VSAO JOURNAL Nr. 4 - August 2015
Wasser Gastroenterologie/Rheumatologie Noten für Spitäler
Wasser Gastroenterologie/Rheumatologie Noten für Spitäler
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2 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Association suisse des médecins-assistant(e)s et chef(fe)s de clinique<br />
Associazione svizzera dei medici assistenti e capiclinica<br />
INHALT<br />
Titelbild: aebi, grafik & illustration, bern<br />
EDITORIAL<br />
5 Das vornehmste Element<br />
POLITIK<br />
6 Gesundheitspolitik –<br />
Durchzogene Prognose<br />
8 Auf den Punkt gebracht:<br />
Der Nachwuchs ist engagiert<br />
WEITERBILDUNG /<br />
ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
10 Rate your clinic @<br />
spitalplattform.vsao.ch!<br />
14 Praxis tut Not<br />
20 Das Ergebnis zählt<br />
21 SIWF-Projektförderung: ärztliche<br />
Weiterbildung unterstützen – auch<br />
in Zukunft<br />
23 Lesen lernen: Relevante Signifikanz?<br />
25 «Organisation ist alles»<br />
FOKUS ▶ WASSER<br />
32 Reha für Rhein und Co<br />
35 Die grüne Fee – verehrt und verfemt<br />
37 Faszination Freitauchen<br />
39 Ein teures, aber nützliches Wasser<br />
41 Verdünnt, aber problematisch<br />
43 Wasserversorgung für die Armen<br />
45 Gibt es Wasser auf dem Mars?<br />
48 Nestlé und der Handel mit Wasser<br />
PERSPEKTIVEN<br />
50 Fachserie Aktuelles aus der Gastroenterologie<br />
– Divertikulose und<br />
Divertikulitis: Moderne Therapien für<br />
alte Leiden<br />
52 Aus der Therapeutischen Umschau:<br />
Rheumatologische Notfälle im Alltag<br />
des Hausarztes<br />
56 Das erlesene Objekt:<br />
Eine umfunktionierte Zigarettendose<br />
<strong>VSAO</strong><br />
28 Sektion Bern<br />
29 <strong>VSAO</strong>-Rechtsberatung<br />
30 <strong>VSAO</strong>-Inside<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
57 Lösungen für jede Lebensphase<br />
59 Briefkasten<br />
60 Lohnausfall – das Wichtigste in Kürze<br />
62 Partner-Porträt: SWICA —<br />
der verlässliche Versicherungspartner<br />
65 Steuerfragen im Konkubinat<br />
66 Impressum<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
3
EDITORIAL<br />
Foto: Severin Novacki<br />
Catherine Aeschbacher<br />
Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal<br />
Das vornehmste Element<br />
Wasser ist gemäss dem altgriechischen Lyriker Pindar das «vornehmste<br />
Element». Rund hundert Jahre zuvor hatte ebenfalls<br />
ein Grieche, der Mathematiker und Philosoph Thales von Milet,<br />
die bis heute gültige Maxime formuliert: «Das Prinzip aller<br />
Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins Wasser kehrt<br />
alles zurück.» Entsprechend hält die 1968 erstellte Europäische<br />
Wassercharta in ihrem ersten Punkt fest: «Es gibt kein Leben<br />
ohne Wasser.» Grund genug also, dieses Element einmal in den<br />
Fokus unserer Aufmerksamkeit zu rücken. Wir berichten von<br />
renaturierten Flussläufen, von der Bildgebung mit radioaktivem<br />
Wasser oder vom Absinth, einem gebrannten Wasser mit<br />
einer speziellen Geschichte. Zu Wort kommt das Hilfswerk Helvetas,<br />
das sich für die Wasserversorgung in der Dritten Welt<br />
starkmacht. Und Nestlé, der weltweit grösste Nahrungsmittelhersteller,<br />
äussert sich zu seiner Wasserpolitik. Wir tauchen mit<br />
einer Freitaucherin ab und fragen nach, wie es nun mit dem<br />
Wasser auf dem Mars steht. Schliesslich wollen wir wissen, wie<br />
sauber unser Trinkwasser wirklich ist.<br />
Der Bundesrat möchte die aktuell gültige, einfache und bewährte<br />
Zulassungssteuerung durch ein kompliziertes System<br />
mit vielen Unbekannten ersetzen. Auf diesen bundesrätlichen<br />
Entwurf hat die vorberatende Kommission des Nationalrats<br />
unmissverständlich reagiert: Das Papier wurde mit Verweis<br />
auf die heutige Lösung kurzerhand verworfen. Der <strong>VSAO</strong><br />
nimmt diesen Entscheid mit Genugtuung zur Kenntnis. Endgültig<br />
ist die Sache allerdings nicht vom Tisch, da Nationalund<br />
Ständerat sich noch nicht geäussert haben. Es bleibt zu<br />
hoffen, dass der Entscheid der nationalrätlichen Kommission<br />
wegweisend war. Neben dem Zulassungsstopp befasst sich der<br />
Politikteil diesmal mit den Pflegeberufen, den Krankenkassen<br />
und der Unterschriftensammlung zur Einhaltung des Arbeitsgesetzes.<br />
Angehende Fachärztinnen und -ärzte für Allgemeine Innere<br />
Medizin oder Kinder- und Jugendmedizin müssen eine<br />
Praxisassistenz absolvieren. In welchen Kantonen aktuell was<br />
von wem angeboten wird, ist im Teil Weiterbildung /Arbeitsbedingungen<br />
nachzulesen. Wer vor kurzem aus den Ferien<br />
zurückgekehrt ist, hat sein Hotel eventuell auf dem Tripadvisor<br />
bewertet oder sich vor der Abreise über die Qualität seiner<br />
Unterkunft informiert. Dasselbe ist nun auch bei der Spitalplattform<br />
des <strong>VSAO</strong> möglich. Wie das Bewertungstool funktioniert,<br />
steht ebenfalls in der Rubrik Weiterbildung /Arbeitsbedingungen.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
5
POLITIK<br />
GESUNDHEITSPOLITIK<br />
Durchzogene Prognose<br />
Nach mehrjährigem – fast jahrzehntelangem – Kampf geht die Diskussion um die definitive Zulassungssteuerung<br />
auf die Zielgerade. Die Zeichen stehen gut, dass sich der Kompromiss vorschlag<br />
von FMH und <strong>VSAO</strong> durchsetzen wird: Weiterführung der 3-Jahres-Regelung. In anderen Dossiers<br />
stehen die Zeichen dafür wieder auf Sturm: Die Pflegenden wollen ihren Verantwortungs bereich<br />
ausweiten, und die Krankenkassen stürmen gegen eine griffige Aufsicht an.<br />
Nico van der Heiden, Stv. Geschäftsführer/Leiter Politik und Kommunikation <strong>VSAO</strong><br />
Die Politik ist manchmal ebenso unberechenbar<br />
wie das Wetter. Aufziehende<br />
Gewitterwolken (der Vorschlag des Bundesrates<br />
zur Zulassungssteuerung) künden<br />
ein veritables Unwetter an, das kurz<br />
vorher doch noch abdreht und an einem<br />
vorbeizieht. Hat man die gesamte Aufmerksamkeit<br />
auf dieses Unwetter gerichtet,<br />
merkt man erst, nachdem es durchgezogen<br />
ist, dass bereits verschiedenste<br />
weitere Gewitterzellen am Horizont sichtbar<br />
sind (Parlamentarische Initiative<br />
Joder, Krankenkassenaufsicht). Eine<br />
gesundheitspolitische Schönwetterperiode<br />
auf längere Sicht ist unwahrscheinlich,<br />
umso mehr muss man die kurzen<br />
Phasen ohne Regenwahrscheinlichkeit<br />
geniessen.<br />
Zulassungssteuerung<br />
Die Ausgangslage ist hinlänglich bekannt:<br />
Der Bundesrat wollte die aktuell<br />
gültige und bewährte Lösung zur Zulassungssteuerung<br />
durch ein komplexes<br />
System, das kantonal sämtliche Gesundheitsberufe<br />
steuert, ablösen (wir haben<br />
ausführlich in den <strong>VSAO</strong>-Journalen<br />
5/2014 und 1/<strong>2015</strong> berichtet). Bereits in<br />
der Vernehmlassung haben wir uns –<br />
ebenso wie viele andere Vereinigungen<br />
auch – kritisch dazu geäussert. Nun hat<br />
sich die nationalrätliche Kommission als<br />
Erstes mit der Vorlage befasst und sie<br />
kurzerhand in den Papierkorb spediert.<br />
Die Kommission schlägt vor, dass die<br />
bewährte, aktuell gültige Lösung unbefristet<br />
weitergeführt wird. Dies war auch<br />
der Vorschlag von <strong>VSAO</strong> und FMH. Die<br />
Weichen sind hier nun also richtig gestellt,<br />
allerdings müssen National- und<br />
Ständerat diesem Vorschlag noch zustimmen,<br />
bevor wir uns in dieser Sache<br />
definitiv über einen wolkenlosen Himmel<br />
freuen dürfen.<br />
Aufwertung der Pflege<br />
Das Parlament beschäftigt sich bereits seit<br />
mehr als vier Jahren mit einer Parlamentarischen<br />
Initiative von Rudolf Joder (SVP,<br />
Bern), welche eine «gesetzliche Anerkennung<br />
der Verantwortung der Pflege» verlangt.<br />
Obwohl im Parlament grundsätzlich<br />
grosses Wohlwollen gegenüber dem<br />
Anliegen bestand, tat man sich mit der<br />
Umsetzung schwer. Erst jetzt liegt ein konkreter<br />
Vorschlag für die Änderung des<br />
Krankenversicherungsgesetzes vor, die<br />
notwendig ist für die Umsetzung der Parlamentarischen<br />
Initiative. Neu soll ein<br />
bestimmter Teil der Pflegeleistungen auch<br />
dann von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung<br />
bezahlt werden, wenn<br />
keine ärztliche Anordnung vorliegt. Es<br />
würde somit neu zwischen einem Bereich<br />
unterschieden, der weiterhin nur auf ärztliche<br />
Anordnung ausgeführt werden darf<br />
und einem Teil, der künftig ohne solche<br />
Anordnung ausgeführt werden kann und<br />
damit der Eigenverantwortung der Pflege<br />
unterliegt.<br />
Der <strong>VSAO</strong> hat sich frühzeitig und intensiv<br />
mit den möglichen Folgen dieser Gesetzesänderung<br />
befasst, auch im Austausch<br />
mit dem Schweizerischen Berufsverband<br />
der Pflegefachfrauen und -männer (SBK).<br />
Der Geschäftsausschuss des <strong>VSAO</strong> lehnt<br />
die geplante Gesetzesänderung ab. Eine<br />
geteilte Verantwortung zwischen Arzt und<br />
Pflege im Spital führt zu einer Verkomplizierung<br />
des Systems, welche nicht im<br />
Sinne der Patienten wäre: Es entstehen<br />
unklare Zuständigkeiten und zusätzliche<br />
(unnötige) und riskante Schnittstellen,<br />
dadurch ergeben sich weitere Fehlerquellen,<br />
was grosse Unsicherheiten beim Patienten<br />
hinterlässt.<br />
Zudem ist für uns nicht ersichtlich, wieso<br />
aktuell Bedarf nach einer Gesetzesänderung<br />
besteht. Die Zusammenarbeit zwischen<br />
den verschiedenen Spitalberufen<br />
läuft aus Sicht des <strong>VSAO</strong> heute insgesamt<br />
gut. Die Teamarbeit in den Spitälern ist<br />
vielerorts etabliert und Interdisziplinarität<br />
wird gelebt. Es wird fälschlicherweise der<br />
Anschein erweckt, dass die Pflegefachleute<br />
heute keine (Eigen-)Verantwortung<br />
tragen würden. Dem ist nicht so! Die medizinische<br />
Verantwortung liegt aber richtigerweise<br />
in ärztlicher Hand. Die eingespielten<br />
Abläufe im Spital sollen nicht<br />
verändert werden.<br />
Krankenkassenaufsicht<br />
Früher konnte der Bund nur sehr beschränkt<br />
in die Tätigkeiten der Krankenkassen<br />
eingreifen. So konnten beispielsweise<br />
nur zu tiefe, aber nicht zu hohe<br />
Prämien moniert werden und die maximale<br />
Busse, welche das Bundesamt für<br />
Gesundheit gegen Krankenkassen aussprechen<br />
konnte, lag bei lächerlichen<br />
5000 Franken. Im Jahre 2011 hat der<br />
Bundesrat deshalb ein Gesetz in die Vernehmlassung<br />
gegeben, mit dem er die<br />
Aufsicht über die Krankenkassen stärken<br />
wollte. Das Gesetz verlangt von den Krankenkassen<br />
mehr Transparenz und erlässt<br />
detaillierte Vorschriften zur Geschäftsführung.<br />
Unter dem Druck der anstehenden<br />
Abstimmung über die Einheitskasse wurde<br />
das Gesetz im September 2014 von<br />
National- und Ständerat beschlossen.<br />
Es wurde argumentiert, dass eine Einheitskasse<br />
dann nicht mehr notwendig sei,<br />
wenn die Aufsicht besser würde.<br />
Für den <strong>VSAO</strong> war die teilweise unerfreuliche<br />
Zusammenarbeit der Ärzteschaft<br />
mit den Krankenkassen ein wichtiges<br />
Argument für die Unterstützung des<br />
Krankenkassen-Aufsichtsgesetzes (und<br />
der Einheitskasseninitiative). Aktuell<br />
läuft die Anhörung zur Verordnung, also<br />
zur Konkretisierung des Gesetzes. Wie<br />
nicht anders zu erwarten, wehren sich die<br />
6 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
POLITIK<br />
Krankenkassen vehement gegen eine zu<br />
starke Regulierung ihrer Tätigkeiten. Der<br />
<strong>VSAO</strong> setzt sich mit aller Deutlichkeit für<br />
eine starke Krankenkassenaufsicht ein,<br />
im Wissen um deren Nutzen nicht nur<br />
für unsere Mitglieder, sondern auch für<br />
die Patienten.<br />
Spital.illegal.normal!<br />
Ein wolkenloser Himmel bietet sich uns<br />
hoffentlich am 1./2. September <strong>2015</strong>.<br />
Dann nämlich werden wir eine friedliche<br />
Mahnwache vor dem SECO in Bern<br />
veranstalten und die gesammelten Unterschriftenkarten<br />
übergeben. Bereits<br />
sind mehr als 15000 Unterschriften aus<br />
der Bevölkerung bei uns eingetroffen,<br />
ein starkes Zeichen für die Einhaltung<br />
des Arbeitsgesetzes in den Spitälern! Wir<br />
sind gespannt, wie Bundesrat Johann<br />
Schneider-Ammann darauf reagieren<br />
wird.<br />
■<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
7
POLITIK<br />
Auf den PUNKT gebracht<br />
Der Nachwuchs ist engagiert<br />
Momentan läuft im Rahmen der Kampagne<br />
spital.illegal.normal! zur «Feier»<br />
des unrühmlichen Jubiläums «Zehn Jahre<br />
Arbeitsgesetz» eine grosse Unterschriftensammlung<br />
des <strong>VSAO</strong>. Unsere Forderung<br />
ist so einfach, dass sie selbstverständlich<br />
sein sollte: Das Arbeitsgesetz<br />
muss endlich flächendeckend eingehalten<br />
werden.<br />
Die Kampagne nutzt verschiedenste Kanäle<br />
für die Unterschriftensammlung.<br />
Eine bisher wenig erwähnte Stütze sind die<br />
Medizinstudierenden, welche sowohl in<br />
die Hausarztpraxen ausschwärmen und<br />
dort unser Kampagnenmaterial verteilen<br />
als auch auf der Strasse Unterschriften<br />
sammeln. Auf unseren diesbezüglichen<br />
Aufruf zur Mitarbeit haben sich mehr als<br />
50 Studierende gemeldet. Wir hatten ursprünglich<br />
auf 20 Freiwillige gehofft …<br />
Keine Frage, für viele war der finanzielle<br />
Zustupf ein Anreiz, mitzumachen. Trotzdem<br />
geht das persönliche Engagement<br />
weit über eine rein materielle Motivation<br />
hinaus. Gleich reihenweise werden mehr<br />
Unterschriften gesammelt und mehr<br />
Stunden gearbeitet als vereinbart. Viele<br />
arbeiten sich intensiv in das Kampagnenmaterial<br />
ein, um sich engagiert und informiert<br />
auf die Diskussion mit der Bevölkerung<br />
einlassen zu können. Viele schreiben<br />
mir spätnachts noch E-Mails mit<br />
Rückfragen.<br />
ausgewogene Work-Life-Balance und damit<br />
die Erreichung von Zielen ausserhalb<br />
des Berufs sind genau so wichtig. Zweitens,<br />
das Engagement im Beruf leidet in keiner<br />
Art und Weise, die Motivation, qualitativ<br />
gute Arbeit zu leisten (als Arzt und/oder<br />
als <strong>VSAO</strong>-Campaigner), ist unverändert<br />
hoch. Das stimmt mich für die Entwicklung<br />
des Schweizer Gesundheitswesens<br />
sehr zuversichtlich.<br />
Wenn Sie diese Ausgabe des <strong>VSAO</strong>-Journals<br />
in den Händen halten, arbeiten wir bereits<br />
fieberhaft an einer spektakulären Übergabeaktion<br />
der vielen Unterschriften am<br />
2. September <strong>2015</strong>. Ich bin mir sicher, dass<br />
auch hier die Medizinstudierenden mit<br />
Begeisterung dabei sein werden – für ihre<br />
künftigen Arbeitsbedingungen. Ich freue<br />
mich!<br />
■<br />
Nico van der Heiden<br />
Stv. Geschäftsführerin/Leiter<br />
Politik und Kommunikation<br />
Aus diesem Engagement ziehe ich persönlich<br />
zwei Schlüsse: Erstens wird der Einsatz<br />
des <strong>VSAO</strong> für gute Arbeitsbedingungen<br />
von der künftigen Ärztegeneration<br />
gestützt, denn die Vereinbarkeit von Beruf<br />
und Privatleben ist der sogenannten Generation<br />
Y sehr wichtig. Zwar ist die Verwirklichung<br />
im Beruf wichtig, aber eine<br />
8 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
9
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Rate your clinic @<br />
spitalplattform.vsao.ch!<br />
Jetzt sind Sie an der Reihe! Während wir mit Hochdruck die letzten, kleineren Weiterbildungsstätten<br />
auf unserer Spitalplattform erfassen und die Informationen vervollständigen, können<br />
nun die <strong>VSAO</strong>-Mitglieder ihrerseits den Informationsgehalt der Plattform auf ein neues Niveau<br />
heben, indem sie ihre Weiterbildungsstätten bewerten.<br />
Simon Stettler, Geschäftsführer <strong>VSAO</strong><br />
Wer kennt es nicht? Vor der Buchung des<br />
Hotels noch rasch auf Tripadvisor checken,<br />
ob die bisherigen Gäste zufrieden<br />
gewesen sind. Ebenso platziert man nach<br />
den Ferien einen kurzen Eintrag, um eine<br />
gute Leistung zu belohnen bzw. um anderen<br />
ein negatives Erlebnis zu ersparen.<br />
Ein ähnliches Angebot gibt es nun bezüglich<br />
der Weiterbildungsstätten. Ab sofort<br />
steht unseren Mitgliedern auf der <strong>VSAO</strong>-<br />
Spitalplattform ein Bewertungstool zur<br />
Verfügung, mit welchem sie einfach und<br />
rasch ihre Erfahrungen an den Schweizer<br />
Weiterbildungsstätten mit anderen Assistenzärztinnen<br />
und -ärzten teilen können.<br />
Die Bewertung erfolgt anhand von 5 Standardfragen<br />
mit jeweils einer Skala von<br />
1 bis 6. Zu bewerten sind die 4 Bereiche:<br />
• Arbeitszeit<br />
Bestehen z.B. gute Dienstpläne und werden<br />
diese rechtzeitig kommuniziert und<br />
eingehalten? Kann Überzeit kompensiert<br />
werden? Gibt es überlange Dienste?<br />
• Weiterbildung<br />
Besteht eine stufengerechte Betreuung<br />
der Assistenzärzte und ein spürbarer Wille,<br />
sie weiterzubilden? Oder werden sie<br />
in erster Linie als billige Arbeitskräfte<br />
eingesetzt? Wird das Weiterbildungskonzept<br />
eingehalten und die versprochene<br />
Weiterbildung geboten? Wie viel habe ich<br />
dort gelernt?<br />
• Arbeitsklima<br />
Wie funktioniert die Zusammenarbeit im<br />
Team, mit den Vorgesetzten oder auch<br />
interdisziplinär? Wie ist die Stimmung?<br />
• Familienfreundlichkeit<br />
Diese Frage bezieht sich sowohl auf Massnahmen<br />
und Angebote der Weiterbildungsstätte<br />
(z.B. Teilzeitangebote) wie<br />
auch auf solche des Spitals (Besteht z.B.<br />
eine Kindertagesstätte oder ein entsprechendes<br />
Angebot?).<br />
Abschliessend ist anzugeben, ob bzw. wie<br />
sehr die Weiterbildungsstätte einem<br />
Kollegen empfohlen wird.<br />
Optional steht ein Kommentarfeld zur<br />
Verfügung. Nutzen Sie dieses, um Ihre<br />
Bewertung zu unterstützen und den Lesern<br />
die Stärken und Schwächen der betreffenden<br />
Weiterbildungsstätte näher zu<br />
erläutern! Bei sehr schlechten Bewertungen<br />
(Gesamtnote < 3) ist ein erklärender<br />
Kommentar zwingend. Wird ein Kommentar<br />
abgegeben, erhalten die Weiterbildungsstättenleiterinnen<br />
und -leiter vom<br />
<strong>VSAO</strong> eine Mitteilung und die Gelegenheit,<br />
ihrerseits eine Stellungnahme zu platzieren.<br />
Bewertungen und Kommentare werden<br />
vom <strong>VSAO</strong> moderiert. Die Bewertungen<br />
sollen zwar subjektiv, jedoch immer<br />
auch sachlich und fair ausfallen. Für<br />
10 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
persönliche Abrechnungen oder blosse<br />
Frustbewältigung gibt es auf der <strong>VSAO</strong>-<br />
Spitalplattform keinen Platz.<br />
Die abgegebenen Bewertungen werden<br />
auch grafisch dargestellt, um allfällige<br />
Veränderungen in den letzten Monaten<br />
und Jahren aufzuzeigen. Die Assistenzärzte<br />
und -ärztinnen erhalten auf der<br />
<strong>VSAO</strong>-Plattform nun auf einen Blick objektive<br />
Informationen und persönliche<br />
Rückmeldungen, die bei der Wahl einer<br />
Weiterbildungsstätte hilfreich sind. Für<br />
die Weiterbildungsstättenleiter und -leiterinnen<br />
ist die Bewertung im besten Fall<br />
ein Dankeschön für ihren Einsatz zu<br />
Gunsten der Weiterbildung und der Weiterzubildenden.<br />
■<br />
Wichtige Hinweise<br />
• Loginvarianten:<br />
– Vorname, Name, Mitgliedernummer ➝ Ihre Bewertung wird umgehend aufgeschaltet.<br />
– Vorname, Name, Geburtsdatum ➝ Sie erhalten an die beim <strong>VSAO</strong> hinterlegte<br />
E-Mailadresse eine Nachricht mit einem Link zur Freigabe Ihrer Bewertung.<br />
• Ihre Daten werden vertraulich und anonym behandelt und ausschliesslich für die<br />
Überprüfung der Mitgliedschaft verwendet.<br />
• Bewertungen werden nur angezeigt, sofern Frage 6 mit «Ja» beantwortet wurde oder<br />
drei Bewertungen zur Weiterbildungsstätte bzw. zum Spital abgegeben wurden.<br />
• Eine Bewertung wird nach einer Laufzeit von drei Jahren gelöscht.<br />
• Eine wiederholte Bewertung derselben Weiterbildungsstätte ist nur alle 12 Monate<br />
möglich.<br />
• Der Leiter der jeweiligen Weiterbildungsstätte hat die Möglichkeit, zu einem Kommentar<br />
Stellung zu nehmen.
