während durch § 180 Abs. 5 StVollzG dieJVAen zu Auskünften berechtigt werden,verpflichtet § 406d Abs. 2 StPO nach herrschenderMeinung die Staatsanwaltschaftenbzw. Gerichte. 19 Diesen liegen allerdings inder Regel wichtige Informationen, über diesie Auskunft zu erteilen haben (z.B. der Zeitpunktder Gewährung vollzugsöffnenderMaßnahmen), nicht vor mit der Folge, dass17 § 180 Abs. 5 StVollzG gilt in allen Bundesländern,die noch nicht von der ihnen seit 2006 zustehendenMöglichkeit Gebrauch gemacht haben,<strong>Strafvollzug</strong>sgesetze oder Justizvollzugsdatenschutzgesetzezu erlassen, was z.B. in NRW der Fall ist. ZumRegelungsgehalt der <strong>im</strong> Text genannten Vorschriften vgl.die Rubrik „Recht“ in diesem Heft.18 Vgl. Gelber/Walter NStZ 2013, 7719 Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 55. Aufl. 2012, §406d Rn. 316


TOA-Magazin - Nr. 01Holger JoikoStudium der Rechtswissenschaften in Trier und Köln. Seit dem Jahr 2000 tätig alsStaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Duisburg in verschiedenen Aufgabengebieten,u.a. auch zeitweise als Beauftragter zur Förderung des <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s.Derzeit Referent und Vertreter des Justizvollzugsbeauftragten des LandesNordrhein-Westfalen – Prof. Dr. Walter.Claudia GelberStudium der Rechtswissenschaften in Würzburg und Köln, seit 1997Richterin, derzeit Vorsitzende Richterin am Landgericht in Bonn,ehemalige Referentin des Justizvollzugsbeauftragten des LandesNordrhein-Westfalen – Prof. Dr. Walter.zunächst Erkundigungen angestellt werdenmüssen. Dies alles führt zu einer unfreundlichenVerwaltungspraxis. Dabei ist zu berücksichtigen,dass die Informationsrechte rechtunbekannt sind. Zwar erfolgt eine Aufklärungder <strong>Opfer</strong> durch ein Formblatt. Dieseswird jedoch - § 406h StPO folgend - in derPraxis zu einem sehr frühen Zeitpunkt <strong>im</strong>Ermittlungsverfahren durch die Polizei ausgehändigtund enthält neben einem Hinweisauf das <strong>Opfer</strong>recht aus § 406d StPO nocheine Vielzahl weiterer Informationen. Aufdas hier in Rede stehende Recht wird mithinzu einem Zeitpunkt aufmerksam gemacht, zudem das <strong>Opfer</strong> mit anderen, naheliegendenund dringenderen Fragen beschäftigt ist. Die<strong>Opfer</strong>informationsrechte geraten <strong>im</strong> Folgendenin Vergessenheit, zumal sich das Verfahrenbis zu einer (rechtskräftigen) Verurteilungdes <strong>Täter</strong>s ziehen und evtl. erst Jahre späterdie Entlassung aus der Haft anstehen kann.Eine positive Entwicklung der <strong>Opfer</strong>informationsrechteist in NRW für den Bereichder Sicherungsverwahrung zu verzeichnen.Es gilt hier seit dem 1. Juni 2013 dieVorschrift des § 106 SVVollzG NRW, derElemente der Regelungen des § 180 Abs. 5StVollzG und des § 406d Abs. 2 StPO fürseinen Anwendungsbereich vereint. Überdieswerden die bestehenden Informationsrechtezukünftig gesetzgeberisch weiter modifiziert:Nach dem Gesetz zur Stärkung der Rechtevon <strong>Opfer</strong>n sexuellen Missbrauchs(StORMG), welches vom Bundestag bereitsverabschiedet worden ist, 20 wird das <strong>Opfer</strong>informationsrechtaus § 406d Abs. 2 StPOdurch eine Nr. 3 ergänzt, wonach dem Verletztenunter gewissen Voraussetzungen aufAntrag auch die Gewährung erneuter Vollzugslockerungenmitzuteilen ist.Ferner sind durch die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und desRates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandardsfür die Rechte, die Unterstützungund den Schutz von <strong>Opfer</strong>n von Straftaten 21Erweiterungen von <strong>Opfer</strong>informationsrechtenzu erwarten.Insgesamt ergeben sich bereits aus den heuteexistierenden gesetzlichen Grundlagen(theoretisch) nicht unerhebliche Möglichkeitenfür <strong>Opfer</strong>, sich über den in Haft be-20 Zum Zeitpunkt der Endredaktion dieses Beitragesstand die Verkündung des Gesetzes unmittelbar bevor (vgl.auch BT–Dr. 17/6261 vom 22.06.2011 und BR-Dr. 253/13vom 03.05.2013).21 Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.11.2012 L315/5717


September 2013findlichen <strong>Täter</strong> zu informieren. Überdiesbesteht eine gesetzgeberische Tendenz bzw.Notwendigkeit, diese auszuweiten. Problematischererscheint aus den dargestelltenGründen allerdings die verbesserungswürdigeAnwendungspraxis. Als wesentlicherBestandteil der Realisierung des Konzepteseiner opferbezogenen Vollzugsgestaltung istdaher die Berufung eines Ansprechpartnersfür <strong>Opfer</strong>belange in den JVAen anzusehen.Dies ist in Nordrhein-Westfalen nicht nur inder Modellanstalt für opferbezogene Vollzugsgestaltung– der JVA Schwerte – bereitserfolgt. Auch die JVA Bielefeld-Brackwedeverfügt über Ansprechpartner für <strong>Opfer</strong>belange.Weitere Anstalten haben in Umsetzungdes neuen § 7 Abs. 3 SVVollzG NRW unlängstAnsprechpartner ernannt. 22 Hierdurchsoll <strong>Opfer</strong>n nicht nur die Scheu vor einerKontaktaufnahme mit der JVA genommen,sondern auch eine sensible und kompetenteBearbeitung der Anliegen gewährleistet werden.Fazit und AusblickDer <strong>Strafvollzug</strong> hat sich zum Ziel gesetzt,der Resozialisierung von Straftätern zu dienenund diese zu fördern. Dabei sind schützenswerte<strong>Opfer</strong>interessen lange stiefmütterlichbehandelt worden. Dies stellt ein Versäumnisdar, welches nicht nur durch den Gesetzgeber,sondern insbesondere auch durch dieVollzugspraxis aufzuholen ist. Entscheidendist die Erkenntnis, dass sich das Resozialisierungszielund die Beachtung und Förderung22 Dies betrifft die JVAen in Werl und in Aachen. Darüberhinaus ist die Berufung von Ansprechpartnern in der JVADetmold und in der JVA Geldern vorgesehen.von <strong>Opfer</strong>interessen keineswegs ausschließen,sondern vielmehr <strong>im</strong> Sinne einer sozialenIntegration ergänzen. Der Weg hin zueiner in erhöhtem Maße opferbezogenenVollzugsgestaltung ist damit vorgezeichnet.Jede Nichtbewältigung eines Tatgeschehensist für die psychische und soziale Integrationder <strong>Täter</strong> und <strong>Opfer</strong> negativ. 23 DerTatausgleich, insbesondere auch <strong>im</strong> Rahmender Durchführung eines TOA, bewirkt aufSeiten des <strong>Opfer</strong>s <strong>im</strong> Idealfalle die Chanceauf Rückkehr in ein „normales“, angstfreiesLeben, mindestens aber auf eine Verbesserungder Situation durch Tatbewältigung.Die Beschäftigung des <strong>Täter</strong>s mit seiner Tatwiederum, vor allem mit den Folgen für das<strong>Opfer</strong>, bietet Hoffnung auf Entwicklung von<strong>Opfer</strong>empathie und insgesamt eine eingehendereAuseinandersetzung mit dem verübtenUnrecht. Dem <strong>Täter</strong> wird die Chance eingeräumt,Verantwortung zu übernehmen undseine eigene Schuld verarbeiten zu können.Seine Wiedereingliederung wird hierdurchgefördert. 24Es liegt daher auf der Hand: eine konsequenteWeiterverfolgung und praktische Implementierungdes Modells einer opferbezogenenVollzugsgestaltung eröffnet für alle Beteiligtenund ihr zukünftiges Leben positive Möglichkeiten.23 Winter/Matt, NK 2012, 7424 Vgl. zu den (positiven) Möglichkeiten einerEinbeziehung des <strong>Opfer</strong>s in den Resozialisierungsprozessschon Müller-Dietz in: Janssen/Kerner (Hrsg.),Verbrechensopfer, Sozialarbeit und Justiz – Das <strong>Opfer</strong> <strong>im</strong>Spannungsfeld der Handlungs- und Interessenkonflikte,1985, S. 247 f.18


TOA-Magazin - Nr. 01Ein Modellprojekt aus Baden-Württembergund Entwicklung von StandardsRüdiger WulfRückblickDer <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> <strong>im</strong> Vollzug 1 hateine kurze Geschichte und – hoffentlich –eine lange Zukunft.Als der Verfasser 1983 in die Aufsicht überden baden-württembergischen Justizvollzugeintrat, sprach man <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> nur vom<strong>Opfer</strong>, wenn Vollzugslockerungen mit Blickauf die Tatschuld des Gefangenen abgelehntwerden sollten. TOA-Vollzug war theoretischund praktisch nahezu unbekannt. Dadie <strong>Opfer</strong>bewegung der damaligen Zeit nichtan den Toren der Gefängnisse halt machensollte, erarbeitete der Verfasser Grundzügeeiner opferbezogenen Vollzugsgestaltung. 2Später führte der Reutlinger Verein Hilfe zurSelbsthilfe e.V. ein Projekt zum TOA-Vollzugin der JVA Ravensburg durch. Das brachteErkenntnisse, 3 den TOA-Vollzug in der Praxisaber nicht voran. Diese Initiativen kamenwohl zu früh.Der Verfasser konnte TOA-Vollzug <strong>im</strong>Jahr 2006 noch einmal in die Diskussionbringen, als das baden-württembergischeJugendstrafvollzugsgesetz erarbeitet und dieopferbezogene Vollzugsgestaltung beschlossenwurde. 4Unlängst hat der <strong>Strafvollzug</strong>sbeauftragte desLandes Nordrhein-Westfalen verdienstvollerweiseden Gedanken aufgegriffen und sichmit seiner Referentin für eine opferbezogeneVollzugsgestaltung eingesetzt. 51 Im Folgenden aus Platzgründen: TOA-Vollzug.2 Wulf, R.: <strong>Opfer</strong>bezogene Vollzugsgestaltung; ZfStrVo1985, S. 67-77.3 Hilfe zur Selbsthilfe e.V. (Hrsg.): Von einem Versuch,Brücken zu schlagen. Reutlingen 1998, 31 S.4 Vgl. jetzt § 2 Abs. 5 JVollzGB III <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>, § 2 Abs. 5JVollzGB IV <strong>im</strong> Jugendstrafvollzug.5 Walter, M.: Tätigkeitsbericht desJustizvollzugsbeauftragten des Landes NRW für das Jahr2011; 2012, S. 43 ff.; www.justizvollzugsbeauftragter.nrw.de/Portal-zur-opferbezogenen-Vollzugsgestaltung/index.php; Gelber, C.: <strong>Opfer</strong>bezogene Vollzugsgestaltung;MschrKr<strong>im</strong> 2012, 142-145; Gelber, C.: Workshop„<strong>Opfer</strong>bezogene Vollzugsgestaltung“; MschrKr<strong>im</strong> 2012, S.441-448.Design des ModellprojektsVor diesem Hintergrund und <strong>im</strong> Bemühenum Frieden stiftende Justiz bzw. Frieden stiftenden<strong>Strafvollzug</strong> (Restorative Justice) führtdas Justizministerium Baden-Württembergein Modellprojekt „<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong><strong>im</strong> Vollzug“ durch. Es ist Teil des Gesamtprojekts„Standards für die Sozialarbeit <strong>im</strong>Vollzug“. 6Beteiligte Justizvollzugsanstalten mit Ansprechpartnern<strong>im</strong> Sozialdienst sind die JVAAdelshe<strong>im</strong> (Jugendstrafvollzug); He<strong>im</strong>she<strong>im</strong>(Langstrafenvollzug) mit der AußenstellePforzhe<strong>im</strong> (Jugendstrafvollzug), Rottenburg(Kurz- und Langstrafenvollzug) und SchwäbischGmünd (Frauenstrafvollzug).Die Koordination des Projekts liegt be<strong>im</strong>Sprecher der LAG-TOA Baden-Württemberg.7 Er n<strong>im</strong>mt seine Aufgaben auf Grundeines Honorarvertrages mit dem Justizministeriumwahr und bringt die Erfahrungen derLAG-TOA in das Projekt ein.Beteiligte Vereine sind die Hilfe zur Selbsthilfee.V., Reutlingen (JVA Adelshe<strong>im</strong> undJVA Rottenburg), der Bezirksverein für sozialeRechtspflege Pforzhe<strong>im</strong> (JVA He<strong>im</strong>she<strong>im</strong>mit Außenstelle Pforzhe<strong>im</strong>) und G-Recht,Heidenhe<strong>im</strong> (JVA Schwäbisch Gmünd).Der Koordinator wird eine Lenkungsgruppeleiten, die sich der grundlegenden strategischenFragen ann<strong>im</strong>mt. 8Die Standards werden in der Mitarbeitergruppeerarbeitet, die der Koordinatorebenfalls leitet. Ihr gehören die Projektmitarbeiterder beteiligten Vereine und derJustizvollzugsanstalten an. Unter Verwen-6 Projektleiter: Richter am Landgericht Dr. Joach<strong>im</strong> Müller,0711/279-2304, jmueller@jum.bwl.de; Projektmanager:Diplom-Sozialarbeiter Dr. Bernd Jäger, JVA Mannhe<strong>im</strong>,0621/398-212, Bernd.Jaeger@jvamannhe<strong>im</strong>.justiz.bwl.de7 Diplom-Sozialarbeiter Wolfgang Schlupp-Hauck:Jugendamt Stuttgart, Wilhelmstraße 3, 70182 Stuttgart,Telefon: 0711/216-3072 Schlichtungsstelle-toa@stuttgart.de; wolfgang.schlupp-hauck@t-online.de.8 Dieter Muckenhaupt, G-Recht e.V.; Markus Rapp,Bezirksverein für soziale Rechtspflege Pforzhe<strong>im</strong>; MichaelWandrey, Hilfe zur Selbsthilfe e.V und der Verfasser.19


September 2013Wir stellen vor:Peter WoolfHerr Woolf, wie würden Sie sich selbstvorstellen?Ich bin Mediator und Berater <strong>im</strong> BereichRestorative Justice und kommentierestrafrechtliche Angelegenheiten.Wie war es, 'The Woolf Within' zudrehen?Hart. Es war schon emotional, noch mal allesdurchzugehen. Die Filmarbeit hat Stundengedauert und ich erholte mich gerade voneinem Krankenhausaufenthalt. Ich mussteviel Eis essen, um mich bei der Stange zuhalten.Wie ist es für Sie, wenn Sie sichvorstellen, dass die Zuschauer sehrInt<strong>im</strong>es von Ihnen erfahren?Demütigend!Gibt es eine Veränderung in IhrerSelbstbewertung durch die Filmarbeit?Es ist eine Reise auf dem Weg derSelbstvergegenwärtigung. Ich habe versucht,ein besserer Mensch zu werden.Würden Sie jedem, der in eineernsthafte Straffälligkeit involviertist, vorbehaltlos einen <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> empfehlen?Absolut.Was machen Sie in zehn Jahren?Im besten Fall:Genau das, was ich heute mache.Im schl<strong>im</strong>msten Fall:Bin ich tot.Drei Dinge, von denen Sie glauben,dass andere sie an Ihnen schätzen.Ehrlichkeit, Aufgeschlossenheit,Bereitschaft.Mit welcher Persönlichkeit desöffentlichen Lebens würden Sie gerneein gutes Essen genießen und warum?Aleksandr Solzhenitsyn - Ich würde gerne mitihm darüber reden, wie es in den Gulags war.Was ist der wichtigste Gegenstand inIhrem Büro?Mein Hochzeitsfoto.Womit beginnt für Sie ein perfekter Tag?Einatmen, ausatmen and hoffen, dass ich denTag damit verbringen werde, mein Bestes füreinen anderen Menschen zu tun.Welches persönliches Lebensmottohaben Sie?Es gibt keine Probleme, nur Lösungen.24


TOA-Magazin - Nr. 01Peter WoolfFilmtippThe Woolf Withinwird und nach zwei Jahren nicht rückfälliggeworden ist, entscheiden sie sich,gemeinsam die Arbeit der Restorative-Justice und insbesondere dem <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong><strong>Ausgleich</strong> zu widmen. Sie gründen ‚ Whyme?’, eine Wohltätigkeits-Organisation zurRestorative-Justice, richten eine Website einund drehen einen Kurz-Film.Elf Jahre nach der Tat lebt Peter <strong>im</strong>mernoch rückfall- und drogenfrei. Er lebt aufdem Land, ist verheiratet und arbeitet alsBerater. Er widmet sich weiterhin der Arbeitder Restorative-Justice.‚The Woolf Within’ ist ein Kurz-Film übereinen <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>, der in einembritischen Gefängnis stattfindet und dasLeben des <strong>Täter</strong>s und des <strong>Opfer</strong>s für <strong>im</strong>merverändern wird.Peter Woolf ist ein Wiederholungs-<strong>Täter</strong> derbesonderen Art. Nach eigener Schätzunghatte er mindestens 20000 Verbrechenverübt. Am 6. März 2002 bricht er in einHaus ein, kämpft mit seinem <strong>Opfer</strong> undlandet wieder <strong>im</strong> Gefängnis.Doch diesmal ist es anders. Peter trifft sein<strong>Opfer</strong>, Will Riley, zu einem <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong><strong>Ausgleich</strong> <strong>im</strong> Gefängnis in London.Nach dem Treffen bleiben Peter und Will inKontakt miteinander.Als Peter aus dem Gefängnis entlassenPeter und Will erzählen ihre sehr persönlicheGeschichte in diesem kurzen, eindrucksvollenzehnminütigen Film. Eindringlich erzählendie beiden die Geschichte des Verbrechensund des Treffens <strong>im</strong> Vollzug.Der Film kann auf der Website angeschautoder auf DVD gekauft werden.http://www.why-me.org/about-us/publicationsEr ist auf Englisch - besonders Peter, dereinen starken Londoner Slang spricht, istteilweise schwer zu verstehen.Der Verein Tatausgleich und Konsens hatfür den Film eine deutsche Untertitelung inAuftrag gegeben und diese mit einer freienLizenz versehen.Er kann auf unserer Website angesehenwerden:www.toa-servicebuero.de25


