13.10.2016 Aufrufe

Überleben im Saarland

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Überleben</strong> <strong>im</strong><br />

oder<br />

„Wie ergeht es jemandem, der in's <strong>Saarland</strong> muss“<br />

Eine launische, nicht ganz<br />

ernstgemeinte Betrachtung einer<br />

Zugereisten aus dem "Reich" mit Tipps<br />

zum <strong>Überleben</strong> <strong>im</strong> <strong>Saarland</strong><br />

Für jeden, der aus welchen Gründen auch <strong>im</strong>mer, in's <strong>Saarland</strong><br />

muss, stellt sich erst einmal die Frage, "wo ist denn das?"<br />

Man greift zur Deutschlandkarte, stellt fest, dass das praktisch in Frankreich sein muss,<br />

und zwar an dem Ende Frankreichs, wo wirklich überhaupt nichts los ist.<br />

Wen es nicht gerade ins <strong>Saarland</strong> verschlägt, der hat noch nie einen Gedanken dran<br />

verschwendet, wo das liegt und wie es da aussieht. Diese Erkenntnis würde den Saarländer<br />

aber möglicherweise in eine tiefe Identitätskrise stürzen, und das wollen wir dieser<br />

liebenswerten Spezies doch nicht antun.<br />

Und jetzt stehst Du hier <strong>im</strong> <strong>Saarland</strong> und fragst Dich: Warum?<br />

Entweder, Du fährst dann ein, zwei Jahre lang jedes Wochenende he<strong>im</strong> ins Reich und<br />

wechselst dann die Uni, den Beruf oder die Frau/Mann, ohne je einen Saarländer kennen<br />

gelernt zu haben. Oder Du freundest Dich mit dieser netten Spezies Mensch an, gehst nach<br />

drei Monaten zum ersten Mal zu einem von ihnen Schwenkbraten grillen, verschiebst Deinen<br />

Besuch bei Mama, um das Dorffest nicht zu verpassen, und irgendwann merkst du, dass es<br />

Dich ärgert, wenn Deine Verwandten über das <strong>Saarland</strong> lästern.<br />

Spätestens dann ist es Zeit zu gehen - oder für <strong>im</strong>mer hier zu bleiben...<br />

Vorausgesetzt,<br />

• du hast die ersten Kontakte mit dem Saarländer unbeschadet überstanden,<br />

• seine Vorurteile überwunden,<br />

• beherrschst die Grundzüge der saarländischen Sprache und<br />

• lernst, die Gehe<strong>im</strong>nisse der Saarländisch-Französischen Beziehungen richtig zu<br />

deuten.<br />

Dann steht einem glücklichen Aufenthalt <strong>im</strong> Land der<br />

unbegrenzten Lyoner nichts mehr <strong>im</strong> Wege!<br />

Der Saarländer hängt nämlich der Vorstellung nach, "<strong>im</strong> Reich" gebe es Vorurteile gegen ihn<br />

und sein Land. Die "Reichsdeutschen", so glaubt der Saarländer, hielten ihn für ein Lyoner-<br />

Rostwurst- und Dibbelabbesverschlingendes Wesen in einer rauchgeschwängerten<br />

Steinkohlelandschaft, das seine Zeit in Bergstollen oder Stahlwerken verbringt, wenn es nicht<br />

gerade Schwenkbraten grillt oder an seinem Eigenhe<strong>im</strong> herumbastelt.<br />

Alle, die jemals hier waren, wissen: Das ist falsch!


Erzähle einem Saarländer aber nicht, dass Du von Dibbelabbes noch nie etwas gehört hast,<br />

dass Du <strong>im</strong>mer dachtest, Lyoner käme aus Lyon, Rostwurst aus Thüringen, Kohle aus dem<br />

Ruhrgebiet und aus dem <strong>Saarland</strong> nur Oskar Lafontaine.<br />

Sag einfach:<br />

"Das <strong>Saarland</strong> ist ganz anders, als ich dachte - viel schöner! So grün!<br />

So interessante Schlösser! So wenig Kohle! So leckere Schwenkbraten!"<br />

Damit dürftest Du richtig liegen.<br />

Gerade die ersten Kontakte mit den "Ureinwohnern" führen häufig zu Missverständnissen.<br />

Dabei reicht es fürs Erste, folgende Regeln zu beherzigen:<br />

• Sei nicht beleidigt, wenn ein Saarländer fragt: "Unn, fährschde am Wochenend hämm<br />

ins Reich?"<br />

Damit unterstellt er Dir keine nationalsozialistische Gesinnung. Er weiß gar nicht, was<br />

das ist. Mit "Reich" bezeichnet der Saarländer alles, was nicht <strong>im</strong> <strong>Saarland</strong> liegt.<br />

Gewöhn’ Dich dran. Oder geh zurück ins Reich. Für <strong>im</strong>mer.<br />

• Sei nicht beleidigt, wenn Du, eine erwachsene Frau, mit "Ees Susann"<br />

( wörtlich: Die Susanne ) oder gar "ees doo" oder "het loo" ( übersetzt: Sie da.<br />

Sinngemäß: Die nette junge Dame, die hier neben mir steht) angesprochen wirst.<br />

Denk Dir nichts dabei, die Saarländerinnen finden das ja auch normal.<br />

• Versuche nie, Dich mit einem Saarländer fürs Wochenende zu verabreden.<br />

Denn da fährt der Saarländer "hemm": Nach Merzig, Besseringen, Brotdorf,<br />

Niedergailbach, Wallerfangen-Kerlingen, Bilsdorf, Rappweiler, Bliesmengen-Bolchen,<br />