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Praxis tut not<br />
Die Praxisassistenz ist für Fachärztinnen und -ärzte Allgemeine Innere Medizin mit Ziel Hausarztmedizin<br />
sowie für Kinder- und Jugendmediziner mit Ziel Grundversorgung unerlässlich. Den<br />
künftigen Hausärzten stehen zudem in der Curriculum-Weiterbildung verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
zur Verfügung. Wer bietet was an? Eine kurze Übersicht über das Angebot <strong>2015</strong>.<br />
Christian Häuptle, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Hausarztmedizin Kantonsspital St. Gallen,<br />
Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin Bern,<br />
Manolya von Erlach, Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin Bern<br />
Am 1. Januar 2011 wurde das neue Weiterbildungsprogramm<br />
in Allgemeiner<br />
Innerer Medizin eingeführt. Dieses beinhaltet<br />
unter anderem die Implementierung<br />
der Praxisassistenz in die Basisweiterbildung<br />
sowie die Curriculum-Weiterbildung<br />
(Rotation) in die Aufbauweiterbildung.<br />
Damit wurde dem ausgewiesenen<br />
Bedürfnis, spezifisch hausärztliches Wissen<br />
und Können in der Weiterbildungsphase<br />
zu vermitteln, Nachachtung verschafft.<br />
Ab 2016 kann der Facharzttitel<br />
Allgemeine Innere Medizin ausschliesslich<br />
nach dem neuen Weiterbildungsprogramm<br />
erlangt werden.<br />
Praxisassistenz<br />
Die Praxisassistenz hat zum Ziel, im<br />
hausärztlichen Setting die hausärztliche<br />
Fachkompetenz durch relevante und<br />
hausarztspezifische Lerninhalte zu vermitteln.<br />
So soll in der hausärztlichen<br />
Praxis die spezifische Beziehung zum<br />
Patienten und seinem Umfeld aufgezeigt<br />
und erlebbar werden und schliesslich sollen<br />
Kenntnisse der Praxisführung vermittelt<br />
werden.<br />
Die Praxisassistenzweiterbildung wird als<br />
ambulante Innere Medizin mit zweimal<br />
sechs Monaten zu 100 Prozent oder einmal<br />
zwölf Monaten zu 100 Prozent angerechnet.<br />
Das Weiterbildungsprogramm<br />
zum Facharzttitel für Kinder- und Jugendmedizin<br />
sieht ebenfalls in der Aufbauweiterbildung<br />
zwölf Monate zu 100 Prozent<br />
Praxisassistenz vor.<br />
Für die Weiterbildung in der Praxisassistenz<br />
sind die Lehrpraktiker verantwortlich.<br />
Diese müssen vom Schweizerischen<br />
Institut für Weiter- und Fortbildung<br />
(SIWF) als Lehrpraktiker anerkannt und<br />
ihre Praxis als Weiterbildungsstätte akkreditiert<br />
sein. Die akkreditierten Weiterbildungsstätten<br />
sind unter www.fmh.ch<br />
(Facharzttitel und Schwerpunkte) einsehbar.<br />
Nur bei einer anerkannten Weiterbildungsstätte<br />
kann die absolvierte Praxisassistenz<br />
auch von der FMH als Weiterbildungszeit<br />
angerechnet werden.<br />
In der Schweiz werden grundsätzlich zwei<br />
Arten von Praxisassistenzprogrammen<br />
angeboten:<br />
• das Praxisassistenzprogramm der Stiftung<br />
zur Förderung der Weiterbildung<br />
in Hausarztmedizin (Stiftung WHM<br />
FMF)<br />
• die kantonalen Praxisassistenzprogramme<br />
Tabelle 1: Praxisassistenz-Programme, Übersicht<br />
Das Praxisassistenzprogramm<br />
der Stiftung zur Förderung der<br />
Weiterbildung in Hausarzt medizin<br />
(Stiftung WHM FMF)<br />
Die Praxisassistenz wird in der Schweiz<br />
seit Mitte 1998 angeboten. Das ursprüng-<br />
14 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Tabelle 2: Praxisassistenz-Programme,<br />
Finanzierung<br />
lich von der Ärzteschaft aufgebaute und<br />
vom Kollegium für Hausarztmedizin<br />
(KHM) weiterentwickelte Programm wird<br />
seit 2009 von der Stiftung zur Förderung<br />
der Weiterbildung in Hausarztmedizin<br />
(Stiftung WHM FMF) betreut und verwaltet.<br />
Die Stiftung WHM FMF, welche von der<br />
SGAM, SGIM, SGP, FMH, <strong>VSAO</strong> und dem<br />
KHM getragen wird, ist eine nationale<br />
Einrichtung und steht grundsätzlich allen<br />
Assistenzärztinnen und -ärzten mit Ziel<br />
Allgemeine Innere Medizin oder Kinderund<br />
Jugendmedizin zur Verfügung. Als<br />
Zulassungsbedingungen gelten:<br />
––<br />
ein Schweizer Diplom oder ein ausländisches<br />
Diplom, welches vom Bundesamt<br />
für Gesundheit (BAG) anerkannt ist,<br />
––<br />
die FMH-Mitgliedschaft,<br />
––<br />
mindestens zwei Jahre Weiter- und<br />
Fortbildung zu 100 Prozent an einer<br />
vom SIWF anerkannten Weiterbildungs<br />
stätte in der Schweiz (max. sieben<br />
Jahre),<br />
––<br />
beim angestrebten Facharzttitel Allgemeine<br />
Innere Medizin (AIM) mindestens<br />
ein Jahr zu 100 Prozent FMH-anerkannte<br />
Weiterbildung in der Inneren<br />
Medizin bzw. beim angestrebten Facharzttitel<br />
Kinder- und Jugendmedizin<br />
(KJM) mindestens zwei Jahre zu 100 Prozent<br />
FMH-anerkannte Weiterbildung in<br />
der Pädiatrie.<br />
Finanzierung<br />
Beim Praxisassistenzprogramm der Stiftung<br />
WHM FMF handelt es sich um eine<br />
Mitfinanzierung einer Praxisassistenz<br />
und nicht um eine Ausfinanzierung. Zurzeit<br />
beträgt der mitfinanzierte Assistenzarztlohn<br />
im Programm Fr. 6500.–. Die<br />
Stiftung WHM FMF finanziert die Hälfte<br />
der gesamten Lohnkosten (Assistenzarztlohn<br />
plus Arbeitgeberbeiträge) mit. 2014<br />
finanzierte die Stiftung WHM FMF 29<br />
Praxisassistenzstellen zu sechs Monaten<br />
zu 100 Prozent mit. Ausführliche Informationen<br />
über die Bedingungen für die<br />
Assistenzärzte wie auch für die Lehrpraktiker<br />
können unter www.whm-fmf.ch<br />
eingesehen werden.<br />
Kantonale<br />
Praxisassistenzprogramme<br />
Unter dem Druck des zunehmenden<br />
Hausärztemangels sowie durch die Initiative<br />
«Ja zur Hausarztmedizin» haben seit<br />
2006 die meisten Kantone entweder eigene<br />
Praxisassistenzprogramme entwickelt<br />
oder sich an anderen kantonalen Programmen<br />
beteiligt. Die Kantone selbst<br />
sind an einer qualitativ hochwertigen wie<br />
quantitativ ausreichenden Hausarztmedizin<br />
für ihre Bevölkerung interessiert. Als<br />
Grundlage für die kantonalen Programme<br />
diente das Programm der Stiftung<br />
WHM FMF. Die Programme selbst sind<br />
aber in ihrer Struktur, in den Zulassungsbedingungen<br />
sowie auch in der Entlöhnung<br />
verschieden und miteinander nicht<br />
kompatibel.<br />
Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die Praxisassistenzprogramme,<br />
welche zurzeit in<br />
den Kantonen angeboten werden. Insgesamt<br />
bieten die kantonalen Programme<br />
im Jahr <strong>2015</strong> ca. 220 Praxisassistenzstellen<br />
zu sechs Monaten zu 100 Prozent an.<br />
In 17 Kantonen ist das Angebot mit der<br />
Nachfrage recht ausgeglichen, in einem<br />
Kanton ist das Angebot grösser als die<br />
Nachfrage und in sechs Kantonen übersteigt<br />
die Nachfrage das Angebot. Die<br />
meisten Programme der Kantone bieten<br />
auch die Praxisassistenz in Teilzeit an.<br />
Finanzierung<br />
Die Finanzierung der Praxisassistenz ist<br />
von Kanton zu Kanton unterschiedlich<br />
(Tabelle 2). Zwei Kantone (GR und SZ)<br />
kennen eine fixe Besoldung, in einem<br />
Kanton (LU) kommt eine fixe Besoldung<br />
bei denjenigen Assistenten zur Anwendung,<br />
welche nicht vorgängig im kantonalen<br />
Spital angestellt waren. Die anderen<br />
Kantone entlöhnen nach absolviertem<br />
Tabelle 3: Praxisassistenz-Programme, Bedingungen Assistenzärzte<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
15
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Weiterbildungsjahr, wobei drei Kantone<br />
die Löhne beim 4., 6. oder 9. Weiterbildungsjahr<br />
begrenzen. Ebenso unterschiedlich<br />
sind die finanziellen Beteiligungen<br />
an den Lohnkosten des Assistenzarztes<br />
durch den Lehrpraktiker.<br />
Tabelle 4: Praxisassistenz-<br />
Programme, Bedingungen<br />
Lehrpraktiker<br />
Bedingungen Assistenzärzte<br />
Die Bedingungen für Assistenzärzte sind<br />
kantonal verschieden (Tabelle 3). Die<br />
meisten Kantone fordern vor Antritt der<br />
Praxisassistenz eine bestimmte absolvierte<br />
Weiterbildungszeit. Viele Kantone setzen<br />
zwei bis drei Jahre klinische Weiterbildung<br />
voraus, sieben Kantone explizit in Innerer<br />
Medizin. Zwei Kantone kennen eine Niederlassungspflicht<br />
(BS und VS), alle anderen<br />
Kantone haben von dieser Einschränkung<br />
Abstand genommen, wobei natürlich<br />
eine Niederlassung im jeweiligen<br />
Kanton gewünscht wird.<br />
Die Koordinationsstellen, welche für die<br />
Praxisassistenzprogramme verantwortlich<br />
und auch für die operative Umsetzung<br />
zuständig sind, werden in der Tabelle<br />
5 aufgelistet. Viele Koordinationsstellen<br />
sind an den Spitälern angegliedert und<br />
werden von engagierten Hausärzten betreut.<br />
Die Nähe der Koordinationsstellen<br />
zu den Assistenzärzten ist entscheidend<br />
für den Erfolg eines Programmes. So können<br />
bei Unklarheiten oder speziellen Fragestellungen<br />
die Assistenzärzte rasch und<br />
unkompliziert kompetente Unterstützung<br />
erhalten.<br />
Administration und Evaluation<br />
In der Regel sind die Praxisassistenzärzte<br />
am jeweiligen Kantonsspital angestellt (in<br />
17 Kantonen) (Tabelle 6). Zwei Kantone<br />
stellen die Assistenzärzte selbst an, in einem<br />
Kanton geschieht das durch den Kanton<br />
und das Spital und je ein Kanton lässt die<br />
Anstellung durch den Lehrpraktiker vollziehen<br />
bzw. wickelt die gesamte Administration<br />
über die Stiftung WHM FMF ab.<br />
Die Praxisassistenzprogramme werden in<br />
den meisten Fällen evaluiert, wobei die<br />
Evaluation nicht einheitlich geschieht. In<br />
einigen Kantonen wird die Evaluation<br />
durch die Stiftung WHM FMF durchgeführt,<br />
welche ihr eigenes Programm seit<br />
Jahren selbst evaluiert. Einige Kantone<br />
evaluieren ihr Programm selbst und sechs<br />
Kantone haben keine Evaluation.<br />
Tabelle 5: Praxisassistenz-Programme, Koordinationsstellen (operativ)<br />
Curricula (Rotationsstellen)<br />
In der Aufbauweiterbildung zum Facharzttitel<br />
Allgemeine Innere Medizin sind soge-<br />
16 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Tabelle 6:<br />
Praxis-<br />
assistenz-<br />
Programme,<br />
Administration<br />
und<br />
Evaluation<br />
nannte Curricula oder Rotationsstellen<br />
vorgesehen (Tabelle 7). Diese Curricula,<br />
also strukturierte Weiterbildungsstellen in<br />
den sogenannten «kleinen Fächern», sollen<br />
die Weiterbildung mit Ziel Hausarztmedizin<br />
komplettieren. Oft ist es für die Assistenzärzte<br />
schwierig, in den für die hausärztliche<br />
Tätigkeit relevanten Spezialgebieten<br />
(z.B. Dermatologie, HNO, Orthopädie,<br />
Chirurgie, Gynäkologie etc.) eine Weiterbildungsstelle<br />
für sechs Monate zu erhalten.<br />
Namentlich chirurgische oder orthopädische<br />
Kompetenzen, welche in einer hausärztlichen<br />
Praxis wichtig sind, können<br />
auch in einem Curriculum in der Aufbauweiterbildung<br />
erworben werden.<br />
In 16 Kantonen kann eine Curriculum-<br />
Weiterbildung absolviert werden, wobei<br />
die Angebote sehr unterschiedlich sind<br />
(Tabelle 7). In einigen Kantonen steckt<br />
die Curriculum-Weiterbildung noch in<br />
der Aufbauphase und deren Angebot ist<br />
daher noch nicht genau definiert; andere<br />
Kantone weisen ein schon recht ausgebautes<br />
und gut etabliertes Curriculum-<br />
Angebot auf. Hier ist es wichtig, dass sich<br />
die Interessenten direkt an die zuständigen<br />
Koordinatoren der jeweiligen Kanto-<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
17
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
ne wenden und sich von ihnen beraten<br />
lassen (Tabelle 9).<br />
Die Curriculum-Ziele sowie die -Lerninhalte<br />
sind definiert und beim SIWF<br />
hinterlegt. Grundsätzlich können die Curricula<br />
(Rotationsstellen) im stationären<br />
wie auch im ambulanten Bereich eingerichtet<br />
werden. Wichtig ist, dass im ambulanten<br />
Bereich der Weiterbildner bei dem<br />
SIWF als Lehrarzt akkreditiert ist, damit<br />
die Weiterbildungszeit des Assistenzarztes<br />
auch angerechnet wird. Ziel der Curriculum-Weiterbildung<br />
muss sein, dass sich<br />
die angehenden Hausärzte in den jeweils<br />
gewählten Fachgebieten diejenigen Fähigkeiten<br />
aneignen, welche sie in ihrer späteren<br />
Tätigkeit in der hausärztlichen<br />
Praxis kompetent und eigenverantwortlich<br />
einsetzen können.<br />
Auch die Curricula (Rotationsstellen) sind<br />
an Bedingungen geknüpft (Tabelle 8).<br />
Fragen zu den verschiedenen Curricula-<br />
Angeboten kann man an die verantwortlichen<br />
Curricula-Koordinationsstellen<br />
richten (Tabelle 9).<br />
Verschiedene kantonale Koordinatoren<br />
bieten auch eine Laufbahnberatung an.<br />
Im persönlichen Gespräch können die<br />
verschiedenen Lebensentwürfe, die beruflichen<br />
Möglichkeiten und Ziele besprochen<br />
und analysiert werden. Gemeinsam<br />
mit dem Assistenzarzt soll eine für ihn<br />
massgeschneiderte Weiterbildung zusammengestellt<br />
werden, die er in nützlicher<br />
Frist absolvieren kann und ihn danach<br />
befähigt, seinen Beruf kompetent und<br />
umfassend auszuüben. ■<br />
Tabelle 7: Rotationsstellen (Curricula), Übersicht<br />
Korrespondenzadresse<br />
Dr. med. Christian Häuptle<br />
Leitender Arzt Hausarztmedizin<br />
Kantonsspital St. Gallen<br />
Rorschacherstrasse 95<br />
9007 St. Gallen<br />
christian.haeuptle@kssg.ch<br />
Tabelle 8: Rotationsstellen (Curricula), Bedingungen Assistenzärzte & Kliniken<br />
Literatur<br />
Häuptle Christian, von Erlach Manolya, Bauer<br />
Werner, Brinkley Bruce: Koordination von Curricula<br />
(Rotationsstellen) und Praxisassistenzstellen.<br />
Bericht der Stiftung zur Förderung der<br />
Weiterbildung in Hausarztmedizin (WHM) zuhanden<br />
Bundesamt für Gesundheit (BAG) und<br />
Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen<br />
und -direktoren (GDK),<br />
Bern, 27. Mai 2014. Praxis <strong>2015</strong>;104 (3): 137–150<br />
18 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Tabelle 9: Rotationsstellen<br />
(Curricula), Koordinationsstelle,<br />
Administration, Evaluation<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
19
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Das Ergebnis zählt<br />
Was alles macht einen frisch diplomierten Arzt, eine Jungärztin aus? Dieser Frage geht<br />
zurzeit eine Arbeitsgruppe nach, die den seit 2008 gültigen Schweizer Lernzielkatalog für<br />
Studierende (SCLO) überarbeitet. Beteiligt sind auch der <strong>VSAO</strong> und die swimsa.<br />
Sonja Trüstedt, Mitglied des Ressorts Weiterbildung <strong>VSAO</strong><br />
Wer nach dem Jahr 2006 Humanmedizin<br />
zu studieren begann, erlebt(e) ein reformiertes<br />
Studium. Die auffälligsten Änderungen<br />
sind Gliederung in Bachelor-<br />
(Studienjahr 1–3) und Masterstudiengang<br />
(Studienjahr 4–6), der angestrebte<br />
Titel zum «Master of Medicine» und die<br />
eidgenössische Prüfung in Humanmedizin<br />
als Ersatz für das traditionelle Staatsexamen.<br />
Studierende aller Medizinischen<br />
Fakultäten der Schweiz bereiten<br />
sich auf dieselbe Prüfung vor, deren Inhalt<br />
der Schweizer Lernzielkatalog für<br />
Studierende (SCLO) vorgibt. Aktuell wird<br />
eine neue Version erarbeitet. In der Arbeitsgruppe<br />
ist sowohl der <strong>VSAO</strong> als auch<br />
die swimsa vertreten.<br />
Von prozess- zu<br />
kompetenzgesteuerter<br />
Bildung<br />
Ungefähr bis zur Jahrtausendwende wurde<br />
davon ausgegangen, dass Studierende<br />
sich zuerst intensiv das Basiswissen in den<br />
Gebieten Anatomie, Histologie, Biochemie<br />
und Pathologie aneignen müssen, um<br />
später ihr Wissen in den Fachspezialitäten<br />
zu vertiefen. Durch die optimierte Abfolge<br />
der Lehrveranstaltungen würden Jungärzte<br />
auf diese Weise gut gerüstet für die<br />
Anforderungen als Assistenzarzt sein.<br />
Australien war eines der ersten Länder,<br />
das den fast 100-jährigen Königsweg der<br />
Medizinausbildung verliess und stattdessen<br />
die Organisation der ärztlichen Bildung<br />
vom Ziel her rückwärts entwickelte.<br />
Dafür wurde definiert, was ein Studierender<br />
oder auch ein Facharzt am Ende<br />
seiner Aus- resp. Weiterbildung beherrschen<br />
sollte. Mit diesen Zielen oder «outcomes»<br />
stets vor Augen wurde nun mittels<br />
geeigneter Lehrmethoden der Bildungsweg<br />
geplant. Heute ist der kompetenzerwerbgesteuerte<br />
Bildungsweg oder die<br />
«outcome-based-education OBE» weltweit<br />
verbreitet. Spätestens mit der Bologna-Reform<br />
2006 und der nachfolgenden<br />
eidgenössischen Prüfung in Humanmedizin<br />
seit 2011 wird auch in der Schweiz<br />
outcomebasiert gelehrt und gelernt.<br />
Welche Kompetenz<br />
ist gefragt?<br />
Es ist eine Herkulesaufgabe zu beschreiben,<br />
was ein Assistenz- oder später ein<br />
Facharzt alles wissen und können sollte.<br />
Doch Wissen und Können sind nicht die<br />
einzigen Anforderungen an einen guten<br />
Arzt, erwartet wird im Weiteren ein «arzttypisches»<br />
Verhalten, ein angemessener<br />
Umgang mit Patienten, Angehörigen oder<br />
Kollegen.<br />
Beschreibungen von Lernzielen umfassen<br />
unter Umständen tausende von beispielhaften<br />
Anforderungen. In dieser Form<br />
sind sie aber nicht brauchbar. Daher bildeten<br />
sich Arbeitsgruppen, die übergeordnete<br />
Themen aus den verschiedenen Beispielen<br />
herausdestillierten und daraus ein<br />
Konzept mit allen Lernzielen erstellten.<br />
Um die Jahrtausendwende publizierten<br />
Gesundheitsbildungsexperten aus verschiedensten<br />
Nationen ihre unterschiedlichen<br />
Konzepte. Allen gemeinsam sind<br />
ein spezifischer Teil mit biomedizinischen<br />
Kompetenzen und ein unspezifischer Teil<br />
mit Kompetenzen, die in jedem hochspezialisierten<br />
Beruf mit komplexem zwischenmenschlichem<br />
Austausch wichtig<br />
sind. Dazu gehören Kommunikationsfertigkeiten,<br />
Teamkompetenzen, Fertigkeiten<br />
in Qualitätsverbesserungsmassnahmen<br />
oder Patientensicherheit usw. Es entstanden<br />
Modelle mit konzentrischen Kreisen<br />
(Dundee, Vereinigtes Königreich) oder<br />
Dreiecksmodelle (Council for Graduate<br />
Medical Education, USA), am verbreitetsten<br />
ist eine sechsblättrige Blume, das Can-<br />
MEDS System.<br />
Das CanMEDS System<br />
Seit den 1990er Jahren wurde am Royal<br />
College of Phycians and Surgeons in Kanada<br />
an einem Fertigkeitsinventar für alle<br />
kanadischen Ärzte geforscht. Die Version<br />
von 2005 erzielte weltweite Aufmerksamkeit<br />
und wird auch in der Schweiz als<br />
Basis für den Lernzielkatalog für Studierende<br />
(SCLO) verwendet. Selbst einige<br />
Fachgesellschaften haben ihr Weiterbildungsprogramm<br />
auf diesem Rahmenwerk<br />
aufgebaut, beispielsweise die SGAR.<br />
Die provisorische Version <strong>2015</strong> ist leicht<br />
revidiert worden und wird nachfolgend<br />
vorgestellt.<br />
In unserem Arbeitsalltag schlüpfen wir<br />
wie ein Schauspieler in verschiedene Rollen<br />
mit unterschiedlichen Anforderungen.<br />
Das CanMEDS System definiert sieben<br />
Rollen. Der Medical Expert steht übergreifend<br />
und allgegenwärtig im Zentrum. Die<br />
Bezeichnungen der sechs anderen Rollen<br />
sind weitgehend selbsterklärend. Übrigens<br />
wurde der Manager in der Version <strong>2015</strong><br />
zum «Leader». Interessierte finden mehr<br />
dazu auf der Webseite www.royalcollege.<br />
ca/canmeds/framework.<br />
3. Version des SCLO<br />
Die Jungärzte, welche seit 2011 ihr Studium<br />
abgeschlossen haben, kennen den<br />
Schweizer Lernzielkatalog für Studierende<br />
(SCLO). Er war Basis ihrer Vorbereitung<br />
für die eidgenössische Prüfung in Humanmedizin.<br />
Oftmals wird angemerkt,<br />
dass dieser Katalog wenig brauchbar, verwirrend<br />
und redundant sei, zu detailreich<br />
und kompliziert in der Anwendung, so<br />
dass unklar bleibe, was schliesslich gefordert<br />
sei.<br />
Aktuell überarbeitet eine Arbeitsgruppe<br />
den Katalog. In dieser ist sowohl der<br />
<strong>VSAO</strong> als auch die swimsa vertreten. Als<br />
Grundrahmenkonstrukt wird voraussichtlich<br />
das CanMEDS System beibehalten.<br />
Die Chance besteht jetzt, mittels der<br />
Revision des Lernzielkatalogs den Übergang<br />
vom Studium ins Berufsleben zu<br />
erleichtern.<br />
■<br />
20 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
SIWF-Projektförderung: ärztliche<br />
Weiterbildung unterstützen – auch<br />
in Zukunft<br />
Dr. med. Werner Bauer, Präsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF,<br />
Dr. med. Raphael Stolz, Vizepräsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF,<br />
M. Sc. Nadja Jenni, Wissenschaftliche Mitarbeiterin SIWF/FMH<br />
Eine wichtige Aufgabe des Schweizerischen<br />
Instituts für ärztliche Weiter- und<br />
Fortbildung SIWF ist es, die Weiterbildenden<br />
aktiv zu unterstützen und die Qualität<br />
der ärztlichen Weiterbildung weiterzuentwickeln.<br />
Deshalb hat das Institut im Jahr<br />
2013 zum ersten Mal eine Ausschreibung<br />
zur Förderung von Weiterbildungsprojekten<br />
lanciert.<br />
Wir waren von der überraschenden Vielfalt,<br />
von der Originalität und von der Qualität<br />
der eingereichten Projekte sehr beeindruckt<br />
und die Auswahl derjenigen unter<br />
ihnen, denen ein Fördergeld zugesprochen<br />
werden konnte, war nicht einfach.<br />
Da das Feedback so positiv war und da so<br />
viele der angemeldeten Projekte ein erfreulich<br />
hohes Niveau hatten, lag die Entscheidung<br />
nahe: Das Projekt wird fortgeführt!<br />
Die Geschäftsleitung des SIWF hat deshalb<br />
beschlossen, die Projektförderung dieses<br />
Jahr erneut auszuschreiben mit dem Ziel,<br />
einen konkreten Beitrag zur methodischen<br />
und didaktischen Unterstützung<br />
der Weiterbildung zu leisten. Obwohl die<br />
zeitliche Belastung grösser und die finanziellen<br />
Ressourcen im Gesundheitswesen<br />
der Schweiz tendenziell knapper werden,<br />
hoffen wir wiederum auf initiative, einfallsreiche<br />
Weiterbildende, welche kreative<br />
Ideen haben und Wege suchen, um diese<br />
zu realisieren.<br />
Die finanziellen Mittel des SIWF stammen<br />
vorwiegend aus den Gebühren für die Erteilung<br />
der Facharzttitel. Es sind also die<br />
Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung,<br />
welche die Aktivitäten des SIWF fast vollumfänglich<br />
finanzieren. Umso mehr<br />
möchten wir diese Mittel nicht nur für die<br />
administrativen Aufgaben (Anerkennung<br />
von Weiterbildungsprogrammen und von<br />
Weiterbildungsstätten, Evaluation der Weiterbildung,<br />
Titelerteilung) einsetzen, sondern<br />
auch dazu beitragen, Neues und<br />
Kreatives in der Weiterbildung zu fördern.<br />
Projektinhalt und<br />
Methodik sind offen<br />
und frei<br />
Die SIWF-Projektförderung richtet sich an<br />
Weiterbildungsverantwortliche von anerkannten<br />
schweizerischen Weiterbildungsstätten<br />
– sowohl an Einzelpersonen als<br />
auch an Teams. Der Projektinhalt und die<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
21
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
SIWF-Projektförderung:<br />
Projektanträge jetzt einreichen!<br />
Das SIWF fördert Projekte, welche die ärztliche Weiterbildung direkt unterstützen. Haben Sie eine Idee<br />
oder bereits ein überzeugendes Konzept, das Sie umsetzen möchten? Teilnahmeberechtigt sind Ärztinnen<br />
und Ärzte mit einer Weiterbildungsfunktion an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte.<br />
Senden Sie Ihren Projektantrag in elektronischer Form an siwf@fmh.ch mit dem Vermerk<br />
«SIWF-Projektförderung»!<br />
Einsendeschluss: 15. Oktober <strong>2015</strong><br />
Informationen finden Sie auch auf www.siwf.ch. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an:<br />
siwf@fmh.ch oder Tel. 031 359 11 11.<br />
Rechtliche Hinweise: Das SIWF behält sich das Recht vor, den Projektwettbewerb bei Vorliegen besonderer<br />
Umstände abzusagen oder die Teilnahmebedingungen und die Beitragssumme zu ändern. Über<br />
den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mitglieder der<br />
Jury dürfen sich nicht für eine SIWF-Projektförderung bewerben.<br />
Methodik sind weitgehend offen. Mögliche<br />
Projektinhalte sind beispielsweise didaktische<br />
Hilfsmittel, «teach the teachers»-<br />
Angebote, IT-Anwendungen, interaktive<br />
e-Learning-Tools, Simulationsmethoden<br />
und so weiter. Wir möchten die Ausschreibung<br />
bewusst sehr offen und breit halten,<br />
gerade auch, um Innovationen Raum<br />
geben zu können.<br />
Anträge für eine<br />
SIWF-Projektförderung<br />
müssen folgende Punkte<br />
enthalten:<br />
––<br />
Ziel des Projekts<br />
––<br />
Beschreibung der Methode und des<br />
Produkts bzw. des erwarteten Resultats<br />
––<br />
Nutzen für die ärztliche Weiterbildung<br />
––<br />
Breite der Nutzungsmöglichkeiten,<br />
Übertragbarkeit, Anwendbarkeit an anderen<br />
Institutionen<br />
––<br />
Evaluationskriterien und Messgrössen<br />
––<br />
Zeitplan<br />
––<br />
Detailliertes Budget der Gesamt- oder<br />
Teilfinanzierung<br />
––<br />
Projektverantwortliche Person mit den<br />
Kontaktangaben<br />
Das vorgeschlagene Projekt muss umsetzbar<br />
und – allenfalls mit Adaptionen –<br />
auch für andere Weiterbildungsstätten<br />
anwendbar sein. Die Unterstützung des<br />
Projekts kann entweder die vollständige<br />
Finanzierung oder einen Beitrag an ein<br />
grösseres Projekt umfassen. Das Projekt<br />
sollte bis Frühjahr 2017 abgeschlossen<br />
sein, ein erster Zwischenbericht wird im<br />
September 2016 erwartet.<br />
Die Projektanträge können bis zum 15.<br />
Oktober <strong>2015</strong> in elektronischer Form an<br />
siwf@fmh.ch mit dem Vermerk «SIWF-<br />
Projektförderung» eingereicht werden.<br />
Anschliessend beurteilt eine aus Mitgliedern<br />
des SIWF-Vorstands und der SIWF-<br />
Geschäftsleitung zusammengesetzte Jury<br />
die eingegangenen Anträge. Die Jurorinnen<br />
und Juroren entscheiden bis ca. Ende<br />
Dezember <strong>2015</strong>, welche Projektanträge<br />
unterstützt werden. Der Beitragsrahmen<br />
für eine vollständige Projektfinanzierung<br />
beträgt zwischen 40 000 CHF und 60 000<br />
CHF, für Teilfinanzierungen sind Beträge<br />
zwischen 10 000 CHF und 20 000 CHF<br />
vorgesehen. Die Aufteilung und Ausschöpfung<br />
der zur Verfügung stehenden Gesamtsumme<br />
liegt in der Kompetenz der<br />
Jury.<br />
Neue Impulse durch die<br />
SIWF-Projektförderung<br />
Die abgeschlossenen Projekte werden auf<br />
www.siwf.ch und in der Schweizerischen<br />
Ärztezeitung publiziert sowie an einer Veranstaltung<br />
des SIWF vorgestellt. Die Ergebnisse<br />
der geförderten Projekte werden<br />
damit sowohl Fachleuten als auch einem<br />
breiteren Publikum zugänglich gemacht<br />
und sollen neue Impulse für weitere Projekte<br />
zur Verbesserung der ärztlichen<br />
Weiterbildung geben.<br />
■<br />
Kitaplatz gesucht – der <strong>VSAO</strong> hilft<br />
Wenn Sie einen Betreuungsplatz für Ihr Kind suchen, denken Sie daran: Seit 2011 unterstützt<br />
Ihr Verband Sie bei dieser zeitaufwendigen Aufgabe. Eine Anfrage mittels Online-Formular beim <strong>VSAO</strong> genügt und Sie<br />
erhalten Informationen zu verfügbaren Plätzen in Ihrer Wunschregion und die entsprechenden Kontaktdaten<br />
der Tagesstätten. Weitere wichtige Informationen und das Formular finden Sie unter der neuen Rubrik Arztberuf und Familie<br />
auf der <strong>VSAO</strong>-Homepage www.vsao.ch.<br />
22 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
A B C D E F ...<br />
a b c d e f ...<br />
LESEN LERNEN<br />
Relevante Signifikanz?<br />
Lukas Staub, Redaktionsmitglied <strong>VSAO</strong>-Journal<br />
