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VSAO JOURNAL Nr. 4 - August 2015

Wasser Gastroenterologie/Rheumatologie Noten für Spitäler

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2 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Association suisse des médecins-assistant(e)s et chef(fe)s de clinique<br />

Associazione svizzera dei medici assistenti e capiclinica<br />

INHALT<br />

Titelbild: aebi, grafik & illustration, bern<br />

EDITORIAL<br />

5 Das vornehmste Element<br />

POLITIK<br />

6 Gesundheitspolitik –<br />

Durchzogene Prognose<br />

8 Auf den Punkt gebracht:<br />

Der Nachwuchs ist engagiert<br />

WEITERBILDUNG /<br />

ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

10 Rate your clinic @<br />

spitalplattform.vsao.ch!<br />

14 Praxis tut Not<br />

20 Das Ergebnis zählt<br />

21 SIWF-Projektförderung: ärztliche<br />

Weiterbildung unterstützen – auch<br />

in Zukunft<br />

23 Lesen lernen: Relevante Signifikanz?<br />

25 «Organisation ist alles»<br />

FOKUS ▶ WASSER<br />

32 Reha für Rhein und Co<br />

35 Die grüne Fee – verehrt und verfemt<br />

37 Faszination Freitauchen<br />

39 Ein teures, aber nützliches Wasser<br />

41 Verdünnt, aber problematisch<br />

43 Wasserversorgung für die Armen<br />

45 Gibt es Wasser auf dem Mars?<br />

48 Nestlé und der Handel mit Wasser<br />

PERSPEKTIVEN<br />

50 Fachserie Aktuelles aus der Gastroenterologie<br />

– Divertikulose und<br />

Divertikulitis: Moderne Therapien für<br />

alte Leiden<br />

52 Aus der Therapeutischen Umschau:<br />

Rheumatologische Notfälle im Alltag<br />

des Hausarztes<br />

56 Das erlesene Objekt:<br />

Eine umfunktionierte Zigarettendose<br />

<strong>VSAO</strong><br />

28 Sektion Bern<br />

29 <strong>VSAO</strong>-Rechtsberatung<br />

30 <strong>VSAO</strong>-Inside<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

57 Lösungen für jede Lebensphase<br />

59 Briefkasten<br />

60 Lohnausfall – das Wichtigste in Kürze<br />

62 Partner-Porträt: SWICA —<br />

der verlässliche Versicherungspartner<br />

65 Steuerfragen im Konkubinat<br />

66 Impressum<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

3


EDITORIAL<br />

Foto: Severin Novacki<br />

Catherine Aeschbacher<br />

Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal<br />

Das vornehmste Element<br />

Wasser ist gemäss dem altgriechischen Lyriker Pindar das «vornehmste<br />

Element». Rund hundert Jahre zuvor hatte ebenfalls<br />

ein Grieche, der Mathematiker und Philosoph Thales von Milet,<br />

die bis heute gültige Maxime formuliert: «Das Prinzip aller<br />

Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins Wasser kehrt<br />

alles zurück.» Entsprechend hält die 1968 erstellte Europäische<br />

Wassercharta in ihrem ersten Punkt fest: «Es gibt kein Leben<br />

ohne Wasser.» Grund genug also, dieses Element einmal in den<br />

Fokus unserer Aufmerksamkeit zu rücken. Wir berichten von<br />

renaturierten Flussläufen, von der Bildgebung mit radioaktivem<br />

Wasser oder vom Absinth, einem gebrannten Wasser mit<br />

einer speziellen Geschichte. Zu Wort kommt das Hilfswerk Helvetas,<br />

das sich für die Wasserversorgung in der Dritten Welt<br />

starkmacht. Und Nestlé, der weltweit grösste Nahrungsmittelhersteller,<br />

äussert sich zu seiner Wasserpolitik. Wir tauchen mit<br />

einer Freitaucherin ab und fragen nach, wie es nun mit dem<br />

Wasser auf dem Mars steht. Schliesslich wollen wir wissen, wie<br />

sauber unser Trinkwasser wirklich ist.<br />

Der Bundesrat möchte die aktuell gültige, einfache und bewährte<br />

Zulassungssteuerung durch ein kompliziertes System<br />

mit vielen Unbekannten ersetzen. Auf diesen bundesrätlichen<br />

Entwurf hat die vorberatende Kommission des Nationalrats<br />

unmissverständlich reagiert: Das Papier wurde mit Verweis<br />

auf die heutige Lösung kurzerhand verworfen. Der <strong>VSAO</strong><br />

nimmt diesen Entscheid mit Genugtuung zur Kenntnis. Endgültig<br />

ist die Sache allerdings nicht vom Tisch, da Nationalund<br />

Ständerat sich noch nicht geäussert haben. Es bleibt zu<br />

hoffen, dass der Entscheid der nationalrätlichen Kommission<br />

wegweisend war. Neben dem Zulassungsstopp befasst sich der<br />

Politikteil diesmal mit den Pflegeberufen, den Krankenkassen<br />

und der Unterschriftensammlung zur Einhaltung des Arbeitsgesetzes.<br />

Angehende Fachärztinnen und -ärzte für Allgemeine Innere<br />

Medizin oder Kinder- und Jugendmedizin müssen eine<br />

Praxisassistenz absolvieren. In welchen Kantonen aktuell was<br />

von wem angeboten wird, ist im Teil Weiterbildung /Arbeitsbedingungen<br />

nachzulesen. Wer vor kurzem aus den Ferien<br />

zurückgekehrt ist, hat sein Hotel eventuell auf dem Tripadvisor<br />

bewertet oder sich vor der Abreise über die Qualität seiner<br />

Unterkunft informiert. Dasselbe ist nun auch bei der Spitalplattform<br />

des <strong>VSAO</strong> möglich. Wie das Bewertungstool funktioniert,<br />

steht ebenfalls in der Rubrik Weiterbildung /Arbeitsbedingungen.<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

5


POLITIK<br />

GESUNDHEITSPOLITIK<br />

Durchzogene Prognose<br />

Nach mehrjährigem – fast jahrzehntelangem – Kampf geht die Diskussion um die definitive Zulassungssteuerung<br />

auf die Zielgerade. Die Zeichen stehen gut, dass sich der Kompromiss vorschlag<br />

von FMH und <strong>VSAO</strong> durchsetzen wird: Weiterführung der 3-Jahres-Regelung. In anderen Dossiers<br />

stehen die Zeichen dafür wieder auf Sturm: Die Pflegenden wollen ihren Verantwortungs bereich<br />

ausweiten, und die Krankenkassen stürmen gegen eine griffige Aufsicht an.<br />

Nico van der Heiden, Stv. Geschäftsführer/Leiter Politik und Kommunikation <strong>VSAO</strong><br />

Die Politik ist manchmal ebenso unberechenbar<br />

wie das Wetter. Aufziehende<br />

Gewitterwolken (der Vorschlag des Bundesrates<br />

zur Zulassungssteuerung) künden<br />

ein veritables Unwetter an, das kurz<br />

vorher doch noch abdreht und an einem<br />

vorbeizieht. Hat man die gesamte Aufmerksamkeit<br />

auf dieses Unwetter gerichtet,<br />

merkt man erst, nachdem es durchgezogen<br />

ist, dass bereits verschiedenste<br />

weitere Gewitterzellen am Horizont sichtbar<br />

sind (Parlamentarische Initiative<br />

Joder, Krankenkassenaufsicht). Eine<br />

gesundheitspolitische Schönwetterperiode<br />

auf längere Sicht ist unwahrscheinlich,<br />

umso mehr muss man die kurzen<br />

Phasen ohne Regenwahrscheinlichkeit<br />

geniessen.<br />

Zulassungssteuerung<br />

Die Ausgangslage ist hinlänglich bekannt:<br />

Der Bundesrat wollte die aktuell<br />

gültige und bewährte Lösung zur Zulassungssteuerung<br />

durch ein komplexes<br />

System, das kantonal sämtliche Gesundheitsberufe<br />

steuert, ablösen (wir haben<br />

ausführlich in den <strong>VSAO</strong>-Journalen<br />

5/2014 und 1/<strong>2015</strong> berichtet). Bereits in<br />

der Vernehmlassung haben wir uns –<br />

ebenso wie viele andere Vereinigungen<br />

auch – kritisch dazu geäussert. Nun hat<br />

sich die nationalrätliche Kommission als<br />

Erstes mit der Vorlage befasst und sie<br />

kurzerhand in den Papierkorb spediert.<br />

Die Kommission schlägt vor, dass die<br />

bewährte, aktuell gültige Lösung unbefristet<br />

weitergeführt wird. Dies war auch<br />

der Vorschlag von <strong>VSAO</strong> und FMH. Die<br />

Weichen sind hier nun also richtig gestellt,<br />

allerdings müssen National- und<br />

Ständerat diesem Vorschlag noch zustimmen,<br />

bevor wir uns in dieser Sache<br />

definitiv über einen wolkenlosen Himmel<br />

freuen dürfen.<br />

Aufwertung der Pflege<br />

Das Parlament beschäftigt sich bereits seit<br />

mehr als vier Jahren mit einer Parlamentarischen<br />

Initiative von Rudolf Joder (SVP,<br />

Bern), welche eine «gesetzliche Anerkennung<br />

der Verantwortung der Pflege» verlangt.<br />

Obwohl im Parlament grundsätzlich<br />

grosses Wohlwollen gegenüber dem<br />

Anliegen bestand, tat man sich mit der<br />

Umsetzung schwer. Erst jetzt liegt ein konkreter<br />

Vorschlag für die Änderung des<br />

Krankenversicherungsgesetzes vor, die<br />

notwendig ist für die Umsetzung der Parlamentarischen<br />

Initiative. Neu soll ein<br />

bestimmter Teil der Pflegeleistungen auch<br />

dann von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung<br />

bezahlt werden, wenn<br />

keine ärztliche Anordnung vorliegt. Es<br />

würde somit neu zwischen einem Bereich<br />

unterschieden, der weiterhin nur auf ärztliche<br />

Anordnung ausgeführt werden darf<br />

und einem Teil, der künftig ohne solche<br />

Anordnung ausgeführt werden kann und<br />

damit der Eigenverantwortung der Pflege<br />

unterliegt.<br />

Der <strong>VSAO</strong> hat sich frühzeitig und intensiv<br />

mit den möglichen Folgen dieser Gesetzesänderung<br />

befasst, auch im Austausch<br />

mit dem Schweizerischen Berufsverband<br />

der Pflegefachfrauen und -männer (SBK).<br />

Der Geschäftsausschuss des <strong>VSAO</strong> lehnt<br />

die geplante Gesetzesänderung ab. Eine<br />

geteilte Verantwortung zwischen Arzt und<br />

Pflege im Spital führt zu einer Verkomplizierung<br />

des Systems, welche nicht im<br />

Sinne der Patienten wäre: Es entstehen<br />

unklare Zuständigkeiten und zusätzliche<br />

(unnötige) und riskante Schnittstellen,<br />

dadurch ergeben sich weitere Fehlerquellen,<br />

was grosse Unsicherheiten beim Patienten<br />

hinterlässt.<br />

Zudem ist für uns nicht ersichtlich, wieso<br />

aktuell Bedarf nach einer Gesetzesänderung<br />

besteht. Die Zusammenarbeit zwischen<br />

den verschiedenen Spitalberufen<br />

läuft aus Sicht des <strong>VSAO</strong> heute insgesamt<br />

gut. Die Teamarbeit in den Spitälern ist<br />

vielerorts etabliert und Interdisziplinarität<br />

wird gelebt. Es wird fälschlicherweise der<br />

Anschein erweckt, dass die Pflegefachleute<br />

heute keine (Eigen-)Verantwortung<br />

tragen würden. Dem ist nicht so! Die medizinische<br />

Verantwortung liegt aber richtigerweise<br />

in ärztlicher Hand. Die eingespielten<br />

Abläufe im Spital sollen nicht<br />

verändert werden.<br />

Krankenkassenaufsicht<br />

Früher konnte der Bund nur sehr beschränkt<br />

in die Tätigkeiten der Krankenkassen<br />

eingreifen. So konnten beispielsweise<br />

nur zu tiefe, aber nicht zu hohe<br />

Prämien moniert werden und die maximale<br />

Busse, welche das Bundesamt für<br />

Gesundheit gegen Krankenkassen aussprechen<br />

konnte, lag bei lächerlichen<br />

5000 Franken. Im Jahre 2011 hat der<br />

Bundesrat deshalb ein Gesetz in die Vernehmlassung<br />

gegeben, mit dem er die<br />

Aufsicht über die Krankenkassen stärken<br />

wollte. Das Gesetz verlangt von den Krankenkassen<br />

mehr Transparenz und erlässt<br />

detaillierte Vorschriften zur Geschäftsführung.<br />

Unter dem Druck der anstehenden<br />

Abstimmung über die Einheitskasse wurde<br />

das Gesetz im September 2014 von<br />

National- und Ständerat beschlossen.<br />

Es wurde argumentiert, dass eine Einheitskasse<br />

dann nicht mehr notwendig sei,<br />

wenn die Aufsicht besser würde.<br />

Für den <strong>VSAO</strong> war die teilweise unerfreuliche<br />

Zusammenarbeit der Ärzteschaft<br />

mit den Krankenkassen ein wichtiges<br />

Argument für die Unterstützung des<br />

Krankenkassen-Aufsichtsgesetzes (und<br />

der Einheitskasseninitiative). Aktuell<br />

läuft die Anhörung zur Verordnung, also<br />

zur Konkretisierung des Gesetzes. Wie<br />

nicht anders zu erwarten, wehren sich die<br />

6 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


POLITIK<br />

Krankenkassen vehement gegen eine zu<br />

starke Regulierung ihrer Tätigkeiten. Der<br />

<strong>VSAO</strong> setzt sich mit aller Deutlichkeit für<br />

eine starke Krankenkassenaufsicht ein,<br />

im Wissen um deren Nutzen nicht nur<br />

für unsere Mitglieder, sondern auch für<br />

die Patienten.<br />

Spital.illegal.normal!<br />

Ein wolkenloser Himmel bietet sich uns<br />

hoffentlich am 1./2. September <strong>2015</strong>.<br />

Dann nämlich werden wir eine friedliche<br />

Mahnwache vor dem SECO in Bern<br />

veranstalten und die gesammelten Unterschriftenkarten<br />

übergeben. Bereits<br />

sind mehr als 15000 Unterschriften aus<br />

der Bevölkerung bei uns eingetroffen,<br />

ein starkes Zeichen für die Einhaltung<br />

des Arbeitsgesetzes in den Spitälern! Wir<br />

sind gespannt, wie Bundesrat Johann<br />

Schneider-Ammann darauf reagieren<br />

wird.<br />

■<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

7


POLITIK<br />

Auf den PUNKT gebracht<br />

Der Nachwuchs ist engagiert<br />

Momentan läuft im Rahmen der Kampagne<br />

spital.illegal.normal! zur «Feier»<br />

des unrühmlichen Jubiläums «Zehn Jahre<br />

Arbeitsgesetz» eine grosse Unterschriftensammlung<br />

des <strong>VSAO</strong>. Unsere Forderung<br />

ist so einfach, dass sie selbstverständlich<br />

sein sollte: Das Arbeitsgesetz<br />

muss endlich flächendeckend eingehalten<br />

werden.<br />

Die Kampagne nutzt verschiedenste Kanäle<br />

für die Unterschriftensammlung.<br />

Eine bisher wenig erwähnte Stütze sind die<br />

Medizinstudierenden, welche sowohl in<br />

die Hausarztpraxen ausschwärmen und<br />

dort unser Kampagnenmaterial verteilen<br />

als auch auf der Strasse Unterschriften<br />

sammeln. Auf unseren diesbezüglichen<br />

Aufruf zur Mitarbeit haben sich mehr als<br />

50 Studierende gemeldet. Wir hatten ursprünglich<br />

auf 20 Freiwillige gehofft …<br />

Keine Frage, für viele war der finanzielle<br />

Zustupf ein Anreiz, mitzumachen. Trotzdem<br />

geht das persönliche Engagement<br />

weit über eine rein materielle Motivation<br />

hinaus. Gleich reihenweise werden mehr<br />

Unterschriften gesammelt und mehr<br />

Stunden gearbeitet als vereinbart. Viele<br />

arbeiten sich intensiv in das Kampagnenmaterial<br />

ein, um sich engagiert und informiert<br />

auf die Diskussion mit der Bevölkerung<br />

einlassen zu können. Viele schreiben<br />

mir spätnachts noch E-Mails mit<br />

Rückfragen.<br />

ausgewogene Work-Life-Balance und damit<br />

die Erreichung von Zielen ausserhalb<br />

des Berufs sind genau so wichtig. Zweitens,<br />

das Engagement im Beruf leidet in keiner<br />

Art und Weise, die Motivation, qualitativ<br />

gute Arbeit zu leisten (als Arzt und/oder<br />

als <strong>VSAO</strong>-Campaigner), ist unverändert<br />

hoch. Das stimmt mich für die Entwicklung<br />

des Schweizer Gesundheitswesens<br />

sehr zuversichtlich.<br />

Wenn Sie diese Ausgabe des <strong>VSAO</strong>-Journals<br />

in den Händen halten, arbeiten wir bereits<br />

fieberhaft an einer spektakulären Übergabeaktion<br />

der vielen Unterschriften am<br />

2. September <strong>2015</strong>. Ich bin mir sicher, dass<br />

auch hier die Medizinstudierenden mit<br />

Begeisterung dabei sein werden – für ihre<br />

künftigen Arbeitsbedingungen. Ich freue<br />

mich!<br />

■<br />

Nico van der Heiden<br />

Stv. Geschäftsführerin/Leiter<br />

Politik und Kommunikation<br />

Aus diesem Engagement ziehe ich persönlich<br />

zwei Schlüsse: Erstens wird der Einsatz<br />

des <strong>VSAO</strong> für gute Arbeitsbedingungen<br />

von der künftigen Ärztegeneration<br />

gestützt, denn die Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Privatleben ist der sogenannten Generation<br />

Y sehr wichtig. Zwar ist die Verwirklichung<br />

im Beruf wichtig, aber eine<br />

8 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

9


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Rate your clinic @<br />

spitalplattform.vsao.ch!<br />

Jetzt sind Sie an der Reihe! Während wir mit Hochdruck die letzten, kleineren Weiterbildungsstätten<br />

auf unserer Spitalplattform erfassen und die Informationen vervollständigen, können<br />

nun die <strong>VSAO</strong>-Mitglieder ihrerseits den Informationsgehalt der Plattform auf ein neues Niveau<br />

heben, indem sie ihre Weiterbildungsstätten bewerten.<br />

Simon Stettler, Geschäftsführer <strong>VSAO</strong><br />

Wer kennt es nicht? Vor der Buchung des<br />

Hotels noch rasch auf Tripadvisor checken,<br />

ob die bisherigen Gäste zufrieden<br />

gewesen sind. Ebenso platziert man nach<br />

den Ferien einen kurzen Eintrag, um eine<br />

gute Leistung zu belohnen bzw. um anderen<br />

ein negatives Erlebnis zu ersparen.<br />

Ein ähnliches Angebot gibt es nun bezüglich<br />

der Weiterbildungsstätten. Ab sofort<br />

steht unseren Mitgliedern auf der <strong>VSAO</strong>-<br />

Spitalplattform ein Bewertungstool zur<br />

Verfügung, mit welchem sie einfach und<br />

rasch ihre Erfahrungen an den Schweizer<br />

Weiterbildungsstätten mit anderen Assistenzärztinnen<br />

und -ärzten teilen können.<br />

Die Bewertung erfolgt anhand von 5 Standardfragen<br />

mit jeweils einer Skala von<br />

1 bis 6. Zu bewerten sind die 4 Bereiche:<br />

• Arbeitszeit<br />

Bestehen z.B. gute Dienstpläne und werden<br />

diese rechtzeitig kommuniziert und<br />

eingehalten? Kann Überzeit kompensiert<br />

werden? Gibt es überlange Dienste?<br />

• Weiterbildung<br />

Besteht eine stufengerechte Betreuung<br />

der Assistenzärzte und ein spürbarer Wille,<br />

sie weiterzubilden? Oder werden sie<br />

in erster Linie als billige Arbeitskräfte<br />

eingesetzt? Wird das Weiterbildungskonzept<br />

eingehalten und die versprochene<br />

Weiterbildung geboten? Wie viel habe ich<br />

dort gelernt?<br />

• Arbeitsklima<br />

Wie funktioniert die Zusammenarbeit im<br />

Team, mit den Vorgesetzten oder auch<br />

interdisziplinär? Wie ist die Stimmung?<br />

• Familienfreundlichkeit<br />

Diese Frage bezieht sich sowohl auf Massnahmen<br />

und Angebote der Weiterbildungsstätte<br />

(z.B. Teilzeitangebote) wie<br />

auch auf solche des Spitals (Besteht z.B.<br />

eine Kindertagesstätte oder ein entsprechendes<br />

Angebot?).<br />

Abschliessend ist anzugeben, ob bzw. wie<br />

sehr die Weiterbildungsstätte einem<br />

Kollegen empfohlen wird.<br />

Optional steht ein Kommentarfeld zur<br />

Verfügung. Nutzen Sie dieses, um Ihre<br />

Bewertung zu unterstützen und den Lesern<br />

die Stärken und Schwächen der betreffenden<br />

Weiterbildungsstätte näher zu<br />

erläutern! Bei sehr schlechten Bewertungen<br />

(Gesamtnote < 3) ist ein erklärender<br />

Kommentar zwingend. Wird ein Kommentar<br />

abgegeben, erhalten die Weiterbildungsstättenleiterinnen<br />

und -leiter vom<br />

<strong>VSAO</strong> eine Mitteilung und die Gelegenheit,<br />

ihrerseits eine Stellungnahme zu platzieren.<br />

Bewertungen und Kommentare werden<br />

vom <strong>VSAO</strong> moderiert. Die Bewertungen<br />

sollen zwar subjektiv, jedoch immer<br />

auch sachlich und fair ausfallen. Für<br />

10 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

persönliche Abrechnungen oder blosse<br />

Frustbewältigung gibt es auf der <strong>VSAO</strong>-<br />

Spitalplattform keinen Platz.<br />

Die abgegebenen Bewertungen werden<br />

auch grafisch dargestellt, um allfällige<br />

Veränderungen in den letzten Monaten<br />

und Jahren aufzuzeigen. Die Assistenzärzte<br />

und -ärztinnen erhalten auf der<br />

<strong>VSAO</strong>-Plattform nun auf einen Blick objektive<br />

Informationen und persönliche<br />

Rückmeldungen, die bei der Wahl einer<br />

Weiterbildungsstätte hilfreich sind. Für<br />

die Weiterbildungsstättenleiter und -leiterinnen<br />

ist die Bewertung im besten Fall<br />

ein Dankeschön für ihren Einsatz zu<br />

Gunsten der Weiterbildung und der Weiterzubildenden.<br />

■<br />

Wichtige Hinweise<br />

• Loginvarianten:<br />

– Vorname, Name, Mitgliedernummer ➝ Ihre Bewertung wird umgehend aufgeschaltet.<br />

– Vorname, Name, Geburtsdatum ➝ Sie erhalten an die beim <strong>VSAO</strong> hinterlegte<br />

E-Mailadresse eine Nachricht mit einem Link zur Freigabe Ihrer Bewertung.<br />

• Ihre Daten werden vertraulich und anonym behandelt und ausschliesslich für die<br />

Überprüfung der Mitgliedschaft verwendet.<br />

• Bewertungen werden nur angezeigt, sofern Frage 6 mit «Ja» beantwortet wurde oder<br />

drei Bewertungen zur Weiterbildungsstätte bzw. zum Spital abgegeben wurden.<br />

• Eine Bewertung wird nach einer Laufzeit von drei Jahren gelöscht.<br />

• Eine wiederholte Bewertung derselben Weiterbildungsstätte ist nur alle 12 Monate<br />

möglich.<br />

• Der Leiter der jeweiligen Weiterbildungsstätte hat die Möglichkeit, zu einem Kommentar<br />

Stellung zu nehmen.


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Praxis tut not<br />

Die Praxisassistenz ist für Fachärztinnen und -ärzte Allgemeine Innere Medizin mit Ziel Hausarztmedizin<br />

sowie für Kinder- und Jugendmediziner mit Ziel Grundversorgung unerlässlich. Den<br />

künftigen Hausärzten stehen zudem in der Curriculum-Weiterbildung verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

zur Verfügung. Wer bietet was an? Eine kurze Übersicht über das Angebot <strong>2015</strong>.<br />

Christian Häuptle, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Hausarztmedizin Kantonsspital St. Gallen,<br />

Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin Bern,<br />

Manolya von Erlach, Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin Bern<br />

Am 1. Januar 2011 wurde das neue Weiterbildungsprogramm<br />

in Allgemeiner<br />

Innerer Medizin eingeführt. Dieses beinhaltet<br />

unter anderem die Implementierung<br />

der Praxisassistenz in die Basisweiterbildung<br />

sowie die Curriculum-Weiterbildung<br />

(Rotation) in die Aufbauweiterbildung.<br />

Damit wurde dem ausgewiesenen<br />

Bedürfnis, spezifisch hausärztliches Wissen<br />

und Können in der Weiterbildungsphase<br />

zu vermitteln, Nachachtung verschafft.<br />

Ab 2016 kann der Facharzttitel<br />

Allgemeine Innere Medizin ausschliesslich<br />

nach dem neuen Weiterbildungsprogramm<br />

erlangt werden.<br />

Praxisassistenz<br />

Die Praxisassistenz hat zum Ziel, im<br />

hausärztlichen Setting die hausärztliche<br />

Fachkompetenz durch relevante und<br />

hausarztspezifische Lerninhalte zu vermitteln.<br />

So soll in der hausärztlichen<br />

Praxis die spezifische Beziehung zum<br />

Patienten und seinem Umfeld aufgezeigt<br />

und erlebbar werden und schliesslich sollen<br />

Kenntnisse der Praxisführung vermittelt<br />

werden.<br />

Die Praxisassistenzweiterbildung wird als<br />

ambulante Innere Medizin mit zweimal<br />

sechs Monaten zu 100 Prozent oder einmal<br />

zwölf Monaten zu 100 Prozent angerechnet.<br />

Das Weiterbildungsprogramm<br />

zum Facharzttitel für Kinder- und Jugendmedizin<br />

sieht ebenfalls in der Aufbauweiterbildung<br />

zwölf Monate zu 100 Prozent<br />

Praxisassistenz vor.<br />

Für die Weiterbildung in der Praxisassistenz<br />

sind die Lehrpraktiker verantwortlich.<br />

Diese müssen vom Schweizerischen<br />

Institut für Weiter- und Fortbildung<br />

(SIWF) als Lehrpraktiker anerkannt und<br />

ihre Praxis als Weiterbildungsstätte akkreditiert<br />

sein. Die akkreditierten Weiterbildungsstätten<br />

sind unter www.fmh.ch<br />

(Facharzttitel und Schwerpunkte) einsehbar.<br />

Nur bei einer anerkannten Weiterbildungsstätte<br />

kann die absolvierte Praxisassistenz<br />

auch von der FMH als Weiterbildungszeit<br />

angerechnet werden.<br />

In der Schweiz werden grundsätzlich zwei<br />

Arten von Praxisassistenzprogrammen<br />

angeboten:<br />

• das Praxisassistenzprogramm der Stiftung<br />

zur Förderung der Weiterbildung<br />

in Hausarztmedizin (Stiftung WHM<br />

FMF)<br />

• die kantonalen Praxisassistenzprogramme<br />

Tabelle 1: Praxisassistenz-Programme, Übersicht<br />

Das Praxisassistenzprogramm<br />

der Stiftung zur Förderung der<br />

Weiterbildung in Hausarzt medizin<br />

(Stiftung WHM FMF)<br />

Die Praxisassistenz wird in der Schweiz<br />

seit Mitte 1998 angeboten. Das ursprüng-<br />

14 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Tabelle 2: Praxisassistenz-Programme,<br />

Finanzierung<br />

lich von der Ärzteschaft aufgebaute und<br />

vom Kollegium für Hausarztmedizin<br />

(KHM) weiterentwickelte Programm wird<br />

seit 2009 von der Stiftung zur Förderung<br />

der Weiterbildung in Hausarztmedizin<br />

(Stiftung WHM FMF) betreut und verwaltet.<br />

Die Stiftung WHM FMF, welche von der<br />

SGAM, SGIM, SGP, FMH, <strong>VSAO</strong> und dem<br />

KHM getragen wird, ist eine nationale<br />

Einrichtung und steht grundsätzlich allen<br />

Assistenzärztinnen und -ärzten mit Ziel<br />

Allgemeine Innere Medizin oder Kinderund<br />

Jugendmedizin zur Verfügung. Als<br />

Zulassungsbedingungen gelten:<br />

––<br />

ein Schweizer Diplom oder ein ausländisches<br />

Diplom, welches vom Bundesamt<br />

für Gesundheit (BAG) anerkannt ist,<br />

––<br />

die FMH-Mitgliedschaft,<br />

––<br />

mindestens zwei Jahre Weiter- und<br />

Fortbildung zu 100 Prozent an einer<br />

vom SIWF anerkannten Weiterbildungs<br />

stätte in der Schweiz (max. sieben<br />

Jahre),<br />

––<br />

beim angestrebten Facharzttitel Allgemeine<br />

Innere Medizin (AIM) mindestens<br />

ein Jahr zu 100 Prozent FMH-anerkannte<br />

Weiterbildung in der Inneren<br />

Medizin bzw. beim angestrebten Facharzttitel<br />

Kinder- und Jugendmedizin<br />

(KJM) mindestens zwei Jahre zu 100 Prozent<br />

FMH-anerkannte Weiterbildung in<br />

der Pädiatrie.<br />

Finanzierung<br />

Beim Praxisassistenzprogramm der Stiftung<br />

WHM FMF handelt es sich um eine<br />

Mitfinanzierung einer Praxisassistenz<br />

und nicht um eine Ausfinanzierung. Zurzeit<br />

beträgt der mitfinanzierte Assistenzarztlohn<br />

im Programm Fr. 6500.–. Die<br />

Stiftung WHM FMF finanziert die Hälfte<br />

der gesamten Lohnkosten (Assistenzarztlohn<br />

plus Arbeitgeberbeiträge) mit. 2014<br />

finanzierte die Stiftung WHM FMF 29<br />

Praxisassistenzstellen zu sechs Monaten<br />

zu 100 Prozent mit. Ausführliche Informationen<br />

über die Bedingungen für die<br />

Assistenzärzte wie auch für die Lehrpraktiker<br />

können unter www.whm-fmf.ch<br />

eingesehen werden.<br />

Kantonale<br />

Praxisassistenzprogramme<br />

Unter dem Druck des zunehmenden<br />

Hausärztemangels sowie durch die Initiative<br />

«Ja zur Hausarztmedizin» haben seit<br />

2006 die meisten Kantone entweder eigene<br />

Praxisassistenzprogramme entwickelt<br />

oder sich an anderen kantonalen Programmen<br />

beteiligt. Die Kantone selbst<br />

sind an einer qualitativ hochwertigen wie<br />

quantitativ ausreichenden Hausarztmedizin<br />

für ihre Bevölkerung interessiert. Als<br />

Grundlage für die kantonalen Programme<br />

diente das Programm der Stiftung<br />

WHM FMF. Die Programme selbst sind<br />

aber in ihrer Struktur, in den Zulassungsbedingungen<br />

sowie auch in der Entlöhnung<br />

verschieden und miteinander nicht<br />

kompatibel.<br />

Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die Praxisassistenzprogramme,<br />

welche zurzeit in<br />

den Kantonen angeboten werden. Insgesamt<br />

bieten die kantonalen Programme<br />

im Jahr <strong>2015</strong> ca. 220 Praxisassistenzstellen<br />

zu sechs Monaten zu 100 Prozent an.<br />

In 17 Kantonen ist das Angebot mit der<br />

Nachfrage recht ausgeglichen, in einem<br />

Kanton ist das Angebot grösser als die<br />

Nachfrage und in sechs Kantonen übersteigt<br />

die Nachfrage das Angebot. Die<br />

meisten Programme der Kantone bieten<br />

auch die Praxisassistenz in Teilzeit an.<br />

Finanzierung<br />

Die Finanzierung der Praxisassistenz ist<br />

von Kanton zu Kanton unterschiedlich<br />

(Tabelle 2). Zwei Kantone (GR und SZ)<br />

kennen eine fixe Besoldung, in einem<br />

Kanton (LU) kommt eine fixe Besoldung<br />

bei denjenigen Assistenten zur Anwendung,<br />

welche nicht vorgängig im kantonalen<br />

Spital angestellt waren. Die anderen<br />

Kantone entlöhnen nach absolviertem<br />

Tabelle 3: Praxisassistenz-Programme, Bedingungen Assistenzärzte<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

