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Spezifikationskauf und BGB-Schuldrecht

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Aufsätze<br />

594 Volker Rieble/Michael Gutfried <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> <strong>BGB</strong> <strong>Schuldrecht</strong> JZ 12/2008<br />

Vertragsparteien über konkret bestimmte Leistungsinhalte<br />

geeinigt haben, zwischen denen frei gewählt werden kann.<br />

Darüber geht die Spezifikation hinaus, weil der Leistungs<br />

inhalt nach Menge <strong>und</strong> Beschaffenheit nicht vertraglich fest<br />

gelegt ist. Die Leistungsbestimmung des § 315 <strong>BGB</strong> kann<br />

weiter noch jeden Schuldinhalt konkretisieren dieser er<br />

weiterte Rahmen wird durch die Verpflichtung auf Billigkeit<br />

kompensiert. Dahinter bleibt § 375 HGB zurück, weil die<br />

Kaufsache der Art nach bestimmt sein muß <strong>und</strong> sich die<br />

Spezifikation auf Modalitäten (Form, Maß, ähnliche Verhält<br />

nisse) bezieht. Allerdings hat die Rechtsprechung schon früh<br />

den „komplizierten“ <strong>Spezifikationskauf</strong> anerkannt, bei dem<br />

der Käufer zwischen verschiedenen Qualitäten wählen durf<br />

te 1.DerBGH hat später in einem obiter dictum gemeint, die<br />

reine Gattungswahl begründe (nur) eine Wahlschuld i. S. von<br />

§ 262 <strong>BGB</strong>; es handele sich nicht um einen Spezifikations<br />

kauf. Denn der Käufer hatte nur zwischen verschiedenen<br />

Ölsorten (Autoöle, Speiseöle etc) zu wählen; Form <strong>und</strong><br />

Maß seien auch über die Preislisten des Verkäufers bereits<br />

bestimmt, so daß nur noch die Gattungswahl offen stand 2.<br />

Das steht in gewissem Widerspruch zu einer RG Entschei<br />

dung (aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 375 HGB), mit der<br />

sich der BGH nicht auseinandersetzt: Die Festlegung der<br />

Garnnummer für zu lieferndes Wollgarn hat das RG unpro<br />

blematisch als Spezifikation gesehen 3 <strong>und</strong> nicht als Alter<br />

nativobligation. Heute würde man die Garnnummer als Gat<br />

tungsschuldmerkmal begreifen. Die Aussage des BGH ist ein<br />

obiter dictum, weil der Verkäufer dem Wahl <strong>und</strong> Abnahme<br />

unwillen des Käufers mit der eigenen Wahl begegnet ist.<br />

Dazu war er aber unabhängig von der Einordnung als Wahl<br />

schuld oder Bestimmungskauf sowohl nach § 264 Abs. 2<br />

<strong>BGB</strong> wie nach § 375 Abs. 2 HGB berechtigt. Auf der ande<br />

ren Seite hat der BGH die Bestimmung der Ausstattung ver<br />

schiedener Heizkesseltypen als Bestimmungskauf <strong>und</strong> nicht<br />

als Wahlschuld gewertet 4.<br />

Handelsrechtslehrbücher sehen in § 375 HGB nach wie<br />

vor eine marginale Abweichung von der Wahlschuld der<br />

§§ 262 ff. <strong>BGB</strong> 5 <strong>und</strong> können sich hierbei auf eine Äußerung<br />

in der Denkschrift stützen 6. Demgegenüber sieht die über<br />

wiegende Meinung den <strong>Spezifikationskauf</strong> als Sonderfall der<br />

Leistungsbestimmung gem. § 315 <strong>BGB</strong> 7.<br />

Erklärbar ist diese gr<strong>und</strong>sätzliche Irritation mit Blick auf<br />

die Entstehungsgeschichte des § 375 HGB: Im 19. Jahrhun<br />

dert entwickelte sich der <strong>Spezifikationskauf</strong> vor allem im<br />

Eisen <strong>und</strong> Textilhandel. Verbreitet waren Verträge, in denen<br />

sich der Käufer verpflichtete, eine bestimmte Menge Ware<br />

abzunehmen, deren genauer Zuschnitt (Draht oder Stifte 8),<br />

Materialbeschaffenheit (Schweißeisenkesselblech oder Fluß<br />

1 RGZ 30, 97.<br />

2 BGH NJW 1960, 674 = BB 1960, 264.<br />

3 RGZ 14, 243.<br />

4 BGH WM 1976, 124.<br />

5 Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 29 Rn. 17; Müller, in:Ebenroth/<br />

Boujong/Joost, Handelsgesetzbuch, 2001, § 375 Rn. 2; unklar K. Schmidt,<br />

Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 29 II Nr. 3.<br />

6 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzes <strong>und</strong> eines Einführungsgesetzes,<br />

RT-Drs. Nr. 632 von 1897, S. 218: „Der Übergang des Spezifikationsrechtes<br />

auf den Verkäufer steht zudem im Einklang mit den<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen, welche nach § 264 Abs. 2 B.G.B. für Wahlverbindlichkeiten<br />

... gelten.“<br />

7 Statt vieler: Hopt, in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Aufl.<br />

2007, § 375 Rn. 1; Roth, in:Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Aufl. 2007, § 375<br />

Rn. 1; Stuhlfelner, in: Heidelberger Kommentar (HK) zum HGB, 7. Aufl.<br />

2006, § 375 Rn. 1; Brox, Handels- <strong>und</strong> Wertpapierrecht, 18. Aufl. 2005,<br />

Rn. 340; Lettl, Handelsrecht, 2006, § 12 Rn. 29; eingehend Rieble, in:Staudinger,<br />

<strong>BGB</strong>, 2004, § 315 Rn. 194 ff.<br />

8 So der Fall RGZ 10, 95.<br />

blech 9) oder der Herstellungsart (Garnnummer 10) beiVer<br />

tragsschluß offen blieb <strong>und</strong> später vom Käufer nach dessen<br />

zwischenzeitlich geklärten Bedürfnissen festgelegt werden<br />

sollte. Dabei konnte der Kaufpreis fix oder entsprechend<br />

der Käuferentscheidung variabel ausgestaltet sein. Diese<br />

„neuartige“ Vertragsgestaltung stellte Rechtsprechung <strong>und</strong><br />

Wissenschaft vor dogmatische Probleme: Der Vertrag war<br />

zum Abschlußzeitpunkt nicht vollziehbar, hing vielmehr<br />

von der späteren Spezifikation ab <strong>und</strong> damit vom Käufer,<br />

dessen Spezifikationsverweigerung überw<strong>und</strong>en werden<br />

mußte. „An sich“ war der Kaufvertrag zu unbestimmt.<br />

Leistungsbestimmungsrechte, die den Vertrag nach des<br />

sen Abschluß einseitig konkretisierten, waren wenig be<br />

kannt. So enthielt der erste Entwurf zum <strong>BGB</strong> die später<br />

als selbstverständlich gestrichene (Prot. I 464) Norm des<br />

§ 352: „Ist die Leistung, welche den Gegenstand des Vertra<br />

ges bilden soll, weder bestimmt bezeichnet noch nach den im<br />

Vertrage enthaltenen Bestimmungen zu ermitteln, so ist der<br />

Vertrag nichtig.“ 11 § 315 <strong>BGB</strong> ist hierzu Ausnahmevor<br />

schrift, der die nachträglich einseitige Konkretisierung des<br />

Vertrages als Rechtsgeschäft gestattet (<strong>und</strong> systematisch mit<br />

hin zum Allgemeinen Teil rechnet); ähnlich verfährt Art. 14<br />

Abs. 1 Satz 2 CISG.<br />

Das HGB von 1897 ist zwar zeitgleich mit dem <strong>BGB</strong> in<br />

Kraft getreten, aber insoweit systematisch nicht abgestimmt.<br />

Ihm ging es um Praktikabilitätsbedürfnisse des kaufmän<br />

nischen Verkehrs, nicht um dogmatische Einordnung. Das<br />

ADHGB 1861 enthielt keine Vorschrift über den Spezifika<br />

tionskauf. Erst im HGB Gesetzgebungsverfahren wurde die<br />

Notwendigkeit gesehen (§ 346 E HGB). Das gemeine Recht<br />

kannte nachträgliche Leistungsbestimmungen primär in<br />

Form der Drittleistungsbestimmung. 12 Auch das Preußische<br />

Allgemeine Landrecht regelte nur die Bestimmung durch<br />

einen Dritten (§ 72 ALR Abs. 1 Satz 5) <strong>und</strong> ließ die Gültig<br />

keit des Vertrags von dessen Leistungsbestimmungsakt ab<br />

hängen. Verträge, deren Bestimmung der Willkür des Ver<br />

pflichteten überlassen wurde, waren gem. § 71 ALR Abs. 1<br />

Satz 5 unverbindlich. Die Alternativobligation (§§ 37, 38<br />

ALR Abs. 1 Satz 11) war dazu enge Ausnahme. Deswegen<br />

hatten Rechtspraxis <strong>und</strong> Wissenschaft Konstruktionsschwie<br />

rigkeiten mit dem <strong>Spezifikationskauf</strong>, die Oertmann 13 einge<br />

hend geschildert hat. Die Nähe zur Wahlschuld wurde kon<br />

struktiv gesucht, um den Vertrag trotz Unbestimmtheit für<br />

„perfekt“ zu achten. Mit der von Oertmann favorisierten<br />

Gattungsschuld hat die Spezifikation nichts zu tun: Dort ist<br />

der Kaufgegenstand durch die Gattungsbezeichnung als<br />

Schuld eindeutig bestimmt: Die Konkretisierung durch Aus<br />

sonderung ist Realakt im Zuge der Erfüllung, anders als bei<br />

Wahlschuld <strong>und</strong> Leistungsbestimmung kein Rechtsgeschäft.<br />

Die Aussonderung konkretisiert nicht die Schuld, sondern<br />

die Leistung (auf die mit der Gattungsbezeichnung hinrei<br />

chend bestimmte Schuld) 14.<br />

9 So der Fall RGZ 30, 97.<br />

10 RGZ 14, 243.<br />

11 Auch Senf JR 1932, 234.<br />

12 Dernburg, Pandekten II, 7. Aufl. 1903, § 15; dazu auch: Winter, Die<br />

Bestimmung der Leistung durch Vertragspartner oder Dritte unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Rechtsprechung <strong>und</strong> Lehre des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />

1979, S. 37 ff.<br />

13 Oertmann AcP 85 (1896) 202 ff.<br />

14 Vgl. RGZ 57, 138, 141: Gattungsschuld keine Alternativobligation!


JZ 12/2008 Volker Rieble/Michael Gutfried <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> <strong>BGB</strong> <strong>Schuldrecht</strong> 595<br />