Oft beschäftigen sich statistische Analysen<br />
mit der Frage, ob sich die Messwerte von<br />
zwei Gruppen statistisch signifikant<br />
unterscheiden. Dies wird üblicherweise mit<br />
dem p-Wert angegeben, welcher die Wahrscheinlichkeit<br />
schätzt, dass die in der Studie<br />
beobachteten Differenzen alleine durch<br />
Zufall entstanden sind. Dabei wird angenommen,<br />
dass in Wahrheit keine Differenz<br />
existiert; es wird also die Wahrscheinlichkeit<br />
eines Fehlers 1. Art (α) geschätzt.<br />
Anders ausgedrückt, beantwortet der p-<br />
Wert folgende Frage: Wenn es in Wirklichkeit<br />
keinen Unterschied zwischen den<br />
Gruppen gäbe und wir die Studie viele<br />
Male wiederholen könnten, in welchem<br />
Anteil der Wiederholungen kämen wir<br />
zum gleichen (falschen) Schluss, dass die<br />
gemessene Differenz gleich gross oder<br />
grösser ist als in der ersten Studie?<br />
In der allgemeinen Praxis ist man übereingekommen,<br />
dass ein solcher Fehlschluss<br />
weniger als einmal in zwanzig<br />
Wiederholungen der Studie vorkommen<br />
sollte, was einem p-Wert von 0.05 (oder<br />
5%) entspricht. Falls p
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
«Organisation ist alles»<br />
Lea Stoll und Ida Füglistaler teilen sich eine Vollzeitstelle als Oberärztinnen in der Chirurgie.<br />
Beide arbeiten im Wochenrhythmus. Ein reibungsloser Informationsfluss, ein vergleichbares<br />
operatives Niveau, gegenseitiges Vertrauen und eine umsichtige Organisation machen es<br />
möglich. Heute sind sie für die Kollegen beinahe zu einer Person verschmolzen.<br />
Mit Lea Stoll, Oberärztin Viszeralchirurgie am St. Claraspital Basel, sprach Simone Burkhard Schneider,<br />
Stv. Geschäftsführerin, Stabsjuristin <strong>VSAO</strong>.<br />
Sie teilen sich mit einer Kollegin<br />
ein Vollzeitpensum auf der<br />
Chirurgie. Wer hat Sie dabei<br />
unterstützt, dieses Jobsharingmodell<br />
einzuführen?<br />
Lea Stoll: Ausschlaggebend war natürlich<br />
die Bereitschaft unseres Chefs, sich<br />
auf das von uns vorgeschlagene Modell<br />
einzulassen. Am meisten unterstützt hat<br />
uns jedoch unser familiäres Umfeld. Regelmässig<br />
musste jemand bereit sein, bei<br />
Krankheiten oder in Notfällen einzuspringen.<br />
Ohne diese Unterstützung wäre unser<br />
Jobsharing in den ersten Jahren sicher<br />
nicht möglich gewesen.<br />
Wie sieht Ihr<br />
Jobsharingmodell aus?<br />
Organisatorisch hatten wir wenig Spielraum,<br />
das Jobsharing zu gestalten. Es<br />
kam nur ein Rhythmus von einem Einoder<br />
Zwei-Wochen-Einsatz in Frage. Entsprechend<br />
ist die Kinderbetreuung relativ<br />
schwierig zu organisieren.<br />
Jobsharing in der Chirurgie: Lea Stoll und Ida Füglistaler<br />
Wie hat Ihr berufliches Umfeld<br />
reagiert?<br />
Vor fünf Jahren, als wir mit dem Jobsharing<br />
begonnen haben, war dies ein Novum<br />
in der Chirurgie. Entsprechend wurde es,<br />
wie alles Neue, von unseren Vorgesetzten<br />
und den Kollegen mit einer gewissen<br />
Skepsis betrachtet.<br />
Fühlen Sie sich heute den<br />
Vollzeitmitarbeitenden gleichgestellt?<br />
Ich kann die Frage zu 90 Prozent mit Ja<br />
beantworten. In der Chirurgie geht es immer<br />
darum, wer die hochspezialisierten<br />
und «interessantesten» Eingriffe durchführen<br />
darf/kann. Wir hatten diesbezüglich<br />
beide nie den Eindruck, auf einem<br />
«Abstellgleis» gelandet zu sein. Nach<br />
anfänglicher Skepsis hat sich das Team<br />
an dieses Modell gewöhnt, nicht zuletzt<br />
auch, weil wir uns beide von Beginn an<br />
gegenseitig umfassend informiert haben.<br />
Entsprechend positiv äusserten und äussern<br />
sich unsere Vollzeit arbeitenden Kollegen.<br />
Sie hätten nie das Gefühl, dass<br />
Informationen verloren gegangen wären<br />
bzw. die Abwesenheit einer Jobsharingpartnerin<br />
ein Problem verursacht hätte.<br />
Das Jobsharing war bald kein Thema<br />
mehr, denn unsere Kollegen merkten<br />
schnell, dass sich für sie eigentlich gar<br />
nichts geändert hatte.<br />
Gewisse Einschränkungen sind allerdings<br />
nicht von der Hand zu weisen. Bei der<br />
Einführung neuer Techniken (z.B. aktuell<br />
die Roboterchirurgie) wird eher Vollzeit<br />
arbeitenden Kollegen ermöglicht, diese zu<br />
erlernen. Aber als Fazit: Im Team besteht<br />
absolute Gleichstellung!<br />
Wie kann eine möglichst hohe<br />
Akzeptanz von Teilzeitangestellten<br />
im Team erreicht<br />
werden?<br />
In unserem Jobsharingmodell, welches ja<br />
ein besonderes Teilzeitmodell ist, ist immer<br />
eine von uns beiden anwesend. Dies<br />
ist der entscheidende Vorteil gegenüber<br />
einem Teilzeitpensum von z.B. 60 Prozent,<br />
wo unter Umständen während der<br />
übrigen 40 Prozent keine Ansprechperson<br />
vorhanden ist. Im Praxisalltag werden wir<br />
oft als eine Person wahrgenommen. Dies<br />
merken wir auch daran, dass selbst langjährige<br />
Kollegen teilweise unsere Namen<br />
verwechseln!<br />
Neben der Präsenz ist der lückenlose Informationsfluss<br />
zwischen den Jobsharingpartnern<br />
ausschlaggebend. Dies bedeutet,<br />
dass wir grundsätzlich auch ausserhalb<br />
der Arbeitszeiten erreichbar sein müssen<br />
(was wir tatsächlich auch immer sind).<br />
Durch die Teilzeitanstellung darf im Weiteren<br />
keine Mehrarbeit für die anderen<br />
anfallen. Höchst unbeliebt sind natürlich<br />
Fehlzeiten (z.B. aufgrund kranker Kinder),<br />
da in unserem sehr straff organisierten<br />
Arbeitsalltag folglich sehr viel mehr<br />
Arbeit für die anderen anfällt. Wir haben<br />
uns so organisieren können, dass wir<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
25
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
praktisch nie wegen der Kinder gefehlt<br />
haben. Nicht unwichtig in der Chirurgie<br />
ist, dass beide Jobsharingpartner ein vergleichbares<br />
operatives Niveau mitbringen.<br />
Ansonsten wird die Planung erschwert.<br />
Welches sind die grössten<br />
Schwierigkeiten bei Ihrem<br />
Modell?<br />
Zu Beginn ging es natürlich vor allem<br />
darum, die Machbarkeit unseres Modells<br />
zu beweisen, was einen enormen persönlichen<br />
Einsatz erfordert hat.<br />
Den wochenweisen Wechsel hingegen sehe<br />
ich nicht als Schwierigkeit, sondern als<br />
absolute Bereicherung und Burnout-Prophylaxe.<br />
Unverzichtbare Grundvoraussetzung<br />
unseres Modells ist das gegenseitige<br />
Vertrauen zwischen meiner Partnerin und<br />
mir. Wir telefonieren mehrmals in der<br />
Woche. Und es trägt sicher zum guten<br />
Gelingen bei, dass wir im Laufe der Jahre<br />
sehr gute Freundinnen geworden sind.<br />
Das sehe ich zwar nicht als eine Voraussetzung,<br />
jedoch als eine sehr schöne Begleiterscheinung.<br />
Eine gewisse Flexibilität (z.B. wegen Kongressen,<br />
abendlichen Sitzungen, Nachtdiensten,<br />
Wochenenddiensten) ist natürlich<br />
auch gefordert. Voraussetzung ist eine<br />
extrem gute Organisation, v.a. wenn der<br />
Partner ebenfalls Dienste etc. planen<br />
muss.<br />
Die allergrösste Herausforderung stellt die<br />
Kinderbetreuung dar. Der wochenweise<br />
Rhythmus macht es schwierig, Krippenplätze<br />
oder eine Nanny zu finden. Mit einem<br />
Krippenplatz alleine wäre es sowieso<br />
nicht getan, da die meisten Krippen noch<br />
nicht geöffnet sind, wenn wir aus dem<br />
Haus gehen und schon geschlossen haben,<br />
wenn wir nach Hause kommen. Es<br />
braucht daher immer eine zusätzliche<br />
Person, die die Kinder bringt bzw. holt.<br />
Kommen die Kinder in den Kindergarten,<br />
ändert sich nichts. Viele Gemeinden haben<br />
noch keine zusätzlichen Betreuungsangebote<br />
wie Mittagstisch oder Tagesstrukturen.<br />
Voll abdecken lässt sich die<br />
Kinderbetreuung mit öffentlicher Betreuung<br />
also in den seltensten Fällen.<br />
Was raten Sie Ihren<br />
jüngeren Berufskolleginnen<br />
mit Familien wunsch?<br />
Zunächst muss der Partner von Anfang an<br />
mitmachen und bereit sein, sich um die<br />
Kinder und den Haushalt zu kümmern,<br />
wenn die Frau Dienst hat. Und zu übernehmen,<br />
wenn sie abends Vorträge, Publikationen<br />
etc. vorbereiten muss oder<br />
Weiterbildungen anstehen. Andernfalls<br />
geht es nicht oder nur mit grossem personellen<br />
Aufwand in Form von Babysittern<br />
und Nannys.<br />
Und, frau muss es unbedingt selber wollen.<br />
Gerade in der Chirurgie ist die berufliche<br />
Belastung sehr hoch. Kommen in<br />
den ersten Jahren noch schlaflose Nächte<br />
oder am Anfang Stillen am Arbeitsplatz<br />
dazu, braucht es eine enorme Belastbarkeit<br />
sowie absoluten Willen und Leidenschaft<br />
für den Beruf, sonst schafft man es<br />
nicht.<br />
Man darf nicht davon ausgehen, dass die<br />
Kollegen die eigenen organisatorischen<br />
Probleme verstehen. Man muss sich so<br />
organisieren, dass keine entstehen. Am<br />
besten also neben Plan B noch einen Plan<br />
C bereithalten.<br />
Für angehende Chirurginnen: So schnell<br />
als möglich die Facharztausbildung absolvieren<br />
und im Anschluss Kinder bekommen.<br />
Mit Anfang 30 sollte es nicht zu spät<br />
sein. Familiengründung und Teilzeitarbeit<br />
während der Weiterbildung halte ich für<br />
weniger geeignet, da es in der Chirurgie<br />
viel Erfahrung und Routine braucht und<br />
ein umfangreicher Operationskatalog erfüllt<br />
werden muss, um ein gewisses Niveau<br />
zu erreichen. Dieses dann später zu halten,<br />
ist viel einfacher. Macht man während der<br />
Weiterbildung eine längere Babypause,<br />
gelingt der Wiedereinstieg oft nicht oder<br />
man beginnt wieder von vorne.<br />
Bei der Wahl eines Jobsharingpartners ist<br />
es sehr hilfreich, einen gleich erfahrenen<br />
Partner, dem man vertraut, zu finden. Auf<br />
diese Weise gelingt es am ehesten, eine so<br />
abgestimmte und reibungslos laufende<br />
Performance zu liefern, als wäre man<br />
tatsächlich eine Person.<br />
Für mich ist unser Modell perfekt. Ich<br />
kann zwischen der absoluten Hingabe<br />
und Leidenschaft für den Beruf und der<br />
Freude und Bereicherung durch die Kinder<br />
zu Hause wochenweise wechseln,<br />
welch ein Luxus!<br />
■<br />
Feedback-Pool<br />
(D)ein kleiner, aber wertvoller<br />
Beitrag für eine gute<br />
Weiter- und Fortbildung<br />
Um im Bereich der ärztlichen Weiter- und Fortbildung Meinungen<br />
unserer Mitglieder zu einem Thema einholen zu<br />
können, wurde der Feedback-Pool eingerichtet.<br />
Macht mit, und helft dem <strong>VSAO</strong> damit, den Horizont im Ressort<br />
Weiterbildung etwas zu erweitern und Überlegungen<br />
breiter abzustützen.<br />
Weitere Infos unter www.vsao.ch und Anmeldung per E-Mail<br />
an bertschi@vsao.ch.<br />
Deine Erfahrung zählt!<br />
Visitationen bilden ein Element für das Überprüfen und Sicherstellen<br />
der Weiterbildungsqualität an einer Weiterbildungsstätte.<br />
Ein Visitationsteam, bestehend aus Vertretern des<br />
SIWF, der entsprechenden Fachgesellschaft und des <strong>VSAO</strong>,<br />
besucht die Klinik; vor Ort können die Umsetzung des Weiterbildungskonzeptes<br />
und die Verhältnisse überprüft werden. Ziel<br />
ist es, im Sinne einer positiv-konstruktiven Rückmeldung<br />
mögliche Verbesserungspotenziale zu erkennen und zu nutzen.<br />
Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, die gerne für den<br />
<strong>VSAO</strong> Visitationen begleiten möchten, melden sich bei Béa trice<br />
Bertschi, unserer Sachbearbeiterin für Weiterbildung/Visitationen<br />
im <strong>VSAO</strong> (bertschi@vsao.ch).<br />
26 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
<strong>VSAO</strong><br />
SEKTION BERN<br />
Gesamtarbeitsvertrag<br />
für die<br />
Insel Gruppe<br />
Für die neue Spitalgruppe gilt ab 1. Januar<br />
2016 für zwei Jahre ein eigener GAV, der<br />
im letzten halben Jahr zwischen den Sozialpartnern<br />
ausgehandelt wurde.<br />
Wir freuen uns, dass nun auch das Universitätsspital<br />
einem GAV angeschlossen<br />
ist. Damit sind im Kanton Bern 7837 Mitarbeitende<br />
zusätzlich kollektiv abgesichert.<br />
Gesamthaft werden ab 1. Januar<br />
2016 in den acht öffentlichen Spitälern des<br />
Kantons 16391 Beschäftigte einem GAV<br />
unterstellt sein. Das ist in der Schweizer<br />
Spitallandschaft einmalig.<br />
Für das Zustandekommen des Übergangs-<br />
GAV mussten sich die Sozialpartner in gut<br />
schweizerischer Manier zusammenraufen:<br />
Es galt, unbedingt eine Lösung zu<br />
finden, um einen vertragslosen Zustand<br />
für das Personal von Spital Netz Bern zu<br />
vermeiden. Wichtig war uns, dass die Vertragsbedingungen<br />
möglichst nahe am<br />
bestehenden Spital-GAV bleiben. Das haben<br />
wir erreicht.<br />
Verwaltungsrat und Geschäftsleitung des<br />
fusionierten Unternehmens haben wohlweislich<br />
entschieden, dass es bei der Neugestaltung<br />
der Anstellungsbedingungen<br />
keine Verliererinnen und Verlierer geben<br />
soll. Die besseren Bedingungen<br />
des bisherigen Spital-GAV gelten<br />
daher mit wenigen Ausnahmen<br />
weiterhin und neu auch in der Insel.<br />
Dazu zählen die 46-Stunden-<br />
Woche und die zusätzliche Ferienwoche<br />
für Oberärztinnen und<br />
-ärzte sowie die Anzahl Ferientage<br />
generell. Umgekehrt gelten die<br />
bisher besseren Bedingungen der<br />
Insel neu auch für die Beschäftigten<br />
des Spital Netzes.<br />
Ganz wenige Punkte werden auch<br />
mit dem neuen GAV nicht harmonisiert,<br />
so die Pensionskasse. Davon sind<br />
Assistenz- und Oberärztinnen aber nicht<br />
betroffen, da sie bei der <strong>VSAO</strong>-Vorsorgestiftung<br />
versichert sind. Betroffen sind sie<br />
dagegen hinsichtlich der Löhne und leider<br />
auch der Pausenregelung. Die bezahlte<br />
Mittagspause bei einer Arbeitszeit<br />
von mehr als neun Stunden, eine<br />
Errungenschaft des GAV, wird im<br />
Inselspital nicht eingeführt, dafür<br />
bleibt dort das Dienstessen bestehen,<br />
welches in den GAV-Spitälern<br />
gestrichen wurde.<br />
Die Lösung mit einem eigenen Betriebs-<br />
GAV für die Insel Gruppe ist aus Sicht der<br />
Personalverbände nicht die beste Lösung.<br />
Wir hätten eine Unterstellung unter den<br />
Spital-GAV, der heute für SNB und alle<br />
anderen öffentlichen Spitäler gilt, bevorzugt.<br />
Aber der Übergangs-GAV ist keine<br />
schlechte, sondern eine gute Lösung.<br />
15 Jahre Gesamtarbeitsvertrag<br />
Berner Spitäler<br />
Mit einer Medienkonferenz und einem<br />
festlichen Anlass feierten die Sozialpartner<br />
am 12. Juni <strong>2015</strong> das Jubiläum des Gesamtarbeitsvertrags<br />
für das Personal bernischer<br />
Spitäler. Der erste GAV in der<br />
Deutschschweizer Spitallandschaft war<br />
damals einzigartig. Heute, 15 Jahre später,<br />
sind die sieben Regionalen Spitalzentren,<br />
ein Alters- und Pflegeheim und eine Spitex-Organisation<br />
dem GAV unterstellt,<br />
insgesamt 8554 Beschäftigte. Der GAV hat<br />
dem Personal in den turbulenten Zeiten<br />
Sicherheit gegeben und für fortschrittliche<br />
Anstellungsbedingungen gesorgt. Diese<br />
Vorreiterrolle soll er auch weiterhin spielen.<br />
Erfolgreiche Standaktion<br />
Der <strong>VSAO</strong> Bern hat bei einer Standaktion<br />
am Käfigturm in Bern innert vier Stunden<br />
rund 300 Unterschriften für die Protestkarte<br />
an Bundesrat Schneider-Ammann<br />
gesammelt. Die Bevölkerung hat äusserst<br />
positiv reagiert und zum Teil Unverständnis<br />
geäussert, dass wir uns nicht viel heftiger<br />
zur Wehr setzen.<br />
Gut zu wissen<br />
Auf unserer Website www.vsao-bern.ch<br />
gibt es eine Rubrik «Gut zu wissen». Es<br />
lohnt sich, bei arbeitsrechtlichen Fragen<br />
zuerst diese Seite anzuklicken. ■<br />
Rosmarie Glauser,<br />
Geschäftsführerin Sektion Bern<br />
28 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
<strong>VSAO</strong><br />
§<br />
Rechtsberatung<br />
Valentine Gétaz Kunz,<br />
Sektionsjuristin Wallis<br />
Das Spital X hat mich per<br />
1. <strong>August</strong> <strong>2015</strong> angestellt.<br />
Ich habe den Vertrag noch<br />
nicht unterschrieben, aber<br />
die Stelle bereits angetreten.<br />
Ich bin mit den Arbeitsbedingungen<br />
nicht<br />
zufrieden. Der Weg von<br />
meinem Wohnort zum Spital<br />
ist zu lang. Ich möchte<br />
daher auf diese Stelle verzichten.<br />
Zudem habe ich<br />
vielleicht an einem anderen<br />
Ort eine interessantere<br />
Stelle gefunden.<br />
1. Darf ich meine Stelle verlassen?<br />
2. Wie muss ich vorgehen?<br />
Zuerst ist zu beachten, dass Sie auch ohne<br />
schriftlichen Vertrag vertraglich gebunden<br />
sein können. Der Arbeitsvertrag kann<br />
mündlich abgeschlossen werden und danach<br />
der Form halber mit einem Anstellungsschreiben<br />
oder einem von beiden<br />
Parteien unterzeichneten Vertrag bestätigt<br />
werden.<br />
Weiter muss geprüft werden, ob Ihr Vertrag<br />
befristet oder unbefristet ist.<br />
Im Falle eines unbefristeten Vertrages<br />
können Sie diesen unter Einhaltung<br />
der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist<br />
kündigen.<br />
Während der Probezeit gilt eine verkürzte<br />
Kündigungsfrist (in der Regel 7 Tage). Sie<br />
können also Ihren Vertrag unter Einhaltung<br />
dieser verkürzten Kündigungsfrist<br />
kündigen. Nach der Probezeit müssen Sie<br />
die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist<br />
einhalten. In der Regel beträgt<br />
diese im ersten Dienstjahr einen Monat<br />
jeweils auf Ende des Monats.<br />
Im Falle eines befristeten Vertrages<br />
ist die Situation komplizierter, da davon<br />
ausgegangen wird, dass die Parteien für<br />
die gesamte Vertragsdauer gebunden sind.<br />
Abgesehen von der fristlosen Auflösung<br />
aus wichtigen Gründen (OR 337) kann der<br />
Vertrag nur in gegenseitigem Einvernehmen<br />
der Parteien vorzeitig beendet werden.<br />
Sie müssten also zuerst eine vorzeitige<br />
Auflösung mit Ihrem Vorgesetzten<br />
aushandeln.<br />
Wenn Ihr Chefarzt eine vorzeitige Auflösung<br />
ablehnt, können Sie Ihre Stelle trotzdem<br />
verlassen. Man wir Ihnen aber vorwerfen<br />
können, dass Sie Ihre Stelle verlassen<br />
haben.<br />
OR 337d regelt das Verlassen der Arbeitsstelle.<br />
Diese Bestimmungen gelten auch<br />
bei Nichtantritt der Stelle. In diesem Fall<br />
ist dann die Rede von einem ungerechtfertigten<br />
Nichtantritt.<br />
OR 337d besagt: «Tritt der Arbeitnehmer<br />
ohne wichtigen Grund die Arbeitsstelle<br />
nicht an oder verlässt er sie fristlos, so<br />
hat der Arbeitgeber Anspruch auf eine<br />
Entschädigung, die einem Viertel des<br />
Lohnes für einen Monat entspricht;<br />
aus serdem hat er Anspruch auf Ersatz<br />
weiteren Schadens.» Der Arbeitgeber<br />
muss aber seinen Anspruch innert 30 Tagen<br />
seit dem Nichtantritt oder Verlassen<br />
der Stelle geltend machen.<br />
Abschliessend können wir also festhalten,<br />
dass Sie Ihre Stelle jederzeit verlassen können.<br />
Im schlimmsten Fall müssen Sie Ihrem<br />
Arbeitgeber, falls er gegen Sie klagt,<br />
eine Entschädigung in der Höhe von einem<br />
Viertel Ihres Monatsgehalts bezahlen. Es ist<br />
aber ratsam die Gründe für einen vorzeitigen<br />
Austritt mit dem Arbeitgeber zu besprechen,<br />
um mit dem Spital eine einvernehmliche<br />
und tragbare Lösung zu finden. ■<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
29
<strong>VSAO</strong><br />
-INSIDE<br />
Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Association suisse des médecins-assistant(e)s et chef(fe)s de clinique<br />
Associazione svizzera dei medici assistenti e capiclinica<br />
Angelo Barrile – unser<br />
Nationalratskandidat!<br />
Wohnort: Zürich<br />
Im <strong>VSAO</strong> seit: 2002<br />
Funktion im <strong>VSAO</strong>: Geschäftsleitungsmitglied<br />
Sektion Zürich<br />
Ein starker Händedruck, ein interessierter<br />
Blick – kein Zweifel, Angelo Barriles Auftreten<br />
ist einnehmend. Er ist ein aufmerksamer<br />
Zuhörer, der selbst bei ernsten<br />
Themen oft eine Prise Humor durchschimmern<br />
lässt. Seine Souveränität im<br />
Umgang mit andern Menschen lässt beinahe<br />
die Vermutung aufkommen, Angelo<br />
sei Berufspolitiker. Dabei konnte sich der<br />
Sohn italienischer Eltern, der in Pfungen<br />
(im unteren Tösstal, nahe Winterthur)<br />
aufwuchs, nicht einfach in ein gemachtes<br />
Nest setzen. Heute arbeitet Angelo als angestellter<br />
Hausarzt in einer Gruppenpraxis<br />
(70%) und setzt sich seit 2010 im Kantonsrat<br />
Zürich unter anderem für die Anliegen<br />
der Ärzteschaft ein.<br />
Angelos politische Karriere begann bereits<br />
1998 mit dem Beitritt zur SP, wo er sich<br />
schon bald im Fachausschuss Soziale Sicherheit<br />
und Gesundheit engagierte. Seit<br />
2010 ist er Präsident der Gesundheitskommission<br />
der SP Zürich. Als langjähriges<br />
Mitglied der Geschäftsleitung des <strong>VSAO</strong><br />
Zürich engagiert er sich für die standespolitischen<br />
Anliegen seiner Berufskollegen.<br />
Angelo bedauert, dass das Gesundheitswesen<br />
heute häufig nur als Kostenfaktor<br />
betrachtet wird. Der Gewinn für uns alle<br />
– nämlich die gute Gesundheit der Bevölkerung<br />
– gehe in der Diskussion viel zu<br />
häufig vergessen. Angelo engagiert sich<br />
für eine starke Hausarztmedizin und für<br />
gute Rahmenbedingungen für die Berufstätigen<br />
im Gesundheitswesen. Dies sei<br />
auch im Sinne der Patienten und nicht<br />
blosser Selbstzweck, betont er.<br />
Auch im <strong>VSAO</strong> Schweiz ist Angelo engagiert:<br />
Als aktiver und tatkräftiger Delegierter<br />
im Zentralvorstand ist er mit der nationalen<br />
Gesundheitspolitik bestens vertraut.<br />
Nun versucht er, den Sprung auf die<br />
nationale Bühne, in den Nationalrat, zu<br />
machen. Spontan nennt er drei Schwerpunkte,<br />
die er in Bern gern angehen wird:<br />
––<br />
Genügend Studienplätze im Bereich<br />
Medizin<br />
––<br />
Verhinderung der bürokratischen<br />
Zulassungssteuerung<br />
––<br />
Sicherung der hohen Qualität der<br />
medizinischen Aus- und Weiterbildung<br />
Ohne Zweifel, Angelo wird als Nationalrat<br />
ein Gewinn, auch für den <strong>VSAO</strong>! Nähere<br />
Informationen finden Sie unter www.<br />
barrile.ch<br />
■<br />
30 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
<strong>VSAO</strong><br />
Freie Mitarbeitende für<br />
die Zertifizierung von<br />
Medizinprodukten gesucht<br />
Wir suchen freie Mitarbeitende für die<br />
Überprüfung von<br />
klinischen Bewertungen von Medizinprodukten,<br />
d.h. deren wissenschaftliche Aussagekräftigkeit,<br />
Korrektheit und Vollständigkeit gemäss den Anforderungen<br />
der Richtlinie 93/42/EEC.<br />
Sie sollten in einem medizinischen Fachgebiet<br />
spezialisiert sein und Erfahrungen mit klinischen Studien<br />
oder Bewertungen von Medizinprodukten haben.<br />
Die Tätigkeit erfolgt als Freelancer und ist nebenberuflich.<br />
Weitere Informationen erhalten Sie unter<br />
Info@quality-service.ch<br />
Die QS Zürich AG<br />
Benannte Stelle für Medizinprodukte<br />
COACHING<br />
Arztberuf & Familie / Privatleben<br />
Telefonische Beratung:<br />
044 462 71 23 • info@und-online.ch<br />
Wie 2 bringe ich <strong>VSAO</strong> Familie, <strong>JOURNAL</strong> Freizeit und ASMAC Beruf unter einen Hut? Wie steige ich nach der Babypause wieder ein? Wie<br />
<strong>Nr</strong>. 3 Ja<br />
meistere ich die täglichen Herausforderungen? Antworten und Lösungsvorschläge auf diese und weitere Fragen<br />
bietet der <strong>VSAO</strong> seinen Mitgliedern im Rahmen eines kostenlosen Coachings an. Die Beratung erfolgt telefonisch<br />
durch die Fachstelle UND.<br />
Erfahren Sie mehr über dieses Beratungsangebot des <strong>VSAO</strong> auf unserer Website www2.vsao.ch unter der Rubrik<br />
Arztberuf & Familie / Privatleben.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
31
FOKUS ▶ WASSER<br />
Reha für Rhein und Co<br />
Bagger statt Skalpell, Landkarte statt Röntgenbild: Auch wenn sich Methoden und Instrumente<br />
unterscheiden – es gibt Parallelen zwischen der Behandlung von Patienten und den aktuellen<br />
Massnahmen im Schweizer Gewässerschutz. Dank umfangreichen Revitalisierungsprojekten werden<br />
in den kommenden 80 Jahren 4000 km stark begradigte Fliessgewässer wieder naturnäher.<br />
Christine Weber, Biologin, Dr. sc. nat., Leiterin Programm Fliessgewässer Schweiz; Julian Junker, Biologe,<br />
Msc, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Eawag: das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, 6047 Kastanienbaum<br />
Gut 65 000 km lang ist das Gewässernetz<br />
in der Schweiz und sehr vielfältig, umfasst<br />
es doch steile Wildbäche, glasklare Giessen<br />
und verzweigte Talflüsse (Abb. 1). Die<br />
meisten dieser Gewässer sind sehr dynamisch.<br />
So zerstören und schaffen Hochwasser<br />
Lebensräume, etwa indem sie<br />
Kiesbänke abschwemmen und das Kies<br />
andernorts wieder deponieren. Fische,<br />
Insekten und Uferpflanzen haben sich an<br />
diese Dynamik angepasst, ja, viele Tierund<br />
Pflanzenarten sind sogar von ihr<br />
abhängig. Insgesamt gehören Flüsse und<br />
Bäche zu den artenreichsten Ökosystemen<br />
der Welt.<br />
Anamnese<br />
Der Mensch nutzt die Fliessgewässer seit<br />
Jahrhunderten zur Trinkwassergewinnung,<br />
Wasserkrafterzeugung oder Abwasserableitung.<br />
Fliessgewässer erbringen<br />
also wichtige Leistungen für unser Wohlergehen.<br />
Auch baulich hat der Mensch<br />
eingegriffen: Um Land zu gewinnen oder<br />
zwecks Hochwasserschutz zwängte er viele<br />
Flüsse in enge Kanäle mit befestigten<br />
Ufern. Die intensive Nutzung hat ihre<br />
Spuren hinterlassen. Abfälle und Schaumkronen,<br />
die noch bis in die 1960er Jahre<br />
viele Schweizer Fliessgewässer prägten,<br />
gehören heute zwar der Vergangenheit<br />
an – dank den grossen Anstrengungen in<br />
der Abwasserreinigung und dem Gewässerschutz.<br />
Andere Beeinträchtigungen<br />
bleiben aber bestehen. So weisen im<br />
Schweizer Mittelland rund 46 Prozent<br />
oder 7360 Kilometer der Gewässer eine<br />
naturferne oder künstliche Struktur auf<br />
[1]. Über 101 000 künstliche Abstürze von<br />
mehr als 50 cm Höhe zerstückeln das<br />
Fliessgewässernetz. Rund 125 Speicherwasserkraftwerke<br />
produzieren künstliche<br />
Schwankungen in Abfluss und Temperatur<br />
[2]. Und auch neue Belastungen treten<br />
auf, so z.B. Mikroverunreinigungen.<br />
Abb. 1: Fliessgewässer sind dynamische und sehr artenreiche Lebensräume (Fotos: Ch. Weber).<br />
Diagnose<br />
Wie wirken sich diese Beeinträchtigungen<br />
auf die Fliessgewässer, ihre Dynamik und<br />
ihre Bewohner aus? Die kanalisierten<br />
Flüsse sind aufgrund von Verbauung und<br />
Eintiefung meist kaum mehr mit ihrem<br />
Umland vernetzt (Abb. 2). So sind seit 1850<br />
gut 90 Prozent der ursprünglichen Auen<br />
der Schweiz verschwunden [3]. Diese vielfältigen<br />
Lebensräume an der Schnittstelle<br />
zwischen Land und Wasser machen nur<br />
noch ein halbes Prozent der Landesfläche<br />
aus, beherbergen aber die Hälfte der einheimischen<br />
Pflanzenarten. Auen sind<br />
also Hotspots der Biodiversität! Die Zerstückelung<br />
der Gewässer mit künstlichen<br />
Abstürzen verunmöglicht die Wanderungen<br />
vieler Wasserlebewesen, sei es entlang<br />
des Hauptgewässers oder in die Zuflüsse.<br />
Dies alles sind Gründe, warum sich überdurchschnittlich<br />
viele Flussbewohner auf<br />
den Roten Listen der gefährdeten Tierund<br />
Pflanzenarten finden. So sind acht<br />
der ursprünglich 55 einheimischen Fischarten<br />
der Schweiz bereits ausgestorben<br />
32 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
FOKUS ▶ WASSER<br />
und nur 14 Arten gelten als nicht gefährdet<br />
[4]. Aber auch für den Menschen wichtige<br />
Ökosystemleistungen sind von den<br />