15


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Weiterbildungsjahr, wobei drei Kantone<br />

die Löhne beim 4., 6. oder 9. Weiterbildungsjahr<br />

begrenzen. Ebenso unterschiedlich<br />

sind die finanziellen Beteiligungen<br />

an den Lohnkosten des Assistenzarztes<br />

durch den Lehrpraktiker.<br />

Tabelle 4: Praxisassistenz-<br />

Programme, Bedingungen<br />

Lehrpraktiker<br />

Bedingungen Assistenzärzte<br />

Die Bedingungen für Assistenzärzte sind<br />

kantonal verschieden (Tabelle 3). Die<br />

meisten Kantone fordern vor Antritt der<br />

Praxisassistenz eine bestimmte absolvierte<br />

Weiterbildungszeit. Viele Kantone setzen<br />

zwei bis drei Jahre klinische Weiterbildung<br />

voraus, sieben Kantone explizit in Innerer<br />

Medizin. Zwei Kantone kennen eine Niederlassungspflicht<br />

(BS und VS), alle anderen<br />

Kantone haben von dieser Einschränkung<br />

Abstand genommen, wobei natürlich<br />

eine Niederlassung im jeweiligen<br />

Kanton gewünscht wird.<br />

Die Koordinationsstellen, welche für die<br />

Praxisassistenzprogramme verantwortlich<br />

und auch für die operative Umsetzung<br />

zuständig sind, werden in der Tabelle<br />

5 aufgelistet. Viele Koordinationsstellen<br />

sind an den Spitälern angegliedert und<br />

werden von engagierten Hausärzten betreut.<br />

Die Nähe der Koordinationsstellen<br />

zu den Assistenzärzten ist entscheidend<br />

für den Erfolg eines Programmes. So können<br />

bei Unklarheiten oder speziellen Fragestellungen<br />

die Assistenzärzte rasch und<br />

unkompliziert kompetente Unterstützung<br />

erhalten.<br />

Administration und Evaluation<br />

In der Regel sind die Praxisassistenzärzte<br />

am jeweiligen Kantonsspital angestellt (in<br />

17 Kantonen) (Tabelle 6). Zwei Kantone<br />

stellen die Assistenzärzte selbst an, in einem<br />

Kanton geschieht das durch den Kanton<br />

und das Spital und je ein Kanton lässt die<br />

Anstellung durch den Lehrpraktiker vollziehen<br />

bzw. wickelt die gesamte Administration<br />

über die Stiftung WHM FMF ab.<br />

Die Praxisassistenzprogramme werden in<br />

den meisten Fällen evaluiert, wobei die<br />

Evaluation nicht einheitlich geschieht. In<br />

einigen Kantonen wird die Evaluation<br />

durch die Stiftung WHM FMF durchgeführt,<br />

welche ihr eigenes Programm seit<br />

Jahren selbst evaluiert. Einige Kantone<br />

evaluieren ihr Programm selbst und sechs<br />

Kantone haben keine Evaluation.<br />

Tabelle 5: Praxisassistenz-Programme, Koordinationsstellen (operativ)<br />

Curricula (Rotationsstellen)<br />

In der Aufbauweiterbildung zum Facharzttitel<br />

Allgemeine Innere Medizin sind soge-<br />

16 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Tabelle 6:<br />

Praxis-<br />

assistenz-<br />

Programme,<br />

Administration<br />

und<br />

Evaluation<br />

nannte Curricula oder Rotationsstellen<br />

vorgesehen (Tabelle 7). Diese Curricula,<br />

also strukturierte Weiterbildungsstellen in<br />

den sogenannten «kleinen Fächern», sollen<br />

die Weiterbildung mit Ziel Hausarztmedizin<br />

komplettieren. Oft ist es für die Assistenzärzte<br />

schwierig, in den für die hausärztliche<br />

Tätigkeit relevanten Spezialgebieten<br />

(z.B. Dermatologie, HNO, Orthopädie,<br />

Chirurgie, Gynäkologie etc.) eine Weiterbildungsstelle<br />

für sechs Monate zu erhalten.<br />

Namentlich chirurgische oder orthopädische<br />

Kompetenzen, welche in einer hausärztlichen<br />

Praxis wichtig sind, können<br />

auch in einem Curriculum in der Aufbauweiterbildung<br />

erworben werden.<br />

In 16 Kantonen kann eine Curriculum-<br />

Weiterbildung absolviert werden, wobei<br />

die Angebote sehr unterschiedlich sind<br />

(Tabelle 7). In einigen Kantonen steckt<br />

die Curriculum-Weiterbildung noch in<br />

der Aufbauphase und deren Angebot ist<br />

daher noch nicht genau definiert; andere<br />

Kantone weisen ein schon recht ausgebautes<br />

und gut etabliertes Curriculum-<br />

Angebot auf. Hier ist es wichtig, dass sich<br />

die Interessenten direkt an die zuständigen<br />

Koordinatoren der jeweiligen Kanto-<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

17


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

ne wenden und sich von ihnen beraten<br />

lassen (Tabelle 9).<br />

Die Curriculum-Ziele sowie die -Lerninhalte<br />

sind definiert und beim SIWF<br />

hinterlegt. Grundsätzlich können die Curricula<br />

(Rotationsstellen) im stationären<br />

wie auch im ambulanten Bereich eingerichtet<br />

werden. Wichtig ist, dass im ambulanten<br />

Bereich der Weiterbildner bei dem<br />

SIWF als Lehrarzt akkreditiert ist, damit<br />

die Weiterbildungszeit des Assistenzarztes<br />

auch angerechnet wird. Ziel der Curriculum-Weiterbildung<br />

muss sein, dass sich<br />

die angehenden Hausärzte in den jeweils<br />

gewählten Fachgebieten diejenigen Fähigkeiten<br />

aneignen, welche sie in ihrer späteren<br />

Tätigkeit in der hausärztlichen<br />

Praxis kompetent und eigenverantwortlich<br />

einsetzen können.<br />

Auch die Curricula (Rotationsstellen) sind<br />

an Bedingungen geknüpft (Tabelle 8).<br />

Fragen zu den verschiedenen Curricula-<br />

Angeboten kann man an die verantwortlichen<br />

Curricula-Koordinationsstellen<br />

richten (Tabelle 9).<br />

Verschiedene kantonale Koordinatoren<br />

bieten auch eine Laufbahnberatung an.<br />

Im persönlichen Gespräch können die<br />

verschiedenen Lebensentwürfe, die beruflichen<br />

Möglichkeiten und Ziele besprochen<br />

und analysiert werden. Gemeinsam<br />

mit dem Assistenzarzt soll eine für ihn<br />

massgeschneiderte Weiterbildung zusammengestellt<br />

werden, die er in nützlicher<br />

Frist absolvieren kann und ihn danach<br />

befähigt, seinen Beruf kompetent und<br />

umfassend auszuüben. ■<br />

Tabelle 7: Rotationsstellen (Curricula), Übersicht<br />

Korrespondenzadresse<br />

Dr. med. Christian Häuptle<br />

Leitender Arzt Hausarztmedizin<br />

Kantonsspital St. Gallen<br />

Rorschacherstrasse 95<br />

9007 St. Gallen<br />

christian.haeuptle@kssg.ch<br />

Tabelle 8: Rotationsstellen (Curricula), Bedingungen Assistenzärzte & Kliniken<br />

Literatur<br />

Häuptle Christian, von Erlach Manolya, Bauer<br />

Werner, Brinkley Bruce: Koordination von Curricula<br />

(Rotationsstellen) und Praxisassistenzstellen.<br />

Bericht der Stiftung zur Förderung der<br />

Weiterbildung in Hausarztmedizin (WHM) zuhanden<br />

Bundesamt für Gesundheit (BAG) und<br />

Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen<br />

und -direktoren (GDK),<br />

Bern, 27. Mai 2014. Praxis <strong>2015</strong>;104 (3): 137–150<br />

18 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Tabelle 9: Rotationsstellen<br />

(Curricula), Koordinationsstelle,<br />

Administration, Evaluation<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

19


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Das Ergebnis zählt<br />

Was alles macht einen frisch diplomierten Arzt, eine Jungärztin aus? Dieser Frage geht<br />

zurzeit eine Arbeitsgruppe nach, die den seit 2008 gültigen Schweizer Lernzielkatalog für<br />

Studierende (SCLO) überarbeitet. Beteiligt sind auch der <strong>VSAO</strong> und die swimsa.<br />

Sonja Trüstedt, Mitglied des Ressorts Weiterbildung <strong>VSAO</strong><br />

Wer nach dem Jahr 2006 Humanmedizin<br />

zu studieren begann, erlebt(e) ein reformiertes<br />

Studium. Die auffälligsten Änderungen<br />

sind Gliederung in Bachelor-<br />

(Studienjahr 1–3) und Masterstudiengang<br />

(Studienjahr 4–6), der angestrebte<br />

Titel zum «Master of Medicine» und die<br />

eidgenössische Prüfung in Humanmedizin<br />

als Ersatz für das traditionelle Staatsexamen.<br />

Studierende aller Medizinischen<br />

Fakultäten der Schweiz bereiten<br />

sich auf dieselbe Prüfung vor, deren Inhalt<br />

der Schweizer Lernzielkatalog für<br />

Studierende (SCLO) vorgibt. Aktuell wird<br />

eine neue Version erarbeitet. In der Arbeitsgruppe<br />

ist sowohl der <strong>VSAO</strong> als auch<br />

die swimsa vertreten.<br />

Von prozess- zu<br />

kompetenzgesteuerter<br />

Bildung<br />

Ungefähr bis zur Jahrtausendwende wurde<br />

davon ausgegangen, dass Studierende<br />

sich zuerst intensiv das Basiswissen in den<br />

Gebieten Anatomie, Histologie, Biochemie<br />

und Pathologie aneignen müssen, um<br />

später ihr Wissen in den Fachspezialitäten<br />

zu vertiefen. Durch die optimierte Abfolge<br />

der Lehrveranstaltungen würden Jungärzte<br />

auf diese Weise gut gerüstet für die<br />

Anforderungen als Assistenzarzt sein.<br />

Australien war eines der ersten Länder,<br />

das den fast 100-jährigen Königsweg der<br />

Medizinausbildung verliess und stattdessen<br />

die Organisation der ärztlichen Bildung<br />

vom Ziel her rückwärts entwickelte.<br />

Dafür wurde definiert, was ein Studierender<br />

oder auch ein Facharzt am Ende<br />

seiner Aus- resp. Weiterbildung beherrschen<br />

sollte. Mit diesen Zielen oder «outcomes»<br />

stets vor Augen wurde nun mittels<br />

geeigneter Lehrmethoden der Bildungsweg<br />

geplant. Heute ist der kompetenzerwerbgesteuerte<br />

Bildungsweg oder die<br />

«outcome-based-education OBE» weltweit<br />

verbreitet. Spätestens mit der Bologna-Reform<br />

2006 und der nachfolgenden<br />

eidgenössischen Prüfung in Humanmedizin<br />

seit 2011 wird auch in der Schweiz<br />

outcomebasiert gelehrt und gelernt.<br />

Welche Kompetenz<br />

ist gefragt?<br />

Es ist eine Herkulesaufgabe zu beschreiben,<br />

was ein Assistenz- oder später ein<br />

Facharzt alles wissen und können sollte.<br />

Doch Wissen und Können sind nicht die<br />

einzigen Anforderungen an einen guten<br />

Arzt, erwartet wird im Weiteren ein «arzttypisches»<br />

Verhalten, ein angemessener<br />

Umgang mit Patienten, Angehörigen oder<br />

Kollegen.<br />

Beschreibungen von Lernzielen umfassen<br />

unter Umständen tausende von beispielhaften<br />

Anforderungen. In dieser Form<br />

sind sie aber nicht brauchbar. Daher bildeten<br />

sich Arbeitsgruppen, die übergeordnete<br />

Themen aus den verschiedenen Beispielen<br />

herausdestillierten und daraus ein<br />

Konzept mit allen Lernzielen erstellten.<br />

Um die Jahrtausendwende publizierten<br />

Gesundheitsbildungsexperten aus verschiedensten<br />

Nationen ihre unterschiedlichen<br />

Konzepte. Allen gemeinsam sind<br />

ein spezifischer Teil mit biomedizinischen<br />

Kompetenzen und ein unspezifischer Teil<br />

mit Kompetenzen, die in jedem hochspezialisierten<br />

Beruf mit komplexem zwischenmenschlichem<br />

Austausch wichtig<br />

sind. Dazu gehören Kommunikationsfertigkeiten,<br />

Teamkompetenzen, Fertigkeiten<br />

in Qualitätsverbesserungsmassnahmen<br />

oder Patientensicherheit usw. Es entstanden<br />

Modelle mit konzentrischen Kreisen<br />

(Dundee, Vereinigtes Königreich) oder<br />

Dreiecksmodelle (Council for Graduate<br />

Medical Education, USA), am verbreitetsten<br />

ist eine sechsblättrige Blume, das Can-<br />

MEDS System.<br />

Das CanMEDS System<br />

Seit den 1990er Jahren wurde am Royal<br />

College of Phycians and Surgeons in Kanada<br />

an einem Fertigkeitsinventar für alle<br />

kanadischen Ärzte geforscht. Die Version<br />

von 2005 erzielte weltweite Aufmerksamkeit<br />

und wird auch in der Schweiz als<br />

Basis für den Lernzielkatalog für Studierende<br />

(SCLO) verwendet. Selbst einige<br />

Fachgesellschaften haben ihr Weiterbildungsprogramm<br />

auf diesem Rahmenwerk<br />

aufgebaut, beispielsweise die SGAR.<br />

Die provisorische Version <strong>2015</strong> ist leicht<br />

revidiert worden und wird nachfolgend<br />

vorgestellt.<br />

In unserem Arbeitsalltag schlüpfen wir<br />

wie ein Schauspieler in verschiedene Rollen<br />

mit unterschiedlichen Anforderungen.<br />

Das CanMEDS System definiert sieben<br />

Rollen. Der Medical Expert steht übergreifend<br />

und allgegenwärtig im Zentrum. Die<br />

Bezeichnungen der sechs anderen Rollen<br />

sind weitgehend selbsterklärend. Übrigens<br />

wurde der Manager in der Version <strong>2015</strong><br />

zum «Leader». Interessierte finden mehr<br />

dazu auf der Webseite www.royalcollege.<br />

ca/canmeds/framework.<br />

3. Version des SCLO<br />

Die Jungärzte, welche seit 2011 ihr Studium<br />

abgeschlossen haben, kennen den<br />

Schweizer Lernzielkatalog für Studierende<br />

(SCLO). Er war Basis ihrer Vorbereitung<br />

für die eidgenössische Prüfung in Humanmedizin.<br />

Oftmals wird angemerkt,<br />

dass dieser Katalog wenig brauchbar, verwirrend<br />

und redundant sei, zu detailreich<br />

und kompliziert in der Anwendung, so<br />

dass unklar bleibe, was schliesslich gefordert<br />

sei.<br />

Aktuell überarbeitet eine Arbeitsgruppe<br />

den Katalog. In dieser ist sowohl der<br />

<strong>VSAO</strong> als auch die swimsa vertreten. Als<br />

Grundrahmenkonstrukt wird voraussichtlich<br />

das CanMEDS System beibehalten.<br />

Die Chance besteht jetzt, mittels der<br />

Revision des Lernzielkatalogs den Übergang<br />

vom Studium ins Berufsleben zu<br />

erleichtern.<br />

■<br />

20 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

SIWF-Projektförderung: ärztliche<br />

Weiterbildung unterstützen – auch<br />

in Zukunft<br />

Dr. med. Werner Bauer, Präsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF,<br />

Dr. med. Raphael Stolz, Vizepräsident des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF,<br />

M. Sc. Nadja Jenni, Wissenschaftliche Mitarbeiterin SIWF/FMH<br />

Eine wichtige Aufgabe des Schweizerischen<br />

Instituts für ärztliche Weiter- und<br />

Fortbildung SIWF ist es, die Weiterbildenden<br />

aktiv zu unterstützen und die Qualität<br />

der ärztlichen Weiterbildung weiterzuentwickeln.<br />

Deshalb hat das Institut im Jahr<br />

2013 zum ersten Mal eine Ausschreibung<br />

zur Förderung von Weiterbildungsprojekten<br />

lanciert.<br />

Wir waren von der überraschenden Vielfalt,<br />

von der Originalität und von der Qualität<br />

der eingereichten Projekte sehr beeindruckt<br />

und die Auswahl derjenigen unter<br />

ihnen, denen ein Fördergeld zugesprochen<br />

werden konnte, war nicht einfach.<br />

Da das Feedback so positiv war und da so<br />

viele der angemeldeten Projekte ein erfreulich<br />

hohes Niveau hatten, lag die Entscheidung<br />

nahe: Das Projekt wird fortgeführt!<br />

Die Geschäftsleitung des SIWF hat deshalb<br />

beschlossen, die Projektförderung dieses<br />

Jahr erneut auszuschreiben mit dem Ziel,<br />

einen konkreten Beitrag zur methodischen<br />

und didaktischen Unterstützung<br />

der Weiterbildung zu leisten. Obwohl die<br />

zeitliche Belastung grösser und die finanziellen<br />

Ressourcen im Gesundheitswesen<br />

der Schweiz tendenziell knapper werden,<br />

hoffen wir wiederum auf initiative, einfallsreiche<br />

Weiterbildende, welche kreative<br />

Ideen haben und Wege suchen, um diese<br />

zu realisieren.<br />

Die finanziellen Mittel des SIWF stammen<br />

vorwiegend aus den Gebühren für die Erteilung<br />

der Facharzttitel. Es sind also die<br />

Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung,<br />

welche die Aktivitäten des SIWF fast vollumfänglich<br />

finanzieren. Umso mehr<br />

möchten wir diese Mittel nicht nur für die<br />

administrativen Aufgaben (Anerkennung<br />

von Weiterbildungsprogrammen und von<br />

Weiterbildungsstätten, Evaluation der Weiterbildung,<br />

Titelerteilung) einsetzen, sondern<br />

auch dazu beitragen, Neues und<br />

Kreatives in der Weiterbildung zu fördern.<br />

Projektinhalt und<br />

Methodik sind offen<br />

und frei<br />

Die SIWF-Projektförderung richtet sich an<br />

Weiterbildungsverantwortliche von anerkannten<br />

schweizerischen Weiterbildungsstätten<br />

– sowohl an Einzelpersonen als<br />

auch an Teams. Der Projektinhalt und die<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

21


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

SIWF-Projektförderung:<br />

Projektanträge jetzt einreichen!<br />

Das SIWF fördert Projekte, welche die ärztliche Weiterbildung direkt unterstützen. Haben Sie eine Idee<br />

oder bereits ein überzeugendes Konzept, das Sie umsetzen möchten? Teilnahmeberechtigt sind Ärztinnen<br />

und Ärzte mit einer Weiterbildungsfunktion an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte.<br />

Senden Sie Ihren Projektantrag in elektronischer Form an siwf@fmh.ch mit dem Vermerk<br />

«SIWF-Projektförderung»!<br />

Einsendeschluss: 15. Oktober <strong>2015</strong><br />

Informationen finden Sie auch auf www.siwf.ch. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an:<br />

siwf@fmh.ch oder Tel. 031 359 11 11.<br />

Rechtliche Hinweise: Das SIWF behält sich das Recht vor, den Projektwettbewerb bei Vorliegen besonderer<br />

Umstände abzusagen oder die Teilnahmebedingungen und die Beitragssumme zu ändern. Über<br />

den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mitglieder der<br />

Jury dürfen sich nicht für eine SIWF-Projektförderung bewerben.<br />

Methodik sind weitgehend offen. Mögliche<br />

Projektinhalte sind beispielsweise didaktische<br />

Hilfsmittel, «teach the teachers»-<br />

Angebote, IT-Anwendungen, interaktive<br />

e-Learning-Tools, Simulationsmethoden<br />

und so weiter. Wir möchten die Ausschreibung<br />

bewusst sehr offen und breit halten,<br />

gerade auch, um Innovationen Raum<br />

geben zu können.<br />

Anträge für eine<br />

SIWF-Projektförderung<br />

müssen folgende Punkte<br />

enthalten:<br />

––<br />

Ziel des Projekts<br />

––<br />

Beschreibung der Methode und des<br />

Produkts bzw. des erwarteten Resultats<br />

––<br />

Nutzen für die ärztliche Weiterbildung<br />

––<br />

Breite der Nutzungsmöglichkeiten,<br />

Übertragbarkeit, Anwendbarkeit an anderen<br />

Institutionen<br />

––<br />

Evaluationskriterien und Messgrössen<br />

––<br />

Zeitplan<br />

––<br />

Detailliertes Budget der Gesamt- oder<br />

Teilfinanzierung<br />

––<br />

Projektverantwortliche Person mit den<br />

Kontaktangaben<br />

Das vorgeschlagene Projekt muss umsetzbar<br />

und – allenfalls mit Adaptionen –<br />

auch für andere Weiterbildungsstätten<br />

anwendbar sein. Die Unterstützung des<br />

Projekts kann entweder die vollständige<br />

Finanzierung oder einen Beitrag an ein<br />

grösseres Projekt umfassen. Das Projekt<br />

sollte bis Frühjahr 2017 abgeschlossen<br />

sein, ein erster Zwischenbericht wird im<br />

September 2016 erwartet.<br />

Die Projektanträge können bis zum 15.<br />

Oktober <strong>2015</strong> in elektronischer Form an<br />

siwf@fmh.ch mit dem Vermerk «SIWF-<br />

Projektförderung» eingereicht werden.<br />

Anschliessend beurteilt eine aus Mitgliedern<br />

des SIWF-Vorstands und der SIWF-<br />

Geschäftsleitung zusammengesetzte Jury<br />

die eingegangenen Anträge. Die Jurorinnen<br />

und Juroren entscheiden bis ca. Ende<br />

Dezember <strong>2015</strong>, welche Projektanträge<br />

unterstützt werden. Der Beitragsrahmen<br />

für eine vollständige Projektfinanzierung<br />

beträgt zwischen 40 000 CHF und 60 000<br />

CHF, für Teilfinanzierungen sind Beträge<br />

zwischen 10 000 CHF und 20 000 CHF<br />

vorgesehen. Die Aufteilung und Ausschöpfung<br />

der zur Verfügung stehenden Gesamtsumme<br />

liegt in der Kompetenz der<br />

Jury.<br />

Neue Impulse durch die<br />

SIWF-Projektförderung<br />

Die abgeschlossenen Projekte werden auf<br />

www.siwf.ch und in der Schweizerischen<br />

Ärztezeitung publiziert sowie an einer Veranstaltung<br />

des SIWF vorgestellt. Die Ergebnisse<br />

der geförderten Projekte werden<br />

damit sowohl Fachleuten als auch einem<br />

breiteren Publikum zugänglich gemacht<br />

und sollen neue Impulse für weitere Projekte<br />

zur Verbesserung der ärztlichen<br />

Weiterbildung geben.<br />

■<br />

Kitaplatz gesucht – der <strong>VSAO</strong> hilft<br />

Wenn Sie einen Betreuungsplatz für Ihr Kind suchen, denken Sie daran: Seit 2011 unterstützt<br />

Ihr Verband Sie bei dieser zeitaufwendigen Aufgabe. Eine Anfrage mittels Online-Formular beim <strong>VSAO</strong> genügt und Sie<br />

erhalten Informationen zu verfügbaren Plätzen in Ihrer Wunschregion und die entsprechenden Kontaktdaten<br />

der Tagesstätten. Weitere wichtige Informationen und das Formular finden Sie unter der neuen Rubrik Arztberuf und Familie<br />

auf der <strong>VSAO</strong>-Homepage www.vsao.ch.<br />

22 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

A B C D E F ...<br />

a b c d e f ...<br />

LESEN LERNEN<br />

Relevante Signifikanz?<br />

Lukas Staub, Redaktionsmitglied <strong>VSAO</strong>-Journal<br />

Oft beschäftigen sich statistische Analysen<br />

mit der Frage, ob sich die Messwerte von<br />

zwei Gruppen statistisch signifikant<br />

unterscheiden. Dies wird üblicherweise mit<br />

dem p-Wert angegeben, welcher die Wahrscheinlichkeit<br />

schätzt, dass die in der Studie<br />

beobachteten Differenzen alleine durch<br />

Zufall entstanden sind. Dabei wird angenommen,<br />

dass in Wahrheit keine Differenz<br />

existiert; es wird also die Wahrscheinlichkeit<br />

eines Fehlers 1. Art (α) geschätzt.<br />

Anders ausgedrückt, beantwortet der p-<br />

Wert folgende Frage: Wenn es in Wirklichkeit<br />

keinen Unterschied zwischen den<br />

Gruppen gäbe und wir die Studie viele<br />

Male wiederholen könnten, in welchem<br />

Anteil der Wiederholungen kämen wir<br />

zum gleichen (falschen) Schluss, dass die<br />

gemessene Differenz gleich gross oder<br />

grösser ist als in der ersten Studie?<br />

In der allgemeinen Praxis ist man übereingekommen,<br />

dass ein solcher Fehlschluss<br />

weniger als einmal in zwanzig<br />

Wiederholungen der Studie vorkommen<br />

sollte, was einem p-Wert von 0.05 (oder<br />

5%) entspricht. Falls p


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

«Organisation ist alles»<br />

Lea Stoll und Ida Füglistaler teilen sich eine Vollzeitstelle als Oberärztinnen in der Chirurgie.<br />

Beide arbeiten im Wochenrhythmus. Ein reibungsloser Informationsfluss, ein vergleichbares<br />

operatives Niveau, gegenseitiges Vertrauen und eine umsichtige Organisation machen es<br />

möglich. Heute sind sie für die Kollegen beinahe zu einer Person verschmolzen.<br />

Mit Lea Stoll, Oberärztin Viszeralchirurgie am St. Claraspital Basel, sprach Simone Burkhard Schneider,<br />

Stv. Geschäftsführerin, Stabsjuristin <strong>VSAO</strong>.<br />

Sie teilen sich mit einer Kollegin<br />

ein Vollzeitpensum auf der<br />

Chirurgie. Wer hat Sie dabei<br />

unterstützt, dieses Jobsharingmodell<br />

einzuführen?<br />

Lea Stoll: Ausschlaggebend war natürlich<br />

die Bereitschaft unseres Chefs, sich<br />

auf das von uns vorgeschlagene Modell<br />

einzulassen. Am meisten unterstützt hat<br />

uns jedoch unser familiäres Umfeld. Regelmässig<br />

musste jemand bereit sein, bei<br />

Krankheiten oder in Notfällen einzuspringen.<br />

Ohne diese Unterstützung wäre unser<br />

Jobsharing in den ersten Jahren sicher<br />

nicht möglich gewesen.<br />

Wie sieht Ihr<br />

Jobsharingmodell aus?<br />

Organisatorisch hatten wir wenig Spielraum,<br />

das Jobsharing zu gestalten. Es<br />

kam nur ein Rhythmus von einem Einoder<br />

Zwei-Wochen-Einsatz in Frage. Entsprechend<br />

ist die Kinderbetreuung relativ<br />

schwierig zu organisieren.<br />

Jobsharing in der Chirurgie: Lea Stoll und Ida Füglistaler<br />

Wie hat Ihr berufliches Umfeld<br />

reagiert?<br />

Vor fünf Jahren, als wir mit dem Jobsharing<br />

begonnen haben, war dies ein Novum<br />

in der Chirurgie. Entsprechend wurde es,<br />

wie alles Neue, von unseren Vorgesetzten<br />

und den Kollegen mit einer gewissen<br />

Skepsis betrachtet.<br />

Fühlen Sie sich heute den<br />

Vollzeitmitarbeitenden gleichgestellt?<br />

Ich kann die Frage zu 90 Prozent mit Ja<br />

beantworten. In der Chirurgie geht es immer<br />

darum, wer die hochspezialisierten<br />

und «interessantesten» Eingriffe durchführen<br />

darf/kann. Wir hatten diesbezüglich<br />

beide nie den Eindruck, auf einem<br />

«Abstellgleis» gelandet zu sein. Nach<br />

anfänglicher Skepsis hat sich das Team<br />

an dieses Modell gewöhnt, nicht zuletzt<br />

auch, weil wir uns beide von Beginn an<br />

gegenseitig umfassend informiert haben.<br />

Entsprechend positiv äusserten und äussern<br />

sich unsere Vollzeit arbeitenden Kollegen.<br />

Sie hätten nie das Gefühl, dass<br />

Informationen verloren gegangen wären<br />

bzw. die Abwesenheit einer Jobsharingpartnerin<br />

ein Problem verursacht hätte.<br />

Das Jobsharing war bald kein Thema<br />

mehr, denn unsere Kollegen merkten<br />

schnell, dass sich für sie eigentlich gar<br />

nichts geändert hatte.<br />

Gewisse Einschränkungen sind allerdings<br />

nicht von der Hand zu weisen. Bei der<br />

Einführung neuer Techniken (z.B. aktuell<br />

die Roboterchirurgie) wird eher Vollzeit<br />

arbeitenden Kollegen ermöglicht, diese zu<br />

erlernen. Aber als Fazit: Im Team besteht<br />

absolute Gleichstellung!<br />

Wie kann eine möglichst hohe<br />

Akzeptanz von Teilzeitangestellten<br />

im Team erreicht<br />

werden?<br />

In unserem Jobsharingmodell, welches ja<br />

ein besonderes Teilzeitmodell ist, ist immer<br />

eine von uns beiden anwesend. Dies<br />

ist der entscheidende Vorteil gegenüber<br />

einem Teilzeitpensum von z.B. 60 Prozent,<br />

wo unter Umständen während der<br />

übrigen 40 Prozent keine Ansprechperson<br />

vorhanden ist. Im Praxisalltag werden wir<br />

oft als eine Person wahrgenommen. Dies<br />

merken wir auch daran, dass selbst langjährige<br />

Kollegen teilweise unsere Namen<br />

verwechseln!<br />

Neben der Präsenz ist der lückenlose Informationsfluss<br />

zwischen den Jobsharingpartnern<br />

ausschlaggebend. Dies bedeutet,<br />

dass wir grundsätzlich auch ausserhalb<br />

der Arbeitszeiten erreichbar sein müssen<br />

(was wir tatsächlich auch immer sind).<br />

Durch die Teilzeitanstellung darf im Weiteren<br />

keine Mehrarbeit für die anderen<br />

anfallen. Höchst unbeliebt sind natürlich<br />

Fehlzeiten (z.B. aufgrund kranker Kinder),<br />

da in unserem sehr straff organisierten<br />

Arbeitsalltag folglich sehr viel mehr<br />

Arbeit für die anderen anfällt. Wir haben<br />

uns so organisieren können, dass wir<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