September 2013Wir stellen vor:Therese BartholomewFrau Bartholomew, wie würden Siesich selbst vorstellen?Ich bin Sprecherin, Restorative Justice Beraterin,Schriftstellerin und Filmemacherin. Ichschöpfe aus meinen persönlichen Erlebnissen,um mit dem Publikum in Verbindung zu tretenund Workshops für <strong>Opfer</strong>, <strong>Täter</strong> und Gemeinschaftenkreativ zu gestalten. Ich fühlemich am wohlsten, wenn ich als Fürsprecherinfür Gerechtigkeit agieren kann und wenn ichzusammen mit meinen Zuhörern neu überlegenkann, wie Gerechtigkeit in unserem Landund in der ganzen Welt verwirklicht werdenkann. Ich glaube fest daran, dass ein Mensch,eine Geschichte echte Veränderung bringenkann.Wie war es, den Film 'The Final Gift'zu drehen?Es war zweifellos das herausforderndste Erlebnismeines Lebens. Wenn ich vorher geahnthätte, welche Schwierigkeiten mir aufdem Weg begegnen würden - finanzielle,politische und persönliche - dann wäre ichwahrscheinlich den Weg gar nicht gegangen.Meine eigene Naivität war meine Rettung undhat den Film möglich gemacht. Ich war überzeugt,dass: ja, wir werden das nötige Geldbesorgen; dann, der Mörder meines Bruderswird mich treffen wollen; dann, das Gefängniswird mit dem Treffen einverstanden sein;dann, das Gefängnis wird auch Filmkameraszulassen usw. Das Schwierigste war, dass eskein Entkommen gab – ich war der Film undder Film war ich. Da war keine Trennung, keinWeglaufen, kein Fallenlassen. Unzählige Malehaben mein Mann und ich gesagt: “Der Filmwird uns vernichten”. Es war ein harter Wegfür eine Ehe und für Freundschaften.Letztlich fühlte ich mich einfach berufen, dieGeschichte zu erzählen. Obwohl ich auf dersiebenjährigen Reise viele “ich gebe auf ” Momentehatte, waren es Glaube und Ausdauerzusammen mit unglaublich unterstützendenund ermutigenden Familien, Filmteams undFreunden, die geholfen haben, den Film zuverwirklichen.Wie ist es für Sie, wenn Sie sich vorstellen,dass die Zuschauer sehr Int<strong>im</strong>esvon Ihnen erfahren?Es war und ist <strong>im</strong>mer noch ziemlich schrecklich,dass int<strong>im</strong>e Einzelheiten meines Lebensvon Zuschauern gesehen werden. Eins warmir von Anfang an klar: ich müsste in jedemMoment 100% authentisch, verletzlich undrein sein. Die Verletzlichkeit (<strong>im</strong> Film) ist offensichtlich,glaube ich, und für mich der zentraleFaktor. Wenn wir unseren Schutz nichtfallen lassen, dann gibt es keine Möglichkeit,wirklich in Verbindung mit anderen zu treten.Ich wollte in Verbindung treten. Ich wollte,dass sich die Zuschauer in mir und in meinenFamilienmitgliedern gespiegelt sehen können.Dieses „Sehen“ wäre ohne eine bedingungsloseBereitschaft, sich zu öffnen, nichtmöglich: „Welt, hier bin ich. So gebrochen,so voller Trauer, so verloren, und das hierist der Weg, den ich bereit bin zu gehen, ummich selbst wieder herzustellen.“ Ich glaubean die Kraft persönlicher Geschichten, aberwir gehen Risiken ein, wenn wir uns öffnen.Wir riskieren, Kritik zu ernten oder unsselbstverliebt zu fühlen. Jeder Künstler kenntdieses Gefühl. Die Angst – wie „sehen“ michdie anderen. Werden sie mich akzeptierenoder ablehnen? Was nehmen die Zuschauerals meine Motivation wahr? Leider geht dieseAngst nie weg, weil die Geschichte oderdie Kunst weiter in der Welt bestehen. Esist wirklich beängstigend, aber jeder von unskann einfach nur sich selbst und der eigenenBerufung treu bleiben – und dafür beten. Esbleibt uns nichts anderes übrig.26


TOA-Magazin - Nr. 01Gibt es eine Veränderung in IhrerSelbstbewertung durch die Filmarbeit?Interessanterweise, wenn ich auf das Projekt(<strong>im</strong>merhin mehr als 7 Jahre) zurückblicke,sehe ich viele Dinge, die passiert sind. Trauerhat eine große Rolle gespielt; mein Mannwurde beruflich versetzt, während ich blieb,um studieren zu können; ich habe ein Buchgeschrieben; wir haben das Sorgerecht fürdie Kinder meines Mannes erhalten usw.Ich blicke zurück und denke: „Wer war dieseFrau? Wie hat sie es alles geschafft, ohnedurchzudrehen?“ Vielleicht bin ich auchdurchgedreht. Ich weiß jetzt - ich kann bedingungslosvergeben. Ich habe echtes Mitgefühl,auch für jemand, der mir und meinerFamilie Furchtbares angetan hat. Ich kann alles,was das Leben einem zuwirft, bewältigen.Ich glaube, dass das wirklich der Sinn desFilms und der Sinn dieses langen Wegs seitdem Tod meines Bruders ist -wir sind ALLEfähig. Wir sind alle in der Lage, sowohl großenSchaden anzurichten als auch große Wiedergutmachungzu ermöglichen. Wir könnenalle bedingungslos vergeben oder jahrelangwütend bleiben. Wir können in der Lagesein, die Menschlichkeit in anderen zu sehen,wenn wir bereit sind, unsere eigene zerrütteteMenschlichkeit anzuerkennen.Würden Sie jedem, der in eine ernsthafteStraffälligkeit involviert ist,vorbehaltlos einen TOA empfehlen?Absolut nicht. Es gibt so vieles zu berücksichtigen,bevor man einen <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-Dialog durchführt. TOA ist ein Prozess undmuss als solcher geachtet werden. Wenn dieserProzess korrekt verläuft, dann werdenmanche Gespräche einfach nicht zustandekommen, aus gutem Grund. Ein Dialog istnicht in jeder Situation richtig. Erstens istein <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-Dialog ein opferbezogenerProzess und die Bedürfnisse des <strong>Opfer</strong>s sollten<strong>im</strong> Vordergrund stehen. Fragen wären:Was braucht das <strong>Opfer</strong> und ist das allgemeinmit einem <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-Dialog zu vereinbaren?Was sind die Erwartungen des <strong>Opfer</strong>sfür das Treffen und wie können diese erreichtwerden? Hat das <strong>Opfer</strong> Unterstützung? Wirdder <strong>Täter</strong> diesen Erwartungen gerecht werdenkönnen? Der <strong>Täter</strong> muss bereit sein,Verantwortung für seine Tat zu übernehmen.Sicherheitsmaßnahmen müssen überlegtwerden, um das <strong>Opfer</strong> vor Revikt<strong>im</strong>isierungund ja, auch dem <strong>Täter</strong>, zu schützen. Es istunabdingbar, dass beide Teilnehmer ein realistischesVerständnis dafür haben, warum sieteilnehmen und sie müssen die Bereitschaftmitbringen, alles zu akzeptieren, was dasTreffen bringen wird. Ich bin überzeugt, dass27


September 2013ein Dialog einem <strong>Opfer</strong> viel zu bieten hat aufdem Weg der Heilung und einem <strong>Täter</strong> alsMöglichkeit, Verantwortung zu übernehmen.Es bietet die Möglichkeit, den „Anderen“ zusehen und eine tiefere Selbst-Erkenntnis zugewinnen. Dialoge sollten jederzeit angebotenwerden, aber nicht ohne die größte Sorgfaltin der Vorbereitung, sowohl auf <strong>Opfer</strong>-,als auch auf <strong>Täter</strong>seite.Was machen Sie in zehn Jahren?Im besten Fall:Ich würde gerne weltweit reisen und denMenschen Glauben, Vergebung und die Rollevon Restorative Justice in meinem Leben näherbringen – und die Wirkungen sehen.Im schl<strong>im</strong>msten Fall:Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaubjetzt an das Beste.Drei Dinge, von denen Sie glauben,dass andere sie an Ihnen schätzen.Mein Einfühlungsvermögen und meine Bereitschaft,mich an den Leben anderer zubeteiligen, gleichgültig, was sie <strong>im</strong> Leben darstellen.Mein leidenschaftliches Streben nach wahrerund nachhaltiger gesellschaftlicher Veränderung.Mein Verständnis und meine Vision einer engmiteinander verbundenen Gesellschaft. Wirsind alle verantwortlich für das Wohlergehenanderer - wir sind eine wahre Bruder/Schwester-Gemeinschaft,unabhängig von Rasseoder religiöser Zugehörigkeit und politischerPerspektive – es gibt keine “anderen”.Mit welcher Persönlichkeit desöffentlichen Lebens würden Sie gerneein gutes Essen genießen undwarum?Es gibt viele schon längst verstorbene historischeFiguren, mit denen ich gerne zusammengegessen hätte– Ghandi, Martin Luther KingJr., Mutter Theresa – aber ich nehme eine reelleMöglichkeit – Obama. Ich würde liebendgerne mit dem Präsidenten über viele Themendes aktuellen Justiz-Systems Amerikasreden. Eigentlich sind wir ein „fortgeschrittenes“Land, aber bezüglich der Durchsetzungvon Gerechtigkeit sind wir teilweise weit hinteranderen zurück geblieben. Wir haben einernstzunehmendes Inhaftierungs - Problem.Ich glaube, der Ursprung liegt generell in systematischenBereichen, die wir bewusst ignorieren:Alphabetisierung, Drogen, psychischeGesundheit, Kindesmisshandlung, HäuslicheGewalt, Obdachlosigkeit, extreme sozioökonomischeund rassistische Ungleichheiten.Diese Probleme füllen unsere Vollzugsanstalten.Bis wir davon direkt und persönlichbetroffen sind, ignorieren wir Amerikanerdiese stetig wachsenden Probleme. Ich wäregerne Teil einer Sensibilisierungs-Kampagnein den USA. Ich glaube, unser Präsident istder Schlüssel, der diesen wichtigen Dialog eröffnenkann, der uns unmittelbar die nötigenReformen bringen könnte.Was ist der wichtigste Gegenstandin Ihrem Büro?Ein Foto von mir und meinem Bruder aufmeiner Uni Abschluss-Feier. Es erinnert michdaran, dass er <strong>im</strong>mer präsent ist und man allesschaffen kann, egal, welche Hindernisse sicheinem in den Weg stellen.Womit beginnt für Sie ein perfekterTag?Ein richtig guter Kaffee und eine Dankbarkeitsliste(auch an den Tagen, wo ich michnicht so dankbar fühle)!Welches persönliche Lebensmottohaben Sie?Urteile nicht über andere. Du weißt nicht,welches Leben sie zu dem gemacht hat, wassie heute sind.28


TOA-Magazin - Nr. 01FilmtippThe Final Gift‚The Final Gift’ bietet wertvolle Einsichten indie Gefühlswelt eines <strong>Opfer</strong>s und seiner Familieund ist für jeden, der <strong>im</strong> Bereich RestorativeJustice arbeitet, ein bemerkenswerter Film.‚The Final Gift’ ist die bewegende Geschichteder Regisseurin und Produzentin ThereseBartholomew. In einer siebenjährigen Reiseauf der Suche nach dem Sinn der Ermordungihres Bruders, gibt der Film einen int<strong>im</strong>enEinblick in die Gefühlswelt der Regisseurinund zeigt ihre Begegnung mit seinem Mörderin einem Hochsicherheitsgefängnis in SouthCarolina.Die Reise beginnt in einer Nacht <strong>im</strong> Jahr 2003.Thereses jüngerer Bruder wird nach einemStreit vor einem Club erschossen und für siebricht eine Welt zusammen. Sie fühlt sich wiegelähmt. Die Trauer und die Depressionen,die folgten, sind kaum zu bewältigen. Sieentscheidet sich, den Mann der ihren Brudergetötet hat, persönlich zu treffen. Um dies zuverwirklichen, begibt sie sich auf eine langeReise.Heute hat Therese einem M.A. in Cr<strong>im</strong>inalJustice, ist Autorin des Buchs „Coffee ShopGod“ (2009) und spricht auf zahlreichenVeranstaltungen über Restorative Justice.Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern inCharlotte, NC.Der Film kann unter folgendem Link bestelltwerden:http://www.thefinalgiftfilm.com/buy_dvd.htmlErst nur mit einem Videotagebuch ausgerüstet,später mit professionellen Filmteams: Thereseschafft es, den Mörder ihres Bruders zu treffenund erlebt wahre Vergebung. Die RegisseurinTherese Bartholomew schafft mit ‚The FinalGift’ einen eindringlichen Dokumentarfilm.Und sie gewinnt damit die Kontrolle über ihrLeben zurück.29


September 2013Restorative Justice nach derVerurteilung-Das EU-Projekt - <strong>Opfer</strong> schützen und unterstützenRicarda LummerSeit Januar 2013 läuft das EU-Projekt`Restorative Justice nach der Verurteilung;<strong>Opfer</strong> schützen und unterstützen´. Der Antragstellerist der Schleswig-HolsteinischeVerband für soziale Strafrechtspflege - Straffälligenund <strong>Opfer</strong>hilfe. Darüber hinaus sindin Schleswig-Holstein die FachhochschuleKiel, die Nordkirche, das StraßenmagazinHempels, der Weiße Ring, die JVA Kielund JA Schleswig an dem Projekt beteiligt.Projektpartner aus dem europäischen Auslandkommen aus England, Kroatien, Spanien,Portugal und Belgien. 1Das Projekt bezieht sich auf die neue EU-Richtlinie 2012/29/EU des EuropäischenParlaments und des Rates vom 25. Oktober2012 über `Mindeststandards für die Rechte,die Unterstützung und den Schutz von <strong>Opfer</strong>nvon Straftaten´. Unter anderem gehtes in dieser Richtlinie darum, sicherzustellen,dass <strong>Opfer</strong> <strong>im</strong> Rahmen von RestorativeJustice (RJ) Verfahrensweisen nicht erneutvikt<strong>im</strong>isiert werden und ausreichend Schutzerfahren. Der Leitgedanke dieses Projektesist es, dass alle Beteiligten einer Straftat zu jedemZeitpunkt das Recht auf ein RJ Angebothaben. Dieses Angebot muss in jedem Fallden Standards der EU-Richtlinie genügen.Um das in die Praxis umzusetzen, hat sichdas Projekt zum Ziel gesetzt, Mechanismenzu entwickeln, die besonders <strong>Opfer</strong>n einerStraftat ermöglichen, selbst zu entscheiden,ob sie daran teilnehmen wollen und zu welchemZeitpunkt. In Schleswig-Holstein sindsowohl der <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> als auchandere RJ Verfahrensweisen weitgehendunbekannt, was dazu führt, dass Menschen,die an diesem Weg ein Interesse hätten, keineMöglichkeit haben daran teilzunehmen.Das wollen wir durch mehr Öffentlichkeitsarbeitändern. Darüber hinaus ist derAnwendungszeitpunkt nach der Verurteilungein wichtiger Fokus des Projektes. AnderePartnerländer, von denen wir lernen wollen,verfügen bereits über Erfahrungen mit derAnwendung von RJ-Verfahrensweisen nachder Verurteilung, besonders auch in der Strafhaft.Die positiven Erfahrungen aus diesenLändern und die wissenschaftlichen Erkenntnissein Bezug auf die erfolgreiche Durchführungvon RJ bei schwereren Straftaten habenuns bestärkt, besonders die Anwendungzu diesem Zeitpunkt <strong>im</strong> System zu fördern.Konferenzen und HospitationenDas Projekt beinhaltet drei internationaleKonferenzen. Die Auftaktkonferenz fandam 18./19. Juni 2013 in Barcelona statt, weilKatalonien bereits langjährige Erfahrungenmit RJ Verfahrensweisen nach der Verurteilunghat. Um Praktikern einen Einblick in dieAnwendung dieser in den unterschiedlichenPartnerländer zu ermöglichen, findet rundum die drei Konferenzen ein Hospitationsprogrammstatt. Wie aus dem Vorläuferprojekthervorging, kann das Beobachten sowieder Austausch sehr motivierend für den eigenenPraxisalltag sein. Die weiteren Konferenzenfinden am 27./28. November 2013in Oxford und die Abschlusskonferenz am27./28. August 2014 in Kiel statt.PilotprojekteIn den vier Partnerländern Schleswig-Holstein, England, Kroatien und Portugal,werden in der Projektlaufzeit Pilotprojektedurchgeführt. Diese Pilotprojekte bestehen– je nach Planung der durchführendenLänder – aus einer der folgenden RJ Verfahrensweisenoder einer Kombination daraus:Gruppenarbeit mit <strong>Opfer</strong>n, <strong>Täter</strong>gruppen,Dialoge zwischen <strong>Opfer</strong>n und <strong>Täter</strong>n sowieMediationsverfahren wie <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>, Gemeinschaftskonferenzen oder30


TOA-Magazin - Nr. 01Friedenszirkel. In Schleswig-Holstein fandenbisher mehrere Informationsveranstaltungenstatt: in der JVA Kiel, der JA Schleswig, mitdem Weißen Ring, <strong>Opfer</strong>anwälten und Pastoren.Diese Veranstaltungen informiertenrelevante Akteure, die als Multiplikatorenfungieren, über das Angebot. Darüber hinausfinden in Schleswig-Holstein sogenannteStraf-Tat-Dialog Gruppen mit „<strong>Opfer</strong>n“ undparallel dazu <strong>Opfer</strong>empathietrainings mit Gefangenenstatt. Im Konzept dieser Gruppenist ein freiwilliges Treffen zwischen beidenGruppen und damit ein Besuch von Geschädigtenin einer JVA/JA vorgesehen. DiesesTreffen soll den Dialog zwischen Gruppenvon <strong>Täter</strong>n und <strong>Opfer</strong>n ermöglichen, dienicht durch das Tatgeschehen individuellverbunden sind. Aus dieser Gruppenarbeit,aber auch über andere Wege, können sichMediationen mit dem direkten <strong>Täter</strong>/<strong>Opfer</strong>ergeben.<strong>Opfer</strong>empathietraining (OET) für GefangeneDas <strong>Opfer</strong>empathietraining soll Gefangenendie Möglichkeit geben, sich mit der<strong>Opfer</strong>perspektive in einer kleinen Gruppeauseinanderzusetzen, über das eigene Verhaltenzu reflektieren und somit ggf. Vergangenesaufzuarbeiten und Empathie für <strong>Opfer</strong> zuentwickeln bzw. stärken. Zu diesem Prozessgehört unweigerlich eine Auseinandersetzungmit dem eigenen Selbstbild, mit Schuldgefühlenund Reue. In der Gruppenarbeit werdenebenfalls Verantwortungsübernahme undWiedergutmachungsmöglichkeiten thematisiert.Die sieben Module sind thematisch nachdiesen Zielen strukturiert. Das Herzstück desKurses ist das sechste Modul, in welchem eszu einem Dialog mit Straftatopfern kommenkann, welche sich in den `Straf-Tat-Dialog´Gruppen getroffen haben.Diese Art der <strong>Opfer</strong>empathiearbeit ist nichtneu, vielmehr wurde dieses Konzept mit Blickauf zahlreiche bereits bestehende Programmeentwickelt, dazu gehört das Programm `<strong>Opfer</strong><strong>im</strong> Blickpunkt´2, welches 1997-2004 in dersozialtherapeutischen Anstalt in Hamburg-Altengamme durchgeführt wurde; das weltweitangewandte `Sycamore Tree Project´3von Prison Fellowship International, welchesin Deutschland bisher nur <strong>im</strong> Seehaus Leonbergdurchgeführt wird; das englische SORI(Supporting Offenders through RestorationInside) Programm 4 sowie das Projekt `Empathie´aus der MRVZN-Moringen und derJVA-Meppen 5 (Ev. Bundeskonferenz der Gefängnisseelsorge,2008).Zur Gewinnung von Teilnehmern für das<strong>Opfer</strong>empathietraining werden in der JVAKiel und der JA Schleswig Aushänge verteilt.Die Mitarbeiter der JVA/JA informieren Interessentenbei Bedarf und koordinieren dieAuswahl der Programmteilnehmer. Teilnahmevoraussetzungist, dass die Person ihreTat mindestens einräumt und in der Lage ist,Aufgaben schriftlich zu bearbeiten. In Bezugauf die Tat wird keine Eingrenzung gemacht,mit Ausnahme von Sexualstraftaten. Die Inhaltewerden mithilfe abwechslungsreicherMethoden, in praktischen Übungen, Kleingruppenarbeitund Einzelaufgaben vermittelt.Die einzelnen Module sind thematischdurch Aufgaben aus einem Arbeitsheft verknüpft,die der Teilnehmer zwischen denModulen alleine bearbeitet und welche dannzu Beginn des nächsten Treffens gemeinsambesprochen werden und somit das neue Themaeinleiten. Die Bearbeitung und Fertigstellungdieses Arbeitsheftes ist fester Bestandteildes <strong>Opfer</strong>empathietrainings. Am Endedes Kurses wird ein Zertifikat vergeben.Der erste Durchgang des <strong>Opfer</strong>empathietrainingsfand <strong>im</strong> April/Mai 2013 in der JVA Kielmit acht Teilnehmern statt. Die Teilnehmerwaren unter anderem wegen Betrugs, Körperverletzungsdelikten,Fahren ohne Fahrerlaubnis,BTM Delikten und Einbruchsdiebstahlsinhaftiert, was eine sehr gemischte Gruppeergab. Einerseits ermöglichte dies eine lebhafteDiskussion und erweiterte Sichtweisen,andererseits wurden Bedürfnisse nach einerhomogeneren Gruppe geäußert, um mehr indie Tiefe gehen zu können.Zitate vor der Teilnahme am OETin der JVA Kiel 6`Man macht sich <strong>im</strong>mer so kleine Brücken,um die Schuld so ein bisschen von sich zustoßen. Man sagt, die Versicherung tritt ein,letztendlich schadet man damit vielen Men-31