Eingriffen betroffen, etwa die Versorgung<br />
mit Trinkwasser oder der Hochwasserrückhalt.<br />
Behandlung<br />
Raum sichern, revitalisieren, Wasserkraft<br />
sanieren – mit diesen drei Schlagworten<br />
lässt sich die revidierte Gewässerschutzgesetzgebung<br />
in der Schweiz zusammenfassen.<br />
Seit gut drei Jahren ist sie in Kraft.<br />
Angestossen hat die Gesetzesrevision eine<br />
Volksinitiative des Schweizerischen Fischereiverbands<br />
und der Umweltverbände.<br />
Das revidierte Gesetz verlangt von den<br />
Kantonen, dass sie:<br />
• den Raum sichern und extensiv bewirtschaften,<br />
den ein Gewässer für seine<br />
natürlichen Funktionen und zur Gewährleistung<br />
des Hochwasserschutzes<br />
braucht (bis Ende 2018).<br />
• 4000 km stark beeinträchtigte Fliessgewässer<br />
in den kommenden 80 Jahren<br />
revitalisieren (Abb. 3). Dazu werden z.B.<br />
in kanalisierten Gewässern die Längsverbauungen<br />
entfernt und dem Fluss<br />
Platz zur Eigenentwicklung gegeben.<br />
Oder es werden eingedolte Bäche ans<br />
Tageslicht zurückgeholt.<br />
• die negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung<br />
beheben (bis 2030).<br />
Dazu gehört z.B. die Wiederherstellung<br />
der Fischwanderung an Kraftwerksanlagen<br />
mittels Hilfen beim Fischaufund<br />
-abstieg.<br />
Abb. 2: Der Mensch nutzt die Fliessgewässer und ihr Umland vielseitig (Fotos: Ch. Weber).<br />
Zur Erfüllung dieser Ziele stellt der Bund<br />
jährlich um die 110 Millionen CHF zur<br />
Verfügung, dazu kommen Mittel der Kantone<br />
und Gemeinden. Um die Revitalisierungs-<br />
und Sanierungsmassnahmen<br />
umzusetzen, sind interdisziplinäre Teams<br />
nötig, in denen Fachleute aus Wasserbau<br />
und Ökologie eng zusammenarbeiten.<br />
Zudem ist es wichtig, dass die lokalen Nut-<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
33
FOKUS ▶ WASSER<br />
zer mit ihren Anliegen von Beginn weg in<br />
den Planungsprozess einbezogen werden.<br />
Rehabilitation<br />
Der Bagger ist weg, die lokale Bevölkerung<br />
begeistert. Ist das Revitalisierungsprojekt<br />
also ein Erfolg? Das hängt von den gesetzten<br />
Zielen ab. Diese lassen sich mit geeigneten<br />
Messgrössen oder Indikatoren überprüfen.<br />
Sollte die Revitalisierung beispielsweise<br />
die Vernetzung mit dem Umland<br />
verbessern, dann lässt sich die Länge<br />
der Uferlinie messen – je länger sie ist,<br />
umso stärker sind Wasser und Land verzahnt.<br />
Rezeptartige Bewertungen sind<br />
aber nicht möglich. Vielmehr gilt es sorgfältig<br />
abzuklären, welche Bedingungen<br />
man in einem vergleichbaren naturnahen<br />
Gewässer erwarten würde. Dazu bieten<br />
historische Landkarten oder Aufzeichnungen<br />
an unbeeinflussten Gewässern<br />
Vergleichswerte.<br />
Bäche und Flüsse können sehr schnell auf<br />
eine Revitalisierung reagieren, so z.B. im<br />
Aargauer Wildibach [5]. Innert weniger<br />
Monate wanderten über 24 verschiedene<br />
Fischarten in das neugeschaffene Seitengerinne<br />
der Aare ein und pflanzten sich<br />
teilweise auch bereits fort. Zum Vergleich:<br />
In der Aare im gesamten Kantonsgebiet<br />
werden 32 Arten gezählt! Auch im Liechtensteiner<br />
Binnenkanal verlief die Wiederbesiedlung<br />
nach Revitalisierung und Behebung<br />
einer Wanderbarriere relativ<br />
schnell. Innerhalb von knapp vier Jahren<br />
erhöhte sich die Fischartenzahl dort von<br />
sechs auf 16 Arten. In unseren seit Jahrzehnten<br />
stark genutzten Gewässern<br />
braucht die Entwicklung hin zu einem<br />
naturnäheren Zustand aber oft deutlich<br />
mehr Zeit als in den zwei geschilderten<br />
Fällen. Beispielsweise können flussabwärts<br />
liegende Wanderhindernisse die<br />
Wiederbesiedlung eines revitalisierten<br />
Abschnitts weiter beeinträchtigen.<br />
Ungeachtet der ökologischen Entwicklung:<br />
Die Bevölkerung nutzt revitalisierte<br />
Flussabschnitte meist gerne zur Naherholung<br />
und Entspannung. Man darf also<br />
sagen: An einem erholten Fluss lebt ein<br />
erholter Mensch!<br />
■<br />
Referenzen<br />
[1] Zeh Weissman H., Könitzer C., Bertiller A.<br />
2009. Strukturen der Fliessgewässer in der<br />
Schweiz. Zustand von Sohle, Ufer und Umland<br />
(Ökomorphologie). Umwelt-Zustand.<br />
100 S.<br />
[2] Baumann P., Klaus I. 2003. Gewässerökologische<br />
Auswirkungen des Schwallbetriebs<br />
– Ergebnisse einer Literaturstudie. Mitteilungen<br />
zur Fischerei. 116 S.<br />
[3] Müller-Wenk R., Huber F., Kuhn N., Peter A.<br />
2004. Landnutzung in potentiellen Fliessgewässer-Auen<br />
– Artengefährdung und Ökobilanzen.<br />
Schriftenreihe Umwelt. 80 S.<br />
[4] Kirchhofer A., Breitenstein M., Zaugg B.<br />
2007. Rote Liste der Fische und Rundmäuler<br />
der Schweiz. Umwelt-Vollzug. 64 S.<br />
[5] Boller L., Würmli D. 2004. Sukzession der<br />
Fischfauna in einem neu geschaffenen Seitengerinne<br />
der Aare am Beispiel des Wildibachs.<br />
Masterarbeit Eawag/ETH Zürich. 94 S.<br />
Abb. 3: Revitalisierte Abschnitte an Rhone, Emme,<br />
Simme und Aare (Fotos: Ch. Weber).<br />
Partnervermittlung mit Charme<br />
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Kathrin Grüneis<br />
34 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
FOKUS ▶ WASSER<br />
Die grüne Fee –<br />
verehrt und verfemt<br />
Seine Geschichte ist wechselvoll: Geboren wurde der Absinthe im Val-de-Travers, von wo aus er<br />
die Welt eroberte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde seine Herstellung verboten, da er angeblich<br />
wahnsinnig machen solle. Im Verborgenen hielten ihm seine Anhänger jedoch beinahe hundert<br />
Jahre die Treue. Seit zehn Jahren darf man diesen speziellen Neuenburger nun wieder ganz legal<br />
geniessen.<br />
Patrick und Michael Widmer, Dock11 GmbH, Absinthe Distribution, Derendingen<br />
«Absinthe besitzt die Kraft der Magier;<br />
Absinthe kann die Vergangenheit auslöschen<br />
oder erneuern und die Zukunft<br />
annullieren oder voraussagen.»<br />
(Ernest Dowson, englischer Dichter<br />
1867–1900)<br />
Um die Entdeckung des Absinthe ranken<br />
sich viele Legenden. Insbesondere im frühen<br />
18. Jahrhundert basieren diese Geschichten<br />
auf Quellen, welche ähnlich<br />
trübe sind wie das Getränk selbst. Der eigentlichen<br />
Entdeckung des Getränkes<br />
gingen diverse Liköre auf der Basis von<br />
Wermut voraus, die in der Mitte des<br />
18. Jahrhunderts hergestellt wurden. Allerdings<br />
waren dies Absinthe-Weine und<br />
noch keine Destillate.<br />
Im Januar 1777 wurde im Rahmen eines<br />
Banketts in Boudry bei Neuenburg für die<br />
«Herren der Justiz» ein «extrait<br />
d`apessinte» als Digestif zur Verdauung<br />
gereicht. Absinthe wurde zu dieser Zeit<br />
also bereits in Gasthäusern serviert und<br />
genossen. Die Wirkung des besonderen<br />
Extraktes sprach sich schnell weit über die<br />
Grenzen des damaligen «Fürstentums<br />
Neuenburg» herum. Daher verwundert es<br />
nicht, dass auch der Arzt Dr. Pierre Ordinaire,<br />
der sich – angeblich auf der Flucht<br />
vor der Französischen Revolution – in<br />
Couvet im Val-de-Travers niederliess, davon<br />
erfahren haben soll. Ob es diesen<br />
«ordinären» Arzt, der das aussergewöhnliche<br />
Getränk unters Volk gebracht haben<br />
soll, tatsächlich gab, ist bis heute unklar.<br />
Denn es gibt nur ebenso ungenaue wie<br />
widersprüchliche Aussagen zu seiner Existenz.<br />
Tatsache ist, dass in Couvet, zufälligerweise<br />
in der Nachbarschaft dieses angeblichen<br />
Arztes ohne nachweisbare Niederlassung,<br />
eine kräuterkundige Frau namens<br />
Henriette Henriod lebte. Diese postalisch<br />
dokumentierte «Mère» Henriod gab dann<br />
gemäss diverser historischen Quellen das<br />
erste Rezept weiter. Wenn man sich die<br />
Lebensbedingungen in der Mitte des<br />
18. Jahrhunderts vergegenwärtigt, kann<br />
man gut verstehen, dass eine «Kräuterhexe»<br />
sich nicht als Herstellerin eines<br />
solch potenten Heilmittels und beliebten<br />
Getränkes zu erkennen geben wollte –<br />
und sich die Legende mit dem «gewöhnlichen»<br />
Arzt für eine nette und plausible<br />
Geschichte geradezu anbot. Zudem passt<br />
diese Vorstellung besser ins Weltbild der<br />
meist männlichen Historiker.<br />
Es ist trotzdem anzunehmen, dass «Mère»<br />
Henriod bereits für die Zubereitung des<br />
Getränks anlässlich des Banketts in Boudry<br />
zuständig war. In der Folge verkaufte<br />
sie wohl das Rezept an den Major Daniel-<br />
Henri Dubied. Dieser eröffnete mit seinem<br />
Schwiegersohn Henri-Louis Pernod im<br />
Jahr 1797 in Couvet die erste Destillerie.<br />
Illegal oder legal?<br />
Immer wieder wird man mit der Frage<br />
konfrontiert, ob Absinthe denn in der<br />
Schweiz legal sei. Wir können Sie an dieser<br />
Stelle beruhigen. In der Schweiz ist Absinthe<br />
legal zu kaufen, zu besitzen und zu<br />
konsumieren – wie jedes andere alkoholische<br />
Getränk. Dem war jedoch nicht<br />
immer so. Erst seit dem 1. März 2005 ist<br />
die «grüne Fee» in der Schweiz wieder auf<br />
freiem Fuss. Den Stein ins Rollen gebracht<br />
hatte eine EU-weite Gesetzesänderung von<br />
1998, mit welcher die Absinthe-Herstellung<br />
und dessen Einfuhr in die EU zugelassen<br />
wurde. Der erlaubte Thujongehalt<br />
wurde damals auf maximal 35 mg/kg<br />
festgelegt.<br />
Warum aber wurde der Absinthe überhaupt<br />
verboten? Anstoss dafür gab die<br />
Antialkoholbewegung Ende des 19. Jahrhunderts<br />
in Frankreich, als man erstmals<br />
das Problem des Alkoholismus erkannte.<br />
Vor diesem Hintergrund war der schreckliche<br />
Mordfall Lanfray in Commugny ein<br />
sehr willkommenes Argument für alle<br />
Absinthe-Gegner: Im Sommer des Jahres<br />
1905 kam es in der Waadtländer Gemeinde<br />
Commugny zu einem Familiendrama,<br />
als ein betrunkener Landarbeiter zuerst<br />
seine Frau und anschliessend seine zwei<br />
Töchter erschoss. Für dieses Ereignis wurde<br />
der Absinthe verantwortlich gemacht,<br />
obwohl vor Gericht klar wurde, dass der<br />
Mann täglich mehrere Liter Weisswein<br />
getrunken hatte. Doch der Ruf des Absinthe<br />
war zerstört. Es kam zu einer Volksinitiative,<br />
welche 1908, entgegen der Empfehlung<br />
des Bundesrates, angenommen<br />
wurde. Am 7. Oktober 1910 trat das Verbot<br />
in Kraft. Interessant sind in diesem Zu-<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
35
FOKUS ▶ WASSER<br />
sammenhang die Verbindungen und gegenseitigen<br />
Unterstützungen im Abstimmungskampf.<br />
Zwischen der Antialkoholbewegung<br />
(Blaues Kreuz u.a.), kirchlichen<br />
Kreisen und der Weinlobby bildete<br />
sich nämlich eine wahrlich unheilige<br />
Allianz. Bei einer historischen Betrachtung<br />
der Absinthe-Prohibition zeigt sich<br />
deutlich, dass der Absinthe für andere<br />
politische Ziele instrumentalisiert wurde.<br />
Dies waren in erster Linie nationalistische,<br />
rassistische und wirtschaftliche Ziele.<br />
Ist Absinthe gefährlich?<br />
Absinthe ist definitiv kein Betäubungsmittel<br />
und verursacht weder Halluzinationen<br />
noch macht er wahnsinnig. Es gab keine<br />
fundierten wissenschaftlichen Gründe für<br />
die Prohibition zu Beginn des 20. Jahrhunderts.<br />
Keiner der Inhaltsstoffe des<br />
Absinthe ist illegal oder gefährlich, noch<br />
machen sie gewalttätig. Im Gegenteil, viele<br />
Absinthe-Trinker sagen aus, dass sie bei<br />
Echten Absinthe kaufen<br />
Die Dock11 GmbH, auch bekannt als Absinthe Distribution, ist der Partner für originale<br />
und handgemachte Schweizer Absinthe-Produkte aus dem Val-de-Travers. Die<br />
Bewahrung der Authentizität und Originalität des Schweizer Absinthe liegt uns am<br />
Herzen. Aus diesem Grund werden unsere Produkte von Kleinproduzenten zu<br />
100 Pro zent aus natürlichen Inhaltsstoffen, nachhaltigen Verfahren und in Handarbeit<br />
hergestellt. Unsere Produzenten brennen den Absinthe seit je nach alter Familientradition<br />
und Rezepturen der Belle Epoque (www.absinthedistribution.ch).<br />
mässigem Konsum einen klaren Kopf<br />
bewahren. Nicht so bei anderen Alkoholika,<br />
welche die Sinne sehr schnell trüben.<br />
Oft wird diese Wirkung mit der Kräuterrezeptur<br />
und dem Thujongehalt in Verbindung<br />
gebracht.<br />
Thujon ist der legendäre Hauptwirkstoff<br />
im Absinthe und nach Lexikon ein Nervengift.<br />
Thujon wird aus dem Wermutkraut<br />
gewonnen. Das dunkelgrüne bis<br />
braune oder bläuliche, stark riechende,<br />
kratzend und bitter schmeckende ätherische<br />
Öl aus den silberartig schimmernden<br />
Blättern des grossen Wermutkrautes enthält<br />
zwischen 40 und 90 Prozent des<br />
Wirkstoffes Thujon. Neben den vielen<br />
verschiedenen Kräutern im Absinthe wird<br />
hauptsächlich das Thujon für die Steigerung<br />
der Kreativität und der Libido verantwortlich<br />
gemacht. Es hat weiter den angenehmen<br />
Effekt, dass es stimmungsaufhellend<br />
wirkt. Bereits seit dem Altertum wird<br />
Wermut auch vielseitig medizinisch eingesetzt.<br />
Verschiedene Sorten<br />
Der grosse und der kleine Wermut bilden<br />
zusammen mit Fenchel und Anis die Basis<br />
für alle Absinthes aus der Schweiz. Jedoch<br />
ist die Wermutpflanze nicht der<br />
einzige Inhaltsstoff, alle Destillateure<br />
bieten verschiedene Absinthes mit diversen<br />
Rezepturen an. Diese können zwischen<br />
fünf und fünfzehn verschiedene<br />
Kräuter enthalten. Oft sind Melisse, Pfefferminz,<br />
Süssholz und Koriander enthalten.<br />
Somit gibt es eine Vielzahl an verschiedenen<br />
Absinthes, die sich in Rezeptur<br />
und Geschmack unterscheiden.<br />
die Prohibition überlebt haben, neue sind<br />
dazugekommen. Für die traditionelle Methode<br />
aus der Schweiz und Frankreich<br />
wird auf ein klassisches Absinthe-Glas ein<br />
durchlöcherter Löffel gelegt, darauf ein<br />
Stück Würfelzucker. Mit einer sogenannten<br />
«Fontaine» wird eisgekühltes Wasser<br />
langsam über den Würfelzucker geträufelt,<br />
bis dieser sich vollständig auflöst und<br />
in den Absinthe tropft. Weiter gibt es auch<br />
noch das böhmische Ritual, wobei der<br />
Würfelzucker zuerst in den Absinthe getaucht<br />
und angezündet wird, bevor man<br />
das Wasser überträufelt. Bei den meisten<br />
heutigen Absinthe-Sorten, insbesondere<br />
denen aus der Schweiz, die wenig bitter<br />
und manchmal bereits durch die Pflanzenkombination<br />
leicht süsslich sein können,<br />
wird oft auf den Zucker verzichtet.<br />
Wenn sich der Absinthe mit Wasser vermischt,<br />
entsteht die typische milchige<br />
Trübung, die je nach Zusammensetzung<br />
der Inhaltsstoffe manchmal auch grünlich<br />
oder bläulich sein kann. Diese Opaleszierung,<br />
bei den Franzosen «Louche-Effekt»<br />
genannt, findet im Absinthe-Wasser-<br />
Verhältnis von 1:4 bis 1:6 statt. ■<br />
Wie trinkt man Absinthe?<br />
Bei kaum einem anderen alkoholischen<br />
Getränk haben sich derart viele unterschiedliche<br />
Trinkrituale entwickelt wie<br />
beim Absinthe. Es gibt alte Rituale, welche<br />
36 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
Faszination Freitauchen<br />
Wie ein Fisch durchs Wasser zu gleiten, ohne Tauchgerät auf dem Rücken. Das Gefühl von Freiheit<br />
und Entspannung zu geniessen – das ist zumindest für kurze Zeit beim Freitauchen möglich. Bevor<br />
es unter die Oberfläche geht, müssen allerdings die richtigen Techniken erworben werden. Wer<br />
weiss wie es geht und wer seine Fähigkeiten richtig einschätzen kann, wird Freitauchen als höchst<br />
genussvoll erleben.<br />
Barbara Hügli, Tauchlehrerin, Freitauchinstruktorin und Wasserbegeisterte<br />
Thunersee an einem schönen Sommertag.<br />
Bereitmachen zum Freitauchen:<br />
Apnoe-Anzug, Bleigurt, Monoflosse, Lanyard<br />
(Sicherungsleine), Maske, Schnorchel<br />
und Boje mit Seil und Blei. Mein<br />
Tauchpartner und ich sprechen uns ab:<br />
Wie sieht das Sicherheitsdispositiv aus?<br />
Was wollen wir heute üben?<br />
Heute möchte ich maximal auf 30 Meter<br />
tauchen. Am Seeufer ziehen wir die Flossen<br />
an und schwimmen an der Wasseroberfläche<br />
Richtung Seemitte, ungefähr<br />
50 Meter vom Ufer entfernt bereiten wir die<br />
Boje vor und fixieren das Grundblei in<br />
geringer Tiefe. Abwechslungsweise tauchen<br />
wir locker ein. Ich spreche mich<br />
definitiv ab, wie tief ich tauche und wie<br />
lange mein Tauchgang dauern wird. Das<br />
Grundblei wird auf 30 Meter fixiert.<br />
Dann geht es ans Entspannen – Augen<br />
schliessen und durchatmen, die Gedanken<br />
beruhigen sich. Nun bin ich bereit für<br />
den Tauchgang, ich befestige mein Lanyard<br />
am Seil, gebe meinem Tauchpartner<br />
ein Zeichen, atme nochmal durch und<br />
fülle meine Lunge maximal mit Luft,<br />
dann nehme ich den Druckausgleich vor<br />
und tauche ab.<br />
Die ersten zehn Meter sind anstrengend,<br />
ich habe Auftrieb, dann kommt der neutrale<br />
Bereich und schliesslich lasse ich<br />
mich fallen, bis ich das Grundblei erreicht<br />
habe. Ich fühle mich dem Wasser ganz<br />
nah, wie ein Delfin bewege ich mich mit<br />
der Monoflosse. Die Umgebung ist ruhig<br />
und klar, das Wasser schimmert seegrün<br />
und je tiefer ich tauche, umso schummriger<br />
wird das Licht und umso kälter wird<br />
das Wasser. Nun erreiche ich das Grundblei.<br />
Ich mache eine Wende, dann zwei<br />
kräftige Flossenschläge und schon geht es<br />
wieder aufwärts. Auf zehn Meter wartet<br />
mein Tauchpartner auf mich, der Auftrieb<br />
trägt mich nach oben, gemeinsam tauchen<br />
wir auf.<br />
Nun heisst es atmen, atmen, atmen. Ich<br />
gebe meinem Partner ein OK und schaue<br />
auf meinen Tauchcomputer: 30 m, 50 sec.<br />
Begeistert nehme ich die warme Sonne<br />
und das wunderschöne Bergpanorama<br />
wahr und erfreue mich an dem Gegensatz,<br />
den ich gerade erlebt habe – die<br />
stille, grüne Unterwasserwelt und die warme,<br />
sonnendurchflutete Landschaft an<br />
der Oberfläche.<br />
Tauchen mit ...<br />
Seit nunmehr acht Jahren erkunde ich die<br />
Unterwasserwelt des Thunersees wie auch<br />
jedes anderen erreichbaren Tauchgewässers<br />
im In- und Ausland, und die Faszination<br />
ist ungebrochen. Die Freude am<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
37
FOKUS ▶ WASSER<br />
Tauchen ist jedoch einiges älter. 1991<br />
tauchte ich das erste Mal in den Schweizer<br />
Gewässern, damals natürlich mit der üblichen<br />
Ausrüstung. Sofort packte mich die<br />
Freude an Sport. Die Begeisterung war so<br />
gross, dass ich mich zur Tauchlehrerin<br />
ausbilden liess und meine Leidenschaft<br />
seither auch an andere weitergeben darf.<br />
Die Unterwasserlandschaft ist eine Welt<br />
für sich. Die Pflanzen und Tiere der Seen<br />
und Meere sind unendlich vielfältig und<br />
halten immer wieder überraschende Einblicke<br />
und Erlebnisse bereit.<br />
… und ohne<br />
Gerätetauchen ist wie gesagt etwas Herrliches.<br />
Aber man ist mit viel Gepäck unterwegs<br />
– über und unter Wasser. Irgendwann<br />
packte mich die Neugier: Wie wäre<br />
es, ohne Luft zu tauchen, ohne schweres<br />
Gepäck? Quasi back to the roots. Gedacht,<br />
getan!<br />
Freitauchen hat sehr viel mit Entspannung<br />
zu tun, gilt es doch, so wenig Sauerstoff<br />
zu verbrauchen wie möglich. Deshalb<br />
begann ich mich mit Yoga und weiteren<br />
Entspannungstechniken zu befassen.<br />
Ich fing an, mich für Atemtechnik zu<br />
interessieren und verbesserte mit stetigem<br />
Training meine Schwimmtechnik im<br />
Wasser. Bald wurde mir bewusst, dass<br />
Freitauchen etwas ist, welches mein ganzes<br />
Leben verändern kann. Als ich an den<br />
ersten Wettkämpfen teilnahm, wurden<br />
weitere Themen wichtig, so die Frage nach<br />
der richtigen Ernährung oder nach<br />
Schlaf. Seit zwei Jahren arbeite ich nun<br />
auch als Freitauchinstruktorin.<br />
Zeit, Distanz, Tiefe<br />
Freitauchen beinhaltet verschiedene Disziplinen,<br />
grob unterscheidet man zwischen<br />
Zeittauchen, Streckentauchen und<br />
Tieftauchen.<br />
• Beim Zeittauchen (statisches Apnoe)<br />
geht es darum, die Luft an der Wasseroberfläche<br />
so lange wie möglich anzuhalten.<br />
• Beim Streckentauchen (dynamisches<br />
Apnoe) mit und ohne Flossen geht es<br />
darum, eine möglichste weite Strecke<br />
unter Wasser zurückzulegen. Es findet<br />
ebenso wie das Zeittauchen in einem<br />
Frei- oder Hallenbad statt.<br />
• Das Tieftauchen mit und ohne Flossen<br />
findet im See oder Meer statt. Es geht<br />
darum, an einem Seil möglichst tief<br />
unter Wasser zu gelangen.<br />
Unabhängig von der Disziplin gilt es, die<br />
Risiken des Freitauchens zu bedenken<br />
und nach Möglichkeit zu minimieren. Im<br />
Zentrum stehen wie beim Gerätetauchen<br />
Druckausgleichprobleme und die sich<br />
unter Umständen daraus ergebenden Barotraumen<br />
von Ohren und Lunge. Beim<br />
Freitauchen kommen noch LMC (loss of<br />
motor control) sowie Blackouts aufgrund<br />
von Hypoxie dazu. Die grössten Gefahren<br />
sind jedoch Selbstüberschätzung und Unkenntnis<br />
der Risiken und Techniken. Sie<br />
lassen sich durch Training und stetiges<br />
Üben vermeiden. Und wie immer beim<br />
Tauchen gilt der Grundsatz: Tauche nie<br />
allein!<br />
Ein Hobby für alle<br />
Auch wenn ich zeitweise Freitauchen wettkampfmässig<br />
betreibe, steht die Freude<br />
am Erlebnis und die Faszination für die<br />
Unterwasserwelt nach wie vor im Vordergrund.<br />
Freitauchen eröffnet wie Gerätetauchen<br />
neue Welten und weckt die Begeisterung<br />
für die Wasserwelt und die<br />
Natur allgemein. Freitauchen im Speziellen<br />
lädt ein, sich selbst kennenzulernen<br />
und verhilft zu Techniken, welche auch<br />
in alltäglichen Stresssituationen für Entspannung<br />
sorgen. Als Freizeitbeschäftigung<br />
eignet sich Freitauchen für Jung und<br />
Alt, für Ehrgeizige und Geniesser, kurz:<br />
für alle. Mein nächster Tauchgang im<br />
Thunersee ist bereits geplant, und ich<br />
freue mich schon wieder auf die Faszination<br />
Freitauchen!<br />
■<br />
38 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
FOKUS ▶ WASSER<br />
Ein teures, aber nützliches Wasser<br />
Gelangt nicht ausreichend Blut ins Hirn, sind die Folgen fatal. Dank der Positronenemissionstomographie<br />
(PET) mit radioaktivem Wasser kann man heute genau feststellen, wo wie viel<br />
Flüssigkeit hingelangt. Die Methode ist von bestechender Eleganz, belastet die Patienten kaum<br />
und liefert exakte Messwerte. Allerdings hat sie ihren Preis, da die Herstellung des Wassers<br />
nicht ganz billig ist.<br />
Alfred Buck, Professor für Nuklearmedizin, Universitätsspital Zürich<br />
«Ohne Wasser kein Leben» – dieser<br />
Spruch ist hinlänglich bekannt. Aber<br />
«Ohne Wasser keine Hirnperfusion» ist<br />
weniger bekannt. Es stimmt ja auch nicht<br />
ganz. Natürlich, so denke ich, kann man<br />
die Hirnperfusion auch ohne Wasser messen,<br />
radioaktives Wasser selbstverständlich.<br />
Also von vorne. Unser Hirn braucht etwa<br />
20 Prozent des Grundumsatzes, wenn wir<br />
nicht gerade Sport betreiben. Die notwendigen<br />
Substrate werden übers Blut ins<br />
Hirn transportiert. Wird der Transport<br />
jedoch behindert, kann das böse enden,<br />
zum Beispiel mit einem Schlaganfall. Bei<br />
gewissen Menschen besteht ein erhöhtes<br />
Risiko, dass die Blutzufuhr eingeschränkt<br />
ist. Im Alter ist es meist die Arteriosklerose,<br />
welche die Gefässe verstopft;<br />
bei jüngeren Leuten kommen<br />
andere Krankheiten vor, welche die Hirndurchblutung<br />
behindern können. Eine<br />
davon ist die bei uns weniger bekannte<br />
Moyamoya-Erkrankung, welche bei Kindern<br />
schon sehr früh zu Durchblutungsstörungen<br />
inklusive Infarkten führen<br />
kann. In Japan ist diese Krankheit viel<br />
häufiger als bei uns. Sie ist durch Gefässmissbildungen<br />
im Hirn charakterisiert,<br />
welche in der Angiographie wie Rauchschwaden<br />
(auf Japanisch Moyamoya)<br />
aussehen. Im Zürcher Kinderspital befindet<br />
sich ein Zentrum, geleitet von der<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
39
FOKUS ▶ WASSER<br />
Wie ist das möglich? Selbst ohne grossen<br />
mathematischen Exkurs kann man es<br />
einleuchtend erklären: Sinkt die Konzentration<br />
der Radioaktivität in einer Minute<br />
auf die Hälfte ab, so wird jedes Volumen<br />
mit einem Milliliter pro Minute pro Milliliter<br />
Hirngewebe durchblutet. Dies ist der<br />
Grundsatz. In Wirklichkeit ist es natürlich<br />
ein wenig komplizierter, mit Dekonvolutionen<br />
und so weiter. Das ist aber dank der<br />
Rechenleistung der heutigen Computer<br />
einfach zu bewerkstelligen. Eine Standardmethode<br />
zur Auswertung der Wasserscans<br />
wurde von uns schon vor einiger Zeit<br />
entwickelt [1, 2].<br />
Abb. 1: Hirndurchblutung eines Moyamoya-Patienten, gemessen mit radioaktivem Wasser<br />
und PET. Die unteren zwei Reihen zeigen die Situation vor der Bypassoperation. Im vorderen<br />
Teil des Gehirns (blaue Zonen) ist die Durchblutung vermindert. Nach der Bypassoperation<br />
hat sich die Perfusion normalisiert (obere zwei Reihen).<br />
Neurochirurgin Nadia Khan, welches<br />
Kinder mit Moyamoya aus ganz Europa<br />
untersucht und behandelt.<br />
Wo fliesst etwas?<br />
Und jetzt kommen wir wieder zum Wasser.<br />
Die Behandlung der Erkrankung erfordert<br />
oft eine Bypassoperation von einer extrazerebralen<br />
Arterie auf eine oder mehrere<br />
Hirnarterien. So soll die Durchblutung in<br />
den gefährdeten Arealen verbessert werden.<br />
Vor einer solchen Operation muss<br />
natürlich abgeklärt werden, welcher Teil<br />
des Gehirns eine solche Blutauffrischung<br />
braucht, und genau das klären wir mit<br />
einer Perfusionsuntersuchung ab.<br />
Perfusionsuntersuchungen gibt es viele,<br />
aber keine ist so validiert und quantitativ<br />
wie die Positronenemissionstomographie<br />
15<br />
(PET) mit radioaktivem Wasser, H 2 O.<br />
Das tönt einfach, ist es aber nicht. 15 O steht<br />
für das Sauerstoffisotop, das Positronen<br />
aussendet, welche dann ihrerseits mit der<br />
Materie interagieren. Die dabei entstehenden<br />
Lichtteilchen können mit der PET-<br />
Kamera gemessen werden. Aber eben –<br />
15<br />
H 2 O muss zuerst hergestellt werden, und<br />
das ist kompliziert. 15 O zerfällt mit einer<br />
Halbwertszeit von etwa zwei Minuten, was<br />
heisst, dass man es nicht kommerziell<br />
kaufen kann, sondern selber herstellen<br />
muss. Das geschieht in einem Zyklotron,<br />
welches bei uns im Untergeschoss des<br />
PET-Zentrums steht. 15 O wird als 15 O 2 -Gas<br />
in den PET-Raum gepumpt, wo es katalytisch<br />
mit Wasserstoff zu Wasser verarbeitet<br />
wird. Dieses radioaktive Wasser gelangt<br />
dann über einen speziellen Injektor ins<br />
Blut.<br />
Also, um die Hirndurchblutung mit H 2<br />
15<br />
O<br />
zu messen, braucht es ein Zyklotron, eine<br />
Wassersyntheseanlage inklusive Injektor<br />
und eine PET-Kamera. Alles in allem eine<br />
sehr teure Angelegenheit, mit Kosten im<br />
siebenstelligen Bereich. Natürlich wird<br />
eine solche Anlage nicht nur angeschafft,<br />
um Hirnperfusionen zu messen. Der<br />
Grossteil unserer Patienten kommt aus der<br />
Onkologie. Tumore lassen sich mit PET<br />
und einem radioaktiven Zuckeranalog,<br />
Fluorodeoxyglukose, sehr gut abklären.<br />
Und wie viel fliesst?<br />
Zurück zum Wasser. Warum ist dieses<br />
einfache Molekül so gut geeignet, um die<br />
Hirndurchblutung zu messen? Die wichtigsten<br />
Gründe sind, dass das Wasser sehr<br />
gut durch die Bluthirnschranke diffundiert<br />
und inert ist. Inert heisst in diesem<br />
Zusammenhang, dass es keine Verbindungen<br />
mit irgendeinem Hirnbestandteil<br />
eingeht. Es geht als Wasser ins Hirn rein<br />
und kommt als Wasser auch wieder heraus.<br />
