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Das Verfahren der Zuchtwertschätzung am Beispiel der ...

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<strong>Das</strong> <strong>Verfahren</strong> <strong>der</strong> <strong>Zuchtwertschätzung</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong><br />

Hüftgelenksdysplasie im Verein für Deutsche Schäferhunde<br />

Dr. Reiner Beuing<br />

Institut für Tierzucht und Haustiergenetik<br />

<strong>der</strong> Justus Liebig Universität Gießen<br />

Teil 3: Praktische Konsequenzen, Erfahrungen und Aussichten<br />

Die Ausführungen im ersten Teil hatten gezeigt, daß HD einen erblichen und vererbbaren<br />

Hintergrund hat. Gene regeln den Aufbau <strong>der</strong> knöchernen Strukturen des Gelenkes unter den<br />

Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Umweltsituationen, denen <strong>der</strong> Hund unterworfen wird.<br />

Dabei ist das einzelne Tier, so zeigen es viele Untersuchungen im In- und Ausland, nur sehr<br />

ungenau in seiner Vererbung durch die Interpretation <strong>der</strong> Röntgenaufnahme (Gutachten)<br />

einzustufen, zum Teil weil die Gutachten zu grob klassifizieren, aber vorwiegend, weil<br />

umweltbedingte Schäden <strong>am</strong> Gelenk in das Gesundheitsgutachten mit einbezogen werden.<br />

Im 2. Teil wurde dargelegt, mit welcher statistischen Methode die Vererbung besser<br />

herausgearbeitet werden kann. Grundlage des <strong>Verfahren</strong>s ist, daß die ererbten und d<strong>am</strong>it auch<br />

vererbten Ursachen sich in verwandten Tieren zum Teil auch zeigen müssen, weil Verwandte<br />

zum Teil die gleichen Gene besitzen. Verwandte unterliegen d<strong>am</strong>it dem gleichen Handicap<br />

unerwünscht wirken<strong>der</strong> bzw. dem gleichen Vorteil positiv steuern<strong>der</strong> Gene.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Verfahren</strong> wird <strong>Zuchtwertschätzung</strong> genannt und ist mittlerweile Standard für alle<br />

professionellen Zuchtprogr<strong>am</strong>me, nicht nur in <strong>der</strong> Nutztierzucht. Ergebnis ist eine Zahl die<br />

Orientierungsgrundlage für Züchter ist. Die Definition des Zuchtwertes macht die Bedeutung<br />

nochmals anschaulich:<br />

Ein Zuchtwert ist ein Zahlenwert zur Anwendung in <strong>der</strong> Zucht.<br />

Er beschreibt die Wirkung <strong>der</strong> Gene eines Tieres auf ein Merkmal,<br />

wenn diese Gene mit in <strong>der</strong> Population vorkommenden Genen<br />

kombiniert werden und durchschnittliche Umweltbedingungen<br />

vorliegen.<br />

Die Wirkung <strong>der</strong> Gene in allen möglichen Genkombinationen und im Mittel aller<br />

Umweltsituationen soll beschrieben werden. D<strong>am</strong>it wird klar, daß neben <strong>der</strong> Wirkung <strong>der</strong><br />

Gene in dem Tier selbst auch die Verwandten herangezogen werden müssen. Letztlich ist das<br />

Erbgut in den Nachkommen und Geschwistern mit vielfältigen Beimischungen <strong>der</strong><br />

Paarungspartner o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Stichproben aus dem Elterngenom kombiniert. Umwelt ist<br />

in <strong>der</strong> Verwandtschaft ebenfalls vielfältig.<br />

Die Zuchtwerte sind zur einfachen Anwendung relativ zu einer Bezugsbasis umgerechnet.<br />

100 ist die Vererbungserwartung dieses Standards. Tiere unter 100 vererben nach dem<br />

aktuellen Wissensstand weniger, Tiere über 100 vererben mehr HD.


Konsequenzen<br />

Im dem 3. Teil gilt es nun, die Konsequenzen zu erläutern, die sich aus dem Wissen über die<br />

wahrscheinliche Vererbung ergeben. Zunächst muß man die traditionelle Selektionsmethode<br />

betrachten. Früher war das HD-Gutachten Grundlage <strong>der</strong> Zuchtzulassung. Es war lebenslang<br />

gleich, sodaß die Zuchtzulassung bzw. die Zuchtsperre lebenslang Bestand hatte. Auch wenn<br />

bei HD-freien Tieren sich schlechte Geschwister häuften o<strong>der</strong> sich herausstellte, daß die<br />

Nachzucht stark HD-belastet war, wurde an <strong>der</strong> Zuchtzulassung trotzdem nichts geän<strong>der</strong>t.<br />