25


WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

praktisch nie wegen der Kinder gefehlt<br />

haben. Nicht unwichtig in der Chirurgie<br />

ist, dass beide Jobsharingpartner ein vergleichbares<br />

operatives Niveau mitbringen.<br />

Ansonsten wird die Planung erschwert.<br />

Welches sind die grössten<br />

Schwierigkeiten bei Ihrem<br />

Modell?<br />

Zu Beginn ging es natürlich vor allem<br />

darum, die Machbarkeit unseres Modells<br />

zu beweisen, was einen enormen persönlichen<br />

Einsatz erfordert hat.<br />

Den wochenweisen Wechsel hingegen sehe<br />

ich nicht als Schwierigkeit, sondern als<br />

absolute Bereicherung und Burnout-Prophylaxe.<br />

Unverzichtbare Grundvoraussetzung<br />

unseres Modells ist das gegenseitige<br />

Vertrauen zwischen meiner Partnerin und<br />

mir. Wir telefonieren mehrmals in der<br />

Woche. Und es trägt sicher zum guten<br />

Gelingen bei, dass wir im Laufe der Jahre<br />

sehr gute Freundinnen geworden sind.<br />

Das sehe ich zwar nicht als eine Voraussetzung,<br />

jedoch als eine sehr schöne Begleiterscheinung.<br />

Eine gewisse Flexibilität (z.B. wegen Kongressen,<br />

abendlichen Sitzungen, Nachtdiensten,<br />

Wochenenddiensten) ist natürlich<br />

auch gefordert. Voraussetzung ist eine<br />

extrem gute Organisation, v.a. wenn der<br />

Partner ebenfalls Dienste etc. planen<br />

muss.<br />

Die allergrösste Herausforderung stellt die<br />

Kinderbetreuung dar. Der wochenweise<br />

Rhythmus macht es schwierig, Krippenplätze<br />

oder eine Nanny zu finden. Mit einem<br />

Krippenplatz alleine wäre es sowieso<br />

nicht getan, da die meisten Krippen noch<br />

nicht geöffnet sind, wenn wir aus dem<br />

Haus gehen und schon geschlossen haben,<br />

wenn wir nach Hause kommen. Es<br />

braucht daher immer eine zusätzliche<br />

Person, die die Kinder bringt bzw. holt.<br />

Kommen die Kinder in den Kindergarten,<br />

ändert sich nichts. Viele Gemeinden haben<br />

noch keine zusätzlichen Betreuungsangebote<br />

wie Mittagstisch oder Tagesstrukturen.<br />

Voll abdecken lässt sich die<br />

Kinderbetreuung mit öffentlicher Betreuung<br />

also in den seltensten Fällen.<br />

Was raten Sie Ihren<br />

jüngeren Berufskolleginnen<br />

mit Familien wunsch?<br />

Zunächst muss der Partner von Anfang an<br />

mitmachen und bereit sein, sich um die<br />

Kinder und den Haushalt zu kümmern,<br />

wenn die Frau Dienst hat. Und zu übernehmen,<br />

wenn sie abends Vorträge, Publikationen<br />

etc. vorbereiten muss oder<br />

Weiterbildungen anstehen. Andernfalls<br />

geht es nicht oder nur mit grossem personellen<br />

Aufwand in Form von Babysittern<br />

und Nannys.<br />

Und, frau muss es unbedingt selber wollen.<br />

Gerade in der Chirurgie ist die berufliche<br />

Belastung sehr hoch. Kommen in<br />

den ersten Jahren noch schlaflose Nächte<br />

oder am Anfang Stillen am Arbeitsplatz<br />

dazu, braucht es eine enorme Belastbarkeit<br />

sowie absoluten Willen und Leidenschaft<br />

für den Beruf, sonst schafft man es<br />

nicht.<br />

Man darf nicht davon ausgehen, dass die<br />

Kollegen die eigenen organisatorischen<br />

Probleme verstehen. Man muss sich so<br />

organisieren, dass keine entstehen. Am<br />

besten also neben Plan B noch einen Plan<br />

C bereithalten.<br />

Für angehende Chirurginnen: So schnell<br />

als möglich die Facharztausbildung absolvieren<br />

und im Anschluss Kinder bekommen.<br />

Mit Anfang 30 sollte es nicht zu spät<br />

sein. Familiengründung und Teilzeitarbeit<br />

während der Weiterbildung halte ich für<br />

weniger geeignet, da es in der Chirurgie<br />

viel Erfahrung und Routine braucht und<br />

ein umfangreicher Operationskatalog erfüllt<br />

werden muss, um ein gewisses Niveau<br />

zu erreichen. Dieses dann später zu halten,<br />

ist viel einfacher. Macht man während der<br />

Weiterbildung eine längere Babypause,<br />

gelingt der Wiedereinstieg oft nicht oder<br />

man beginnt wieder von vorne.<br />

Bei der Wahl eines Jobsharingpartners ist<br />

es sehr hilfreich, einen gleich erfahrenen<br />

Partner, dem man vertraut, zu finden. Auf<br />

diese Weise gelingt es am ehesten, eine so<br />

abgestimmte und reibungslos laufende<br />

Performance zu liefern, als wäre man<br />

tatsächlich eine Person.<br />

Für mich ist unser Modell perfekt. Ich<br />

kann zwischen der absoluten Hingabe<br />

und Leidenschaft für den Beruf und der<br />

Freude und Bereicherung durch die Kinder<br />

zu Hause wochenweise wechseln,<br />

welch ein Luxus!<br />

■<br />

Feedback-Pool<br />

(D)ein kleiner, aber wertvoller<br />

Beitrag für eine gute<br />

Weiter- und Fortbildung<br />

Um im Bereich der ärztlichen Weiter- und Fortbildung Meinungen<br />

unserer Mitglieder zu einem Thema einholen zu<br />

können, wurde der Feedback-Pool eingerichtet.<br />

Macht mit, und helft dem <strong>VSAO</strong> damit, den Horizont im Ressort<br />

Weiterbildung etwas zu erweitern und Überlegungen<br />

breiter abzustützen.<br />

Weitere Infos unter www.vsao.ch und Anmeldung per E-Mail<br />

an bertschi@vsao.ch.<br />

Deine Erfahrung zählt!<br />

Visitationen bilden ein Element für das Überprüfen und Sicherstellen<br />

der Weiterbildungsqualität an einer Weiterbildungsstätte.<br />

Ein Visitationsteam, bestehend aus Vertretern des<br />

SIWF, der entsprechenden Fachgesellschaft und des <strong>VSAO</strong>,<br />

besucht die Klinik; vor Ort können die Umsetzung des Weiterbildungskonzeptes<br />

und die Verhältnisse überprüft werden. Ziel<br />

ist es, im Sinne einer positiv-konstruktiven Rückmeldung<br />

mögliche Verbesserungspotenziale zu erkennen und zu nutzen.<br />

Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, die gerne für den<br />

<strong>VSAO</strong> Visitationen begleiten möchten, melden sich bei Béa trice<br />

Bertschi, unserer Sachbearbeiterin für Weiterbildung/Visitationen<br />

im <strong>VSAO</strong> (bertschi@vsao.ch).<br />

26 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


<strong>VSAO</strong><br />

SEKTION BERN<br />

Gesamtarbeitsvertrag<br />

für die<br />

Insel Gruppe<br />

Für die neue Spitalgruppe gilt ab 1. Januar<br />

2016 für zwei Jahre ein eigener GAV, der<br />

im letzten halben Jahr zwischen den Sozialpartnern<br />

ausgehandelt wurde.<br />

Wir freuen uns, dass nun auch das Universitätsspital<br />

einem GAV angeschlossen<br />

ist. Damit sind im Kanton Bern 7837 Mitarbeitende<br />

zusätzlich kollektiv abgesichert.<br />

Gesamthaft werden ab 1. Januar<br />

2016 in den acht öffentlichen Spitälern des<br />

Kantons 16391 Beschäftigte einem GAV<br />

unterstellt sein. Das ist in der Schweizer<br />

Spitallandschaft einmalig.<br />

Für das Zustandekommen des Übergangs-<br />

GAV mussten sich die Sozialpartner in gut<br />

schweizerischer Manier zusammenraufen:<br />

Es galt, unbedingt eine Lösung zu<br />

finden, um einen vertragslosen Zustand<br />

für das Personal von Spital Netz Bern zu<br />

vermeiden. Wichtig war uns, dass die Vertragsbedingungen<br />

möglichst nahe am<br />

bestehenden Spital-GAV bleiben. Das haben<br />

wir erreicht.<br />

Verwaltungsrat und Geschäftsleitung des<br />

fusionierten Unternehmens haben wohlweislich<br />

entschieden, dass es bei der Neugestaltung<br />

der Anstellungsbedingungen<br />

keine Verliererinnen und Verlierer geben<br />

soll. Die besseren Bedingungen<br />

des bisherigen Spital-GAV gelten<br />

daher mit wenigen Ausnahmen<br />

weiterhin und neu auch in der Insel.<br />

Dazu zählen die 46-Stunden-<br />

Woche und die zusätzliche Ferienwoche<br />

für Oberärztinnen und<br />

-ärzte sowie die Anzahl Ferientage<br />

generell. Umgekehrt gelten die<br />

bisher besseren Bedingungen der<br />

Insel neu auch für die Beschäftigten<br />

des Spital Netzes.<br />

Ganz wenige Punkte werden auch<br />

mit dem neuen GAV nicht harmonisiert,<br />

so die Pensionskasse. Davon sind<br />

Assistenz- und Oberärztinnen aber nicht<br />

betroffen, da sie bei der <strong>VSAO</strong>-Vorsorgestiftung<br />

versichert sind. Betroffen sind sie<br />

dagegen hinsichtlich der Löhne und leider<br />

auch der Pausenregelung. Die bezahlte<br />

Mittagspause bei einer Arbeitszeit<br />

von mehr als neun Stunden, eine<br />

Errungenschaft des GAV, wird im<br />

Inselspital nicht eingeführt, dafür<br />

bleibt dort das Dienstessen bestehen,<br />

welches in den GAV-Spitälern<br />

gestrichen wurde.<br />

Die Lösung mit einem eigenen Betriebs-<br />

GAV für die Insel Gruppe ist aus Sicht der<br />

Personalverbände nicht die beste Lösung.<br />

Wir hätten eine Unterstellung unter den<br />

Spital-GAV, der heute für SNB und alle<br />

anderen öffentlichen Spitäler gilt, bevorzugt.<br />

Aber der Übergangs-GAV ist keine<br />

schlechte, sondern eine gute Lösung.<br />

15 Jahre Gesamtarbeitsvertrag<br />

Berner Spitäler<br />

Mit einer Medienkonferenz und einem<br />

festlichen Anlass feierten die Sozialpartner<br />

am 12. Juni <strong>2015</strong> das Jubiläum des Gesamtarbeitsvertrags<br />

für das Personal bernischer<br />

Spitäler. Der erste GAV in der<br />

Deutschschweizer Spitallandschaft war<br />

damals einzigartig. Heute, 15 Jahre später,<br />

sind die sieben Regionalen Spitalzentren,<br />

ein Alters- und Pflegeheim und eine Spitex-Organisation<br />

dem GAV unterstellt,<br />

insgesamt 8554 Beschäftigte. Der GAV hat<br />

dem Personal in den turbulenten Zeiten<br />

Sicherheit gegeben und für fortschrittliche<br />

Anstellungsbedingungen gesorgt. Diese<br />

Vorreiterrolle soll er auch weiterhin spielen.<br />

Erfolgreiche Standaktion<br />

Der <strong>VSAO</strong> Bern hat bei einer Standaktion<br />

am Käfigturm in Bern innert vier Stunden<br />

rund 300 Unterschriften für die Protestkarte<br />

an Bundesrat Schneider-Ammann<br />

gesammelt. Die Bevölkerung hat äusserst<br />

positiv reagiert und zum Teil Unverständnis<br />

geäussert, dass wir uns nicht viel heftiger<br />

zur Wehr setzen.<br />

Gut zu wissen<br />

Auf unserer Website www.vsao-bern.ch<br />

gibt es eine Rubrik «Gut zu wissen». Es<br />

lohnt sich, bei arbeitsrechtlichen Fragen<br />

zuerst diese Seite anzuklicken. ■<br />

Rosmarie Glauser,<br />

Geschäftsführerin Sektion Bern<br />

28 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


<strong>VSAO</strong><br />

§<br />

Rechtsberatung<br />

Valentine Gétaz Kunz,<br />

Sektionsjuristin Wallis<br />

Das Spital X hat mich per<br />

1. <strong>August</strong> <strong>2015</strong> angestellt.<br />

Ich habe den Vertrag noch<br />

nicht unterschrieben, aber<br />

die Stelle bereits angetreten.<br />

Ich bin mit den Arbeitsbedingungen<br />

nicht<br />

zufrieden. Der Weg von<br />

meinem Wohnort zum Spital<br />

ist zu lang. Ich möchte<br />

daher auf diese Stelle verzichten.<br />

Zudem habe ich<br />

vielleicht an einem anderen<br />

Ort eine interessantere<br />

Stelle gefunden.<br />

1. Darf ich meine Stelle verlassen?<br />

2. Wie muss ich vorgehen?<br />

Zuerst ist zu beachten, dass Sie auch ohne<br />

schriftlichen Vertrag vertraglich gebunden<br />

sein können. Der Arbeitsvertrag kann<br />

mündlich abgeschlossen werden und danach<br />

der Form halber mit einem Anstellungsschreiben<br />

oder einem von beiden<br />

Parteien unterzeichneten Vertrag bestätigt<br />

werden.<br />

Weiter muss geprüft werden, ob Ihr Vertrag<br />

befristet oder unbefristet ist.<br />

Im Falle eines unbefristeten Vertrages<br />

können Sie diesen unter Einhaltung<br />

der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist<br />

kündigen.<br />

Während der Probezeit gilt eine verkürzte<br />

Kündigungsfrist (in der Regel 7 Tage). Sie<br />

können also Ihren Vertrag unter Einhaltung<br />

dieser verkürzten Kündigungsfrist<br />

kündigen. Nach der Probezeit müssen Sie<br />

die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist<br />

einhalten. In der Regel beträgt<br />

diese im ersten Dienstjahr einen Monat<br />

jeweils auf Ende des Monats.<br />

Im Falle eines befristeten Vertrages<br />

ist die Situation komplizierter, da davon<br />

ausgegangen wird, dass die Parteien für<br />

die gesamte Vertragsdauer gebunden sind.<br />

Abgesehen von der fristlosen Auflösung<br />

aus wichtigen Gründen (OR 337) kann der<br />

Vertrag nur in gegenseitigem Einvernehmen<br />

der Parteien vorzeitig beendet werden.<br />

Sie müssten also zuerst eine vorzeitige<br />

Auflösung mit Ihrem Vorgesetzten<br />

aushandeln.<br />

Wenn Ihr Chefarzt eine vorzeitige Auflösung<br />

ablehnt, können Sie Ihre Stelle trotzdem<br />

verlassen. Man wir Ihnen aber vorwerfen<br />

können, dass Sie Ihre Stelle verlassen<br />

haben.<br />

OR 337d regelt das Verlassen der Arbeitsstelle.<br />

Diese Bestimmungen gelten auch<br />

bei Nichtantritt der Stelle. In diesem Fall<br />

ist dann die Rede von einem ungerechtfertigten<br />

Nichtantritt.<br />

OR 337d besagt: «Tritt der Arbeitnehmer<br />

ohne wichtigen Grund die Arbeitsstelle<br />

nicht an oder verlässt er sie fristlos, so<br />

hat der Arbeitgeber Anspruch auf eine<br />

Entschädigung, die einem Viertel des<br />

Lohnes für einen Monat entspricht;<br />

aus serdem hat er Anspruch auf Ersatz<br />

weiteren Schadens.» Der Arbeitgeber<br />

muss aber seinen Anspruch innert 30 Tagen<br />

seit dem Nichtantritt oder Verlassen<br />

der Stelle geltend machen.<br />

Abschliessend können wir also festhalten,<br />

dass Sie Ihre Stelle jederzeit verlassen können.<br />

Im schlimmsten Fall müssen Sie Ihrem<br />

Arbeitgeber, falls er gegen Sie klagt,<br />

eine Entschädigung in der Höhe von einem<br />

Viertel Ihres Monatsgehalts bezahlen. Es ist<br />

aber ratsam die Gründe für einen vorzeitigen<br />

Austritt mit dem Arbeitgeber zu besprechen,<br />

um mit dem Spital eine einvernehmliche<br />

und tragbare Lösung zu finden. ■<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

29


<strong>VSAO</strong><br />

-INSIDE<br />

Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />

Association suisse des médecins-assistant(e)s et chef(fe)s de clinique<br />

Associazione svizzera dei medici assistenti e capiclinica<br />

Angelo Barrile – unser<br />

Nationalratskandidat!<br />

Wohnort: Zürich<br />

Im <strong>VSAO</strong> seit: 2002<br />

Funktion im <strong>VSAO</strong>: Geschäftsleitungsmitglied<br />

Sektion Zürich<br />

Ein starker Händedruck, ein interessierter<br />

Blick – kein Zweifel, Angelo Barriles Auftreten<br />

ist einnehmend. Er ist ein aufmerksamer<br />

Zuhörer, der selbst bei ernsten<br />

Themen oft eine Prise Humor durchschimmern<br />

lässt. Seine Souveränität im<br />

Umgang mit andern Menschen lässt beinahe<br />

die Vermutung aufkommen, Angelo<br />

sei Berufspolitiker. Dabei konnte sich der<br />

Sohn italienischer Eltern, der in Pfungen<br />

(im unteren Tösstal, nahe Winterthur)<br />

aufwuchs, nicht einfach in ein gemachtes<br />

Nest setzen. Heute arbeitet Angelo als angestellter<br />

Hausarzt in einer Gruppenpraxis<br />

(70%) und setzt sich seit 2010 im Kantonsrat<br />

Zürich unter anderem für die Anliegen<br />

der Ärzteschaft ein.<br />

Angelos politische Karriere begann bereits<br />

1998 mit dem Beitritt zur SP, wo er sich<br />

schon bald im Fachausschuss Soziale Sicherheit<br />

und Gesundheit engagierte. Seit<br />

2010 ist er Präsident der Gesundheitskommission<br />

der SP Zürich. Als langjähriges<br />

Mitglied der Geschäftsleitung des <strong>VSAO</strong><br />

Zürich engagiert er sich für die standespolitischen<br />

Anliegen seiner Berufskollegen.<br />

Angelo bedauert, dass das Gesundheitswesen<br />

heute häufig nur als Kostenfaktor<br />

betrachtet wird. Der Gewinn für uns alle<br />

– nämlich die gute Gesundheit der Bevölkerung<br />

– gehe in der Diskussion viel zu<br />

häufig vergessen. Angelo engagiert sich<br />

für eine starke Hausarztmedizin und für<br />

gute Rahmenbedingungen für die Berufstätigen<br />

im Gesundheitswesen. Dies sei<br />

auch im Sinne der Patienten und nicht<br />

blosser Selbstzweck, betont er.<br />

Auch im <strong>VSAO</strong> Schweiz ist Angelo engagiert:<br />

Als aktiver und tatkräftiger Delegierter<br />

im Zentralvorstand ist er mit der nationalen<br />

Gesundheitspolitik bestens vertraut.<br />

Nun versucht er, den Sprung auf die<br />

nationale Bühne, in den Nationalrat, zu<br />

machen. Spontan nennt er drei Schwerpunkte,<br />

die er in Bern gern angehen wird:<br />

––<br />

Genügend Studienplätze im Bereich<br />

Medizin<br />

––<br />

Verhinderung der bürokratischen<br />

Zulassungssteuerung<br />

––<br />

Sicherung der hohen Qualität der<br />

medizinischen Aus- und Weiterbildung<br />

Ohne Zweifel, Angelo wird als Nationalrat<br />

ein Gewinn, auch für den <strong>VSAO</strong>! Nähere<br />

Informationen finden Sie unter www.<br />

barrile.ch<br />

■<br />

30 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


<strong>VSAO</strong><br />

Freie Mitarbeitende für<br />

die Zertifizierung von<br />

Medizinprodukten gesucht<br />

Wir suchen freie Mitarbeitende für die<br />

Überprüfung von<br />

klinischen Bewertungen von Medizinprodukten,<br />

d.h. deren wissenschaftliche Aussagekräftigkeit,<br />

Korrektheit und Vollständigkeit gemäss den Anforderungen<br />

der Richtlinie 93/42/EEC.<br />

Sie sollten in einem medizinischen Fachgebiet<br />

spezialisiert sein und Erfahrungen mit klinischen Studien<br />

oder Bewertungen von Medizinprodukten haben.<br />

Die Tätigkeit erfolgt als Freelancer und ist nebenberuflich.<br />

Weitere Informationen erhalten Sie unter<br />

Info@quality-service.ch<br />

Die QS Zürich AG<br />

Benannte Stelle für Medizinprodukte<br />

COACHING<br />

Arztberuf & Familie / Privatleben<br />

Telefonische Beratung:<br />

044 462 71 23 • info@und-online.ch<br />

Wie 2 bringe ich <strong>VSAO</strong> Familie, <strong>JOURNAL</strong> Freizeit und ASMAC Beruf unter einen Hut? Wie steige ich nach der Babypause wieder ein? Wie<br />

<strong>Nr</strong>. 3 Ja<br />

meistere ich die täglichen Herausforderungen? Antworten und Lösungsvorschläge auf diese und weitere Fragen<br />

bietet der <strong>VSAO</strong> seinen Mitgliedern im Rahmen eines kostenlosen Coachings an. Die Beratung erfolgt telefonisch<br />

durch die Fachstelle UND.<br />

Erfahren Sie mehr über dieses Beratungsangebot des <strong>VSAO</strong> auf unserer Website www2.vsao.ch unter der Rubrik<br />

Arztberuf & Familie / Privatleben.<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

31


FOKUS ▶ WASSER<br />

Reha für Rhein und Co<br />

Bagger statt Skalpell, Landkarte statt Röntgenbild: Auch wenn sich Methoden und Instrumente<br />

unterscheiden – es gibt Parallelen zwischen der Behandlung von Patienten und den aktuellen<br />

Massnahmen im Schweizer Gewässerschutz. Dank umfangreichen Revitalisierungsprojekten werden<br />

in den kommenden 80 Jahren 4000 km stark begradigte Fliessgewässer wieder naturnäher.<br />

Christine Weber, Biologin, Dr. sc. nat., Leiterin Programm Fliessgewässer Schweiz; Julian Junker, Biologe,<br />

Msc, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Eawag: das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs, 6047 Kastanienbaum<br />

Gut 65 000 km lang ist das Gewässernetz<br />

in der Schweiz und sehr vielfältig, umfasst<br />

es doch steile Wildbäche, glasklare Giessen<br />

und verzweigte Talflüsse (Abb. 1). Die<br />

meisten dieser Gewässer sind sehr dynamisch.<br />

So zerstören und schaffen Hochwasser<br />

Lebensräume, etwa indem sie<br />

Kiesbänke abschwemmen und das Kies<br />

andernorts wieder deponieren. Fische,<br />

Insekten und Uferpflanzen haben sich an<br />

diese Dynamik angepasst, ja, viele Tierund<br />

Pflanzenarten sind sogar von ihr<br />

abhängig. Insgesamt gehören Flüsse und<br />

Bäche zu den artenreichsten Ökosystemen<br />

der Welt.<br />

Anamnese<br />

Der Mensch nutzt die Fliessgewässer seit<br />

Jahrhunderten zur Trinkwassergewinnung,<br />

Wasserkrafterzeugung oder Abwasserableitung.<br />

Fliessgewässer erbringen<br />

also wichtige Leistungen für unser Wohlergehen.<br />

Auch baulich hat der Mensch<br />

eingegriffen: Um Land zu gewinnen oder<br />

zwecks Hochwasserschutz zwängte er viele<br />

Flüsse in enge Kanäle mit befestigten<br />

Ufern. Die intensive Nutzung hat ihre<br />

Spuren hinterlassen. Abfälle und Schaumkronen,<br />

die noch bis in die 1960er Jahre<br />

viele Schweizer Fliessgewässer prägten,<br />

gehören heute zwar der Vergangenheit<br />

an – dank den grossen Anstrengungen in<br />

der Abwasserreinigung und dem Gewässerschutz.<br />

Andere Beeinträchtigungen<br />

bleiben aber bestehen. So weisen im<br />

Schweizer Mittelland rund 46 Prozent<br />

oder 7360 Kilometer der Gewässer eine<br />

naturferne oder künstliche Struktur auf<br />

[1]. Über 101 000 künstliche Abstürze von<br />

mehr als 50 cm Höhe zerstückeln das<br />

Fliessgewässernetz. Rund 125 Speicherwasserkraftwerke<br />

produzieren künstliche<br />

Schwankungen in Abfluss und Temperatur<br />

[2]. Und auch neue Belastungen treten<br />

auf, so z.B. Mikroverunreinigungen.<br />

Abb. 1: Fliessgewässer sind dynamische und sehr artenreiche Lebensräume (Fotos: Ch. Weber).<br />

Diagnose<br />

Wie wirken sich diese Beeinträchtigungen<br />

auf die Fliessgewässer, ihre Dynamik und<br />

ihre Bewohner aus? Die kanalisierten<br />

Flüsse sind aufgrund von Verbauung und<br />

Eintiefung meist kaum mehr mit ihrem<br />

Umland vernetzt (Abb. 2). So sind seit 1850<br />

gut 90 Prozent der ursprünglichen Auen<br />

der Schweiz verschwunden [3]. Diese vielfältigen<br />

Lebensräume an der Schnittstelle<br />

zwischen Land und Wasser machen nur<br />

noch ein halbes Prozent der Landesfläche<br />

aus, beherbergen aber die Hälfte der einheimischen<br />

Pflanzenarten. Auen sind<br />

also Hotspots der Biodiversität! Die Zerstückelung<br />

der Gewässer mit künstlichen<br />

Abstürzen verunmöglicht die Wanderungen<br />

vieler Wasserlebewesen, sei es entlang<br />

des Hauptgewässers oder in die Zuflüsse.<br />

Dies alles sind Gründe, warum sich überdurchschnittlich<br />

viele Flussbewohner auf<br />

den Roten Listen der gefährdeten Tierund<br />

Pflanzenarten finden. So sind acht<br />

der ursprünglich 55 einheimischen Fischarten<br />

der Schweiz bereits ausgestorben<br />

32 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ WASSER<br />

und nur 14 Arten gelten als nicht gefährdet<br />

[4]. Aber auch für den Menschen wichtige<br />

Ökosystemleistungen sind von den<br />

Eingriffen betroffen, etwa die Versorgung<br />

mit Trinkwasser oder der Hochwasserrückhalt.<br />

Behandlung<br />

Raum sichern, revitalisieren, Wasserkraft<br />

sanieren – mit diesen drei Schlagworten<br />

lässt sich die revidierte Gewässerschutzgesetzgebung<br />

in der Schweiz zusammenfassen.<br />

Seit gut drei Jahren ist sie in Kraft.<br />

Angestossen hat die Gesetzesrevision eine<br />

Volksinitiative des Schweizerischen Fischereiverbands<br />

und der Umweltverbände.<br />

Das revidierte Gesetz verlangt von den<br />

Kantonen, dass sie:<br />

• den Raum sichern und extensiv bewirtschaften,<br />

den ein Gewässer für seine<br />

natürlichen Funktionen und zur Gewährleistung<br />

des Hochwasserschutzes<br />

braucht (bis Ende 2018).<br />

• 4000 km stark beeinträchtigte Fliessgewässer<br />

in den kommenden 80 Jahren<br />

revitalisieren (Abb. 3). Dazu werden z.B.<br />

in kanalisierten Gewässern die Längsverbauungen<br />

entfernt und dem Fluss<br />

Platz zur Eigenentwicklung gegeben.<br />

Oder es werden eingedolte Bäche ans<br />

Tageslicht zurückgeholt.<br />

• die negativen Auswirkungen der Wasserkraftnutzung<br />

beheben (bis 2030).<br />

Dazu gehört z.B. die Wiederherstellung<br />

der Fischwanderung an Kraftwerksanlagen<br />

mittels Hilfen beim Fischaufund<br />

-abstieg.<br />

Abb. 2: Der Mensch nutzt die Fliessgewässer und ihr Umland vielseitig (Fotos: Ch. Weber).<br />

Zur Erfüllung dieser Ziele stellt der Bund<br />

jährlich um die 110 Millionen CHF zur<br />

Verfügung, dazu kommen Mittel der Kantone<br />

und Gemeinden. Um die Revitalisierungs-<br />

und Sanierungsmassnahmen<br />

umzusetzen, sind interdisziplinäre Teams<br />

nötig, in denen Fachleute aus Wasserbau<br />

und Ökologie eng zusammenarbeiten.<br />

Zudem ist es wichtig, dass die lokalen Nut-<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

33


FOKUS ▶ WASSER<br />

zer mit ihren Anliegen von Beginn weg in<br />

den Planungsprozess einbezogen werden.<br />

Rehabilitation<br />

Der Bagger ist weg, die lokale Bevölkerung<br />

begeistert. Ist das Revitalisierungsprojekt<br />

also ein Erfolg? Das hängt von den gesetzten<br />

Zielen ab. Diese lassen sich mit geeigneten<br />

Messgrössen oder Indikatoren überprüfen.<br />

Sollte die Revitalisierung beispielsweise<br />

die Vernetzung mit dem Umland<br />

verbessern, dann lässt sich die Länge<br />

der Uferlinie messen – je länger sie ist,<br />

umso stärker sind Wasser und Land verzahnt.<br />

Rezeptartige Bewertungen sind<br />

aber nicht möglich. Vielmehr gilt es sorgfältig<br />

abzuklären, welche Bedingungen<br />

man in einem vergleichbaren naturnahen<br />

Gewässer erwarten würde. Dazu bieten<br />

historische Landkarten oder Aufzeichnungen<br />

an unbeeinflussten Gewässern<br />

Vergleichswerte.<br />

Bäche und Flüsse können sehr schnell auf<br />

eine Revitalisierung reagieren, so z.B. im<br />

Aargauer Wildibach [5]. Innert weniger<br />

Monate wanderten über 24 verschiedene<br />

Fischarten in das neugeschaffene Seitengerinne<br />

der Aare ein und pflanzten sich<br />

teilweise auch bereits fort. Zum Vergleich:<br />

In der Aare im gesamten Kantonsgebiet<br />

werden 32 Arten gezählt! Auch im Liechtensteiner<br />

Binnenkanal verlief die Wiederbesiedlung<br />

nach Revitalisierung und Behebung<br />

einer Wanderbarriere relativ<br />

schnell. Innerhalb von knapp vier Jahren<br />

erhöhte sich die Fischartenzahl dort von<br />

sechs auf 16 Arten. In unseren seit Jahrzehnten<br />

stark genutzten Gewässern<br />

braucht die Entwicklung hin zu einem<br />

naturnäheren Zustand aber oft deutlich<br />

mehr Zeit als in den zwei geschilderten<br />

Fällen. Beispielsweise können flussabwärts<br />

liegende Wanderhindernisse die<br />

Wiederbesiedlung eines revitalisierten<br />

Abschnitts weiter beeinträchtigen.<br />

Ungeachtet der ökologischen Entwicklung:<br />

Die Bevölkerung nutzt revitalisierte<br />

Flussabschnitte meist gerne zur Naherholung<br />

und Entspannung. Man darf also<br />

sagen: An einem erholten Fluss lebt ein<br />

erholter Mensch!<br />

■<br />

Referenzen<br />

[1] Zeh Weissman H., Könitzer C., Bertiller A.<br />

2009. Strukturen der Fliessgewässer in der<br />

Schweiz. Zustand von Sohle, Ufer und Umland<br />

(Ökomorphologie). Umwelt-Zustand.<br />

100 S.<br />

[2] Baumann P., Klaus I. 2003. Gewässerökologische<br />

Auswirkungen des Schwallbetriebs<br />

– Ergebnisse einer Literaturstudie. Mitteilungen<br />

zur Fischerei. 116 S.<br />

[3] Müller-Wenk R., Huber F., Kuhn N., Peter A.<br />

2004. Landnutzung in potentiellen Fliessgewässer-Auen<br />

– Artengefährdung und Ökobilanzen.<br />

Schriftenreihe Umwelt. 80 S.<br />

[4] Kirchhofer A., Breitenstein M., Zaugg B.<br />

2007. Rote Liste der Fische und Rundmäuler<br />

der Schweiz. Umwelt-Vollzug. 64 S.<br />

[5] Boller L., Würmli D. 2004. Sukzession der<br />

Fischfauna in einem neu geschaffenen Seitengerinne<br />

der Aare am Beispiel des Wildibachs.<br />

Masterarbeit Eawag/ETH Zürich. 94 S.<br />

Abb. 3: Revitalisierte Abschnitte an Rhone, Emme,<br />

Simme und Aare (Fotos: Ch. Weber).<br />

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Ich freue mich auf Ihren Anruf.<br />