September 2013schen. Die Versicherungsraten werden höherund naja, es ist natürlich Quatsch, was mansich da einredet. Was mich natürlich besondersinteressiert, wie psychisch darauf reagiertworden ist, als es gesehen worden ist.Wie sich die Menschen, die ich da geschädigtStraf-Tat-Dialog Gruppen für Geschädigtehabe, inwieweit die sich verändert haben,misstrauischer geworden sind, oder überhaupt,kann ja alles sein. Meistens ja. Wasging in denen vor, als sie da das Chaos gesehenhaben, was ich da angerichtet habe. Dasfrage ich mich.´ (Jan, 25)`Treffen (...) weiß ich nicht. Kann ich nicht sagen,ich würde mich auf jeden Fall schon malfreuen, wenn das <strong>Opfer</strong> überhaupt reagierenwürde. Mich anhören würde, sich anhört, wasin mich gefahren ist, ist mir das ... egal, wasich getan habe oder nicht. Das soll das <strong>Opfer</strong>wissen, dass es nicht so ist.´ (Peter, 31)Im zweiten Modul haben OET-Teilnehmeraus der JVA Kiel kreativ ihr Bild von <strong>Opfer</strong>werdungendargestellt. Jürgen (50) malte seineStraftat, einen Einbruchsdiebstahl in einerTankstelle, und stellte sich selbst rechts mitgesenktem Kopf und neben ihm das <strong>Opfer</strong>mit erhobenen Händen dar (linkes Bild). Jan(25) wollte mit seinem Bild sowohl seine eigenen<strong>Opfer</strong>werdungen als auch die von ihmverursachten <strong>Opfer</strong>werdungen darstellen.Der schwarze Teil seines Bildes repräsentiertdie eigentliche <strong>Opfer</strong>werdung, nach der manin ein tiefes Loch fällt und Selbstmordgedankenhegt – der gelbe Teil. Danach regeneriertman sich in einer Übergangsphase, dem weißenTeil, der dann in Hoffnung am Ende desTunnels mündet (rechtes Bild).Als <strong>Opfer</strong> einer Straftat bleibt man häufig mitvielen offenen Fragen über Tat und <strong>Täter</strong> zurück.Geschädigte versuchen manchmal, sichein Bild von der Person zu machen, die sie indiese Situation gebracht hat, oder verdrängendieses Bild. Straf-Tat-Dialog Gruppen sollen<strong>Opfer</strong>n die Möglichkeit geben, mit anderenGeschädigten über die <strong>Opfer</strong>werdung, dieindividuellen Bedürfnisse und Gefühle, diedaraus resultieren, zu sprechen und zu erfahren,wie es anderen in einer ähnlichen Situationgeht. Die konkreten Ziele sind alsodie Thematisierung der <strong>Opfer</strong>werdung, dasReflektieren der eigenen Bedürfnisse, Unterstützungdurch die Gruppe zu erfahren, dasGeschehen aufzuarbeiten, die Auseinandersetzungmit dem <strong>Täter</strong>bild und ggf. Heilungherbeizuführen. Es geht darum, diese Dingein einem sicheren Rahmen zu besprechen.Interaktive und kreative Gruppengestaltungsoll eine Auseinandersetzung mit der Thematikermöglichen.Bei Anfrage eines Geschädigten wird einVorgespräch durchgeführt, in denen die Zieleund der Ablauf der Gruppengespräche erläutertwerden. Es gibt keine Ausschlusskriterien,das heißt, weder in Bezug auf den Zeitpunktder <strong>Opfer</strong>werdung noch der Schwereoder Art der Straftat. Vielmehr soll <strong>im</strong> Vorgesprächindividuell geklärt werden, ob dieGruppenarbeit für denjenigen das Richtigeist. Jeder Durchgang besteht aus 6 Abendterminenund einem längeren vierten Treffen,an dem der Besuch in einer JVA vorgesehenist. Dort trifft die Gruppe mit Gefangenenzusammen, die an dem oben beschriebenen,32


TOA-Magazin - Nr. 01parallel stattfindenden <strong>Opfer</strong>empathietrainingteilgenommen haben, also ebenfalls aufein Treffen vorbereitet sind.Von 2007 bis 2009 wurden in Hasselt, Belgienähnliche Gruppen mit dem Titel `Uit deschaduw van de dader´ (Aus dem Schattendes <strong>Täter</strong>s treten) von CAW L<strong>im</strong>burgdurchgeführt. In diesem Zeitrahmenfanden drei Gruppenkurse mit insgesamt15 Personen statt. Die <strong>Opfer</strong>werdung derTeilnehmer lag zum Teil lange Zeit zurück;sie waren jedoch bis dahin nicht in derLage, die Folgen der teilweise sehr schwerenStraftaten eigenständig zu bewältigen. Einigeder <strong>Täter</strong> wurden nie gefasst, was einedirekte Mediation unmöglich machte. Fürdiese Personen boten die <strong>Opfer</strong>gruppen eineAlternative der Aufarbeitung. Anders als beiunserem Konzept trafen die <strong>Opfer</strong> in Hasseltauf zwei ausgewählte Gefangene. Die Erfahrungenund Rückmeldungen in Bezug auf dieGruppenarbeit und den Dialog mit den Gefangenenwaren sehr positiv.Eine zentrale Frage vor Beginn der Gruppenarbeitist: Wie können Teilnehmer gewonnenwerden? Hierzu werden mehrereWege beschritten. In einer Infoveranstaltungfür Mitarbeiter des Weißen Rings wurde dasVorhaben vorgestellt. Die einzelnen Mitarbeiterkönnen dieses Wissen weitertragenund <strong>Opfer</strong> über das Angebot informieren.Darüber hinaus ist es erwünscht, dass Mitarbeitervon <strong>Opfer</strong>hilfeorganisationen anden direkten Kontakten mit <strong>Opfer</strong>n, ander Durchführung der Gruppen und derNachsorge beteiligt sind. Die Kooperationmit der <strong>Landesarbeitsgemeinschaft</strong> TOASchleswig-Holstein bezieht sich nicht nur aufWissensaustausch, sondern auch auf die konkreteUmsetzung der Gruppenarbeit und sichanschließenden Mediationen. Es wird hierauf das Wissen über Mediationen in Strafsachen,zu <strong>Täter</strong>- und <strong>Opfer</strong>belangen undden Dialog der Parteien gesetzt. Eine weitereInformationsveranstaltung ist mit evangelischenPastoren aus mehreren Regionen inSchleswig-Holstein geplant. Pastoren habenoft einen direkten Zugang zu Geschädigtenund könnten, bei Bedarf, das Angebot der<strong>Opfer</strong>gruppen unterbreiten.MediationenNeben Gruppenarbeit wird auch die Durchführungvon Mediationen in Schleswig-HolsteinischenHaftanstalten <strong>im</strong> Rahmen desProjektes angeboten. Das können, je nachindividuellen Umständen, verschiedene Verfahrensweisensein, wie z.B. ein direkter oderindirekter <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>, eine Gemeinschaftskonferenzoder ein Friedenszirkel.Im Folgenden soll ein in U-Haft durchgeführterdirekter TOA aus der JVA Flensburgvorgestellt werden.Fallbeispiel JVA FlensburgGabi Vergin (Mediatorin in Strafsachen, VereinHilfe zur Selbsthilfe)Der Beschuldigte Herr B (22 J.) meldete sichüber den Sozialarbeiter aus der JVA bei uns.Er saß zu dem Zeitpunkt seit ca. 3 Monatenin Untersuchungshaft und wartete auf seineHauptverhandlung. Durch Gespräche u. a.mit dem Gefängnispastor sei ihm klar geworden,was er mit seiner Tat angerichtet habe.Herr B schilderte, dass er in einer Nacht <strong>im</strong>Sommer mit einem Kumpel zusammen versuchthabe, in 3 Kirchen einzubrechen, uman Geld zu kommen. Er sei spielsüchtig. Indie zweite Kirche auf ihrem Weg seien sie hineingekommen,hätten 4-5 <strong>Opfer</strong>stöcke undeine Truhe für Spenden aufgebrochen. Beider dritten Kirche hätten sie wieder die Türaufgehebelt, aber dann sei die Polizei gekommen.Sie seien zwar weggerannt, aber gefasstworden. Herr B habe in der Nacht bei der Kriposeine Beteiligung zugegeben und seinenAnteil am Geld, etwa 20 €, zurückgegeben.Da sie einen „Kuhfuß“ und einen Schraubendreherdabei gehabt hätten, sei ihnenvorgeworfen worden, sie hätten mit diesenGegenständen Menschen angegriffen, wennsie überrascht worden wären. Das bestrittHerr B vehement. Herr B sei wegen Wiederholungsgefahrin U-Haft genommen worden.Er sagte, ihm sei die Sache sehr peinlich undtue ihm leid, eigentlich habe er Respekt vordem Glauben und kirchlichen Räumen. HerrB sei in einer Jugendhilfeeinrichtung aufgewachsenund habe keine Familie, die hinter33


TOA-Magazin - Nr. 01lage für die Entwicklung eines Handbuchesund eines Lehrplanes zur Weiterbildung vonPraktikern in diesem Bereich genutzt. ImRahmen des Projektes werden auf dieserGrundlage zehn Praktiker aus jedem Partnerlandweitergebildet. Das Projekt basiert aufeinem Aktionsforschungsansatz und strebtdaher eine kreative Suche nach der bestmöglichenImplementation von RJ Methoden <strong>im</strong><strong>Strafvollzug</strong> gemeinsam mit den Praktikernvor Ort an.Öffentlichkeitsarbeit undLenkungsgruppenMehr Öffentlichkeitsarbeit soll den Bekanntheitsgradvon RJ-Verfahrensweisen erhöhen.Wir setzen hierzu auf die Kooperation mitdem Straßenmagazin Hempels, dem WeißenRing und Volkshochschulen. Konferenzen,Infoveranstaltungen, Zeitungsartikel, Flyer,Poster, die Projektwebsite und eine Facebook-Seitesollen ebenfalls dazu beitragen.Neben den bereits genannten Aktivitätengibt es drei Projekt-Lenkungsgruppen; eineauf internationaler Projektebene, die zweitefür Projektpartner in Schleswig-Holstein undeine dritte organisiert durch das JustizministeriumSchleswig-Holstein zur Weiterentwicklungvon RJ allgemein. Diese Gruppenermöglichen einen kontinuierlichen Austauschzwischen relevanten Akteuren.Ricarda Lummerstudierte Kr<strong>im</strong>inologie an der Canterbury ChristChurch Universität in England und der K.U. Leuven inBelgien. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterinan der Fachhochschule Kiel <strong>im</strong> Projekt “RJ at postsentencinglevel, supporting and protecting vict<strong>im</strong>s”.Sie ist ausgebildete Mediatorin in Strafsachen.1 Andere assoziierte Partner sind: Max-Planck Institutfür ausländisches und internationales Strafrecht,Justizministerium Rheinland Pfalz, Vict<strong>im</strong> Support UK,Czech Probation and Mediation Service, Association ofAltruists Bosnia-Herzegovina, CEP, European Forum forRestorative Justice.2 Hagemann, O. (2004) `“<strong>Opfer</strong>“ <strong>im</strong> Blickpunkt vonStrafgefangenen´, in Rehn, Nanninga & Thiel (Hg.),Freiheit und Unfreiheit (S. 397-421) und Hagemann,O. (2005) `“<strong>Opfer</strong> <strong>im</strong> Blickpunkt“ – eine Gruppenarbeitmit Straffälligen´, in Rundbrief Straffälligenhilfe, Nr. 41,16. Jg., hrsg. vom Schleswig-Holsteinischen Verband fürStraffälligen- und Bewährungshilfe (S. 42-55).3 Bakker, L. (2005) `Sycamore Tree Project ImpactEvaluation for Prison Fellowship New Zealand´, accessedon 23.01.2013 from http://www.pfi.org/cjr/stp/report/evaluations-of-the-sycamore-tree-projectae/sycamoretree-project-<strong>im</strong>pact-evaluation-for-prison-fellowship-newzealand/view4 Liebmann, M. (2006) `Restorative Justice in Prisons – AnInternational Perspective´, Restorative Justice Online. June2006 Edition.Liebmann, M. (2007) Restorative Justice. How it works.London und Philadelphia: Jessica Kingley Publisher.5 Ev. Bundeskonferenz der Gefängnisseelsorge (2008)`Projekt „Empathie“ als Praxisprojekt <strong>im</strong> Rahmen vonRestorative Justice´, Arbeitsgruppe, Hofgeismar.6 Namen wurden geändert.35


September 2013Friedenszirkel als Modell der RestorativeJustice <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>Wiederherstellung von Gerechtigkeit?Dr. Beate EhretEinleitung und ProblemstellungTrotz aller Verbesserungen in den letztenJahrzehnten kommen Verbrechensopfer <strong>im</strong>System der Strafjustiz nach wie vor zu kurz.Straftaten werden <strong>im</strong>mer noch <strong>im</strong> Kern alsAngelegenheit zwischen dem <strong>Täter</strong> und demStaat betrachtet und gehandhabt. So wurdenzwar <strong>im</strong> Zuge der Strafrechtsreform<strong>Opfer</strong>rechte sukzessive gestärkt, in der Praxiskommen ihre Interessen und Bedürfnissejedoch <strong>im</strong>mer noch zu kurz. 1 <strong>Opfer</strong> dienender Überführung des <strong>Täter</strong>s, sei es als Zeugenoder sei es als Nebenkläger. Nun gilt es als einwesentlicher zivilisatorischer Fortschritt, dassihnen durch das staatliche Gewalt- und Strafmonopoldie Möglichkeit aberkannt wurde,ihre Rechte selbst einzufordern oder diese garüber die Zufügung von Zwang durchzusetzen.Diese „Entprivatisierung“ des Konfliktszwischen Individuen führte jedoch zu einereinseitigen Fokussierung auf den <strong>Täter</strong> undauf der anderen Seite zu einer „Entmachtung“des <strong>Opfer</strong>s. 2 Was dabei auf der Streckebleibt, ist die Berücksichtigung der seelischenund sozialen Folgen der Tat für das <strong>Opfer</strong>. 3Nun sind die erklärten Ziele der Strafverfolgungund des Strafprozesses die Überführungdes <strong>Täter</strong>s, die Etablierung von Schuld unddie Zumessung der Strafe, und es ließe sichaus Sicht der Strafjustiz dafür argumentieren,dass in diesem Stadium nur wenig Raumfür <strong>Opfer</strong>belange verbleibt. Dieser Gedankeöffnet den Blick für den Zeitraum nach derUrteilsfindung, wenn die Vollstreckung einerfreiheitsentziehenden Strafe in den Vollzug ineiner Strafanstalt mündet. Wann, wenn nichtjetzt, können die Belange des <strong>Opfer</strong>s ihre Berücksichtigungfinden?1 Zu einem Vergleich der Lagen bzw. der Entwicklung auswissenschaftlicher Perspektive s. einerseits Jung, 2000,andererseits Schöch, 2012 und 2013; aktuelle Darstellungaus anwaltlicher Sicht bei Schroth, 2011.2 Jung, 2000, S. 159.3 Walter, 2011, S. 45.Schadensaufarbeitung <strong>im</strong><strong>Strafvollzug</strong>?Doch auch der <strong>Strafvollzug</strong> ist traditionellauf den <strong>Täter</strong> gerichtet. So ist es nach § 2des <strong>Strafvollzug</strong>sgesetzes (StVollzG) die gesetzlichverankerte Aufgabe des Vollzugs,diesen zu befähigen, „…künftig in sozialerVerantwortung ein Leben ohne Straftatenzu führen (Vollzugsziel).“ Dieses Vollzugszielder sozialen Integration und Resozialisierunggilt sogar als vorrangig gegenübersämtlichen anderen Aufgaben des Vollzugseinschließlich des Schutzes der Allgemeinheitvor weiteren Straftaten. 4 Doch es wäreeine höchst einseitige Vorgehensweise, sichzur Erreichung dieses Ziels alleinig auf denGefangenen und die Verbesserung seiner sozialenKompetenzen zu konzentrieren. EinLeben in sozialer Verantwortung heißt auchVerantwortungsübernahme für und gegenüberanderen. Von daher betrachtet liegt esnahe, bei dem Verhältnis des <strong>Täter</strong>s zum <strong>Opfer</strong>zu beginnen. Denn es wäre eine verkürzendeund in ihrer Antagonistik wenig hilfreicheLogik, <strong>Täter</strong> und <strong>Opfer</strong>belange als stetsund strikt konkurrierend zu betrachten.Die Theorie der Restorative Justice 5 oder – „wiederherstellendenGerechtigkeit“ bietet hierzueine konstruktive Perspektive an, in derenRahmen sich die Resozialisierung Straffälligerund die Schadenswiedergutmachung fürderen <strong>Opfer</strong> sinnvoll miteinander verbindenlassen. Ihr geht es pr<strong>im</strong>är darum, den entstandenenSchaden in einer Art und Weise zuermessen, die über klassische Rechtskatego-4 Vgl. zu den Diskussionen über die Best<strong>im</strong>mung desVollzugsziels in Abgrenzung zu sonstigen „Aufgaben“ desVollzuges vor allem Calliess/Müller-Dietz, 2002, §2, Rn. 1.5 Das englische Wort „justice“ kann sowohl mit „Justiz“als auch mit „Gerechtigkeit“ übersetzt werden, und esfehlt ein deutscher Begriff, der diese beiden Bedeutungenzufriedenstellend wiedergeben würde. Deshalb greifeich hier zur Erläuterung auf die recht verbreitete, abernicht voll befriedigende deutsche Terminologie zurück,verwende aber <strong>im</strong> Folgenden die englische BezeichnungRestorative Justice.36


