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Alexandra Reill Kamera: Thomas Königshofer, Alexan - kanonmedia

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<strong>kanonmedia</strong>, ngo for new media, 12/24, richtergasse, a 1070 viennacall: ++43-[0]6991-820 70 03, mailto: alexandra.reill@<strong>kanonmedia</strong>.com, visit: http://www.<strong>kanonmedia</strong>.comWIEN MEIN WIENDokumentarfilm, 52 Min.Konzept, Regie, Compositing, Editing: <strong><strong>Alexan</strong>dra</strong> <strong>Reill</strong><strong>Kamera</strong>: <strong>Thomas</strong> <strong>Königshofer</strong>, <strong><strong>Alexan</strong>dra</strong> <strong>Reill</strong>Produktion: <strong>kanonmedia</strong>, Wien 2008ThemaThema des experimentellen Dokumentarfilms WIEN MEIN WIEN ist eine [auto]biografischeSpurensuche faschistoider Prägungen in einer österreichischen Mehrheitsgesellschaft aus der NS-Zeit, die sich auf die erste Folgegeneration mit ihrer Jugend in den 60er/70er Jahren bis hin in dievierte Folgegeneration übertragen haben. Welche Verdrängungsmythen tragen Angehörige derösterreichischen Mehrheitsgesellschaft in ihrem alltäglichen Denken, im alltäglichen Handeln, inihren Erinnerungen, in den Überlieferungen durch die Familie?Unehelich ist die Protagonistin als einziges Kind einer Alleinerzieherin in Wien geboren, einerdeutschen Frau, die, aufgewachsen in einer Hochburg der Nazis – Nürnberg - 20jährig im ZweitenWeltkrieg nach Wien in eine wohlhabende Rechtsanwaltsfamilie heiratete – einen attraktivenblonden Mann heiratete, der sie ihr Leben lang an Donald Sutherland erinnerte und den sie ineinem Kriegsverwundetenlazarett am Tegernsee kennen gelernt hatte, in dem sie alsKrankenschwester tätig gewesen war. Kaum ausgewandert in die Richtergasse im siebten WienerBezirk, musste sie erleben, wie ihre Jugendliebe mit der Schreibmaschine, mit der sie schondamals Geld verdienen konnte, diesem Symbol einer Existenz und einer Geliebten aus Wien floh,um einen Brief zu hinterlassen, der der jungen Gattin erklärte, dass die Heirat überstürzt gewesensei. Aus Liebe, wie sie immer sagte, hatte sich die Frau scheiden lassen.Erst in ihren Dreißigern lernte sie den Vater der Protagonistin kennen und wurde für viele Jahreseine Geliebte. Als sie schwanger wurde, bekannte sich der Vater nicht zu dem unehelichen Kind,und weil die Mutter alleine den Lebensunterhalt bestreiten musste, gab sie das Baby zu einerKagraner ArbeiterInnenfamilie in Pflege, wo das Mädchen ihre ersten sechs Lebensjahreverbrachte, in einer sozialistischen Familie. Erst mit Schulbeginn wurde das Kind wieder „in dieStadt“, in die inzwischen angemietete große und bürgerliche Wohnung auf der Mariahilfer Straßeübersiedelt und wohnte fortan bei der Mutter, die das Kind in eine Klosterschule einschrieb, damites eine gute Erziehung erhalte.Am Ende jedes Horttages, um 17:00, saß die Kleine regelmäßig als letzte in der Garderobe, denndie Mutter machte täglich Überstunden und konnte das Kind nicht pünktlich von der Schuleabholen. Doch der heiß geliebte Pflegegroßvater aus Kagran, ein Opa, wie er im Märchenbuchsteht, fuhr jeden Tag mit „dem 25er“ eine Stunde lang von Kagran nach Neubau, um, bestückt miteiner Wurstsemmel oder Schwedenbomben, das Mädchen rechtzeitig abzuholen und auf sieaufzupassen, bis die Mutter müde von der Arbeit erst abends nach Hause kam. Dann stieg erwieder in „den 25er“ und fuhr eine Stunde lang zurück nach Hause – eine Weltreise zwischen zweivöllig verschiedenen Welten.Die 70er Jahre und damit die Jugend der Protagonistin beinhalten die Erinnerungen an eine engmiteinander befreundete Mädchenclique, die nicht aufhörte, der Mutter vorwurfsvolle Fragen überden fehlenden Widerstand gegen die Nazis zu stellen. „Man habe nichts gewusst“ war dieStandardantwort, die nie von den Jugendlichen geglaubt wurde, und deren Zorn mit der immer