Kathrin Grüneis<br />

34 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ WASSER<br />

Die grüne Fee –<br />

verehrt und verfemt<br />

Seine Geschichte ist wechselvoll: Geboren wurde der Absinthe im Val-de-Travers, von wo aus er<br />

die Welt eroberte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde seine Herstellung verboten, da er angeblich<br />

wahnsinnig machen solle. Im Verborgenen hielten ihm seine Anhänger jedoch beinahe hundert<br />

Jahre die Treue. Seit zehn Jahren darf man diesen speziellen Neuenburger nun wieder ganz legal<br />

geniessen.<br />

Patrick und Michael Widmer, Dock11 GmbH, Absinthe Distribution, Derendingen<br />

«Absinthe besitzt die Kraft der Magier;<br />

Absinthe kann die Vergangenheit auslöschen<br />

oder erneuern und die Zukunft<br />

annullieren oder voraussagen.»<br />

(Ernest Dowson, englischer Dichter<br />

1867–1900)<br />

Um die Entdeckung des Absinthe ranken<br />

sich viele Legenden. Insbesondere im frühen<br />

18. Jahrhundert basieren diese Geschichten<br />

auf Quellen, welche ähnlich<br />

trübe sind wie das Getränk selbst. Der eigentlichen<br />

Entdeckung des Getränkes<br />

gingen diverse Liköre auf der Basis von<br />

Wermut voraus, die in der Mitte des<br />

18. Jahrhunderts hergestellt wurden. Allerdings<br />

waren dies Absinthe-Weine und<br />

noch keine Destillate.<br />

Im Januar 1777 wurde im Rahmen eines<br />

Banketts in Boudry bei Neuenburg für die<br />

«Herren der Justiz» ein «extrait<br />

d`apessinte» als Digestif zur Verdauung<br />

gereicht. Absinthe wurde zu dieser Zeit<br />

also bereits in Gasthäusern serviert und<br />

genossen. Die Wirkung des besonderen<br />

Extraktes sprach sich schnell weit über die<br />

Grenzen des damaligen «Fürstentums<br />

Neuenburg» herum. Daher verwundert es<br />

nicht, dass auch der Arzt Dr. Pierre Ordinaire,<br />

der sich – angeblich auf der Flucht<br />

vor der Französischen Revolution – in<br />

Couvet im Val-de-Travers niederliess, davon<br />

erfahren haben soll. Ob es diesen<br />

«ordinären» Arzt, der das aussergewöhnliche<br />

Getränk unters Volk gebracht haben<br />

soll, tatsächlich gab, ist bis heute unklar.<br />

Denn es gibt nur ebenso ungenaue wie<br />

widersprüchliche Aussagen zu seiner Existenz.<br />

Tatsache ist, dass in Couvet, zufälligerweise<br />

in der Nachbarschaft dieses angeblichen<br />

Arztes ohne nachweisbare Niederlassung,<br />

eine kräuterkundige Frau namens<br />

Henriette Henriod lebte. Diese postalisch<br />

dokumentierte «Mère» Henriod gab dann<br />

gemäss diverser historischen Quellen das<br />

erste Rezept weiter. Wenn man sich die<br />

Lebensbedingungen in der Mitte des<br />

18. Jahrhunderts vergegenwärtigt, kann<br />

man gut verstehen, dass eine «Kräuterhexe»<br />

sich nicht als Herstellerin eines<br />

solch potenten Heilmittels und beliebten<br />

Getränkes zu erkennen geben wollte –<br />

und sich die Legende mit dem «gewöhnlichen»<br />

Arzt für eine nette und plausible<br />

Geschichte geradezu anbot. Zudem passt<br />

diese Vorstellung besser ins Weltbild der<br />

meist männlichen Historiker.<br />

Es ist trotzdem anzunehmen, dass «Mère»<br />

Henriod bereits für die Zubereitung des<br />

Getränks anlässlich des Banketts in Boudry<br />

zuständig war. In der Folge verkaufte<br />

sie wohl das Rezept an den Major Daniel-<br />

Henri Dubied. Dieser eröffnete mit seinem<br />

Schwiegersohn Henri-Louis Pernod im<br />

Jahr 1797 in Couvet die erste Destillerie.<br />

Illegal oder legal?<br />

Immer wieder wird man mit der Frage<br />

konfrontiert, ob Absinthe denn in der<br />

Schweiz legal sei. Wir können Sie an dieser<br />

Stelle beruhigen. In der Schweiz ist Absinthe<br />

legal zu kaufen, zu besitzen und zu<br />

konsumieren – wie jedes andere alkoholische<br />

Getränk. Dem war jedoch nicht<br />

immer so. Erst seit dem 1. März 2005 ist<br />

die «grüne Fee» in der Schweiz wieder auf<br />

freiem Fuss. Den Stein ins Rollen gebracht<br />

hatte eine EU-weite Gesetzesänderung von<br />

1998, mit welcher die Absinthe-Herstellung<br />

und dessen Einfuhr in die EU zugelassen<br />

wurde. Der erlaubte Thujongehalt<br />

wurde damals auf maximal 35 mg/kg<br />

festgelegt.<br />

Warum aber wurde der Absinthe überhaupt<br />

verboten? Anstoss dafür gab die<br />

Antialkoholbewegung Ende des 19. Jahrhunderts<br />

in Frankreich, als man erstmals<br />

das Problem des Alkoholismus erkannte.<br />

Vor diesem Hintergrund war der schreckliche<br />

Mordfall Lanfray in Commugny ein<br />

sehr willkommenes Argument für alle<br />

Absinthe-Gegner: Im Sommer des Jahres<br />

1905 kam es in der Waadtländer Gemeinde<br />

Commugny zu einem Familiendrama,<br />

als ein betrunkener Landarbeiter zuerst<br />

seine Frau und anschliessend seine zwei<br />

Töchter erschoss. Für dieses Ereignis wurde<br />

der Absinthe verantwortlich gemacht,<br />

obwohl vor Gericht klar wurde, dass der<br />

Mann täglich mehrere Liter Weisswein<br />

getrunken hatte. Doch der Ruf des Absinthe<br />

war zerstört. Es kam zu einer Volksinitiative,<br />

welche 1908, entgegen der Empfehlung<br />

des Bundesrates, angenommen<br />

wurde. Am 7. Oktober 1910 trat das Verbot<br />

in Kraft. Interessant sind in diesem Zu-<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

35


FOKUS ▶ WASSER<br />

sammenhang die Verbindungen und gegenseitigen<br />

Unterstützungen im Abstimmungskampf.<br />

Zwischen der Antialkoholbewegung<br />

(Blaues Kreuz u.a.), kirchlichen<br />

Kreisen und der Weinlobby bildete<br />

sich nämlich eine wahrlich unheilige<br />

Allianz. Bei einer historischen Betrachtung<br />

der Absinthe-Prohibition zeigt sich<br />

deutlich, dass der Absinthe für andere<br />

politische Ziele instrumentalisiert wurde.<br />

Dies waren in erster Linie nationalistische,<br />

rassistische und wirtschaftliche Ziele.<br />

Ist Absinthe gefährlich?<br />

Absinthe ist definitiv kein Betäubungsmittel<br />

und verursacht weder Halluzinationen<br />

noch macht er wahnsinnig. Es gab keine<br />

fundierten wissenschaftlichen Gründe für<br />

die Prohibition zu Beginn des 20. Jahrhunderts.<br />

Keiner der Inhaltsstoffe des<br />

Absinthe ist illegal oder gefährlich, noch<br />

machen sie gewalttätig. Im Gegenteil, viele<br />

Absinthe-Trinker sagen aus, dass sie bei<br />

Echten Absinthe kaufen<br />

Die Dock11 GmbH, auch bekannt als Absinthe Distribution, ist der Partner für originale<br />

und handgemachte Schweizer Absinthe-Produkte aus dem Val-de-Travers. Die<br />

Bewahrung der Authentizität und Originalität des Schweizer Absinthe liegt uns am<br />

Herzen. Aus diesem Grund werden unsere Produkte von Kleinproduzenten zu<br />

100 Pro zent aus natürlichen Inhaltsstoffen, nachhaltigen Verfahren und in Handarbeit<br />

hergestellt. Unsere Produzenten brennen den Absinthe seit je nach alter Familientradition<br />

und Rezepturen der Belle Epoque (www.absinthedistribution.ch).<br />

mässigem Konsum einen klaren Kopf<br />

bewahren. Nicht so bei anderen Alkoholika,<br />

welche die Sinne sehr schnell trüben.<br />

Oft wird diese Wirkung mit der Kräuterrezeptur<br />

und dem Thujongehalt in Verbindung<br />

gebracht.<br />

Thujon ist der legendäre Hauptwirkstoff<br />

im Absinthe und nach Lexikon ein Nervengift.<br />

Thujon wird aus dem Wermutkraut<br />

gewonnen. Das dunkelgrüne bis<br />

braune oder bläuliche, stark riechende,<br />

kratzend und bitter schmeckende ätherische<br />

Öl aus den silberartig schimmernden<br />

Blättern des grossen Wermutkrautes enthält<br />

zwischen 40 und 90 Prozent des<br />

Wirkstoffes Thujon. Neben den vielen<br />

verschiedenen Kräutern im Absinthe wird<br />

hauptsächlich das Thujon für die Steigerung<br />

der Kreativität und der Libido verantwortlich<br />

gemacht. Es hat weiter den angenehmen<br />

Effekt, dass es stimmungsaufhellend<br />

wirkt. Bereits seit dem Altertum wird<br />

Wermut auch vielseitig medizinisch eingesetzt.<br />

Verschiedene Sorten<br />

Der grosse und der kleine Wermut bilden<br />

zusammen mit Fenchel und Anis die Basis<br />

für alle Absinthes aus der Schweiz. Jedoch<br />

ist die Wermutpflanze nicht der<br />

einzige Inhaltsstoff, alle Destillateure<br />

bieten verschiedene Absinthes mit diversen<br />

Rezepturen an. Diese können zwischen<br />

fünf und fünfzehn verschiedene<br />

Kräuter enthalten. Oft sind Melisse, Pfefferminz,<br />

Süssholz und Koriander enthalten.<br />

Somit gibt es eine Vielzahl an verschiedenen<br />

Absinthes, die sich in Rezeptur<br />

und Geschmack unterscheiden.<br />

die Prohibition überlebt haben, neue sind<br />

dazugekommen. Für die traditionelle Methode<br />

aus der Schweiz und Frankreich<br />

wird auf ein klassisches Absinthe-Glas ein<br />

durchlöcherter Löffel gelegt, darauf ein<br />

Stück Würfelzucker. Mit einer sogenannten<br />

«Fontaine» wird eisgekühltes Wasser<br />

langsam über den Würfelzucker geträufelt,<br />

bis dieser sich vollständig auflöst und<br />

in den Absinthe tropft. Weiter gibt es auch<br />

noch das böhmische Ritual, wobei der<br />

Würfelzucker zuerst in den Absinthe getaucht<br />

und angezündet wird, bevor man<br />

das Wasser überträufelt. Bei den meisten<br />

heutigen Absinthe-Sorten, insbesondere<br />

denen aus der Schweiz, die wenig bitter<br />

und manchmal bereits durch die Pflanzenkombination<br />

leicht süsslich sein können,<br />

wird oft auf den Zucker verzichtet.<br />

Wenn sich der Absinthe mit Wasser vermischt,<br />

entsteht die typische milchige<br />

Trübung, die je nach Zusammensetzung<br />

der Inhaltsstoffe manchmal auch grünlich<br />

oder bläulich sein kann. Diese Opaleszierung,<br />

bei den Franzosen «Louche-Effekt»<br />

genannt, findet im Absinthe-Wasser-<br />

Verhältnis von 1:4 bis 1:6 statt. ■<br />

Wie trinkt man Absinthe?<br />

Bei kaum einem anderen alkoholischen<br />

Getränk haben sich derart viele unterschiedliche<br />

Trinkrituale entwickelt wie<br />

beim Absinthe. Es gibt alte Rituale, welche<br />

36 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


Faszination Freitauchen<br />

Wie ein Fisch durchs Wasser zu gleiten, ohne Tauchgerät auf dem Rücken. Das Gefühl von Freiheit<br />

und Entspannung zu geniessen – das ist zumindest für kurze Zeit beim Freitauchen möglich. Bevor<br />

es unter die Oberfläche geht, müssen allerdings die richtigen Techniken erworben werden. Wer<br />

weiss wie es geht und wer seine Fähigkeiten richtig einschätzen kann, wird Freitauchen als höchst<br />

genussvoll erleben.<br />

Barbara Hügli, Tauchlehrerin, Freitauchinstruktorin und Wasserbegeisterte<br />

Thunersee an einem schönen Sommertag.<br />

Bereitmachen zum Freitauchen:<br />

Apnoe-Anzug, Bleigurt, Monoflosse, Lanyard<br />

(Sicherungsleine), Maske, Schnorchel<br />

und Boje mit Seil und Blei. Mein<br />

Tauchpartner und ich sprechen uns ab:<br />

Wie sieht das Sicherheitsdispositiv aus?<br />

Was wollen wir heute üben?<br />

Heute möchte ich maximal auf 30 Meter<br />

tauchen. Am Seeufer ziehen wir die Flossen<br />

an und schwimmen an der Wasseroberfläche<br />

Richtung Seemitte, ungefähr<br />

50 Meter vom Ufer entfernt bereiten wir die<br />

Boje vor und fixieren das Grundblei in<br />

geringer Tiefe. Abwechslungsweise tauchen<br />

wir locker ein. Ich spreche mich<br />

definitiv ab, wie tief ich tauche und wie<br />

lange mein Tauchgang dauern wird. Das<br />

Grundblei wird auf 30 Meter fixiert.<br />

Dann geht es ans Entspannen – Augen<br />

schliessen und durchatmen, die Gedanken<br />

beruhigen sich. Nun bin ich bereit für<br />

den Tauchgang, ich befestige mein Lanyard<br />

am Seil, gebe meinem Tauchpartner<br />

ein Zeichen, atme nochmal durch und<br />

fülle meine Lunge maximal mit Luft,<br />

dann nehme ich den Druckausgleich vor<br />

und tauche ab.<br />

Die ersten zehn Meter sind anstrengend,<br />

ich habe Auftrieb, dann kommt der neutrale<br />

Bereich und schliesslich lasse ich<br />

mich fallen, bis ich das Grundblei erreicht<br />

habe. Ich fühle mich dem Wasser ganz<br />

nah, wie ein Delfin bewege ich mich mit<br />

der Monoflosse. Die Umgebung ist ruhig<br />

und klar, das Wasser schimmert seegrün<br />

und je tiefer ich tauche, umso schummriger<br />

wird das Licht und umso kälter wird<br />

das Wasser. Nun erreiche ich das Grundblei.<br />

Ich mache eine Wende, dann zwei<br />

kräftige Flossenschläge und schon geht es<br />

wieder aufwärts. Auf zehn Meter wartet<br />

mein Tauchpartner auf mich, der Auftrieb<br />

trägt mich nach oben, gemeinsam tauchen<br />

wir auf.<br />

Nun heisst es atmen, atmen, atmen. Ich<br />

gebe meinem Partner ein OK und schaue<br />

auf meinen Tauchcomputer: 30 m, 50 sec.<br />

Begeistert nehme ich die warme Sonne<br />

und das wunderschöne Bergpanorama<br />

wahr und erfreue mich an dem Gegensatz,<br />

den ich gerade erlebt habe – die<br />

stille, grüne Unterwasserwelt und die warme,<br />

sonnendurchflutete Landschaft an<br />

der Oberfläche.<br />

Tauchen mit ...<br />

Seit nunmehr acht Jahren erkunde ich die<br />

Unterwasserwelt des Thunersees wie auch<br />

jedes anderen erreichbaren Tauchgewässers<br />

im In- und Ausland, und die Faszination<br />

ist ungebrochen. Die Freude am<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

37


FOKUS ▶ WASSER<br />

Tauchen ist jedoch einiges älter. 1991<br />

tauchte ich das erste Mal in den Schweizer<br />

Gewässern, damals natürlich mit der üblichen<br />

Ausrüstung. Sofort packte mich die<br />

Freude an Sport. Die Begeisterung war so<br />

gross, dass ich mich zur Tauchlehrerin<br />

ausbilden liess und meine Leidenschaft<br />

seither auch an andere weitergeben darf.<br />

Die Unterwasserlandschaft ist eine Welt<br />

für sich. Die Pflanzen und Tiere der Seen<br />

und Meere sind unendlich vielfältig und<br />

halten immer wieder überraschende Einblicke<br />

und Erlebnisse bereit.<br />

… und ohne<br />

Gerätetauchen ist wie gesagt etwas Herrliches.<br />

Aber man ist mit viel Gepäck unterwegs<br />

– über und unter Wasser. Irgendwann<br />

packte mich die Neugier: Wie wäre<br />

es, ohne Luft zu tauchen, ohne schweres<br />

Gepäck? Quasi back to the roots. Gedacht,<br />

getan!<br />

Freitauchen hat sehr viel mit Entspannung<br />

zu tun, gilt es doch, so wenig Sauerstoff<br />

zu verbrauchen wie möglich. Deshalb<br />

begann ich mich mit Yoga und weiteren<br />

Entspannungstechniken zu befassen.<br />

Ich fing an, mich für Atemtechnik zu<br />

interessieren und verbesserte mit stetigem<br />

Training meine Schwimmtechnik im<br />

Wasser. Bald wurde mir bewusst, dass<br />

Freitauchen etwas ist, welches mein ganzes<br />

Leben verändern kann. Als ich an den<br />

ersten Wettkämpfen teilnahm, wurden<br />

weitere Themen wichtig, so die Frage nach<br />

der richtigen Ernährung oder nach<br />

Schlaf. Seit zwei Jahren arbeite ich nun<br />

auch als Freitauchinstruktorin.<br />

Zeit, Distanz, Tiefe<br />

Freitauchen beinhaltet verschiedene Disziplinen,<br />

grob unterscheidet man zwischen<br />

Zeittauchen, Streckentauchen und<br />

Tieftauchen.<br />

• Beim Zeittauchen (statisches Apnoe)<br />

geht es darum, die Luft an der Wasseroberfläche<br />

so lange wie möglich anzuhalten.<br />

• Beim Streckentauchen (dynamisches<br />

Apnoe) mit und ohne Flossen geht es<br />

darum, eine möglichste weite Strecke<br />

unter Wasser zurückzulegen. Es findet<br />

ebenso wie das Zeittauchen in einem<br />

Frei- oder Hallenbad statt.<br />

• Das Tieftauchen mit und ohne Flossen<br />

findet im See oder Meer statt. Es geht<br />

darum, an einem Seil möglichst tief<br />

unter Wasser zu gelangen.<br />

Unabhängig von der Disziplin gilt es, die<br />

Risiken des Freitauchens zu bedenken<br />

und nach Möglichkeit zu minimieren. Im<br />

Zentrum stehen wie beim Gerätetauchen<br />

Druckausgleichprobleme und die sich<br />

unter Umständen daraus ergebenden Barotraumen<br />

von Ohren und Lunge. Beim<br />

Freitauchen kommen noch LMC (loss of<br />

motor control) sowie Blackouts aufgrund<br />

von Hypoxie dazu. Die grössten Gefahren<br />

sind jedoch Selbstüberschätzung und Unkenntnis<br />

der Risiken und Techniken. Sie<br />

lassen sich durch Training und stetiges<br />

Üben vermeiden. Und wie immer beim<br />

Tauchen gilt der Grundsatz: Tauche nie<br />

allein!<br />

Ein Hobby für alle<br />

Auch wenn ich zeitweise Freitauchen wettkampfmässig<br />

betreibe, steht die Freude<br />

am Erlebnis und die Faszination für die<br />

Unterwasserwelt nach wie vor im Vordergrund.<br />

Freitauchen eröffnet wie Gerätetauchen<br />

neue Welten und weckt die Begeisterung<br />

für die Wasserwelt und die<br />

Natur allgemein. Freitauchen im Speziellen<br />

lädt ein, sich selbst kennenzulernen<br />

und verhilft zu Techniken, welche auch<br />

in alltäglichen Stresssituationen für Entspannung<br />

sorgen. Als Freizeitbeschäftigung<br />

eignet sich Freitauchen für Jung und<br />

Alt, für Ehrgeizige und Geniesser, kurz:<br />

für alle. Mein nächster Tauchgang im<br />

Thunersee ist bereits geplant, und ich<br />

freue mich schon wieder auf die Faszination<br />

Freitauchen!<br />

■<br />

38 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ WASSER<br />

Ein teures, aber nützliches Wasser<br />

Gelangt nicht ausreichend Blut ins Hirn, sind die Folgen fatal. Dank der Positronenemissionstomographie<br />

(PET) mit radioaktivem Wasser kann man heute genau feststellen, wo wie viel<br />

Flüssigkeit hingelangt. Die Methode ist von bestechender Eleganz, belastet die Patienten kaum<br />

und liefert exakte Messwerte. Allerdings hat sie ihren Preis, da die Herstellung des Wassers<br />

nicht ganz billig ist.<br />

Alfred Buck, Professor für Nuklearmedizin, Universitätsspital Zürich<br />

«Ohne Wasser kein Leben» – dieser<br />

Spruch ist hinlänglich bekannt. Aber<br />

«Ohne Wasser keine Hirnperfusion» ist<br />

weniger bekannt. Es stimmt ja auch nicht<br />

ganz. Natürlich, so denke ich, kann man<br />

die Hirnperfusion auch ohne Wasser messen,<br />

radioaktives Wasser selbstverständlich.<br />

Also von vorne. Unser Hirn braucht etwa<br />

20 Prozent des Grundumsatzes, wenn wir<br />

nicht gerade Sport betreiben. Die notwendigen<br />

Substrate werden übers Blut ins<br />

Hirn transportiert. Wird der Transport<br />

jedoch behindert, kann das böse enden,<br />

zum Beispiel mit einem Schlaganfall. Bei<br />

gewissen Menschen besteht ein erhöhtes<br />

Risiko, dass die Blutzufuhr eingeschränkt<br />

ist. Im Alter ist es meist die Arteriosklerose,<br />

welche die Gefässe verstopft;<br />

bei jüngeren Leuten kommen<br />

andere Krankheiten vor, welche die Hirndurchblutung<br />

behindern können. Eine<br />

davon ist die bei uns weniger bekannte<br />

Moyamoya-Erkrankung, welche bei Kindern<br />

schon sehr früh zu Durchblutungsstörungen<br />

inklusive Infarkten führen<br />

kann. In Japan ist diese Krankheit viel<br />

häufiger als bei uns. Sie ist durch Gefässmissbildungen<br />

im Hirn charakterisiert,<br />

welche in der Angiographie wie Rauchschwaden<br />

(auf Japanisch Moyamoya)<br />

aussehen. Im Zürcher Kinderspital befindet<br />

sich ein Zentrum, geleitet von der<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

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FOKUS ▶ WASSER<br />

Wie ist das möglich? Selbst ohne grossen<br />

mathematischen Exkurs kann man es<br />

einleuchtend erklären: Sinkt die Konzentration<br />

der Radioaktivität in einer Minute<br />

auf die Hälfte ab, so wird jedes Volumen<br />

mit einem Milliliter pro Minute pro Milliliter<br />

Hirngewebe durchblutet. Dies ist der<br />

Grundsatz. In Wirklichkeit ist es natürlich<br />

ein wenig komplizierter, mit Dekonvolutionen<br />

und so weiter. Das ist aber dank der<br />

Rechenleistung der heutigen Computer<br />

einfach zu bewerkstelligen. Eine Standardmethode<br />

zur Auswertung der Wasserscans<br />

wurde von uns schon vor einiger Zeit<br />

entwickelt [1, 2].<br />

Abb. 1: Hirndurchblutung eines Moyamoya-Patienten, gemessen mit radioaktivem Wasser<br />

und PET. Die unteren zwei Reihen zeigen die Situation vor der Bypassoperation. Im vorderen<br />

Teil des Gehirns (blaue Zonen) ist die Durchblutung vermindert. Nach der Bypassoperation<br />

hat sich die Perfusion normalisiert (obere zwei Reihen).<br />

Neurochirurgin Nadia Khan, welches<br />

Kinder mit Moyamoya aus ganz Europa<br />

untersucht und behandelt.<br />

Wo fliesst etwas?<br />

Und jetzt kommen wir wieder zum Wasser.<br />

Die Behandlung der Erkrankung erfordert<br />

oft eine Bypassoperation von einer extrazerebralen<br />

Arterie auf eine oder mehrere<br />

Hirnarterien. So soll die Durchblutung in<br />

den gefährdeten Arealen verbessert werden.<br />

Vor einer solchen Operation muss<br />

natürlich abgeklärt werden, welcher Teil<br />

des Gehirns eine solche Blutauffrischung<br />

braucht, und genau das klären wir mit<br />

einer Perfusionsuntersuchung ab.<br />

Perfusionsuntersuchungen gibt es viele,<br />

aber keine ist so validiert und quantitativ<br />

wie die Positronenemissionstomographie<br />

15<br />

(PET) mit radioaktivem Wasser, H 2 O.<br />

Das tönt einfach, ist es aber nicht. 15 O steht<br />

für das Sauerstoffisotop, das Positronen<br />

aussendet, welche dann ihrerseits mit der<br />

Materie interagieren. Die dabei entstehenden<br />

Lichtteilchen können mit der PET-<br />

Kamera gemessen werden. Aber eben –<br />

15<br />

H 2 O muss zuerst hergestellt werden, und<br />

das ist kompliziert. 15 O zerfällt mit einer<br />

Halbwertszeit von etwa zwei Minuten, was<br />

heisst, dass man es nicht kommerziell<br />

kaufen kann, sondern selber herstellen<br />

muss. Das geschieht in einem Zyklotron,<br />

welches bei uns im Untergeschoss des<br />

PET-Zentrums steht. 15 O wird als 15 O 2 -Gas<br />

in den PET-Raum gepumpt, wo es katalytisch<br />

mit Wasserstoff zu Wasser verarbeitet<br />

wird. Dieses radioaktive Wasser gelangt<br />

dann über einen speziellen Injektor ins<br />

Blut.<br />

Also, um die Hirndurchblutung mit H 2<br />

15<br />

O<br />

zu messen, braucht es ein Zyklotron, eine<br />

Wassersyntheseanlage inklusive Injektor<br />

und eine PET-Kamera. Alles in allem eine<br />

sehr teure Angelegenheit, mit Kosten im<br />

siebenstelligen Bereich. Natürlich wird<br />

eine solche Anlage nicht nur angeschafft,<br />

um Hirnperfusionen zu messen. Der<br />

Grossteil unserer Patienten kommt aus der<br />

Onkologie. Tumore lassen sich mit PET<br />

und einem radioaktiven Zuckeranalog,<br />

Fluorodeoxyglukose, sehr gut abklären.<br />

Und wie viel fliesst?<br />

Zurück zum Wasser. Warum ist dieses<br />

einfache Molekül so gut geeignet, um die<br />

Hirndurchblutung zu messen? Die wichtigsten<br />

Gründe sind, dass das Wasser sehr<br />

gut durch die Bluthirnschranke diffundiert<br />

und inert ist. Inert heisst in diesem<br />

Zusammenhang, dass es keine Verbindungen<br />

mit irgendeinem Hirnbestandteil<br />

eingeht. Es geht als Wasser ins Hirn rein<br />

und kommt als Wasser auch wieder heraus.<br />

Und das ist auch schon das Prinzip.<br />

In welchem Zustand das Hirn auch immer<br />

ist – wo die Blutversorgung noch funktioniert,<br />

kommt auch unser Wasser hin und<br />

kann gemessen werden. Und zwar genau,<br />

nicht einfach nach der Faustregel «hier<br />

hat es ein wenig mehr und dort etwas weniger».<br />

Nein, wir messen in Millilitern pro<br />

Minute pro Einheit Gewebe.<br />

Wem dient es?<br />

Die Wasser-PET-Messung der Hirnperfusion<br />

ist etwa 35 Jahre alt. Weil die Herstellung<br />

des radioaktiven Wassers aber eine teure<br />

Infrastruktur bedingt, ist die Methode nicht<br />

sehr weit verbreitet. In der Schweiz ist das<br />

Unispital Zürich der einzige Ort, wo die<br />

Untersuchung angeboten wird. Was allerdings<br />

nicht weiter tragisch ist, da nur eine<br />

höchst selektierte Gruppe von Patienten von<br />

einer Wasser-PET profitiert. Ich habe als<br />

Anwendungsbeispiel die weniger bekannte<br />

Moyamoya-Erkrankung gewählt. Natürlich<br />

gibt es auch unter den Patienten mit Arteriosklerose<br />

eine Subgruppe, welche von einer<br />

Wasser-PET profitieren kann. Im Prinzip<br />

sind es immer jene Patienten, bei denen<br />

eine operative Revaskularisation in Betracht<br />

gezogen wird.<br />

Im Jahr führen wir gegen 100 Untersuchungen<br />

durch. Als Nebenwirkung der<br />

Untersuchung muss die Strahlenbelastung<br />

erwähnt werden, welche im Bereich von<br />

1m Sv aber tief ist, weniger als die natürliche<br />

jährliche Strahlenbelastung in der<br />

Schweiz. Diese tiefen Werte erlauben auch<br />

serielle Untersuchungen am gleichen Patienten.<br />

Kurzum, H 2 O ist ein teures, aber<br />

15<br />

äusserst brauchbares Wasser. ■<br />

1. Treyer, V., M. Jobin, C. Burger, V. Teneggi, and<br />

A. Buck, Quantitative cerebral H2(15)O<br />

perfusion PET without arterial blood sampling,<br />

a method based on washout rate.<br />

Eur J Nucl Med Mol Imaging, 2003. 30(4): p.<br />

572-80.<br />

2. Weber, B., G. Westera, V. Treyer, C. Burger,<br />

N. Khan, and A. Buck, Constant-infusion<br />

H(2)15O PET and acetazolamide challenge<br />

in the assessment of cerebral perfusion<br />

status. J Nucl Med, 2004. 45(8): p.<br />

1344-50.<br />

40 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ WASSER<br />

Verdünnt, aber problematisch<br />

Ob Antiepileptika, Bodylotion oder WC-Ente – Chemikalien sind in unserem Leben allgegenwärtig.<br />

Trotz der Abwasserreinigung gelangen viele dieser Stoffe in Flüsse und Bäche, wo sie Fische und<br />

andere Wasserlebewesen schädigen können. Aufgerüstete Kläranlagen sollen jetzt Abhilfe schaffen.<br />

Denn selbst kleinste Konzentrationen können eine biologische Wirkung haben.<br />

Dr. Anke Schaefer, Dr. Etienne Vermeirssen, Schweizerisches Zentrum für Angewandte Ökotoxikologie<br />

(Oekotoxzentrum Eawag-EPFL)<br />

Regelmässig werden in Schweizer Gewässern<br />

Mikroverunreinigungen nachgewiesen.<br />

Teilweise ist dafür die immer leistungsfähigere<br />

chemische Analytik verantwortlich;<br />

es begleiten uns aber auch immer<br />

mehr künstlich hergestellte<br />

Substanzen in unserem täglichen Leben.<br />

Unter Mikroverunreinigungen versteht<br />

man organische Spurenstoffe, die zum<br />

Beispiel aus Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln,<br />

Bioziden, Körperpflegeprodukten,<br />

Imprägnierungen, Reinigungsmitteln<br />

oder Farben stammen und über<br />

Abwasserreinigungsanlagen oder diffuse<br />

Quellen in Flüsse und Seen gelangen. Ihre<br />

Konzentrationen sind dort zwar sehr tief<br />

– im Bereich von Milliardstel- bis Millionstelgramm<br />

pro Liter, was etwa der Konzentration<br />

des Wirkstoffs einer Kopfschmerztablette<br />

in einem Schwimmbecken mit 25<br />

Metern Länge entspricht. Doch auch kleine<br />

Konzentrationen summieren sich auf,<br />

wie das Beispiel des Antiepileptikums<br />

Carbamazepin zeigt: Der Rhein bei Basel<br />

enthält das Medikament in einer Konzentration<br />

von nur 15 ng/L, doch insgesamt<br />

wird so mehr als ein Kilogramm des<br />

hochwirksamen Stoffs pro Tag flussabwärts<br />

transportiert.<br />

Verhaltensgestörte Fische<br />

Bis heute ist nicht genau bekannt, wie<br />

viele Mikroverunreinigungen in Gewässer<br />

gelangen und welche dort tatsächlich Fische<br />

und andere Lebewesen schädigen.<br />

Sehr gut untersucht sind Hormone wie das<br />

aus der Antibabypille stammende Östrogen<br />

oder Stoffe, die wegen ihrer chemischen<br />

Struktur eine ähnliche Wirkung wie<br />

Hormone haben. Zahlreiche Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass diese hormonaktiven<br />