Und das ist auch schon das Prinzip.<br />
In welchem Zustand das Hirn auch immer<br />
ist – wo die Blutversorgung noch funktioniert,<br />
kommt auch unser Wasser hin und<br />
kann gemessen werden. Und zwar genau,<br />
nicht einfach nach der Faustregel «hier<br />
hat es ein wenig mehr und dort etwas weniger».<br />
Nein, wir messen in Millilitern pro<br />
Minute pro Einheit Gewebe.<br />
Wem dient es?<br />
Die Wasser-PET-Messung der Hirnperfusion<br />
ist etwa 35 Jahre alt. Weil die Herstellung<br />
des radioaktiven Wassers aber eine teure<br />
Infrastruktur bedingt, ist die Methode nicht<br />
sehr weit verbreitet. In der Schweiz ist das<br />
Unispital Zürich der einzige Ort, wo die<br />
Untersuchung angeboten wird. Was allerdings<br />
nicht weiter tragisch ist, da nur eine<br />
höchst selektierte Gruppe von Patienten von<br />
einer Wasser-PET profitiert. Ich habe als<br />
Anwendungsbeispiel die weniger bekannte<br />
Moyamoya-Erkrankung gewählt. Natürlich<br />
gibt es auch unter den Patienten mit Arteriosklerose<br />
eine Subgruppe, welche von einer<br />
Wasser-PET profitieren kann. Im Prinzip<br />
sind es immer jene Patienten, bei denen<br />
eine operative Revaskularisation in Betracht<br />
gezogen wird.<br />
Im Jahr führen wir gegen 100 Untersuchungen<br />
durch. Als Nebenwirkung der<br />
Untersuchung muss die Strahlenbelastung<br />
erwähnt werden, welche im Bereich von<br />
1m Sv aber tief ist, weniger als die natürliche<br />
jährliche Strahlenbelastung in der<br />
Schweiz. Diese tiefen Werte erlauben auch<br />
serielle Untersuchungen am gleichen Patienten.<br />
Kurzum, H 2 O ist ein teures, aber<br />
15<br />
äusserst brauchbares Wasser. ■<br />
1. Treyer, V., M. Jobin, C. Burger, V. Teneggi, and<br />
A. Buck, Quantitative cerebral H2(15)O<br />
perfusion PET without arterial blood sampling,<br />
a method based on washout rate.<br />
Eur J Nucl Med Mol Imaging, 2003. 30(4): p.<br />
572-80.<br />
2. Weber, B., G. Westera, V. Treyer, C. Burger,<br />
N. Khan, and A. Buck, Constant-infusion<br />
H(2)15O PET and acetazolamide challenge<br />
in the assessment of cerebral perfusion<br />
status. J Nucl Med, 2004. 45(8): p.<br />
1344-50.<br />
40 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
FOKUS ▶ WASSER<br />
Verdünnt, aber problematisch<br />
Ob Antiepileptika, Bodylotion oder WC-Ente – Chemikalien sind in unserem Leben allgegenwärtig.<br />
Trotz der Abwasserreinigung gelangen viele dieser Stoffe in Flüsse und Bäche, wo sie Fische und<br />
andere Wasserlebewesen schädigen können. Aufgerüstete Kläranlagen sollen jetzt Abhilfe schaffen.<br />
Denn selbst kleinste Konzentrationen können eine biologische Wirkung haben.<br />
Dr. Anke Schaefer, Dr. Etienne Vermeirssen, Schweizerisches Zentrum für Angewandte Ökotoxikologie<br />
(Oekotoxzentrum Eawag-EPFL)<br />
Regelmässig werden in Schweizer Gewässern<br />
Mikroverunreinigungen nachgewiesen.<br />
Teilweise ist dafür die immer leistungsfähigere<br />
chemische Analytik verantwortlich;<br />
es begleiten uns aber auch immer<br />
mehr künstlich hergestellte<br />
Substanzen in unserem täglichen Leben.<br />
Unter Mikroverunreinigungen versteht<br />
man organische Spurenstoffe, die zum<br />
Beispiel aus Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln,<br />
Bioziden, Körperpflegeprodukten,<br />
Imprägnierungen, Reinigungsmitteln<br />
oder Farben stammen und über<br />
Abwasserreinigungsanlagen oder diffuse<br />
Quellen in Flüsse und Seen gelangen. Ihre<br />
Konzentrationen sind dort zwar sehr tief<br />
– im Bereich von Milliardstel- bis Millionstelgramm<br />
pro Liter, was etwa der Konzentration<br />
des Wirkstoffs einer Kopfschmerztablette<br />
in einem Schwimmbecken mit 25<br />
Metern Länge entspricht. Doch auch kleine<br />
Konzentrationen summieren sich auf,<br />
wie das Beispiel des Antiepileptikums<br />
Carbamazepin zeigt: Der Rhein bei Basel<br />
enthält das Medikament in einer Konzentration<br />
von nur 15 ng/L, doch insgesamt<br />
wird so mehr als ein Kilogramm des<br />
hochwirksamen Stoffs pro Tag flussabwärts<br />
transportiert.<br />
Verhaltensgestörte Fische<br />
Bis heute ist nicht genau bekannt, wie<br />
viele Mikroverunreinigungen in Gewässer<br />
gelangen und welche dort tatsächlich Fische<br />
und andere Lebewesen schädigen.<br />
Sehr gut untersucht sind Hormone wie das<br />
aus der Antibabypille stammende Östrogen<br />
oder Stoffe, die wegen ihrer chemischen<br />
Struktur eine ähnliche Wirkung wie<br />
Hormone haben. Zahlreiche Untersuchungen<br />
haben gezeigt, dass diese hormonaktiven<br />
Stoffe zur Verweiblichung von<br />
männlichen Fischen und damit zum<br />
Bestandsrückgang beitragen können. Intersex-Fische,<br />
die sowohl männliche als<br />
auch weibliche Geschlechtsmerkmale<br />
aufwiesen, wurden zum ersten Mal Ende<br />
der 1980er-Jahre in England entdeckt.<br />
Obwohl solche spektakulären Veränderungen<br />
in der Schweiz sehr selten sind, hat<br />
Abwasserreinigungsanlage in Lausanne (STEP Vidy)<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
41
FOKUS ▶ WASSER<br />
man auch hier schon wirksame Konzentrationen<br />
an hormonaktiven Stoffen in<br />
Gewässern nachgewiesen. Forschende<br />
konnten zeigen, dass Forellenmännchen,<br />
die in Gewässern unterhalb einer Abwasserreinigungsanlage<br />
lebten, das Protein<br />
Vitellogenin enthielten. Vitellogenin ist ein<br />
Vorläufer des Eidotterproteins und kommt<br />
normal nur bei geschlechtsreifen Weibchen<br />
vor. Hormonaktive Stoffe können<br />
aber nicht nur die Fortpflanzung von Fischen<br />
beeinträchtigen, sondern auch ihr<br />
Immunsystem schwächen und sie anfälliger<br />
für Krankheiten und andere Stressfaktoren<br />
machen.<br />
Besonders kritisch für Gewässerorganismen<br />
sind diejenigen Mikroverunreinigungen,<br />
die entwickelt wurden, um eine biologische<br />
Wirkung zu haben, da diese auch<br />
bei Nichtzielorganismen zum Tragen<br />
kommen kann. Arzneimittel sind hier ein<br />
gutes Beispiel. So können zum Beispiel<br />
Psychopharmaka nicht nur das Verhalten<br />
von Menschen, sondern auch das Verhalten<br />
von Fischen ändern, was Folgen für<br />
ihr Überleben haben kann. Eine andere<br />
Gruppe von Gewässerschadstoffen, die mit<br />
dem Ziel einer biologischen Wirkung produziert<br />
werden, sind Pflanzenschutzmittel.<br />
Sie sollen nämlich Nutzpflanzen gegen<br />
unerwünschte Schädlinge schützen.<br />
Allerdings können gegen Unkraut eingesetzte<br />
Pestizide auch die Photosynthese<br />
von Algen oder Wasserpflanzen hemmen,<br />
und neurotoxische Insektizide können<br />
das Nervensystem von Wasserkrebsen<br />
schädigen. Neue Messkampagnen haben<br />
gezeigt, dass die ökotoxikologisch unbedenklichen<br />
Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel<br />
in zahlreichen Gewässern<br />
überschritten werden. Diese kritischen<br />
Substanzkonzentrationen, ab denen eine<br />
schädliche Wirkung auf Gewässerlebewesen<br />
erwartet werden kann, werden auf der<br />
Basis von Toxizitätsdaten für Einzelstoffe<br />
abgeleitet. Forschende vom Oekotoxzentrum<br />
Eawag-EPFL haben zahlreiche dieser<br />
Umweltqualitätskriterien bestimmt.<br />
Giftige Mischung<br />
Doch die Bewertung der Toxizität einer<br />
Wasserprobe auf der Basis von Einzelstofftoxizitäten<br />
ist nicht so einfach: Jeder Einzelstoff<br />
kann nämlich verschiedene Effekte<br />
auf Organismen haben. Ausserdem<br />
enthalten Gewässer meist einen komplexen<br />
Cocktail an Schadstoffen, bei denen<br />
Mischungseffekte in der Toxizität auf<br />
Wasserlebewesen zum Tragen kommen.<br />
Eine Lösung zur Bestimmung der Gesamttoxizität<br />
kann die Messung mit Hilfe<br />
von ökotoxikologischen Biotests sein. In<br />
solchen Tests mit Modellorganismen wie<br />
Algen, Wasserflöhen, Bachflohkrebsen<br />
oder Fischen kann die Gesamttoxizität<br />
aller in einer Wasserprobe enthaltenen<br />
Chemikalien bestimmt werden. Besonders<br />
praxistauglich sind dabei Labortests mit<br />
Einzelzellen wie der Hefezell-Östrogentest<br />
zum Nachweis von östrogen-aktiven Stoffen:<br />
Mit genetisch veränderten Hefezellen<br />
wird dabei eine Bindung an den menschlichen<br />
Östrogenrezeptor über einen Farbumschlag<br />
von Gelb nach Rot gemessen.<br />
Das Schweizer Gewässerschutzgesetz verlangt,<br />
Tiere, Pflanzen und Trinkwasser<br />
vor den unerwünschten Effekten von Chemikalien<br />
zu schützen. Mikroverunreinigungen<br />
aus Haushalten oder Spitälern<br />
gelangen zu einem grossen Teil über Abwasserreinigungsanlagen<br />
in Flüsse oder<br />
Bäche, da sie bei der Abwasserreinigung<br />
nur unzureichend entfernt werden. Daher<br />
wurde vor Kurzem eine Änderung der Gewässerschutzverordnung<br />
beschlossen:<br />
Neu sollen die grösseren Abwasserreinigungsanlagen<br />
und solche an besonders<br />
belasteten Gewässern technisch ausgebaut<br />
werden. Die Anlagen werden durch<br />
eine Ozonungsanlage mit nachgeschaltetem<br />
Sandfilter oder durch einen Aktivkohlefilter<br />
aufgerüstet. Beide Technologien<br />
sind in der Lage, eine grosse Zahl von<br />
Mikroverunreinigungen zu entfernen und<br />
die Toxizität des gereinigten Abwassers<br />
entscheidend zu verringern, wie Pilotversuche<br />
gezeigt haben. Diese Massnahmen<br />
sind allerdings nur für Stoffe geeignet, die<br />
über Abwasserreinigungsanlagen in die<br />
Gewässer eingeleitet werden und nicht für<br />
andere Mikroverunreinigungen, die aus<br />
diffusen Quellen stammen, zum Beispiel<br />
Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft.<br />
Für diese Stoffe werden derzeit<br />
Massnahmen im Rahmen des Aktionsplans<br />
des Bundes für Pflanzenschutzmittel<br />
evaluiert. <br />
■<br />
42 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
Wasserversorgung für die Armen<br />
Der Gedanke, effiziente Konsortien aus dem Norden für die Lösung der Trinkwasserprobleme<br />
des Südens heranzuziehen, ist verlockend. Doch das Konzept krankt daran, dass der öffentliche<br />
Sektor zu schwach ist, um seine Bedürfnisse gegenüber der Privatwirtschaft durchzusetzen.<br />
Ausgehend von den Erfahrungen mit der Schweizer Wasserversorgung arbeitet Helvetas mit<br />
einem Multi-Stakeholder-Ansatz.<br />
Hanspeter Bundi, Helvetas<br />
«Verschmutzung – Trinkwasser –<br />
Schweiz.» Der Suchauftrag bei Google ergibt<br />
für das vergangene Jahr exakt zwei<br />
Fälle von Trinkwasserverschmutzung, der<br />
eine im Kanton Freiburg, der andere im<br />
basellandschaftlichen Grellingen. In beiden<br />
Fällen wurde die Bevölkerung rechtzeitig<br />
gewarnt. Erkrankungen wurden keine<br />
gemeldet, und die Behörden konnten nach<br />
wenigen Tagen Entwarnung geben.<br />
Helvetia felix. Dass die Wasserqualität hierzulande<br />
so gut ist, hängt vor allem mit<br />
dem System der Schweizer Wasserversorgung<br />
zusammen. Die Arbeitsteilung in<br />
diesem System ist klar: Die allermeisten<br />
Quellen und Grundwasservorkommen<br />
sind im Besitz von Gemeinden, Korporationen<br />
oder Genossenschaften. Ein starker,<br />
funktionierender Staat investiert viel Geld<br />
in die Trinkwasserversorgung und erlässt<br />
Vorschriften, die er auch durchsetzt. In<br />
ländlichen Gegenden halten motivierte<br />
Gemeindeangestellte und Tausende von<br />
freiwilligen Mandatsträgern aus Genossenschaften<br />
und Korporationen «ihre»<br />
Wasserversorgungen in Stand, und es ist<br />
für sie Ehrensache, dass «ihr» Wasser sauber<br />
ist. Sie können dabei auf einen zuverlässigen<br />
und innovativen Privatsektor zurückgreifen,<br />
der im Auftrag der öffentlichen<br />
Hand die Wasserinstallationen baut<br />
und unterhält.<br />
Auf der südlichen Halbkugel der Erde<br />
hingegen leben 748 Millionen Menschen<br />
ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser,<br />
und 2,6 Milliarden müssen ohne Toiletten<br />
und Abwassersysteme auskommen. Beides<br />
mit verheerenden Folgen: Jedes Jahr sterben<br />
weltweit eine halbe Million Kinder an<br />
den Folgen von verschmutztem Trinkwasser.<br />
Ein Grund für den Mangel an Trinkwasser<br />
ist die generelle Wasserknappheit, die sich<br />
mit der Klimaerwärmung noch verschärfen<br />
wird. Wichtiger noch ist das Fehlen von<br />
Institutionen, die den Aufbau von Wasserversorgungen<br />
vorantreiben und ihren<br />
Unterhalt sicherstellen könnten. Der Staat<br />
ist oft schwach. Zivilgesellschaftliche<br />
Strukturen fehlen oder sind nur in Ansätzen<br />
vorhanden.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
43
FOKUS ▶ WASSER<br />
Gescheiterte<br />
Unternehmen<br />
Die Vorstellung, dass internationale Player<br />
wie Suez Lyonnaise des Eaux oder<br />
Thames Water auch in Entwicklungsländern<br />
in die Bresche springen könnten, ist<br />
nur auf den ersten Blick attraktiv. Nach<br />
einer ersten Privatisierungseuphorie ist<br />
Ernüchterung eingekehrt. In Tansania<br />
kündigte die Regierung im Jahr 2005 einen<br />
Vertrag, den sie mit einem privaten<br />
Wasserkonsortium für die Hauptstadt Dar<br />
es Salaam abgeschlossen hatte. Die britische<br />
Thames Water scheiterte an der<br />
Wasservorsorgung der indonesischen<br />
Hauptstadt Jakarta. Und im bolivianischen<br />
Cochabamba verhindert die indigene<br />
Bevölkerung in einer spektakulären<br />
Protest- und Streikaktion die Privatisierung<br />
des Wassers. Das Konzept der Public-<br />
Private-Partnership PPP verspricht, die<br />
nachteiligen Folgen der Wasserprivatisierung<br />
zu vermeiden.<br />
Solche PPP-Trinkwasser-Projekte sind<br />
allerdings auf Städte beschränkt, in denen<br />
weltweit laut WHO immerhin 96 Prozent<br />
aller Menschen Zugang zu Trinkwasser<br />
haben. Doch die grösste Wassernot<br />
herrscht in ländlichen Gebieten. Insbesondere<br />
auf dem afrikanischen Kontinent<br />
südlich der Sahara, wo die Versorgung mit<br />
sauberem Trinkwasser in vielen Ländern<br />
bei unter 50 Prozent liegt. Frauen gehen<br />
oft viele Kilometer weit bis zur nächsten<br />
Wasserstelle.<br />
NGOs als<br />
letzte Möglichkeit<br />
Weil weder der Staat noch private Unternehmen<br />
in den Wassersektor investieren,<br />
sind es fast ausschliesslich private oder<br />
staatliche Entwicklungsorganisationen<br />
aus dem Norden, die sich der ländlichen<br />
Wasserversorgung annehmen. Auch Helvetas<br />
hat das Wasserproblem ins Zentrum<br />
ihrer Arbeit gestellt und stützt sich dabei<br />
auf Erfahrungen aus der Schweiz: Trinkwasserversorgung<br />
ist nicht nur ein technisches,<br />
sondern in wesentlichen Elementen<br />
ein soziales Projekt, an dem Menschen<br />
des Versorgungsgebietes mitarbeiten müssen.<br />
In einem Multi Stakeholder Approach<br />
arbeitet Helvetas mit Einzelpersonen, lokalen<br />
Behörden und Teilen der Zivilgesellschaft<br />
zusammen. Selbstverständlich<br />
werden in die Projekte auch privaten Unternehmen<br />
– lokale und regionale KMU<br />
– mit einbezogen. Maurer, die Wasserfassungen<br />
und Latrinen bauen, Transportunternehmer,<br />
Lieferanten von Sanitärmaterial.<br />
Letztes Jahr haben dank Helvetas mehr als<br />
570 000 Menschen neu Zugang zu Trinkwasser<br />
und/oder sanitären Einrichtungen<br />
erhalten.<br />
Wenn es darum geht, Nutzungspläne für<br />
die knappe Ressource Wasser auszuarbeiten,<br />
stützt sich Helvetas auf die Zusammenarbeit<br />
aller Beteiligten. Behördenvertreter,<br />
Vertreter der Zivilgesellschaft und<br />
Nutzer einer Region setzen sich miteinander<br />
an einen Tisch, um ihre oft unterschiedlichen<br />
Ansprüche anzumelden und<br />
gemeinsam Prioritäten für die Umsetzung<br />
festzulegen. Regionale Nutzungspläne tragen<br />
dazu bei, Nutzungskonflikte zu minimieren,<br />
und sie liefern eine wichtige Basis<br />
für die Planung neuer Wasserprojekte.<br />
Erreichte Millenniumsziele<br />
Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass<br />
im Wassersektor wesentliche Fortschritte<br />
möglich sind, wenn der politische Wille da<br />
ist. Im Rahmen der Kampagne für das<br />
Millenniumsziel der UNO wurde der Anteil<br />
der Menschen ohne Zugang zu sauberem<br />
Wasser und zu sanitärer Grundversorgung<br />
in nur gerade 15 Jahren halbiert.<br />
Die WHO hat berechnet, dass jeder im<br />
Wassersektor investierte Dollar allein bei<br />
den Gesundheitskosten 4,3 Dollar zurück<br />
bringt. Die Präsenz bei der Arbeit und in<br />
der Schule ist besser, und vor allem Frauen<br />
haben mehr Zeit für produktive Tätigkeiten,<br />
weil sie das Wasser nicht mehr von<br />
weit her holen müssen. Mit andern Worten:<br />
Wer in den Wassersektor investiert,<br />
schafft damit Grundlagen für eine nachhaltige<br />
Entwicklung. <br />
■<br />
44 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
FOKUS ▶ WASSER<br />
Gibt es Wasser auf dem Mars?<br />
Wasser bedeutet unserer Auffassung nach Leben. Oder zumindest die Möglichkeit dafür. Umso<br />
spannender ist also die Frage, ob es auf andern Planeten Wasser und damit potentielles Leben gibt.<br />
Der Mars etwa, so lauten die gängigen Theorien, soll zumindest in der Vergangenheit Flüsse und<br />
gar Ozeane besessen haben. Es gibt jedoch ausreichend Gründe, diese Vermutung zu hinterfragen.<br />
Giovanni Leone, Institut für Geophysik, ETH Zürich<br />
Bis heute gilt der Planet Mars als Verwandter<br />
der Erde. Dies hauptsächlich aufgrund<br />
seiner morphologischen Ähnlichkeit und<br />
der auf ihm vorhandenen Flüsse und<br />
Ozea ne. Man glaubt, dass sie in der Vergangenheit<br />
Wasser führten. Dies obschon<br />
zahlreiche Missionen ein Bild einer ariden,<br />
kalten und früher vulkanischen Welt<br />
geliefert haben. Es gibt eindeutige Beweise<br />
für den stärksten bekannten Vulkanismus<br />
im Sonnensystem. Dieser wurde<br />
vermutlich unmittelbar nach Bildung des<br />
Planeten durch einen riesigen Aufschlag<br />
am Südpol ausgelöst. Der höchste Vulkan<br />
heisst Olympus Mons (26,4 km, fast das<br />
Dreifache des Everests). Die Atmosphäre<br />
besteht zu ungefähr 95% aus Kohlendioxid<br />
und einem nur winzigen Anteil<br />
Wasser (~ 210 ppm). Wasser steht in Verbindung<br />
mit der Möglichkeit von Leben.<br />
So zumindest stellen wir uns dies als Erdbewohner<br />
vor. Obschon nur kleinste Spuren<br />
davon gefunden wurden, steht es nach<br />
wie vor im Fokus der Wissenschaft.<br />
Kein Wasser an der<br />
Oberfläche<br />
Bereits die ersten Marsmissionen haben<br />
bestätigt, dass flüssiges Wasser auf dem<br />
Mars aufgrund des tiefen atmosphärischen<br />
Drucks (~ 6 Millibar) und der tiefen<br />
Temperatur (–63 Grad Celsius im Schnitt)<br />
an der Oberfläche instabil ist. Trotzdem<br />
glaubt die grosse Mehrheit der globalen<br />
Wissenschaftsgemeinschaft immer noch,<br />
dass die Abflusskanäle (bspw. die Valles<br />
Marineris) in der Vergangenheit durch<br />
Wasser gebildet wurden. Eine neue Analyse<br />
der hochauflösenden Bilder vom Mars<br />
Reconnaissance Orbiter hat gezeigt, dass<br />
die Valles Marineris und die anderen Abflusskanäle<br />
durch Lava geformt wurden.<br />
Für die Athabasca Valles, in der Nähe des<br />
Elysiums, ist man zu einem ähnlichen<br />
Schluss gekommen. Eine Gesamtansicht<br />
des Planeten hat auch gezeigt, dass der<br />
Ursprung aller Abflusskanäle in der vulkanischen<br />
Zone situiert ist (Abb. 1). Daraus<br />
lässt sich also folgern, dass Wasser<br />
wohl nur eine sekundäre Rolle in deren<br />
Bildung gespielt haben kann. Auch wenn<br />
einige die kaum haltbare Hypothese vertreten,<br />
dass ein minimales Volumen von<br />
reinem Wasser (d.h. nicht mit dem Felsen<br />
vermischt) in Tiefen von über 15 km<br />
(sprich tiefer als der Pazifische Ozean) auf<br />
den Hängen der Tharsis-Vulkane vorhanden<br />
war, um die Valles Marineris zu formen.<br />
Dies auf einem Planeten, der weder<br />
Regen noch Schnee kennt. Diese sehr<br />
geringen Mengen an Wasser lagern sich<br />
über Nacht ab und sublimieren anschliessend<br />
tagsüber mit einem minimalen Erosionseffekt.<br />
Ein Effekt, der sicher nicht in<br />
der Lage ist ein 8 km tiefes Tal hervorzubringen.<br />
Wasser im Untergrund?<br />
Die Resultate des Neutronenspektrometers<br />
an Bord des Mars-Odyssey-Raumschiffes,<br />
die 2006 veröffentlicht wurden, haben<br />
gezeigt, dass das auf dem Mars vorhande-<br />
Abb. 1. Schattierte Karte der Hauptabflusskanäle (rote Gebiete) auf dem Mars, erstellt durch David Leverington<br />
(2011); abgeändert und aktualisiert mit neuen oder erweiterten Abflusskanälen (blaue Gebiete) durch Giovanni<br />
Leone (<strong>2015</strong>).<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
45
FOKUS ▶ WASSER<br />
ist. In diesem Dokument ist die Rede von<br />
Radarexperimenten, die vergrabene Gletscher<br />
in Arabia Terra und im Vulkangebiet<br />
Tyrrhenum gefunden haben wollen. Dabei<br />
ist es nur schade, dass das Team für den<br />
Versuch eine dielektrische Konstante für<br />
Wasser verwendet hat, die sehr ähnlich<br />
mit derjenigen von Dazit ist. Sie haben<br />
damit bestenfalls nur Schichten von aufeinandergeschichteten<br />
Lavaflüssen entdeckt,<br />
was in einem vulkanischen Gebiet<br />
sicherlich nicht schwer zu finden ist.<br />
Abb. 2. Neutronenspektrometerkarte aus dem Mars-Odyssey-Raumschiff; die Prozentzahlen<br />
und Farben beziehen sich auf die vermuteten (keinesfalls erwiesenen) Wasserstoffatome,<br />
die mit Sauerstoffatomen zur Bildung von Wasser verbunden sein sollen.<br />
Bild: NASA/JPL-Caltech/Los Alamos National Laboratory<br />
Abb. 3. Karte vom Mars, aufgenommen mit dem Mars-Orbiter-Laser-Höhenmesser; die weissen<br />
Linien zeigen die Einflusszone der vulkanischen Gebiete; die Sterne die Landepunkte<br />
der Missionen.<br />
ne Wasser in den Polarkappen konzentriert<br />
ist und in mittleren Breitengraden<br />
und am Äquator (Abb. 2), also genau dort,<br />
wo die Abflusskanäle situiert sind, kaum<br />
vorhanden ist. Trotz dieser Beweise haben<br />
die Anhänger von Wasser auf dem Mars<br />
eine alte Hypothese wieder aufgegriffen,<br />
wonach Wasser im Untergrund zirkuliert<br />
und in günstigen, warmen Zeiten auf dem<br />
Mars an die Oberfläche tritt. Am 5. März<br />
<strong>2015</strong> hat «The Guardian» sogar über die<br />
Hypothese berichtet, wonach es in den<br />
Niederungen des Mars während des Zeitalters<br />
des Noachian (vor 4,1 bis 3,7 Milliarden<br />
Jahren) einen alten Ozean gab.<br />
Diese These wurde anschliessend am 10.<br />
April <strong>2015</strong> auch noch in «Science» veröffentlicht.<br />
Leider sind beide Hypothesen bestenfalls<br />
schwach, schlimmstenfalls unhaltbar.<br />
Nicht nur weil sie verschiedene Fragen<br />
unbeantwortet lassen, sondern vor allem<br />
auch, weil sie durch keine stichhaltigen<br />
Beweise für das Vorhandensein von Wasser,<br />
heute oder früher, gestützt werden.<br />
«The Guardian» hat neulich auch über<br />
ein kürzlich veröffentlichtes Dokument<br />
berichtet, welches am 18. März <strong>2015</strong> im<br />
Geophysical Research Letters erschienen<br />
Keine Gletscher, kaum Eis<br />
Bei aller Sympathie für die Anstrengungen,<br />
Beweise für grosse Wassermengen<br />
auf dem Mars zu finden: Die Realität ist<br />
grundlegend anders und wurde auch<br />
schon in verschiedenen wissenschaftlichen<br />
Beiträgen veröffentlicht. Es gibt Beweise<br />
für ein geologisch trockenes Milieu,<br />
das auf die frühste Geschichte des Mars<br />
zurückgeht. Auch wenn der Mars sehr kalt<br />
ist, weist der Planet keine Anzeichen für<br />
das Vorhandensein von Gletschern auf.<br />
Bereits 1977 hat die Viking Mission die<br />
Oberfläche des Mars auf mittleren Breitengraden<br />
abgetragen und kein Eis gefunden.<br />
Eine sehr kleine Menge, die die<br />
Phoenix Mission 2008 in höheren Breitengraden<br />
(68,22 Grad Nord), gleich nach der<br />
Grenze zu den Alba Patera Lavafeldern<br />
(Abb. 3), fand, verdampfte, wie erwartet,<br />
innert vier Marstagen (auch Sol genannt;<br />
der Marstag dauert 24 Stunden 39 Minuten<br />
35 Sekunden) und wurde also nicht<br />
flüssig, um zur Oberfläche zu fliessen.<br />
Auch die härtesten Verfechter vom Wasser<br />
auf dem Mars gestehen, dass auf dem<br />
Mars eine substantielle Menge von Wasser<br />
in den ersten 0,5 Milliarden Jahren der<br />
Marsgeschichte (von 4,567 bis 4,067 Milliarden<br />
Jahren) in den Weltraum verloren<br />
ging. Neben der Bildung der vermeintlichen<br />
Ozeane erwähnen sie einen ausgedehnten<br />
Vulkanismus. Die Karte vom<br />
Mars zeigt, dass die grössten Vulkane im<br />
Hochland vom Äquator zum Südpol konzentriert<br />
sind (Abb. 4). Wenige kleine Vulkane<br />
findet man auch auf der Nordhalbkugel<br />
(Niederungen). Der stärkste Vulkanismus<br />
fand man in den Tharsis- und<br />
Elysium-Regionen, die entlang der Grenze<br />
zwischen Hochland und Tiefland, zwischen<br />
0 und 30 Grad nördlicher Breite,<br />
lokalisiert sind. Deren Lavaströme erreichten<br />
die unglaubliche Distanz von unge-<br />
46 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
FOKUS ▶ WASSER<br />
Abb. 4. Verteilung der Vulkanzentren des Mars; die Farben zeigen Vulkane, die zur gleichen Gruppe gehören, die durch wandernde<br />
Schwaden unter der Lithosphäre des Mars gebildet wurden.<br />
fähr 65 Grad nördlicher Breite. Diese<br />
Ausbreitung war nur dank dem Überfluss<br />
an heisser und flüssiger Lava möglich.<br />
Wie durch ein Wunder blieb die Lava, als<br />
die stärkste Phase des Vulkanismus (vor<br />
4,1 bis 3,7 Milliarden Jahren) Olivin-reiche<br />
Lava ins Hoch- und Tiefland brachte,<br />
vom Wasser gänzlich unberührt. Der in<br />
«Science» erschienene Artikel schätzte<br />
mit grosser Präzision, dass dieser vermeintliche<br />
Ozean das Tiefland mit einer<br />
Wasserschicht von 137 m GEL (GEL =<br />
Mass für die Höhe der Wassermenge, wenn<br />
sie gleichmässig über den ganzen Mars<br />
verteilt würde) überdeckte, die bis zu den<br />
Küsten des Hochlandes reichte. Frühere<br />
Schätzungen nach der Mars-Odyssey-<br />
Mission gingen von 36 m aus. Nun stellt<br />
sich aber die schwierigste Frage: Warum<br />
verwandelte sich das von der vulkanischen<br />
Aktivität hinterlassene Olivin nie in<br />
Serpentin beim Kontakt mit dem Wasser<br />
des vermeintlichen Ozeans? Diese Transformation<br />
müsste eigentlich nur einige<br />
hundert bis 10 000 Jahre dauern. Geologisch<br />
gesehen eine sehr kurze Zeit. Der<br />
Vulkanismus dauerte bis zum Zeitalter des<br />
Hesperian (vor 3,5 Milliarden Jahren). Die<br />
optimistischsten Wissenschaftler schieben<br />
es sogar bis zum Zeitalter des Amazonian<br />
(3,0 Milliarden Jahre bis heute), auch<br />
wenn die gängigen Modelle zu den Hitzeströmen<br />
auf dem Mars zeigen, dass die<br />
heute feststellbaren Niveaus vor 3,5 Milliarden<br />
Jahren erreicht wurden. Also reichlich<br />
genügend Zeit, um all dieses Olivin<br />
in Serpentin zu verwandeln. Allerdings<br />
fand diese Veränderung nie statt, so dass<br />
der offensichtliche Schluss sein muss, dass<br />
es den Ozean entweder gar nie gab oder<br />
dieser nur während weniger als 10 000<br />
Jahre existierte.<br />
Klügere Forschungsziele<br />
Auch wenn man davon ausgeht, dass es in<br />
der Vergangenheit auf dem Mars geregnet<br />
hat, stellt sich die Frage, warum der ganze<br />
Regen nur in der Tiefebene fiel und den<br />
vermeintlichen Ozean bildete. Und warum<br />
regnete es nur in der Tiefebene, obschon<br />
das atmosphärische Wasser durch die Winde<br />
auf dem ganzen Planeten hätte verteilt<br />
werden können? Wie kann Untergrundwasser<br />
an die Oberfläche treten, mit der<br />
Atmosphäre interagieren und ins Grundwasser<br />
wieder zurückfliessen, ohne die<br />
Mineralien zu verändern? Jarosit, ein Mineral,<br />
das an der Opportunity-Landestelle<br />
(Meridiani Planum) im Hochland am<br />