II. Bestimmungskauf, Leistungsbestimmung<br />

<strong>und</strong> Wahlschuld<br />

1. Wofür kommt es darauf an?<br />

a) Spezialität von § 375 HGB<br />

Die Abgrenzung von Bestimmungskauf <strong>und</strong> Leistungs<br />

bestimmung ist für § 375 HGB selbst von geringer Bedeu<br />

tung: Die Vorschrift verdrängt in ihrem Anwendungsbereich<br />

§§ 315 ff. <strong>BGB</strong>. Dagegen ist die Einordnung der Spezifika<br />

tion als Wahlschuld oder Leistungsbestimmung dann ent<br />

scheidend, wenn § 375 HGB tatbestandlich nicht greift:<br />

Weil kein Handelskauf vorliegt, also entweder beide<br />

Seiten trotz des seit der HGB Reform erweiterten Kauf<br />

mannsbegriffes 15 keine Kaufleute sind oder das Geschäft<br />

nicht als Kauf einzuordnen ist (noch IV für den Werk[liefe<br />

rungs]vertrag).<br />

Weil das Bestimmungsrecht nicht dem Käufer, sondern<br />

dem Verkäufer oder einem Dritten zukommt.<br />

Weil das Bestimmungsrecht des Käufers zu weit reicht,<br />

also nicht auf „Form, Maß <strong>und</strong> ähnliche Verhältnisse“ be<br />

schränkt ist.<br />

Weil die Parteien § 375 HGB abbedungen haben, ohne<br />

einen anderen Konfliktlösungsmechanismus für die ausblei<br />

bende Schuldkonkretisierung zu treffen.<br />

In diesen Fällen ist nach zutreffender Meinung gr<strong>und</strong><br />

sätzlich das Recht der Leistungsbestimmung einschlägig, also<br />

§§ 315 ff. <strong>BGB</strong> 16; denn es geht um die einseitige vertragser<br />

setzende Leistungsbestimmung durch Gestaltungsakt. Der<br />

Bestimmungskauf des § 375 HGB ist ein Unterfall der Leis<br />

tungsbestimmung <strong>und</strong> kein Sonderfall der Wahlschuld.<br />

Durchaus problematisch dagegen ist die Abgrenzung von<br />

Bestimmungskauf <strong>und</strong> Wahlschuld: Der BGH (Fn. 2) geht<br />

davon aus, daß eine Wahlschuld nicht zugleich Bestim<br />

mungskauf sein könne. Durchdacht ist das nicht, weil<br />

§§ 262 ff. <strong>BGB</strong> dem Verkäufer nur die Ersatzwahl bieten,<br />

ihm insbesondere Vertragsauflösung <strong>und</strong> Schadensersatz<br />

vorenthalten. Daß der kaufmännische Verkäufer gegenüber<br />

dem säumigen Käufer weniger Schutz braucht, wenn dieser<br />

nicht über Form, Maß <strong>und</strong> ähnliche Verhältnisse entscheidet,<br />

sondern eine von mehreren Kaufsachen wählt, ist nicht er<br />

sichtlich. Die Entscheidung des BGH ist zu begrifflich.<br />

Wenn man mit einem Teil der Lehre (Nachw. in Fn. 5) den<br />

Bestimmungskauf als Sonderfall der Wahlschuld ansieht,<br />

müßte § 375 HGB „gegenständlich“ §§ 262 ff. <strong>BGB</strong> vollstän<br />

dig verdrängen. So wird ganz überwiegend angenommen,<br />

daß die <strong>BGB</strong> Wahlschuld (außerhalb des Handelskaufes)<br />

auch auf die Bestimmung untergeordneter Modalitäten er<br />

streckt werden kann 17 mithin auch auf Form, Maß <strong>und</strong><br />

ähnliche Verhältnisse. Raum für die Wahlschuld besteht in<br />

soweit aber nur, wenn § 375 HGB tatbestandlich nicht greift.<br />

Das heißt: Auch außerhalb des Anwendungsbereiches von<br />

§ 375 HGB gelangt man nicht stets zu § 315 <strong>BGB</strong>. Ob die<br />

Parteien das von ihnen vereinbarte Recht zur Modalitäten<br />

festsetzung als Leistungsbestimmung oder als Wahlschuld<br />

wollten, hängt von ihrem Vertragswillen ab, der im Wege<br />

(notfalls ergänzender Auslegung) festzustellen ist. Je unter<br />

15 Dazu Kaiser JZ 1999, 495.<br />

16 Koller, in:Staub, HGB, 4. Aufl. 2004, § 375 Rn. 2; Wagner, in:Röhricht/Graf<br />

v. Westphalen, HGB, 2. Aufl. 2001, § 375 Rn. 4; Rieble, in:<br />

Staudinger (Fn. 7) § 315 Rn. 196.<br />

17 Planck/Siber, <strong>BGB</strong>, 4. Aufl. 1914, Anm. 4 zu §§ 262 – 265; Gernhuber,<br />

Das Schuldverhältnis, 1989, § 11 I 1, S. 254 mit zahlreichen Nachweisen;<br />

Bittner, in:Staudinger, <strong>BGB</strong>, 2004, § 262 Rn. 2; so ausdrücklich RGZ 57,<br />

138, 141 für Leistungsort <strong>und</strong> -zeit.<br />

geordneter die Leistungsmodalität ist, desto mehr wird für<br />

den einfachen Weg der Wahlschuld sprechen.<br />

Freilich: Das Argument vom Schutzgefälle hängt ent<br />

scheidend davon ab, ob mit der überwiegenden Meinung<br />

der Gläubiger der Wahlschuld kein subjektives Recht auf<br />

die vom Schuldner vorzunehmende Schuldwahl hat 18 da<br />

rauf ist mit Blick auf die <strong>Schuldrecht</strong>sreform zurückzukom<br />

men (2.c).<br />

Allerdings sehen die §§ 262 ff. <strong>BGB</strong> keine „Drittwahl<br />

schuld“ vor. Bezeichnenderweise hat der historische Gesetz<br />

geber diesen Fall gesehen: Zunächst war in § 212 E I geregelt,<br />

daß das Schuldverhältnis unter der Bedingung der Wahl des<br />

Dritten (aufschiebend) bedingt ist 19; sodann aber hat die<br />

zweite Kommission diese Vorschrift mit Rücksicht auf die<br />

§§ 317 319 <strong>BGB</strong> als überflüssig angesehen 20. Mit Recht hält<br />

die heute h. M. mithin die §§ 317 ff. <strong>BGB</strong> für einschlägig 21.<br />

Das führt materiell dazu, daß der auf die Drittwahl „warten<br />

de“ Vertrag schwebend wirksam <strong>und</strong> nicht aufgeschoben<br />

bedingt ist. Die Drittwahl kann richterlich ersetzt werden,<br />

wenn für sie ein justitiabler Maßstab vorgegeben ist 22; an<br />

sonsten löst die Unwilligkeit des Dritten den Vertrag (gleich<br />

einer auflösenden Bedingung), § 319 Abs. 2 <strong>BGB</strong>. Das liegt<br />

daran, daß die Parteien selbst sich einvernehmlich dem Un<br />

willen des Dritten ausgeliefert haben (<strong>und</strong> dies einvernehm<br />

lich korrigieren können); der Vorschlag Gernhubers, analog<br />

§ 2154 Abs. 2 <strong>BGB</strong> das Wahlrecht auf den Schuldner überge<br />

henzulassen 23, verkennt eben dies.<br />

Diese Zuordnung ist von elementarer Bedeutung: Damit<br />

wird die Leistungsbestimmung der §§ 315 ff. <strong>BGB</strong> zur gr<strong>und</strong><br />

legenden Regelung der nachträglich einseitigen Schuldkon<br />

kretisierung durch Gestaltungsakt. Wahlschuld <strong>und</strong> Bestim<br />

mungskauf sind speziellere Ausformungen, die die Regeln<br />

der §§ 315 ff. <strong>BGB</strong> modifizieren aber keine fremdartigen<br />

inkompatiblen Regelungen. In allen Fällen ist der Vertrag<br />

„perfekt“ <strong>und</strong> harrt auf den gestaltenden Konkretisierungs<br />

akt.<br />

b) Übergang des Bestimmungsrechts – keine<br />

richterliche Ersatzvornahme<br />

Dabei bestehen zwei elementare Unterschiede, die sich beide<br />

daraus erklären, daß bei Wahlschuld <strong>und</strong> Bestimmungskauf<br />

ein Eingriff in das Synallagma ausscheidet wegen der ver<br />

einbarten Gleichwertigkeit der Wahlmöglichkeiten oder we<br />

gen der untergeordneten Bedeutung der Bestimmung. Das<br />

wirkt sich einmal in der Reaktion auf die ausbleibende Be<br />

stimmung des Gläubigers/Käufers aus: §§ 315 Abs. 3 Satz 2,<br />

319 Abs. 1 Satz 2 <strong>BGB</strong> setzen auf die richterliche Ersatzvor<br />

nahme; § 264 Abs. 2 Satz 2 <strong>BGB</strong> wie § 375 Abs. 2 HGB las<br />

sen das Konkretisierungsrecht auf den Schuldner/Verkäufer<br />

übergehen, weil die Reichweite des Wahlrechts gering ist <strong>und</strong><br />

seinen Vertragspartner nicht besonders belastet. § 375 Abs. 2<br />

Satz 2 <strong>und</strong> 3 HGB weicht mit fristgeb<strong>und</strong>ener Abwendungs<br />

befugnis <strong>und</strong> Genehmigungsfiktion etwas vom Modus des<br />

§ 264 Abs. 2 <strong>BGB</strong> ab.<br />

Sieht man im Bestimmungskauf (zu Recht) einen Anwen<br />

dungsfall der Leistungsbestimmung, ist die Frage aufgewor<br />

fen, ob der Verkäufer zusätzlich den Weg zur richterlichen<br />

18 Bittner, in:Staudinger (Fn. 17), § 264 Rn. 5 m. w. N.<br />

19 Dazu Mot. II 10.<br />

20 Protokolle RJA, S. 204; Schubert, in:Jakobs/Schubert, DieBeratung<br />

des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1978, § 265, S. 169; Siber, in:Planck (Fn. 17),<br />

Anm. 6 zu §§ 262 – 265.<br />

21 Dazu auch Bittner, in:Staudinger (Fn. 17), § 262 Rn. 21 m. w. N.<br />

22 Rieble, in:Staudinger (Fn. 7), § 319 Rn. 21.<br />

23 Gernhuber (Fn. 17), § 11 II 2c, S. 265 f.<br />

Aufsätze


Aufsätze<br />

596 Volker Rieble/Michael Gutfried <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> <strong>BGB</strong> <strong>Schuldrecht</strong> JZ 12/2008<br />

Ersatzvornahme beschreiten kann 24. Das ist aus vielen Grün<br />

den abzulehnen: Erstens fehlt der Gestaltungsklage des § 315<br />

Abs. 3 <strong>BGB</strong> von vornherein das Rechtsschutzbedürfnis, weil<br />

der Verkäufer mit der Ersatzbestimmung einen leichteren<br />

Weg hat. 25 Zweitens hat der Richter keinen justitiablen Er<br />

messens <strong>und</strong> Entscheidungsmaßstab, weil die Spezifikation<br />

im freien Belieben des Käufers steht, das dem Richter nicht<br />

zugänglich ist (arg. § 319 Abs. 2 <strong>BGB</strong>) 26. Drittens läßt sich<br />

das Recht des Schuldners, innerhalb der mit der Ersatz<br />

bestimmung gesetzten Frist „doch noch“ eine eigene Bestim<br />

mung vorzunehmen, nicht in das Verfahren des § 315 Abs. 3<br />

<strong>BGB</strong> integrieren. Viertens schließlich hat auch der säumige<br />

Käufer ein berechtigtes Interesse an handelstypisch schneller<br />

(<strong>und</strong> preiswerter) Konfliktbereinigung 27; durch seine Pflicht<br />

verletzung hat er dieses Recht nicht eingebüßt.<br />

c) Keine Billigkeitskontrolle<br />

Aus eben diesem Gr<strong>und</strong> scheidet bei Wahlschuld <strong>und</strong> Be<br />

stimmungskauf eine richterliche Kontrolle der Leistungs<br />

bestimmung auf Billigkeit aus: Der Schuldner/Käufer darf<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich eigensüchtig nach freiem Belieben entscheiden<br />

<strong>und</strong> muß keine Rücksicht auf die Interessen des Gläubigers/<br />

Verkäufers nehmen.<br />

Der bestimmungsberechtigte Käufer ist nicht auf billiges<br />

Ermessen verpflichtet weil die Spezifikation nur unterge<br />

ordnete Aspekte der Verkäuferpflicht betrifft (Form, Maß<br />

<strong>und</strong> ähnliche Verhältnisse), mithin insbesondere das Preis<br />

Leistungs Verhältnis unberührt läßt <strong>und</strong> weil die richterliche<br />