Stoffe zur Verweiblichung von<br />

männlichen Fischen und damit zum<br />

Bestandsrückgang beitragen können. Intersex-Fische,<br />

die sowohl männliche als<br />

auch weibliche Geschlechtsmerkmale<br />

aufwiesen, wurden zum ersten Mal Ende<br />

der 1980er-Jahre in England entdeckt.<br />

Obwohl solche spektakulären Veränderungen<br />

in der Schweiz sehr selten sind, hat<br />

Abwasserreinigungsanlage in Lausanne (STEP Vidy)<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

41


FOKUS ▶ WASSER<br />

man auch hier schon wirksame Konzentrationen<br />

an hormonaktiven Stoffen in<br />

Gewässern nachgewiesen. Forschende<br />

konnten zeigen, dass Forellenmännchen,<br />

die in Gewässern unterhalb einer Abwasserreinigungsanlage<br />

lebten, das Protein<br />

Vitellogenin enthielten. Vitellogenin ist ein<br />

Vorläufer des Eidotterproteins und kommt<br />

normal nur bei geschlechtsreifen Weibchen<br />

vor. Hormonaktive Stoffe können<br />

aber nicht nur die Fortpflanzung von Fischen<br />

beeinträchtigen, sondern auch ihr<br />

Immunsystem schwächen und sie anfälliger<br />

für Krankheiten und andere Stressfaktoren<br />

machen.<br />

Besonders kritisch für Gewässerorganismen<br />

sind diejenigen Mikroverunreinigungen,<br />

die entwickelt wurden, um eine biologische<br />

Wirkung zu haben, da diese auch<br />

bei Nichtzielorganismen zum Tragen<br />

kommen kann. Arzneimittel sind hier ein<br />

gutes Beispiel. So können zum Beispiel<br />

Psychopharmaka nicht nur das Verhalten<br />

von Menschen, sondern auch das Verhalten<br />

von Fischen ändern, was Folgen für<br />

ihr Überleben haben kann. Eine andere<br />

Gruppe von Gewässerschadstoffen, die mit<br />

dem Ziel einer biologischen Wirkung produziert<br />

werden, sind Pflanzenschutzmittel.<br />

Sie sollen nämlich Nutzpflanzen gegen<br />

unerwünschte Schädlinge schützen.<br />

Allerdings können gegen Unkraut eingesetzte<br />

Pestizide auch die Photosynthese<br />

von Algen oder Wasserpflanzen hemmen,<br />

und neurotoxische Insektizide können<br />

das Nervensystem von Wasserkrebsen<br />

schädigen. Neue Messkampagnen haben<br />

gezeigt, dass die ökotoxikologisch unbedenklichen<br />

Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel<br />

in zahlreichen Gewässern<br />

überschritten werden. Diese kritischen<br />

Substanzkonzentrationen, ab denen eine<br />

schädliche Wirkung auf Gewässerlebewesen<br />

erwartet werden kann, werden auf der<br />

Basis von Toxizitätsdaten für Einzelstoffe<br />

abgeleitet. Forschende vom Oekotoxzentrum<br />

Eawag-EPFL haben zahlreiche dieser<br />

Umweltqualitätskriterien bestimmt.<br />

Giftige Mischung<br />

Doch die Bewertung der Toxizität einer<br />

Wasserprobe auf der Basis von Einzelstofftoxizitäten<br />

ist nicht so einfach: Jeder Einzelstoff<br />

kann nämlich verschiedene Effekte<br />

auf Organismen haben. Ausserdem<br />

enthalten Gewässer meist einen komplexen<br />

Cocktail an Schadstoffen, bei denen<br />

Mischungseffekte in der Toxizität auf<br />

Wasserlebewesen zum Tragen kommen.<br />

Eine Lösung zur Bestimmung der Gesamttoxizität<br />

kann die Messung mit Hilfe<br />

von ökotoxikologischen Biotests sein. In<br />

solchen Tests mit Modellorganismen wie<br />

Algen, Wasserflöhen, Bachflohkrebsen<br />

oder Fischen kann die Gesamttoxizität<br />

aller in einer Wasserprobe enthaltenen<br />

Chemikalien bestimmt werden. Besonders<br />

praxistauglich sind dabei Labortests mit<br />

Einzelzellen wie der Hefezell-Östrogentest<br />

zum Nachweis von östrogen-aktiven Stoffen:<br />

Mit genetisch veränderten Hefezellen<br />

wird dabei eine Bindung an den menschlichen<br />

Östrogenrezeptor über einen Farbumschlag<br />

von Gelb nach Rot gemessen.<br />

Das Schweizer Gewässerschutzgesetz verlangt,<br />

Tiere, Pflanzen und Trinkwasser<br />

vor den unerwünschten Effekten von Chemikalien<br />

zu schützen. Mikroverunreinigungen<br />

aus Haushalten oder Spitälern<br />

gelangen zu einem grossen Teil über Abwasserreinigungsanlagen<br />

in Flüsse oder<br />

Bäche, da sie bei der Abwasserreinigung<br />

nur unzureichend entfernt werden. Daher<br />

wurde vor Kurzem eine Änderung der Gewässerschutzverordnung<br />

beschlossen:<br />

Neu sollen die grösseren Abwasserreinigungsanlagen<br />

und solche an besonders<br />

belasteten Gewässern technisch ausgebaut<br />

werden. Die Anlagen werden durch<br />

eine Ozonungsanlage mit nachgeschaltetem<br />

Sandfilter oder durch einen Aktivkohlefilter<br />

aufgerüstet. Beide Technologien<br />

sind in der Lage, eine grosse Zahl von<br />

Mikroverunreinigungen zu entfernen und<br />

die Toxizität des gereinigten Abwassers<br />

entscheidend zu verringern, wie Pilotversuche<br />

gezeigt haben. Diese Massnahmen<br />

sind allerdings nur für Stoffe geeignet, die<br />

über Abwasserreinigungsanlagen in die<br />

Gewässer eingeleitet werden und nicht für<br />

andere Mikroverunreinigungen, die aus<br />

diffusen Quellen stammen, zum Beispiel<br />

Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft.<br />

Für diese Stoffe werden derzeit<br />

Massnahmen im Rahmen des Aktionsplans<br />

des Bundes für Pflanzenschutzmittel<br />

evaluiert. <br />

■<br />

42 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


Wasserversorgung für die Armen<br />

Der Gedanke, effiziente Konsortien aus dem Norden für die Lösung der Trinkwasserprobleme<br />

des Südens heranzuziehen, ist verlockend. Doch das Konzept krankt daran, dass der öffentliche<br />

Sektor zu schwach ist, um seine Bedürfnisse gegenüber der Privatwirtschaft durchzusetzen.<br />

Ausgehend von den Erfahrungen mit der Schweizer Wasserversorgung arbeitet Helvetas mit<br />

einem Multi-Stakeholder-Ansatz.<br />

Hanspeter Bundi, Helvetas<br />

«Verschmutzung – Trinkwasser –<br />

Schweiz.» Der Suchauftrag bei Google ergibt<br />

für das vergangene Jahr exakt zwei<br />

Fälle von Trinkwasserverschmutzung, der<br />

eine im Kanton Freiburg, der andere im<br />

basellandschaftlichen Grellingen. In beiden<br />

Fällen wurde die Bevölkerung rechtzeitig<br />

gewarnt. Erkrankungen wurden keine<br />

gemeldet, und die Behörden konnten nach<br />

wenigen Tagen Entwarnung geben.<br />

Helvetia felix. Dass die Wasserqualität hierzulande<br />

so gut ist, hängt vor allem mit<br />

dem System der Schweizer Wasserversorgung<br />

zusammen. Die Arbeitsteilung in<br />

diesem System ist klar: Die allermeisten<br />

Quellen und Grundwasservorkommen<br />

sind im Besitz von Gemeinden, Korporationen<br />

oder Genossenschaften. Ein starker,<br />

funktionierender Staat investiert viel Geld<br />

in die Trinkwasserversorgung und erlässt<br />

Vorschriften, die er auch durchsetzt. In<br />

ländlichen Gegenden halten motivierte<br />

Gemeindeangestellte und Tausende von<br />

freiwilligen Mandatsträgern aus Genossenschaften<br />

und Korporationen «ihre»<br />

Wasserversorgungen in Stand, und es ist<br />

für sie Ehrensache, dass «ihr» Wasser sauber<br />

ist. Sie können dabei auf einen zuverlässigen<br />

und innovativen Privatsektor zurückgreifen,<br />

der im Auftrag der öffentlichen<br />

Hand die Wasserinstallationen baut<br />

und unterhält.<br />

Auf der südlichen Halbkugel der Erde<br />

hingegen leben 748 Millionen Menschen<br />

ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser,<br />

und 2,6 Milliarden müssen ohne Toiletten<br />

und Abwassersysteme auskommen. Beides<br />

mit verheerenden Folgen: Jedes Jahr sterben<br />

weltweit eine halbe Million Kinder an<br />

den Folgen von verschmutztem Trinkwasser.<br />

Ein Grund für den Mangel an Trinkwasser<br />

ist die generelle Wasserknappheit, die sich<br />

mit der Klimaerwärmung noch verschärfen<br />

wird. Wichtiger noch ist das Fehlen von<br />

Institutionen, die den Aufbau von Wasserversorgungen<br />

vorantreiben und ihren<br />

Unterhalt sicherstellen könnten. Der Staat<br />

ist oft schwach. Zivilgesellschaftliche<br />

Strukturen fehlen oder sind nur in Ansätzen<br />

vorhanden.<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

43


FOKUS ▶ WASSER<br />

Gescheiterte<br />

Unternehmen<br />

Die Vorstellung, dass internationale Player<br />

wie Suez Lyonnaise des Eaux oder<br />

Thames Water auch in Entwicklungsländern<br />

in die Bresche springen könnten, ist<br />

nur auf den ersten Blick attraktiv. Nach<br />

einer ersten Privatisierungseuphorie ist<br />

Ernüchterung eingekehrt. In Tansania<br />

kündigte die Regierung im Jahr 2005 einen<br />

Vertrag, den sie mit einem privaten<br />

Wasserkonsortium für die Hauptstadt Dar<br />

es Salaam abgeschlossen hatte. Die britische<br />

Thames Water scheiterte an der<br />

Wasservorsorgung der indonesischen<br />

Hauptstadt Jakarta. Und im bolivianischen<br />

Cochabamba verhindert die indigene<br />

Bevölkerung in einer spektakulären<br />

Protest- und Streikaktion die Privatisierung<br />

des Wassers. Das Konzept der Public-<br />

Private-Partnership PPP verspricht, die<br />

nachteiligen Folgen der Wasserprivatisierung<br />

zu vermeiden.<br />

Solche PPP-Trinkwasser-Projekte sind<br />

allerdings auf Städte beschränkt, in denen<br />

weltweit laut WHO immerhin 96 Prozent<br />

aller Menschen Zugang zu Trinkwasser<br />

haben. Doch die grösste Wassernot<br />

herrscht in ländlichen Gebieten. Insbesondere<br />

auf dem afrikanischen Kontinent<br />

südlich der Sahara, wo die Versorgung mit<br />

sauberem Trinkwasser in vielen Ländern<br />

bei unter 50 Prozent liegt. Frauen gehen<br />

oft viele Kilometer weit bis zur nächsten<br />

Wasserstelle.<br />

NGOs als<br />

letzte Möglichkeit<br />

Weil weder der Staat noch private Unternehmen<br />

in den Wassersektor investieren,<br />

sind es fast ausschliesslich private oder<br />

staatliche Entwicklungsorganisationen<br />

aus dem Norden, die sich der ländlichen<br />

Wasserversorgung annehmen. Auch Helvetas<br />

hat das Wasserproblem ins Zentrum<br />

ihrer Arbeit gestellt und stützt sich dabei<br />

auf Erfahrungen aus der Schweiz: Trinkwasserversorgung<br />

ist nicht nur ein technisches,<br />

sondern in wesentlichen Elementen<br />

ein soziales Projekt, an dem Menschen<br />

des Versorgungsgebietes mitarbeiten müssen.<br />

In einem Multi Stakeholder Approach<br />

arbeitet Helvetas mit Einzelpersonen, lokalen<br />

Behörden und Teilen der Zivilgesellschaft<br />

zusammen. Selbstverständlich<br />

werden in die Projekte auch privaten Unternehmen<br />

– lokale und regionale KMU<br />

– mit einbezogen. Maurer, die Wasserfassungen<br />

und Latrinen bauen, Transportunternehmer,<br />

Lieferanten von Sanitärmaterial.<br />

Letztes Jahr haben dank Helvetas mehr als<br />

570 000 Menschen neu Zugang zu Trinkwasser<br />

und/oder sanitären Einrichtungen<br />

erhalten.<br />

Wenn es darum geht, Nutzungspläne für<br />

die knappe Ressource Wasser auszuarbeiten,<br />

stützt sich Helvetas auf die Zusammenarbeit<br />

aller Beteiligten. Behördenvertreter,<br />

Vertreter der Zivilgesellschaft und<br />

Nutzer einer Region setzen sich miteinander<br />

an einen Tisch, um ihre oft unterschiedlichen<br />

Ansprüche anzumelden und<br />

gemeinsam Prioritäten für die Umsetzung<br />

festzulegen. Regionale Nutzungspläne tragen<br />

dazu bei, Nutzungskonflikte zu minimieren,<br />

und sie liefern eine wichtige Basis<br />

für die Planung neuer Wasserprojekte.<br />

Erreichte Millenniumsziele<br />

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass<br />

im Wassersektor wesentliche Fortschritte<br />

möglich sind, wenn der politische Wille da<br />

ist. Im Rahmen der Kampagne für das<br />

Millenniumsziel der UNO wurde der Anteil<br />

der Menschen ohne Zugang zu sauberem<br />

Wasser und zu sanitärer Grundversorgung<br />

in nur gerade 15 Jahren halbiert.<br />

Die WHO hat berechnet, dass jeder im<br />

Wassersektor investierte Dollar allein bei<br />

den Gesundheitskosten 4,3 Dollar zurück<br />

bringt. Die Präsenz bei der Arbeit und in<br />

der Schule ist besser, und vor allem Frauen<br />

haben mehr Zeit für produktive Tätigkeiten,<br />

weil sie das Wasser nicht mehr von<br />

weit her holen müssen. Mit andern Worten:<br />

Wer in den Wassersektor investiert,<br />

schafft damit Grundlagen für eine nachhaltige<br />

Entwicklung. <br />

■<br />

44 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ WASSER<br />

Gibt es Wasser auf dem Mars?<br />

Wasser bedeutet unserer Auffassung nach Leben. Oder zumindest die Möglichkeit dafür. Umso<br />

spannender ist also die Frage, ob es auf andern Planeten Wasser und damit potentielles Leben gibt.<br />

Der Mars etwa, so lauten die gängigen Theorien, soll zumindest in der Vergangenheit Flüsse und<br />

gar Ozeane besessen haben. Es gibt jedoch ausreichend Gründe, diese Vermutung zu hinterfragen.<br />

Giovanni Leone, Institut für Geophysik, ETH Zürich<br />

Bis heute gilt der Planet Mars als Verwandter<br />

der Erde. Dies hauptsächlich aufgrund<br />

seiner morphologischen Ähnlichkeit und<br />

der auf ihm vorhandenen Flüsse und<br />

Ozea ne. Man glaubt, dass sie in der Vergangenheit<br />

Wasser führten. Dies obschon<br />

zahlreiche Missionen ein Bild einer ariden,<br />

kalten und früher vulkanischen Welt<br />

geliefert haben. Es gibt eindeutige Beweise<br />

für den stärksten bekannten Vulkanismus<br />

im Sonnensystem. Dieser wurde<br />

vermutlich unmittelbar nach Bildung des<br />

Planeten durch einen riesigen Aufschlag<br />

am Südpol ausgelöst. Der höchste Vulkan<br />

heisst Olympus Mons (26,4 km, fast das<br />

Dreifache des Everests). Die Atmosphäre<br />

besteht zu ungefähr 95% aus Kohlendioxid<br />

und einem nur winzigen Anteil<br />

Wasser (~ 210 ppm). Wasser steht in Verbindung<br />

mit der Möglichkeit von Leben.<br />

So zumindest stellen wir uns dies als Erdbewohner<br />

vor. Obschon nur kleinste Spuren<br />

davon gefunden wurden, steht es nach<br />

wie vor im Fokus der Wissenschaft.<br />

Kein Wasser an der<br />

Oberfläche<br />

Bereits die ersten Marsmissionen haben<br />

bestätigt, dass flüssiges Wasser auf dem<br />

Mars aufgrund des tiefen atmosphärischen<br />

Drucks (~ 6 Millibar) und der tiefen<br />

Temperatur (–63 Grad Celsius im Schnitt)<br />

an der Oberfläche instabil ist. Trotzdem<br />

glaubt die grosse Mehrheit der globalen<br />

Wissenschaftsgemeinschaft immer noch,<br />

dass die Abflusskanäle (bspw. die Valles<br />

Marineris) in der Vergangenheit durch<br />

Wasser gebildet wurden. Eine neue Analyse<br />

der hochauflösenden Bilder vom Mars<br />

Reconnaissance Orbiter hat gezeigt, dass<br />

die Valles Marineris und die anderen Abflusskanäle<br />

durch Lava geformt wurden.<br />

Für die Athabasca Valles, in der Nähe des<br />

Elysiums, ist man zu einem ähnlichen<br />

Schluss gekommen. Eine Gesamtansicht<br />

des Planeten hat auch gezeigt, dass der<br />

Ursprung aller Abflusskanäle in der vulkanischen<br />

Zone situiert ist (Abb. 1). Daraus<br />

lässt sich also folgern, dass Wasser<br />

wohl nur eine sekundäre Rolle in deren<br />

Bildung gespielt haben kann. Auch wenn<br />

einige die kaum haltbare Hypothese vertreten,<br />

dass ein minimales Volumen von<br />

reinem Wasser (d.h. nicht mit dem Felsen<br />

vermischt) in Tiefen von über 15 km<br />

(sprich tiefer als der Pazifische Ozean) auf<br />

den Hängen der Tharsis-Vulkane vorhanden<br />

war, um die Valles Marineris zu formen.<br />

Dies auf einem Planeten, der weder<br />

Regen noch Schnee kennt. Diese sehr<br />

geringen Mengen an Wasser lagern sich<br />

über Nacht ab und sublimieren anschliessend<br />

tagsüber mit einem minimalen Erosionseffekt.<br />

Ein Effekt, der sicher nicht in<br />

der Lage ist ein 8 km tiefes Tal hervorzubringen.<br />

Wasser im Untergrund?<br />

Die Resultate des Neutronenspektrometers<br />

an Bord des Mars-Odyssey-Raumschiffes,<br />

die 2006 veröffentlicht wurden, haben<br />

gezeigt, dass das auf dem Mars vorhande-<br />

Abb. 1. Schattierte Karte der Hauptabflusskanäle (rote Gebiete) auf dem Mars, erstellt durch David Leverington<br />

(2011); abgeändert und aktualisiert mit neuen oder erweiterten Abflusskanälen (blaue Gebiete) durch Giovanni<br />

Leone (<strong>2015</strong>).<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

45


FOKUS ▶ WASSER<br />

ist. In diesem Dokument ist die Rede von<br />

Radarexperimenten, die vergrabene Gletscher<br />

in Arabia Terra und im Vulkangebiet<br />

Tyrrhenum gefunden haben wollen. Dabei<br />

ist es nur schade, dass das Team für den<br />

Versuch eine dielektrische Konstante für<br />

Wasser verwendet hat, die sehr ähnlich<br />

mit derjenigen von Dazit ist. Sie haben<br />

damit bestenfalls nur Schichten von aufeinandergeschichteten<br />

Lavaflüssen entdeckt,<br />

was in einem vulkanischen Gebiet<br />

sicherlich nicht schwer zu finden ist.<br />

Abb. 2. Neutronenspektrometerkarte aus dem Mars-Odyssey-Raumschiff; die Prozentzahlen<br />

und Farben beziehen sich auf die vermuteten (keinesfalls erwiesenen) Wasserstoffatome,<br />

die mit Sauerstoffatomen zur Bildung von Wasser verbunden sein sollen.<br />

Bild: NASA/JPL-Caltech/Los Alamos National Laboratory<br />

Abb. 3. Karte vom Mars, aufgenommen mit dem Mars-Orbiter-Laser-Höhenmesser; die weissen<br />

Linien zeigen die Einflusszone der vulkanischen Gebiete; die Sterne die Landepunkte<br />

der Missionen.<br />

ne Wasser in den Polarkappen konzentriert<br />

ist und in mittleren Breitengraden<br />

und am Äquator (Abb. 2), also genau dort,<br />

wo die Abflusskanäle situiert sind, kaum<br />

vorhanden ist. Trotz dieser Beweise haben<br />

die Anhänger von Wasser auf dem Mars<br />

eine alte Hypothese wieder aufgegriffen,<br />

wonach Wasser im Untergrund zirkuliert<br />

und in günstigen, warmen Zeiten auf dem<br />

Mars an die Oberfläche tritt. Am 5. März<br />

<strong>2015</strong> hat «The Guardian» sogar über die<br />

Hypothese berichtet, wonach es in den<br />

Niederungen des Mars während des Zeitalters<br />

des Noachian (vor 4,1 bis 3,7 Milliarden<br />

Jahren) einen alten Ozean gab.<br />

Diese These wurde anschliessend am 10.<br />

April <strong>2015</strong> auch noch in «Science» veröffentlicht.<br />

Leider sind beide Hypothesen bestenfalls<br />

schwach, schlimmstenfalls unhaltbar.<br />

Nicht nur weil sie verschiedene Fragen<br />

unbeantwortet lassen, sondern vor allem<br />

auch, weil sie durch keine stichhaltigen<br />

Beweise für das Vorhandensein von Wasser,<br />

heute oder früher, gestützt werden.<br />

«The Guardian» hat neulich auch über<br />

ein kürzlich veröffentlichtes Dokument<br />

berichtet, welches am 18. März <strong>2015</strong> im<br />

Geophysical Research Letters erschienen<br />

Keine Gletscher, kaum Eis<br />

Bei aller Sympathie für die Anstrengungen,<br />

Beweise für grosse Wassermengen<br />

auf dem Mars zu finden: Die Realität ist<br />

grundlegend anders und wurde auch<br />

schon in verschiedenen wissenschaftlichen<br />

Beiträgen veröffentlicht. Es gibt Beweise<br />

für ein geologisch trockenes Milieu,<br />

das auf die frühste Geschichte des Mars<br />

zurückgeht. Auch wenn der Mars sehr kalt<br />

ist, weist der Planet keine Anzeichen für<br />

das Vorhandensein von Gletschern auf.<br />

Bereits 1977 hat die Viking Mission die<br />

Oberfläche des Mars auf mittleren Breitengraden<br />

abgetragen und kein Eis gefunden.<br />

Eine sehr kleine Menge, die die<br />

Phoenix Mission 2008 in höheren Breitengraden<br />

(68,22 Grad Nord), gleich nach der<br />

Grenze zu den Alba Patera Lavafeldern<br />

(Abb. 3), fand, verdampfte, wie erwartet,<br />

innert vier Marstagen (auch Sol genannt;<br />

der Marstag dauert 24 Stunden 39 Minuten<br />

35 Sekunden) und wurde also nicht<br />

flüssig, um zur Oberfläche zu fliessen.<br />

Auch die härtesten Verfechter vom Wasser<br />

auf dem Mars gestehen, dass auf dem<br />

Mars eine substantielle Menge von Wasser<br />

in den ersten 0,5 Milliarden Jahren der<br />

Marsgeschichte (von 4,567 bis 4,067 Milliarden<br />

Jahren) in den Weltraum verloren<br />

ging. Neben der Bildung der vermeintlichen<br />

Ozeane erwähnen sie einen ausgedehnten<br />

Vulkanismus. Die Karte vom<br />

Mars zeigt, dass die grössten Vulkane im<br />

Hochland vom Äquator zum Südpol konzentriert<br />

sind (Abb. 4). Wenige kleine Vulkane<br />

findet man auch auf der Nordhalbkugel<br />

(Niederungen). Der stärkste Vulkanismus<br />

fand man in den Tharsis- und<br />

Elysium-Regionen, die entlang der Grenze<br />

zwischen Hochland und Tiefland, zwischen<br />

0 und 30 Grad nördlicher Breite,<br />

lokalisiert sind. Deren Lavaströme erreichten<br />

die unglaubliche Distanz von unge-<br />

46 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ WASSER<br />

Abb. 4. Verteilung der Vulkanzentren des Mars; die Farben zeigen Vulkane, die zur gleichen Gruppe gehören, die durch wandernde<br />

Schwaden unter der Lithosphäre des Mars gebildet wurden.<br />

fähr 65 Grad nördlicher Breite. Diese<br />

Ausbreitung war nur dank dem Überfluss<br />

an heisser und flüssiger Lava möglich.<br />

Wie durch ein Wunder blieb die Lava, als<br />

die stärkste Phase des Vulkanismus (vor<br />

4,1 bis 3,7 Milliarden Jahren) Olivin-reiche<br />

Lava ins Hoch- und Tiefland brachte,<br />

vom Wasser gänzlich unberührt. Der in<br />

«Science» erschienene Artikel schätzte<br />

mit grosser Präzision, dass dieser vermeintliche<br />

Ozean das Tiefland mit einer<br />

Wasserschicht von 137 m GEL (GEL =<br />

Mass für die Höhe der Wassermenge, wenn<br />

sie gleichmässig über den ganzen Mars<br />

verteilt würde) überdeckte, die bis zu den<br />

Küsten des Hochlandes reichte. Frühere<br />

Schätzungen nach der Mars-Odyssey-<br />

Mission gingen von 36 m aus. Nun stellt<br />

sich aber die schwierigste Frage: Warum<br />

verwandelte sich das von der vulkanischen<br />

Aktivität hinterlassene Olivin nie in<br />

Serpentin beim Kontakt mit dem Wasser<br />

des vermeintlichen Ozeans? Diese Transformation<br />

müsste eigentlich nur einige<br />

hundert bis 10 000 Jahre dauern. Geologisch<br />

gesehen eine sehr kurze Zeit. Der<br />

Vulkanismus dauerte bis zum Zeitalter des<br />

Hesperian (vor 3,5 Milliarden Jahren). Die<br />

optimistischsten Wissenschaftler schieben<br />

es sogar bis zum Zeitalter des Amazonian<br />

(3,0 Milliarden Jahre bis heute), auch<br />

wenn die gängigen Modelle zu den Hitzeströmen<br />

auf dem Mars zeigen, dass die<br />

heute feststellbaren Niveaus vor 3,5 Milliarden<br />

Jahren erreicht wurden. Also reichlich<br />

genügend Zeit, um all dieses Olivin<br />

in Serpentin zu verwandeln. Allerdings<br />

fand diese Veränderung nie statt, so dass<br />

der offensichtliche Schluss sein muss, dass<br />

es den Ozean entweder gar nie gab oder<br />

dieser nur während weniger als 10 000<br />

Jahre existierte.<br />

Klügere Forschungsziele<br />

Auch wenn man davon ausgeht, dass es in<br />

der Vergangenheit auf dem Mars geregnet<br />

hat, stellt sich die Frage, warum der ganze<br />

Regen nur in der Tiefebene fiel und den<br />

vermeintlichen Ozean bildete. Und warum<br />

regnete es nur in der Tiefebene, obschon<br />

das atmosphärische Wasser durch die Winde<br />

auf dem ganzen Planeten hätte verteilt<br />

werden können? Wie kann Untergrundwasser<br />

an die Oberfläche treten, mit der<br />

Atmosphäre interagieren und ins Grundwasser<br />

wieder zurückfliessen, ohne die<br />

Mineralien zu verändern? Jarosit, ein Mineral,<br />

das an der Opportunity-Landestelle<br />

(Meridiani Planum) im Hochland am<br />

Äquator des Mars gefunden wurde, ist unverändert<br />

und steht in enger Verbindung<br />

zu unverändertem Olivin. Dies ist seit 2004<br />

bekannt (publiziert durch Madden und<br />

Kollegen in «Nature»). Jarosit würde sonst<br />

in feuchtem Klima schnell zu Eisenoxyhydroxid<br />

zerfallen. Es gab also keine Flüsse<br />

vom Hochland zum Tiefland. Wie wurde<br />

also der vermeintliche Ozean gebildet?<br />

Die wohl einfachste Antwort auf all diese<br />

Fragen ist, dass es diesen Ozean nie gab.<br />

Wasser wurde durch die Vulkanaktivität in<br />

die Marsatmosphäre entgast und ging<br />

mehrheitlich im Weltall verloren. Eine<br />

kleine Menge blieb in den Polarkappen<br />

gefangen. Auch fand man Spuren in der<br />

Kryosphäre in höheren Breitengraden (><br />

60 Grad). Weshalb also weiterhin medienwirksame<br />

Ankündigungen machen? Warum<br />

Zeit und Geld der Steuerzahler für eine<br />

Suche nach unwahrscheinlichem Leben<br />

am Äquator auf dem Mars verschwenden,<br />

wo jegliches Leben sowieso von der Lava<br />

zerstört worden wäre? Es wäre wohl viel<br />

klüger, das Geld für die Suche nach nützlichen<br />

Mineralien einzusetzen, die die Eigenfinanzierung<br />

der Exploration des Mars<br />

ermöglichen würden.<br />

■<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

47


FOKUS ▶ WASSER<br />

Nestlé und der Handel mit Wasser<br />

Kommendes Jahr feiert Nestlé sein 150-jähriges Bestehen. Damit die Kunden des Unternehmens<br />

auch noch in 150 Jahren die bekannten Klassiker wie Henniez, Cailler-Schokolade oder Nespresso<br />

geniessen können, setzt sich Nestlé weltweit für einen nachhaltigen Handel mit der Ressource<br />

Wasser ein. Die grössten Herausforderungen sieht das Unternehmen jedoch nicht im Handel mit<br />