Äquator des Mars gefunden wurde, ist unverändert<br />
und steht in enger Verbindung<br />
zu unverändertem Olivin. Dies ist seit 2004<br />
bekannt (publiziert durch Madden und<br />
Kollegen in «Nature»). Jarosit würde sonst<br />
in feuchtem Klima schnell zu Eisenoxyhydroxid<br />
zerfallen. Es gab also keine Flüsse<br />
vom Hochland zum Tiefland. Wie wurde<br />
also der vermeintliche Ozean gebildet?<br />
Die wohl einfachste Antwort auf all diese<br />
Fragen ist, dass es diesen Ozean nie gab.<br />
Wasser wurde durch die Vulkanaktivität in<br />
die Marsatmosphäre entgast und ging<br />
mehrheitlich im Weltall verloren. Eine<br />
kleine Menge blieb in den Polarkappen<br />
gefangen. Auch fand man Spuren in der<br />
Kryosphäre in höheren Breitengraden (><br />
60 Grad). Weshalb also weiterhin medienwirksame<br />
Ankündigungen machen? Warum<br />
Zeit und Geld der Steuerzahler für eine<br />
Suche nach unwahrscheinlichem Leben<br />
am Äquator auf dem Mars verschwenden,<br />
wo jegliches Leben sowieso von der Lava<br />
zerstört worden wäre? Es wäre wohl viel<br />
klüger, das Geld für die Suche nach nützlichen<br />
Mineralien einzusetzen, die die Eigenfinanzierung<br />
der Exploration des Mars<br />
ermöglichen würden.<br />
■<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
47
FOKUS ▶ WASSER<br />
Nestlé und der Handel mit Wasser<br />
Kommendes Jahr feiert Nestlé sein 150-jähriges Bestehen. Damit die Kunden des Unternehmens<br />
auch noch in 150 Jahren die bekannten Klassiker wie Henniez, Cailler-Schokolade oder Nespresso<br />
geniessen können, setzt sich Nestlé weltweit für einen nachhaltigen Handel mit der Ressource<br />
Wasser ein. Die grössten Herausforderungen sieht das Unternehmen jedoch nicht im Handel mit<br />
«echtem» Wasser.<br />
Christian A. Vousvouras, Nestlé AG<br />
Die Geschichte von Nestlés bekanntester<br />
Schweizer Mineralwassermarke Henniez<br />
ist so einmalig wie die Herkunft des Wassers.<br />
So waren es vermutlich Kelten, welche<br />
vor über tausend Jahren die erste<br />
Quelle, die «Bonne Fontaine», unter dem<br />
Wald von Henniez entdeckten. Jahrhunderte<br />
später, 1905, wurde dann in Henniez<br />
die erste Abfüllanlage in Betrieb genommen<br />
und das Wasser in Apotheken als<br />
Heilmittel verkauft. Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg änderte sich das Konsumverhalten<br />
und Henniez wandelte sich vom Heilzum<br />
täglich konsumierten Mineralwasser.<br />
Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte<br />
etablierte sich Henniez als feste Marke in<br />
der Schweizer Getränkelandschaft. Heute<br />
gibt es wohl wenige Schweizer, die die berühmten<br />
Henniez-Farbcodes Rot, Blau<br />
und Grün nicht kennen.<br />
Das Beispiel von Henniez zeigt die regionale<br />
Komponente von Flaschenwasser auf.<br />
Nestlé ist im Wasserhandel zwar weltweit<br />
in 34 Ländern tätig, die 56 Wassermarken<br />
werden aber lokal produziert und verkauft.<br />
Die Bevölkerung in den verschiedenen<br />
Absatzmärkten identifiziert sich mit<br />
ihrem eigenen lokalen Wasser. Griechen<br />
trinken Korpi, Amerikaner geniessen Poland<br />
Spring und Vietnamesen vertrauen<br />
48 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
FOKUS ▶ WASSER<br />
La Vie. Ausnahme bilden die Premium-<br />
Marken San Pellegrino und Perrier, welche<br />
ausserhalb Europas jedoch nur ein<br />
kleines Segment in der Spitzengastronomie<br />
abdecken. Der Handel mit Wasser ist<br />
regional, und dies ist auch gut so.<br />
Schliesslich macht es aus Rücksicht auf<br />
Kosten und Umwelt mehr Sinn, dass von<br />
der lokalen Bevölkerung lokales Wasser<br />
getrunken wird.<br />
Henniez-Wasser kostet im Schweizer Detailhandel<br />
in der 1,5-Liter-Flasche gewöhnlich<br />
etwas weniger als einen Franken.<br />
Dieser Preis reflektiert nicht nur den<br />
Wert des Rohstoffs Wasser, sondern vor<br />
allem eine komplexe Wertschöpfungskette,<br />
welche es dem Kunden ermöglicht,<br />
Henniez an jedem Ort der Schweiz und zu<br />
jeder Gelegenheit zu trinken. Sei es beim<br />
Wandern oder Skifahren in den Bergen,<br />
im Büro vor dem Computer oder mit der<br />
Familie daheim beim Abendessen – Henniez-Wasser<br />
gibt es überall dort, wo Menschen<br />
Wasser brauchen. Der Preis von<br />
knapp einem Franken deckt daher in<br />
erster Linie Verpackung und Transport des<br />
Wassers von der Quelle zum Verbraucher.<br />
Virtuelles Wasser<br />
Die Grösse des Handels mit Flaschenwasser<br />
wird oft überschätzt. Als weltweiter<br />
Marktführer könnte Nestlé nicht einmal<br />
den jährlichen Wasserbedarf der Bevölkerung<br />
des Kantons St. Gallen abdecken.<br />
Eine viel wichtigere, oft übersehene Komponente<br />
des Wasserhandels ist der Handel<br />
mit so genanntem virtuellem Wasser.<br />
Konsumiert eine Person in einem Restaurant<br />
125 g argentinisches Rindsfilet, so<br />
trinkt sie implizit 1900 Liter Wasser – welches<br />
zuvor über das Tierfutter in Argentinien<br />
vom Vieh aufgenommen wurde. 1<br />
Über zwei Drittel des gesamten Wasserverbrauches<br />
fliesst global in die Landwirtschaft.<br />
2 Damit ist klar, dass der grösste<br />
Anteil Wasser im Zuge des weltweiten<br />
Austausches mit Lebensmitteln nicht reell,<br />
sondern «virtuell» gehandelt wird.<br />
Der virtuelle Wasserhandel trägt dazu bei,<br />
mit dem Import von Produkten aus wasserreichen<br />
in wasserärmere Länder den<br />
globalen Zugang zu Wasser auszubalancieren.<br />
So zeigt eine Studie des ehemaligen<br />
ETH-Ratspräsidenten Alexander J. B.<br />
Zehnder einen Wasserhandelsüberschuss<br />
von Ländern mit einem hohem Anteil an<br />
Regenwasserbewässerung in der Landwirtschaft<br />
und ein Wasserhandelsdefizit<br />
in Ländern mit einem hohen Anteil<br />
künstlicher Bewässerungsmethoden. 3<br />
Es wäre jedoch voreilig zu behaupten, dass<br />
Exporte von Lebensmitteln aus wasserarmen<br />
Ländern grundsätzlich falsch sind.<br />
So verfügen Länder mit Wasserknappheit<br />
oft über ein warmes Klima und Bedingungen,<br />
welche das Wachstum von Gemüse<br />
und Früchten begünstigen. Stattdessen<br />
sollte die wirtschaftliche Nutzung von<br />
Wasser in Ländern mit Wasserknappheit<br />
an zwei Bedingungen geknüpft werden.<br />
Erstens, der menschliche Konsum von<br />
Trinkwasser geniesst absolute Priorität<br />
und jeder Mensch sollte Zugang zu einer<br />
öffentlichen Wasserversorgung erhalten.<br />
Dieser Zugang sollte nicht durch wirtschaftliche<br />
Aktivitäten behindert werden.<br />
Zweitens, jene Ressourcen, welche nach<br />
Deckung der menschlichen Grundbedürfnisse<br />
übrig bleiben, sollten nachhaltig<br />
und effizient gehandelt werden.<br />
Recht auf Wasser<br />
Nestlé beteiligt sich als global agierendes<br />
Unternehmen am virtuellen Handel mit<br />
Wasser. Dieses Wasser befindet sich beispielsweise<br />
im Kakao der Cailler-Schokolade<br />
oder in der Kaffeebohne im Nespresso.<br />
Um den Zugang zu Wasser und die<br />
nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen<br />
nicht zu beeinträchtigen, hat sich<br />
Nestlé im Rahmen der Unternehmensstrategie<br />
soziale Verpflichtungen auferlegt.<br />
Erstens unterstützt das Unternehmen<br />
ein Menschenrecht auf Wasser. Im Rahmen<br />
dessen ermöglicht Nestlé seinen<br />
340 000 Mitarbeitenden und über 400 000<br />
Menschen aus Gemeinschaften rund um<br />
die Produktionsstätten Zugang zu Trinkwasser.<br />
Darüber hinaus erarbeitet Nestlé<br />
Richtlinien, welche den sorgfältigen Umgang<br />
mit dem Menschenrecht auf Wasser<br />
weiter stärken sollen.<br />
Zweitens überprüft Nestlé im Planungsprozess<br />
neuer Produktionsstätten, ob eine<br />
nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser<br />
an Ort und Stelle gewährleistet werden<br />
kann. Wurde eine Produktionsstätte<br />
schliesslich in Betrieb genommen, so eröffnen<br />
sich mit voranschreitender Technik<br />
immer wieder Opportunitäten, um<br />
Wasser einzusparen. Seit 2005 hat Nestlé<br />
im Rahmen dieser Verbesserungen<br />
37 Prozent Wasser pro Tonne Produkt eingespart.<br />
Als beinahe 150-jähriges, weltweit tätiges<br />
Unternehmen mit der Ambition, auch<br />
noch 150 weitere Jahre bestehen zu können,<br />
ist Nestlé auf einen nachhaltigen<br />
Umgang mit der Ressource Wasser angewiesen.<br />
Die nachhaltige Nutzung erfordert<br />
jedoch, dass sich die privaten, öffentlichen<br />
oder wirtschaftlichen Nutzer gemeinsam<br />
an einen Tisch setzen, um der Ressource<br />
Wasser Sorge zu tragen. Nestlé hat diese<br />
Notwendigkeit erkannt und beteiligt sich<br />
in der 2030 Water Resources Group gemeinsam<br />
mit Entwicklungsbanken, dem<br />
WWF und weiteren Unternehmen (Coca<br />
Cola, PepsiCo, SABMiller) am Dialog, um<br />
die Wassersektoren der von Wasserknappheit<br />
betroffenen Länder zu reformieren.<br />
Plattformen dieser Art werden in Zukunft<br />
sicher vermehrt etabliert werden, um eine<br />
langfristige Nachhaltigkeit der Handelsströme<br />
sicherzustellen.<br />
1 Water Footprint Network. Product Gallery.<br />
<strong>2015</strong><br />
2 Food and Agricultural Organization [FAO].<br />
Aquastat. <strong>2015</strong><br />
3 H. Yang, L. Wang, K. C. Abbaspour, A. J. B.<br />
Zehnder. Virtual water trade: an assessment<br />
of water use efficiency in the international<br />
food trade. Hydrology and Earth System Sciences<br />
Discussions, Copernicus Publications,<br />
2006, 10 (3), pp. 443-454<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
49
PERSPEKTIVEN<br />
FACHSERIE AKTUELLES AUS DER GASTROENTEROLOGIE:<br />
DIVERTIKULOSE UND DIVERTIKULITIS<br />
Moderne Therapien für alte Leiden<br />
Divertikel gelten oft als folgenlose Nebenbefunde. Entzünden sie sich, kann sich das Bild drastisch<br />
ändern. Bis vor kurzem hielt man Divertikulose und Divertikulitis für Wohlstandskrankheiten, die<br />
hauptsächlich wegen Ernährung und Lebensstil auftreten. Neuere Studien werfen eine differenziertere<br />
Sicht auf die Leiden; entsprechend werden die geltenden Behandlungsstandards hinterfragt.<br />
Maja Gruber, Assistenzärztin, Bauchzentrum – Gastroenterologie, Ida Füglistaler, Oberärztin, Bauchzentrum – Viszeralchirurgie,<br />
Miriam Thumshirn, Chefärztin, Bauchzentrum – Gastroenterologie, St. Claraspital, Basel<br />
Die Divertikulose des Kolons ist ein häufig<br />
erhobener Befund bei Koloskopien oder<br />
CT-Untersuchungen des Abdomens. Die<br />
Prävalenz der Divertikulose steigt mit dem<br />
Alter; sie beträgt ca. 35 Prozent bei den<br />
60-Jährigen und ca. 60 Prozent bei den<br />
über 80-Jährigen. Meistens verläuft die<br />
Divertikulose asymptomatisch (bei 80%<br />
der Betroffenen), und dies unabhängig<br />
von der Anzahl oder Grösse der Divertikel<br />
(1). Obwohl der klinische Verlauf der Divertikulose<br />
hinreichend bekannt ist, wissen<br />
wir wenig über die Ursachen oder<br />
Risikofaktoren, die eine Divertikulitis,<br />
eine der häufigsten Erkrankungen des<br />
Gastrointestinaltraktes, auslösen. Diätetische<br />
Faktoren und Veränderungen im<br />
Mikrobiom werden vermutet. In den letzten<br />
Jahren haben sich einige, seit langem<br />
geltende Behandlungsstandards geändert<br />
oder werden zumindest in Frage gestellt;<br />
hierauf werden wir in diesem Artikel speziell<br />
fokussieren.<br />
Divertikulitis<br />
Die häufigste Komplikation der Divertikulose<br />
ist die Divertikulitis, bei der es zur<br />
phlegmonösen Entzündung des parakolischen<br />
Fettgewebes, zur gedeckten oder<br />
0 Klinisch milde Divertikulitis<br />
Ia<br />
Ib<br />
II<br />
III<br />
IV<br />
Perikolische Entzündung oder Phlegmone<br />
offenen Perforation, zur Abszess- oder<br />
Fistelbildung kommen kann.<br />
Die Diagnose erfolgt bei der akuten Divertikulitis<br />
zunächst klinisch. Linksseitige<br />
Unterbauchschmerzen begleitet von erhöhten<br />
laborchemischen Entzündungszeichen<br />
sind die typischen Symptome. Die<br />
Computertomographie bringt die meisten<br />
Informationen zur Beurteilung des Schweregrades<br />
der Entzündung.<br />
Die akute Divertikulitis lässt sich in eine<br />
unkomplizierte und eine komplizierte<br />
Verlaufsform unterteilen. Bei letzterer sind<br />
ein Abszess, eine makroskopische Perforation<br />
oder eine Fistulierung bei fieberhaftem<br />
Patienten zu sehen. Die Diagnose<br />
einer Divertikulitis sollte eine Klassifikation<br />
beinhalten, um die Ausprägung der<br />
Erkrankung zu erfassen und eine Stratifizierung<br />
für die unterschiedliche Prognose<br />
und Therapieform zu ermöglichen.<br />
Häufig wird die modifizierte Klassifikation<br />
nach Hinchey angewendet (2) (siehe<br />
Tabelle).<br />
Konservative Therapie<br />
Ballaststoffe<br />
Eine ballaststoffarme und fettreiche Ernährung<br />
wurde bisher für die Entstehung<br />
Perikolisch oder mesokolischer Abszess(
PERSPEKTIVEN<br />
Schmerzen ohne makroskopische Entzündungsaktivität<br />
und ohne laborchemische<br />
Entzündungsreaktion) untersucht.<br />
Hier konnte gezeigt werden, dass insbesondere<br />
die Kombination der beiden Substanzen<br />
die Entstehung einer Divertikulitis<br />
reduzieren (8).<br />
Weitere Studien sind erforderlich, bevor<br />
Probiotika einen evidenzbasierten Stellenwert<br />
in der Behandlung der Divertikelkrankheit<br />
erhalten.<br />
Antibiotika<br />
Bisher umfasste die Standardbehandlung<br />
einer unkomplizierten Divertikulitis nebst<br />
symptomatischen Massnahmen eine empirische<br />
antibiotische Therapie, obwohl<br />
hierzu keine kontrollierten Studien vorlagen.<br />
Zunehmend wird die Notwendigkeit<br />
einer antibiotischen Therapie in Frage<br />
gestellt.<br />
In einer 2012 publizierten, randomisierten<br />
Studie aus Schweden wurden 623<br />
Patienten mit im CT nachgewiesener akuter,<br />
unkomplizierter Divertikulitis analysiert.<br />
Die Patienten wurden in zwei Gruppen<br />
(mit und ohne Antibiotika) aufgeteilt.<br />
In dieser Studie konnte nachgewiesen<br />
werden, dass eine antibiotische Therapie<br />
weder die Komplikationsrate innert eines<br />
Jahres noch die Hospitalisationsdauer<br />
oder die Rezidivwahrscheinlichkeit (innerhalb<br />
eines Jahres) signifikant senken<br />
konnte (9).<br />
Zwei retrospektive Fall-Kontroll-Studien<br />
zeigten unabhängig von einer Antibiotikagabe<br />
ähnliche Krankheitsverläufe bei<br />
Patienten mit milder Divertikulitis (10;<br />
11). Bei akuter unkomplizierter linksseitiger<br />
Divertikulitis ohne Risikoindikatoren<br />
kann unter engmaschiger klinischer<br />
Kontrolle auf eine Antibiotikatherapie<br />
verzichtet und mittels Analgetika und faserarmer<br />
Kost therapiert werden. Der Antibiotikaeinsatz<br />
bleibt somit schweren<br />
Schüben, Komplikationen und immunsupprimierten<br />
Patienten vorbehalten. Dies<br />
ist insbesondere in Anbetracht der steigenden<br />
Resistenzraten von Bedeutung.<br />
Operative Therapie<br />
Die Operationsindikation bei rezidivierender<br />
Divertikulitis wurde bis vor einigen<br />
Jahren nach dem zweiten Schub festgelegt<br />
oder beim jungen Patienten sogar bereits<br />
nach dem ersten unkomplizierten Schub.<br />
Diese Empfehlungen gemäss amerikanischen<br />
(12) und europäischen Guidelines<br />
(13) wurden in den letzten Jahren kritisch<br />
analysiert, und einige neuere Studien haben<br />
gezeigt, dass die «grosszügige» Operationsindikation<br />
nicht gerechtfertigt ist.<br />
Die Morbidität und Mortalität der Patienten<br />
mit mehr als zwei Divertikulitisschüben<br />
nehmen nicht zu. Das Risiko einer<br />
freien Perforation, der gefürchtesten Komplikation,<br />
nimmt mit der Anzahl der<br />
durchgemachten Schübe eher ab (14). Die<br />
Divertikulitis-assoziierte Mortalität erwies<br />
sich im Vergleich zu der operationsbedingten<br />
Mortalität als geringer (15).<br />
Heutzutage wird die Indikation zur chirurgischen<br />
Resektion bei rezidivierender<br />
Divertikulitis individuell gestellt, d.h. unter<br />
Berücksichtigung von Alter und Leidensdruck<br />
des Patienten sowie der Komorbiditäten<br />
bzw. Operationsrisiken (16).<br />
Aufgrund des erhöhten Perforationsrisikos<br />
und einer höheren Mortalitätsrate unter<br />
einer rein medikamentösen Therapie sollte<br />
aber bei immunsupprimierten Patienten<br />
oder Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz<br />
die Resektion weiterhin<br />
nach dem ersten Schub evaluiert werden.<br />
Die Operationstechnik der elektiven Resektion<br />
besteht in einer laparoskopischen<br />
Rektosigmoidresektion. Der laparoskopische<br />
Zugang zeigte in mehreren Studien<br />
seine Überlegenheit in den frühpostoperativen<br />
Resultaten (17), jedoch keinen<br />
Unterschied zu der offenen Technik bezüglich<br />
Lebensqualität und Rezidivrate<br />
im Langzeitverlauf (18).<br />
Wenn eine Operation durchgeführt wird,<br />
wird sowohl in der Notfallsituation, wie<br />
auch im elektiven Setting eine Resektion<br />
mit primärer Anastomosierung und<br />
Schutzileostomie angestrebt. Die früher<br />
durchgeführte Hartmann-Operation hat<br />
in dieser Situation weitgehend an Bedeutung<br />
verloren.<br />
Bei eitriger oder fäkaler Peritonitis wird<br />
zunehmend die reine laparoskopische<br />
Lavage ohne Resektion des perforierten<br />
Kolonsegmentes propagiert. Die Literatur<br />
dazu ist noch limitiert. Diese Technik<br />
bringt das Risiko eines persistierenden<br />
bzw. rezidivierenden Infektes mit sich. Sie<br />
stellt heutzutage noch keine valable Alternative<br />
zur Resektion dar und sollte nur in<br />
Rahmen von Studien angewandt werden<br />
(16).<br />
■<br />
Literatur:<br />
1 Leifeld L. et al. S2k-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis.<br />
Z Gastroenterol<br />
2014; 52: 663–710.<br />
2 Wasvary H., Turfah F., Kadro O., Beauregard<br />
W. Same hospitalization resection for acute<br />
diverticulitis. Am Surg. 1999; 65: 632–635.<br />
3 Comparato G., Pilotto A., Franzè A., Franceschi<br />
M., Di Mario F. Diverticular disease in the<br />
elderly, Dig. Dis. 2007; 25(2): 151–159.<br />
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Hjern A. Diverticular disease and migration<br />
- the influence of acculturation to a western<br />
lifestyle on diverticular disease Aliment Pharmacol<br />
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diet does not protect against asymptomatic<br />
diverticulosis. Gastroenterology<br />
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of European Prospective Investigation<br />
into Cancer and Nutrition (EPIC): prospective<br />
study of British vegetarians and non-vegetarians.<br />
BMJ 2011; 343: d4131.<br />
7 Dughera L., Serra A.M., Battaglia E., Tibaudi<br />
D., Navino M., Emanuelli G. Acute recurrent<br />
diverticulitis is prevented by oral administration<br />
of a polymicrobial lysate suspension.<br />
Minerva Gastroenterol Dietol 2004; 50(2):<br />
149–153.<br />
8 Tursi A., Brandimarte G., Elisei W., et al. Aliment<br />
Pharmacol Ther 2013; 38:741–751.<br />
9 Chabok A., Påhlman L., Hjern F., Haapaniemi<br />
S., Smedh K.; AVOD Study group. Randomized<br />
clinical trial of antibiotics in acute uncomplicated<br />
diverticulitis. Br J Surg 2012; 99(4):<br />
532–539.<br />
10 Hjern F., Josephson T., Altman D., et al. Conservative<br />
treatment of acute colonic diverticulitis:<br />
are antibiotics always mandatory? Scand<br />
J Gastroenterol 2007;42(1): 41–47.<br />
11 De Korte N., Kuyvenhoeven J.P., Van der Peet<br />
D.L., et al. Mild colonic diverticulitis can be<br />
treated without antibiotics. A case-control<br />
study. Colorectal Dis 2012;14: 325–30.<br />
12 Wong et al. Practice parameters for the treatment<br />
of sigmoid diverticulitis-supporting<br />
documentation. The standard task force. The<br />
American Society of Colon and Rectal Surgery.<br />
Dis Colon Rectum 2000; 43: 290–97.<br />
13 Kohler et al. Diagnosis and treatment of diverticular<br />
disease: results of a consensus development<br />
conference. The scientific Committee of<br />
the European Association for Endoscopic<br />
Surgery. Surg Endosc 1999; 13: 430–36.<br />
14 Ritz et al. Outcome of patients with acute<br />
sigmoid diverticulitis: multivariate analysis<br />
of risk factors for free perforation. Surgery<br />
2011; 149: 606–13.<br />
15 Chapman et al., Complicated diverticulitis: is<br />
it time to rethink therules? Ann Surg 2005;<br />
242: 576–81.<br />
16 Feingold et al., Practice parameters for treatment<br />
of sigmoid diverticulitis. Dis Colon Rectum<br />
2014; 57: 284–94.<br />
17 Schwenk et al., short-term benefits for laparoscopic<br />
colorectal resection. Cochrane Database<br />
Syst. Rev. 2005.<br />
18 Gervaz et al., Laparoscopic versus open sigmoid<br />
resection for divericulitis: long term<br />
results of a prospective, randomized trial.<br />
Surg Endosc 2011; 25: 3373–78.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
51
PERSPEKTIVEN<br />
AUS DER «THERAPEUTSICHEN UMSCHAU»<br />
Rheumatologische Notfälle<br />
im Alltag des Hausarztes<br />
In der Rheumatologie können sich besonders im Bereich der entzündlichen Erkrankungen und der<br />
Kollagenosen unvermittelte Notfallsituationen ergeben. Als ein Beispiel sei der plötzliche Zentralarterienverschluss<br />
des Auges bei Arteriitis temporalis genannt. Solche Ereignisse sind aber eher<br />
selten. Häufiger wird der allgemeine Internist mit nicht unbedingt bedrohlichen, aber sehr schmerzhaften<br />
und funktionsbehindernden Akutfällen konfrontiert sein. In diesem Artikel werden vier<br />
typische Patientenprobleme dargestellt, die der Praktiker erkennen und nicht missverstehen sollte,<br />
um rasch und richtig zu handeln: Akutes (lumbo-)vertebrales Syndrom, Schulter-Periarthropathie,<br />
Kristallarthritis und Ruptur einer Bakercyste.<br />
Heinz Fahrer, Reichenbach<br />
Einführung<br />
Rheumatologie, die medizinische Disziplin<br />
des menschlichen Bewegungs- und Halteapparats,<br />
gilt nicht unbedingt als Domäne<br />
des Notfallmediziners, sondern eher als Ort<br />
von in Ruhe getroffenen, breiten Abklärungen<br />
und differentialdiagnostischen Überlegungen.<br />
Dieses Verständnis ist allerdings<br />
nur zum Teil richtig, da auch in der Rheumatologie<br />
Situationen auftreten, in welchen<br />
notfallmässige Analyse und rasche<br />
Behandlung entscheidend sind, um bedrohliche<br />
Komplikationen oder gar einen<br />
morbiden Verlauf abzuwenden.<br />
Es kann sich dabei um Erstmanifestationen<br />
einer bisher nicht bekannten rheumatischen<br />
Erkrankung handeln oder aber<br />
um die schubartige Verschlimmerung eines<br />
schon vorher manifesten Leidens.<br />
Ernst wird die Lage nicht selten durch einen<br />
anfänglich maskierten Charakter<br />
solcher Erscheinungsbilder, die dann unvermittelt<br />
einen den Behandelnden überraschenden,<br />
im schlimmsten Fall auch<br />
überfordernden, foudroyanten Verlauf<br />
nehmen können. Als Beispiele sei die infektiöse<br />
Komplikation einer das Immunsystem<br />
supprimierenden Therapie genannt,<br />
die nicht immer das Vollbild des<br />
infektiösen Prozesses zeigen muss (z. B.<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich in der Therapeutische<br />
Umschau <strong>2015</strong>; 72 (1): DOI 10.1024/0040-5930/<br />
a000633 <strong>VSAO</strong>-Mitglieder können die «Therapeutische<br />
Umschau» zu äusserst günstigen Konditionen abonnieren.<br />
Details s. unter www.verlag-hanshuber.com/<br />
vsao.<br />
bakterielle Synovitis und konsekutive Sepsis<br />
unter einer Arthritisbehandlung mit<br />
TNF-alpha-Hemmer), oder ein akutes Nierenversagen<br />
auf Grund einer Glomerulonephritis<br />
bei Kollagenose, die akute Bedrohung<br />
des cervicalen Rückenmarks mit<br />
dem Potential einer Tetraplegie bei entzündlich<br />
angegriffenem, destabilisiertem<br />
atlanto-dentalem Gelenk im Rahmen einer<br />
rheumatoiden Arthritis sowie die Vielzahl<br />
möglicher medikamentöser Nebeneffekte<br />
durch nichtsteroidale Entzündungshemmer<br />
(u. a. gastro-intestinale Laesionen<br />
und Blutungen) oder sogenannte<br />
Arthritis-Basismedikamente (Methotrexat-<br />
Pneumopathie, etc.), schliesslich das<br />
heimtückische plötzliche Erblinden eines<br />
Auges auf Grund eines Zentralarterienverschlusses<br />
der Retina bei Riesenzellarteriitis.<br />
Nur auf diesen letzteren Fall sei hier<br />
mit einem Hinweis eingegangen: den Patienten<br />
mit plötzlichem, temporal gelegenem<br />
Kopfschmerz und hoher Blutsenkungsreaktion<br />
oder CRP sofort mit oralem<br />
Steroid behandeln (1 mg/kg). Man kann<br />
vielleicht einmal mit der Verdachtsdiagnose<br />
falsch liegen, was sich rasch und nebenwirkungslos<br />
klären wird, wenn die Klinik<br />
nicht anspricht, man wird aber möglicherweise<br />
ein Auge retten.<br />
Gemeinsam ist diesen und weiteren rheumatologischen<br />
Notfallereignissen, dass sie<br />
von ihrer Inzidenz her als einigermassen<br />
selten bezeichnet werden können und deshalb<br />
vom allgemeinen Internisten oder<br />
Hausarzt im Verlauf seiner Ausbildung<br />
und Praxistätigkeit höchstens ein- bis<br />
zweimal, falls überhaupt, angetroffen<br />
werden dürften (siehe dazu u. a. Tabelle<br />
9.43 «Differenzialdiagnose rheumatologischer<br />
Notfälle» im ausgezeichneten Buch<br />
von Zeidler und Michel [1]). Es handelt<br />
sich somit eher um Raritäten – dies im<br />
Gegensatz zur Gruppe rheumatologischer<br />
Akut- und Dringlichsituationen, die zwar<br />
nicht unmittelbar bedrohlich für wichtige<br />
Organe oder gar das Leben sind, aber<br />
durch Schmerzhaftigkeit oder plötzliche<br />
Funktionsverluste dem Patienten wohl<br />
noch bewusster und subjektiv lästiger werden<br />
können als Phänomene aus der erstgenannten<br />
Gruppe. Im folgenden sollen<br />
deshalb, unter Verzicht auf die medizinisch<br />
schwergewichtigeren «echten» Notfallsituationen,<br />
einige rheumatologische<br />
Akutsituationen dargestellt werden, wie sie<br />
alltäglich in der Sprechstunde des Allgemeinpraktikers<br />
auftauchen und zu raschem<br />
Handeln zwingen können, gelegentlich<br />
aber auch falsch verstanden und<br />
angegangen werden. Verzichtet werden<br />
darf dabei für einmal auf die akribische<br />
Abstützung auf «evidence based medicine»<br />
unter dem Gedanken, dass auf eigener<br />
Erfahrung basierende Analyse und<br />
Evidenz (auch die gibt es nämlich!) als<br />
Hilfe für den Patienten möglicherweise<br />
effizienter sind als die Kenntnis von Statistiken,<br />
die aus Durchschnittswerten gewonnen<br />
wurden und denen sich der Einzelfall<br />
ohnehin häufig entzieht.<br />
Hilfe, ich bin blockiert!<br />
Das Phänomen<br />
vertebraler Syndrome<br />
Fall: Der 65-jährige Mann tollt mit Kindern<br />
im Schnee herum; unter anderem<br />
52 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
PERSPEKTIVEN<br />
liegt er dabei, wie er sich später erinnern<br />
wird, für etwa 2 Minuten auf dem Rücken,<br />
dies nicht eben mit der wärmsten Skijacke<br />
bekleidet. Eine Stunde später räumt er zu<br />
Hause das Geschirr aus der Spülmaschine,<br />
tief gebückt, doch es geschieht ohne<br />
Probleme, für ihn ein Routinevorgang.<br />
Nach getaner Haushaltpflicht richtet er<br />
sich ebenfalls problemlos auf und geht<br />
Richtung Wohnzimmer. Während dieses<br />
Gangs von 10 Sekunden befällt ihn völlig<br />
unvermittelt ein absolut gewaltiger Lumbalschmerz,<br />
welcher ihn zu Boden zwingt<br />
und für die folgenden rund 48 Stunden<br />
auch nicht mehr aufstehen lässt, weil jeder<br />
Bewegungsversuch des Rumpfs ein<br />
einschussartiges Schmerz ereignis auslöst.<br />
Nach dieser Frist, mit Unterstützung von<br />
zeitweiligen Wärmepackungen und grosszügiger<br />
Analgetikaeinnahme, ist das Phänomen<br />
vollständig und definitiv vorbei,<br />
der Mann kann sich wie zuvor wieder zu<br />