TOA-Magazin - Nr. 01rien hinaus geht, indem das durch eine Straftaterfahrene Leid („harm-principle“) unddie daraus resultierenden Bedürfnisse in denVordergrund gerückt werden, was zunächstden Blick auf das <strong>Opfer</strong> lenkt, aber <strong>im</strong> Weiterenauch die Bedürfnisse des <strong>Täter</strong>s sowieihre Beziehungen zueinander mit einschließt,ohne beide Seiten gegeneinander auszuspielen.Die Lösung heißt Mediation, sei es innerhalbeines <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s oderüber andere ausgleichende Verfahren derRestorative Justice wie etwa Konferenzen oderFriedenszirkel.Sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten fürVerfahren der Restorative Justice sind entlangverschiedener Stadien des <strong>Strafvollzug</strong>s erkennbar.Denkbar wäre etwa <strong>im</strong> Falle vonUntersuchungshaft, bereits vor der Urteilsfindungeine Mediation zwischen <strong>Täter</strong> und <strong>Opfer</strong>anzuregen, deren Verlauf und Ergebnisdann be<strong>im</strong> Sanktionsrahmen entsprechendBerücksichtigung findet. Vielversprechendscheint Mediation auch nach erfolgter Inhaftierungdes <strong>Täter</strong>s zur Tataufbereitung sowie zurVorbereitung von Haftlockerungen oder der Haftentlassung.So ke<strong>im</strong>en bei Kr<strong>im</strong>inalitätsopfernhäufig neue Ängste auf, wenn sie von anstehendenFreigängen oder der Entlassung desInhaftierten erfahren - ein Problem, welchesErnst genommen sollte und über Mediationsinnvoll bearbeitet werden kann. Darüber hinausbesteht auch reichlich Konfliktpotentialunter den Häftlingen oder zwischen ihnenund dem Anstaltspersonal, welches sich derMediation zuführen ließe.Ausgewählte Praxisbeispiele:Ein ÜberblickMit Blick auf das internationale Ausland lassensich vielzählige Programme finden, welchemit großem Erfolg Verfahren der RestorativeJustice <strong>im</strong> Vollzug umsetzen: In Kanada findensie große Verbreitung <strong>im</strong> Yukon, werdenaber auch in der Provinz Manitoba eingesetzt.6 In den USA haben sich in zahlreichenBundesstaaten z.B. in Wisconsin, Minnesota,Texas, New York und Colorado, RestorativeJustice Programme <strong>im</strong> Vollzug etabliert. ZumTeil ging dabei die Initiative zunächst von denInhaftierten selbst aus, wie z.B. in der „SingSing Correctional Facility“ <strong>im</strong> Staate NewYork, oder auch von <strong>Opfer</strong>seite wie etwa <strong>im</strong>6 Bonta, Wallace-Capretta, and Rooney, 1998.Falle der <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-Dialog Programme intexanischen Gefängnissen. 7 Als herausragendwäre die „Restorative Justice Initiative“ vonJanine Geske an der Marquette University zunennen, welche in ganz Wisconsin auch <strong>im</strong>Falle schwerster Straftaten mit Erfolg Zirkelverfahren,sogenannte „Talking Circles,“mit Strafgefangenen und Kr<strong>im</strong>inalitätsopferndurchführt. 8 Auch das „Center for RestorativeJustice and Peacemaking” von Mark Umbreitwendet in Minnesota selbst bei <strong>Opfer</strong>nschwerer Gewalt erfolgreich Schadensausgleichsverfahren<strong>im</strong> Vollzug an. 9Ebenso finden sich <strong>im</strong> europäischen AuslandBeispiele erfolgreicher Umsetzung von Verfahrender Restorative Justice <strong>im</strong> Vollzug. Besondersweit fortentwickelt ist das belgischeSystem, welches ursprünglich landesweitRestorative-Justice-Koordinatoren in denGefängnissen platzierte, mit dem Ziel, sowohldem Personal als auch GefängnisinsassenEinblicke in Restorative Justice zu vermittelnund entsprechende Verfahren zu etablieren. 10In England und Wales kommen Schadensausgleichsverfahrenvorwiegend bei jugendlichenStraftätern zum Einsatz. Die vom britischenJustizministerium in Auftrag gegebeneEvaluationsstudie dreier großer RestorativeJustice Programme fokussierte jedoch aufErwachsene <strong>im</strong> Falle schwerer Delikte undparallel zu allen Stadien der Strafjustiz (außerDiversion), einschließlich des <strong>Strafvollzug</strong>s.Sie konnte aufzeigen, dass Wiederverurteilungsratennach Restorative Justice Maßnahmensignifikant niedriger liegen und zudem die<strong>Opfer</strong> durchweg zufrieden mit dem Verfahrenwaren und es gerne weiterempfehlen. 11In Deutschland verblieben diese Potentialebisher weitestgehend ungenutzt. Es gibtkaum und vor allem noch keine ausreichendgesicherten Erfahrungswerte auf Basis frühereroder aktueller Versuche, einen <strong>Opfer</strong>bezug<strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> herzustellen und7 Johnstone und Van Ness, 2007, S. 313.8 Häufig mit sogenannten „surrogate vict<strong>im</strong>s,“ also<strong>Opfer</strong>n anderer Straftäter. Siehe http://law.marquette.edu/rji/ (Zugriff am 1.3. 2013).9 Siehe: www.cehd.umn.edu/ssw/rjp/ (Zugriff am 1.3.2013); Umbreit, Vos, Coates, Armour, 2006.10 Roeger, 2003; Marien, 2010. Allerdings wurde ihnendiese besondere Stellung bereits 2008 wieder entzogenund Restorative Justice zu einem Teilbereich ihrersonstigen administrativen Arbeit herabgestuft vgl. dazuAertsen, 2012.11 Shapland, 2008; Shapland et al., 2008.37


September 2013systematisch umzusetzen. 12 InsbesondereVerfahren der Schadenswiedergutmachungkonnten bisher die Mauern der Gefängnissevon außen bis auf wenige Ausnahmen nichtüberwinden. Weder Strafgefangene noch<strong>Opfer</strong> werden hinreichend über ihre Rechteund Möglichkeiten informiert und sie bleibenzumeist ungenutzt. 13 Es besteht folglich ein<strong>im</strong>menser Nachholbedarf.Zwar gab es bereits vereinzelte Ansätze zurEinführung von TOA <strong>im</strong> Vollzug. Zu nennenwäre hier insbesondere das Projekt „Brückenschlag“des Vereins Hilfe zur Selbsthilfe,Reutlingen, welcher bereits in den 90er JahrenTOAs in den JVAs Rottenburg und Ravensburgdurchführte. Diese konnten jedochnicht längerfristig etabliert werden. Außerdemhervorhebenswert scheint das <strong>im</strong> Rahmendes internationalen EU Projekts ME-REPS durchgeführte Bremer Modellprojektin Zusammenarbeit der Bremer Hochschulefür Verwaltung und des Vereins „<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>Bremen“, welches in der JVAOslebshausen erfolgreich TOAs durchführteund auch weiterhin anbietet. 14Besonders erfreulich sind in diesem Zusammenhangzwei aktuelle Reformansätze aufLänderebene: So hat es sich der JustizvollzugsbeauftragteNordrhein-Westfalens, MichaelWalter, explizit zum Ziel gesetzt, eine opferbezogeneVollzugsgestaltung zu entwickeln,und zwar über die Umsetzung der beidenSchwerpunkte: Wiedergutmachung und <strong>Opfer</strong>schutz.15 Im Land Baden-Württemberg gibtes außerdem bereits eine gesetzgeberischeVorlage, den TOA <strong>im</strong> Jugend- sowie auch <strong>im</strong>Erwachsenenvollzug einzuführen. In Reaktiondarauf formierte sich eine Arbeitsgruppelokaler Mediatoren und ihrer Träger, (LAG12 Zu einem wissenschaftlich begleiteten Exper<strong>im</strong>entin der JVA Berlin-Tegel siehe Krause, 2012. Aus der Sichteines Gefangenen berichtet anderweitig Funke, 2011.13 Das EU-Projekt „MEREPS“ hat erstmals detailliertWissensbestände und Einstellungen des Vollzugspersonalsin verschiedenen Mitgliedstaaten erforscht und dabeierhebliche Lücken bzw. Probleme festgestellt; zu denErgebnissen des deutschen Teilprojekts siehe Hartmann etal., 2012a und b.14 So waren in der JVA Oslebshausen innerhalb einesZeitraumes von zwei Jahren 27 Inhaftierte und 22 <strong>Opfer</strong>bereit, an einem TOA mitzuwirken, und in über der Hälfteder Fälle lassen sich die resultierenden Verhandlungenals erfolgreich einstufen, auch wenn diese nicht <strong>im</strong>mer<strong>im</strong> direkten Dialog zwischen <strong>Täter</strong> und <strong>Opfer</strong> stattfanden.Siehe Hartmann et al., 2012a und b.15 Einschließlich der <strong>Opfer</strong>information. Walter, 2011;Gelber 2012.TOA), welche unter der Lenkung des ReferatsleitersVollzugsgestaltung, Rüdiger Wulf,dieses Projekt konzeptionell vorbereiten undumsetzen werden. 16 In beiden Bundesländernsoll zunächst in ausgewählten Pilot-Vollzugsanstaltender TOA eingeführt und erprobtwerden. 17Friedenszirkel <strong>im</strong> VollzugFriedenszirkel stellen eine Erweiterung desTOA dar, welche für den Vollzug besondersgut geeignet ist. Neben einer Reihe methodischerUnterscheidungsmerkmale (Sitzordnung<strong>im</strong> Kreis, Verwendung eines „TalkingPiece“, Mediator als „Zirkel-Keeper“ etc.),welche bereits für sich genommen einen positivenEinfluss auf den Dialog haben, lassensich Zirkel insbesondere dadurch von einemherkömmlichen TOA abgrenzen, dass sie Vertreterder „community“, also Gemeinde oderGemeinschaft, mit einbeziehen. Hierbei liegtein sehr weiter Begriff zugrunde, welcher eserlaubt neben Familienmitgliedern und anderenUnterstützern der Konfliktparteien auchunmittelbar oder mittelbar von der Tat betroffenePersonen sowie neutrale Außenstehendemit einzubeziehen. So ist etwa bei einemEinbruch denkbar, dass sich neben demunmittelbaren <strong>Opfer</strong> noch weitere Personenbetroffen fühlen, wie z.B. weitere Hausbewohner,Nachbarn oder die Hauseigentümergemeinschaft.Ein opferbezogener Vollzugsollte auch anstreben, die Belange solcherindirekter <strong>Opfer</strong>/Betroffener zu berücksichtigen,und Schadensausgleichsverfahren eröffnenhierzu vielfältige Möglichkeiten. Darüberhinaus können Vertreter der Gemeinde/Gemeinschaft Teil des sozialen Empfangsfeldesnach der Haftentlassung sein, und ihre Einbeziehungbei der Tataufarbeitung kann hierWege ebnen, die eine gesellschaftliche Re-Integration des Gefangenen frühzeitig vorbereitenund zudem ihr Rückfallrisiko senken(z.B. Nachbarschaftshilfe, Arbeits- oderWohnungsvermittlung, etc.).Liegt auf Seiten der Geschädigten kein Inte-16 Prof. Wulf entwickelte bereits Mitte der 80er JahreGrundzüge einer „opferbezogenen Vollzugsgestaltung.“Siehe Wulf (1985).17 Das Berliner Pilotprojekt, GMS setzt zwar auch <strong>im</strong><strong>Strafvollzug</strong> an, ist aber auf gerichtliche Mediationin <strong>Strafvollzug</strong>ssachen zugeschnitten, dient alsoausschließlich der Beilegung von Verfahren <strong>im</strong> Falle vonRechtsstreitigkeiten zwischen Häftlingen und Haftanstalten(nach §§ 109 ff StVollzG). Siehe Vogt (2009).38


TOA-Magazin - Nr. 01resse an einer Begegnung vor oder überwiegendie Bedenken, so können Zirkel auch mitsogenannten „surrogate vict<strong>im</strong>s“, also mit<strong>Opfer</strong>n vergleichbarer Straftaten in einemanderen, möglicherweise länger zurückliegendenZusammenhang, stattfinden. Zumalein Interesse an einer Aufarbeitung erst späteraufke<strong>im</strong>en kann und damit einhergehenddie Bereitschaft, mit „anderen“ Gefangenenzu sprechen. 18Zu den Besonderheiten von Friedenszirkeln,welche zugleich als Vorteile ihrer Anwendung<strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> betrachtet werden (<strong>im</strong>Vergleich zu anderen gängigen Mediationsmodellen),zählen zusammengefasst folgendeMerkmale:▪▪Sie sind erweiterbar um Vertreter der Justiz,deren Perspektive insbesondere <strong>im</strong> Vollzugrelevant sein kann (z.B. Anstaltspersonal,Polizeibeamte). Ihre Personen undSachkenntnis können den Zirkeldialogin vielerlei Hinsicht bereichern, etwa zurEinschätzung der Gefangenen hinsichtlichetwaiger Sicherheits- oder Rückfallrisiken,Eskalationsrisiken, aber auch ihrerSchwächen, Stärken oder Fähigkeiten etc.▪▪Sie sind erweiterbar um Mitglieder der Gemeinde/Gemeinschaft.Zu Beginn der Inhaftierungkann ihre Einbeziehung derTataufbereitung dienen, etwa indem <strong>Opfer</strong>oder <strong>Täter</strong> durch die Anwesenheitvertrauter oder neutraler Unterstützer ermutigtwerden, überhaupt an Gesprächenteilzunehmen. Darüber hinaus kann derKreis um indirekte <strong>Opfer</strong>/Betroffene (Familienangehörige,Freunde, Nachbarn)erweitert werden, sowie um neutrale Außenstehende,um frühzeitig die Re-Integrationvorzubereiten. 19▪▪Sie wenden eine Mediationsmethode an, diebesser für größere Gruppen geeignet ist(z.B. Rolle des Mediators, Redegegenstand,Leitlinien etc.). Ein TOA-Gesprächlässt sich nicht beliebig erweitern bzw. derMediator würde hier schneller an Grenzenstoßen. Gründe, die für eine Erweiterungsprechen, sind vielfältig und in der18 In den USA bestehen beispielsweise bereits einigelaufende Programme, die diesen Gedanken erfolgreichumgesetzt haben (z.B. das Minnesota, Department ofCorrections, DOC „Offender Transition Circle Program“oder das Wisconsin Department of Corrections (DOC),„Office of Vict<strong>im</strong> Services and Programs“).19 Auch Mitarbeiter der Sozialen Dienste innerhalbder Anstalten ließen sich als Vertreter der „community“einbeziehen, sofern dies sinnvoll und zielführend ist.Diskussion der anderen Merkmale aufgeführt.▪▪Die Zirkel Struktur und Leitlinien schaffeneinen sicheren Raum für Dialog, indem siealle Beteiligten vor respektlosen Einwürfenoder Eskalationen schützen. Dies dientder konstruktiven Konfliktbearbeitungund Deeskalation. Zumal davon auszugehenist, dass es sich <strong>im</strong> Vollzug umschwerere Straftaten dreht und von einemgrößeren Konfliktpotential und schwerwiegenderenSchadensd<strong>im</strong>ensionen auszugehenist. Dementsprechend sind diesemethodischen Aspekte besonders angezeigtund zielführend.▪▪Zirkel räumen allen Beteiligten gleichePartizipations- und Mitspracherechte ein undfördern diese, indem sie integrativ undmotivierend wirken. Dieser Aspekt scheintinsbesondere in Bezug auf den Geschädigtenals auch auf den Gefangenen erstrebenswert,denn ihre aktive Teilnahme istfür die Findung einer zufriedenstellendenund nachhaltigen Lösung unverzichtbar.Darüber hinaus ist dies hilfreich zur Integrationweiterer Personen und wichtigerAußenperspektiven, denn „Zuschauer“sind nicht zuträglich.▪▪Die Entscheidungsfindung basiert aufKonsens, dessen Herstellung <strong>im</strong> Zirkel besondererTechniken bedarf. Auf diesemWeg wird eine Lösung gefunden, an derenErarbeitung alle beteiligt waren, angehörtwurden und sich eingebracht haben, wodurchdiese eher akzeptiert und mitgetragenwird. Darüber hinaus wird damit auchihre Umsetzung wahrscheinlicher undbestenfalls auch nachhaltiger. Dies kannsowohl Verarbeitungsprozesse auf Seitender Geschädigten fördern als auch der Rehabilitationdes Gefangenen dienen.Die Autorin bearbeitet seit September 2011federführend ein vom Institut für Kr<strong>im</strong>inologieder Universität Tübingen koordiniertesEU Projekt zur Einführung von Friedenszirkeln20 in Deutschland, Ungarn und Belgien. Indessen Rahmen konnte sie bereits vielfältigeErfahrungen zur Etablierung dieses Verfah-20 Das Projekt wird von der Europäischen Kommission<strong>im</strong> Rahmen des Programms „Cr<strong>im</strong>inal Justice“gefördert. Projektleiter ist Dr. Elmar Weitekamp. Diewissenschaftliche Betreuung liegt außerdem auch beiSeniorprofessor Dr. Hans-Jürgen Kerner. Die aus der Praxiskooperierende Institution ist das „Projekt Handschlag“ desVereins Hilfe zur Selbsthilfe in Reutlingen.39


September 2013rens außergerichtlicher Konfliktbearbeitungin den beteiligten Ländern sammeln. Was dendeutschen Teil des Projekts anbetrifft, so gelanges in Zusammenarbeit mit dem "ProjektHandschlag" aus Reutlingen bei JugendlichenStraffälligen bereits achtmal mit Erfolg, Friedenszirkelnzu realisieren - bei Zufriedenheitaller Teilnehmer und der Wiederherstellungdes Rechtsfriedens. Dieses KonfliktlösungsundPräventionspotential sollte nicht verschenktwerden. Deutschland hat, gemessenam europäischen und internationalen Ausland,einen <strong>im</strong>mensen Nachholbedarf.LiteraturverzeichnisAertsen, I. (2012). Restorative Prisons: Where are we Heading?In: Barabás, T; Fellegi, B.; Windt, S. (Ed.): Responsibilitytaking,Relationship-building and Restoration in Prisons,Budapest, 2012, p. 263-276.Bonta, J., Wallace-Capretta, S., and Rooney, J. (1998). 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Und zum anderen sammelte sie vielseitigePraxiserfahrungen in ihrer Zeit als Mediatorin undMitglied eines „community panels“ der Bewährungsabteilungder Stadt Boulder, USA <strong>im</strong> Rahmen von Tatausgleichsverhandlungen.Ihr aktuelles Forschungsprojektan der Universität Tübingen dient der Implementierungvon Friedenszirkeln, ein Mediationsmodell der wiederherstellendenGerechtigkeit (Restorative Justice) undeine Erweiterung des TOA, in Deutschland, Belgien undUngarn.Resolving Conflicts in Prison. Relational Justice Bulletin 19,p. 4-5.Schöch, H. (2012): <strong>Opfer</strong>perspektive und Jugendstrafrecht. In:Zeitschrift für Jugendkr<strong>im</strong>inalrecht und Jugendhilfe 23, 3, S.246-255.Schöch, H.(2013). <strong>Opfer</strong>schutz <strong>im</strong> Strafverfahren. In: Dölling,Dieter; Jehle, Jörg-Martin (Hrsg.): <strong>Täter</strong> – Taten – <strong>Opfer</strong>.Grundlagenfragen und aktuelle Probleme der Kr<strong>im</strong>inalität undihrer Kontrolle. 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September 2013BayernHorst Krä, Ministerialrat Bayer. Staatsministeriumder Justiz und für Verbraucherschutz1. RechtslageAnders als in dem vor Inkrafttreten des Bayerischen<strong>Strafvollzug</strong>sgesetzes am 1. Januar2008 <strong>im</strong> bayerischen <strong>Strafvollzug</strong> geltenden<strong>Strafvollzug</strong>sgesetz des Bundes wurden in Art.3 BayStVollzG nähere Definitionen zu der <strong>im</strong><strong>Strafvollzug</strong> stattfindenden Behandlung aufgenommen.Art. 3 Satz 2 BayStVollzG regelt ausdrücklich,dass die Behandlung <strong>im</strong> Vollzug derVerhütung weiterer Straftaten und (zugleich)dem <strong>Opfer</strong>schutz dient. Ergänzend dazu ist inArt. 78 Abs. 2 BayStVollzG explizit auch der <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong><strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> angesprochen:Danach soll die Einsicht der Gefangenenin ihre Verantwortung für die Tat, insbesonderefür die be<strong>im</strong> <strong>Opfer</strong> verschuldeten Tatfolgen, gewecktwerden. Die Gefangenen sind anzuhalten,den durch die Straftat verursachten Schaden zuregeln und die Durchführung eines <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>sist in geeigneten Fällen anzustreben.Die genannten Vorschriften des BayStVollzGsind Ausdruck der Erkenntnis, dass es zurBehandlung der Gefangenen <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>auch gehört, diese zu befähigen, sich mit derTat, ihren Ursachen und Folgen für das <strong>Opfer</strong>auseinanderzusetzen, auch wenn die Möglichkeitendes Vollzugs insoweit gegenüber einem<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> <strong>im</strong> Rahmen des Strafverfahrenstendenziell eingeschränkt sind. Gleichwohlhandelt es sich dabei um ein bedeutendesLernfeld sozialer Verantwortung, das letztlichder Resozialisierung dient. Die Regelungen sollendazu beitragen, dass sich Gefangene mit denTatfolgen für ihre <strong>Opfer</strong> auseinandersetzen,selbstkritisch Verantwortung hierfür übernehmen,Empathie für das <strong>Opfer</strong> entwickeln unddaraus den Schluss ableiten, künftig keineStraftaten mehr zu begehen. Stets bleibt dabeiindes zu beachten, dass ein <strong>Ausgleich</strong> dem<strong>Opfer</strong> nicht aufgedrängt werden darf, weil esnicht gegen seinen Willen für behandlerischeZwecke instrumentalisiert werden darf.2. Praktische AusgestaltungIn der vollzuglichen Praxis bedeutet dies,dass die Strafgefangenen in geeignetenFällen nach dem Grundsatz der Hilfe zurSelbsthilfe durch die Vollzugsbediensteten,insbesondere durch die Fachdienste (Sozialpädagogen,Psychologen) dabei unterstütztwerden, <strong>im</strong> Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeitenzumindest an der (materiellen)Schadenswiedergutmachung zu arbeitenoder sogar einen umfassenden <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>herbeizuführen. Dieser besteht<strong>im</strong> Idealfall sowohl aus der materiellenSchadensregulierung als auch einer <strong>im</strong>materiellenAussöhnung mit dem <strong>Opfer</strong>. Wenn das<strong>Opfer</strong> dies wünscht, kann insoweit beispielsweiseein Gespräch <strong>im</strong> Rahmen eines Besuchsdes <strong>Opfer</strong>s in der Justizvollzugsanstaltin Betracht kommen; regelmäßig wird dies allerdingseher durch entsprechenden Schriftwechselzwischen Gefangenem und <strong>Opfer</strong>erfolgen. Von besonderer Bedeutung ist geradefür eine solche Kontaktaufnahme, dassein <strong>Ausgleich</strong>, um sowohl den Interessen des<strong>Opfer</strong>s als auch der Behandlung des Gefangenenzu dienen, von der autonomen Motivationdes Gefangenen getragen sein muss,weil ein dem Gefangenen aufgezwungener<strong>Ausgleich</strong> insoweit seine Wirkung verfehlenwürde.Gerade innerhalb der <strong>im</strong> bayerischenJustizvollzug eingerichteten sozialtherapeutischenAbteilungen für Sexual- und Gewaltstraftäterstellt darüber hinaus die Aufarbeitungder Inhaftierung zugrunde liegenderStraftaten ein wesentliches Element sozialtherapeutischerBehandlung dar. Die insoweitmit der Tataufarbeitung befassten Bedienstetender sozialtherapeutischen Abteilungenwerden gerade in diesen Fällen ein besonderesAugenmerk darauf richten, den Gefangenendie Folgen ihrer Taten vor Augen zuführen und Verständnis für die Belange der42