Kontrolle der Leistungsbestimmung <strong>und</strong> Ersatzvornahme<br />

nach § 315 Abs. 3 <strong>BGB</strong> für den kaufmännischen Verkehr zu<br />

lange währte 28. § 375 HGB hilft offenk<strong>und</strong>ig <strong>und</strong> gewollt<br />

nur der ausbleibenden Leistungsbestimmung ab, nicht aber<br />

der „fehlerhaften“. Das zeigt sich an § 375 Abs. 2 Satz 3<br />

HGB, der eine Genehmigungswirkung für die Verkäufer<br />

Ersatzspezifikation vorsieht um diesen von jeder Unsicher<br />

heit zu entlasten 29: Der Käufer seinerseits kann sich gegen<br />

die Verkäufer Spezifikation nur wehren, indem er seinerseits<br />

„die letzte Chance“ zur eigenen Bestimmung wahrnimmt.<br />

Die mitunter vertretene Auffassung, der Käufer sei im<br />

Rahmen von § 375 HGB ergänzend auf das billige Ermessen<br />

des § 315 Abs. 1 <strong>BGB</strong> verpflichtet 30, widerspricht diesem<br />

handelsrechtlichen Beschleunigungszweck <strong>und</strong> eröffnete<br />

dem Verkäufer den Weg zur Destruktion <strong>und</strong> nachträglichen<br />

Vertragsreue. § 375 HGB sichert dem Verkäufer einen Weg<br />

zur raschen Realisierung seines Gewinns; es geht nur um den<br />

Schutz vor der ausbleibenden Leistungsbestimmung. Vor<br />

„Unbilligkeit“ ist der Verkäufer bereits dadurch geschützt,<br />

daß die Bestimmung nur untergeordnete Leistungsaspekte<br />

betrifft. Das belegt schließlich § 309 Nr. 1 <strong>BGB</strong>, der Ände<br />

rungsvorbehalte nur hinsichtlich des Preises, also bezogen<br />

auf das Synallagma dem AGB Kontrollverdikt unterwirft.<br />

Abgesehen davon ist die Bindung an das billige Ermessen<br />

24 So Grunewald, in: MünchKommHGB, 2. Aufl. 2007, § 375 Rn. 27.<br />

25 Hopt, in:Baumbach (Fn. 7), § 375 Rn. 5; Lüke, in: MünchKommZPO,<br />

2. Aufl. 2000, vor § 253 Rn. 10; Roth, in:Koller/Roth/Morck (Fn. 7), § 375<br />

Rn. 2.<br />

26 Gehrlein, in:Bamberger/Roth, Bürgerliches Gesetzbuch, 2. Aufl. 2007,<br />

§ 315 Rn. 7; Brox/Walker, <strong>Schuldrecht</strong> AT, 31. Aufl. 2006, § 6 Rn. 8; Medicus,<br />

<strong>Schuldrecht</strong> I, 17. Aufl. 2006, Rn. 200; Rieble, in:Staudinger (Fn. 7),<br />

§ 315 Rn. 131.<br />

27 Rieble, in:Staudinger (Fn. 7), § 315 Rn. 201.<br />

28 Rieble, in:Staudinger (Fn. 7), § 315 Rn. 201.<br />

29 E I § 346, Denkschrift (Fn. 6), I 216 ff. E II § 367, Denkschrift II 234.<br />

Zu Vertragsgestaltungen für die Leistungsbestimmung Rieble, in:Staudinger<br />

(Fn. 7), § 315 Rn. 65 ff.<br />

30 So aber Grunewald, in: MünchKommHGB (Fn. 24), § 375 Rn. 6; Wagner,<br />

in:Röhricht/G.v.Westfalen, (Fn. 16), § 375 Rn. 5.<br />

nach § 315 Abs. 1 <strong>BGB</strong> bloße Auslegungsregel, nicht einmal<br />

dispositives Recht 31. Diese Auslegungsregel ist im Rahmen<br />

von § 375 HGB von vornherein nicht anwendbar. Hinter der<br />

Auslegungsregel steht die Vermutung, die Parteien wollten<br />

mit der Kontrolle der Leistungsbestimmung die fehlende<br />

vertragliche Richtigkeitsgewähr kompensieren 32. UmRich<br />

tigkeitsgewähr geht es aber bei untergeordneten Vertrags<br />

bedingungen wie „Form, Maß <strong>und</strong> ähnliche Verhältnisse“<br />

nicht. Insofern finden typischerweise ohnehin keine Ver<br />

handlungen zum Richtigen hin statt. Der beschränkte Be<br />

stimmungsspielraum des Käufers ist bereits vom Vertrag hin<br />

reichend gedeckt.<br />

Immerhin ließe sich erwägen, § 315 <strong>BGB</strong> ergänzend an<br />

zuwenden, wenn die Spezifikation Auswirkungen auf das<br />

Äquivalenzverhältnis des Kaufvertrages hat 33. Indes handelt<br />

es sich um ein Scheinproblem: Was äquivalent ist, bestimmen<br />

die Parteien. Hat die besondere Ausstattung oder Qualität<br />

der Kaufsache Auswirkungen auf den Preis, so werden die<br />

Vertragsparteien Preisdifferenzierungen zwischen den ge<br />

wünschten Ausführungen bei Vertragsschluß festlegen 34.Soll<br />

der Kaufpreis dagegen bei jeglicher Spezifikation gleich blei<br />

ben, so sehen die Parteien sämtliche Ausführungen als äqui<br />

valenzneutral an 35 nicht anders als bei der Wahlschuld. Im<br />

Kern läuft jene Auffassung also darauf hinaus, das Äquiva<br />

lenzverständnis der Parteien durch das Gericht kontrollieren<br />

zu lassen. Das aber ist nur über § 138 <strong>BGB</strong> möglich. § 375<br />

HGB erlaubt allein die Kontrolle, ob das Bestimmungsrecht<br />

über „Form, Maß <strong>und</strong> ähnliche Verhältnisse“ hinausgeht.<br />

Eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 <strong>BGB</strong> ist mit<br />

hin im Rahmen des Bestimmungskaufes nur möglich, wenn<br />

die Parteien das vereinbaren; damit bedingen sie zugleich<br />

§ 375 HGB insoweit ab.<br />

2. Bestimmungspflicht des Käufers<br />

a) Bestimmungskauf<br />

Die zentrale Aussage des § 375 HGB liegt in seinem Ab<br />

satz 1: Der Käufer ist zur Bestimmung verpflichtet gerade<br />

in Reaktion auf eine vorherige, die Bestimmungspflicht ver<br />

neinende RG Rechtsprechung 36. Im früheren Verweis auf<br />

§ 326 <strong>BGB</strong> a. F. war zugleich die Anerkennung als Haupt<br />

pflicht enthalten: Der Käufer ist synallagmatisch zur Spezi<br />

fikation verpflichtet, weil seine Bestimmung Durchführungs<br />

voraussetzung für den Vertrag insgesamt <strong>und</strong> damit für den<br />

Kaufpreisanspruch des Verkäufers ist. Die Qualifizierung als<br />

Hauptpflicht ist seit der <strong>Schuldrecht</strong>sreform nicht mehr be<br />

deutsam, weil §§ 280, 281 <strong>und</strong> auch § 323 <strong>BGB</strong> auch auf<br />

untergeordnete Pflichtverletzungen reagieren 37, wobei ledig<br />

31 Rieble, in:Staudinger (Fn. 7), § 315 Rn. 62 f. unscharf Gottwald, in:<br />

MünchKomm<strong>BGB</strong>, 5. Aufl. 2007, § 315 Rn. 28.<br />

32 Rieble, in:Staudinger (Fn. 7), § 315 Rn. 28 ff.; Larenz, <strong>Schuldrecht</strong> I,<br />

14. Aufl. 1987, § 6 II a, S. 80 f. begreift § 315 <strong>BGB</strong> als Element ausgleichender<br />

Vertragsgerechtigkeit <strong>und</strong> in Fn. 8 nachgerade als Bestätigung der Lehre<br />

Schmidt-Rimplers.<br />

33 So Wolf, in:Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 1987 ff., § 315<br />

Rn. 69; in diese Richtung auch K. Schmidt (Fn. 5), S. 787.<br />

34 So der Fall RGZ 43, 101.<br />

35 Rieble, in:Staudinger (Fn. 7) § 315 Rn. 201.<br />

36 RGZ 14, 247.<br />

37 BT-Drucks 14/6040, 183; Dauner-Lieb, in: Anwaltskommentar zum<br />

<strong>BGB</strong>, 2. Aufl. 2005, § 323 Rn. 8 <strong>und</strong> § 324 Rn. 5, 8; Grothe, in:Bamberger/<br />

Roth (Fn. 26), § 323 Rn 4; Grüneberg, in:Palandt, <strong>BGB</strong>,67.Aufl.2008,<br />

§ 323 Rn. 1, 10; Gsell, in:Soergel, <strong>BGB</strong>, 13. Aufl. 2005, § 323 Rn. 23 ff. (aber<br />

kein Rücktrittsrecht, wenn der Rücktritt im Hinblick auf die verletzte<br />

Pflicht sinnlos ist; Rn. 28); Otto, in:Staudinger, <strong>BGB</strong>, 2004, § 323 Rn. A7,<br />

B 12 <strong>und</strong> 14, der in Rn. C 10 ff. allerdings dem Zumutbarkeitskriterium des<br />

§ 324 entsprechende Einschränkungen macht; Huber, in: Huber/Faust,<br />

<strong>Schuldrecht</strong>smodernisierungsgesetz, 2002, 5. Kapitel Rn. 18.


JZ 12/2008 Volker Rieble/Michael Gutfried <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> <strong>BGB</strong> <strong>Schuldrecht</strong> 597<br />

lich streitig ist, inwieweit §§ 282 <strong>und</strong> 324 <strong>BGB</strong> zusätzliche<br />

Anforderungen stellen 38. In dieser Pflichtenstellung liege die<br />

Besonderheit des Bestimmungskaufs gerade gegenüber der<br />

Wahlschuld 39. Dieses Alleinstellungsmerkmal des § 375<br />

HGB ist zweifelhaft geworden, weil man auch Wahlschuld<br />

<strong>und</strong> Leistungsbestimmung eine Pflicht zur Konkretisierung<br />

entnehmen kann; mithin könnte auch der Gläubiger der<br />

Wahlschuld <strong>und</strong> der Gegner des Leistungsbestimmers auf<br />

die Verletzung der Bestimmungspflicht entsprechend reagie<br />

ren 40.<br />

b) Leistungsbestimmung<br />

Für §§ 315 ff. <strong>BGB</strong> enthält das Recht der der Leistungs<br />

bestimmung unterworfenen Partei auf richterliche Ersatz<br />

vornahme zugleich ein subjektives Recht „auf“ die Leis<br />

tungsbestimmung, das im Gestaltungsklagerecht enthalten<br />

ist 41. Die Motive (II 192) sahen das eindeutig: „Derjenige<br />

Kontrahent, welchem hiernach die Bestimmung der Leistung<br />

anheimgegeben worden, ist hierzu durch den Vertrag ver<br />

pflichtet.“ Auch sollte „dem klageberechtigten Kontrahenten<br />

sein Recht, gegen den Säumigen sein Interesse nach den all<br />

gemeinen Normen zu verfolgen, selbstverständlich nicht be<br />

nommen“ sein (Mot. II 192 f.). Indes fehlt einer selbstän<br />

digen Klage auf Leistungsbestimmung das Rechtsschutz<br />

bedürfnis, weil die richterliche Ersatzvornahme, also die<br />

Klage auf die vom Richter festzusetzende Leistung, der<br />

leichtere Weg ist.<br />

Daß die richterliche Ersatzbestimmung auch im Fall des<br />

§ 319 Abs. 1 <strong>BGB</strong> greift, obzwar der Dritte zur Leistungs<br />

bestimmung in der Regel nicht verpflichtet ist, ist kein Ge<br />

genargument. Um den Dritten geht es nicht. Auch § 319<br />

<strong>BGB</strong> konstatiert (mit der Ausnahme in Abs. 2) ein durch<br />

setzbares Recht der einen Vertragspartei gegen die andere auf<br />

Schuldkonkretisierung. Dieses Recht steht im Dienst des<br />

vertraglichen Leistungsaustausches; es kann keinen Zweifel<br />

geben, daß im Synallagma das Interesse der Partei an der<br />

eigenen Leistung einen Anspruch auf Konkretisierung so<br />

wohl dieser wie auch der Gegenleistung deckt 42. Das liegt<br />

in der Konsequenz der Zulassung des Vertrages über eine<br />

zunächst unbestimmte Leistung: Aus seiner Wirksamkeit als<br />

„perfekter“ Vertrag folgt, daß die konkretisierungsberechtig<br />

te Partei zu eben dieser Perfektion verpflichtet ist. Bestätigt<br />

wird das dadurch, daß der Gesetzgeber für Sonderfälle der<br />

Bestimmung einseitiger Leistungspflichten stets eine Pflicht<br />

zur Leistungsbestimmung anordnet so bei der Belohnungs<br />

verteilung nach § 660 Abs. 1 S. 1 <strong>BGB</strong> („hat“) oder beim<br />

Preisausschreiben des § 661 <strong>BGB</strong> („ist . . . zu treffen“).<br />

c) Wahlschuld<br />

Das soll bei der Wahlschuld für manche das Gr<strong>und</strong>modell<br />

des <strong>Spezifikationskauf</strong>s (oben I.) anders sein: „Eine Ver<br />

pflichtung des Wahlberechtigten, die Wahl vorzunehmen,<br />

38 Dafür Kaiser, in: Staudinger, <strong>BGB</strong>, 2004, § 346 Rn 11; Kaiser, in:<br />

Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 2. Aufl. 2008, erscheint demnächst,<br />

unterDI1b;Ernst, in: MünchKomm<strong>BGB</strong>, 5. Aufl. 2007, § 323 Rn. 13, 15,<br />

der aber auch im Synallagma stehende Nebenleistungspflichten kennt.<br />

39 Statt vieler: Canaris (Fn. 5), § 29 Rn. 22; Looschelders, <strong>Schuldrecht</strong> AT,<br />

4. Aufl. 2006, Rn. 246; Medicus (Fn. 26), Rn. 200.<br />

40 Für die Leistungsbestimmung anders noch Rieble, in: Staudinger<br />

(Fn. 7), § 315 Rn. 284.<br />

41 Eingehend Rieble, in:Staudinger (Fn. 7), § 315 Rn. 79 ff., 282.<br />

42 Brox/Walker (Fn. 26), § 6 Rn. 7; Larenz (Fn. 32), S. 82; Gottwald, in:<br />

MünchKomm<strong>BGB</strong> (Fn. 31), § 315 Rn. 39; dagegen nehmen Grüneberg, in:<br />