den Rückengesunden rechnen. Er veranlasst<br />
in der Folge, da selbst Rheumatologe<br />
und mit dem Verfasser zufällig identisch,<br />
aus wissenschaftlicher Neugier (und nota<br />
bene seinen Kassen-Selbstbehalt belastend!)<br />
ein MRI der Lendenwirbelsäule.<br />
Dieses zeigt nicht, wie fast erwartet, strukturelle<br />
Veränderungen, insbesondere am<br />
Diskus material, oder etwas anderweitig<br />
Un gewöhnliches, sondern banalste Normalverhältnisse.<br />
Dieser klassisch-authentische Fall einer<br />
Lumbago oder eines lumbovertebralen<br />
Syndroms oder, auf angelsächsisch noch<br />
schlichter, eines «low back pain», wirft die<br />
Frage der Pathogenese auf. Lehrbücher<br />
nennen als mögliche Ursachen meist<br />
strukturelle Veränderungen wie diskale<br />
Osteochondrose oder degenerative Prozesse<br />
im Bereich der Intervertebralgelenke<br />
oder des Spinalkanals, auf der funktionellen<br />
Ebene wird oft das sogenannte «Verhebetrauma»<br />
erwähnt. In der geschilderten<br />
Situation ist nichts davon zutreffend:<br />
Strukturelle Normalität liegt vor, auch<br />
keine eindeutige Fehl- oder Überbelastung<br />
ist nachweisbar, sonst hätte der Schmerz<br />
unmittelbar während des Arbeitsvorgangs<br />
auftreten müssen. Vermutlich liegt die<br />
Erklärung hier in einem Zusammenwirken<br />
von zwei Faktoren: Kälteeinwirkung<br />
auf die autochthone Rückenmuskulatur<br />
als Dispositionsbedingung, sowie biomechanisch<br />
ungünstige Tätigkeit (inklinierte<br />
Haltung, Rumpf-rotierender Arbeitsvorgang)<br />
als Auslöser, was zusammen zu<br />
einer unmittelbaren reflektorischen Fehlsteuerung<br />
der regionalen spinalen Muskelgruppen<br />
führte mit dramatischem<br />
Endresultat, dem Notschrei eines das gesamte<br />
System blockierenden Muskelkrampfs.<br />
Dieser Aspekt einer ausschliesslich funktionellen<br />
Pathogenese bei einem Teil der<br />
vertebralen Syndrome und damit auch<br />
ihrer meist vollständigen Reversibilität<br />
wird nach Ansicht des Verfassers in der<br />
Literatur kaum oder überhaupt nicht diskutiert,<br />
dürfte aber in einer Vielzahl von<br />
Fällen zutreffend sein, und zwar nicht nur<br />
auf lumbalem Niveau, sondern auch cervical<br />
(akute Torticollis) bzw., wenn auch<br />
deutlich seltener, thorakal (akutes Thorakovertebralsyndrom,<br />
gelegentlich sogar<br />
mit kardio-pulmonalen Akutereignissen<br />
verwechselt) [2, 3]. Auch die Tatsache,<br />
dass derartige Situationen oft sehr gut auf<br />
Interventionen wie eine Impulsmanipulation<br />
des Manualtherapeuten reagieren,<br />
spricht für eine solche An nahme. Dabei<br />
scheint mir die mechanistische These,<br />
dass subluxierte Strukturen, insbesondere<br />
kleine Wirbelgelenke, so gewissermassen<br />
wieder reponiert würden, nicht notwendig<br />
bzw. wenig plausibel. Vielmehr dürfte der<br />
rasche Impulsstoss das reflektorisch blockierte<br />
Steuerungssystem des entsprechenden<br />
Wirbelsäulenabschnitts im Sinn<br />
einer Unterbrechung von spino-muskulären<br />
Reflexbögen zur Entspannung bringen.<br />
Von grösster Wichtigkeit: Dem Patienten<br />
die Situation möglichst überzeugend erklären,<br />
sobald der funktionelle Charakter<br />
klar ist. So banal eine solche perakute<br />
Lumbago ist, wie sie der Verfasser selbst<br />
erfuhr, so erschreckend kann dieses Geschehen<br />
natürlich auf den Laien einwirken.<br />
Es droht das Festsetzen «im Kopf», in<br />
der Schmerzerinnerung und -erwartung<br />
nämlich, und damit über nicht angezeigtes<br />
Schonverhalten der Weg Richtung<br />
Chronifizierung, wenn nicht optimal aufgeklärt<br />
wird.<br />
Akute Schmerzen<br />
«um das Gelenk herum» –<br />
die Periarthropathie<br />
Fall: Die 43-jährige Hausfrau erwacht<br />
morgens mit einem als grässlich beschriebenen<br />
Schmerz der rechten Schulter- und<br />
v. a. Oberarmpartie. Sie hatte schon gelegentlich<br />
ziehende Empfindungen am<br />
rechten Oberarm verspürt, aber nie in<br />
diesem Ausmass. Der jetzige Schmerz wird<br />
als quälend-dumpf und praktisch anhaltend<br />
angegeben. Beim Versuch, den Arm<br />
aktiv oder auch nur passiv nach vorn oder<br />
seitlich anzuheben, kommt es zu zusätzlichen<br />
heftigsten Schmerzstichen, auch<br />
Rotationen sind unmöglich, die adäquat<br />
wirkende Patientin leidet offensichtlich.<br />
Die Anamnese ergibt weiter, dass die Frau<br />
zwei intensive Haushalttage mit Putzarbeiten<br />
hinter sich hat, an eine Fehlbewegung<br />
oder gar Verletzung des rechten<br />
Arms kann sie sich nicht entsinnen. Das<br />
Röntgenbild der Schulter in zwei Projektionen<br />
zeigt normale ossäre Verhältnisse,<br />
es finden sich insbesondere keine Arthrosezeichen<br />
im humero-scapulären (Schulter-)<br />
wie auch im akromio-claviculären<br />
Gelenk.<br />
Die in dieser Situation in der Regel gestellte<br />
Diagnose lautet auf «akute Periarthropathia<br />
humero-scapularis» (sogenannte<br />
PHS). Natürlich sind auch differentialdiagnostische<br />
Überlegungen zu machen,<br />
z. B. in Richtung eines von der Halswirbelsäule<br />
ausgehenden cervico-brachialen<br />
Schmerzes: Hier ist die Provokation durch<br />
gewisse Bewegungen oder Endstellungen<br />
der HWS oft wegleitend, die Neurologie<br />
selbstverständlich zu überprüfen, oder es<br />
ist an die (seltene!) neuralgische Amyotrophie<br />
der Schulter zu denken, doch gibt<br />
es hier bezeichnenderweise keine Bewegungsabhängigkeit<br />
der Schmerzen, möglicherweise<br />
aber begrenzte Paresen.<br />
Doch was ist denn eine Periarthropathie<br />
wirklich? Vernünftiger wäre es zweifellos,<br />
statt dieses Schleierbegriffs, der «Leiden<br />
um das Gelenk herum» signalisiert, mit<br />
der strukturellen Benennung des Problems<br />
von einer akuten Tendopathie bzw.<br />
Tendinitis zu sprechen, denn darum handelt<br />
es sich in den allermeisten derartigen<br />
Fällen: eine akute Reizung des Sehnenapparats,<br />
am Beispiel der Schulter am häufigsten<br />
der sogenannten Rotatorenmanschette<br />
(v. a. die abduzierenden und<br />
aussenrotierenden Sehnen von Supraund<br />
Infraspinatusmuskel, teilweise auch<br />
die innenrotierende Subscapularissehne),<br />
wobei die Bicepssehne ebenfalls mitmachen<br />
oder isoliert betroffen sein kann.<br />
Typisch ist, dass diese Problematik fast<br />
ausschliesslich erst nach dem 40. Lebensjahr<br />
auftaucht, wahrscheinlich korrelierend<br />
mit der beginnenden Altersdegeneration<br />
des Sehnenmaterials. Zusätzlich<br />
kann auch eine oberhalb der Rotatorenmanschette<br />
gelegene Entzündung der<br />
Bursa subacromialis mitbestehen, die sich<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
53
PERSPEKTIVEN<br />
klinisch nicht nachweisen lässt. Gelegentlich<br />
stösst man dann als Bestätigung für<br />
deren Vorliegen bei der subakromialen<br />
Punktion auf synoviale Flüssigkeit. Das<br />
MRI zeigt diesen Befund selbstverständlich<br />
auch, ist aber für die Diagnose einer<br />
neu aufgetretenen Tendopathie sicher<br />
nicht notwendig, so wenig wie Standard-<br />
Röntgenaufnahmen. Diese sind einzig bei<br />
hartnäckig rezidivierenden Problemen<br />
sinnvoll, weil sie dann unter Umständen<br />
durch den Nachweis grösserer Kalkdepots<br />
im Sehnenbereich wegen der Schmerzprovokation<br />
oder Passagebehinderung der<br />
verdickten Sehnen zur Indikation für einen<br />
chirurgisch-orthopädischen Eingriff<br />
führen können. Kleine Depots von Kalk<br />
sind meist irrelevant und können sich<br />
auch häufig spontan auflösen. Die von<br />
mir schon in radiologischen Berichten<br />
angetroffene Beurteilung «keine Verkalkungen,<br />
somit keine PHS» ist selbstverständlich<br />
unsinnig, eine akute Tendopathie<br />
ist nicht ans Vorliegen von Kalkablagerungen<br />
gebunden.<br />
Das MRI seinerseits ist nur dann zwingend,<br />
wenn die Klinik eine klar nicht<br />
(nur) auf Schmerzblockade beruhende,<br />
neu aufgetretene Bewegungsunfähigkeit<br />
des Arms speziell für die Abduktion zeigt,<br />
am deutlichsten dadurch ausgedrückt,<br />
dass der durch den Untersucher passiv<br />
seitlich abduzierte Arm vom Patienten<br />
nicht in dieser Stellung gehalten werden<br />
kann und rasch abfällt: Pseudoparese, auf<br />
eine mechanische Durchtrennung der<br />
Rotatorenmanschette bzw. eines grösseren<br />
Anteils davon hinweisend, was das<br />
MRI dann klar belegt. Auch dies ist aber<br />
selbstverständlich noch keine zwingende<br />
chirurgische Indikation, die für den Einzelfall<br />
diskutiert werden muss, wobei insbesondere<br />
das Alter des Patienten und die<br />
noch erwartete Funktionalität der Schulter<br />
eine Rolle spielen.<br />
Therapeutisch drängt sich aus Schmerzgründen<br />
vorübergehende Ruhigstellung<br />
auf, falls notwendig sogar kurzfristig mit<br />
einer Mitella. Nichtsteroidale Antirheumatika<br />
NSAR sind nicht falsch, sie haben eine<br />
gewisse schmerzlindernde Wirkung, die<br />
aber meist nicht genügt, um die Problematik<br />
nachhaltig einzudämmen. Hier<br />
empfiehlt sich nach Erfahrung des Verfassers<br />
fast zwingend die subakromiale Steroidinfiltration<br />
am einfachsten von lateral<br />
her durch den M. deltoideus zwischen<br />
Humeruskopf und Akromion behutsam<br />
ins sog. subakromiale Gleitlager eingeführt,<br />
also oberhalb der Rotatorenmanschette.<br />
Diese ist natürlich zu schonen,<br />
was durch einen völlig fehlenden Gegendruck<br />
beim Injektionsversuch bestätigt<br />
wird, nachdem man den Deltamuskel mit<br />
der Nadelspitze passiert hat. Der Effekt des<br />
Steroids ist innert 1 – 2 Tagen meist da in<br />
Form völliger Schmerzfreiheit oder doch<br />
wesentlicher Erleichterung, meist begleitet<br />
von raschem Wiedergewinn der vorherigen<br />
Motilität. Zur Steroidinjektion allgemein,<br />
ob (wie in diesem Fall) nur periartikulär<br />
oder auch intraartikulär, hier der<br />
Hinweis, dass es dafür nicht Abdeckrituale<br />
oder OP-Saal-Bedingungen braucht,<br />
aber nach guter Desinfektion eine absolute<br />
«no touch-Technik». Vorzugsweise geht<br />
man vorerst bis zum sicheren Nadelsitz<br />
am gewünschten Ort mit einem Lokalanaesthetikum<br />
ein, um dann das Depotsteroid<br />
nachzugeben. Physiotherapie, oft<br />
gutgemeint verordnet, hat in dieser Phase<br />
keinen Platz, der Patient wird gequält, der<br />
Therapeut frustriert, da insbesondere Bewegungsübungen<br />
hier meist nur verschlimmernd<br />
wirken.<br />
Der Begriff der Periarthropathie wird bekanntlich<br />
auch in der Knie- und Hüftregion<br />
angewendet (Periarthropathia genus<br />
PAG bzw. Periarthropathia coxae PAC),<br />
doch ist in diesen Regionen das Auftreten<br />
der Störung meist etwas weniger heftig<br />
und invalidisierend als im Fall der Schulter.<br />
Grundsätzlich handelt es sich aber um<br />
das genau gleiche Substrat, nämlich eine<br />
tendopathische Reizung unter möglicher<br />
Mitbeteiligung bursaler Strukturen. Im<br />
Fall des Knies ist dies sehr oft die medial<br />
gelegene Sehnengruppe der dort ansetzenden<br />
Knie-Adduktoren (Pes anserinus),<br />
oft mit Irritation der zwischen Sehnen<br />
und Knochen gelegenen Bursa; auch die<br />
Patellarsehne kann natürlich Reizort<br />
sein, in der Regel in der Nähe ihrer patellären<br />
Insertion, weniger der tibialen. Im<br />
Fall der Hüfte ist es meist die über den<br />
Trochanter laufende und häufig auch die<br />
darunter gelegene Bursa trochanterica<br />
irritierende seitliche Sehnenplatte des<br />
Tractus ilio-tibialis, wesentlich seltener<br />
sind Tendopathie und Bursitis der Iliopsoassehne<br />
(Bursitis ilio-pectinea), die<br />
einen unklaren Leistenschmerz verursachen<br />
können. In beiden Regionen, Knie<br />
und Hüfte, kann eine einzige, bei Bedarf<br />
auch 1 – 2 mal wiederholte Steroidinjektion<br />
ebenfalls die rationellste Problemlösung<br />
sein; praktisch kontraindiziert ist<br />
sie in den Augen des Verfassers aber im<br />
Fall der Patellarsehne, bei der auf Grund<br />
ihrer grossen biomechanischen Belastung<br />
das Rissrisiko zu hoch erscheint.<br />
Die Fussregion kennt den Begriff der Periarthropathie<br />
nicht; auch hier können<br />
aber isolierte Tendopathien recht akute<br />
und starke Schmerzen verursachen. Eine<br />
oft nicht erkannte Situation ist etwa die<br />
Reizung der Tibialis posterior-Sehne, die<br />
einen unangenehmen Schmerz in der<br />
medialen Knöchelgegend verursacht.<br />
Auch hier kann das lokale Steroid gut<br />
helfen, selbstverständlich neben Analyse<br />
und Korrektur der auslösenden Bedingungen,<br />
während für die bekanntere Tendopathie<br />
der Achillessehne das schon bei der<br />
Patellarsehne erwähnte (zusätzliche)<br />
Rissrisiko durch Sterodinjektionen zu beachten<br />
ist, da die Sehne im Gegensatz zur<br />
Tibialis posterior- Sehne und anderen<br />
Sehnen im Fussbereich wesentlich mehr<br />
belastet ist.<br />
Akute Synovitis eines<br />
Gelenks – muss man<br />
gleich an die septische<br />
Arthritis denken?<br />
Fall: Der 52-jährige Bauarbeiter kann am<br />
Montagmorgen nicht zur Arbeit, weil am<br />
Sonntag sein rechter Fuss innert weniger<br />
Stunden ganz massiv angeschwollen sei.<br />
Er habe sich in der letzten Zeit sehr gut<br />
gefühlt, es gab keine Erkrankungen oder<br />
Verletzungen. Frühere ähnliche Ereignisse<br />
werden negiert. Am Samstagabend<br />
habe er noch bei einem guten Essen den<br />
Geburtstag eines Arbeitskollegen mitfeiern<br />
können.<br />
Der Befund zeigt einen deutlich übergewichtigen<br />
Mann, der beim Gehen den<br />
rechten Fuss nur unter offensichtlich heftigen<br />
Schmerzen leicht mit der Zehenpartie<br />
am Boden absetzt. Der Fuss ist praktisch<br />
umfassend angeschwollen bis zu den<br />
Zehenbasen. Die angespannte Haut ist<br />
bläulich-rötlich verfärbt und leicht glänzend,<br />
jegliche Palpation ist schmerzhaft,<br />
besonders in der Gegend des oberen<br />
Sprunggelenks. Das Erstlabor ergibt ein<br />
deutlich erhöhtes C-reaktives Protein von<br />
72 mg/l und etwas Leukozytose.<br />
Der gedankliche Reflex des heutigen Medizinstudenten<br />
und jungen Praktikers<br />
geht in dieser Situation wohl zuerst in<br />
Richtung einer infektiösen Problematik<br />
mit dem drohenden Schreckensszenario<br />
einer von diesen betroffenen Gelenken<br />
ausgehenden Sepsis. Entsprechend wird<br />
54 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
PERSPEKTIVEN<br />
diagnostischer Aufwand betrieben oder<br />
der Patient raschmöglichst mit Infektverdacht<br />
dem Rheumatologen zugewiesen<br />
– sicher nicht falsch, aber meist nicht<br />
nötig.<br />
Die differentialdiagnostische Abwägung<br />
muss hier nämlich zur Beurteilung führen,<br />
dass die vorliegende Gelenkserkrankung<br />
viel eher einer akuten Kristallarthritis<br />
entspricht als einem Infekt: Argumente<br />
und Indizien dafür sind das sehr<br />
rasche Auftreten ohne jegliche Vor- oder<br />
Begleitsymptomatik, das sehr gute allgemeine<br />
Befinden des noch nicht alten<br />
Mannes (der sich bei Nachfragen dann<br />
doch erinnert, schon einmal eine ähnliche<br />
plötzliche «Geschichte» mit einem<br />
Handgelenk gehabt zu haben), sein sehr<br />
guter Ernährungszustand und die Angabe<br />
eines vorangehenden guten Nachtessens,<br />
das auch Alkoholgenuss beinhaltete. All<br />
dies macht, auch in Unkenntnis des Harnsäurespiegels,<br />
das Vorliegen einer Gicht-<br />
Arthritis, die epidemiologisch ja ungleich<br />
häufiger ist als eine bakterielle Arthritis,<br />
für den Erfahrenen wesentlich wahrscheinlicher<br />
(mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeitsrate<br />
käme auch eine Attacke<br />
im Rahmen einer Chondrokalzinose<br />
in Frage, das Vorgehen dabei bleibt gleich).<br />
Die klare Bestätigung ergibt sich natürlich<br />
aus der Gelenkpunktion mit Analyse hinsichtlich<br />
doppelbrechender lanzenförmiger<br />
Harnsäurenadeln bzw. rhombisch<br />
geformter kleiner Pyrophosphatkristalle<br />
[4]. Der Punktatgewinn ist grundsätzlich<br />
am einfachsten im Kniegelenk, es folgen<br />
mit abnehmender Erfolgsaussicht Schulter-,<br />
Hüft-, Sprung- und Handgelenk –<br />
aber selbst wenn diese Absicherung nicht<br />
Rheumatology emergencies in<br />
general practice<br />
In rheumatology there may occur emergencies especially<br />
in the field of inflammable diseases, the sudden<br />
occlusion of the central retinal artery in temporal arteritis<br />
as an example. Such incidents are rare. The general<br />
practitioner is more often confronted with not necessarily<br />
threatening, but very painful and function obstructing<br />
acute cases. In this paper four typical problems<br />
are represented which can be seen in everyday practice,<br />
sometimes misleading to wrong actions and therefore<br />
needing to be recognized in time and treated correctly:<br />
acute low back pain, periarthropathy of the shoulder<br />
joint, crystal arthritis and ruptured Baker's cyst.<br />
gelingt, ist die Indizienkette meist so<br />
zwingend, dass das entsprechende Handeln<br />
einsetzen kann. Dieses besteht nicht<br />
aus der Gabe von Allopurinol, einem oft<br />
praktizierten, aber leider falschen Reflex<br />
bei Verdacht oder Gewissheit auf akute<br />
Arthritis urica (die Harnsäuresenkung in<br />
Aktuphase kann die Entzündungssituation<br />
noch verstärken; auch Kolchizin muss<br />
nur selten eingesetzt werden), sondern aus<br />
der Punktion mit gleichzeitiger Gabe eines<br />
Depotsteroids. Der Anfall wird innert<br />
Stunden mit weitgehender Sicherheit vorbei<br />
sein.<br />
Jüngere Frau mit plötzlich<br />
geschwollener Wade:<br />
was kommt ausser einer<br />
TVT in Frage?<br />
Fall: Die 38-jährige leidenschaftliche Ausdauerläuferin<br />
kommt zum Notfallpraktiker.<br />
Sie beklagt sich über eine seit gestern<br />
Abend massiv angeschwollene linke Wade,<br />
die sie durch Spannungsgefühle sehr behindere.<br />
Ihren Hausarzt, aktuell in den<br />
Ferien, habe sie schon wiederholt in den<br />
letzten Wochen aufgesucht, weil das linke<br />
Knie eine Schwellungsneigung entwickelt<br />
habe, allerdings nicht immer gleich ausgeprägt,<br />
auch habe sie oft starke Spannungsgefühle<br />
in der Kniekehle gehabt.<br />
Der Hausarzt habe von einem möglichen<br />
Meniskusproblem gesprochen. Der Befund<br />
zeigt ein zur Zeit nicht besonders auffälliges<br />
linkes Knie, dagegen ist praktisch der<br />
ganze Unterschenkel gerötet und von<br />
glänzender Hautbeschaffenheit, deutlich<br />
verdickt und scheinbar unter starker<br />
Spannung, man misst eine Umfangvermehrung<br />
von 1,5 – 2 cm gegenüber dem<br />
rechten Unterschenkel.<br />
Selbstverständlich kann hier eine tiefe<br />
Venenthrombose (TVT) vorliegen. Nach<br />
Ausschluss entsprechender Risikofaktoren<br />
in der Anamnese und hellhörig geworden<br />
durch die unklare Knievorgeschichte der<br />
Patientin, kann aber der clevere Praktiker<br />
hier den Schluss auf eine viel plausiblere<br />
Pathologie ziehen und sich damit Abklärungen<br />
wie D-Dimere (mit dem Mangel<br />
zu grosser Sensitivität und zu geringer<br />
Spezifität für die TVT!) wie auch die Duplexsonographie<br />
schenken. Er vermutet<br />
zu Recht, dass hier möglicherweise über<br />
längere Zeit ein Knieerguss vorgelegen<br />
habe, vielleicht in Zusammenhang stehend<br />
mit der vom Hausarzt vermuteten<br />
Meniskusproblematik, und dieser dann<br />
eine popliteale Cyste (sogenannte Baker-<br />
Cyste) bildete, eine dorsale blasenartige<br />
Aus stülpung der Gelenkkapsel mit stielförmiger<br />
Verbindung zum Synovialflüssigkeit<br />
im Überschuss produzierenden<br />
gereizten Kniegelenk, welche nun spontan<br />
rupturiert ist. Dies ist in der Tat ein nicht<br />
seltener Vorgang, wobei das Einfliessen<br />
der Synovia in den Unterschenkel oft mit<br />
einer vorübergehend heftigen ausgedehnten<br />
Entzündungsreaktion verbunden ist,<br />
die viel dramatischer wirkt, als sie in<br />
Wahrheit ist, und eben Assoziationen an<br />
eine venöse Thrombose wecken kann [5].<br />
Die Behandlung ist so einfach wie die Diagnose:<br />
Entlastung, Hochlagerung, eventuell<br />
lokale Kälte und Kompression je<br />
nach klinischem Befinden, zur Entzündungshemmung<br />
orale Antiphlogistika.<br />
Bei Zweifeln an der Diagnose kann noch<br />
eine Ultraschalluntersuchung von Knieregion<br />
und Wade vorgenommen werden.<br />
Sie wird möglicherweise Kniegelenkserguss,<br />
Relikte der Cyste im Poplitealbereich<br />
(die auch mehrkammrig sein und weit in<br />
den Unterschenkel ragen kann) und im<br />
Unterschenkel diffus verteilte Flüssigkeitsmengen<br />
zeigen, die sich normalerweise<br />
spontan resorbieren. Selbstverständlich ist<br />
im Nachgang die Analyse und Behandlung<br />
der auslösenden Ursache angezeigt:<br />
Meist handelt es sich um degenerative<br />
Knieknorpel- und Meniskusschäden,<br />
nicht selten auch um die Äusserung einer<br />
rheumatoiden Arthritis. ■<br />
Korrespondenzadresse<br />
Dr. med. Heinz Fahrer<br />
Rheumatologie FMH<br />
Obere Gwanne 37<br />
3713 Reichenbach i. K.<br />
fahrer@hin.ch<br />
Literatur<br />
1. Rheumatologische Notfälle und Akutsituationen.<br />
In: Zeidler H, Michel B. Differenzialdiagnose<br />
rheumatischer Erkrankungen. Springer<br />
Medizin Verlag Heidelberg 2009: 382 – 85.<br />
2. Pengel L, Herbert R, Maher C et al. Acute low<br />
back pain: systematic review of its prognosis.<br />
BMJ 2003; 327: 323.<br />
3. Atlas SJ, Deyo RA. Evaluating and managing<br />
acute low back pain in the primary care setting.<br />
J Gen Intern Med 2001; 16 (2): 120 – 31.<br />
4. Courtney P, Doherty M. Joint aspiration and<br />
injection and synovial fluid analysis. Best<br />
Pract Res Clin Rheumatol 2013; 27 (2):<br />
137 – 69.<br />
5. Drescher MJ, Smally AJ. Thrombophlebitis<br />
and pseudothrombophlebitis in the ED. Am J<br />
Emerg Med 1997; 15 (7): 683 – 85.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
55
PERSPEKTIVEN<br />
D as erleseneObjekt<br />
Eine umfunktionierte<br />
Zigarettendose<br />
Prof. Iris Ritzmann, Medizinhistorikerin in Zürich<br />
Wie bitte? Das soll nun ein Arzneibehältnis<br />
sein, das in Albert Schweitzers berühmtem<br />
Urwaldspital stand?! In ihren besseren<br />
Zeiten hatte die Dose der Aufbewahrung<br />
von Zigaretten gedient. Schweitzer<br />
funktionierte sie in seiner Apotheke um.<br />
Die Aufschrift stammt aus der Feder des<br />
«Urwalddoktors» selbst. Man kann ihr<br />
entnehmen, dass in dieser Dose hochgiftiges<br />
Quecksilberjodid aufbewahrt wurde,<br />
ein schon damals historisches Heilmittel<br />
gegen die Syphilis.<br />
Die Dose, Eigentum der Association Internationale<br />
pour l’œuvre du docteur Albert<br />
Schweitzer, steht momentan in der<br />
Schatzkammer der Zentralbibliothek Zürich.<br />
Sie ist Teil einer kleinen, aber feinen<br />
Ausstellung, die Einblick in die verschiedenen<br />
Facetten Schweitzers erlaubt. Anhand<br />
von Briefen, Manuskripten und<br />
Gegenständen tritt Schweitzer den Besuchenden<br />
nicht nur als Arzt entgegen, sondern<br />
auch als Theologe. Sein religiöses<br />
Sendungsbewusstsein, sein Wunsch, Gott<br />
zu dienen, brachte ihn dazu, noch in seinem<br />
vierten Lebensjahrzehnt ein Medizinstudium<br />
zu absolvieren und nach<br />
Lambarene zu reisen.<br />
Albert Schweitzer war für eine ganze Ärztegeneration<br />
ein Idol. Inwieweit seine<br />
Medizin den damaligen Qualitätskriterien<br />
entsprach, stellt heute eine offene Frage<br />
dar. Gespannt blicken wir den Forschungsresultaten<br />
der Universität Bern<br />
entgegen, wo zurzeit der ausgedehnte<br />
Briefwechsel Schweitzers, Krankenjournale,<br />
Fotografien und sonstige persönliche<br />
Aufzeichnungen ausgewertet werden. ■<br />
Medikamentenbehältnis aus Albert Schweitzers Spitalapotheke in Lambarene<br />
Albert Schweitzer (1875–1965)<br />
Eine Ausstellung in der Schatzkammer der Zentral bibliothek Zürich<br />
Zähringerplatz 6, CH-8001 Zürich, Tel +41 44 2683 100<br />
Öffnungszeiten<br />
Mo–Fr: 13–17 Uhr, Sa: 13–16 Uhr<br />
Die Ausstellung wird noch bis 12. September <strong>2015</strong> gezeigt.<br />
www.zb.uzh.ch/ausstellungen<br />
56 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Lösungen für jede Lebensphase<br />
Welche Versicherungen sind obligatorisch? Wer profitiert von einer Lohnfortzahlungsversicherung?<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC hat speziell für Ärztinnen und Ärzte das so genannte Lebensphasenmodell<br />
entwickelt. Es zeigt auf übersichtliche und praktische Art auf, welche Versicherungen in<br />
welchen Lebensphasen von zentraler Bedeutung sind.<br />
Christoph Bohn, freier Mitarbeiter MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Nebst dem Ausfüllen der Steuererklärung<br />
gehört wohl die Auseinandersetzung mit<br />
Versicherungsangelegenheiten für die<br />
meisten Menschen zu den unbeliebtesten<br />
Tätigkeiten. «Was benötige ich an Versicherungen,<br />
wenn ich eine Praxis gründe?»<br />
«Ist eine Privathaftpflicht in meiner<br />
Situation sinnvoll oder überflüssig?» «Was<br />
genau bringt mir eine Rechtsschutzversicherung?»<br />
Solche und ähnliche Fragen<br />
bleiben auch Ärztinnen und Ärzte nicht<br />
erspart – selbst wenn ihre Kernkompetenzen<br />
und Hauptinteressen logischerweise<br />
in ganz anderen Bereichen liegen.<br />
MEDISERVICE ist als Dienstleistungsorganisation<br />
des <strong>VSAO</strong> auf die speziellen<br />
Bedürfnisse und Anforderungen von Ärzten<br />
spezialisiert und kennt die verschiedenen<br />
Phasen der medizinischen Berufslaufbahn<br />
bestens. Im Wissen um die Arbeitsbelastung<br />
und die knappe Freizeit<br />
seiner Mitglieder versucht MEDISERVICE,<br />
möglichst zweckmässige, nutzerorientierte<br />
Informationsinstrumente zu schaffen.<br />
Diese Idee liegt auch dem Lebensphasenmodell<br />
zugrunde.<br />
Das Lebensphasenmodell<br />
von MEDISERVICE<br />
In enger Zusammenarbeit mit Versicherungsspezialisten<br />
hat MEDISERVICE das<br />
Lebensphasenmodell für Ärzte entwickelt<br />
(www.mediservice-vsao.ch/de/lebens<br />
phasen). Es entlastet nicht nur von mühsamem,<br />
administrativem Mehraufwand,<br />
sondern bietet vor allem in qualitativer<br />
Hinsicht ausgereifte, professionelle und<br />
langfristig vorteilhafte Versicherungslösungen.<br />
Und zwar in jeder beruflichen<br />
und/oder privaten Lebensphase – von der<br />
Ausbildung bis zur Pensionierung. Insbesondere<br />
wenn eine berufliche oder private<br />
Veränderung ansteht, sollte die Versicherungssituation<br />
überprüft werden. Dank<br />
des Lebensphasenmodells ist dies mühelos<br />
möglich: Auf einen Blick wird ersichtlich,<br />
in welchem Lebensabschnitt welche<br />
Versicherungsangebote von relevanter<br />
Bedeutung sind. Das Modell ist übersichtlich<br />
aufgeteilt in die Bereiche «Beruf» und<br />
«Privat» und funktioniert ganz einfach.<br />
www.mediservice-vsao.ch/de/lebensphasen<br />
Sicherheit im Berufs- ...<br />
Ein Lesebeispiel: Sie haben Ihren Facharzttitel<br />
erworben und treten nun eine<br />
neue Stelle als Oberarzt in einem Spital<br />
an. Entsprechend fallen Sie in die Rubrik<br />
«Angestellter Facharzt». Diese Bezeichnung<br />
finden Sie oben in der Rubrik «Beruf»<br />
in den Spaltentiteln. Wenn Sie nun<br />
die Inhalte der entsprechenden Spalte von<br />
oben nach unten anschauen, sehen Sie<br />
blitzschnell, welche Versicherungen und<br />
Dienstleistungen für Sie wichtig und damit<br />
empfehlenswert sind: so u.a. Taggeld-,<br />
Stellenunterbruch- und Rechtsschutzversicherung.<br />
Dazu kommen natürlich die<br />
Basisversicherungen, die in jeder beruflichen<br />
und privaten Situation unabdingbar<br />
sind, z.B. die Krankenkasse. Verdickt sich<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
57