TOA-Magazin - Nr. 01<strong>Opfer</strong> zu wecken. Speziell die sozialtherapeutischenAbteilungen bieten deshalb durchausein geeignetes Feld für einen <strong>Ausgleich</strong> mitdem <strong>Opfer</strong>, wenn dieses hierzu bereit ist.3. Planung eines Pilotprojekts:Um die Praxis des <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s<strong>im</strong> bayerischen Justizvollzug weiter zustärken, wird <strong>im</strong> Übrigen derzeit von einem<strong>im</strong> Rahmen des <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>stätigen Verein in Zusammenarbeit mit derJustizvollzugsanstalt Landsberg a. Lechund dem Kr<strong>im</strong>inologischen Dienst desbayerischen Justizvollzugs ein Konzeptfür ein Pilotprojekt der Einbindung desVereins in den vollzuglichen <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> erarbeitet. Die JustizvollzugsanstaltLandsberg a. Lech ist aufgrund ihrerbesonderen Struktur (hohe Gefangenenzahl,Erstvollzug) zur Erprobung eines solchenProjekts in Umsetzung von Art. 78BayStVollzG besonders geeignet.Sonja Martin und Sonja Schmid,Brücke, München e.V.Auch wir Münchner haben in den letzten Jahreneinige Erfahrungen mit der Durchführungder Mediation <strong>im</strong> Strafrecht sammelndürfen, wenn der Beschuldigte sich in derJVA befindet. Gerne möchten wir an dieserStelle hierüber berichten und unsere Vorgehensweiseschildern.Zumeist erhalten wir einen Brief vom Beschuldigtenoder eine Anfrage von dessenAnwalt. Hierin wird der Tatvorwurf benanntund häufig eine Idee der Wiedergutmachungin den Raum gestellt. Bereits zu diesem Zeitpunktinformieren wir die Prozessbeteiligten,wie die zuständige Staatsanwaltschaft undevtl. das Gericht, dass wir um die Durchführungeiner Mediation <strong>im</strong> Strafrecht gebetenworden sind. Um die Motivation und dieVorstellungen <strong>im</strong> Hinblick auf den TOA zuprüfen, besuchen wir zunächst den Beschuldigtenin der JVA und führen mit ihm einVorgespräch. Das ist uns <strong>im</strong> Hinblick auf den<strong>Opfer</strong>schutz sehr wichtig. Danach bieten wirdem Geschädigten das unverbindliche informatorischeVorgespräch an. Je nach Bereitschafterfolgt eine indirekte Vermittlung oderaber auch ein <strong>Ausgleich</strong>sgespräch. Vor derHauptverhandlung kann dies allerdings nurunter erschwerten Bedingungen geschehen.So muss entweder eine Ausführung des Gefangenenstattfinden oder der Geschädigtemit in die JVA kommen. Bei den Tatvorwürfenhandelt es sich meist um gefährliche oderschwere Körperverletzungsdelikte, Raub undErpressung bis hin zu versuchtem Mord. Injedem Fall erfolgt Berichterstattung an dieProzessbeteiligten.Seit dem Jahr 2008 haben wir 14 Fälle bearbeitet,zwei davon aus dem Jugendbereich. Indrei Fällen kam es zu einer direkten, in sechszu einer indirekten Vermittlung. In vier Konstellationenlehnten die Geschädigten dasAngebot ab bzw. meldeten sich nicht auf unserenBrief. In einem Fall wollte der Beschuldigtedas <strong>Ausgleich</strong>sgespräch benutzen, umsein Handeln zu rechtfertigen. Unter diesenBedingungen ist einem Geschädigten ein Zusammentreffenselbstverständlich nicht zumutbar.Die Wiedergutmachungsleistungenerstreckten sich von einem Entschuldigungsbriefüber Vereinbarungen und einemGeschenk bis hin zu teilweise sehr hohenSchmerzensgeldbeträgen. Die gelungenenMediationsfälle wurden in jedem Fall strafmilderndberücksichtigt.Aufgrund der gesammelten Erfahrungenund des <strong>im</strong> § 78 (2) Satz 3 des Bayerischen<strong>Strafvollzug</strong>sgesetzes stehenden Passus’„ Die Durchführung eines <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>sist in geeigneten Fällen anzustreben.“empfinden wir auch in Bayern die Zeit alsreif, die Idee der Mediation <strong>im</strong> Strafrecht aufden <strong>Strafvollzug</strong> zu erweitern.43


September 2013BerlinMelanie Vogt, Richterin am LandgerichtBerlin/Projektleiterin GMSVictor Vogt, Stud. Iur. FU BerlinDas <strong>Opfer</strong> <strong>im</strong> Fokus –Ideen für eine opferbezogene Vollzugsgestaltung<strong>im</strong> Berliner <strong>Strafvollzug</strong>1. EinleitungInternationale Konzepte und europäischeStrömungen von innovativem und nachhaltigem<strong>Strafvollzug</strong> rücken derzeit auch inDeutschland in den Fokus der Aufmerksamkeit.Dabei findet eine stärkere Einbeziehungder <strong>Opfer</strong>perspektive statt. Aus diesem Leitgedankenheraus entstand auch ein Arbeitskreisin Berlin <strong>im</strong> Mai 2012. Zusammengesetztaus verschiedenen Experten aus Justiz,Verwaltung, Freien Trägern, sowie der Leiterinder Einweisungsabteilung für den Berliner<strong>Strafvollzug</strong> und weiteren Interessenten entwickelteder Arbeitskreis in mehreren TreffenIdeen und Projektvorschläge zur Weiterentwicklungdes <strong>Strafvollzug</strong>es in Berlin.2. Der Ist-Zustand in BerlinAusgangspunkt ist die bislang geringe Berücksichtigungder <strong>Opfer</strong>sicht in der Strafjustiz<strong>im</strong> Nachverurteilungsstadium. Auch wenn inBerlin bereits die Möglichkeit besteht, sich mitdem Anliegen der Durchführung eines TOAan die Sozialen Dienste der Justiz zu wenden,wird davon - zumindest <strong>im</strong> Erwachsenenvollzug- bisher vergleichsweise wenig Gebrauchgemacht. Großteils finden TOA-Gesprächevor Anklageerhebung <strong>im</strong> Auftrag der Staatsanwaltschaftund Amtsanwaltschaft sowie inselteneren Fällen durch die Polizei oder Anwältestatt. Der Schwerpunkt liegt dabei <strong>im</strong>Bereich der Nachbarschaftskonflikte, Verkehrsdelikteund häuslicher Gewalt. Im BerlinerVollzug gibt es hingegen momentan nurvereinzelte Selbstmelder (etwa 3 - 4 Anfragenpro Monat). Ein Umstand, der wohl auch dermangelnden Publizität von TOA-Angebotengeschuldet ist. Zudem ist ein TOA bislangauch nur beschränkt auf Fälle leichter undmittlerer Kr<strong>im</strong>inalität. Der <strong>Strafvollzug</strong> arbeitetgegenwärtig <strong>im</strong> Sinne seines gesellschaftlichenund verfassungsrechtlich verankertenResozialisierungsauftrages mit dem <strong>Täter</strong>.An der Verantwortungsübernahme des <strong>Täter</strong>sfür den entstandenen Schaden und einerEntschädigung für das <strong>Opfer</strong> und/oder derGesellschaft fehlt es hingegen häufig.3. Ansätze und Vorschläge desArbeitskreisesIn diesem Problemfeld möchte nun der hiervorgestellte Arbeitskreis ansetzen. Allgemeingilt es, ein Forum für <strong>Opfer</strong> und deren Bedürfnissezu schaffen, die <strong>Opfer</strong>perspektiveverstärkt zu berücksichtigen und gleichzeitigden <strong>Opfer</strong>schutz zu gewährleisten, umdie Gefahr einer erneuten Vikt<strong>im</strong>isierungmöglichst zu verhindern. Dafür wurden Vorschlägefür den Berliner <strong>Strafvollzug</strong> erarbeitet,die zum einen darauf zielen, das ,,klassische‘‘Verfahren des TOA <strong>im</strong> Vollzug zuinstitutionalisieren und zu <strong>im</strong>plementieren.Zum anderen sollen darüber hinaus auchweitergehende Elemente, in denen sich derRestorative Justice Gedanke widerspiegelt,mit einbezogen werden. Den Überlegungenliegt dabei vor allem die Notwendigkeit deraktiven Betätigung des <strong>Täter</strong>s für das <strong>Opfer</strong>oder die Gesellschaft zugrunde. Die <strong>Täter</strong>sichtsoll dahingehend verändert werden,dass der durch die Tat entstandene Schadennicht durch die bloße Verbüßung der Strafeabgegolten ist. Vielmehr sollen die Belangeder <strong>Opfer</strong>, die Initiierung eines Heilungsprozessesund die Wiedergutmachung des Schadenseine größere Rolle zum ,,Entschulden‘‘des <strong>Täter</strong>s spielen. Hierbei ist der Resozialisierungs-von dem Wiedergutmachungsauftragzu unterscheiden auch wenn es faktischeÜberschneidungen gibt.Der Arbeitskreis schlägt vor, dass TOA undandere Wiedergutmachungsmaßnahmenauch bei schweren Delikten finden sollten.Positive internationale Erfahrungen zeigen,dass <strong>Opfer</strong> gerade in diesem Bereich einBedürfnis nach derartigen Auseinandersetzungsformenhaben und dass solche der lang-44


TOA-Magazin - Nr. 01fristigen seelischen Heilung des <strong>Opfer</strong>s zugutekommen,sodass eine nachhaltige, endgültigeBefriedung erreicht werden kann.Weiterhin wird die Möglichkeit diskutiertsolchen Leitgedanken <strong>im</strong> künftigen Berliner(Landes) <strong>Strafvollzug</strong>sgesetz mit einfließenzu lassen.Zusätzlich werden verschiedene Formender Schadenswiedergutmachung seitensdes <strong>Täter</strong>s angedacht. Als sinnvoll erachtetwird, neben der Begleichung des tatsächlichverursachten materiellen Schadens des <strong>Opfer</strong>s,auch der Entwurf eines Konzepts fürArbeit als Wiedergutmachung. Dazu solltez.B. der Freigang nicht nur – wie gegenwärtig– zur Resozialisierung, sondern auch alsreine Behandlungsmaßnahme möglich werden.Dann könnte ein vom <strong>Täter</strong> auf diesemWege erwirtschafteter Betrag in einen spezielldafür eingerichteten <strong>Opfer</strong>fond eingezahltwerden.Für eine Verwirklichung der vorgestelltenIdeen <strong>im</strong> Erwachsenenvollzug hält der Arbeitskreisunparteiische, externe Kräfte fürnotwendig. Dazu wäre ein Kooperationsmodellzwischen den Freien Trägern und denSozialen Diensten der Justiz wünschenswert.4. AusblickDie Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutzhat anlässlich der Teilnahme amletzten Arbeitskreistreffen Interesse bekundet,Gespräche mit dem <strong>Opfer</strong>beauftragtenund dem Landgericht Berlin über die Möglichkeiteneines opferbezogenen <strong>Strafvollzug</strong>eszu führen. Dieses positive politische Signalst<strong>im</strong>mt opt<strong>im</strong>istisch, dass vielleicht einigeder erarbeiteten Ideen und Vorschläge in derzukünftigen Entwicklung des Berliner <strong>Strafvollzug</strong>esBerücksichtigung finden könnten.BremenEduard Matt und Frank Winter,<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> BremenProgramme wiedergutmachender und ausgleichenderGerechtigkeit haben in Bremeneine lange Tradition. Überlegungen und ersteSchritte, diese auch <strong>im</strong> Justizvollzug ein- undumzusetzen, liegen seit den 90er Jahren vor.Eine umfangreiche Fachveröffentlichung vonMatt/Winter hierzu datiert aus dem Jahr 2002.TOA-Verfahren sind <strong>im</strong> Vollzug unterschiedlichangesiedelt. Sie können als zu absolvierendeVoraussetzung für die Gewehrung von Lockerungenmissbraucht werden, sollten aber als Instrumentder Tatverarbeitung und zur Wahrungder <strong>Opfer</strong>interessen dienen. Im Vollzug gelingtGut Gemeintes oft nicht gut und TOA undRestorative Justice (RJ) folgen nicht zwingend demGrundgedanken der Reintegration 1 von <strong>Täter</strong>nund Geschädigten. In Bremen umfassen Wiedergutmachungsverfahren<strong>im</strong> Vollzug nicht nurdie Min<strong>im</strong>alerfüllung gesetzlicher Auflagen desTOAs <strong>im</strong> engen Sinne. Aus dem Leitbild vonsozialer Mediation oder RJ ergeben sich weitereUmsetzungsmöglichkeiten:a) klassischer TOA, finanziellerSchadensausgleich, Mediationsgesprächeunter Einbeziehung anderer Beteiligter(Restorative Circles)b) gemeinnützige Arbeit, Arbeit für wohltätigeZwecke oder <strong>im</strong> öffentlichen Raumsowiec) Konfliktschlichtungen innerhalb des Gefängnisses,also zwischen Insassen, aberauch zwischen Insassen und Personal.In der aktuellen Diskussion über die neuen<strong>Strafvollzug</strong>sgesetze und die ersten Vorlagenneuer Länder-Jugendarrestvollzugsgesetzewird dem Aspekt der Beachtung der<strong>Opfer</strong>perspektive und Wiedergutmachungverstärkt Rechnung getragen. In der Konsequenzgeht dies über den klassischen TOAhinaus. Verlangt werden Möglichkeiten zurAuseinandersetzung mit Tat und Tatfolgenfür das <strong>Opfer</strong>. Die Entwicklung des bisherweitgehend täterzentrierten <strong>Strafvollzug</strong>s45


September 2013hin zu einem in Teilen opferzentrierten (s.für NRW Gelber, Walter 2013) beginnt mitersten Ideen. Die bloße Übelzufügung trittmöglicherweise zukünftig noch stärker in denHintergrund (vgl. Böllinger, Lautmann 1993).Nach Hagemann (2004) umfasst die<strong>Opfer</strong>perspektive <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> zumindestzwei D<strong>im</strong>ensionen: Einerseits die Auseinandersetzungdes <strong>Täter</strong>s mit seiner Tat und seinem<strong>Opfer</strong>, andererseits aber auch mit <strong>Opfer</strong>erfahrungen<strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>, etwa Gewaltunter Insassen. Letzteres findet noch <strong>im</strong>merviel zu wenig Beachtung. Hier finden sich<strong>im</strong> aktuellen Diskurs um <strong>Opfer</strong>erfahrungen<strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong> und die Bedeutung des Kl<strong>im</strong>aseiner Vollzugsanstalt für das Ausmaß anGewalt und Vikt<strong>im</strong>isierungen unter Strafgefangenenneue Anknüpfungspunkte (Baier,Bergmann 2013).Der Aspekt Auseinandersetzung mit derTat ist empirisch noch wenig untersucht.Hier gerät selten der TOA in den Focus.Andere Projekte wie das Violence PreventionNetwork (Heitmeyer et al. 2008) habenfür spezifisch rechtsextremistisch geprägteGewaltstraftaten ein erfolgreiches Programmentwickelt, das auch in Bremen umgesetztwird. Es enthält neben der Auseinandersetzungmit der Tat weitere Elemente: Die Einbindungin ein soziales Umfeld und die Einbindungder Eltern/Erziehungsberechtigtenin den Bewältigungsprozess. So sollen Erfolgund Nachhaltigkeit geschaffen und die Resilienzder <strong>Täter</strong> gestärkt werden.In England sind RJ-Maßnahmen in Form gemeinnützigerArbeit als sinnhafte Arbeit vonInhaftierten für konkrete <strong>Opfer</strong> oder Benachteiligtein der Gesellschaft erfolgreich umgesetztworden (Gray, Wright 2011). Solche Verfahrenwerden von Personal wie teilnehmendenInsassen gleichermaßen geschätzt. Dasssie effektiv sind, zeigt die Evaluation vonShapland et al. 2008, die einen Rückgang inder Häufigkeit von Verurteilungen als Folgedieser Projekte <strong>im</strong> Vollzug aufzeigen konnte.In Bremen werden wenige derartige Maßnahmenangeboten: Hier geht es um Herstellungund Pflege von Kunst <strong>im</strong> Öffentlichen Raumdurch eine Bildhauerwerkstatt, aber auch umdie Produktion und Vergabe von Spielsachenund Gegenständen für Kindergärten, Schulenund Altenhe<strong>im</strong>e. Für die Inhaftierten istder Aspekt, der Gemeinschaft durch ihr aktivesTun etwas Nützliches wieder zu geben,von großer Bedeutung. Dass solche Arbeitsich positiv auf die Insassen und ihr Verhältniszum Personal auswirken, ist auch in Bremenfestzustellen.Die Bremer Projekte und die Erfahrungen <strong>im</strong>Ausland verdeutlichen die Notwendigkeit derAusweitung des Wiedergutmachungsgedankensauf die soziale Ebene i. S. einer „heilendenGerechtigkeit“ (Winter 2004) odercommunity justice (Matt 2012). Die Einbeziehungweiterer persönlicher und familialerBindungen, des sozialen Umfelds und desStadtteils wird zum wichtigen Element derArbeit (vgl. auch Übergangsmanagement inBremen und die Arbeit des KompetenzCentrumsals zentrale Stelle mit Nachsorgediensten).Wiedereingliederung wird zu einem sehrumfassenden Prozess. Der Aspekt der Re-Integrationin die Gemeinschaft - die (Wieder-)Aufnahme sozialer Beziehungen, Netzwerke,die Einbindung in pro-soziale Bezüge verweistauf eine gemeinde- und stadtteilbezogeneKr<strong>im</strong>inalpolitik, wie sie außerhalb derJustizvollzugsanstalt in Bremen bereits praktiziertwird – und zwar für <strong>Täter</strong> wie für Geschädigte(Winter 2003, 2009).Im Rahmen der Teilnahme an dem europäischenProjekt Mediation und Restorative Justice inPrison Settings (MEREPS) sind zum einen dieMöglichkeiten von TOA und anderen Formender RJ <strong>im</strong> Bremer Jugendvollzug getestetworden. Angestrebt war die Umsetzungdes TOA bei schwerwiegenden Straftaten.Die Praxis erwies sich aber als ausgesprochenschwierig und ist aus diversen Gründen nurbegrenzt wirksam geworden. Zum anderenerfolgte eine bundesweite Online-Befragungvon Vollzugsbeamten/-innen zu Kenntnisund Einstellung zu RJ-Maßnahmen. Diesebelegte zwar deren positive Haltungen zumTOA, zeigte aber, dass die praktische Umsetzungvon TOA <strong>im</strong> Vollzug als sehr schwierigeingeschätzt wurde. Als zentrale Hindernissewurden hierzu die Einstellungen der Inhaftierten,der <strong>Opfer</strong>, des Personals, aber auchder Gesellschaft zum TOA und zur RJ benannt(Barabás et al. 2012).TOA- und Restorative-Justice-Verfahren sindmit ihrem Fokus auf Konfliktbearbeitungund Wiedergutmachung <strong>im</strong>mer nah an Emotionenwie Scham, Schuld, Wut, Reue, Verantwortungund zielen auf Veränderung vonEinstellungen der Person oder gar derenVeränderung (vgl. Rossner 2011). Als solche46