Palandt (Fn. 37), § 315 Rn. 12 <strong>und</strong> Hager, in:Erman, <strong>BGB</strong>, 11. Aufl. 2004,<br />

§ 315 Rn. 16 stets eine Verpflichtung an; Konkretisierungspflicht nur in<br />

Ausnahmefällen: Ballhaus, in: RGRK-<strong>BGB</strong>, 12. Aufl. 1976, § 315 Rn. 8;<br />

Wolf, in:Soergel (Fn. 33), § 315 Rn. 35.<br />

besteht nicht“ (Mot. II 8 zu § 210) 43. In der Tat läßt sich für<br />

den wahlberechtigten Gläubiger vertreten, daß die Wahl eine<br />

Mitwirkungshandlung in Vorbereitung der Leistungsannah<br />

me ist, weswegen die Wahl für ihn bloße Obliegenheit ist.<br />

Verzug mit der Wahl ist dann Annahmeverzug; die Wahl sei<br />

Mitwirkungshandlung i. S. von § 295 <strong>BGB</strong>. Eben dies ist<br />

h. M. für § 264 Abs. 2 <strong>BGB</strong> 44. Indes anerkennt die Norm<br />

mit dem Übergang des Wahlrechtes auf den Schuldner ein<br />

durchsetzbares subjektives Recht „auf Leistungsbestim<br />

mung“ durchsetzbar nur eben im (erleichterten) Wege der<br />

Ersatzvornahme <strong>und</strong> nicht der Klage.<br />

Freilich: Diese traditionelle Sicht ist unter zwei Aspekten<br />

fragwürdig. Zunächst ist die Schuldkonkretisierung durch<br />

den Wahlakt kein Teil der Leistungshandlung. Insofern ist<br />

der Zugriff auf den Annahmeverzug <strong>und</strong> § 295 <strong>BGB</strong> zwei<br />

felhaft. Dort geht es um eine zur Bewirkung (!) der geschul<br />

deten Leistung erforderliche Gläubigerhandlung. Die Kon<br />

kretisierung der Schuld durch Wahlakt als Rechtsgeschäft<br />

stellt im Vorfeld erst die erfüllbare Schuld her. Mithin müßte<br />

§ 295 <strong>BGB</strong> über den reinen Wortlaut auf diesen Fall aus<br />

geweitet werden. Näher liegt es, für § 264 Abs. 2 <strong>BGB</strong> ent<br />

gegen der h. M. auf den Schuldnerverzug mit der Wahlpflicht<br />

abzustellen.<br />

Stellt man bei § 264 Abs. 2 <strong>BGB</strong> auf den Annahmeverzug<br />

ab, führte dies zu Schwierigkeiten: Der Schuldner muß zum<br />

Zeitpunkt des (wörtlichen) Angebots leistungsfähig sein<br />

(§ 297 <strong>BGB</strong>). Solange die Schuld nicht konkretisiert ist <strong>und</strong><br />

damit nicht feststeht, was <strong>und</strong> wie der Schuldner zu leisten<br />

hat, kann eine Aussage über die Leistungsfähigkeit nicht<br />

getroffen werden 45: etwa, wenn der Schuldner den Leis<br />

tungsgegenstand erst noch herstellen oder selbst am Markt<br />

besorgen muß. 46 Auch die Rechtsfolgen des Annahmever<br />

zugs passen nicht: Die damit einhergehenden Rechte des<br />

Schuldners auf Hinterlegung (§ 372 ff. <strong>BGB</strong>) <strong>und</strong> Versteige<br />

rung (§§ 383 ff. <strong>BGB</strong>) lassen sich sinnvoll erst ausüben, wenn<br />

die Leistungspflicht konkretisiert wurde. Auch der Über<br />

gang der Leistungsgefahr (§ 300 Abs. 2 <strong>BGB</strong>) setzt eine vor<br />

herige Konkretisierung der Schuld voraus 47, an der es ohne<br />

ausgeübten Wahlakt fehlt.<br />

Die Schwierigkeiten bei Hinterlegung <strong>und</strong> Versteigerung<br />

im Falle unkonkretisierter Schuld wurden in der historischen<br />

Diskussion durchaus gesehen. 48 Allerdings glaubte man, die<br />

Probleme durch den Übergang des Wahlrechts auf den<br />

Schuldner lösen zu können, ohne zu bedenken, daß die<br />

Schuldkonkretisierung durch Wahlakt nicht Rechtsfolge<br />

sondern Voraussetzung des Annahmeverzugs ist.<br />

Zweitens <strong>und</strong> vor allem ist der wahlberechtigte Gläubiger<br />

zugleich Schuldner der Gegenleistung <strong>und</strong> (wie bei Kauf<br />

<strong>und</strong> Werkvertrag) der Abnahme der gewählten Schuld. Die<br />

Vollzugsfähigkeit dieser Gegenansprüche hängt von seiner<br />

Wahl ab. Wie bei § 315 <strong>BGB</strong> ist deshalb eine gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Pflicht zur Schuldkonkretisierung <strong>und</strong> damit zur Perfektion<br />

43 Und die überwiegende Meinung, Bittner, in:Staudinger (Fn. 17), § 264<br />

Rn. 11; Krüger, in: MünchKomm<strong>BGB</strong> (Fn. 31) § 264 Rn. 1; Heinrichs, in:<br />

Palandt (Fn. 37), § 264 Rn. 1.<br />

44 Bittner, in: Staudinger (Fn. 17), § 264 Rn. 11; Krüger, in: Münch-<br />

Komm<strong>BGB</strong> (Fn. 31), § 264 Rn. 1.<br />

45 Für den Bestimmungskauf auch: Hefermehl, in:Schlegelberger, HGB,<br />

5. Aufl. 1982, § 375 Rn. 16.<br />

46 Die Rechtsprechung fordert für die Leistungsbereitschaft des Unternehmers/Verkäufers<br />

im Regelfall, daß dieser bereits die Ware fertiggestellt<br />

oder sich verschafft haben muß, läßt aber Ausnahmen nach Treu <strong>und</strong><br />

Glauben zu; vgl. RGZ 34, 98; BGH BB 1958, 284.<br />

47 Für Gattungsschulden ist das allgemein anerkannt; Hönn AcP 177<br />

(1977), 396 ff.; Heinrichs, in: Palandt (Fn. 37), § 300 Rn 4; Löwisch, in:<br />

Staudinger, <strong>BGB</strong>, 2004, § 300 Rn. 19.<br />

48 Ausführlich dazu Kohler JherJb 17, 261, 359.<br />

Aufsätze


Aufsätze<br />

598 Volker Rieble/Michael Gutfried <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> <strong>BGB</strong> <strong>Schuldrecht</strong> JZ 12/2008<br />

des Vertrages anzunehmen. Der Übergang des Wahlrechtes<br />

nach § 264 Abs. 2 <strong>BGB</strong> auf den Schuldner zeigt gerade, daß<br />

das <strong>BGB</strong> dessen Recht auf Schuldkonkretisierung anerkennt.<br />

Eine bloße Obliegenheitsverletzung hätte Rechtsfolgen nur<br />

im Rechtskreis des Gläubigers.<br />

Dies wird durch den Blick auf § 264 Abs. 1 <strong>BGB</strong> bestätigt:<br />

Die vom Schuldner zu treffende Wahl ist Vorstufe zur eige<br />

nen Leistungspflicht. § 264 Abs. 1 <strong>BGB</strong> sagt einerseits, daß<br />

der Gläubiger sein Recht auf Wahl nicht eigenständig (klage<br />

weise) durchsetzen kann, sondern im Rahmen der Zwangs<br />

vollstreckung der Wahlschuld das Wahlrecht selbst ausübt.<br />

Auch darin wird mittelbar das Recht auf Wahl anerkannt:<br />

Das Alternativleistungsurteil bejaht implizit dieses Recht<br />

<strong>und</strong> integriert die Zwangsvollstreckung des Anspruchs auf<br />

Wahlentscheidung nach § 887 ZPO in die Zwangsvollstre<br />

ckung der Wahlleistung.<br />

Den Schuldner trifft durchaus eine Pflicht zur Wahl, nur<br />

ist diese Nebenpflicht (ausnahmsweise) nicht selbständig<br />

durchsetzbar 49. Ansatzpunkt für Sek<strong>und</strong>äransprüche (wegen<br />

Wahlverzögerung) kann sie dennoch sein.<br />

d) Systematisierung<br />

Der zentrale Gr<strong>und</strong> für eine durchgängige Pflicht zur Ver<br />

tragskonkretisierung liegt darin, daß die Parteien von dem<br />

Angebot der Rechtsordnung, einen vollwirksamen Vertrag<br />

trotz Unbestimmtheit der Leistung abzuschließen, Gebrauch<br />

gemacht haben. Könnte die bestimmungsberechtigte Partei<br />

durch Untätigkeit dann „doch“ den Vertrag zu Fall bringen,<br />

setzte sie sich zum eigenen Leistungsversprechen in Wider<br />

spruch. Der Vertrag wäre mit einem Reurecht ausgestattet<br />

<strong>und</strong> eben doch nicht „perfekt“. § 162 Abs. 2 <strong>BGB</strong> hülfe<br />

nicht, weil der Bedingungseintritt der Konkretisierung in<br />

haltlich nicht feststellbar ist. Deswegen greift die Rechtsord<br />

nung zu zwei unterschiedlichen Instrumenten, um dem der<br />

Leistungsbestimmung im weiteren Sinne Unterworfenen<br />

beizustehen. In § 264 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 <strong>BGB</strong> <strong>und</strong> § 375 Abs. 2<br />

HGB läßt es das an sich an die Vertragspartei geb<strong>und</strong>ene<br />

(freies Belieben!) Konkretisierungsrecht auf die andere Ver<br />

tragspartei übergehen, auch wenn dies in § 264 Abs. 1 <strong>BGB</strong><br />

erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung geschieht: „Es ist<br />

aber ein Weg zu eröffnen, auf welchem . . . dem Gläubiger auf<br />

einfache <strong>und</strong> sichere Weise zur Befriedigung verholfen wird“<br />