In <strong>der</strong> <strong>Zuchtwertschätzung</strong> werden alle aktuellen Beobachtungen eingearbeitet. Ein Wurf mit<br />

höheren HD-Graden erhöht den Zuchtwert, ein Wurf mit besseren Ergebnissen senkt ihn<br />

wie<strong>der</strong> ab. Man beobachtet ein Einpendeln auf einen wahren Wert. Eine Selektion auf <strong>der</strong><br />

Basis <strong>der</strong> Zuchtwerte, z.B. <strong>der</strong> Zuchtzulassung von Tieren mit einem Zuchtwert unter 100,<br />

würde bei manchen Tieren zur Sperrung, dann zur Wie<strong>der</strong>zuchtzulassung, wie<strong>der</strong> zur<br />

Sperrung usw. führen, wenn die Zuchtwerte um 100 schwanken. <strong>Das</strong> ist nicht praktikabel.<br />

Wesentlich wirkungsvoller ist es, sich auf die Nachzucht(-erwartung) zu konzentrieren. Die<br />

ergibt sich aus <strong>der</strong> Genwirkung des Vaters und aus <strong>der</strong> Genwirkung <strong>der</strong> Mutter, und zwar<br />

jeweils zur Hälfte, weil beide Elternteile jeweils eine Hälfte ihrer Gene in die Nachkommen<br />

einbringen.<br />

Daher ist die Formel<br />

½ Zuchtwert Vater + ½ Zuchtwert Mutter<br />

die sinnvollste Bewertungsmethode einer Paarung: Je besser <strong>der</strong> Durchschnitt <strong>der</strong> beiden<br />

Elternzuchtwerte ist, um so besser ist die Erwartung für die Nachkommen.<br />

<strong>Das</strong> Prinzip bedeutet, daß <strong>der</strong> Zuchtverband, wenn er Regeln für die Zucht gegen HD<br />

aufstellt, Anfor<strong>der</strong>ungen an die Paarung und nicht an die Tiere selbst stellen muß.<br />

<strong>Das</strong> hat große Vorteile für den Züchter. Er wird von <strong>der</strong> EDV-Stelle laufend über die<br />

aktuellen Vererbungserkenntnisse informiert und kann, ohne daß seine Zucht durch<br />

Zuchtsperren blockiert wird, durch passende Deckrüden seine Zucht weiterführen. Diese<br />

Strategie, zur Qualitätssicherung die passenden Paarungspartner auszuwählen, wird<br />

Strategische Paarung genannt. Sie ist <strong>der</strong> Schlüssel für den Zuchtfortschritt in <strong>der</strong> Rasse,<br />

nicht die <strong>Zuchtwertschätzung</strong> an sich.<br />

Der SV setzt auf die Eigeninitiative <strong>der</strong> Züchter, unter Berücksichtigung <strong>der</strong> sonstigen Form-,<br />

Wesens- und Leistungsmerkmale eine möglichst gute HD-Paarung zu machen. Eine<br />

Grenzwertfestlegung ist jedoch sinnvoll. Keine Paarung mehr mit einem Mittelwert von über<br />

100 zuzulassen bedeutet, die Welpenkäufer vor Tieren aus sehr riskanten Anpaarungen zu<br />

schützen und es bedeutet auch, die Welpen selbst vorsorglich so gut wie möglich vor<br />

Schmerzen und Beeinträchtigungen zu bewahren.<br />

Die HD-Frequenz ist in den letzten Jahren im SV nicht mehr gesunken. Der Zuchtfortschritt<br />

in Richtung Hüftgelenks-Gesundheit muß wie<strong>der</strong> neu angekurbelt werden.<br />

Beobachtungen<br />

Der Allgemeine Deutsche Rottweiler-Klub hat eine dem SV entsprechende Zuchtstrategie seit<br />

ca. 5 Jahren empfohlen und seit 1999 verbindlich in <strong>der</strong> Zuchtordnung verankert. <strong>Das</strong> seit


über 10 Jahren stagnierende HD-Niveau hat sich seit Veröffentlichung <strong>der</strong><br />

<strong>Zuchtwertschätzung</strong> sichtbar verbessert (Abb. 1).<br />

100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98<br />

frei Verdacht leicht mittel schwer<br />

Abb. 1: HD-Entwicklung beim Rottweiler<br />

Im SV ist <strong>der</strong> Zeitraum seit Erstveröffentlichung <strong>der</strong> Zuchtwertzahlen 1999 noch zu kurz, um<br />

bei den einjährigen HD-geröntgten Tieren schon Auswirkungen zu sehen. Es zeigt sich aber,<br />

daß seit Ausgabe <strong>der</strong> ersten CD-Rom (1/99) mit den Zuchtwerten die danach geborenen<br />