TOA-Magazin - Nr. 01widersprechen sie der Logik des <strong>Strafvollzug</strong>esund allgemein der Logik des Strafens,also der Übelzufügung. Also ist weiterhineine beständige Arbeit zur Gewinnung vonAnerkennung für solche Verfahren und derenUmsetzung notwendig. Dass die Umsetzunginsbesondere des klassischen TOA <strong>im</strong><strong>Strafvollzug</strong> schwierig ist, hat neben den ablehnendenEinstellungen bei Personal undInsassen insbesondere mit den problematischenRahmenbedingungen der totalen Institutionzu tun: aufwendigere Fallzuweisung,großer Aufwand für Terminabsprachen mitInhaftierten, schwieriger Zugang für Externein den Vollzug, schon räumlich begrenzteGesprächsmöglichkeiten, problematischesGesprächssettings u.a.m., ganz abgesehenvon fehlenden finanziellen Ressourcen. Sogibt es nur wenig Hoffnung auf zukünftigeBesserung – zumindest in Bremen.Literatur:Baier, Dirk; Marie Christine Bergmann: Gewalt <strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>- Ergebnisse einer Befragung in fünf Bundesländern. In:Forum <strong>Strafvollzug</strong> 62, 2013, S. 76-83Böllinger, Lorenz / Lautmann, Rüdiger (Hg.): Vom Guten,das noch stets das Böse schafft. Kr<strong>im</strong>inalwissenschaftlicheEssays zu Ehren Herbert Jägers. Frankfurt/M. 1993Barabás, Tünde; Borbála Fellegi, Szandra Windt (Hrsg.): Responsibility-Taking,Relationship-Building and Restoration inPrisons. Budapest 2012 [online]Gelber, Claudia; Michael Walter: <strong>Opfer</strong>bezogene Vollzugsgestaltung- Theoretische Perspektiven und Wege ihrer praktischenUmsetzung. In: Bewährungshilfe 60, 2013, S. 5-19Gray, Paul; Sam Wright: Restorative practice in prisons: Assessingthe <strong>im</strong>pact of the demise of the Inside Out Trust. In:Prison Service Journal No. 194, 2011, S. 33-37Hagemann, Otmar: “<strong>Opfer</strong>” <strong>im</strong> Blickpunkt von Strafgefangenen.In: Gerhard Rehn et al. (Hrsg.): Freiheit und Unfreiheit.Arbeit mit Straftätern innerhalb und außerhalb des JustizvollzugsHerbolzhe<strong>im</strong> 2004, S. 397-421Heitmann, Helmut; Judy Korn; Thomas Mücke: Präventions-und Bildungsarbeit mit gewaltbereiten sowie vorurteilsmotiviertenJugendlichen mit Migrationshintergrund. In:Bewährungshilfe 55, 2008, S. 238-249Matt, Eduard: Verantwortung und (Fehl-)Verhalten. Für einerestorative justice. Münster 2002Matt, Eduard: Von community links zu community justice.In: ders. (Hrsg.): Bedingte Entlassung, Übergangsmanagementund die Wiedereingliederung von Ex-Strafgefangenen.Münster 2012, S. 161-171Matt, Eduard / Winter, Frank (2002): <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>in Gefängnissen - Die Möglichkeiten der restorative justice<strong>im</strong> <strong>Strafvollzug</strong>. In: Neue Kr<strong>im</strong>inalpolitik, 14. Jg., Heft 4, S.128 – 132.Rossner, Meredith: Emotions and interaction ritual. A microanalysis of restorative justice. In: British Journal of Cr<strong>im</strong>inology51, 2011, S. 95-119Shapland, J. et al.: Does restorative justice affect reconviction?The fourth report from the evaluation of three schemes. Ministryof Justice Research Series 10/08. London 2008 [online]Winter, Frank: Mediation in sozial belasteten Quartieren –Konzept und Praxis der „Sozialen Mediation“ am Beispielder Hansestadt Bremen. In: unsere jugend – Die Zeitschriftfür Studium und Praxis der Sozialpädagogik (UJ), Heft 2,/2003, S. 72 – 80.Winter, Frank: <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> als Teil der Visionvon einer heilenden Gerechtigkeit In: Winter, Frank (Hrsg.):<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> als Teil der Vision von einer heilendenGerechtigkeit. Worpswede 2004.Winter, Frank: <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> und restorative justice.In: Cornel, Kawamura-Reindl, Maelicke, Sonnen (Hrsg): ResozialisierungHandbuch, 3. Auflage, Mannhe<strong>im</strong> 2009 (NomosVerlag), S. 477- 498Mecklenburg - VorpommernEs wird kein eigener TOA durch dieBewährungshilfe, Gerichtshilfe oder eine Justizvollzugseinrichtungangeboten. Für den ambulantenBereich bieten Freie Träger den TOA inMecklenburg-Vorpommern an.Wie sieht die Zukunft inMecklenburg-Vorpommern aus?Dr. Ronny Werner, Referatsleiter III 260:Gestaltung des Justizvollzuges und der SozialenDienste der Justiz, JustizministeriumMecklenburg-VorpommernWie ist die aktuelle Situation inMecklenburg-Vorpommern?In Mecklenburg-Vorpommern ist eine abschließendeEntscheidung über das künftige Vorgehenbei dieser Thematik noch nicht getroffenworden.Herr Prof. Arthur Hartmann vom Institut fürPolizei- und Sicherheitsforschung der Hochschulefür Öffentliche Verwaltung Bremenführte ein EU-gefördertes Forschungs- undEntwicklungsprojekt u.a. zum <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> (TOA) durch. Die Untersuchung erfolgte<strong>im</strong> Rahmen einer Fragebogenerhebung47


TOA-Magazin - Nr. 01ten Jahren vermittelt. Die Anzahl der Anträgewar weit höher. Ohne das Vertrauen unddie Unterstützung seines Anstaltsleiters wäredieses Angebot allerdings nicht realisierbar.Bohle sieht es auch als Teil einer Entlassungsvorbereitung.„Denn irgendwann kommt derwieder raus und dann stehen die sich vielleichtwieder gegenüber….“Neben Bohle initiieren innerhalb desniedersächsischen Justizvollzugs auch anderePersonen (z.B. Anstaltspfarrer) in Einzelfäl-len Kontakte zwischen inhaftierten <strong>Täter</strong>nund ihren <strong>Opfer</strong>n. Auch die Waage Hannoverwurde schon mehrmals eingeschaltet undkonnte häufig erfolgreich vermitteln.Bohle bearbeitet Fälle aus Sehnde und Hannover,manchmal auch Celle. Man merkt ihman, wie gewissenhaft und realistisch er an seineAufgabe herangeht. Er selbst macht keineWerbung für sein Angebot. „Das läuft überMund-zu-Mund-Propaganda.“ Ein erfolgreichesProjekt, das Schule machen sollte!Nordrhein -WestfalenFranz Bergschneider, Sprecher für Inhalteund Qualität der Fachstellen NRWDie zwölf Fachstellen in freier Trägerschafterhalten eine Fallpauschale von 225 €/ Fallals 90% Finanzierung. Ein TOA wird vomFinanzgeber mit einem Wert von 250 € versehen,unabhängig davon, wie teuer er real ist.Diese Grundlage schließt die Durchführungvon <strong>Ausgleich</strong>sverfahren in einer JVAfaktisch aus. Allein die einführende Organisationmit der zuweisenden Stelle, sowiedas zu führende Erstgespräch mit dem Gefangenen(Fahrtzeit- und Kosten, zeitlicherAufwand bis zum face to face Kontakt,Recherchearbeiten etc.) führt dazu, dassder Etatansatz eines TOA erschöpft ist.Von daher führt dieser Arbeitsansatzin Nordrhein Westfalen ein rud<strong>im</strong>entäresDasein. Es kann sich einfach keineFachstelle leisten, eine nennenswerte Anzahlvon Verfahren dort durchzuführen.Derzeit scheint sich diese Erkenntnis auchbei den Finanzgebern durchzusetzen. AufInitiative der LandesjustizvollzugsbeautragtenHerrn Prof. Walter steht die Fachstellein Dortmund in Verhandlungen mitder JVA Schwerte, um <strong>im</strong> Rahmen einesPilotprojektes <strong>Ausgleich</strong>verfahren zunächstdort anzubieten und nach Beendigungdes Projektzeitraumes zu bewerten.Sachstand ist, dass ein Projektantrag gestelltwurde, über dessen Finanzierung das Ministeriumnoch nicht entschieden hat. Von daherkönnte sich an der Situation in diesemJahr noch etwas ändern.Rheinland -PfalzIris Körner, Ministerium der Justiz undfür Verbraucherschutz Rheinland-PfalzIn Rheinland-Pfalz wurde von 2007 bis 2009ein Projekt „<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> <strong>im</strong> Vollzug“über einen Zeitraum von 2 ½ Jahrenmit großem Engagement seitens der beteiligtenInstitutionen durchgeführt.Beteiligt waren die StA Frankenthal, derVollstreckungsleiter der JugendstrafanstaltSchifferstadt, der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammerbe<strong>im</strong> LG Frankenthal, dieAnstaltsleitungen und Mitarbeiter und Mitarbeiterdes Sozialdienstes der JVA Frankenthalund der JSA Schifferstadt, Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter des Pfälzischen Vereins für49


September 2013Soziale Rechtspflege, insbesondere des DialogsFrankenthal, sowie das Ministerium derJustiz. Teilweise waren auch Vertreterinnenund Vertreter der Jugendgerichtshilfe beteiligt.Nach Ablauf einer Erprobungsphase warzu resümieren, dass entgegen ursprünglicherEinschätzungen <strong>im</strong> Vollzug wenig geeigneteFälle für eine Konfliktschlichtung vorhandenzu sein schienen.Die Gründe hierfür sind nach den Ergebnissendes Projekts insbesondere:▪▪Gefangene, insbesondere wenn sie sich(erstmals) in U-Haft befinden, haben aufgrundihrer eigenen Situation wenig Blickfür das <strong>Opfer</strong> und die Folgen ihrer Straftat,da sie sich nicht nur mit der Situationin der Haft, sondern auch mit den Folgenfür ihr Leben bzw. ihre Familie außerhalbauseinandersetzen müssen. Hinzukommt, dass diese neue Situation die Untersuchungsgefangenenmeistens überraschendtrifft.▪▪Schadenswiedergutmachung ist aus demVollzug heraus nur eingeschränkt möglich.Die Möglichkeiten wären zwar <strong>im</strong>offenen Vollzug besser gegeben, hier befindetsich der Gefangene jedoch überwiegendin der Endphase seiner Strafhaft,so dass ihm ein erfolgreicher <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> unter dem Aspekt einer vorzeitigenEntlassung nicht viel bringt.▪▪Für das <strong>Opfer</strong> stellt es möglicherweiseeine hohe Hemmschwelle dar, zu einemgemeinsamen Gespräch in eine geschlosseneJustizvollzugseinrichtung kommenzu müssen, da insbesondere während derUntersuchungshaft, aber auch generellzu Beginn einer längeren Haftzeit aus SicherheitsgründenVollzugslockerungen,die den Gefangenen ein Verlassen dergeschlossenen Einrichtung ermöglichenkönnten, nicht möglich sind.▪▪Im Projekt-Zeitraum wurden durch dieStrafverfolgungsbehörden viele Fälle insbesondereauch parallel zur Anklageerhebungfür den TOA vorgeschlagen. Esverbleiben daher wenige Fälle, die nichtbereits durch die Strafverfolgungsbehördeneinem TOA zugeführt worden sindund dennoch für einen TOA geeignetscheinen.Die Vertreterin und der Vertreter der SchlichtungsstelleDialog berichteten, dass einigeder an sie <strong>im</strong> Projektverlauf herangetragenenFälle aus unterschiedlichen Gründen vonvorn herein ungeeignet erschienen. Dies galtinsbesondere bei einem fehlenden Geständnis.In einem anderen - aus dortiger Sichtsehr geeigneten Fall - habe das <strong>Opfer</strong> nichtauf ein Gesprächsangebot reagiert.Insgesamt konnten von 12 ausgewählten Fällen2 positiv abgeschlossen werden.Aufgrund der <strong>im</strong> Erprobungszeitraum gewonnenenErkenntnisse bestand Übereinst<strong>im</strong>mungdarin, dass „TOA <strong>im</strong> Vollzug“ zunächstnicht als gesondertes Projekt fortgeführtwerden sollte. Dies bedeutet nicht, dassnicht auch weiterhin geeignet erscheinendeFälle einem <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> zugeführtwerden sollen.Trotz der auf den ersten Blick eher ernüchterndenBilanz wegen der geringen Verfahrenszahlhaben sich nach Ansicht aller Beteiligteraus dem Projekt positive Folgerungenfür die Praxis ergeben: So ist die erstmalspraktizierte intensive Zusammenarbeit zwischenKonfliktschlichtung und <strong>Strafvollzug</strong>und die dadurch <strong>im</strong> Vollzug stärker berücksichtigte<strong>Opfer</strong>perspektive als positiver Nebeneffektfestzustellen. Dies wurde insbesonderevon den Vertreterinnen und Vertreternder beiden Vollzugseinrichtungen bestätigt,verbunden mit der Absicht, für die eigenenEinrichtungen diesen Ansatz weiter zu stärken.Hierbei sollte auch der psychologischeDienst mit einbezogen werden.Von der Arbeitsgruppe wurde folgendes weitereVorgehen vorgeschlagen:Auch weiterhin sollte der TOA in geeignetenFällen auch <strong>im</strong> Vollzug durchgeführt werden.Hierbei ist bei einer Ausdehnung auf alle Justizvollzugseinrichtungenin Rheinland-Pfalzein einheitliches Vorgehen anzustreben.Die Arbeitsgruppe hat auf Grund der bishergewonnenen Erfahrungen folgende weitereVerfahrensweisen vorgeschlagen, die zwarunabhängig voneinander, aber aufeinanderabgest<strong>im</strong>mt durchgeführt werden sollten:▪ ▪ Die Beteiligung weiterer Institutionenwie Polizei, Gerichtshilfe und kommunaleJugendhilfe erscheint notwendig.So könnten beispielsweise die von derGerichtshilfe erstellten <strong>Opfer</strong>berichtedurch die Staatsanwaltschaften bei derÜbersendung der Vollstreckungsunter-50


TOA-Magazin - Nr. 01lagen an die Vollzugsanstalten beigefügtwerden.▪▪TOA <strong>im</strong> Vollzug sollte nach Auffassungder Arbeitsgruppe unter Beachtung folgenderPunkte durchgeführt werden(durch die Möglichkeit des TOA auch<strong>im</strong> Vollzug werden die bisher praktizierten<strong>Ausgleich</strong>sbemühungen, insbesondereSchadensbegleichung,nicht ausgeschlossen, sondern umeine weitere Form der Berücksichtigungdes <strong>Opfer</strong>s der Straftat ergänzt):- die Anregung zu einem TOA kannvon jedem Beteiligten ausgehen;- sofern sich der <strong>Täter</strong> oder die <strong>Täter</strong>in inHaft befindet und die Justizvollzugseinrichtungvon der Anregung Kenntnis erhält,prüft diese die Anregung auf ihre Geeignetheitvor und leitet die Stellungnahmean die Konfliktschlichtungsstelle weiter;- es sind ausschließlich die Konfliktschlichtungsstellenmit der Durchführung desTOA zu beauftragen, die nach allgemeinenGrundsätzen beurteilen, ob ein Fall geeignetist und den TOA in eigener Verantwortlichkeitdurchführen oder ablehnen;- sofern das Strafverfahren noch nichtrechtskräftig abgeschlossen ist, ist die ermittelndeStaatsanwaltschaft zwingendvon der Anregung zu informieren. Soferndie Anregung von einer Justizvollzugseinrichtungausgeht, ist die Anregungnicht direkt an die Konfliktschlichtungsstelle,sondern an die Staatsanwaltschaftzu richten (es gelten die bisherigen allgemeinenRegeln über die Verfahrensweisebe<strong>im</strong> TOA <strong>im</strong> Ermittlungs- undStrafverfahren uneingeschränkt fort);- aus der versuchten oder abgeschlossenenDurchführung eines TOA währenddes <strong>Strafvollzug</strong>s folgen keinerlei Zusagenan die Verurteilten <strong>im</strong> Hinblick auf vorzeitigebedingte Entlassungen oder anderehaftbeendende Maßnahmen (z.B. § 35BtMG). Evtl. durchgeführte Maßnahmenwerden <strong>im</strong> Rahmen von Berichten derJustizvollzugseinrichtungen an die Strafvollstreckungsbehördengeschildert undunterliegen der freien Bewertung durchdie Strafvollstreckungsbehörden und Gerichte;▪▪die Konfliktschlichtungsstellen und diein ihrem Einzugsgebiet liegenden Vollzugseinrichtungensollen zueinanderKontakt aufnehmen, um sich kennen zulernen und evtl. Besonderheiten vor Ortabzusprechen. Dabei sollte zu Beginn desKontaktes den Justizvollzugseinrichtungendurch die Konfliktschlichtungsstellendie Vorgehensweise <strong>im</strong> TOA-Verfahrenvorgestellt werden; an dieser Informationsveranstaltungsollten möglichst vieleBedienstete der Justizvollzugseinrichtungenteilnehmen, die mit der Behandlungder Gefangenen befasst sind;▪▪wünschenswert ist eine landesweite Tagungzur Thematik „<strong>Opfer</strong>sicht“. DieTagung oder weitere Tagungen bzw.Fortbildungen sollten sich <strong>im</strong> Sinne einerVernetzung aller beteiligten Institutioneninsbesondere an Angehörige der Konfliktschlichtungsstellen,Justizvollzugsbedienstete,Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterder Bewährungs- und Gerichtshilfewenden.Im September 2010 wurde dann in Folge derErgebnisse der Arbeitsgruppe ein Workshopzum Thema ‚“<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> - Auch<strong>im</strong> Vollzug (?)“ durchgeführt. Teilnehmendekamen aus den Konfliktschlichtungs- (TOA)Stellen, der Bewährungs- und Gerichtshilfeund dem <strong>Strafvollzug</strong>.Die Ergebnisse der Workshops und der anschließendenDiskussion:Untersuchungshaft:Vorbemerkungen: Gründe für Untersuchunghaft,Verdunklungs-, Flucht-, WiederholungsgefahrIn der Diskussion wurde unterschieden zwischenVerurteilten nach Jugendstrafrecht undErwachsenenstrafrecht.Der TOA erscheint schwierig <strong>im</strong> SystemVollzug, da außer der <strong>Täter</strong>- und <strong>Opfer</strong>seiteviele weitere Akteure in dem jeweiligen Stadiumdes Verfahrens beteiligt sind (z.B.Anwälte, Staatsanwaltschaften, Gerichte,Justizvollzugsanstalten, soziale Dienste derJustiz).Ergebnisse der ArbeitsgruppenChancen▪▪Tat nah▪▪ <strong>Opfer</strong> ist vorbereitetfür Hauptverhandlung▪▪<strong>Täter</strong> ist vorbereitetfür HauptverhandlungRisiken▪▪ <strong>Täter</strong> ist vorbereitetfür Hauptverhandlung51