(Mot. II 8). In § 315 Abs. 3 <strong>BGB</strong> wird sogar richterliche<br />

Vertragshilfe geboten. Dahinter steht stets dasselbe Recht<br />

des Unterworfenen auf Konkretisierungsvollzug <strong>und</strong> mit<br />

hin die Pflicht des Konkretisierungsberechtigten zur Kon<br />

kretisierung.<br />

Diese Pflicht zur Leistungsbestimmung, zur Schuldwahl<br />

oder zur Spezifikation ist typischerweise nicht selbständig<br />

durchsetzbar, gerade weil die Rechtsordnung alternative<br />

Konfliktlösungsinstrumente bereithält. Doch kann die Ver<br />

letzung der Bestimmungspflicht als Leistungsstörung Folgen<br />

auslösen. Das müßte mit Blick auf § 160 Abs. 1 <strong>BGB</strong> selbst<br />

dann so sein, wenn die Konkretisierung „nur“ als aufschie<br />

bende Bedingung des Vertragsschlusses verstanden würde,<br />

wie dies mit der Annahme des perfekten Vertrages gerade<br />

verworfen worden ist. Anders gewendet: Weil der Vertrags<br />

schluß wirksam ist, gebietet die Vertragstreue dem Bestim<br />

mungsberechtigten die Konkretisierung.<br />

Insofern lassen sich die Rechtsfolgen des § 375 Abs. 2<br />

HGB über das allgemeine Leistungsstörungsrecht auf Wahl<br />

schuld <strong>und</strong> Leistungsbestimmung ausdehnen: Auf den Streit<br />

49 Gr<strong>und</strong>sätzlich zur Durchsetzbarkeit von Nebenpflichten Stürner JZ<br />

1976, 384.<br />

über Anforderungen an untergeordnete Nebenpflichtverlet<br />

zungen kommt es typischerweise nicht an. Die Pflicht zur<br />

Konkretisierung einer synallagmatischen Leistung steht<br />

nicht unmittelbar im Synallagma; doch ermöglicht dieser<br />

Konkretisierungsakt erst den Leistungsaustausch. Wer sich<br />

der Bestimmung des § 375 HGB, der Schuldwahl oder der<br />

Leistungsbestimmung in Ansehung einer Hauptleistungs<br />

pflicht verweigert, verhält sich in schwerer Weise vertragsun<br />

treu vergleichbar der Vertragsaufsage 50. Weil der Konkre<br />

tisierungspflichtige den Leistungsaustausch vereitelt, ist so<br />

wohl Schadensersatz statt der Leistung als auch Rücktritt als<br />

Rechtsbehelf gerechtfertigt.<br />

Nur in dem Ausnahmefall, in welchem der Konkretisie<br />

rungsberechtigte seine Leistung erbracht hat <strong>und</strong> nur die ihm<br />

zustehende Gegenleistung noch zu konkretisieren hat, kann<br />

die Verletzung der Konkretisierungspflicht in aller Regel<br />

nicht als Störung des Leistungsaustausches begriffen werden.<br />

Hier verhindern die §§ 282, 324 <strong>BGB</strong> den Zugang zur vor<br />

zeitigen Vertragsabwicklung. 51 Anders kann es nur sein,<br />

wenn eine Leistung zu konkretisieren ist, an deren Abnahme<br />

der Gegner besonderes Interesse hat.<br />

Die Abgrenzungsschwierigkeiten der unterschiedlichen<br />

Schuldkonkretisierungswege mildern sich mithin über eine<br />

Annäherung der Rechtsfolgen ab. Insofern leistet die Schuld<br />

rechtsreform erhebliche Vereinfachungshilfe: Weil Schadens<br />

ersatz statt der Leistung sowie Rücktritt anders als in § 326<br />

<strong>BGB</strong> a. F. keine streng synallagmatischen Rechtsbehelfe mehr<br />

sind, die auf eine Verletzung gerade der Hauptleistungs<br />

pflicht reagieren, kann auch auf Verletzungen der Bestim<br />

mungspflicht als Form der Vertragsaufsage reagiert werden.<br />

Kommt der Schuldner seiner Pflicht zur Bestimmung der<br />

Leistungszeit nicht nach, kann heute anders als unter § 326<br />

<strong>BGB</strong>, weil kein Verzug mit der Hauptleistungspflicht einge<br />

treten war 52 mit Rücktritt <strong>und</strong> Schadensersatz reagiert<br />

werden. Auch die Pflicht zum Abruf einer Werkleistung<br />

war damals nur Nebenpflicht <strong>und</strong> führte nicht zu § 326<br />

<strong>BGB</strong> a. F. 53. Jener Rechtsprechung ist mit der <strong>Schuldrecht</strong>s<br />

reform der Boden entzogen weithin unbemerkt 54. Für den<br />

Kauf auf Abruf wird das teilweise gesehen! 55<br />

Das aber heißt: Auch für die Wahlschuld <strong>und</strong> das<br />

Leistungsbestimmungsrecht steht dem Unterworfenen das<br />

Recht zu, dem Gegner eine Frist zur geschuldeten Vertrags<br />

konkretisierung zu setzen um den Weg zum Rücktritt<br />

(§ 323 Abs. 1 <strong>BGB</strong>) oder zum Schadensersatz statt der Leis<br />

tung (§ 281 Abs. 1 Satz 1 <strong>BGB</strong>) frei zu machen.<br />

Fraglich ist das nur für den Fall des § 264 Abs. 1 <strong>BGB</strong>:<br />

Hier läßt sich vertreten, daß die Norm dem bestimmungs<br />

pflichtigen Schuldner das Recht einräumt, mit der Wahl bis<br />

50 Dazu, daß die Vertragsaufsage gr<strong>und</strong>sätzlich zum Schadensersatz statt<br />

der Leistung <strong>und</strong> zum Rücktritt führt Fikentscher/Heinemann, <strong>Schuldrecht</strong>,<br />

10. Aufl. 2006, § 44 IV 2; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen <strong>Schuldrecht</strong>,<br />

2002, Rn. 361.<br />

51 Die Autoren, die auch bei der Verletzung einer untergeordneten Leistungspflicht<br />

allein §§ 281, 323 <strong>BGB</strong> anwenden wollen, schließen Rücktritt<br />

<strong>und</strong> Schadensersatz statt der Leistung analog § 281 Abs. 1 Satz 3 bzw. § 323<br />

Abs. 5 Satz 2 <strong>BGB</strong> aus, Grothe, in:Bamberger/Roth (Fn. 26), § 323 Rn. 40;<br />

Westermann, in: Erman (Fn. 42), § 323 Rn. 27; Grüneberg, in: Palandt<br />

(Fn. 37), § 323 Rn. 32.<br />

52 RGZ 64, 114.<br />

53 BGH NJW 1972, 99.<br />

54 Gehrlein, in:Bamberger/Roth (Fn. 26), § 315 Rn. 8; Hager, in:Erman<br />

(Fn. 42), § 315 Rn. 16; Grüneberg, in:Palandt (Fn. 37), § 315 Rn. 12 f. Gottwald,<br />

in: MünchKomm<strong>BGB</strong> (Fn. 31) § 315 Rn. 42; differenzierter: Stadler,<br />

in: Jauernig, <strong>BGB</strong>, 12. Aufl. 2007, § 315 Rn. 12; dagegen sieht Grunewald,<br />

in: MünchKommHGB (Fn. 24), § 375 Rn. 2 zwar die Möglichkeit des Rücktritts<br />

<strong>und</strong> Schadensersatzes, geht aber von §§ 282, 324 <strong>BGB</strong> aus.<br />

55 Westermann, in: Erman (Fn. 42), § 323 Rn. 5; Stadler, in: Jauernig<br />

(Fn. 54), § 323 Rn. 5a; Grüneberg, in:Palandt (Fn. 37), § 323 Rn. 10.


JZ 12/2008 Volker Rieble/Michael Gutfried <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> <strong>BGB</strong> <strong>Schuldrecht</strong> 599<br />

zum Zwangsvollstreckungsverfahren zu warten <strong>und</strong> dem<br />

Gläubiger eine entsprechende Wartelast auferlegt. Damit ver<br />

trüge sich eine vorherige Fristsetzung nicht. Indes wäre eine<br />

solche Wartelast systemwidrig, weil jeder Gläubiger in jedem<br />

Schuldverhältnis auf erhebliche Pflichtverletzungen reagie<br />

ren darf. Ein Sachgr<strong>und</strong> dafür, daß bei Vertragsuntreue durch<br />

Nichtwahl die allgemeinen Rechte beschränkt werden dürf<br />

ten, ist nicht erkennbar. § 264 Abs. 1 <strong>BGB</strong> ist also eng zu<br />

verstehen: Die Vorschrift regelt allein den späten Übergang<br />

des Wahlrechts erst in der Zwangsvollstreckung (<strong>und</strong> eben<br />

aus der vollstreckungssystematischen Erwägung, die<br />

Zwangsvollstreckung der Wahlpflicht in diejenige der Leis<br />

tung zu integrieren). Damit wird weder die materielle Pflicht<br />

noch die schuldrechtliche Reaktion auf die Pflichtverletzung<br />

beschränkt, arg. § 893 ZPO.<br />

III. § 375 HGB <strong>und</strong> <strong>Schuldrecht</strong>sreform<br />

1. Spezifikation auch über die Gattung hinaus<br />

Auch die Gattungswahl kann entgegen dem BGH (NJW<br />

1960, 674) dem Bestimmungsrecht des § 375 HGB über<br />

antwortet werden, wenn sich die eine Gattung von der ande<br />

ren durch „Form, Maß <strong>und</strong> ähnliche Verhältnisse“ unter<br />

scheidet <strong>und</strong> die Parteien (wie bei der Wahlschuld) von der<br />

Gleichwertigkeit ausgehen. Das folgt unmittelbar aus § 375<br />

HGB.<br />

Jene Meinung in der Literatur, die darauf abstellen will,<br />

ob sich die spezifikationsbedingten Abweichungen im Rah<br />

men einer Schlechtleistung bewegen (dann Bestimmungs<br />

kauf) oder ob die Abweichung eine Aliud Lieferung impli<br />

ziert (dann Wahlschuld) 56, ist mit der <strong>Schuldrecht</strong>sreform<br />

überholt (§ 434 Abs. 3 <strong>BGB</strong> <strong>und</strong> Entfall des früheren § 378<br />

HGB). Indes: Ob Verhältnisse „ähnlich“ sind, entscheidet<br />

nicht das Gewährleistungsrecht 57. Dort geht es um die Ab<br />

weichung der Leistung von der Schuld, hier dagegen um die<br />

Abweichung der Leistungsbestimmung von dem in § 375<br />

HGB vorausgesetzten Bestimmungsrahmen. Die aliud Leis<br />

tung ist stets schuldwidrig; welche Rechtsfolgen an sie ge<br />

knüpft werden, hat mit der Schuld nichts zu tun. Insofern<br />

taugt auch das Ausmaß der Bestimmtheit nicht zur Abgren<br />

zung, wie gerade der Garnrollenfall des RG (RGZ 14, 243)<br />

zeigt.<br />

Wahlschuld <strong>und</strong> Bestimmungskauf müssen nicht entlang<br />

einer festen Grenze geschieden werden; vom Ausmaß der<br />

Bestimmung her können sich beide Normen überlappen.<br />

Eine systematische Abgrenzung beider Konkretisierungs<br />

wege hat es nie gegeben. § 375 HGB geht in seinem Anwen<br />

dungsbereich, dem Handelskauf mit Bestimmungsrecht des<br />

Käufers, als speziellere Regelung vor.<br />

2. Spezifikationsverzug als Tatbestandsvoraussetzung?<br />

a) Ausgang: Fristsetzungserfordernis<br />

Vor der <strong>Schuldrecht</strong>sreform war alles klar: § 375 HGB er<br />

hebt die Spezifikation zur Hauptpflicht <strong>und</strong> verwies auf<br />

§ 326 <strong>BGB</strong> a. F. Dies geschah nicht nur auf der Rechtsfolgen<br />

seite, sondern auch dadurch, daß auf der Tatbestandsseite im<br />

Gleichklang mit § 326 <strong>BGB</strong> a. F. Schuldnerverzug voraus<br />

gesetzt war. Bei der Anpassung des § 375 HGB an das neue<br />

<strong>Schuldrecht</strong> wurde geschlampt: Korrigiert wurde nur die<br />

Folgenseite durch Rechtsgr<strong>und</strong>verweisung 58 auf Schadens<br />

ersatz nach §§ 280, 281 <strong>BGB</strong> <strong>und</strong> Rücktritt gemäß § 323<br />