«echtem» Wasser.<br />

Christian A. Vousvouras, Nestlé AG<br />

Die Geschichte von Nestlés bekanntester<br />

Schweizer Mineralwassermarke Henniez<br />

ist so einmalig wie die Herkunft des Wassers.<br />

So waren es vermutlich Kelten, welche<br />

vor über tausend Jahren die erste<br />

Quelle, die «Bonne Fontaine», unter dem<br />

Wald von Henniez entdeckten. Jahrhunderte<br />

später, 1905, wurde dann in Henniez<br />

die erste Abfüllanlage in Betrieb genommen<br />

und das Wasser in Apotheken als<br />

Heilmittel verkauft. Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg änderte sich das Konsumverhalten<br />

und Henniez wandelte sich vom Heilzum<br />

täglich konsumierten Mineralwasser.<br />

Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte<br />

etablierte sich Henniez als feste Marke in<br />

der Schweizer Getränkelandschaft. Heute<br />

gibt es wohl wenige Schweizer, die die berühmten<br />

Henniez-Farbcodes Rot, Blau<br />

und Grün nicht kennen.<br />

Das Beispiel von Henniez zeigt die regionale<br />

Komponente von Flaschenwasser auf.<br />

Nestlé ist im Wasserhandel zwar weltweit<br />

in 34 Ländern tätig, die 56 Wassermarken<br />

werden aber lokal produziert und verkauft.<br />

Die Bevölkerung in den verschiedenen<br />

Absatzmärkten identifiziert sich mit<br />

ihrem eigenen lokalen Wasser. Griechen<br />

trinken Korpi, Amerikaner geniessen Poland<br />

Spring und Vietnamesen vertrauen<br />

48 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


FOKUS ▶ WASSER<br />

La Vie. Ausnahme bilden die Premium-<br />

Marken San Pellegrino und Perrier, welche<br />

ausserhalb Europas jedoch nur ein<br />

kleines Segment in der Spitzengastronomie<br />

abdecken. Der Handel mit Wasser ist<br />

regional, und dies ist auch gut so.<br />

Schliesslich macht es aus Rücksicht auf<br />

Kosten und Umwelt mehr Sinn, dass von<br />

der lokalen Bevölkerung lokales Wasser<br />

getrunken wird.<br />

Henniez-Wasser kostet im Schweizer Detailhandel<br />

in der 1,5-Liter-Flasche gewöhnlich<br />

etwas weniger als einen Franken.<br />

Dieser Preis reflektiert nicht nur den<br />

Wert des Rohstoffs Wasser, sondern vor<br />

allem eine komplexe Wertschöpfungskette,<br />

welche es dem Kunden ermöglicht,<br />

Henniez an jedem Ort der Schweiz und zu<br />

jeder Gelegenheit zu trinken. Sei es beim<br />

Wandern oder Skifahren in den Bergen,<br />

im Büro vor dem Computer oder mit der<br />

Familie daheim beim Abendessen – Henniez-Wasser<br />

gibt es überall dort, wo Menschen<br />

Wasser brauchen. Der Preis von<br />

knapp einem Franken deckt daher in<br />

erster Linie Verpackung und Transport des<br />

Wassers von der Quelle zum Verbraucher.<br />

Virtuelles Wasser<br />

Die Grösse des Handels mit Flaschenwasser<br />

wird oft überschätzt. Als weltweiter<br />

Marktführer könnte Nestlé nicht einmal<br />

den jährlichen Wasserbedarf der Bevölkerung<br />

des Kantons St. Gallen abdecken.<br />

Eine viel wichtigere, oft übersehene Komponente<br />

des Wasserhandels ist der Handel<br />

mit so genanntem virtuellem Wasser.<br />

Konsumiert eine Person in einem Restaurant<br />

125 g argentinisches Rindsfilet, so<br />

trinkt sie implizit 1900 Liter Wasser – welches<br />

zuvor über das Tierfutter in Argentinien<br />

vom Vieh aufgenommen wurde. 1<br />

Über zwei Drittel des gesamten Wasserverbrauches<br />

fliesst global in die Landwirtschaft.<br />

2 Damit ist klar, dass der grösste<br />

Anteil Wasser im Zuge des weltweiten<br />

Austausches mit Lebensmitteln nicht reell,<br />

sondern «virtuell» gehandelt wird.<br />

Der virtuelle Wasserhandel trägt dazu bei,<br />

mit dem Import von Produkten aus wasserreichen<br />

in wasserärmere Länder den<br />

globalen Zugang zu Wasser auszubalancieren.<br />

So zeigt eine Studie des ehemaligen<br />

ETH-Ratspräsidenten Alexander J. B.<br />

Zehnder einen Wasserhandelsüberschuss<br />

von Ländern mit einem hohem Anteil an<br />

Regenwasserbewässerung in der Landwirtschaft<br />

und ein Wasserhandelsdefizit<br />

in Ländern mit einem hohen Anteil<br />

künstlicher Bewässerungsmethoden. 3<br />

Es wäre jedoch voreilig zu behaupten, dass<br />

Exporte von Lebensmitteln aus wasserarmen<br />

Ländern grundsätzlich falsch sind.<br />

So verfügen Länder mit Wasserknappheit<br />

oft über ein warmes Klima und Bedingungen,<br />

welche das Wachstum von Gemüse<br />

und Früchten begünstigen. Stattdessen<br />

sollte die wirtschaftliche Nutzung von<br />

Wasser in Ländern mit Wasserknappheit<br />

an zwei Bedingungen geknüpft werden.<br />

Erstens, der menschliche Konsum von<br />

Trinkwasser geniesst absolute Priorität<br />

und jeder Mensch sollte Zugang zu einer<br />

öffentlichen Wasserversorgung erhalten.<br />

Dieser Zugang sollte nicht durch wirtschaftliche<br />

Aktivitäten behindert werden.<br />

Zweitens, jene Ressourcen, welche nach<br />

Deckung der menschlichen Grundbedürfnisse<br />

übrig bleiben, sollten nachhaltig<br />

und effizient gehandelt werden.<br />

Recht auf Wasser<br />

Nestlé beteiligt sich als global agierendes<br />

Unternehmen am virtuellen Handel mit<br />

Wasser. Dieses Wasser befindet sich beispielsweise<br />

im Kakao der Cailler-Schokolade<br />

oder in der Kaffeebohne im Nespresso.<br />

Um den Zugang zu Wasser und die<br />

nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen<br />

nicht zu beeinträchtigen, hat sich<br />

Nestlé im Rahmen der Unternehmensstrategie<br />

soziale Verpflichtungen auferlegt.<br />

Erstens unterstützt das Unternehmen<br />

ein Menschenrecht auf Wasser. Im Rahmen<br />

dessen ermöglicht Nestlé seinen<br />

340 000 Mitarbeitenden und über 400 000<br />

Menschen aus Gemeinschaften rund um<br />

die Produktionsstätten Zugang zu Trinkwasser.<br />

Darüber hinaus erarbeitet Nestlé<br />

Richtlinien, welche den sorgfältigen Umgang<br />

mit dem Menschenrecht auf Wasser<br />

weiter stärken sollen.<br />

Zweitens überprüft Nestlé im Planungsprozess<br />

neuer Produktionsstätten, ob eine<br />

nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser<br />

an Ort und Stelle gewährleistet werden<br />

kann. Wurde eine Produktionsstätte<br />

schliesslich in Betrieb genommen, so eröffnen<br />

sich mit voranschreitender Technik<br />

immer wieder Opportunitäten, um<br />

Wasser einzusparen. Seit 2005 hat Nestlé<br />

im Rahmen dieser Verbesserungen<br />

37 Prozent Wasser pro Tonne Produkt eingespart.<br />

Als beinahe 150-jähriges, weltweit tätiges<br />

Unternehmen mit der Ambition, auch<br />

noch 150 weitere Jahre bestehen zu können,<br />

ist Nestlé auf einen nachhaltigen<br />

Umgang mit der Ressource Wasser angewiesen.<br />

Die nachhaltige Nutzung erfordert<br />

jedoch, dass sich die privaten, öffentlichen<br />

oder wirtschaftlichen Nutzer gemeinsam<br />

an einen Tisch setzen, um der Ressource<br />

Wasser Sorge zu tragen. Nestlé hat diese<br />

Notwendigkeit erkannt und beteiligt sich<br />

in der 2030 Water Resources Group gemeinsam<br />

mit Entwicklungsbanken, dem<br />

WWF und weiteren Unternehmen (Coca<br />

Cola, PepsiCo, SABMiller) am Dialog, um<br />

die Wassersektoren der von Wasserknappheit<br />

betroffenen Länder zu reformieren.<br />

Plattformen dieser Art werden in Zukunft<br />

sicher vermehrt etabliert werden, um eine<br />

langfristige Nachhaltigkeit der Handelsströme<br />

sicherzustellen.<br />

1 Water Footprint Network. Product Gallery.<br />

<strong>2015</strong><br />

2 Food and Agricultural Organization [FAO].<br />

Aquastat. <strong>2015</strong><br />

3 H. Yang, L. Wang, K. C. Abbaspour, A. J. B.<br />

Zehnder. Virtual water trade: an assessment<br />

of water use efficiency in the international<br />

food trade. Hydrology and Earth System Sciences<br />

Discussions, Copernicus Publications,<br />

2006, 10 (3), pp. 443-454<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

49


PERSPEKTIVEN<br />

FACHSERIE AKTUELLES AUS DER GASTROENTEROLOGIE:<br />

DIVERTIKULOSE UND DIVERTIKULITIS<br />

Moderne Therapien für alte Leiden<br />

Divertikel gelten oft als folgenlose Nebenbefunde. Entzünden sie sich, kann sich das Bild drastisch<br />

ändern. Bis vor kurzem hielt man Divertikulose und Divertikulitis für Wohlstandskrankheiten, die<br />

hauptsächlich wegen Ernährung und Lebensstil auftreten. Neuere Studien werfen eine differenziertere<br />

Sicht auf die Leiden; entsprechend werden die geltenden Behandlungsstandards hinterfragt.<br />

Maja Gruber, Assistenzärztin, Bauchzentrum – Gastroenterologie, Ida Füglistaler, Oberärztin, Bauchzentrum – Viszeralchirurgie,<br />

Miriam Thumshirn, Chefärztin, Bauchzentrum – Gastroenterologie, St. Claraspital, Basel<br />

Die Divertikulose des Kolons ist ein häufig<br />

erhobener Befund bei Koloskopien oder<br />

CT-Untersuchungen des Abdomens. Die<br />

Prävalenz der Divertikulose steigt mit dem<br />

Alter; sie beträgt ca. 35 Prozent bei den<br />

60-Jährigen und ca. 60 Prozent bei den<br />

über 80-Jährigen. Meistens verläuft die<br />

Divertikulose asymptomatisch (bei 80%<br />

der Betroffenen), und dies unabhängig<br />

von der Anzahl oder Grösse der Divertikel<br />

(1). Obwohl der klinische Verlauf der Divertikulose<br />

hinreichend bekannt ist, wissen<br />

wir wenig über die Ursachen oder<br />

Risikofaktoren, die eine Divertikulitis,<br />

eine der häufigsten Erkrankungen des<br />

Gastrointestinaltraktes, auslösen. Diätetische<br />

Faktoren und Veränderungen im<br />

Mikrobiom werden vermutet. In den letzten<br />

Jahren haben sich einige, seit langem<br />

geltende Behandlungsstandards geändert<br />

oder werden zumindest in Frage gestellt;<br />

hierauf werden wir in diesem Artikel speziell<br />

fokussieren.<br />

Divertikulitis<br />

Die häufigste Komplikation der Divertikulose<br />

ist die Divertikulitis, bei der es zur<br />

phlegmonösen Entzündung des parakolischen<br />

Fettgewebes, zur gedeckten oder<br />

0 Klinisch milde Divertikulitis<br />

Ia<br />

Ib<br />

II<br />

III<br />

IV<br />

Perikolische Entzündung oder Phlegmone<br />

offenen Perforation, zur Abszess- oder<br />

Fistelbildung kommen kann.<br />

Die Diagnose erfolgt bei der akuten Divertikulitis<br />

zunächst klinisch. Linksseitige<br />

Unterbauchschmerzen begleitet von erhöhten<br />

laborchemischen Entzündungszeichen<br />

sind die typischen Symptome. Die<br />

Computertomographie bringt die meisten<br />

Informationen zur Beurteilung des Schweregrades<br />

der Entzündung.<br />

Die akute Divertikulitis lässt sich in eine<br />

unkomplizierte und eine komplizierte<br />

Verlaufsform unterteilen. Bei letzterer sind<br />

ein Abszess, eine makroskopische Perforation<br />

oder eine Fistulierung bei fieberhaftem<br />

Patienten zu sehen. Die Diagnose<br />

einer Divertikulitis sollte eine Klassifikation<br />

beinhalten, um die Ausprägung der<br />

Erkrankung zu erfassen und eine Stratifizierung<br />

für die unterschiedliche Prognose<br />

und Therapieform zu ermöglichen.<br />

Häufig wird die modifizierte Klassifikation<br />

nach Hinchey angewendet (2) (siehe<br />

Tabelle).<br />

Konservative Therapie<br />

Ballaststoffe<br />

Eine ballaststoffarme und fettreiche Ernährung<br />

wurde bisher für die Entstehung<br />

Perikolisch oder mesokolischer Abszess(


PERSPEKTIVEN<br />

Schmerzen ohne makroskopische Entzündungsaktivität<br />

und ohne laborchemische<br />

Entzündungsreaktion) untersucht.<br />

Hier konnte gezeigt werden, dass insbesondere<br />

die Kombination der beiden Substanzen<br />

die Entstehung einer Divertikulitis<br />

reduzieren (8).<br />

Weitere Studien sind erforderlich, bevor<br />

Probiotika einen evidenzbasierten Stellenwert<br />

in der Behandlung der Divertikelkrankheit<br />

erhalten.<br />

Antibiotika<br />

Bisher umfasste die Standardbehandlung<br />

einer unkomplizierten Divertikulitis nebst<br />

symptomatischen Massnahmen eine empirische<br />

antibiotische Therapie, obwohl<br />

hierzu keine kontrollierten Studien vorlagen.<br />

Zunehmend wird die Notwendigkeit<br />

einer antibiotischen Therapie in Frage<br />

gestellt.<br />

In einer 2012 publizierten, randomisierten<br />

Studie aus Schweden wurden 623<br />

Patienten mit im CT nachgewiesener akuter,<br />

unkomplizierter Divertikulitis analysiert.<br />

Die Patienten wurden in zwei Gruppen<br />

(mit und ohne Antibiotika) aufgeteilt.<br />

In dieser Studie konnte nachgewiesen<br />

werden, dass eine antibiotische Therapie<br />

weder die Komplikationsrate innert eines<br />

Jahres noch die Hospitalisationsdauer<br />

oder die Rezidivwahrscheinlichkeit (innerhalb<br />

eines Jahres) signifikant senken<br />

konnte (9).<br />

Zwei retrospektive Fall-Kontroll-Studien<br />

zeigten unabhängig von einer Antibiotikagabe<br />

ähnliche Krankheitsverläufe bei<br />

Patienten mit milder Divertikulitis (10;<br />

11). Bei akuter unkomplizierter linksseitiger<br />

Divertikulitis ohne Risikoindikatoren<br />

kann unter engmaschiger klinischer<br />

Kontrolle auf eine Antibiotikatherapie<br />

verzichtet und mittels Analgetika und faserarmer<br />

Kost therapiert werden. Der Antibiotikaeinsatz<br />

bleibt somit schweren<br />

Schüben, Komplikationen und immunsupprimierten<br />

Patienten vorbehalten. Dies<br />

ist insbesondere in Anbetracht der steigenden<br />

Resistenzraten von Bedeutung.<br />

Operative Therapie<br />

Die Operationsindikation bei rezidivierender<br />

Divertikulitis wurde bis vor einigen<br />

Jahren nach dem zweiten Schub festgelegt<br />

oder beim jungen Patienten sogar bereits<br />

nach dem ersten unkomplizierten Schub.<br />

Diese Empfehlungen gemäss amerikanischen<br />

(12) und europäischen Guidelines<br />

(13) wurden in den letzten Jahren kritisch<br />

analysiert, und einige neuere Studien haben<br />

gezeigt, dass die «grosszügige» Operationsindikation<br />

nicht gerechtfertigt ist.<br />

Die Morbidität und Mortalität der Patienten<br />

mit mehr als zwei Divertikulitisschüben<br />

nehmen nicht zu. Das Risiko einer<br />

freien Perforation, der gefürchtesten Komplikation,<br />

nimmt mit der Anzahl der<br />

durchgemachten Schübe eher ab (14). Die<br />

Divertikulitis-assoziierte Mortalität erwies<br />

sich im Vergleich zu der operationsbedingten<br />

Mortalität als geringer (15).<br />

Heutzutage wird die Indikation zur chirurgischen<br />

Resektion bei rezidivierender<br />

Divertikulitis individuell gestellt, d.h. unter<br />

Berücksichtigung von Alter und Leidensdruck<br />

des Patienten sowie der Komorbiditäten<br />

bzw. Operationsrisiken (16).<br />

Aufgrund des erhöhten Perforationsrisikos<br />

und einer höheren Mortalitätsrate unter<br />

einer rein medikamentösen Therapie sollte<br />

aber bei immunsupprimierten Patienten<br />

oder Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz<br />

die Resektion weiterhin<br />

nach dem ersten Schub evaluiert werden.<br />

Die Operationstechnik der elektiven Resektion<br />

besteht in einer laparoskopischen<br />

Rektosigmoidresektion. Der laparoskopische<br />

Zugang zeigte in mehreren Studien<br />

seine Überlegenheit in den frühpostoperativen<br />

Resultaten (17), jedoch keinen<br />

Unterschied zu der offenen Technik bezüglich<br />

Lebensqualität und Rezidivrate<br />

im Langzeitverlauf (18).<br />

Wenn eine Operation durchgeführt wird,<br />

wird sowohl in der Notfallsituation, wie<br />

auch im elektiven Setting eine Resektion<br />

mit primärer Anastomosierung und<br />

Schutzileostomie angestrebt. Die früher<br />

durchgeführte Hartmann-Operation hat<br />

in dieser Situation weitgehend an Bedeutung<br />

verloren.<br />

Bei eitriger oder fäkaler Peritonitis wird<br />

zunehmend die reine laparoskopische<br />

Lavage ohne Resektion des perforierten<br />

Kolonsegmentes propagiert. Die Literatur<br />

dazu ist noch limitiert. Diese Technik<br />

bringt das Risiko eines persistierenden<br />

bzw. rezidivierenden Infektes mit sich. Sie<br />

stellt heutzutage noch keine valable Alternative<br />

zur Resektion dar und sollte nur in<br />

Rahmen von Studien angewandt werden<br />

(16).<br />

■<br />

Literatur:<br />

1 Leifeld L. et al. S2k-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis.<br />

Z Gastroenterol<br />

2014; 52: 663–710.<br />

2 Wasvary H., Turfah F., Kadro O., Beauregard<br />

W. Same hospitalization resection for acute<br />

diverticulitis. Am Surg. 1999; 65: 632–635.<br />

3 Comparato G., Pilotto A., Franzè A., Franceschi<br />

M., Di Mario F. Diverticular disease in the<br />

elderly, Dig. Dis. 2007; 25(2): 151–159.<br />

4 Hjern F., Johansson C., Mellgren A., Baxter N.,<br />

Hjern A. Diverticular disease and migration<br />

- the influence of acculturation to a western<br />

lifestyle on diverticular disease Aliment Pharmacol<br />

Ther 2006; 23: 797–805.<br />

5 Peery A.F., Barrett P.R., Park D., et al. A highfiber<br />

diet does not protect against asymptomatic<br />

diverticulosis. Gastroenterology<br />

2012;142: 266–272.<br />

6 Crowe F.L., Appleby P.N., Allen N.E., et al. Diet<br />

and risk of diverticular disease in Oxford cohort<br />

of European Prospective Investigation<br />

into Cancer and Nutrition (EPIC): prospective<br />

study of British vegetarians and non-vegetarians.<br />

BMJ 2011; 343: d4131.<br />

7 Dughera L., Serra A.M., Battaglia E., Tibaudi<br />

D., Navino M., Emanuelli G. Acute recurrent<br />

diverticulitis is prevented by oral administration<br />

of a polymicrobial lysate suspension.<br />

Minerva Gastroenterol Dietol 2004; 50(2):<br />

149–153.<br />

8 Tursi A., Brandimarte G., Elisei W., et al. Aliment<br />

Pharmacol Ther 2013; 38:741–751.<br />

9 Chabok A., Påhlman L., Hjern F., Haapaniemi<br />

S., Smedh K.; AVOD Study group. Randomized<br />

clinical trial of antibiotics in acute uncomplicated<br />

diverticulitis. Br J Surg 2012; 99(4):<br />

532–539.<br />

10 Hjern F., Josephson T., Altman D., et al. Conservative<br />

treatment of acute colonic diverticulitis:<br />

are antibiotics always mandatory? Scand<br />

J Gastroenterol 2007;42(1): 41–47.<br />

11 De Korte N., Kuyvenhoeven J.P., Van der Peet<br />

D.L., et al. Mild colonic diverticulitis can be<br />

treated without antibiotics. A case-control<br />

study. Colorectal Dis 2012;14: 325–30.<br />

12 Wong et al. Practice parameters for the treatment<br />

of sigmoid diverticulitis-supporting<br />

documentation. The standard task force. The<br />

American Society of Colon and Rectal Surgery.<br />

Dis Colon Rectum 2000; 43: 290–97.<br />

13 Kohler et al. Diagnosis and treatment of diverticular<br />

disease: results of a consensus development<br />

conference. The scientific Committee of<br />

the European Association for Endoscopic<br />

Surgery. Surg Endosc 1999; 13: 430–36.<br />

14 Ritz et al. Outcome of patients with acute<br />

sigmoid diverticulitis: multivariate analysis<br />

of risk factors for free perforation. Surgery<br />

2011; 149: 606–13.<br />

15 Chapman et al., Complicated diverticulitis: is<br />

it time to rethink therules? Ann Surg 2005;<br />

242: 576–81.<br />

16 Feingold et al., Practice parameters for treatment<br />

of sigmoid diverticulitis. Dis Colon Rectum<br />

2014; 57: 284–94.<br />

17 Schwenk et al., short-term benefits for laparoscopic<br />

colorectal resection. Cochrane Database<br />

Syst. Rev. 2005.<br />

18 Gervaz et al., Laparoscopic versus open sigmoid<br />

resection for divericulitis: long term<br />

results of a prospective, randomized trial.<br />

Surg Endosc 2011; 25: 3373–78.<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

51


PERSPEKTIVEN<br />

AUS DER «THERAPEUTSICHEN UMSCHAU»<br />

Rheumatologische Notfälle<br />

im Alltag des Hausarztes<br />

In der Rheumatologie können sich besonders im Bereich der entzündlichen Erkrankungen und der<br />

Kollagenosen unvermittelte Notfallsituationen ergeben. Als ein Beispiel sei der plötzliche Zentralarterienverschluss<br />

des Auges bei Arteriitis temporalis genannt. Solche Ereignisse sind aber eher<br />

selten. Häufiger wird der allgemeine Internist mit nicht unbedingt bedrohlichen, aber sehr schmerzhaften<br />

und funktionsbehindernden Akutfällen konfrontiert sein. In diesem Artikel werden vier<br />

typische Patientenprobleme dargestellt, die der Praktiker erkennen und nicht missverstehen sollte,<br />

um rasch und richtig zu handeln: Akutes (lumbo-)vertebrales Syndrom, Schulter-Periarthropathie,<br />