September 2013Strafhaft(geschlossener und offener Vollzug)Chancen• Motivation des <strong>Täter</strong>s•Schuldanerkenntnis,Wiedergutmachung(finanzielle Leistungsbereitschaft• <strong>Opfer</strong> <strong>im</strong> Vollzug nichtverankertRisikenNach dem (ohne) VollzugChancen• <strong>Täter</strong> setzt sich mitden Folgen seiner Tatauseinander• <strong>Opfer</strong> kann dem <strong>Täter</strong><strong>im</strong> geschützten Rahmenbegegnen• Prävention (durch empathischesErleben)• <strong>Opfer</strong> fühlt sich ernstgenommen• Bewährungshilfe hatInteresse• <strong>Opfer</strong> wird nach seinenBedürfnissen gefragtDiskussionChancen• Die Bewärhrungshilfekennt ihre Klientel• TOA ist <strong>im</strong>mer eineChance• Geeignetheit des<strong>Täter</strong>s durch Vollzughergestellt• Interessen der Beteiligenklären• Motivation des <strong>Täter</strong>s• "Erfahrung" mit Sozialarbeiternund sozialpädagogenRisiken• keine erprobte Verfahrensweise• aufwändig• Motivation des <strong>Täter</strong>s• <strong>Opfer</strong> fühlt sich möglicherweiseinstrumentalisiertRisiken• <strong>Opfer</strong> als "Behandlungsinstrument"für<strong>Täter</strong>• Wie frage ich das<strong>Opfer</strong>? Hemmschwellefür Vermttler• Retraumatisierungdurch Anfrage be<strong>im</strong><strong>Opfer</strong>Weitere Ergebnisse:▪▪Jeder Fall ist ein Einzelfall und muss unabhängigvon Haft als solcher betrachtetwerden.▪▪Wünschenswert wäre es, mehr Erfahrungenund Erkenntnisse zu gewinnen.▪▪Wichtig wäre es, ein Verfahrensprozederezu klären, um Sicherheit für alle Beteiligtenherzustellen.▪▪Auch Anwälte müssen einbezogen sein,um entsprechend den Interessen IhrerKlientel handeln zu können.Resümee und Ausblick:Ausgangspunkt war das Modellprojekt. Mitdem Projekt wurden Grenzen erreicht undes wurden zunächst kaum Entwicklungsmöglichkeitengesehen. Durch das Projektist aber der TOA <strong>im</strong> Vollzug bekanntergeworden. Um weitere Fortschritte zu machen,wurde in der Folge die gemeinsameFachtagung geplant. Ein Ergebnis ist, dassProbleme und Chancen aus unterschiedlichenBlickwinkeln beleuchtet wurden. Zudemist die Durchführung eines <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>sauch während des Vollzugeswieder präsenter und die Diskussion darübererneut angefacht. Die Verantwortlichenhaben vereinbart, dass die Ergebnisse derFachtagung weiter kommuniziert werdenund in die Tagungen der LAG TOA undder Tagung der Anstaltsleiter sowie die derSprecherkonferenz der Bewährungshilfeeinfließen sollen. Das weitere konkreteVorgehen darüber sollte zunächst offenbleiben und weiter entwickelt werden. Hierwurde an die Bildung von Arbeitsgruppenoder auch eine erneute Fachtagung gedacht.Auch der Kontakt zwischen Konfliktschlichtungsbürosund den Justizvollzugseinrichtungenauf lokaler Ebene mit demZiel des Informationsaustausches wurdeempfohlen.Auch die Bewährungshilfe könnte - unabhängigvom „TOA <strong>im</strong> Vollzug“ - in ihrertäglichen Arbeit diese Möglichkeit der <strong>Opfer</strong>-und <strong>Täter</strong>arbeit verstärkt berücksichtigen.Hinsichtlich der Gerichtshilfe, die ohnehinauch TOA-Verfahren anregt, wurde angedacht,dass diese in geeigneten Fällen auchdann einen TOA initiieren könnte. wenneine Inhaftierung droht, da nicht ausgeschlossenist, dass ein bereits begonnenerTOA <strong>im</strong> Vollzug fortgesetzt wird oder einneuer begonnen wird.In der Folge haben dann in den Jahren2011 und 2012 Treffen der TOA-Koordi-52


TOA-Magazin - Nr. 01nierungsstellen mit den Justizvollzugs- bzw.Jugendstrafanstalten auf regionaler Ebenestattgefunden. Dabei waren alle Koordinierungsstellenund Anstalten eingebunden.Im Ergebnis spielt der TOA <strong>im</strong> Vollzug derzeitaber weiterhin nur eine sehr geringfügigeRolle.Weiterhin werden parallel zu den geschildertenAktivitäten in Rheinland-Pfalz eineVielzahl von Möglichkeiten der Förderungder TOA allgemein erörtert und ergriffen,wie z.B. Sensibilisierung der beteiligten Institutionen,Fortbildungsmaßnahmen undauch die Förderung der Zertifizierung derTOA-Koordinierungsstellen. Darüber hinaushat Rheinland-Pfalz <strong>im</strong> Rahmen des vonSchleswig-Holstein geführten EU-Projekts„Restorative Justice at Post-sentencing Level;Supporting and Protecting Vict<strong>im</strong>s"die Aufnahme als assoziierter Partner beantragt.Auch hier stehen insbesondere Maßnahmenvon Restorative Justice <strong>im</strong> Stadiumdes Verfahrens nach einer Verurteilung, <strong>im</strong>Justizvollzug und ggfls. auch noch nach derEntlassung <strong>im</strong> Fokus des Interesses.SaarlandBernd Weber,Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,Ministerium der Justiz, SaarlandDer Entwurf für das Saarländische <strong>Strafvollzug</strong>sgesetz– die Zweite und letzte Lesung istfür die kommende Landtagssitzung am 24. Aprilvorgesehen – sieht vor, dass die Gefangenenangehalten werden sollen, den durch die Straftatverursachten materiellen und <strong>im</strong>materiellenSchaden wieder gut zu machen (§ 5 Absatz 2SLStVollzG). Somit wird <strong>im</strong> Interesse der <strong>Opfer</strong>der Aspekt der Schadenswiedergutmachungbetont. In geeigneten Fällen kommt zudemein <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> in Betracht. Da dasGesetz voraussichtlich erst am 1. Juni in Krafttritt, lassen sich zu Qualität und Quantitätsolcher Maßnahmen noch keine Aussagentreffen.Derzeit gilt: Grundsätzlich treten dieMitarbeiterinnen und Mitarbeiter derJustizvollzugsanstalten von sich aus nicht an<strong>Opfer</strong> heran. In Einzelfällen haben sich in derVergangenheit <strong>Opfer</strong> – meist über ihren Anwaltoder Therapeuten – an die Justizvollzugsanstaltengewandt. Diese Anfragen beschäftigensich vor allem mit der Außenlockerungs- oderEntlassungssituation des <strong>Täter</strong>s. Für Gesuchevon <strong>Opfer</strong>n werden neben Gesprächsangebotenmit der Anstaltsleitung sowie dempsychologischen und sozialpädagogischenPersonal auch entsprechende Kontaktadressenvon Beratungsstellen bereitgehalten. Zudemkann eine Benachrichtigungspflicht für denFall von Außenlockerungen oder Entlassungeingereicht werden. Die Leiterin der JVASaarbrücken beschreibt den Kontakt mit<strong>Opfer</strong>n wie folgt:„Meistens kann eine gewisse Beruhigungdadurch erzielt werden, dass durch dieKontaktaufnahme die anonyme Institutionfür das <strong>Opfer</strong> ein Gesicht erhält und das<strong>Opfer</strong> allein durch die Kenntnis einesAnsprechpartners eine gewisse Beruhigungerfährt". In sehr seltenen Fällen kam es in derVergangenheit zu Zusammenfügungen von<strong>Täter</strong>n und <strong>Opfer</strong>n, die dann sehr ausführlichvon der Anstaltsleitung vor- und nachbereitetsowie begleitet wurden.53


September 2013Schleswig-HolsteinJessica Hochmann, Referat SozialeDienste der Justiz, freie Straffälligenhilfeund Therapieunterbringung, Ministeriumfür Justiz, Kultur und Europa desLandes Schleswig-Holstein.Der Europarat hat 2001 in einem Rahmenbeschluss(Art.10 2001/200 JHA) alle Mitgliedstaatenzur Einführung von Mediation(Restorative Justice) <strong>im</strong> Rahmen von Strafverfahrenverpflichtet.Im Koalitionsvertrag der Landesregierungsind der flächendeckende Ausbau des<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s, insbesondere <strong>im</strong>Jugendbereich und die Fortentwicklung dermediativen Elemente der Justiz ausdrücklichesRegierungsziel. Zur Fortentwicklungvon „Restorative Justice“ hat das Ministeriumfür Justiz, Kultur und Europa in Kooperationmit dem schleswig-holsteinischen Verbandfür soziale Strafrechtspflege, Straffälligenhilfeund <strong>Opfer</strong>hilfe e.V. und der FachhochschuleKiel an einem zweijährigen von der EUgeförderten Projekt mit dem Titel: „ImprovingKnowledge and Practice of RestorativeJustice“ teilgenommen (s. Landtagsdrucksache18/360 41). Der Erfolg des ersten Projektes,an dem Behörden und Nichtregierungsorganisationenaus sieben europäischen Staatenbeteiligt waren, hat die Initiatoren motiviert,ein Folgeprojekt mit dem Fokus „RestorativeJustice Maßnahmen <strong>im</strong> Justizvollzug und ihreBedeutung für Tatopfer“ zu starten. Projektträgersind neben dem Landesverband dieFH-Kiel und die Nordkirche, darüber hinausnehmen verschiedene europäische Institutionen(aus England, Belgien, Spanien, Portugalund Kroatien) sowie TOA-Mediatoren ausSchleswig-Holstein teil. Das MJKE ist gemeinsammit der JA Schleswig und der JVAKiel assoziierter Projektpartner und begrüßtdas durch die EU geförderte Projekt. (Start1.1.2013) Es ergänzt den bereits langjährigbewährten ambulanten <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>um die Perspektive und die Möglichkeiteneines Tatausgleichs für Inhaftierte unterEinbeziehung von <strong>Opfer</strong>interessen.Nach Redaktionsschluss hat uns nocheine Nachricht aus Hamburg erreicht.HamburgDas Team der TOA-DienststelleHamburgIm April 2013 startete in Hamburg einProjekt zur Implementierung des <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s <strong>im</strong> Erwachsenen-<strong>Strafvollzug</strong>.In Kooperation mit (zunächst) einerJustizvollzugsanstalt wurde ein Konzepterstellt, wonach <strong>im</strong> Austausch mit den Vollzugsabteilungsleiternder Kontakt zu interessiertenund motivierten Gefangenen aufgebautwerden soll. Nach einer ersten Erprobungsphasevon etwa sechs Monaten ist eineAusweitung auch auf andere Haftanstaltendenkbar. Außerdem soll dann das konzeptionelleVorgehen auf seine Sinnhaftigkeit undPraktikabilität überprüft werden.54


TOA-Magazin - Nr. 01Die neue Internetseite desTOA-Servicebüros ist onlineDie Internetseite des Servicebüros für <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> und Konfliktschlichtung erscheintin neuem Gewand.Nicht nur Aussehen, sondern auch Struktur und Funktionalität haben sich verändert.Für unsere Ausbildungsteilnehmer bieten wir Download-Möglichkeiten von Ausbildungsmaterialund Zugang zu Diskussions-Foren.Für Fachleute möchten wir eine neue Plattform schaffen für den Austausch von aktuellenund einschlägigen Informationen.Wir hoffen, dass Ihnen die neue Seite gefällt und Sie die gesuchten Inhalte und Angeboteschnell und einfach finden.Über Kritik und Lob freuen wir uns gleichermaßen.Senden Sie uns doch einfach eine Mail an: info@toa-servicebuero.de55


September 2013Erstkontakt zum <strong>Opfer</strong> einer schwerenStraftat- ein Beispiel aus BelgienMit Dank an unsere belgischen Kollegen für die Erlaubnis vom Abdruck..Dort werden die folgenden Zeilen seit Jahren erfolgreich verwendet.Sehr geehrte …..Mein Name ist …. und ich bin als Vermittlerzwischen Geschädigten und <strong>Täter</strong>n beiStraftaten tätig.Sie und Ihre Familie sind <strong>Opfer</strong> einer schwerenStraftat geworden.… wurde wegen dieser Straftat verurteilt.Er verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe in derJustizvollzugsanstalt…Aus dem Gefängnis heraus möchte er sich nunum einen sogenannten <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>bemühen und hat sich deshalb an unsereBeratungsstelle gewandt.Be<strong>im</strong> <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> handelt es sichum das Angebot zu einem Dialog zwischendem <strong>Täter</strong> und den Geschädigten über dieStraftat und ihre Folgen. Ein dazu ausgebildeterVermittler begleitet und gestaltet diesenProzess und achtet auf die Einhaltung vonvorher festgelegten Regeln. Näheres könnenSie der beiliegenden Broschüre entnehmen.Die Teilnahme an dem <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>ist für Sie selbstverständlich freiwillig undkostenlos.Wohl wissend, dass es sich bei dieser Straftat umein für Sie sehr belastendes Ereignis gehandelthat und dass dieser Brief möglicherweiseschl<strong>im</strong>me Erinnerungen hervorruft, möchtenwir dennoch nichts über Ihren Kopf hinwegentscheiden. Deshalb möchten wir Ihnenanbieten, Sie bei einem persönlichen Treffengenauer über das Angebot zu informieren.Dazu können Sie entweder in unsereBeratungsstelle kommen oder wir besuchenSie zu Hause.Es handelt sich hierbei um ein Angebot, dassselbstverständlich abgelehnt werden kann.Das Informationsgespräch ist mit keinerleiVerpflichtungen verbundenSie erreichen mich am Besten zu den obenangegebenen Sprechzeiten.Sie können mir auch eine Nachricht auf demAnrufbeantworter hinterlassen. Ich rufe Siedann gerne zurück.Mit freundlichen Grüßen56


TOA-Magazin - Nr. 01<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> nach der Inhaftierungoder aus der Untersuchungshaft?Seit mehr als 25 Jahren hat sich der <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> (TOA) in der BRD etabliert.Leider ist er auf einem Stand stehen geblieben,der so nicht von den Initiatoren gedacht war.In einigen Fachstellen ist die Zuweisung derTOA-Fälle sogar rückläufig. Positiv gedachtmag das an der guten Prävention liegen,realistisch gesehen liegt es meines Erachtenseher an der Einstellung der zuweisendenBehörden. Haben die Staatsanwaltschaftenund Gerichte doch bisher den Fokus auf dieBestrafung der <strong>Täter</strong> gelegt und selten auf dieInteressen der geschädigten <strong>Opfer</strong> geschaut.Arbeitsentlastungen der Dezernenten spielenebenfalls eine wichtige Rolle. Ein Deliktzwischen Radfahrer und Autofahrer, die sich <strong>im</strong>Straßenverkehr besch<strong>im</strong>pfen und anschließendprügeln, ist doch schnell durch einen TOA zuerledigen. Das ist auch ein sinnvoller Fall, beidem sich beide Kontrahenten aussprechen undeine Wiedergutmachung leisten können. Was istaber mit den schwerwiegenden Fällen, in denender <strong>Täter</strong> bereits in Untersuchungshaft sitzt?Oder den Fällen, in denen der <strong>Täter</strong> sich aus derJVA selbst meldet, um eine Wiedergutmachungbe<strong>im</strong> <strong>Opfer</strong> zu leisten? „Ich will mit meinemfrüheren Leben aufräumen, damit ich endlicheinmal einen Schlussstrich darunter ziehenkann“, sagte mir einmal ein Inhaftierter undnahm über eine TOA Fachstelle Kontakt zudem <strong>Opfer</strong> eines bewaffneten Raubüberfallsauf. Die Bearbeitung dieser Fälle <strong>im</strong> TOAist sinnvoll. Genau für diese Fälle sind wirMediatoren in Strafsachen ausgebildet. DieGeschädigte, die bei dem Überfall durch einenStreifschuss an der Hüfte verletzt wurde, hättenach der Inhaftierung niemals daran geglaubt,dass sich der <strong>Täter</strong> nach Jahren bei ihr meldenwürde, um sich bei ihr zu entschuldigen undum ihr ein Schmerzensgeld anzubieten. Indiesen Fall waren es 5000 €, die er durchden <strong>Opfer</strong>fonds der TOA Fachstelle an das<strong>Opfer</strong> gezahlt hat. Das Geld wurde von ihmin Raten restlos an den Fonds zurückgezahlt.Die Familie des <strong>Täter</strong>s unterstützte ihn dabei.Nicht nur die finanzielle Wiedergutmachungwar gut für das <strong>Opfer</strong>. Allein die Tatsache,dass er sich für seine Tat entschuldigte und ermit seinem schlechten Gewissen aufräumenwollte, tat der jungen Geschädigten sehr gut.Solche Fälle habe ich in der Praxis öfter erlebenkönnen. Zurückblickend waren das aber inden vergangenen Jahren weniger als 5% allervon mir bearbeiteten Fälle. Keiner dieser Fällewurde von der Justiz überwiesen. In allenFällen kam die Anregung zum TOA durch denGefängnisseelsorger, den Sozialarbeiter der JVAoder den Rechtsanwälten der Beschuldigtensowie der Geschädigten. Genau für diese Fällesind Mediatoren <strong>im</strong> Strafrecht ausgebildet. Inder Grundausbildung des TOA Servicebüroswird gut auf den Umgang mit <strong>Opfer</strong>n geachtet.Vikt<strong>im</strong>ologie ist ein fester Baustein in derAusbildung. Wenn diese Ausbildung auf einenpädagogisch-psychologischen Grundberufaufgebaut wird, so wie es die TOA Standardsverlangen, hat der Mediator in Strafsacheneine adäquate Ausbildung, um mit <strong>Opfer</strong>n vonschwerwiegenden Delikten umzugehen. Derhauptberufliche Mediator in Strafsachen istdurch aufbauende Fortbildungen und Seminaregleichwertig für diese Arbeit sensibilisiert,wie die hauptberuflichen Kollegen der ADOoder der <strong>Opfer</strong>hilfe der Allgemeinen SozialenDienste der Justiz in Niedersachsen. Etwasweniger Bagatellen, sondern mehr intensiveFälle wären <strong>im</strong> TOA angemessen. Einereine Schadenswiedergutmachung kann auchein ehrenamtlicher Mitarbeiter bearbeiten.Durch diese Fälle wurde viel Arbeitskraftder gut ausgebildeten hauptamtlichenMediatoren vergeudet. Ich setze mich dafürein, dass Fälle aus der JVA bearbeitet werden.Hierzu gibt es gute Unterstützung durch dieGefängnisseelsorger und Sozialarbeiter, die sichschon seit Jahren mit dem Thema beschäftigen.Ein Bediensteter einer JVA sagte mir einmalnach einem gelungenen TOA innerhalb derJVA: „Das habe ich in meiner 20-jährigenBerufserfahrung als Schließer nicht erlebt, dassein Gefangener, wie in diesem Fall von sichaus eine Wiedergutmachung anbietet, ohnedadurch Vorteile zu haben“.Christian Richter57