<strong>BGB</strong>.<br />

Das heißt: Der Verkäufer muß dem Käufer stets eine Frist<br />

zur geschuldeten Spezifikation setzen.<br />

Wählt er die Ersatzbestimmung, so muß der Verkäufer<br />

nach § 375 Abs. 2 Satz 2 HGB Fristsetzung <strong>und</strong> Ersatz<br />

bestimmung verbinden; für den Käufer begrenzt die Frist<br />

dann sein Abwendungsrecht nach § 375 Abs. 2 Satz 3 HGB;<br />

mit Fristablauf ist die Spezifikation des Verkäufers maß<br />

gebend.<br />

Will der Verkäufer zurücktreten, muß er dem Käufer<br />

nach § 323 Abs. 1 <strong>BGB</strong> eine Frist zur Bestimmung setzen<br />

(wenn dies nicht wegen erkennbarer Vertragsaufsage nach<br />

§ 323 Abs. 2 <strong>BGB</strong> entbehrlich ist). Hat der Verkäufer eine<br />

Ersatzspezifikation erklärt, ist ihm der Rücktritt verwehrt;<br />

denn mit Fristablauf ist der gewünschte Konkretisierungs<br />

erfolg nach § 375 Abs. 2 Satz 3 HGB eingetreten; die Frist<br />

verstreicht also nicht fruchtlos.<br />

Will der Verkäufer Schadensersatz statt der Leistung,<br />

muß er dem Käufer nach § 281 Abs. 1 Satz 1 <strong>BGB</strong> die Frist<br />

zur ausstehenden Bestimmung setzen, entbehrlich nach<br />

§ 281 Abs. 2 <strong>BGB</strong>. Auch hier gilt: Hat der Verkäufer mit<br />

der Fristsetzung Ersatzspezifikation erklärt, ist ihm der<br />

Schadensersatz verwehrt. Mit Fristablauf ist der gewünschte<br />

Konkretisierungserfolg nach § 375 Abs. 2 Satz 3 HGB einge<br />

treten; die Frist verstreicht nicht fruchtlos.<br />

Hat der Verkäufer mit der Fristsetzung keine Ersatzspe<br />

zifikation verb<strong>und</strong>en, erlischt dieses Recht nicht mit Frist<br />

ablauf. Denn die Fristsetzung hat nunmehr nur noch Warn<br />

funktion, befristet aber den Anspruch auf Bestimmung nicht<br />

mehr, anders als früher nach § 326 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz<br />

<strong>BGB</strong> a. F. („der Anspruch auf Erfüllung ist ausgeschlossen“).<br />

Anders ist es über § 643 Satz 2 <strong>BGB</strong> im Werkvertrag (noch<br />

IV.).<br />

Sein Recht auf Ersatzspezifikation verliert der Verkäufer<br />

also erst, wenn er den Rücktritt erklärt hat oder den Scha<br />

densersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 4 <strong>BGB</strong> verlangt<br />

hat. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt das Wahlrecht des Ver<br />

käufers bestehen. Will der Verkäufer „doch noch“ zur Er<br />

satzspezifikation greifen, ist allerdings die mit ihr verb<strong>und</strong>e<br />

ne zweite Fristsetzung erforderlich. Das Ersatzbestim<br />

mungsrecht ist notwendig mit der Abwendungsbefugnis des<br />

Käufers verb<strong>und</strong>en; erklärt der Verkäufer eine Ersatzbestim<br />

mung ohne (zweite) Fristsetzung, kann seine Erklärung nicht<br />

nach § 375 Abs. 2 Satz 3 HGB verbindlich werden.<br />

Systemwidrig hat der Gesetzgeber in § 375 HGB als ei<br />

genständiges Tatbestandsmerkmal den Schuldnerverzug mit<br />

der Bestimmungspflicht belassen („Ist der Käufer mit der<br />

Erfüllung dieser Verpflichtung in Verzug“). Systemwidrig,<br />

weil das neue <strong>Schuldrecht</strong> weder für den Schadensersatz statt<br />

der Leistung noch für den Rücktritt Verzug voraussetzt.<br />

b) Verzugsabhängiger Rücktritt?<br />

Diese Schlamperei führte bei Wortlauttreue zu der absurden<br />

Konsequenz, daß § 375 Abs. 2 HGB den Verkäufer nur unter<br />

Bestimmungsverzug zum Rücktritt berechtigte <strong>und</strong> also Ver<br />

tretenmüssen des bestimmungspflichtigen Käufers voraus<br />

setzte, § 286 Abs. 4 <strong>BGB</strong>. § 375 HGB mutierte zu einer „In<br />

sel alten <strong>Schuldrecht</strong>s“ <strong>und</strong> stellte den Verkäufer insoweit<br />

schlechter als nach allgemeinem <strong>Schuldrecht</strong>. Das ist Beleg<br />

dafür, daß die <strong>Schuldrecht</strong>sreform mit Binnenlogik aus<br />

gestattet ist <strong>und</strong> systematische Fernwirkungen nicht erfaßt.<br />

56 A.A. Emmerich JuS 1997, 98, 99; Müller, in: Ebenroth/Boujong/Joost<br />

(Fn. 5), § 375 Rn. 8; K. Schmidt (Fn. 5), S. 786.<br />

57 So aber Canaris (Fn. 5), § 29 Rn. 25; Grunewald, in: MünchKomm-<br />

HGB (Fn. 24), § 375 Rn. 7, 9. 58 Canaris (Fn. 5), § 29 Rn. 19; Hopt, in:Baumbach (Fn. 7), § 375 Rn. 9.<br />

Aufsätze


Aufsätze<br />

600 Volker Rieble/Michael Gutfried <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> <strong>BGB</strong> <strong>Schuldrecht</strong> JZ 12/2008<br />

Canaris entschuldigt dies damit, daß der „Kommission Leis<br />

tungsstörungsrecht“ „ein umfassendes Durchdenken solcher<br />

Annex <strong>und</strong> Folgeprobleme schon wegen des außerordentli<br />

chen Zeitdrucks . . . nur sehr eingeschränkt möglich“ war <strong>und</strong><br />

bietet höchstselbst wissenschaftliche Nachbesserung an in<br />

der Festschrift für ein anderes solchermaßen bezichtigtes<br />

Kommissionsmitglied 59.<br />

Dieses Redaktionsversehen ist zu korrigieren; am besten<br />

durch eine Neufassung: „Verzögert der Käufer die Bestim<br />

mung . . .“. Bis dahin darf die Rechtspraxis den Schuldnerver<br />

zug als Rücktrittsvoraussetzung „weginterpretieren“, indem<br />

die Rechtsgr<strong>und</strong>verweisung auf § 323 <strong>BGB</strong> das Verzugs<br />

merkmal konsumiert 60. Der Rücktritt des § 323 <strong>BGB</strong> ist<br />

auch bei bloßer Leistungsverzögerung möglich; dem Schuld<br />

ner wird durch die Fristsetzung eine letzte Chance einge<br />

räumt; ob er diese nutzen kann, ist unerheblich. Den Rück<br />

griff auf die Universalformel vom „untragbaren Wertungs<br />

widerspruch“ (der nur behauptet, was er zu beweisen sucht,<br />

nämlich die Wertung der Untragbarkeit) braucht es nicht.<br />

Damit wird zugleich ein gewisser systematischer Gleichlauf<br />

mit dem Tatbestand des § 319 Abs. 2 <strong>BGB</strong> gewonnen, der<br />

auch auf die Parteileistungsbestimmung anzuwenden ist, weil<br />

der Richter keine Ersatzleistungsbestimmung nach seinem<br />

freien Belieben treffen kann 61. Nur ist es hier anders als dort:<br />

Wegen der Ersatzvornahmemöglichkeit muß der Vertrag<br />

nicht notwendig scheitern, wenn die Bestimmung verzögert<br />

wird. Erst durch die Rücktrittserklärung macht der Verkäu<br />

fer deutlich, daß er auf sein Recht zur Ersatzvornahme <strong>und</strong><br />

damit auf die Konkretisierung des Vertrages verzichtet.<br />

c) Verzugsunabhängiger Schadensersatz?<br />

Etwas komplizierter ist es für den Schadensersatz statt der<br />

Leistung. § 281 <strong>BGB</strong> verlangt in der Tat keinen Schuldner<br />

verzug als „Einstiegsvoraussetzung“ in das Fristsetzungsver<br />

fahren. Wohl aber muß der Schuldner zu irgendeinem Mo<br />

ment die Pflichtverletzung zu vertreten haben, § 280 Abs. 1<br />

Satz 2 <strong>BGB</strong> kein Schadensersatz ohne Vertretenmüssen.<br />

Dieses Gr<strong>und</strong>erfordernis ist vom Gesetzgeber gleich doppelt<br />

(übergründlich) für § 281 <strong>BGB</strong> postuliert: § 280 Abs. 3 <strong>BGB</strong><br />

spricht von den „zusätzlichen Voraussetzungen“ des § 281<br />

<strong>BGB</strong>; dieser wiederum verweist in Abs. 1 Satz 1 auf die „Vor<br />

aussetzungen des § 280 Abs. 1“.<br />

Wiewohl der Ansatzpunkt für das Vertretenmüssen im<br />

Fall der Nachfrist gewisse Schwierigkeiten macht, ist die<br />

gesetzgeberische Entscheidung, keinen Schuldnerverzug zu<br />

verlangen, zu respektieren. Der Käufer muß die ausbleibende<br />

Bestimmung entweder vor der Fristsetzung zu vertreten ha<br />

ben (dann typischerweise Schuldnerverzug) oder (!) aber die<br />

Versäumung der gesetzten Frist. Ihm wird vorgeworfen, daß<br />

er bis Fristablauf die geschuldete Bestimmung nicht leistet 62.<br />

Keinesfalls darf verlangt werden, daß das Vertretenmüssen<br />

sich notwendig auf die Nachfrist bezieht 63. Das ist im Gesetz<br />

nicht verlangt. In aller Regel wird ein einmal eingetretener<br />

59 Canaris, in: Festschrift Konzen, 2006, S. 43.<br />

60 So mit Recht Canaris (Fn. 5) § 29 Rn. 20; ders., in: Festschrift Konzen<br />

(Fn. 59), S. 45; Grunewald, in: MünchKommHGB (Fn. 24) § 375 Rn. 25;<br />

a. A. Hopt, in:Baumbach (Fn. 7), § 375 Rn. 10.<br />

61 Rieble, in:Staudinger (Fn. 7), § 315 Rn 65; Gehrlein, in:Bamberger/<br />

Roth (Fn. 26), § 315 Rn. 12; M. Wolf, in: Soergel (Fn. 33), § 315 Rn. 50;<br />

Ballhaus, in: RGRK (Fn. 42), § 315 Rn. 18.<br />

62 H.M.: Canaris DB 2001, 1815, 1816; Otto, in: Staudinger (Fn. 37),<br />

§ 280 D 11; Ernst, in: MünchKomm<strong>BGB</strong> (Fn. 31) § 281 Rn. 47 ff. Faust, in:<br />