Kristallarthritis und Ruptur einer Bakercyste.<br />

Heinz Fahrer, Reichenbach<br />

Einführung<br />

Rheumatologie, die medizinische Disziplin<br />

des menschlichen Bewegungs- und Halteapparats,<br />

gilt nicht unbedingt als Domäne<br />

des Notfallmediziners, sondern eher als Ort<br />

von in Ruhe getroffenen, breiten Abklärungen<br />

und differentialdiagnostischen Überlegungen.<br />

Dieses Verständnis ist allerdings<br />

nur zum Teil richtig, da auch in der Rheumatologie<br />

Situationen auftreten, in welchen<br />

notfallmässige Analyse und rasche<br />

Behandlung entscheidend sind, um bedrohliche<br />

Komplikationen oder gar einen<br />

morbiden Verlauf abzuwenden.<br />

Es kann sich dabei um Erstmanifestationen<br />

einer bisher nicht bekannten rheumatischen<br />

Erkrankung handeln oder aber<br />

um die schubartige Verschlimmerung eines<br />

schon vorher manifesten Leidens.<br />

Ernst wird die Lage nicht selten durch einen<br />

anfänglich maskierten Charakter<br />

solcher Erscheinungsbilder, die dann unvermittelt<br />

einen den Behandelnden überraschenden,<br />

im schlimmsten Fall auch<br />

überfordernden, foudroyanten Verlauf<br />

nehmen können. Als Beispiele sei die infektiöse<br />

Komplikation einer das Immunsystem<br />

supprimierenden Therapie genannt,<br />

die nicht immer das Vollbild des<br />

infektiösen Prozesses zeigen muss (z. B.<br />

* Der Artikel erschien ursprünglich in der Therapeutische<br />

Umschau <strong>2015</strong>; 72 (1): DOI 10.1024/0040-5930/<br />

a000633 <strong>VSAO</strong>-Mitglieder können die «Therapeutische<br />

Umschau» zu äusserst günstigen Konditionen abonnieren.<br />

Details s. unter www.verlag-hanshuber.com/<br />

vsao.<br />

bakterielle Synovitis und konsekutive Sepsis<br />

unter einer Arthritisbehandlung mit<br />

TNF-alpha-Hemmer), oder ein akutes Nierenversagen<br />

auf Grund einer Glomerulonephritis<br />

bei Kollagenose, die akute Bedrohung<br />

des cervicalen Rückenmarks mit<br />

dem Potential einer Tetraplegie bei entzündlich<br />

angegriffenem, destabilisiertem<br />

atlanto-dentalem Gelenk im Rahmen einer<br />

rheumatoiden Arthritis sowie die Vielzahl<br />

möglicher medikamentöser Nebeneffekte<br />

durch nichtsteroidale Entzündungshemmer<br />

(u. a. gastro-intestinale Laesionen<br />

und Blutungen) oder sogenannte<br />

Arthritis-Basismedikamente (Methotrexat-<br />

Pneumopathie, etc.), schliesslich das<br />

heimtückische plötzliche Erblinden eines<br />

Auges auf Grund eines Zentralarterienverschlusses<br />

der Retina bei Riesenzellarteriitis.<br />

Nur auf diesen letzteren Fall sei hier<br />

mit einem Hinweis eingegangen: den Patienten<br />

mit plötzlichem, temporal gelegenem<br />

Kopfschmerz und hoher Blutsenkungsreaktion<br />

oder CRP sofort mit oralem<br />

Steroid behandeln (1 mg/kg). Man kann<br />

vielleicht einmal mit der Verdachtsdiagnose<br />

falsch liegen, was sich rasch und nebenwirkungslos<br />

klären wird, wenn die Klinik<br />

nicht anspricht, man wird aber möglicherweise<br />

ein Auge retten.<br />

Gemeinsam ist diesen und weiteren rheumatologischen<br />

Notfallereignissen, dass sie<br />

von ihrer Inzidenz her als einigermassen<br />

selten bezeichnet werden können und deshalb<br />

vom allgemeinen Internisten oder<br />

Hausarzt im Verlauf seiner Ausbildung<br />

und Praxistätigkeit höchstens ein- bis<br />

zweimal, falls überhaupt, angetroffen<br />

werden dürften (siehe dazu u. a. Tabelle<br />

9.43 «Differenzialdiagnose rheumatologischer<br />

Notfälle» im ausgezeichneten Buch<br />

von Zeidler und Michel [1]). Es handelt<br />

sich somit eher um Raritäten – dies im<br />

Gegensatz zur Gruppe rheumatologischer<br />

Akut- und Dringlichsituationen, die zwar<br />

nicht unmittelbar bedrohlich für wichtige<br />

Organe oder gar das Leben sind, aber<br />

durch Schmerzhaftigkeit oder plötzliche<br />

Funktionsverluste dem Patienten wohl<br />

noch bewusster und subjektiv lästiger werden<br />

können als Phänomene aus der erstgenannten<br />

Gruppe. Im folgenden sollen<br />

deshalb, unter Verzicht auf die medizinisch<br />

schwergewichtigeren «echten» Notfallsituationen,<br />

einige rheumatologische<br />

Akutsituationen dargestellt werden, wie sie<br />

alltäglich in der Sprechstunde des Allgemeinpraktikers<br />

auftauchen und zu raschem<br />

Handeln zwingen können, gelegentlich<br />

aber auch falsch verstanden und<br />

angegangen werden. Verzichtet werden<br />

darf dabei für einmal auf die akribische<br />

Abstützung auf «evidence based medicine»<br />

unter dem Gedanken, dass auf eigener<br />

Erfahrung basierende Analyse und<br />

Evidenz (auch die gibt es nämlich!) als<br />

Hilfe für den Patienten möglicherweise<br />

effizienter sind als die Kenntnis von Statistiken,<br />

die aus Durchschnittswerten gewonnen<br />

wurden und denen sich der Einzelfall<br />

ohnehin häufig entzieht.<br />

Hilfe, ich bin blockiert!<br />

Das Phänomen<br />

vertebraler Syndrome<br />

Fall: Der 65-jährige Mann tollt mit Kindern<br />

im Schnee herum; unter anderem<br />

52 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

liegt er dabei, wie er sich später erinnern<br />

wird, für etwa 2 Minuten auf dem Rücken,<br />

dies nicht eben mit der wärmsten Skijacke<br />

bekleidet. Eine Stunde später räumt er zu<br />

Hause das Geschirr aus der Spülmaschine,<br />

tief gebückt, doch es geschieht ohne<br />

Probleme, für ihn ein Routinevorgang.<br />

Nach getaner Haushaltpflicht richtet er<br />

sich ebenfalls problemlos auf und geht<br />

Richtung Wohnzimmer. Während dieses<br />

Gangs von 10 Sekunden befällt ihn völlig<br />

unvermittelt ein absolut gewaltiger Lumbalschmerz,<br />

welcher ihn zu Boden zwingt<br />

und für die folgenden rund 48 Stunden<br />

auch nicht mehr aufstehen lässt, weil jeder<br />

Bewegungsversuch des Rumpfs ein<br />

einschussartiges Schmerz ereignis auslöst.<br />

Nach dieser Frist, mit Unterstützung von<br />

zeitweiligen Wärmepackungen und grosszügiger<br />

Analgetikaeinnahme, ist das Phänomen<br />

vollständig und definitiv vorbei,<br />

der Mann kann sich wie zuvor wieder zu<br />

den Rückengesunden rechnen. Er veranlasst<br />

in der Folge, da selbst Rheumatologe<br />

und mit dem Verfasser zufällig identisch,<br />

aus wissenschaftlicher Neugier (und nota<br />

bene seinen Kassen-Selbstbehalt belastend!)<br />

ein MRI der Lendenwirbelsäule.<br />

Dieses zeigt nicht, wie fast erwartet, strukturelle<br />

Veränderungen, insbesondere am<br />

Diskus material, oder etwas anderweitig<br />

Un gewöhnliches, sondern banalste Normalverhältnisse.<br />

Dieser klassisch-authentische Fall einer<br />

Lumbago oder eines lumbovertebralen<br />

Syndroms oder, auf angelsächsisch noch<br />

schlichter, eines «low back pain», wirft die<br />

Frage der Pathogenese auf. Lehrbücher<br />

nennen als mögliche Ursachen meist<br />

strukturelle Veränderungen wie diskale<br />

Osteochondrose oder degenerative Prozesse<br />

im Bereich der Intervertebralgelenke<br />

oder des Spinalkanals, auf der funktionellen<br />

Ebene wird oft das sogenannte «Verhebetrauma»<br />

erwähnt. In der geschilderten<br />

Situation ist nichts davon zutreffend:<br />

Strukturelle Normalität liegt vor, auch<br />

keine eindeutige Fehl- oder Überbelastung<br />

ist nachweisbar, sonst hätte der Schmerz<br />

unmittelbar während des Arbeitsvorgangs<br />

auftreten müssen. Vermutlich liegt die<br />

Erklärung hier in einem Zusammenwirken<br />

von zwei Faktoren: Kälteeinwirkung<br />

auf die autochthone Rückenmuskulatur<br />

als Dispositionsbedingung, sowie biomechanisch<br />

ungünstige Tätigkeit (inklinierte<br />

Haltung, Rumpf-rotierender Arbeitsvorgang)<br />

als Auslöser, was zusammen zu<br />

einer unmittelbaren reflektorischen Fehlsteuerung<br />

der regionalen spinalen Muskelgruppen<br />

führte mit dramatischem<br />

Endresultat, dem Notschrei eines das gesamte<br />

System blockierenden Muskelkrampfs.<br />

Dieser Aspekt einer ausschliesslich funktionellen<br />

Pathogenese bei einem Teil der<br />

vertebralen Syndrome und damit auch<br />

ihrer meist vollständigen Reversibilität<br />

wird nach Ansicht des Verfassers in der<br />

Literatur kaum oder überhaupt nicht diskutiert,<br />

dürfte aber in einer Vielzahl von<br />

Fällen zutreffend sein, und zwar nicht nur<br />

auf lumbalem Niveau, sondern auch cervical<br />

(akute Torticollis) bzw., wenn auch<br />

deutlich seltener, thorakal (akutes Thorakovertebralsyndrom,<br />

gelegentlich sogar<br />

mit kardio-pulmonalen Akutereignissen<br />

verwechselt) [2, 3]. Auch die Tatsache,<br />

dass derartige Situationen oft sehr gut auf<br />

Interventionen wie eine Impulsmanipulation<br />

des Manualtherapeuten reagieren,<br />

spricht für eine solche An nahme. Dabei<br />

scheint mir die mechanistische These,<br />

dass subluxierte Strukturen, insbesondere<br />

kleine Wirbelgelenke, so gewissermassen<br />

wieder reponiert würden, nicht notwendig<br />

bzw. wenig plausibel. Vielmehr dürfte der<br />

rasche Impulsstoss das reflektorisch blockierte<br />

Steuerungssystem des entsprechenden<br />

Wirbelsäulenabschnitts im Sinn<br />

einer Unterbrechung von spino-muskulären<br />

Reflexbögen zur Entspannung bringen.<br />

Von grösster Wichtigkeit: Dem Patienten<br />

die Situation möglichst überzeugend erklären,<br />

sobald der funktionelle Charakter<br />

klar ist. So banal eine solche perakute<br />

Lumbago ist, wie sie der Verfasser selbst<br />

erfuhr, so erschreckend kann dieses Geschehen<br />

natürlich auf den Laien einwirken.<br />

Es droht das Festsetzen «im Kopf», in<br />

der Schmerzerinnerung und -erwartung<br />

nämlich, und damit über nicht angezeigtes<br />

Schonverhalten der Weg Richtung<br />

Chronifizierung, wenn nicht optimal aufgeklärt<br />

wird.<br />

Akute Schmerzen<br />

«um das Gelenk herum» –<br />

die Periarthropathie<br />

Fall: Die 43-jährige Hausfrau erwacht<br />

morgens mit einem als grässlich beschriebenen<br />

Schmerz der rechten Schulter- und<br />

v. a. Oberarmpartie. Sie hatte schon gelegentlich<br />

ziehende Empfindungen am<br />

rechten Oberarm verspürt, aber nie in<br />

diesem Ausmass. Der jetzige Schmerz wird<br />

als quälend-dumpf und praktisch anhaltend<br />

angegeben. Beim Versuch, den Arm<br />

aktiv oder auch nur passiv nach vorn oder<br />

seitlich anzuheben, kommt es zu zusätzlichen<br />

heftigsten Schmerzstichen, auch<br />

Rotationen sind unmöglich, die adäquat<br />

wirkende Patientin leidet offensichtlich.<br />

Die Anamnese ergibt weiter, dass die Frau<br />

zwei intensive Haushalttage mit Putzarbeiten<br />

hinter sich hat, an eine Fehlbewegung<br />

oder gar Verletzung des rechten<br />

Arms kann sie sich nicht entsinnen. Das<br />

Röntgenbild der Schulter in zwei Projektionen<br />

zeigt normale ossäre Verhältnisse,<br />

es finden sich insbesondere keine Arthrosezeichen<br />

im humero-scapulären (Schulter-)<br />

wie auch im akromio-claviculären<br />

Gelenk.<br />

Die in dieser Situation in der Regel gestellte<br />

Diagnose lautet auf «akute Periarthropathia<br />

humero-scapularis» (sogenannte<br />

PHS). Natürlich sind auch differentialdiagnostische<br />

Überlegungen zu machen,<br />

z. B. in Richtung eines von der Halswirbelsäule<br />

ausgehenden cervico-brachialen<br />

Schmerzes: Hier ist die Provokation durch<br />

gewisse Bewegungen oder Endstellungen<br />

der HWS oft wegleitend, die Neurologie<br />

selbstverständlich zu überprüfen, oder es<br />

ist an die (seltene!) neuralgische Amyotrophie<br />

der Schulter zu denken, doch gibt<br />

es hier bezeichnenderweise keine Bewegungsabhängigkeit<br />

der Schmerzen, möglicherweise<br />

aber begrenzte Paresen.<br />

Doch was ist denn eine Periarthropathie<br />

wirklich? Vernünftiger wäre es zweifellos,<br />

statt dieses Schleierbegriffs, der «Leiden<br />

um das Gelenk herum» signalisiert, mit<br />

der strukturellen Benennung des Problems<br />

von einer akuten Tendopathie bzw.<br />

Tendinitis zu sprechen, denn darum handelt<br />

es sich in den allermeisten derartigen<br />

Fällen: eine akute Reizung des Sehnenapparats,<br />

am Beispiel der Schulter am häufigsten<br />

der sogenannten Rotatorenmanschette<br />

(v. a. die abduzierenden und<br />

aussenrotierenden Sehnen von Supraund<br />

Infraspinatusmuskel, teilweise auch<br />

die innenrotierende Subscapularissehne),<br />

wobei die Bicepssehne ebenfalls mitmachen<br />

oder isoliert betroffen sein kann.<br />

Typisch ist, dass diese Problematik fast<br />

ausschliesslich erst nach dem 40. Lebensjahr<br />

auftaucht, wahrscheinlich korrelierend<br />

mit der beginnenden Altersdegeneration<br />

des Sehnenmaterials. Zusätzlich<br />

kann auch eine oberhalb der Rotatorenmanschette<br />

gelegene Entzündung der<br />

Bursa subacromialis mitbestehen, die sich<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

53


PERSPEKTIVEN<br />

klinisch nicht nachweisen lässt. Gelegentlich<br />

stösst man dann als Bestätigung für<br />

deren Vorliegen bei der subakromialen<br />

Punktion auf synoviale Flüssigkeit. Das<br />

MRI zeigt diesen Befund selbstverständlich<br />

auch, ist aber für die Diagnose einer<br />

neu aufgetretenen Tendopathie sicher<br />

nicht notwendig, so wenig wie Standard-<br />

Röntgenaufnahmen. Diese sind einzig bei<br />

hartnäckig rezidivierenden Problemen<br />

sinnvoll, weil sie dann unter Umständen<br />

durch den Nachweis grösserer Kalkdepots<br />

im Sehnenbereich wegen der Schmerzprovokation<br />

oder Passagebehinderung der<br />

verdickten Sehnen zur Indikation für einen<br />

chirurgisch-orthopädischen Eingriff<br />

führen können. Kleine Depots von Kalk<br />

sind meist irrelevant und können sich<br />

auch häufig spontan auflösen. Die von<br />

mir schon in radiologischen Berichten<br />

angetroffene Beurteilung «keine Verkalkungen,<br />

somit keine PHS» ist selbstverständlich<br />

unsinnig, eine akute Tendopathie<br />

ist nicht ans Vorliegen von Kalkablagerungen<br />

gebunden.<br />

Das MRI seinerseits ist nur dann zwingend,<br />

wenn die Klinik eine klar nicht<br />

(nur) auf Schmerzblockade beruhende,<br />

neu aufgetretene Bewegungsunfähigkeit<br />

des Arms speziell für die Abduktion zeigt,<br />

am deutlichsten dadurch ausgedrückt,<br />

dass der durch den Untersucher passiv<br />

seitlich abduzierte Arm vom Patienten<br />

nicht in dieser Stellung gehalten werden<br />

kann und rasch abfällt: Pseudoparese, auf<br />

eine mechanische Durchtrennung der<br />

Rotatorenmanschette bzw. eines grösseren<br />

Anteils davon hinweisend, was das<br />

MRI dann klar belegt. Auch dies ist aber<br />

selbstverständlich noch keine zwingende<br />

chirurgische Indikation, die für den Einzelfall<br />

diskutiert werden muss, wobei insbesondere<br />

das Alter des Patienten und die<br />

noch erwartete Funktionalität der Schulter<br />

eine Rolle spielen.<br />

Therapeutisch drängt sich aus Schmerzgründen<br />

vorübergehende Ruhigstellung<br />

auf, falls notwendig sogar kurzfristig mit<br />

einer Mitella. Nichtsteroidale Antirheumatika<br />

NSAR sind nicht falsch, sie haben eine<br />

gewisse schmerzlindernde Wirkung, die<br />

aber meist nicht genügt, um die Problematik<br />

nachhaltig einzudämmen. Hier<br />

empfiehlt sich nach Erfahrung des Verfassers<br />

fast zwingend die subakromiale Steroidinfiltration<br />

am einfachsten von lateral<br />

her durch den M. deltoideus zwischen<br />

Humeruskopf und Akromion behutsam<br />

ins sog. subakromiale Gleitlager eingeführt,<br />

also oberhalb der Rotatorenmanschette.<br />

Diese ist natürlich zu schonen,<br />

was durch einen völlig fehlenden Gegendruck<br />

beim Injektionsversuch bestätigt<br />

wird, nachdem man den Deltamuskel mit<br />

der Nadelspitze passiert hat. Der Effekt des<br />

Steroids ist innert 1 – 2 Tagen meist da in<br />

Form völliger Schmerzfreiheit oder doch<br />

wesentlicher Erleichterung, meist begleitet<br />

von raschem Wiedergewinn der vorherigen<br />

Motilität. Zur Steroidinjektion allgemein,<br />

ob (wie in diesem Fall) nur periartikulär<br />

oder auch intraartikulär, hier der<br />

Hinweis, dass es dafür nicht Abdeckrituale<br />

oder OP-Saal-Bedingungen braucht,<br />

aber nach guter Desinfektion eine absolute<br />

«no touch-Technik». Vorzugsweise geht<br />

man vorerst bis zum sicheren Nadelsitz<br />

am gewünschten Ort mit einem Lokalanaesthetikum<br />

ein, um dann das Depotsteroid<br />

nachzugeben. Physiotherapie, oft<br />

gutgemeint verordnet, hat in dieser Phase<br />

keinen Platz, der Patient wird gequält, der<br />

Therapeut frustriert, da insbesondere Bewegungsübungen<br />

hier meist nur verschlimmernd<br />

wirken.<br />

Der Begriff der Periarthropathie wird bekanntlich<br />

auch in der Knie- und Hüftregion<br />

angewendet (Periarthropathia genus<br />

PAG bzw. Periarthropathia coxae PAC),<br />

doch ist in diesen Regionen das Auftreten<br />

der Störung meist etwas weniger heftig<br />

und invalidisierend als im Fall der Schulter.<br />

Grundsätzlich handelt es sich aber um<br />

das genau gleiche Substrat, nämlich eine<br />

tendopathische Reizung unter möglicher<br />

Mitbeteiligung bursaler Strukturen. Im<br />

Fall des Knies ist dies sehr oft die medial<br />

gelegene Sehnengruppe der dort ansetzenden<br />

Knie-Adduktoren (Pes anserinus),<br />

oft mit Irritation der zwischen Sehnen<br />

und Knochen gelegenen Bursa; auch die<br />

Patellarsehne kann natürlich Reizort<br />

sein, in der Regel in der Nähe ihrer patellären<br />

Insertion, weniger der tibialen. Im<br />

Fall der Hüfte ist es meist die über den<br />

Trochanter laufende und häufig auch die<br />

darunter gelegene Bursa trochanterica<br />

irritierende seitliche Sehnenplatte des<br />

Tractus ilio-tibialis, wesentlich seltener<br />

sind Tendopathie und Bursitis der Iliopsoassehne<br />

(Bursitis ilio-pectinea), die<br />

einen unklaren Leistenschmerz verursachen<br />

können. In beiden Regionen, Knie<br />

und Hüfte, kann eine einzige, bei Bedarf<br />

auch 1 – 2 mal wiederholte Steroidinjektion<br />

ebenfalls die rationellste Problemlösung<br />

sein; praktisch kontraindiziert ist<br />

sie in den Augen des Verfassers aber im<br />

Fall der Patellarsehne, bei der auf Grund<br />

ihrer grossen biomechanischen Belastung<br />

das Rissrisiko zu hoch erscheint.<br />

Die Fussregion kennt den Begriff der Periarthropathie<br />

nicht; auch hier können<br />

aber isolierte Tendopathien recht akute<br />

und starke Schmerzen verursachen. Eine<br />

oft nicht erkannte Situation ist etwa die<br />

Reizung der Tibialis posterior-Sehne, die<br />

einen unangenehmen Schmerz in der<br />

medialen Knöchelgegend verursacht.<br />

Auch hier kann das lokale Steroid gut<br />

helfen, selbstverständlich neben Analyse<br />

und Korrektur der auslösenden Bedingungen,<br />

während für die bekanntere Tendopathie<br />

der Achillessehne das schon bei der<br />

Patellarsehne erwähnte (zusätzliche)<br />

Rissrisiko durch Sterodinjektionen zu beachten<br />

ist, da die Sehne im Gegensatz zur<br />

Tibialis posterior- Sehne und anderen<br />

Sehnen im Fussbereich wesentlich mehr<br />

belastet ist.<br />

Akute Synovitis eines<br />

Gelenks – muss man<br />

gleich an die septische<br />

Arthritis denken?<br />

Fall: Der 52-jährige Bauarbeiter kann am<br />

Montagmorgen nicht zur Arbeit, weil am<br />

Sonntag sein rechter Fuss innert weniger<br />

Stunden ganz massiv angeschwollen sei.<br />

Er habe sich in der letzten Zeit sehr gut<br />

gefühlt, es gab keine Erkrankungen oder<br />

Verletzungen. Frühere ähnliche Ereignisse<br />

werden negiert. Am Samstagabend<br />

habe er noch bei einem guten Essen den<br />

Geburtstag eines Arbeitskollegen mitfeiern<br />

können.<br />

Der Befund zeigt einen deutlich übergewichtigen<br />

Mann, der beim Gehen den<br />

rechten Fuss nur unter offensichtlich heftigen<br />

Schmerzen leicht mit der Zehenpartie<br />

am Boden absetzt. Der Fuss ist praktisch<br />

umfassend angeschwollen bis zu den<br />

Zehenbasen. Die angespannte Haut ist<br />

bläulich-rötlich verfärbt und leicht glänzend,<br />

jegliche Palpation ist schmerzhaft,<br />

besonders in der Gegend des oberen<br />

Sprunggelenks. Das Erstlabor ergibt ein<br />

deutlich erhöhtes C-reaktives Protein von<br />

72 mg/l und etwas Leukozytose.<br />

Der gedankliche Reflex des heutigen Medizinstudenten<br />

und jungen Praktikers<br />

geht in dieser Situation wohl zuerst in<br />

Richtung einer infektiösen Problematik<br />

mit dem drohenden Schreckensszenario<br />

einer von diesen betroffenen Gelenken<br />

ausgehenden Sepsis. Entsprechend wird<br />

54 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


PERSPEKTIVEN<br />

diagnostischer Aufwand betrieben oder<br />

der Patient raschmöglichst mit Infektverdacht<br />

dem Rheumatologen zugewiesen<br />

– sicher nicht falsch, aber meist nicht<br />

nötig.<br />

Die differentialdiagnostische Abwägung<br />

muss hier nämlich zur Beurteilung führen,<br />

dass die vorliegende Gelenkserkrankung<br />

viel eher einer akuten Kristallarthritis<br />

entspricht als einem Infekt: Argumente<br />

und Indizien dafür sind das sehr<br />

rasche Auftreten ohne jegliche Vor- oder<br />

Begleitsymptomatik, das sehr gute allgemeine<br />

Befinden des noch nicht alten<br />

Mannes (der sich bei Nachfragen dann<br />

doch erinnert, schon einmal eine ähnliche<br />

plötzliche «Geschichte» mit einem<br />

Handgelenk gehabt zu haben), sein sehr<br />

guter Ernährungszustand und die Angabe<br />

eines vorangehenden guten Nachtessens,<br />

das auch Alkoholgenuss beinhaltete. All<br />

dies macht, auch in Unkenntnis des Harnsäurespiegels,<br />

das Vorliegen einer Gicht-<br />

Arthritis, die epidemiologisch ja ungleich<br />

häufiger ist als eine bakterielle Arthritis,<br />

für den Erfahrenen wesentlich wahrscheinlicher<br />

(mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeitsrate<br />

käme auch eine Attacke<br />

im Rahmen einer Chondrokalzinose<br />

in Frage, das Vorgehen dabei bleibt gleich).<br />

Die klare Bestätigung ergibt sich natürlich<br />

aus der Gelenkpunktion mit Analyse hinsichtlich<br />

doppelbrechender lanzenförmiger<br />

Harnsäurenadeln bzw. rhombisch<br />

geformter kleiner Pyrophosphatkristalle<br />

[4]. Der Punktatgewinn ist grundsätzlich<br />

am einfachsten im Kniegelenk, es folgen<br />

mit abnehmender Erfolgsaussicht Schulter-,<br />

Hüft-, Sprung- und Handgelenk –<br />

aber selbst wenn diese Absicherung nicht<br />

Rheumatology emergencies in<br />

general practice<br />

In rheumatology there may occur emergencies especially<br />

in the field of inflammable diseases, the sudden<br />

occlusion of the central retinal artery in temporal arteritis<br />

as an example. Such incidents are rare. The general<br />

practitioner is more often confronted with not necessarily<br />

threatening, but very painful and function obstructing<br />

acute cases. In this paper four typical problems<br />

are represented which can be seen in everyday practice,<br />

sometimes misleading to wrong actions and therefore<br />

needing to be recognized in time and treated correctly:<br />

acute low back pain, periarthropathy of the shoulder<br />

joint, crystal arthritis and ruptured Baker's cyst.<br />

gelingt, ist die Indizienkette meist so<br />

zwingend, dass das entsprechende Handeln<br />

einsetzen kann. Dieses besteht nicht<br />

aus der Gabe von Allopurinol, einem oft<br />

praktizierten, aber leider falschen Reflex<br />

bei Verdacht oder Gewissheit auf akute<br />

Arthritis urica (die Harnsäuresenkung in<br />

Aktuphase kann die Entzündungssituation<br />

noch verstärken; auch Kolchizin muss<br />

nur selten eingesetzt werden), sondern aus<br />

der Punktion mit gleichzeitiger Gabe eines<br />

Depotsteroids. Der Anfall wird innert<br />

Stunden mit weitgehender Sicherheit vorbei<br />

sein.<br />

Jüngere Frau mit plötzlich<br />

geschwollener Wade:<br />

was kommt ausser einer<br />

TVT in Frage?<br />

Fall: Die 38-jährige leidenschaftliche Ausdauerläuferin<br />

kommt zum Notfallpraktiker.<br />

Sie beklagt sich über eine seit gestern<br />

Abend massiv angeschwollene linke Wade,<br />

die sie durch Spannungsgefühle sehr behindere.<br />

Ihren Hausarzt, aktuell in den<br />

Ferien, habe sie schon wiederholt in den<br />

letzten Wochen aufgesucht, weil das linke<br />

Knie eine Schwellungsneigung entwickelt<br />

habe, allerdings nicht immer gleich ausgeprägt,<br />

auch habe sie oft starke Spannungsgefühle<br />

in der Kniekehle gehabt.<br />

Der Hausarzt habe von einem möglichen<br />

Meniskusproblem gesprochen. Der Befund<br />

zeigt ein zur Zeit nicht besonders auffälliges<br />

linkes Knie, dagegen ist praktisch der<br />

ganze Unterschenkel gerötet und von<br />

glänzender Hautbeschaffenheit, deutlich<br />

verdickt und scheinbar unter starker<br />

Spannung, man misst eine Umfangvermehrung<br />

von 1,5 – 2 cm gegenüber dem<br />

rechten Unterschenkel.<br />

Selbstverständlich kann hier eine tiefe<br />

Venenthrombose (TVT) vorliegen. Nach<br />

Ausschluss entsprechender Risikofaktoren<br />

in der Anamnese und hellhörig geworden<br />

durch die unklare Knievorgeschichte der<br />

Patientin, kann aber der clevere Praktiker<br />

hier den Schluss auf eine viel plausiblere<br />

Pathologie ziehen und sich damit Abklärungen<br />

wie D-Dimere (mit dem Mangel<br />

zu grosser Sensitivität und zu geringer<br />

Spezifität für die TVT!) wie auch die Duplexsonographie<br />

schenken. Er vermutet<br />

zu Recht, dass hier möglicherweise über<br />

längere Zeit ein Knieerguss vorgelegen<br />

habe, vielleicht in Zusammenhang stehend<br />

mit der vom Hausarzt vermuteten<br />

Meniskusproblematik, und dieser dann<br />

eine popliteale Cyste (sogenannte Baker-<br />

Cyste) bildete, eine dorsale blasenartige<br />

Aus stülpung der Gelenkkapsel mit stielförmiger<br />

Verbindung zum Synovialflüssigkeit<br />

im Überschuss produzierenden<br />

gereizten Kniegelenk, welche nun spontan<br />

rupturiert ist. Dies ist in der Tat ein nicht<br />

seltener Vorgang, wobei das Einfliessen<br />

der Synovia in den Unterschenkel oft mit<br />

einer vorübergehend heftigen ausgedehnten<br />

Entzündungsreaktion verbunden ist,<br />

die viel dramatischer wirkt, als sie in<br />

Wahrheit ist, und eben Assoziationen an<br />

eine venöse Thrombose wecken kann [5].<br />

Die Behandlung ist so einfach wie die Diagnose:<br />

Entlastung, Hochlagerung, eventuell<br />

lokale Kälte und Kompression je<br />

nach klinischem Befinden, zur Entzündungshemmung<br />

orale Antiphlogistika.<br />

Bei Zweifeln an der Diagnose kann noch<br />

eine Ultraschalluntersuchung von Knieregion<br />

und Wade vorgenommen werden.<br />

Sie wird möglicherweise Kniegelenkserguss,<br />

Relikte der Cyste im Poplitealbereich<br />

(die auch mehrkammrig sein und weit in<br />

den Unterschenkel ragen kann) und im<br />

Unterschenkel diffus verteilte Flüssigkeitsmengen<br />

zeigen, die sich normalerweise<br />

spontan resorbieren. Selbstverständlich ist<br />

im Nachgang die Analyse und Behandlung<br />

der auslösenden Ursache angezeigt:<br />

Meist handelt es sich um degenerative<br />

Knieknorpel- und Meniskusschäden,<br />

nicht selten auch um die Äusserung einer<br />

rheumatoiden Arthritis. ■<br />

Korrespondenzadresse<br />

Dr. med. Heinz Fahrer<br />

Rheumatologie FMH<br />

Obere Gwanne 37<br />

3713 Reichenbach i. K.<br />

fahrer@hin.ch<br />

Literatur<br />

1. Rheumatologische Notfälle und Akutsituationen.<br />

In: Zeidler H, Michel B. Differenzialdiagnose<br />

rheumatischer Erkrankungen. Springer<br />

Medizin Verlag Heidelberg 2009: 382 – 85.<br />

2. Pengel L, Herbert R, Maher C et al. Acute low<br />

back pain: systematic review of its prognosis.<br />

BMJ 2003; 327: 323.<br />

3. Atlas SJ, Deyo RA. Evaluating and managing<br />

acute low back pain in the primary care setting.<br />

J Gen Intern Med 2001; 16 (2): 120 – 31.<br />

4. Courtney P, Doherty M. Joint aspiration and<br />

injection and synovial fluid analysis. Best<br />

Pract Res Clin Rheumatol 2013; 27 (2):<br />

137 – 69.<br />

5. Drescher MJ, Smally AJ. Thrombophlebitis<br />

and pseudothrombophlebitis in the ED. Am J<br />

Emerg Med 1997; 15 (7): 683 – 85.<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

55


PERSPEKTIVEN<br />

D as erleseneObjekt<br />

Eine umfunktionierte<br />

Zigarettendose<br />

Prof. Iris Ritzmann, Medizinhistorikerin in Zürich<br />

Wie bitte? Das soll nun ein Arzneibehältnis<br />

sein, das in Albert Schweitzers berühmtem<br />

Urwaldspital stand?! In ihren besseren<br />

Zeiten hatte die Dose der Aufbewahrung<br />

von Zigaretten gedient. Schweitzer<br />

funktionierte sie in seiner Apotheke um.<br />

Die Aufschrift stammt aus der Feder des<br />

«Urwalddoktors» selbst. Man kann ihr<br />

entnehmen, dass in dieser Dose hochgiftiges<br />

Quecksilberjodid aufbewahrt wurde,<br />

ein schon damals historisches Heilmittel<br />

gegen die Syphilis.<br />

Die Dose, Eigentum der Association Internationale<br />

pour l’œuvre du docteur Albert<br />

Schweitzer, steht momentan in der<br />

Schatzkammer der Zentralbibliothek Zürich.<br />

Sie ist Teil einer kleinen, aber feinen<br />

Ausstellung, die Einblick in die verschiedenen<br />

Facetten Schweitzers erlaubt. Anhand<br />

von Briefen, Manuskripten und<br />

Gegenständen tritt Schweitzer den Besuchenden<br />

nicht nur als Arzt entgegen, sondern<br />

auch als Theologe. Sein religiöses<br />

Sendungsbewusstsein, sein Wunsch, Gott<br />

zu dienen, brachte ihn dazu, noch in seinem<br />

vierten Lebensjahrzehnt ein Medizinstudium<br />

zu absolvieren und nach<br />

Lambarene zu reisen.<br />

Albert Schweitzer war für eine ganze Ärztegeneration<br />

ein Idol. Inwieweit seine<br />

Medizin den damaligen Qualitätskriterien<br />

entsprach, stellt heute eine offene Frage<br />

dar. Gespannt blicken wir den Forschungsresultaten<br />

der Universität Bern<br />

entgegen, wo zurzeit der ausgedehnte<br />

Briefwechsel Schweitzers, Krankenjournale,<br />

Fotografien und sonstige persönliche<br />

Aufzeichnungen ausgewertet werden. ■<br />

Medikamentenbehältnis aus Albert Schweitzers Spitalapotheke in Lambarene<br />

Albert Schweitzer (1875–1965)<br />

Eine Ausstellung in der Schatzkammer der Zentral bibliothek Zürich<br />

Zähringerplatz 6, CH-8001 Zürich, Tel +41 44 2683 100<br />

Öffnungszeiten<br />

Mo–Fr: 13–17 Uhr, Sa: 13–16 Uhr<br />

Die Ausstellung wird noch bis 12. September <strong>2015</strong> gezeigt.<br />

www.zb.uzh.ch/ausstellungen<br />

56 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Lösungen für jede Lebensphase<br />

Welche Versicherungen sind obligatorisch? Wer profitiert von einer Lohnfortzahlungsversicherung?<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC hat speziell für Ärztinnen und Ärzte das so genannte Lebensphasenmodell<br />

entwickelt. Es zeigt auf übersichtliche und praktische Art auf, welche Versicherungen in<br />

welchen Lebensphasen von zentraler Bedeutung sind.<br />

Christoph Bohn, freier Mitarbeiter MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Nebst dem Ausfüllen der Steuererklärung<br />

gehört wohl die Auseinandersetzung mit<br />

Versicherungsangelegenheiten für die<br />

meisten Menschen zu den unbeliebtesten<br />

Tätigkeiten. «Was benötige ich an Versicherungen,<br />

wenn ich eine Praxis gründe?»<br />

«Ist eine Privathaftpflicht in meiner<br />

Situation sinnvoll oder überflüssig?» «Was<br />

genau bringt mir eine Rechtsschutzversicherung?»<br />

Solche und ähnliche Fragen<br />

bleiben auch Ärztinnen und Ärzte nicht<br />

erspart – selbst wenn ihre Kernkompetenzen<br />

und Hauptinteressen logischerweise<br />

in ganz anderen Bereichen liegen.<br />

MEDISERVICE ist als Dienstleistungsorganisation<br />

des <strong>VSAO</strong> auf die speziellen<br />

Bedürfnisse und Anforderungen von Ärzten<br />

spezialisiert und kennt die verschiedenen<br />

Phasen der medizinischen Berufslaufbahn<br />

bestens. Im Wissen um die Arbeitsbelastung<br />

und die knappe Freizeit<br />

seiner Mitglieder versucht MEDISERVICE,<br />

möglichst zweckmässige, nutzerorientierte<br />

Informationsinstrumente zu schaffen.<br />

Diese Idee liegt auch dem Lebensphasenmodell<br />

zugrunde.<br />

Das Lebensphasenmodell<br />

von MEDISERVICE<br />

In enger Zusammenarbeit mit Versicherungsspezialisten<br />

hat MEDISERVICE das<br />

Lebensphasenmodell für Ärzte entwickelt<br />

(www.mediservice-vsao.ch/de/lebens<br />

phasen). Es entlastet nicht nur von mühsamem,<br />

administrativem Mehraufwand,<br />

sondern bietet vor allem in qualitativer<br />

Hinsicht ausgereifte, professionelle und<br />

langfristig vorteilhafte Versicherungslösungen.<br />

Und zwar in jeder beruflichen<br />

und/oder privaten Lebensphase – von der<br />

Ausbildung bis zur Pensionierung. Insbesondere<br />

wenn eine berufliche oder private<br />

Veränderung ansteht, sollte die Versicherungssituation<br />

überprüft werden. Dank<br />

des Lebensphasenmodells ist dies mühelos<br />

möglich: Auf einen Blick wird ersichtlich,<br />

in welchem Lebensabschnitt welche<br />

Versicherungsangebote von relevanter<br />

Bedeutung sind. Das Modell ist übersichtlich<br />

aufgeteilt in die Bereiche «Beruf» und<br />

«Privat» und funktioniert ganz einfach.<br />

www.mediservice-vsao.ch/de/lebensphasen<br />

Sicherheit im Berufs- ...<br />

Ein Lesebeispiel: Sie haben Ihren Facharzttitel<br />

erworben und treten nun eine<br />

neue Stelle als Oberarzt in einem Spital<br />

an. Entsprechend fallen Sie in die Rubrik<br />

«Angestellter Facharzt». Diese Bezeichnung<br />

finden Sie oben in der Rubrik «Beruf»<br />

in den Spaltentiteln. Wenn Sie nun<br />

die Inhalte der entsprechenden Spalte von<br />

oben nach unten anschauen, sehen Sie<br />

blitzschnell, welche Versicherungen und<br />

Dienstleistungen für Sie wichtig und damit<br />

empfehlenswert sind: so u.a. Taggeld-,<br />

Stellenunterbruch- und Rechtsschutzversicherung.<br />

Dazu kommen natürlich die<br />

Basisversicherungen, die in jeder beruflichen<br />

und privaten Situation unabdingbar<br />

sind, z.B. die Krankenkasse. Verdickt sich<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

57


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

die Linie, ist diese Versicherung und/oder<br />

Dienstleistung in dieser Lebensphase speziell<br />

interessant.<br />

Nebst den Versicherungen profitieren Sie<br />

bei MEDISERVICE von zahlreichen nützlichen<br />

Dienstleistungen wie Seminaren,<br />

Jobmed (medizinisches Stellenportal),<br />

Laufbahnplanung, Paket «Schritt in die<br />

Selbständigkeit» und vielem mehr.<br />

Als «Angestellter Facharzt» sind Sie laut<br />

Gesetz gegen viele Risiken direkt von Ihrem<br />

Arbeitgeber versichert. Das ist hingegen<br />

bei einem «Selbständigen Facharzt»<br />

nicht der Fall. Darum sieht die Übersicht<br />

im Lebensphasenmodell unter der Rubrik<br />

«Selbständiger Facharzt» komplett anders<br />

und viel umfangreicher aus.<br />

... und im Privatleben<br />

Genau gleich funktioniert das Lebensphasenmodell<br />

im Bereich «Privat». Auch<br />

hier gibt es entscheidende Momente im<br />

Leben, die eine Anpassung oder einen<br />

sinnvollen Ausbau der abgeschlossenen<br />

Versicherungen nötig machen. Das geht<br />

vom Bezug der ersten eigenen Wohnung<br />

über die Gründung einer Familie über<br />

den Arbeitsort (In- bzw. Ausland) bis zum<br />

komplexen Themenbereich «Pensionierung/Altersvorsorge».<br />

Es lohnt sich sehr,<br />

Versicherungen verstehen<br />

Das Lebensphasenmodell zeigt, wer wann welche Versicherungen braucht. Wofür aber haftet eine<br />