Piesbach, Bexbach und Brenschelbach. Dort versinkt er von Freitag bis Montag in einem<br />

Sumpf saarländischer Vereinsmeiereien, aus denen Du niemals schlau werden wirst.<br />

N<strong>im</strong>m´ s nicht persönlich. Ihr könnt trotzdem gute Freunde werden.<br />

• Verabrede Dich in der Zeit mit Hauptstädtern (Saarbrückern) oder Reichsdeutschen<br />

und warte, bis der Ursaarländer von selbst wieder auftaucht.<br />

• Lästere nie über das <strong>Saarland</strong>. Die Saarländer sind stolz darauf. Warum, weiß kein<br />

Mensch, aber wenn Du hier überleben willst, musst Du das akzeptieren.<br />

Merke: Das <strong>Saarland</strong> ist schön, das <strong>Saarland</strong> ist schön, das <strong>Saarland</strong> ist schön...<br />

• Lästere nie vor einem Saarländer über andere Saarländer. Die kennen sich alle!!!<br />

• Die größte Beleidigung für einen Saarländer, wäre zu ihm zu sagen:<br />

"Dein Vater konnte auch schon nicht schwenken!"<br />

Die vielseitige Begrüßungs-Formel "Unn..?" ist der erste Beweis dafür, dass Deine<br />

Existenz <strong>im</strong> Bewusstsein Deines saarländischen Bekannten angekommen ist.<br />

Mit "Unn?" gibt er zu verstehen, dass er Dich wiedererkennt und bereit ist, mit Dir ein<br />

Schwätzchen einzuleiten. (E Schwätzche ze halle !)<br />

"Unn..?" bedeutet, je nach Zusammenhang, etwa: "Wie gehts?", "Wie war's bei der<br />

Arbeit?" (Merke: der Saarländer geht morgens zur Arbeit, nicht in's Geschäft, egal,<br />

was er beruflich macht!), "Schön, Dich zu sehen, kommst Du mit in die Stadt?", oder<br />

auch:"Bist Du jetzt wieder mit Deiner Freundin zusammen?"<br />

Es ist ganz einfach: Er sagt: "Unn...?", und Du suchst Dir war Passendes aus.<br />

Stark vereinfacht gilt folgende Formel:<br />

Schwenkbraten oder Lyoner + "unn...?" = gleich Saarländer!<br />

Derart ins Schwatzen gekommen, lass Dich nicht vom beliebten Wort "hollen"<br />

(holen) irritieren. Der Saarländer n<strong>im</strong>mt nicht, er holt.<br />

• Er holt Tabletten ein;<br />

• er holt Rücksicht;<br />

• wenn er zuviel wiegt, holt er ab;<br />

• wenn er depressiv ist, holt er sich das Leben. Klasse, was?


Im Laufe der Unterhaltung wirst Du mit Begeisterung feststellen, was für ein umgänglicher<br />

Mensch der "Saarländische Ureinwohner" ist, wenn er die erste Scheu vor dem<br />

Reichsdeutschen überwunden hat.<br />

Nur zwei Dinge machen ihn zum Tier: "Die Freck" und "die Flemm".<br />

Solltest Du mal einem begegnen, der Dir zumurmelt: "Isch hann de Freck/Flemm",<br />

dann suche unverzüglich die Weite!<br />

Eine dieser Vokabeln bezeichnet eine ansteckende Erkältungskrankheit (Freck), die andere<br />

eine ansteckende schlechte Laune (Flemm). Welches was ist, wird sich vermutlich jeder<br />

Nicht-Saarländer 1000 Mal erklären lassen und anschließend 1000 Mal wieder vergessen.<br />

Macht aber nichts.<br />

Wichtig ist hingegen folgender Merksatz: "Flemm" oder "Freck"? Nichts wie weg !!!<br />

Ab und an wir Dir ein Edel-Saarländer begegnen, jemand, der am Saarbrücker Deutsch-<br />

Französischen- Gymnasium sowohl das Abitur als auch das Baccalaureat erworben hat, sich<br />

mit sämtlichen Weinsorten von Bordeaux bis Chardonny auskennt und jetzt vielleicht<br />

irgendeinen der tausend deutsch-französichen Studiengänge an der Uni Saarbrücken besucht<br />

( mit einem komplizierten Namen, den sich niemand merken kann).<br />

Dieses gebildete Exemplar des "Homo Saraviensis" wird Dir vorschwärmen von den<br />

Vorzügen der Grenzregion <strong>im</strong> Dreiländereck, der interessanten Saarländischen Geschichte<br />

( was aber auch der Edel-Saarländer als "Saarländisch Geschicht" ausspricht!), vom<br />

französischen Flair Saarbrückens und so weiter und so weiter...<br />

Lass Dich davon nicht einschüchtern.<br />

Kein Mensch interessiert sich hier für die "Wackes" ( saarländich für "Unsere lieben<br />

Freundinnen und Freunde aus Lothringen") und anständig französich sprechen nur die<br />

Supermarkt-Verkäuferinnen aus Frankreich.<br />

Der aufrechte Saarländer betritt Frankreich nur zum Einkaufen und Luxemburg nur<br />

zum Tanken, und wenn sie da kein Deutsch sprechen, ärgert er sich gewaltig und fährt<br />

wieder "hemm".

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!