Huber/Faust (Fn. 37), 3. Kapitel Rn. 153; Hirsch Jura 2003, 289, 293.<br />

63 So aber St. Lorenz, in: Festschrift U. Huber, 2006, S. 423, 426 f. Lorenz/Riehm<br />

(Fn. 50), Rn. 535; Dauner-Lieb, in: Festschrift Konzen, 2006,<br />

S. 63, 79; Heinrichs, in:Palandt (Fn. 37), § 281 Rn. 16.<br />

Bestimmungsverzug überdies die Zufallshaftung des § 287<br />

Satz 2 <strong>BGB</strong> auslösen 64. Bestimmungsverzug ist also hinrei<br />

chende, nicht jedoch notwendige Voraussetzung für den<br />

Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Auf der anderen<br />

Seite: Lag der Käufer während der gesamten Zeit ab Fällig<br />

keit der Bestimmungspflicht bis zum Ablauf der Nachfrist<br />

im Koma, so schuldet er keinen Schadensersatz.<br />

d) Verzugsabhängige Ersatzvornahme?<br />

Damit ist aber sogleich die Frage aufgeworfen, ob die Ersatz<br />

vornahme in der Bestimmung noch vom Schuldnerverzug<br />

abhängen darf. Auch das wird von Canaris mit der General<br />

klausel des „untragbaren Wertungswiderspruches“ verneint;<br />

er schlägt statt dessen vor, auf den Gläubigerverzug des § 264<br />

Abs. 2 <strong>BGB</strong> (analog) auszuweichen 65.<br />

Das ist zweifelhaft, weil die Bestimmung der Kaufsache<br />

keine Mitwirkungshandlung an der Leistungsbewirkung ist,<br />

weswegen der Verzug des § 264 Abs. 2 <strong>BGB</strong> besser als Ver<br />

zug mit der geschuldeten Konkretisierung verstanden wer<br />

den sollte (oben II.2.c). Auch damit freilich würde mehr<br />

verlangt als für den Rücktritt.<br />

Indes ist beides weder Wertungswiderspruch noch un<br />

tragbar: Ohne § 375 Abs. 2 HGB hätte der Verkäufer kein<br />

Recht zur Ersatzbestimmung, weil wie gesehen Gr<strong>und</strong><br />

figur des Bestimmungskaufes nicht die Wahlschuld, sondern<br />

die Leistungsbestimmung ist. Bei dieser scheitert die richter<br />

liche Ersatzvornahme am freien Belieben der Spezifikation.<br />

Deswegen ist es auch nicht widersprüchlich, daß das Schei<br />

tern des Vertrages leichter eintritt als das Recht zur Ersatz<br />

spezifikation. Die Parteien haben einen Vertrag geschlossen,<br />

der erst durch spätere Konkretisierung vollzugsfähig ist <strong>und</strong><br />

sich damit dem Risiko des Scheiterns selbst ausgeliefert.<br />

Eben diese Sicht bestätigt § 643 Satz 2 <strong>BGB</strong> für den Werk<br />

vertrag: Ohne jedes Verschuldenserfordernis scheitert dieser,<br />

wenn der Besteller seine Mitwirkungshandlung innerhalb der<br />

gesetzten Frist nicht erfüllt.<br />

Weg vom Verzugserfordernis käme man allenfalls mit der<br />

Erwägung, der historische Gesetzgeber habe einen Gleich<br />

lauf der Voraussetzungen von Ersatzvornahme, Schadens<br />

ersatz <strong>und</strong> Rücktritt gewollt 66. Indes ist der gewollte Gleich<br />

lauf unmöglich, weil die <strong>Schuldrecht</strong>sreform die Einheitlich<br />

keit des § 326 a. F. <strong>BGB</strong> aufgegeben hat. Schadensersatz gibt<br />

es nur bei Vertretenmüssen; Rücktritt auch ohne. Daß die<br />

Ersatzvornahme gegen den Wortlaut des § 375 HGB not<br />

wendig ohne jedes Vertretenmüssen des Käufers möglich<br />

sein soll, ist jedenfalls kein zwingender Schluß. Deshalb soll<br />

te man insofern beim Wortlaut bleiben.<br />

Das wiederum kompliziert das dreifache Wahlrecht des<br />

§ 375 Abs. 2 HGB. Für die Ersatzspezifikation braucht es<br />

Bestimmungsverzug; für den Schadensersatz irgendein Ver<br />

tretenmüssen der Nichtspezifikation bis zum Ablauf der<br />

Nachfrist, für den Rücktritt genügt die bloße Bestimmungs<br />

verzögerung.<br />

3. Schadensersatzfragen<br />

a) Surrogations- oder Differenzmethode?<br />

Für den Schadensersatz statt der Leistung wird allgemein ein<br />

Nebeneinander von Differenzmethode <strong>und</strong> Surrogations<br />

64 Gsell, in: Festschrift Canaris, 2007, S. 337, 348 ff.<br />

65 Canaris, in: Festschrift Konzen (Fn. 59), S. 46 mit Redaktionsversehen<br />

beim Zitieren der einschlägigen Normen, es geht um § 264 Abs. 2 Satz 1<br />

<strong>BGB</strong> <strong>und</strong> nicht HGB; ders. (Fn. 5), § 29 Rn. 17<br />

66 E I § 346 HGB mit Denkschrift (Fn. 6) I S. 216 ff.


JZ 12/2008 Volker Rieble/Michael Gutfried <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> <strong>BGB</strong> <strong>Schuldrecht</strong> 601<br />

methode befürwortet 67 obzwar der Anspruch auf diejenige<br />

Leistung, für die die Frist gesetzt war, mit dem Schadens<br />

ersatzverlangen untergeht, § 281 Abs. 4 <strong>BGB</strong>. Der Anspruch<br />

auf die Gegenleistung bleibt unberührt, jedenfalls aber das<br />

Recht des Gläubigers, die eigene Leistung noch zu erbringen.<br />

Das ist hier anders: Sobald der Verkäufer als Gläubiger<br />

des Bestimmungsanspruches den Schadensersatz verlangt, ist<br />

nach § 281 Abs. 4 <strong>BGB</strong> der Anspruch gegen den Käufer auf<br />

Bestimmung ausgeschlossen. Damit aber kann die Verkäufer<br />

pflicht nicht mehr konkretisiert werden. Mit dem Schadens<br />

ersatzverlangen hat er also sein eigenes Absatzinteresse tor<br />

pediert. Mithin bleibt nur die Differenzmethode: Der Ver<br />

käufer muß den Wert seiner unkonkretisierten Leistungs<br />

pflicht in Ansatz bringen <strong>und</strong> kann den ihm gebührenden<br />

Gewinn verlangen.<br />

b) Schadensersatz für Verzögerung <strong>und</strong> statt<br />

der Leistung<br />

Mit Blick auf die Verzögerung der Bestimmung kann der Ver<br />

käufer auch Verzögerungsschadensersatz verlangen, §§ 280<br />

Abs. 1, 2, 286 <strong>BGB</strong> etwa weil sich durch die Spezifikations<br />

verzögerung die Herstellungskosten verteuern. Kommt es<br />

später zum Schadensersatz statt der Leistung, stellen sich ei<br />

nige Probleme auch hier.<br />

Wichtig ist zunächst, daß die Fristsetzung den Verzug<br />

nicht beendet: Die gesetzte Frist verschafft dem Schuldner<br />

keinen Aufschub 68, sondern mahnt gerade zur Eile. Sie ist<br />

Höchstfrist.<br />

Für das Verhältnis beider Ansprüche ist ein abgrenzendes<br />

Nebeneinander der richtige Weg 69: Der Verzögerungsscha<br />

den gleicht aus, daß der Schuldner bis zum Untergang der<br />

Leistungspflicht durch Schadensersatzverlangen nach § 281<br />

Abs. 4 <strong>BGB</strong> nicht geleistet hat; der Schadensersatz „statt“ der<br />

Leistung hat den Entfall des Leistungsanspruches <strong>und</strong> den zu<br />

diesem Zeitpunkt entstehenden Schaden auszugleichen. Die<br />

se zeitliche Trennung berücksichtigt zum einen die unter<br />

schiedlichen Anspruchsvoraussetzungen von Verzögerungs<br />

schaden <strong>und</strong> Schadensersatz statt der Leistung. Zum anderen<br />

macht sie das von der Rechtsprechung 70 zum alten Schuld<br />

recht befürwortete Wahlrecht des Gläubigers hinsichtlich des<br />

Zeitpunkts der Schadensermittlung entbehrlich: Wertmin<br />

derungen der Kaufsache <strong>und</strong> andere dynamische Entwick<br />

lungen der Schadensposten, die zwischen Verzugsbeginn <strong>und</strong><br />

dem Zeitpunkt eintreten, zu dem der Verkäufer den Schaden<br />

statt der Leistung verlangt, sind bereits vom Verzögerungs<br />

schaden umfaßt. 71<br />

c) Schadensersatz neben Rücktritt?<br />

Tritt der Verkäufer zurück, so kann er nach neuem Schuld<br />

recht auch Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn<br />

das erforderliche Vertretenmüssen (oben 2.c) vorliegt. Die<br />

bisherige Alternativität von Schadensersatz <strong>und</strong> Rücktritt<br />

ist mit § 325 <strong>BGB</strong> aufgegeben. Bei der redaktionellen „An<br />

passung von § 375 Abs. 2 HGB ist indes das aus § 326 <strong>BGB</strong><br />

a. F. entlehnte „oder“ stehen geblieben. Nun muß die Rechts<br />

wissenschaft auch hier als methodischer Reparaturbetrieb<br />

agieren <strong>und</strong> das bisherige streng alternative „oder“ als ku<br />

67 St. Lorenz, in: Karlsruher Forum 2005, S. 82; Looschelders (Fn. 39),<br />

Rn. 673; Heinrichs, in: Palandt (Fn. 37), § 281 Rn. 21; im Ergebnis auch<br />

Emmerich, in: MünchKomm<strong>BGB</strong> (Fn. 31), Vor § 281 Rn. 35 ff.<br />

68 So aber Otto, in:Staudinger (Fn. 37), § 280 Rn. E 18 <strong>und</strong> § 281 Rn. B<br />

146; Tiedtke/Schmitt BB 2005, 615, 617.<br />

69 So auch Kaiser, in:Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts, 2. Aufl. 2008<br />

(erscheint demnächst), unter F IV 2.<br />

70 BGH MDR 1959, 910; BGH NJW 1997, 1231; NJW 1998, 2901.<br />

71 Ausführlich Giesen, in: Festschrift Huber (Fn. 63), S. 263, 267 ff.<br />

mulatives „oder“ lesen. Mit dem Wortsinn ist das zu verein<br />

baren <strong>und</strong> wegen des veränderten systematischen Zusam<br />

menhangs geboten 72.<br />

Praktisch wird die Rückgewähr kaum. Der Verkäufer hat<br />

seine Leistung infolge der fehlenden Bestimmung gerade<br />

nicht erbringen können. Immerhin kann der Verkäufer trotz<br />

des Rücktritts den bis dahin angelaufenen Verzögerungs<br />

schaden geltend machen 73 <strong>und</strong> auch seinen Gewinn als Scha<br />

densersatz statt der Leistung liquidieren. Überdies ist es<br />

denkbar, daß der Verkäufer Folgeschäden geltend macht, et<br />

wa daß er wegen der vorgehaltenen Erfüllungsbereitschaft<br />

ein anderweitiges gewinnbringendes Geschäft nicht eingehen<br />

konnte. Für den Fall der Spezifikationsverzögerung bietet<br />

der Rücktritt mithin dem Verkäufer keine Vorteile im Ver<br />

gleich zum Schadensersatz.<br />

IV. Spezifikationswerk(lieferungs)vertrag<br />

1. Werklieferung unter Bestimmungsrecht<br />

§ 381 Abs. 2 HGB ordnet die Geltung der Handelskauf<br />

regeln für den Werklieferungsvertrag an. Die Norm war vor<br />

der <strong>Schuldrecht</strong>sreform schon „teilüberflüssig“, weil das<br />

<strong>BGB</strong> für den Werklieferungsvertrag über vertretbare Sachen<br />

die Geltung von Kaufrecht <strong>und</strong> damit auch des Handelskauf<br />

rechts anordnete (§ 651 Abs. 1 Satz 2 <strong>BGB</strong> a. F.) 74. Nunmehr<br />

gilt Kaufrecht für alle Werklieferungsverträge, § 651 <strong>BGB</strong><br />

<strong>und</strong> damit stets auch Handelskaufrecht (vorausgesetzt, es<br />

handelt sich um ein Handelsgeschäft i. S. von § 343 HGB).<br />

§ 381 Abs. 2 HGB ist als Verweisungsnorm zunächst voll<br />

ständig überflüssig. Auch das hat der Reformgesetzgeber<br />

nicht gesehen.<br />

§ 375 HGB hat für jene Werklieferungsverträge, für die<br />

nach § 651 Satz 3 <strong>BGB</strong> „etwas“ Werkvertragsrecht anzuwen<br />

den ist, nach wie vor erhebliche Bedeutung: Die Spezifika<br />

tion durch den Werkbesteller ist nach <strong>BGB</strong> zunächst <strong>und</strong><br />

gemäß der h. M. „nur“ Obliegenheit 75; auf diese Obliegen<br />

heitsverletzung reagieren §§ 642, 643, 645 <strong>BGB</strong>. Nach § 375<br />