wieder, in einer Regelmäßig- und Unverrückbarkeit gegebenen Antwort wuchs, so lange, bis dieJugendlichen schließlich nichts mehr von dem Thema hören wollten – in dem Anspruch, zu dieserZeit nicht geboren gewesen zu sein und daher keine Verantwortung für das geschehene Grauen zutragen.Der geliebte Großvater starb zu Beginn der Neunziger Jahre, der Kontakt zur Pflegefamilie wurdeloser, doch jeweils zu den Weihnachtsfeiertagen treffen sich seine echten Enkeln und dieProtagonistin als Pflegeenkel zu Kaffee und Kuchen und schauen alte Fotos an.Weihnachten 2007, rd. 20 Jahre nach dem Tod des Großvaters: der Protagonistin fallen Fotos ausdem Krieg in der Hand, sie wundert sich, wie adrett die Großmutter, eine Schneiderin ausOttakring, und die gemeinsame Tochter gekleidet waren, sogar mit Pelzkragen – die Not sei dochgroß gewesen, die Familie nicht wohlhabend, im Gegenteil. Wie sehr sich die Schneiderin wohlhatte anstrengen müssen, um solch adrette Kleidung zu nähen. Ihre – wären sie verwandt, wäresie ihre – ältere Schwester erzählt, dass die Familie im Krieg keine Not gelitten habe, der Großvatersei an der russischen Front gewesen und habe immer Pakete geschickt. Wie hatte er das nurzuwege bringen können? Nun, er war ja von Beruf Handelsreisender, da muss man schon geschicktsein, nun, das war er wohl auch im Krieg gewesen …. Ein verblichenes Dokument … die Schwestermit nun schon über 50 Jahren und Brille kann es nicht richtig lesen, die Protagonistin hilft ihr, denalten Stempel und die Kurrentschrift zu entziffern:Entnazifizierungsbescheid.Der Großvater wurde des Verdachts auf SA-Scharführerschaft freigesprochen, nicht jedoch desVerdachts auf SA-Rottenführerschaft.Belegt. Bewiesen. SA-Rottenführer.Der heiß geliebte Großvater, der Märchenopa, der Sozialist. Daher stammten also die Pakete, daherdie adrette Kleidung. Daher die Antwort, die er ihr als Kind immer gegeben hatte, wenn sie nachdem Krieg gefragt hatte: frage nicht, es war sehr grausam, frage lieber nicht. Mehr hatte er niegesagt.Wen sollte sie nun mehr entlasten – die Mutter, die als „brave“ Deutsche „nie von etwas gewussthatte“ oder nun den Märchenopa, bei dem es so etwas nie gegeben hatte und der nun in derBiografie der Protagonistin und lange nach seinem Tode, erst dann für sie, zum SA-Mann wurde.Nun ist sie in der Rolle der Täterin – wie hat sie umzugehen mit der Liebe eines Kindes zumallerbesten Großvater, den es auf der Welt nur geben kann, nun, da sie weiß, dass er SA-Mannwar? Wie verändert sich diese Liebe? Was verändert die Tatsache? In einem autobiografischenInterview hinterfragt die Protagonistin ihre Identität – als Angehörige einer TäterInnen- undMitläuferInnengesellschaft, als Kind in der ersten Folgegeneration.Diese Spurensuche wird gegen geschnitten zu Interviews mit anderen Angehörigen vonFolgegenerationen, die danach befragt wurden, welche Erinnerungen Menschen an dieVorkriegszeit, den Anschluss und die Kriegszeit tragen. Welche Erzählungen wurden von denEltern, Großeltern oder auch schon Urgroßeltern überliefert? Die Interviews belegen den anhaltendverbreiteten Bestand von Verdrängungsmythen wie sie die Protagonistin aus ihrer Familie kennt.Der Gegenschnitt deckt gängige Aussagen, gängige Mythen auf – Erzählungen, von denen ein Kinddenkt, dass sie persönliche sind, um als Erwachsene festzustellen, dass viele dieser Erzählungendeckungsgleich mit den Erinnerungen anderer MehrheitsösterreicherInnen sind, keine persönlichenErzählungen, Aussagen einer Mehrheitsgesellschaft, Aussagen einer mehrheitlich TäterInnen- undMitläuferInnengeneration, Aussagen, die heute noch immer präsent sind in einer alltäglichenSprache.Pressekontakt:<strong><strong>Alexan</strong>dra</strong> <strong>Reill</strong>, <strong>kanonmedia</strong>, call: 06991 820 70 03, mailto: alexandra.reill@<strong>kanonmedia</strong>.comHochauflösendes Fotomaterial steht auf Anfrage zur Verfügung.

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