Haftpflichtversicherung? Und was schützt eine Rechtsschutzversicherung? In unserer neuen Serie<br />

«Versicherungen verstehen» stellen wir die einzelnen Versicherungsarten und ihre Geltungsbereiche<br />

kurz vor. In der nächsten Ausgabe des <strong>VSAO</strong>-Journals vom Oktober <strong>2015</strong> (<strong>Nr</strong>. 5/15) gehen wir näher<br />

auf die Berufs- und Privathaftpflicht-Versicherungen für Ärztinnen und Ärzte ein.<br />

hier schon frühzeitig die richtigen Weichen<br />

zu stellen, damit man dann später<br />

im Falle eines Falles keine unangenehmen<br />

und vor allem kostspieligen Überraschungen<br />

erlebt.<br />

Kompetenter Partner<br />

In allen diesen Bereichen ist MEDISER­<br />

VICE ein kompetenter Ansprechpartner,<br />

der die Bedürfnisse, Anliegen und Wünsche<br />

seiner Mitglieder im Detail kennt.<br />

Als Non-Profit-Organisation ist MEDI­<br />

SERVICE nicht gewinnorientiert, neutral<br />

und keinem Versicherungsanbieter verpflichtet.<br />

Entsprechend können in jedem<br />

Fall clevere und preiswerte Versicherungslösungen<br />

ausgearbeitet und auf die individuellen<br />

Bedürfnisse zugeschnitten<br />

werden.<br />

Für Fragen und weiterführende Beratungen<br />

wenden Sie sich an MEDISERVICE:<br />

Telefon 031 350 44 22 oder E-Mail info@<br />

mediservice-vsao.ch. <br />

■<br />

58 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

BRIEFKASTEN<br />

Nach jahrelanger Tätigkeit als angestellter Arzt in einer Arztpraxis für<br />

Allgemeine Innere Medizin wage ich nun den Schritt in die Selbständigkeit.<br />

Wie kann ich mich gegen Forderungen von Patienten oder<br />

Drittpersonen absichern? Welchen Pflichten unterstehe ich in Bezug<br />

auf die Haftpflichtversicherung? Mein neu erworbenes Praxisinventar<br />

möchte ich gegen mögliche Schäden versichern. Welche Möglichkeiten<br />

gibt es und wie kann ich mich ausserdem gegen einen möglichen Honorarausfall<br />

oder zusätzlich entstehende Kosten absichern?<br />

Herzliche Gratulation zur Neueröffnung Ihrer Praxis. Durch Ihr Einverständnis, einen<br />

Patienten zu untersuchen, entsteht ein privatrechtliches Vertragsverhältnis, welches im<br />

Sinne des Obligationenrechts als Auftragsverhältnis gilt. Für Sie ergibt sich dadurch die<br />

Pflicht zur sorgfaltsgemässen Untersuchung und Behandlung. Ein Heilungserfolg ist<br />

jedoch nicht geschuldet. Trotzdem können Schadenersatzforderungen im Zusammenhang<br />

mit Ihrer Tätigkeit als frei praktizierender Arzt oder als Belegarzt geltend gemacht<br />

werden, welche rasch die eigenen finanziellen Möglichkeiten übersteigen können. Aus<br />

diesem Grunde empfehlen wir Ihnen eine Berufshaftpflichtversicherung. Über dieses<br />

Produkt besteht im Rahmen der versicherten Tätigkeit sowie der vereinbarten Versicherungssumme<br />

Versicherungsschutz gegen Haftpflichtansprüche, die aufgrund gesetzlicher<br />

Haftpflichtbestimmungen wegen Personen-, Sach- und reiner Vermögensschäden<br />

gegen Sie erhoben werden. Bei Behandlung des Patienten durch Ihre Angestellten oder<br />

Ihren Stellvertreter sind Haftpflichtansprüche ebenfalls gedeckt. Dank dem passiven<br />

Rechtsschutz können Sie nicht nur bei gerechtfertigten Haftpflichtansprüchen auf Ihre<br />

Versicherung zurückgreifen, sondern auch bei ungerechtfertigten Forderungen von der<br />

Berufshaftpflichtversicherung profitieren.<br />

Nicole Schirmer, Ansprechperson der Helvetia für<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Tipp: Pflegen Sie eine offene und konstruktive Kommunikation und klären Sie realistisch<br />

über Risiken und über das zu erwartende Resultat ohne Abgabe einer Erfolgsgarantie<br />

auf. Unterlassen Sie ausserdem Versprechungen auf Schadenersatz.<br />

Neben den bereits genannten Risiken bestehen noch weitere Gefahren. So sollte das neu<br />

erworbene Inventar möglichst umfassend geschützt sein, um bei einem Schadenfall,<br />

zum Beispiel einem Brand, abgesichert zu sein. Ebenso falls in die Praxis eingebrochen<br />

wird und diverse Medikamente sowie Laptops und andere Büroeinrichtungen entwendet<br />

werden. Damit Sie Ihre Tätigkeit in einem solchen Fall möglichst bald wieder aufnehmen<br />

können, empfehlen wir Ihnen eine Fahrhabeversicherung für Ihr Inventar sowie einen<br />

allfälligen Honorarausfall gegen die Gefahren Feuer/Elementar, Einbruchdiebstahl und<br />

Wasser. Auch Folgekosten, wie zum Beispiel die Wiederherstellungskosten von beschädigten<br />

Patientendaten sind mitversichert. Für einen noch weiter gehenden Schutz Ihrer<br />

büro- und medizintechnischen Geräte besteht die unkomplizierte pauschale technische<br />

Versicherung. In der Hektik des Alltags kann ein teures Gerät durch Fallenlassen oder<br />

durch falsche Bedienung schnell einen beträchtlichen Schaden erleiden. Mit der technischen<br />

Versicherung wird für eine lückenlose Absicherung gesorgt.<br />

Helvetia bietet alle genannten Versicherungen für MEDISERVICE-Mitglieder zu sehr<br />

vorteilhaften Konditionen an. Haben Sie noch weitere Fragen? Wenden Sie sich an Ihren<br />

Ansprechpartner bei der MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC. <br />

■<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

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MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Lohnausfall – das Wichtigste<br />

in Kürze<br />

Krankheit, Unfall, Schwangerschaft – es gibt viele Gründe, weshalb man arbeitsunfähig werden<br />

kann. Wer im Falle eines Falles zahlt, haben wir in den Ausgaben 1 bis 3/15 des <strong>VSAO</strong>-Journals ausführlich<br />

behandelt. innova, der Versicherungspartner von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC, hat einen<br />

kleinen Ratgeber zu Fragen von Lohnausfall und Taggeld zusammengestellt. Er richtet sich sowohl<br />

an angestellte wie an selbständig erwerbende Ärztinnen und Ärzte.<br />

Versicherungsbedarf<br />

Weshalb benötige ich eine Lohnausfallversicherung?<br />

• Selbständig Erwerbende und<br />

Praxisinhaber benötigen eine Taggeldversicherung<br />

zur Absicherung der<br />

laufenden Kosten im Fall einer Krankheit<br />

oder eines Unfalls. Ausserdem können<br />

Sie sich damit ihren gewohnten<br />

Lebensstandard erhalten.<br />

• Fallen Praxisangestellte durch<br />

Krankheit oder Unfall aus, muss der<br />

Lohn während einer zeitlich begrenzten<br />

Frist weiterbezahlt werden. Die<br />

Lohnfortzahlungspflicht kann eine<br />

grosse finan zielle Belastung und ein<br />

wirtschaftliches Risiko für den Praxisinhaber<br />

darstellen. Wir empfehlen deshalb<br />

den Abschluss einer Lohnausfallversicherung<br />

für die Praxismitarbeiter.<br />

• Angestellte Ärzte schützen sich mit<br />

dem Abschluss einer Lohnausfallversicherung<br />

vor den wirtschaftlichen Risiken<br />

einer Arbeitsunfähigkeit. Sie verfügen<br />

bei Krankheit oder Unfall über ein<br />

fortlaufendes Einkommen während<br />

zweier Jahre.<br />

Versicherungslösungen<br />

Ich plane, während sechs Monaten<br />

in einem Spital im Ausland<br />

zu arbeiten. Was muss ich beim<br />

Abschluss der Lohnausfallversicherung<br />

beachten?<br />

Wenn Sie eine Lohnausfallversicherung<br />

bei innova abgeschlossen haben, so dauert<br />

Ihr Versicherungsschutz im Ausland<br />

180 Tage.<br />

Wie wähle ich beim Abschluss<br />

der Versicherung die optimale<br />

Wartefrist?<br />

Durch eine Abschätzung der möglichen<br />

Risiken: Wie lange können Sie im Fall<br />

einer Krankheit oder eines Unfalls ohne<br />

regelmässiges Einkommen bleiben? Wie<br />

lange reichen die Ersparnisse? Reichen sie<br />

aus, um die laufenden Kosten zu decken<br />

und Ihren aktuellen Lebensstandard beizubehalten?<br />

Wie viel Taggeld muss ich<br />

versichern?<br />

Um Ihren gegenwärtigen Lebensstandard<br />

abzusichern, ist es von Vorteil, wenn Sie<br />

Ihren AHV-deklarierten Lohn versichern.<br />

Selbständig Erwerbende haben die Möglichkeit,<br />

zusätzlich die anfallenden Betriebskosten<br />

zu versichern.<br />

Kann ich als Teilzeitangestellte<br />

auch eine Taggeldversicherung<br />

abschliessen?<br />

Ja, im Rahmen des deklarierten AHV-<br />

Lohns.<br />

Wie versichere ich Privathonorare?<br />

Indem Sie Ihren AHV-Lohn um die Summe<br />

der erwarteten Privathonorare bis zu<br />

einem Maximum von 1000 Franken pro<br />

Tag versichern.<br />

Ich bin zu 60 Prozent angestellt<br />

und zu 40 Prozent selbständig –<br />

wie muss ich mich versichern?<br />

Als Angestellter sind Sie über Ihren Arbeitgeber<br />

für eine gewisse Zeit, mindestens<br />

gemäss OR, versichert. Demnach soll unbedingt<br />

der Versicherungsschutz überprüft<br />

werden. Für die selbständige Tätigkeit<br />

schliessen Sie eine Lohnausfallversicherung<br />

ab. Bitte beachten Sie, dass das<br />

minimal versicherbare Taggeld 100 Franken<br />

pro Tag beträgt (innova Lösung).<br />

Was muss ich bei befristeten<br />

Verträgen beachten?<br />

Falls Sie bei innova eine Lohnausfallversicherung<br />

mit variabler Wartefrist abgeschlossen<br />

haben, so wird die Wartefrist<br />

automatisch dem neuen Vertrag angepasst.<br />

Im Falle einer Krankheit oder wenn<br />

mitversichert – eines Unfalls – sind Sie<br />

geschützt; es entsteht keine Versicherungslücke.<br />

Arbeitsunfähigkeit<br />

Wann und wie muss ich eine<br />

Arbeitsunfähigkeit anmelden?<br />

Melden Sie eine Arbeitsunfähigkeit innerhalb<br />

von fünf Tagen nach Ablauf der<br />

Wartefrist, spätestens jedoch 14 Tage nach<br />

Beginn der Arbeitsunfähigkeit bitte<br />

schriftlich bei innova. Nach weiteren drei<br />

Tagen muss die Arbeitsunfähigkeitsbestätigung<br />

eines Arztes oder Chiropraktikers<br />

mit der Krankmeldung eingereicht werden.<br />

Die Arbeitsunfähigkeit kann mit dem<br />

Formular «Meldung der Arbeitsunfähigkeit»<br />

gemeldet werden. Sie können diese<br />

Formulare bei innova in gedruckter Form<br />

bestellen.<br />

Der krankheitsbedingte Ausfall<br />

eines Praxisangestellten dauert<br />

länger. Was kann/muss ich unternehmen?<br />

Nehmen Sie mit dem Case Management<br />

von innova Kontakt auf. Ein Case Manager<br />

unterstützt den erkrankten Mitarbeiter<br />

bei Abklärungen mit Ärzten und Sozialversicherungen<br />

mit dem Ziel, ihn rasch<br />

und nachhaltig wieder in den Arbeitsprozess<br />

zu integrieren. Das Case Management<br />

bildet einen integralen Bestandteil<br />

der Lohnausfallversicherung.<br />

Leistungen<br />

Welche Leistungen aus der<br />

Lohnausfallversicherung erhalte<br />

ich bei Mutterschaft?<br />

Selbständig Erwerbende erhalten keine<br />

Leistungen. Sie sind jedoch über die EO<br />

(Erwerbsersatzordnung) versichert. Ange­<br />

60 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

stellte erhalten Leistungen während maximal<br />

112 Tagen, sofern der Arbeitgeber<br />

die Mutterschaft mitversichert hat. Ansonsten<br />

kommen die EO-Leistungen zum<br />

Tragen.<br />

Erhalte ich nach Ausscheiden<br />

aus dem Spital nach wie vor<br />

Leistungen, wenn ich arbeitsunfähig<br />

bin?<br />

Ja. Ausgeschiedene Mitarbeitende bleiben<br />

im Kollektivvertrag des Arbeitgebers versichert,<br />

solange sie arbeitsunfähig sind. In<br />

diesem Fall entspricht die Höhe und Dauer<br />

der Leistungszahlungen der zuvor (im<br />

Kollektivvertrag) versicherten Leistungen.<br />

Vorbehalten bleiben anders lautende vertragliche<br />

Vereinbarungen.<br />

Was muss ich beachten, wenn<br />

ich vor einem Stellenwechsel<br />

arbeitsunfähig werde?<br />

Wir empfehlen in diesem Fall einen Wechsel<br />

in die Einzel-Taggeldversicherung des<br />

aktuellen Arbeitgebers. Zwar müssen die<br />

Prämien durch Sie getragen werden, die<br />

Leistungen bleiben aber identisch. Falls<br />

Sie schon einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen<br />

haben, so übernimmt der<br />

Lohnausfallversicherer des neuen Arbeitgebers<br />

die Leistungen.<br />

Zu welchem Zeitpunkt werden<br />

Leistungen ausbezahlt?<br />

Sobald sowohl sämtliche Seiten des Formulars<br />

«Meldung der Arbeitsunfähigkeit»<br />

als auch eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung<br />

und die Diagnose bei innova eingetroffen<br />

sind, prüfen wir den Fall. Bei vollständigen<br />

und einwandfreien Formularen<br />

veranlassen wir die Leistungszahlungen<br />

innert vier Arbeitstagen. ■<br />

Für weitere Auskünfte und<br />

individuelle Beratung wenden<br />

Sie sich bitte an:<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Bahnhofplatz 10A<br />

Postfach<br />

3001 Bern<br />

Telefon 031 350 44 22<br />

Telefax 031 350 44 29<br />

info@mediservice-vsao.ch<br />

www.mediservice-vsao.ch<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

61


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

PARTNER-PORTRÄT:<br />

SWICA — der verlässliche<br />

Versicherungspartner<br />

SWICA ist der Krankenversicherungspartner<br />

von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-<br />

ASMAC. Sie bietet den Verbandsmitgliedern<br />

Rabatte auf ausgesuchte<br />

Zusatzversicherungen sowie exklusive<br />

Dienstleistungen.<br />

MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC zählt seit<br />

Jahren auf die bewährte Partnerschaft<br />

mit SWICA. MEDISERVICE-Mitglieder<br />

und das Personal der <strong>VSAO</strong>-<br />

Organisationen erhalten Prämienrabatte<br />

auf ausgewählte Zusatzversicherungen.<br />

Davon können auch die<br />

im gleichen Haushalt lebenden Familienangehörigen<br />

profitieren. Der Versicherungsschutz<br />

bleibt auch während<br />

eines Auslandaufenthalts bis zu<br />

drei Jahren bestehen.<br />

Vorteile aus dem<br />

Kollektivvertrag in Kürze<br />

für die MEDISERVICE-<br />

Mitglieder<br />

• Rabatte auf den Zusatzversicherungen<br />

HOSPITA und COMPLETA<br />

TOP<br />

• Zugang zu Spitzenmedizin, weltweit<br />

mit BestMed und INFORTU-<br />

NA Heilungskosten<br />

• Versicherungsschutz auch während<br />

eines Auslandaufenthaltes<br />

von bis zu 36 Monaten<br />

• Faire Tarifgestaltung in der Spitalzusatzversicherung<br />

• Kostenbeiträge an die Dienstleistungen<br />

Home Nanny und Home<br />

Attendant<br />

Gesundheitswettbewerb<br />

Nehmen Sie an unserem Wettbewerb<br />

teil und gewinnen Sie Wellnesskurzferien<br />

unter www.swica.<br />

ch/de/mediservice.<br />

Qualitativ hochstehende Medizin und<br />

erstklassige Behandlung<br />

SWICA steht für hohe Qualität sowohl<br />

bei ihren Serviceleistungen als auch<br />

bei ihren Versicherungsprodukten.<br />

Mit der privaten Spitalzusatzversicherung<br />

BestMed sichert SWICA einen<br />

schnellen und bevorzugten Zugang<br />

zu Spitzenmedizin — weltweit. Eine<br />

erstklassige Versorgung erhalten die<br />

Versicherten auch bei einem Unfall im<br />

Ausland mit der Zusatzversicherung<br />

INFORTUNA Heilungskosten. Darin<br />

eingeschlossen sind zusätzliche Leistungen<br />

für Haushaltshilfen, Hauskrankenpflege<br />

und Badekuren.<br />

SWICA engagiert sich zudem mit einem<br />

breiten Spezialistennetz für den<br />

optimalen Genesungsverlauf ihrer<br />

Kunden.<br />

Spitalzusatzversicherung lohnt sich<br />

Eine Spitalzusatzversicherung bei<br />

SWICA abzuschliessen, ist für MEDI-<br />

SERVICE-Mitglieder besonders vorteilhaft.<br />

Sie profitieren neben den<br />

exklusiven Rabatten von fairer Tarifgestaltung:<br />

Die Prämien der Spitalversicherungen<br />

steigen bei den meisten<br />

Krankenversicherern dem Lebensalter<br />

entsprechend alle fünf Jahre sprunghaft<br />

an. Das führt zu einer hohen finanziellen<br />

Belastung im Alter. Gerade<br />

dann, wenn man auf einen optimalen<br />

Versicherungsschutz angewiesen ist.<br />

SWICA verzichtet auf altersbedingte<br />

Tarifaufschläge. Die Tarife werden lediglich<br />

der tatsächlichen Kostenentwicklung<br />

angepasst.<br />

Kinderbetreuung bei Krankheit oder<br />

Unfall<br />

SWICA beteiligt sich im Rahmen der<br />

Zusatzversicherungen an den Kosten<br />

der Betreuung von kranken Kindern,<br />

wenn die Eltern oder der alleinerziehende<br />

Elternteil arbeiten müssen. Mit<br />

der Dienstleistung Home Nanny trägt<br />

SWICA den gesellschaftlichen Veränderungen<br />

Rechnung: Immer mehr<br />

Menschen leben allein, verbinden Berufsarbeit<br />

und Familie oder kümmern<br />

sich als Alleinerziehende um ihre Kinder.<br />

Ein weiterer Service im Rahmen<br />

dieses Angebots ist Home Attendant.<br />

Dieser kümmert sich um das Haustier<br />

und das Haus bzw. Wohnung während<br />

des Spitalaufenthalts eines alleinstehenden<br />

Versicherten.<br />

SWICA<br />

Die SWICA Gesundheitsorganisation<br />

ist mit rund 1,3 Mio. Versicherten<br />

und 27 500 Unternehmenskunden<br />

eine der führenden Krankenund<br />

Unfallversicherungen der<br />

Schweiz mit einem Prämienvolumen<br />

von CHF 3,6 Mrd. Das Angebot<br />

richtet sich an Privatkunden sowie<br />

Unternehmen und bietet umfassenden<br />

Versicherungsschutz für<br />

Heilungskosten und Lohnausfall<br />

bei Krankheit und Unfall. SWICA ist<br />

ein Gesundheitspartner, der mit<br />

überdurchschnittlicher Servicequalität<br />

auf ein qualitativ hochwertiges<br />

Dienstleistungsangebot setzt.<br />

SWICA hat ihren Hauptsitz in Winterthur<br />

und ist in der ganzen<br />

Schweiz tätig.<br />

62 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>


PUBLIREPORTAGE<br />

GESUNDHEIT AM ARBEITSPLATZ<br />

Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />

− ein Mehrwert<br />

für Mitarbeitende<br />

Jeder Arbeitgeber möchte sie: gesunde, zufriedene und motivierte Mitarbeitende. Ein Betriebliches<br />

Gesundheitsmanagement (BGM) trägt viel zu einem «gesunden Arbeitsplatz» bei. Das Kompetenzzentrum<br />

von Visana steht Ihnen bei der Umsetzung mit einem umfassenden Dienstleistungsangebot<br />

zur Seite.<br />

Als Arbeitgeber stellen Sie mit einem BGM sicher, dass Sie und<br />

Ihre Mitarbeitenden gesund bleiben und langfristig gesünder<br />

werden. Die sinkende Absenzquote ist ein positiver Effekt davon.<br />

Dies senkt die Kosten. Gesunde Mitarbeitende sind keinesfalls<br />

Glückssache. Für einen dauerhaften Erfolg lohnt sich<br />

ein systematisches Vorgehen.<br />

Ganzheitliche Unterstützung<br />

Ein ganzheitliches, aufeinander abgestimmtes BGM ist erfolgreicher<br />

als ein Flickwerk von Einzelmassnahmen. Das Visana-<br />

Kompetenzzentrum bietet Ihnen dafür eine breite Palette an<br />

Unterstützungsmöglichkeiten an und berät Sie individuell und<br />

bedürfnisgerecht − von der Analyse bis zur Umsetzung. Sie<br />

lernen in den BGM-Seminaren, wie Sie effizient gegen Absenzen<br />

vorgehen und Ihre Mitarbeitenden vor, während und nach<br />

einer Absenz begleiten.<br />

Visana unterstützt Sie in der Erarbeitung eines individuellen<br />

Absenzenprozesses, bei der Schulung Ihrer Führungskräfte sowie<br />

im Absenzenmanagement. Die Kurzbeschriebe der Seminare,<br />

die Kursdaten und weitere Informationen finden Sie auf<br />

www.gesundheitsmanagement-visana.ch.<br />

Seminar: «Stressmanagement − mit<br />

Energie durch den Führungsalltag»<br />

Mitarbeitende, die sich weniger gestresst<br />

fühlen, sind erwiesenermassen<br />

gesünder, motivierter und fehlen weniger<br />

am Arbeitsplatz. Als Führungsperson<br />

haben Sie massgeblichen Einfluss auf das<br />

Arbeitsumfeld Ihrer Mitarbeitenden. Im<br />

eintägigen Seminar «Stressmanagement»<br />

lernen Sie, wie Sie deren Stresssituationen<br />

positiv beeinflussen können.<br />

Nächste Durchführung ist am 10. September<br />

<strong>2015</strong> auf dem Üetliberg in Zürich<br />

(Anmeldeschluss: 3. September <strong>2015</strong>).<br />

Die Teilnahmegebühr beträgt 390 Franken,<br />

Kurssprache ist Deutsch. Die Online-<br />

Anmeldung und zusätzliche Informationen<br />

finden Sie auf www.gesundheitsmanagement-visana.ch.<br />

Bewährte Kooperation mit Visana<br />

Der Kranken- und Unfallversicherer Visana gehört zu den führenden<br />

Anbietern von Seminaren und Dienstleistungen im Bereich<br />

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und arbeitet<br />

seit Jahren mit dem MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC zusammen.<br />

Die modular aufgebauten BGM-Seminare sind von der Schweizerischen<br />

Gesellschaft für Arbeitssicherheit (SGAS) anerkannt<br />

und wurden zusammen mit Kunden entwickelt.<br />

Lassen Sie sich beraten<br />

Gerne sind wir von MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC für Sie da. Kontaktieren<br />

Sie uns telefonisch unter 031 350 44 22, per E-Mail<br />

info@mediservice-vsao.ch oder erfahren Sie mehr unter www.<br />

mediservice-vsao.ch.<br />

Hier finden sich Informationen unserer Inserenten. Die Redaktion des <strong>VSAO</strong>-Journals<br />

lehnt jede Verantwortung für die Inhalte ab.<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

63


MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />

Steuerfragen im Konkubinat<br />

Ohne Trauschein und ohne eingetragene Partnerschaft ist die Steuersituation auf den ersten<br />

Blick einfach, denn jeder füllt seine eigene Steuererklärung aus. Trotzdem stellen sich in der Praxis<br />

zahlreiche Probleme, die nicht immer einfach zu lösen sind.<br />

Werner A. Räber, Geschäftsführender Partner der Dr. Thomas Fischer & Partner AG, Baar (werner.raeber@xantrium.ch)<br />

«Vermieden wird mit dem Konkubinat die<br />

sogenannte Heiratsstrafe», hört man oft.<br />

Das heisst, die Einkommen von Doppelverdienern<br />

werden nicht zusammengezählt<br />

und eine deutlich höhere Steuerprogression<br />

wird damit vermieden. Diese<br />

Aussage gilt heute aber nicht mehr generell,<br />

da zahlreiche Kantone ein Teil- oder<br />

Vollsplitting eingeführt oder den Tarif für<br />

verheiratete Paare entsprechend angepasst<br />

haben. Je nach Kanton und Einkommenssituation<br />

kann die Heirat aktuell<br />

sogar einen Steuervorteil bringen.<br />

Bewohnt das Konkubinatspaar zusammen<br />

eine Mietwohnung, hat dies rein<br />

steuerlich gesehen keine Relevanz. Die<br />

rechtlichen Problemfelder sind eine andere<br />

Sache, was einen Konkubinatsvertrag<br />

auf jeden Fall empfehlenswert macht.<br />

Ganz anders sieht es aus, wenn gemeinsam<br />

eine Immobilie erworben wird. Vorzugsweise<br />

geschieht dies im Miteigentum,<br />

wobei die Miteigentumsquoten entsprechend<br />

den finanziellen Verhältnissen frei<br />

gewählt werden können. Ein Miteigentumsanteil<br />

ist im Weiteren Voraussetzung<br />

dafür, dass jemand Pensionskassengelder<br />

oder Säule-3a-Guthaben für den Immobilienkauf<br />

einsetzen kann. Steuerlich von<br />

Bedeutung ist, dass Eigenmiet- und Vermögenssteuerwert,<br />

aber bei einer gemeinsamen<br />

Hypothek auch die Schulden und<br />

die Schuldzinsen nach der Eigentumsquote<br />

auf die beiden Steuererklärungen zu<br />

verteilen sind. Das Gleiche gilt für die<br />

Unterhaltskosten. Erwirbt ein Konkubinatspartner<br />

die ganze Immobilie und<br />

zieht der andere Partner quasi als Untermieter<br />

ein, gilt ein Beitrag an die Wohnkosten<br />

beim Empfänger als Miete und<br />

muss entsprechend als Mieteinkommen<br />

deklariert werden, ohne dass er beim Zahlenden<br />

abzugsfähig wäre. Immerhin erfolgt<br />

beim Vermieter eine verhältnismässige<br />

Kürzung des Eigenmietwerts.<br />

Die Steuerproblematik bei gemeinsamen<br />

Immobilien geht jedoch noch weiter.<br />

Übernimmt der eine Konkubinatspartner<br />

bei Auflösung des Konkubinatsverhältnisses<br />

vom anderen dessen Miteigentumsanteil,<br />

so wird ein allfälliger Grundstückgewinn<br />

mit der Grundstückgewinnsteuer<br />

belastet, die bei kurzer Besitzdauer recht<br />

hoch sein kann. Zudem fällt in den meisten<br />

Kantonen eine Handänderungssteuer<br />

an.<br />

Teure Erbschaft<br />

Meist noch dramatischer sind die Steuerfolgen<br />

in einem allfälligen Erbfall. Um<br />

sich finanziell abzusichern, setzen sich<br />

Konkubinatspartner oft gegenseitig testamentarisch<br />

als Alleinerben ein, zumindest<br />

soweit dies unter Beachtung des<br />

Pflichtteilsrechts der Eltern möglich ist:<br />

Jedem Elternteil steht von Gesetzes wegen<br />

ein Pflichtteil von einem Viertel des Nachlassvermögens<br />

zu. Steuerlich werden Konkubinatspartner<br />

leider immer noch in<br />

vielen Kantonen als Nichtverwandte behandelt.<br />

Die maximale Erbschaftssteuer<br />

liegt dann oft zwischen 30 und 40 Prozent,<br />

zum Beispiel bei 36 Prozent im Kanton<br />

Zürich. Einige Kantone behandeln<br />

Lebenspartner immerhin wie Verwandte<br />

und die maximalen Steuersätze liegen in<br />

der Regel zwischen 10 und 20 Prozent,<br />

zum Beispiel bei 15 Prozent im Kanton<br />

Bern. Erstaunlicherweise noch weiter gehen<br />

die katholischen Innerschweizer Kantone,<br />

die bei einer eheähnlichen Gemeinschaft,<br />

das heisst, bei einem mindestens<br />

fünf Jahre dauernden Konkubinat, die<br />

beiden Partner von der Erbschafts- und<br />

Schenkungssteuer ganz befreien, gleich<br />

wie bei Eheleuten. Für den Kanton<br />

Schwyz, der diese Steuer überhaupt nicht<br />

kennt, gilt dies ohnehin.<br />

Steuerlich richtig kompliziert wird es bei<br />

Konkubinatspaaren mit gemeinsamen<br />

Kindern. Werden keine Unterhaltszahlungen<br />

geleistet, kann jeder Elternteil je den<br />

halben Kinderabzug sowie den halben<br />

Versicherungs- und Sparzinsenabzug pro<br />

Kind geltend machen. Bei den Kinderdrittbetreuungskosten<br />

kann jeder Elternteil<br />

die Hälfte in Abzug bringen, eine andere<br />

Aufteilung ist von den Eltern nachzuweisen.<br />

Der Elternteil, der zur Hauptsache für<br />

den Unterhalt der Kinder aufkommt, erhält<br />

den Elterntarif. Hierbei ist davon<br />

auszugehen, dass dies in der Regel derjenige<br />

Elternteil mit dem höheren Einkommen<br />

ist. Der andere Elternteil wird mit<br />

dem Grundtarif besteuert (weitere Details<br />

dazu im <strong>VSAO</strong>-Journal 5/2013).<br />

Nicht näher eingehen möchte ich an dieser<br />

Stelle auf die sich im Vorsorgebereich<br />

stellenden Fragen. Nur einen Hinweis<br />

möchte ich anbringen: Da die staatliche<br />

Vorsorge der 1. Säule entfällt, muss zur<br />

Absicherung oft zu Vorsorgeprodukten der<br />

Säule 3b gegriffen werden. Dabei gilt es zu<br />

beachten, dass Auszahlungen an Konkubinatspartner<br />

unter Umständen mit hohen<br />

Steuern belastet werden.<br />

Welche Lösung gibt es für alle die beschriebenen<br />

Probleme? Ich bedaure, dies<br />

sagen zu müssen, aber ausser Heiraten in<br />

den meisten Fällen leider keine wirklich<br />

taugliche.<br />

■<br />

<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />

65


IMPRESSUM<br />

KONTAKTADRESSEN DER SEKTIONEN<br />

<strong>Nr</strong>. 4 • 34. Jahrgang • <strong>August</strong> <strong>2015</strong><br />

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Ryan Tandjung, Vizepräsident<br />

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Druckauflage: 22 056 Expl.<br />

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Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />

Für <strong>VSAO</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag inbegriffen.<br />

ISSN 1422-2086<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 5/<strong>2015</strong> erscheint im Oktober <strong>2015</strong>.<br />

Thema: Spiel<br />

© <strong>2015</strong> by <strong>VSAO</strong>, 3001 Bern<br />

Printed in Switzerland<br />

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66 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2015</strong>

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