HGB ist die Werkspezifikation zugleich Hauptpflicht, so<br />

daß der Unternehmer für den Fall der ausbleibenden Spezi<br />

fikation wählen kann, ob er nach <strong>BGB</strong> oder nach HGB vor<br />

geht. Freilich gilt das nur für Spezifikationslasten des Bestel<br />

lers, nicht aber für andere Mitwirkungshandlungen (etwa<br />

Stellen von Zutaten). So kann der Schneider als Kaufmann,<br />

bei dem der K<strong>und</strong>e den Termin für das Maßnehmen oder die<br />

Anprobe versäumt, womöglich Rechte aus § 375 HGB gel<br />

tend machen. Auch der Werkvertrag über die Herstellung<br />

einer Zahnprothese 76 ist Werklieferungsvertrag, weswegen<br />

die unterbliebene Angabe der konkreten Maße mit § 375<br />

HGB geahndet werden kann. Das hat die Rechtsprechung<br />

immer wieder übersehen, wenn der Werkbesteller nicht seine<br />

gewünschte Sonderausstattung für einen Omnibus Aufbau<br />

mitgeteilt hat 77, eresversäumthat,ein„Pflichtenheft“ zu<br />

72 Canaris, in: Festschrift Konzen (Fn 59), S. 44 f.; Oetker, Handelsrecht,<br />

5. Aufl. 2007, § 8 Rn. 26.<br />

73 Kaiser, in:Staudinger (Fn. 38), Vor § 346 Rn. 88.<br />

74 Hefermehl, in:Schlegelberger (Fn. 45), § 381 Rn. 5.<br />

75 Mot. II S. 495 (zu § 575 E I); Prot. II S. 328 (zu § 643); BGHZ 11, 80,<br />

85; Fikentscher, <strong>Schuldrecht</strong>, 9. Aufl. 1997, § 80 II 3 (Rn. 895); Larenz,<br />

<strong>Schuldrecht</strong> II/1, 14. Aufl. 1987, § 53 IIIc; Locher, Das private Baurecht,<br />

6. Aufl. 1996, Rn. 128; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse,<br />

3. Aufl. 2007, S. 517; Peters, in:Staudinger, <strong>BGB</strong>, 2003, § 642 Rn. 17; für<br />

eine echte Schuldnerpflicht dagegen Glanzmann, in: RGRK (Fn. 42), § 642<br />

Rn. 2, § 631 Rn. 46, 94; Schwenker, in:Erman (Fn. 42), § 642 Rn. 2, 6.<br />

76 Vgl. BGHZ 63, 306; OLG Koblenz NJW-RR 1995, 567.<br />

77 BGH BB 1958, 284.<br />

Aufsätze


Aufsätze<br />

602 Volker Rieble/Michael Gutfried <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> <strong>BGB</strong> <strong>Schuldrecht</strong> JZ 12/2008<br />

stellen, etwa für ein elektronisches Zugangssicherungssys<br />

tem 78 oder für herzustellende Software 79 <strong>und</strong> die Gerichte<br />

hierin nur eine Obliegenheitsverletzung sehen wollten, die<br />

nicht zum Schadensersatz berechtigt. Die Gerichte hätten<br />

also an sich prüfen müssen, ob § 375 HGB über § 651 <strong>BGB</strong><br />

für die Werkspezifikation greift; das setzt voraus, daß das<br />

Werk als bewegliche Sache qualifiziert werden kann 80. Rela<br />

tiviert wird § 375 HGB indes durch das Werkvertragsrecht:<br />

2. Spezifikation <strong>und</strong> Werkvertragsrecht<br />

Im reinen Werkvertrag ist § 375 HGB nach wie vor nicht<br />

anwendbar. Indes heißt das nicht, daß die unterlassene Leis<br />

tungsbestimmung nur als Obliegenheitsverletzung nach<br />

§§ 642 f., 645 <strong>BGB</strong> gesehen werden kann.<br />

Vielmehr kann man auch hier noch genauer hinsehen:<br />

Wie schon bei der historischen Diskussion um den Spezifi<br />

kationskauf wird nicht hinreichend zwischen Vertragskon<br />

kretisierung <strong>und</strong> Mitwirkung beim Leistungsvollzug unter<br />

schieden. Das erste betrifft die rechtsgeschäftliche Konkreti<br />

sierung der Leistungspflicht, mit der der Vertrag überhaupt<br />

erst hinreichend bestimmt wird <strong>und</strong> die Schuld als durch<br />

setzbare entsteht. Das zweite ist Realakt beim Leistungsvoll<br />

zug. § 642 <strong>BGB</strong> meint überhaupt nur dies: Daß nämlich der<br />

Besteller die Mitwirkung „bei der Herstellung des Werkes“<br />

versäumt. Von der Mitwirkung bei der Vervollständigung des<br />

Vertrages ist nicht die Rede.<br />

Deswegen läßt sich die Werkspezifikation als konkreti<br />

sierende Leistungsbestimmung gemäß § 315 <strong>BGB</strong> begreifen<br />

(§ 375 HGB greift hier nicht) mit der Folge, daß der Be<br />

steller zu ihr verpflichtet ist. Man kann nur umgekehrt fra<br />

gen, ob daraus, daß der Werkunternehmer (ohne besondere<br />

Vereinbarung) keinen Anspruch auf Leistungsvollzug, also<br />

Herstellung hat (arg. § 649 <strong>BGB</strong>) <strong>und</strong> insbesondere vom<br />

Besteller auch nicht die verabredete Mitwirkung im Leis<br />

tungsvollzug verlangen kann, §§ 642 f., 645 <strong>BGB</strong>, in einem<br />

„Erst Recht Schluß“ folgt, daß auch eine Pflicht zur Kon<br />

kretisierung des Vertrages ausscheidet.<br />

Ob die Mitwirkung im Leistungsvollzug stets Obliegen<br />

heit ist, darf jedoch bereits bezweifelt werden. Die histori<br />

sche Gesetzgebung stand unter dem maßgeblichen Einfluß<br />

Kohlers, der jede Obligation als Vermögensbestandteil des<br />

Gläubigers betrachtete, mit dem dieser nach Belieben verfah<br />

ren durfte. 81 Diese Betrachtungsweise ist durch die Anerken<br />

nung einer Pflicht zur Vertragstreue, der auch der Gläubiger<br />

unterliegt, überholt. 82 Zudem läßt § 645 Abs. 2 <strong>BGB</strong> aus<br />

drücklich die „weitergehende Haftung des Bestellers wegen<br />

Verschuldens“ unberührt. Gemeint ist die Haftung aus § 280<br />

<strong>BGB</strong> wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten. Daß<br />

die Mitwirkung des Bestellers bloße Obliegenheit ist, ist also<br />

vom Gesetzgeber nur als Normalfall vorausgesetzt. 83 Erfaßt<br />

wird auch der Fall, daß die Unmöglichkeit der Werkherstel<br />

lung selbst vom Besteller zu vertreten ist, § 326 Abs. 2 <strong>BGB</strong>.<br />

78 BGH NJW-RR 1992, 556<br />

79 BGH NJW-RR 1994, 1469<br />

80 Daran wird es bei individuell entwickelter Software zumeist fehlen;<br />

ausführlich dazu: Redeker CR 2004, 88; Müller-Hengstenberg CR 2004,<br />

161; zusammenfassend Junker NJW 2005, 2829, 2831 f.<br />

81 Kohler (Fn. 48), S. 267 ff.<br />

82 Auch die Rechtsprechung läßt – trotz Bezeichnung als Mitwirkungsobliegenheiten<br />

– Schadensersatzansprüche des Unternehmers zu, wenn die<br />

unterlassene Mitwirkung den Vertragszweck gefährdet: BGHZ 50, 175; 11,<br />

80.<br />

83 Hartmann, Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers, 1997, S. 48<br />

geht dagegen stets von einer Nebenleistungspflicht des Gläubigers aus, da<br />

Der Besteller ist gr<strong>und</strong>sätzlich zur Konkretisierung der<br />

Werkschuld verpflichtet, soweit es um von ihm zu liefernde<br />

Beschaffenheitsangaben (Pflichtenheft) geht wie dies der<br />

BGH für den Sonderfall des Werkabrufs bereits gesehen hat<br />

(NJW 1972, 99). Der Verstoß gegen diese Konkretisierungs<br />

pflicht kann zum Schadensersatz führen. Man sollte einen<br />

Schritt weitergehen <strong>und</strong> das Recht zur Fristsetzung nach<br />

§ 643 <strong>BGB</strong> wortlautgetreu auf Mitwirkungsakte bei der Her<br />

stellung begrenzen. Das heißt: Eine Fristsetzung mit Auf<br />

hebungsfolge nach § 643 Satz 2 <strong>BGB</strong> ist ausgeschlossen; der<br />

Unternehmer kann dem Besteller nur eine Frist für die<br />

Schuldpflicht zur Konkretisierung nach §§ 281 Abs. 1 Satz 1,<br />

323 Abs. 1 <strong>BGB</strong> setzen.<br />

Daß der Besteller auch schon vor Konkretisierung gem.<br />

§ 649 <strong>BGB</strong> kündigen kann, ist kein Gegenargument. § 649<br />

<strong>BGB</strong> bestimmt nur, daß der Besteller sich von den vertrag<br />

lichen Pflichten durch Kündigung (teilweise) lösen kann,<br />

besagt jedoch nichts über das Pflichtenprogramm, dem der<br />

Besteller während der bestehenden Vertragsbindung unter<br />

liegt. 84 Zudem beläßt § 649 <strong>BGB</strong> dem Werkunternehmer<br />

gerade anders als § 645 Abs. 1 <strong>BGB</strong> den vollen Gewinn aus<br />

dem Werkvertrag <strong>und</strong> bringt nur ersparte Aufwendungen<br />

sowie unterlassenen Erwerb in Ansatz. Eben dies hat auch<br />

bei der schadensrechtlichen Abwicklung zu erfolgen über<br />

Vorteilsausgleichung <strong>und</strong> Mitverschulden bei der Schadens<br />

abwendung.<br />

Damit wird Gleichklang zum (kaufmännischen) Werklie<br />

ferungsvertrag über unvertretbare Sachen hergestellt, der sei<br />

nerseits dem Kaufrecht <strong>und</strong> damit § 375 Abs. 1 HGB unter<br />

fällt andererseits nach § 651 Satz 3 <strong>BGB</strong> aber auch<br />

§§ 642 645, 649 <strong>BGB</strong>. Wollte man aus dem Werkvertrags<br />

recht folgern, daß es keinen Anspruch auf Konkretisierung<br />

gebe, wäre dieser Widerspruch kaum aufzulösen.<br />

V. Fazit<br />

Die Unterschiede zwischen dem <strong>Spezifikationskauf</strong> <strong>und</strong> den<br />

Regelungen des <strong>BGB</strong> sind marginal; allerdings nicht wegen<br />

dessen Nähe zur Wahlschuld, sondern weil § 375 HGB in<br />

Tatbestand <strong>und</strong> Rechtsfolgen ein ideales Regelungsmodell<br />

der Leistungsbestimmung nach freiem Ermessen darstellt.<br />

Vor allem die in § 375 Abs. 2 HGB gewährten Sek<strong>und</strong>ärrech<br />

te des Rücktritts <strong>und</strong> Schadensersatzes sind seit der Schuld<br />

rechtsreform nicht mehr ein Spezifikum des Handelsrechts,<br />

sondern ergeben sich bereits aus der Anwendung des all<br />

gemeinen Leistungsstörungsrechts des <strong>BGB</strong>.<br />

Zentral hierfür ist die Erkenntnis, daß die Konkretisie<br />

rung eines Vertrages gleich ob diese durch Bestimmung<br />

nach § 375 HGB, Wahlschuld gemäß § 262 ff. <strong>BGB</strong> oder<br />

Leistungsbestimmung nach § 315 <strong>BGB</strong> erfolgt von der<br />

konkretisierungsbefugten Partei geschuldet ist. Für diese<br />

Schuldpflicht zur Konkretisierung gelten die allgemeinen<br />

Leistungsstörungsregeln. Deshalb kann der der Konkretisie<br />

rung Unterworfene dem Berechtigten eine Frist setzen <strong>und</strong><br />

nach deren fruchtlosem Ablauf entweder Schadensersatz<br />

statt der Leistung (§ 281 <strong>BGB</strong>) verlangen oder zurücktreten<br />

(§ 323 <strong>BGB</strong>). Das gilt auch für Spezifikationspflichten im<br />

Werk(lieferungs)vertrag.<br />

Erschreckend ist einmal mehr, daß die <strong>Schuldrecht</strong>s<br />

reform die systematischen Folgewirkungen des neuen Leis<br />

tungsstörungsrechts auf andere Bereiche des Privatrechts<br />

nicht bedacht hat.<br />

dieser auf das Erreichen des Vertragszwecks verpflichtet sei. 84 Zutreffend Hartmann (Fn. 83), S. 46.

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