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
die Linie, ist diese Versicherung und/oder<br />
Dienstleistung in dieser Lebensphase speziell<br />
interessant.<br />
Nebst den Versicherungen profitieren Sie<br />
bei MEDISERVICE von zahlreichen nützlichen<br />
Dienstleistungen wie Seminaren,<br />
Jobmed (medizinisches Stellenportal),<br />
Laufbahnplanung, Paket «Schritt in die<br />
Selbständigkeit» und vielem mehr.<br />
Als «Angestellter Facharzt» sind Sie laut<br />
Gesetz gegen viele Risiken direkt von Ihrem<br />
Arbeitgeber versichert. Das ist hingegen<br />
bei einem «Selbständigen Facharzt»<br />
nicht der Fall. Darum sieht die Übersicht<br />
im Lebensphasenmodell unter der Rubrik<br />
«Selbständiger Facharzt» komplett anders<br />
und viel umfangreicher aus.<br />
... und im Privatleben<br />
Genau gleich funktioniert das Lebensphasenmodell<br />
im Bereich «Privat». Auch<br />
hier gibt es entscheidende Momente im<br />
Leben, die eine Anpassung oder einen<br />
sinnvollen Ausbau der abgeschlossenen<br />
Versicherungen nötig machen. Das geht<br />
vom Bezug der ersten eigenen Wohnung<br />
über die Gründung einer Familie über<br />
den Arbeitsort (In- bzw. Ausland) bis zum<br />
komplexen Themenbereich «Pensionierung/Altersvorsorge».<br />
Es lohnt sich sehr,<br />
Versicherungen verstehen<br />
Das Lebensphasenmodell zeigt, wer wann welche Versicherungen braucht. Wofür aber haftet eine<br />
Haftpflichtversicherung? Und was schützt eine Rechtsschutzversicherung? In unserer neuen Serie<br />
«Versicherungen verstehen» stellen wir die einzelnen Versicherungsarten und ihre Geltungsbereiche<br />
kurz vor. In der nächsten Ausgabe des <strong>VSAO</strong>-Journals vom Oktober <strong>2015</strong> (<strong>Nr</strong>. 5/15) gehen wir näher<br />
auf die Berufs- und Privathaftpflicht-Versicherungen für Ärztinnen und Ärzte ein.<br />
hier schon frühzeitig die richtigen Weichen<br />
zu stellen, damit man dann später<br />
im Falle eines Falles keine unangenehmen<br />
und vor allem kostspieligen Überraschungen<br />
erlebt.<br />
Kompetenter Partner<br />
In allen diesen Bereichen ist MEDISER<br />
VICE ein kompetenter Ansprechpartner,<br />
der die Bedürfnisse, Anliegen und Wünsche<br />
seiner Mitglieder im Detail kennt.<br />
Als Non-Profit-Organisation ist MEDI<br />
SERVICE nicht gewinnorientiert, neutral<br />
und keinem Versicherungsanbieter verpflichtet.<br />
Entsprechend können in jedem<br />
Fall clevere und preiswerte Versicherungslösungen<br />
ausgearbeitet und auf die individuellen<br />
Bedürfnisse zugeschnitten<br />
werden.<br />
Für Fragen und weiterführende Beratungen<br />
wenden Sie sich an MEDISERVICE:<br />
Telefon 031 350 44 22 oder E-Mail info@<br />
mediservice-vsao.ch. <br />
■<br />
58 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
BRIEFKASTEN<br />
Nach jahrelanger Tätigkeit als angestellter Arzt in einer Arztpraxis für<br />
Allgemeine Innere Medizin wage ich nun den Schritt in die Selbständigkeit.<br />
Wie kann ich mich gegen Forderungen von Patienten oder<br />
Drittpersonen absichern? Welchen Pflichten unterstehe ich in Bezug<br />
auf die Haftpflichtversicherung? Mein neu erworbenes Praxisinventar<br />
möchte ich gegen mögliche Schäden versichern. Welche Möglichkeiten<br />
gibt es und wie kann ich mich ausserdem gegen einen möglichen Honorarausfall<br />
oder zusätzlich entstehende Kosten absichern?<br />
Herzliche Gratulation zur Neueröffnung Ihrer Praxis. Durch Ihr Einverständnis, einen<br />
Patienten zu untersuchen, entsteht ein privatrechtliches Vertragsverhältnis, welches im<br />
Sinne des Obligationenrechts als Auftragsverhältnis gilt. Für Sie ergibt sich dadurch die<br />
Pflicht zur sorgfaltsgemässen Untersuchung und Behandlung. Ein Heilungserfolg ist<br />
jedoch nicht geschuldet. Trotzdem können Schadenersatzforderungen im Zusammenhang<br />
mit Ihrer Tätigkeit als frei praktizierender Arzt oder als Belegarzt geltend gemacht<br />
werden, welche rasch die eigenen finanziellen Möglichkeiten übersteigen können. Aus<br />
diesem Grunde empfehlen wir Ihnen eine Berufshaftpflichtversicherung. Über dieses<br />
Produkt besteht im Rahmen der versicherten Tätigkeit sowie der vereinbarten Versicherungssumme<br />
Versicherungsschutz gegen Haftpflichtansprüche, die aufgrund gesetzlicher<br />
Haftpflichtbestimmungen wegen Personen-, Sach- und reiner Vermögensschäden<br />
gegen Sie erhoben werden. Bei Behandlung des Patienten durch Ihre Angestellten oder<br />
Ihren Stellvertreter sind Haftpflichtansprüche ebenfalls gedeckt. Dank dem passiven<br />
Rechtsschutz können Sie nicht nur bei gerechtfertigten Haftpflichtansprüchen auf Ihre<br />
Versicherung zurückgreifen, sondern auch bei ungerechtfertigten Forderungen von der<br />
Berufshaftpflichtversicherung profitieren.<br />
Nicole Schirmer, Ansprechperson der Helvetia für<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Tipp: Pflegen Sie eine offene und konstruktive Kommunikation und klären Sie realistisch<br />
über Risiken und über das zu erwartende Resultat ohne Abgabe einer Erfolgsgarantie<br />
auf. Unterlassen Sie ausserdem Versprechungen auf Schadenersatz.<br />
Neben den bereits genannten Risiken bestehen noch weitere Gefahren. So sollte das neu<br />
erworbene Inventar möglichst umfassend geschützt sein, um bei einem Schadenfall,<br />
zum Beispiel einem Brand, abgesichert zu sein. Ebenso falls in die Praxis eingebrochen<br />
wird und diverse Medikamente sowie Laptops und andere Büroeinrichtungen entwendet<br />
werden. Damit Sie Ihre Tätigkeit in einem solchen Fall möglichst bald wieder aufnehmen<br />
können, empfehlen wir Ihnen eine Fahrhabeversicherung für Ihr Inventar sowie einen<br />
allfälligen Honorarausfall gegen die Gefahren Feuer/Elementar, Einbruchdiebstahl und<br />
Wasser. Auch Folgekosten, wie zum Beispiel die Wiederherstellungskosten von beschädigten<br />
Patientendaten sind mitversichert. Für einen noch weiter gehenden Schutz Ihrer<br />
büro- und medizintechnischen Geräte besteht die unkomplizierte pauschale technische<br />
Versicherung. In der Hektik des Alltags kann ein teures Gerät durch Fallenlassen oder<br />
durch falsche Bedienung schnell einen beträchtlichen Schaden erleiden. Mit der technischen<br />
Versicherung wird für eine lückenlose Absicherung gesorgt.<br />
Helvetia bietet alle genannten Versicherungen für MEDISERVICE-Mitglieder zu sehr<br />
vorteilhaften Konditionen an. Haben Sie noch weitere Fragen? Wenden Sie sich an Ihren<br />
Ansprechpartner bei der MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC. <br />
■<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
59
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Lohnausfall – das Wichtigste<br />
in Kürze<br />
Krankheit, Unfall, Schwangerschaft – es gibt viele Gründe, weshalb man arbeitsunfähig werden<br />
kann. Wer im Falle eines Falles zahlt, haben wir in den Ausgaben 1 bis 3/15 des <strong>VSAO</strong>-Journals ausführlich<br />
behandelt. innova, der Versicherungspartner von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC, hat einen<br />
kleinen Ratgeber zu Fragen von Lohnausfall und Taggeld zusammengestellt. Er richtet sich sowohl<br />
an angestellte wie an selbständig erwerbende Ärztinnen und Ärzte.<br />
Versicherungsbedarf<br />
Weshalb benötige ich eine Lohnausfallversicherung?<br />
• Selbständig Erwerbende und<br />
Praxisinhaber benötigen eine Taggeldversicherung<br />
zur Absicherung der<br />
laufenden Kosten im Fall einer Krankheit<br />
oder eines Unfalls. Ausserdem können<br />
Sie sich damit ihren gewohnten<br />
Lebensstandard erhalten.<br />
• Fallen Praxisangestellte durch<br />
Krankheit oder Unfall aus, muss der<br />
Lohn während einer zeitlich begrenzten<br />
Frist weiterbezahlt werden. Die<br />
Lohnfortzahlungspflicht kann eine<br />
grosse finan zielle Belastung und ein<br />
wirtschaftliches Risiko für den Praxisinhaber<br />
darstellen. Wir empfehlen deshalb<br />
den Abschluss einer Lohnausfallversicherung<br />
für die Praxismitarbeiter.<br />
• Angestellte Ärzte schützen sich mit<br />
dem Abschluss einer Lohnausfallversicherung<br />
vor den wirtschaftlichen Risiken<br />
einer Arbeitsunfähigkeit. Sie verfügen<br />
bei Krankheit oder Unfall über ein<br />
fortlaufendes Einkommen während<br />
zweier Jahre.<br />
Versicherungslösungen<br />
Ich plane, während sechs Monaten<br />
in einem Spital im Ausland<br />
zu arbeiten. Was muss ich beim<br />
Abschluss der Lohnausfallversicherung<br />
beachten?<br />
Wenn Sie eine Lohnausfallversicherung<br />
bei innova abgeschlossen haben, so dauert<br />
Ihr Versicherungsschutz im Ausland<br />
180 Tage.<br />
Wie wähle ich beim Abschluss<br />
der Versicherung die optimale<br />
Wartefrist?<br />
Durch eine Abschätzung der möglichen<br />
Risiken: Wie lange können Sie im Fall<br />
einer Krankheit oder eines Unfalls ohne<br />
regelmässiges Einkommen bleiben? Wie<br />
lange reichen die Ersparnisse? Reichen sie<br />
aus, um die laufenden Kosten zu decken<br />
und Ihren aktuellen Lebensstandard beizubehalten?<br />
Wie viel Taggeld muss ich<br />
versichern?<br />
Um Ihren gegenwärtigen Lebensstandard<br />
abzusichern, ist es von Vorteil, wenn Sie<br />
Ihren AHV-deklarierten Lohn versichern.<br />
Selbständig Erwerbende haben die Möglichkeit,<br />
zusätzlich die anfallenden Betriebskosten<br />
zu versichern.<br />
Kann ich als Teilzeitangestellte<br />
auch eine Taggeldversicherung<br />
abschliessen?<br />
Ja, im Rahmen des deklarierten AHV-<br />
Lohns.<br />
Wie versichere ich Privathonorare?<br />
Indem Sie Ihren AHV-Lohn um die Summe<br />
der erwarteten Privathonorare bis zu<br />
einem Maximum von 1000 Franken pro<br />
Tag versichern.<br />
Ich bin zu 60 Prozent angestellt<br />
und zu 40 Prozent selbständig –<br />
wie muss ich mich versichern?<br />
Als Angestellter sind Sie über Ihren Arbeitgeber<br />
für eine gewisse Zeit, mindestens<br />
gemäss OR, versichert. Demnach soll unbedingt<br />
der Versicherungsschutz überprüft<br />
werden. Für die selbständige Tätigkeit<br />
schliessen Sie eine Lohnausfallversicherung<br />
ab. Bitte beachten Sie, dass das<br />
minimal versicherbare Taggeld 100 Franken<br />
pro Tag beträgt (innova Lösung).<br />
Was muss ich bei befristeten<br />
Verträgen beachten?<br />
Falls Sie bei innova eine Lohnausfallversicherung<br />
mit variabler Wartefrist abgeschlossen<br />
haben, so wird die Wartefrist<br />
automatisch dem neuen Vertrag angepasst.<br />
Im Falle einer Krankheit oder wenn<br />
mitversichert – eines Unfalls – sind Sie<br />
geschützt; es entsteht keine Versicherungslücke.<br />
Arbeitsunfähigkeit<br />
Wann und wie muss ich eine<br />
Arbeitsunfähigkeit anmelden?<br />
Melden Sie eine Arbeitsunfähigkeit innerhalb<br />
von fünf Tagen nach Ablauf der<br />
Wartefrist, spätestens jedoch 14 Tage nach<br />
Beginn der Arbeitsunfähigkeit bitte<br />
schriftlich bei innova. Nach weiteren drei<br />
Tagen muss die Arbeitsunfähigkeitsbestätigung<br />
eines Arztes oder Chiropraktikers<br />
mit der Krankmeldung eingereicht werden.<br />
Die Arbeitsunfähigkeit kann mit dem<br />
Formular «Meldung der Arbeitsunfähigkeit»<br />
gemeldet werden. Sie können diese<br />
Formulare bei innova in gedruckter Form<br />
bestellen.<br />
Der krankheitsbedingte Ausfall<br />
eines Praxisangestellten dauert<br />
länger. Was kann/muss ich unternehmen?<br />
Nehmen Sie mit dem Case Management<br />
von innova Kontakt auf. Ein Case Manager<br />
unterstützt den erkrankten Mitarbeiter<br />
bei Abklärungen mit Ärzten und Sozialversicherungen<br />
mit dem Ziel, ihn rasch<br />
und nachhaltig wieder in den Arbeitsprozess<br />
zu integrieren. Das Case Management<br />
bildet einen integralen Bestandteil<br />
der Lohnausfallversicherung.<br />
Leistungen<br />
Welche Leistungen aus der<br />
Lohnausfallversicherung erhalte<br />
ich bei Mutterschaft?<br />
Selbständig Erwerbende erhalten keine<br />
Leistungen. Sie sind jedoch über die EO<br />
(Erwerbsersatzordnung) versichert. Ange<br />
60 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
stellte erhalten Leistungen während maximal<br />
112 Tagen, sofern der Arbeitgeber<br />
die Mutterschaft mitversichert hat. Ansonsten<br />
kommen die EO-Leistungen zum<br />
Tragen.<br />
Erhalte ich nach Ausscheiden<br />
aus dem Spital nach wie vor<br />
Leistungen, wenn ich arbeitsunfähig<br />
bin?<br />
Ja. Ausgeschiedene Mitarbeitende bleiben<br />
im Kollektivvertrag des Arbeitgebers versichert,<br />
solange sie arbeitsunfähig sind. In<br />
diesem Fall entspricht die Höhe und Dauer<br />
der Leistungszahlungen der zuvor (im<br />
Kollektivvertrag) versicherten Leistungen.<br />
Vorbehalten bleiben anders lautende vertragliche<br />
Vereinbarungen.<br />
Was muss ich beachten, wenn<br />
ich vor einem Stellenwechsel<br />
arbeitsunfähig werde?<br />
Wir empfehlen in diesem Fall einen Wechsel<br />
in die Einzel-Taggeldversicherung des<br />
aktuellen Arbeitgebers. Zwar müssen die<br />
Prämien durch Sie getragen werden, die<br />
Leistungen bleiben aber identisch. Falls<br />
Sie schon einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen<br />
haben, so übernimmt der<br />
Lohnausfallversicherer des neuen Arbeitgebers<br />
die Leistungen.<br />
Zu welchem Zeitpunkt werden<br />
Leistungen ausbezahlt?<br />
Sobald sowohl sämtliche Seiten des Formulars<br />
«Meldung der Arbeitsunfähigkeit»<br />
als auch eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung<br />
und die Diagnose bei innova eingetroffen<br />
sind, prüfen wir den Fall. Bei vollständigen<br />
und einwandfreien Formularen<br />
veranlassen wir die Leistungszahlungen<br />
innert vier Arbeitstagen. ■<br />
Für weitere Auskünfte und<br />
individuelle Beratung wenden<br />
Sie sich bitte an:<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Bahnhofplatz 10A<br />
Postfach<br />
3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 22<br />
Telefax 031 350 44 29<br />
info@mediservice-vsao.ch<br />
www.mediservice-vsao.ch<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
61
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
PARTNER-PORTRÄT:<br />
SWICA — der verlässliche<br />
Versicherungspartner<br />
SWICA ist der Krankenversicherungspartner<br />
von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-<br />
ASMAC. Sie bietet den Verbandsmitgliedern<br />
Rabatte auf ausgesuchte<br />
Zusatzversicherungen sowie exklusive<br />
Dienstleistungen.<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC zählt seit<br />
Jahren auf die bewährte Partnerschaft<br />
mit SWICA. MEDISERVICE-Mitglieder<br />
und das Personal der <strong>VSAO</strong>-<br />
Organisationen erhalten Prämienrabatte<br />
auf ausgewählte Zusatzversicherungen.<br />
Davon können auch die<br />
im gleichen Haushalt lebenden Familienangehörigen<br />
profitieren. Der Versicherungsschutz<br />
bleibt auch während<br />
eines Auslandaufenthalts bis zu<br />
drei Jahren bestehen.<br />
Vorteile aus dem<br />
Kollektivvertrag in Kürze<br />
für die MEDISERVICE-<br />
Mitglieder<br />
• Rabatte auf den Zusatzversicherungen<br />
HOSPITA und COMPLETA<br />
TOP<br />
• Zugang zu Spitzenmedizin, weltweit<br />
mit BestMed und INFORTU-<br />
NA Heilungskosten<br />
• Versicherungsschutz auch während<br />
eines Auslandaufenthaltes<br />
von bis zu 36 Monaten<br />
• Faire Tarifgestaltung in der Spitalzusatzversicherung<br />
• Kostenbeiträge an die Dienstleistungen<br />
Home Nanny und Home<br />
Attendant<br />
Gesundheitswettbewerb<br />
Nehmen Sie an unserem Wettbewerb<br />
teil und gewinnen Sie Wellnesskurzferien<br />
unter www.swica.<br />
ch/de/mediservice.<br />
Qualitativ hochstehende Medizin und<br />
erstklassige Behandlung<br />
SWICA steht für hohe Qualität sowohl<br />
bei ihren Serviceleistungen als auch<br />
bei ihren Versicherungsprodukten.<br />
Mit der privaten Spitalzusatzversicherung<br />
BestMed sichert SWICA einen<br />
schnellen und bevorzugten Zugang<br />
zu Spitzenmedizin — weltweit. Eine<br />
erstklassige Versorgung erhalten die<br />
Versicherten auch bei einem Unfall im<br />
Ausland mit der Zusatzversicherung<br />
INFORTUNA Heilungskosten. Darin<br />
eingeschlossen sind zusätzliche Leistungen<br />
für Haushaltshilfen, Hauskrankenpflege<br />
und Badekuren.<br />
SWICA engagiert sich zudem mit einem<br />
breiten Spezialistennetz für den<br />
optimalen Genesungsverlauf ihrer<br />
Kunden.<br />
Spitalzusatzversicherung lohnt sich<br />
Eine Spitalzusatzversicherung bei<br />
SWICA abzuschliessen, ist für MEDI-<br />
SERVICE-Mitglieder besonders vorteilhaft.<br />
Sie profitieren neben den<br />
exklusiven Rabatten von fairer Tarifgestaltung:<br />
Die Prämien der Spitalversicherungen<br />
steigen bei den meisten<br />
Krankenversicherern dem Lebensalter<br />
entsprechend alle fünf Jahre sprunghaft<br />
an. Das führt zu einer hohen finanziellen<br />
Belastung im Alter. Gerade<br />
dann, wenn man auf einen optimalen<br />
Versicherungsschutz angewiesen ist.<br />
SWICA verzichtet auf altersbedingte<br />
Tarifaufschläge. Die Tarife werden lediglich<br />
der tatsächlichen Kostenentwicklung<br />
angepasst.<br />
Kinderbetreuung bei Krankheit oder<br />
Unfall<br />
SWICA beteiligt sich im Rahmen der<br />
Zusatzversicherungen an den Kosten<br />
der Betreuung von kranken Kindern,<br />
wenn die Eltern oder der alleinerziehende<br />
Elternteil arbeiten müssen. Mit<br />
der Dienstleistung Home Nanny trägt<br />
SWICA den gesellschaftlichen Veränderungen<br />
Rechnung: Immer mehr<br />
Menschen leben allein, verbinden Berufsarbeit<br />
und Familie oder kümmern<br />
sich als Alleinerziehende um ihre Kinder.<br />
Ein weiterer Service im Rahmen<br />
dieses Angebots ist Home Attendant.<br />
Dieser kümmert sich um das Haustier<br />
und das Haus bzw. Wohnung während<br />
des Spitalaufenthalts eines alleinstehenden<br />
Versicherten.<br />
SWICA<br />
Die SWICA Gesundheitsorganisation<br />
ist mit rund 1,3 Mio. Versicherten<br />
und 27 500 Unternehmenskunden<br />
eine der führenden Krankenund<br />
Unfallversicherungen der<br />
Schweiz mit einem Prämienvolumen<br />
von CHF 3,6 Mrd. Das Angebot<br />
richtet sich an Privatkunden sowie<br />
Unternehmen und bietet umfassenden<br />
Versicherungsschutz für<br />
Heilungskosten und Lohnausfall<br />
bei Krankheit und Unfall. SWICA ist<br />
ein Gesundheitspartner, der mit<br />
überdurchschnittlicher Servicequalität<br />
auf ein qualitativ hochwertiges<br />
Dienstleistungsangebot setzt.<br />
SWICA hat ihren Hauptsitz in Winterthur<br />
und ist in der ganzen<br />
Schweiz tätig.<br />
62 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>
PUBLIREPORTAGE<br />
GESUNDHEIT AM ARBEITSPLATZ<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
− ein Mehrwert<br />
für Mitarbeitende<br />
Jeder Arbeitgeber möchte sie: gesunde, zufriedene und motivierte Mitarbeitende. Ein Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement (BGM) trägt viel zu einem «gesunden Arbeitsplatz» bei. Das Kompetenzzentrum<br />
von Visana steht Ihnen bei der Umsetzung mit einem umfassenden Dienstleistungsangebot<br />
zur Seite.<br />
Als Arbeitgeber stellen Sie mit einem BGM sicher, dass Sie und<br />
Ihre Mitarbeitenden gesund bleiben und langfristig gesünder<br />
werden. Die sinkende Absenzquote ist ein positiver Effekt davon.<br />
Dies senkt die Kosten. Gesunde Mitarbeitende sind keinesfalls<br />
Glückssache. Für einen dauerhaften Erfolg lohnt sich<br />
ein systematisches Vorgehen.<br />
Ganzheitliche Unterstützung<br />
Ein ganzheitliches, aufeinander abgestimmtes BGM ist erfolgreicher<br />
als ein Flickwerk von Einzelmassnahmen. Das Visana-<br />
Kompetenzzentrum bietet Ihnen dafür eine breite Palette an<br />
Unterstützungsmöglichkeiten an und berät Sie individuell und<br />
bedürfnisgerecht − von der Analyse bis zur Umsetzung. Sie<br />
lernen in den BGM-Seminaren, wie Sie effizient gegen Absenzen<br />
vorgehen und Ihre Mitarbeitenden vor, während und nach<br />
einer Absenz begleiten.<br />
Visana unterstützt Sie in der Erarbeitung eines individuellen<br />
Absenzenprozesses, bei der Schulung Ihrer Führungskräfte sowie<br />
im Absenzenmanagement. Die Kurzbeschriebe der Seminare,<br />
die Kursdaten und weitere Informationen finden Sie auf<br />
www.gesundheitsmanagement-visana.ch.<br />
Seminar: «Stressmanagement − mit<br />
Energie durch den Führungsalltag»<br />
Mitarbeitende, die sich weniger gestresst<br />
fühlen, sind erwiesenermassen<br />
gesünder, motivierter und fehlen weniger<br />
am Arbeitsplatz. Als Führungsperson<br />
haben Sie massgeblichen Einfluss auf das<br />
Arbeitsumfeld Ihrer Mitarbeitenden. Im<br />
eintägigen Seminar «Stressmanagement»<br />
lernen Sie, wie Sie deren Stresssituationen<br />
positiv beeinflussen können.<br />
Nächste Durchführung ist am 10. September<br />
<strong>2015</strong> auf dem Üetliberg in Zürich<br />
(Anmeldeschluss: 3. September <strong>2015</strong>).<br />
Die Teilnahmegebühr beträgt 390 Franken,<br />
Kurssprache ist Deutsch. Die Online-<br />
Anmeldung und zusätzliche Informationen<br />
finden Sie auf www.gesundheitsmanagement-visana.ch.<br />
Bewährte Kooperation mit Visana<br />
Der Kranken- und Unfallversicherer Visana gehört zu den führenden<br />
Anbietern von Seminaren und Dienstleistungen im Bereich<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und arbeitet<br />
seit Jahren mit dem MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC zusammen.<br />
Die modular aufgebauten BGM-Seminare sind von der Schweizerischen<br />
Gesellschaft für Arbeitssicherheit (SGAS) anerkannt<br />
und wurden zusammen mit Kunden entwickelt.<br />
Lassen Sie sich beraten<br />
Gerne sind wir von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC für Sie da. Kontaktieren<br />
Sie uns telefonisch unter 031 350 44 22, per E-Mail<br />
info@mediservice-vsao.ch oder erfahren Sie mehr unter www.<br />
mediservice-vsao.ch.<br />
Hier finden sich Informationen unserer Inserenten. Die Redaktion des <strong>VSAO</strong>-Journals<br />
lehnt jede Verantwortung für die Inhalte ab.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
63
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Steuerfragen im Konkubinat<br />
Ohne Trauschein und ohne eingetragene Partnerschaft ist die Steuersituation auf den ersten<br />
Blick einfach, denn jeder füllt seine eigene Steuererklärung aus. Trotzdem stellen sich in der Praxis<br />
zahlreiche Probleme, die nicht immer einfach zu lösen sind.<br />
Werner A. Räber, Geschäftsführender Partner der Dr. Thomas Fischer & Partner AG, Baar (werner.raeber@xantrium.ch)<br />
«Vermieden wird mit dem Konkubinat die<br />
sogenannte Heiratsstrafe», hört man oft.<br />
Das heisst, die Einkommen von Doppelverdienern<br />
werden nicht zusammengezählt<br />
und eine deutlich höhere Steuerprogression<br />
wird damit vermieden. Diese<br />
Aussage gilt heute aber nicht mehr generell,<br />
da zahlreiche Kantone ein Teil- oder<br />
Vollsplitting eingeführt oder den Tarif für<br />
verheiratete Paare entsprechend angepasst<br />
haben. Je nach Kanton und Einkommenssituation<br />
kann die Heirat aktuell<br />
sogar einen Steuervorteil bringen.<br />
Bewohnt das Konkubinatspaar zusammen<br />
eine Mietwohnung, hat dies rein<br />
steuerlich gesehen keine Relevanz. Die<br />
rechtlichen Problemfelder sind eine andere<br />
Sache, was einen Konkubinatsvertrag<br />
auf jeden Fall empfehlenswert macht.<br />
Ganz anders sieht es aus, wenn gemeinsam<br />
eine Immobilie erworben wird. Vorzugsweise<br />
geschieht dies im Miteigentum,<br />
wobei die Miteigentumsquoten entsprechend<br />
den finanziellen Verhältnissen frei<br />
gewählt werden können. Ein Miteigentumsanteil<br />
ist im Weiteren Voraussetzung<br />
dafür, dass jemand Pensionskassengelder<br />
oder Säule-3a-Guthaben für den Immobilienkauf<br />
einsetzen kann. Steuerlich von<br />
Bedeutung ist, dass Eigenmiet- und Vermögenssteuerwert,<br />
aber bei einer gemeinsamen<br />
Hypothek auch die Schulden und<br />
die Schuldzinsen nach der Eigentumsquote<br />
auf die beiden Steuererklärungen zu<br />
verteilen sind. Das Gleiche gilt für die<br />
Unterhaltskosten. Erwirbt ein Konkubinatspartner<br />
die ganze Immobilie und<br />
zieht der andere Partner quasi als Untermieter<br />
ein, gilt ein Beitrag an die Wohnkosten<br />
beim Empfänger als Miete und<br />
muss entsprechend als Mieteinkommen<br />
deklariert werden, ohne dass er beim Zahlenden<br />
abzugsfähig wäre. Immerhin erfolgt<br />
beim Vermieter eine verhältnismässige<br />
Kürzung des Eigenmietwerts.<br />
Die Steuerproblematik bei gemeinsamen<br />
Immobilien geht jedoch noch weiter.<br />
Übernimmt der eine Konkubinatspartner<br />
bei Auflösung des Konkubinatsverhältnisses<br />
vom anderen dessen Miteigentumsanteil,<br />
so wird ein allfälliger Grundstückgewinn<br />
mit der Grundstückgewinnsteuer<br />
belastet, die bei kurzer Besitzdauer recht<br />
hoch sein kann. Zudem fällt in den meisten<br />
Kantonen eine Handänderungssteuer<br />
an.<br />
Teure Erbschaft<br />
Meist noch dramatischer sind die Steuerfolgen<br />
in einem allfälligen Erbfall. Um<br />
sich finanziell abzusichern, setzen sich<br />
Konkubinatspartner oft gegenseitig testamentarisch<br />
als Alleinerben ein, zumindest<br />
soweit dies unter Beachtung des<br />
Pflichtteilsrechts der Eltern möglich ist:<br />
Jedem Elternteil steht von Gesetzes wegen<br />
ein Pflichtteil von einem Viertel des Nachlassvermögens<br />
zu. Steuerlich werden Konkubinatspartner<br />
leider immer noch in<br />
vielen Kantonen als Nichtverwandte behandelt.<br />
Die maximale Erbschaftssteuer<br />
liegt dann oft zwischen 30 und 40 Prozent,<br />
zum Beispiel bei 36 Prozent im Kanton<br />
Zürich. Einige Kantone behandeln<br />
Lebenspartner immerhin wie Verwandte<br />
und die maximalen Steuersätze liegen in<br />
der Regel zwischen 10 und 20 Prozent,<br />
zum Beispiel bei 15 Prozent im Kanton<br />
Bern. Erstaunlicherweise noch weiter gehen<br />
die katholischen Innerschweizer Kantone,<br />
die bei einer eheähnlichen Gemeinschaft,<br />
das heisst, bei einem mindestens<br />
fünf Jahre dauernden Konkubinat, die<br />
beiden Partner von der Erbschafts- und<br />
Schenkungssteuer ganz befreien, gleich<br />
wie bei Eheleuten. Für den Kanton<br />
Schwyz, der diese Steuer überhaupt nicht<br />
kennt, gilt dies ohnehin.<br />
Steuerlich richtig kompliziert wird es bei<br />
Konkubinatspaaren mit gemeinsamen<br />
Kindern. Werden keine Unterhaltszahlungen<br />
geleistet, kann jeder Elternteil je den<br />
halben Kinderabzug sowie den halben<br />
Versicherungs- und Sparzinsenabzug pro<br />
Kind geltend machen. Bei den Kinderdrittbetreuungskosten<br />
kann jeder Elternteil<br />
die Hälfte in Abzug bringen, eine andere<br />
Aufteilung ist von den Eltern nachzuweisen.<br />
Der Elternteil, der zur Hauptsache für<br />
den Unterhalt der Kinder aufkommt, erhält<br />
den Elterntarif. Hierbei ist davon<br />
auszugehen, dass dies in der Regel derjenige<br />
Elternteil mit dem höheren Einkommen<br />
ist. Der andere Elternteil wird mit<br />
dem Grundtarif besteuert (weitere Details<br />
dazu im <strong>VSAO</strong>-Journal 5/2013).<br />
Nicht näher eingehen möchte ich an dieser<br />
Stelle auf die sich im Vorsorgebereich<br />
stellenden Fragen. Nur einen Hinweis<br />
möchte ich anbringen: Da die staatliche<br />
Vorsorge der 1. Säule entfällt, muss zur<br />
Absicherung oft zu Vorsorgeprodukten der<br />
Säule 3b gegriffen werden. Dabei gilt es zu<br />
beachten, dass Auszahlungen an Konkubinatspartner<br />
unter Umständen mit hohen<br />
Steuern belastet werden.<br />
Welche Lösung gibt es für alle die beschriebenen<br />
Probleme? Ich bedaure, dies<br />
sagen zu müssen, aber ausser Heiraten in<br />
den meisten Fällen leider keine wirklich<br />
taugliche.<br />
■<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
65
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