Welpen niedrigere (bessere) Zuchtwerte erhielten.<br />

100<br />

90<br />

80<br />

CD 1/99 CD 2/99 CD 3/99 CD 4/99 CD 1/00 CD 2/00 CD 3/00<br />

Abb. 2: Durchschnittliche HD-Zuchtwerte im SV


Befürchtungen<br />

Als die ersten Zuchtwerte veröffentlicht wurden, k<strong>am</strong>en kritische Stimmen auf. Es wurde<br />

befürchtet, daß die an die Geschäftsstelle eingesandten Filme weniger würden und daß die<br />

eingeschickten Filme stärker vorgefiltert würden, um Nachteile von schlechten Ergebnissen<br />

im Zuchtwert zu vermeiden. Beides ist nicht eingetreten.<br />

Die HD-Statistik des SV weist im letzten Jahrgang eine leicht erhöhte Röntgenquote aus. Nun<br />

könnte es sein, daß viel mehr geröngt und trotzdem stärker vorgefiltert wurde. Dazu ist<br />

folgende Überlegung anzustellen: Alle 1999 geröntgten Welpen st<strong>am</strong>men aus Paarungen die<br />

vor <strong>der</strong> Erstveröffentlichung von Zuchtwerten lagen. Dadurch, daß es im Laufe <strong>der</strong> letzten<br />

Jahre keinen Zuchtfortschritt gab, müßten sie in den HD-Graden mit den Vorjahren<br />

vergleichbar sein. Wenn schlechte HD-Ergebnisse verstärkt verschwiegen und verheimlicht<br />

würden, müßte <strong>der</strong> Jahrgang sich scheinbar besser zeigen. Ein Vergleich in <strong>der</strong> HD-Statistik<br />

des SV zeigt aber einen etwas schlechteren HD-Mittelwert als die Vorjahre, sodaß auch diese<br />

Befürchtung nicht nachweisbar ist.<br />

Perspektiven<br />

In <strong>der</strong> letzten CD-Rom (SV-Genetics 3/2000) hatten die jüngsten 1000 Welpen einen<br />

Zuchtwert von 91,61 (nach neuer Bezugsbasis 86,61 + 5). In <strong>der</strong> ersten CD betrug <strong>der</strong><br />

Mittelwert 93,56. In Abbildung 2 ist <strong>der</strong> Trend <strong>der</strong> jeweils jüngsten 1000 Hunde dargestellt.<br />

Lei<strong>der</strong> waren die Zuchtaktivitäten weniger auf die Paarungen und in Einzelfällen zu stark auf<br />

die Zuchtwerte <strong>der</strong> Tiere selbst ausgerichtet. Viele insges<strong>am</strong>t gute Hündinnen wurden zu<br />

Unrecht verd<strong>am</strong>mt, nur weil ihr Zuchtwert über 100 lag. <strong>Das</strong> ist nicht im Sinne des<br />

Zuchtplans. Auch Rüdenbesitzer müssen lernen, daß ein guter Vererber an<br />

normalvererbenden Hündinnen seine verbessernde Wirkung besser nachweisen kann als in<br />

einer Anpaarung an Spitzenhündinnen, bei denen ohnehin HD-freie Nachzucht zu erwarten<br />

ist. Lei<strong>der</strong> ist das ein Effekt, <strong>der</strong> dadurch zustande kommt, daß aus Spitzenpaarungen die<br />

exzellenten Hüften nicht beson<strong>der</strong>s ausgewiesen werden. Ein Argument mehr, vom Gutachter<br />

eine stärkere Differenzierung <strong>der</strong> HD-freien Hunde zu for<strong>der</strong>n. Jedenfalls ist es falsch, wenn<br />

Deckrüdenbesitzer Hündinnen zurückweisen.<br />

Internationale Kooperation<br />

Die Züchter des Deutschen Schäferhundes haben den Willen zur Internationalen Kooperation.<br />

Die Weltunion (WUSV) hat die ersten Schritte zu einer Realisierung <strong>der</strong><br />

län<strong>der</strong>übergreifenden <strong>Zuchtwertschätzung</strong> eingeleitet. Die ersten Ergebnisse sind<br />

vielversprechend und lassen erwarten, daß trotz <strong>der</strong> Unterschiede im Bewertungsverfahren<br />

und in <strong>der</strong> Beurteilungsschärfe eine korrekte und faire <strong>Zuchtwertschätzung</strong> möglich ist.

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