September 2013International CornerBuchtipp Eine Rezension von Martin WrightAfter the cr<strong>im</strong>e: the power of restorative justice. Dialogues betweenvict<strong>im</strong>s and violent offenders. Susan L. MillerNew York andLondon: New YorkUniversity Press,2011. 265 pp.ISBN978 0 8142 95521(gebunden)978 0 8142 9553 8(paperback)$25.0078 0 8142 6143 4(e-Buch)Kann das Anwenden der "Restorative Justice"auch in schwersten Fällen angemessen sein?Es kommt darauf an, in welchem Stadiumdes Prozesses sie angewandt wird. Wenn´Diversion` (Ablenkung des Falls aus demStrafprozess durch den Staatsanwalt) inBetracht kommt, ist der Anwendungsbereicheher begrenzt. Wenn die Wiedergutmachungund der Restorative Dialog (TOA)Bestandteile des Urteils darstellen (in diesemZusammenhang wird das Wort Strafurteilvorzugsweise vermieden), so wird derenReichweite vergrößert. Wenn der <strong>Täter</strong>bereits verurteilt worden ist, so wird dieseMöglichkeit jedoch nur durch das Bedürfnisdes <strong>Opfer</strong>s und die Bereitwilligkeit des <strong>Täter</strong>sbegrenzt.In den USA gab es <strong>im</strong> Jahre 2009 bereits25 Programme für Dialoge zwischen<strong>Opfer</strong>n/Überlebenden und deren <strong>Täter</strong>nnach schweren Gewalttaten. Dieses Buchbeschreibt ein weiteres Programm, das nichtvon Vollzugsanstalten, sondern durch die<strong>Opfer</strong> selbst geschaffen wurde.Die Gründerin ist selbst <strong>Opfer</strong>:K<strong>im</strong> Book erlitt den Mord ihrer Tochter.Nach einer Phase tiefer Trauer kommt siezu der Erkenntnis, dass fortwährende Wutsie innerlich zerfressen würde. Gegenüberdem <strong>Täter</strong> empfindet sie keine Rache mehr,sie möchte ihm das in einem persönlichenGespräch mitteilen.Auf diesem Hintergrund ruft sie dieOrganisation Vict<strong>im</strong>s‘ Voices Heard (dieSt<strong>im</strong>men der <strong>Opfer</strong> werden erhört) insLeben.Das Programm ist dadurch gekennzeichnet,dass der Kontakt ausschließlich von den<strong>Opfer</strong>n/Überlebenden eingeleitet wird.In der Regel findet schließlich nur eineeinmalige persönliche Begegnung statt, dievom Mediator innerhalb mehrerer getrennterGespräche mit <strong>Opfer</strong> bzw. <strong>Täter</strong> sorgfältigvorbereitet wird. Das Programm wird bereitsin mehreren Staaten angewendet.Im vorliegenden Buch werden 9 Fällebeschrieben, bei denen ein solcher Dialogmöglich wurde.Folgende Tatbestände sind beschrieben:sexueller Missbrauch von Kindern (Inzest),Hauseinbruch mit Vergewaltigung,Vergewaltigung mit Mordversuch, ehelicheVergewaltigung mit Körperverletzung,Totschlag durch Trunkenheit am Steuer undMord.So hatte ein Mann 25 Jahre <strong>im</strong> Gefängnisverbracht und währenddessen den Kontaktzu sämtlichen Verwandten verloren. Nachseiner Haftentlassung wurden das <strong>Opfer</strong>und ihr Ehepartner zu seiner einzigenUnterstützung.Die Autorin beschreibt die Fälle inZusammenhang mit der kr<strong>im</strong>inologischenund vikt<strong>im</strong>ologischen Literatur. Dabeibetont sie die Bedeutsamkeit der Erzählungder Geschichten. Nicht <strong>im</strong>mer haben die<strong>Opfer</strong> den <strong>Täter</strong>n verziehen und sich mitihnen versöhnt. Das Buch zeigt jedoch, dassHeilung auch in den schwersten Fällen zwarnicht leicht, aber dennoch erreichbar ist.Martin Wright58


TOA-Magazin - Nr. 01<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> in der Haftanstalt- ein Erfahrungsbericht aus dem Landgerichtsbezirk OldenburgElke KleinhansWie alles begann…Im Jahr 2001 wandte sich der Anstaltsleiterder JVA Oldenburg, Gerd Koop, mit einerEinladung zu einem Gespräch zum Thema„Umgang mit Strafgefangenen bei Vollzugslockerungen,Hafturlaub und Entlassung“ anverschiedene Institutionen, die sich in Oldenburgmit dem Thema <strong>Opfer</strong>schutz unddem Umgang mit <strong>Opfer</strong>n von Gewalttatenund Missbrauch beschäftigten, auch an dieKonfliktschlichtung e.V.Daraus entstand der Arbeitskreis „<strong>Opfer</strong>schutzund <strong>Täter</strong>verantwortung“, in demsoziale Einrichtungen wie „Weißer Ring“,„Frauenhaus“, Präventionsrat, Kinderschutzbundu.a. sowie Vertreter der Polizei und derJVA Oldenburg zusammenarbeiten.Im Rahmen dieser Kooperation wurde der<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> in der JVA eingeführt,um den Beteiligten von Straftaten eine Chanceauf Konfliktaufarbeitung, Klärung undWiedergutmachung einzuräumen.Als ich <strong>im</strong> Sommer 2004 meine Arbeitals Mediatorin in Strafsachen <strong>im</strong> VereinKonfliktschlichtung e. V. begann, übernahmich von meinem Vorgänger die Mitarbeit indiesem Arbeitskreis und die Durchführungdes <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>s in der JVA Oldenburgund in der Haftanstalt für Jungstraftäterin Vechta.Grundsätzlich gelten für die Arbeit in derJVA die gleichen Grundsätze unserer Mediationsarbeit(Allparteilichkeit, Neutralität,Schweigepflicht, Freiwilligkeit).Der formale AblaufWie kommen die Fälle zu uns?Es gibt unterschiedliche Zugangswege.Fallzuweisungen können überalle Kooperationspartner sowie die<strong>Opfer</strong>hilfeeinrichtungen, die <strong>im</strong> Kontakt mitden Geschädigten einen <strong>Ausgleich</strong>swunschfeststellen, erfolgen. Dann wird unsererseitsKontakt mit den Beschuldigten aufgenommen.Dank der guten Zusammenarbeit mit denJVA- Bediensteten (Anstaltsleitung, Sozialarbeiter,Psychologen, Pfarrer) liegen dort Flyerunserer Einrichtung vor, so dass die Häftlingeüber die Möglichkeiten des TOA informiertwerden können. Darüber hinaus läuft <strong>im</strong> Anstaltsfernsehenein Informationsfilm über unsereArbeit.Bei Bedarf wenden sich die Inhaftierten inschriftlicher Form an unsere Einrichtung.Meist äußern sie sich hierin in kurzer Formzu ihrer begangenen Straftat und zu ihremWunsch nach Auseinandersetzung und Wiedergutmachungmit den Geschädigten. Dabeierbitten sie unsere Unterstützung.Nach telefonischer Kontaktaufnahme mitdem Sozialarbeiter wird ein Besuchsterminin der JVA vereinbart. Eine Besuchserlaubnis,ausgestellt durch die JVA- Leitung, ermöglichtmir den Zutritt. In den Besuchsräumender JVA wird dann ein persönliches Gesprächmit dem Häftling geführt. Bei Bedarf kannauch ein Sozialarbeiter anwesend sein. DiesesGespräch dauert ca. 1,5 bis 2 Stunden. ZuGesprächsbeginn wird der Beschuldigte überdie Arbeitsweise und Möglichkeiten <strong>im</strong> TOAaufgeklärt. Danach schildert er seine Tat. ImDialog werden Hintergründe und Klärungswünschebesprochen.Meist liegt mir auch das Urteil vor, so dass ichüber das Aktenzeichen ein Akteneinsichtsgesuchbei der zuständigen Stelle (Staatsanwaltschaftoder Gericht) beantragen kann.Sobald die Akte vorliegt, werden die weiterenBearbeitungsmöglichkeiten geklärt. Hierbe<strong>im</strong>uss die Situation der Geschädigten sehrsorgfältig geprüft werden, um eine weitereVikt<strong>im</strong>isierung zu vermeiden.59


September 2013Kontaktaufnahme mit denGeschädigtenJe nach Aktenlage wird dann Kontakt zu denGeschädigten über den Rechtsanwalt, eine<strong>Opfer</strong>hilfeeinrichtung oder durch unserenVerein aufgenommen.In einem ersten Anschreiben stellen wir unsereEinrichtung vor, legen unser Anliegendar und fügen unseren Flyer bei, damit dieGeschädigten erste Informationen erhalten.Das weitere Vorgehen entscheidet sich nunnach den Bedürfnissen der Geschädigten,so dass <strong>im</strong> persönlichen oder telefonischenGespräch eruiert werden kann, ob und inwieweitKlärungsbedarf, der Wunsch nachWiedergutmachung oder persönlichem Gesprächmit dem <strong>Täter</strong> besteht. Hierin unterscheidensich die JVA Fälle nicht von denanderen TOA Fällen.Was ist das Besondere daran?Mehrere Faktoren unterscheiden die beidenTOA Bereiche.Ein Unterschied zum herkömmlichen TOAliegt <strong>im</strong> persönlichen Erleben der verändertenArbeitsbedingungen des Mediators.Die Gespräche mit den Beschuldigten findennicht in unseren Büroräumen in Freiheit,sondern in den Besuchsräumen der JVAstatt, d.h. ich kann mich nicht frei bewegenund auch der Inhaftierte folgt natürlich denRegeln der JVA.Zu Beginn meiner Arbeit dort hat mich dervorübergehende Verlust meiner Freiheitsehr beeindruckt. Jede Tür wird auf- bzw.zugeschlossen, jede Bewegung, jeder Gangüberwacht. Die vertraute he<strong>im</strong>elige Büroatmosphärewird eingetauscht gegen die nüchtern-zweckmäßige Einrichtung des Besucherraumes.Auch hier muss schnell eine vertrauliche Gesprächsbasishergestellt werden können, damitder Häftling seine Tat schildern kann.Finden in der Mehrheit der TOA Fälle üblicherweisedie Gespräche vor oder währendeines Strafverfahrens statt, hat es hierschon einen Prozess, eine Verhandlung undeine Verurteilung gegeben. Die Voraussetzungenfür den Beschuldigten sind also andereund die Beweggründe für einen TOAunterschiedlich. Zum einen geht es um Reflexionund persönliche Auseinandersetzungmit der Tat, verbunden mit einer Einsicht indas Unrecht des eigenen Handelns und denWunsch nach Auseinandersetzung mit denGeschädigten und um Wiedergutmachung.Zum anderen geht es auch darum, die eigenenrechtlichen Möglichkeiten für eine guteSozialprognose auszuschöpfen.Bei den Delikten meiner bisherigen Fällehandelt es sich um Raub, Diebstahl, versuchtenTotschlag, Totschlag, räuberische Erpressungund schweren Betrug.Welchen Nutzen hat der TOA für dieGeschädigten?Sofern die Geschädigten mit dem TOA einverstandensind, liegt der Nutzen in der persönlichenemotionalen Verarbeitung der Tatund der möglichen Wiedergutmachung undfinanziellen Schadensregulierung.Die meisten Inhaftierten verlassen die JVAnach Verbüßung ihrer Strafe und werden„Morgen wieder unsere Nachbarn sein“ ( ZitatGerd Koop, Leiter der JVA), d. h. ein Geschädigterkann einem <strong>Täter</strong> wieder auf derStraße begegnen. Dieser Gedanke ist für vieleGeschädigte mit sehr viel Angst besetzt. Einepersönliche Auseinandersetzung kann helfen,diese Angst zu mindern und das Gescheheneemotional besser zu verarbeiten.Fallbeispiel „RäuberischeErpressung“Das folgende Fallbeispiel schildert einen erfolgreichenTOA in der JVA:Ein Inhaftierter wandte sich in einem persönlichenBrief an den Verein Konfliktschlichtunge. V. Er hatte mit einem jungen Mann ausSüddeutschland per Internet einen Autokaufvereinbart. Als der Geschädigte mit dem Zuganreiste, um sein Auto abzuholen und dafür14.000 Euro Bargeld <strong>im</strong> Rucksack mit sichführte, wurde er von dem vermeintlichenVerkäufer und dessen Komplizin überfallen,mit einer Schusswaffe bedroht, mit Pfefferspray<strong>im</strong> Gesicht verletzt und zur Herausgabedes Geldes gezwungen.Die <strong>Täter</strong> wurden gefasst, das Geld sicher gestelltund zurückgegeben.In der Haft setzte sich der <strong>Täter</strong> sehr intensivmit seinem Verhalten und den Ursachendafür auseinander. Hintergrund der Tat warBeschaffungskr<strong>im</strong>inalität: Drogen musstenfinanziert werden. Ein Drogenentzug undeine Therapie <strong>im</strong> Gefängnis ermöglichten60


TOA-Magazin - Nr. 01dem Beschuldigten die Einsicht in sein Unrecht.Daraus resultierte der Wunsch nachWiedergutmachung und Kontaktaufnahmezum Geschädigten.Nach einem persönlichen Gespräch mit ihmin der JVA und der Akteneinsicht konnte derGeschädigte angeschrieben werden. NachRücksprache mit dessen Anwalt und mehrerenausführlichen Telefonaten, äußerte derGeschädigte den Wunsch nach einer persönlichenschriftlichen Entschuldigung sowieeinem finanziellen <strong>Ausgleich</strong>. Eine persönlicheBegegnung wolle er aufgrund der großenräumlichen Distanz nicht.Der Beschuldigte erklärte sich einverstandenund verfasste einen sehr ausführlichen, persönlichenBrief. Er erklärte seinen Versuch,die <strong>im</strong>mer wiederkehrenden Alpträume undBilder seines durch Suizid ums Leben gekommenenCousins mit Hilfe von Drogen ausdem Kopf zu bekommen. Daran sei er zerbrochen.Eine finanzielle Vereinbarung regelte dieZahlung des Schmerzensgeldes in Höhevon 3400 Euro. Deren Einhaltung überwacht,wie bei allen TOA Fällen, der VereinKonfliktschlichtung e. V.Nachdem das Entschuldigungsschreiben unddie Vereinbarung durch uns an den Geschädigtenweitergeleitet worden waren, wurdeein abschließendes Telefonat mit ihm geführt.Hierin äußerte er sich sehr zufrieden mit dem<strong>Ausgleich</strong>. Er erklärte ausdrücklich, dass erdie persönlichen Hintergründe für die Tatsehr gut verstehe und nachvollziehen könne,jedoch nicht die Tat als solche. Er konnte dieEntschuldigung annehmen und zeigte sich erleichtertüber den emotionalen Abschluss derTat.Der Beschuldigte ist seinen Zahlungsverpflichtungenvollständig nachgekommen underklärte seine große Zufriedenheit mit demKlärungsverlauf.Die Regelung des finanziellen <strong>Ausgleich</strong>sverbunden mit dem aufrichtigen Entschuldigungsbrieftrugen hier wesentlich zur emotionalenAufarbeitung der Tatfolgen bei beidenBeteiligten bei.Ein weiteres Fallbeispiel beschreibt einen<strong>Ausgleich</strong>, zu dessen Verlauf auch ein gemeinsamesGespräch mit <strong>Täter</strong> und <strong>Opfer</strong> inder JVA gehört.Fallbeispiel "Versuchter Totschlag"Auch hier wandte sich der Häftling schriftlichmit der Bitte um Kontaktaufnahme anunseren Verein. Im persönlichen Gesprächin der JVA schilderte er, dass er nach einemStreit in einer Disko auf dem anschließendenHe<strong>im</strong>weg von dem späteren Geschädigtenverfolgt und massiv bedroht wurde. Er habeihm <strong>im</strong>mer gesagt, er solle ihn in Ruhe lassenund weggehen. Der junge Mann habe jedochgesagt „ich lass dich nicht in Ruhe, ich hauedich“. Da er wusste, dass dieser junge MannKampfsport betreib und ihm körperlichüberlegen war, hatte er Angst um sein Leben,als er plötzlich einen Tritt in Kampfsportmaniergegen den Unterschenkel erhielt.Rückwärtsgewandt lief er zunächst weg, derjunge Mann hinter ihm her. Der Abstand verkleinertesich jedoch schnell. In seiner Panikstieß er einmal mit einem Messer in Richtungdes Geschädigten zu und flüchtete dann inein Taxi. Der Geschädigte verfolgte ihn zunächstweiter und griff das Taxi an. Der Fahrerkonnte jedoch die Türen verriegeln undwegfahren. Er brachte den Beschuldigtennach Hause. Dort entdeckte dieser Blut amMesser und bekam einen Schock. Bisher warer nicht davon ausgegangen, dass er den Geschädigtengetroffen hatte. Da er sich großeSorgen um den Geschädigten machte, ginger in Begleitung eines Freundes zurück zumTatort. Hier war jedoch niemand zu sehen.Der Geschädigte war nach seinem Angriffund dem Wegfahren des Taxis zurück zu seinenFreunden gegangen. Dort brach er zusammen.Die Freunde riefen einen Krankenwagen,als sie Blut an der Kleidung bemerkten.Der Geschädigte gab später an, er selbsthabe seine Verletzung erst <strong>im</strong> Krankenwagenbemerkt. In einer Notoperation wurde einLeberdurchstich versorgt und sein Leben gerettet.In einem gemeinsamen Gespräch wollte derBeschuldigte die Hintergründe der Tat erklären,sich entschuldigen und für Wiedergutmachungsorgen.Nach Anforderung der Akten und Kontaktaufnahmemit dem Geschädigten über dessenRechtsanwältin gab es zunächst ein persönlichesGespräch in unserem Büro. Hierinerklärte sich der Geschädigte auch zu einem61


September 2013<strong>Ausgleich</strong>sgespräch in der JVA bereit.Nachdem die Formalitäten (Besuchserlaubnis,Termin und Raum in der JVA) geklärtwurden, reiste der Geschädigte mit seinemAnwalt an, so dass das gemeinsame Gesprächstattfinden konnte. Beide schildertenihre Sichtweisen und klärten die Hintergründeder Tat sowie das eigene emotionale Erleben.Der <strong>Täter</strong> entschuldigte sich aufrichtigbei dem Geschädigten. Dieser nahm die Entschuldigungan. Eine Vereinbarung über einSchmerzensgeld konnte nicht getroffen werden,da die Folgen der Verletzungen nochnicht absehbar waren und zu einem späterenZeitpunkt <strong>im</strong> Zivilprozess geklärt werdenmussten.Dennoch zeigten sich die Beteiligten sehr zufriedenüber den <strong>Ausgleich</strong>.Dieser Fall zeigt sehr deutlich, dass den Beteiligtenhierbei die emotionale Verarbeitung,das Verstehen, die Empathie wichtiger warals die finanzielle Wiedergutmachung.Dem Geschädigten wurde durch die Anerkennungseiner Gefühle und durch dieÜbernahme der Verantwortung für seine Tatdurch den Beschuldigten die Würde zurückgegeben. Er konnte seine <strong>Opfer</strong>rolle verlassen,seine Interessen und Bedürfnisse wahrnehmenund emotional abschließen.Fazit:<strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong> in der JVA ist sowohlmöglich als auch sinnvoll.Auch schwere Delikte sind kein Hinderungsgrund,einen <strong>Ausgleich</strong> zu versuchen. DieAuseinandersetzung mit der Tat ist für <strong>Täter</strong>und <strong>Opfer</strong> ein wichtiger Schritt bei der Bewältigungder Tatfolgen, um insbesondereden Geschädigten ein angstfreies Leben inder Zukunft zu ermöglichen.Hilfreich und unerlässlich sind enge Kooperationenmit <strong>Opfer</strong>hilfeeinrichtungen sowiepsychologische Betreuung auch für die Gefangenenwährend der Haft. Wenn es gelingt,weitere Straftaten zu vermeiden, ist das derbeste <strong>Opfer</strong>schutz.Bei der Bearbeitung dieser Fälle zeigt sichjedoch schnell, dass sie intensiver und zeitaufwändiger und daher nur mit Erhöhungvon zeitlichen und finanziellen Ressourcendurchführbar sind.Elke KleinhansKonfliktschlichtung e. V. ,Kaiserstr. 7, 26122 Oldenburg62


TOA-Magazin - Nr. 01ImpressumServicebüro für <strong>Täter</strong>-<strong>Opfer</strong>-<strong>Ausgleich</strong>und KonfliktschlichtungAachener Straße 1064D-50858 KölnFon 02 21 / 94 86 51 22Fax 02 21 / 94 86 51 23E-Mail info@toa-servicebuero.deInternet www.toa-servicebuero.deEine Einrichtung desRedaktionGerd DelattreEvi FahlValerie FrenchBearbeitung und DruckJVA Druck + Medien, GeldernISSN 2197-5965Die veröffentlichten Artikel sindnamentlich gekennzeichnet undgeben ausschließlich die Meinungder Autorin oder des Autors wieder.Aus Gründen der Sprachökonomieund der besseren Lesbarkeit wirddarauf verzichtet, jeweils die männliche undweibliche Variante einer angesprochenenPersonengruppe zu nennen. DieVerwendung der männlichen Form schließthier grundsätzlich auch dieweibliche Form ein.63


September 201364

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