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Die Aufsichtspflicht der Eltern und anderen Erziehungspersonen

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Amt für Schule, Kin<strong>der</strong>-<br />

<strong>und</strong> Jugendeinrichtungen<br />

<strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Erziehungspersonen</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

• Vorwort Seite 2<br />

• <strong>Die</strong> gesetzliche <strong>Aufsichtspflicht</strong> Seite 2<br />

• <strong>Die</strong> vertragliche <strong>Aufsichtspflicht</strong> Seite 3<br />

• <strong>Die</strong> Gefälligkeitsaufsicht Seite 4<br />

• Was beinhaltet die <strong>Aufsichtspflicht</strong>? Seite 5<br />

• <strong>Die</strong> Delegation <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> Seite 7<br />

• <strong>Die</strong> Pflichten des Aufsichtführenden Seite 8<br />

• Wie muss ein Kind o<strong>der</strong> Jugendlicher beaufsichtigt werden? Seite 9<br />

• Konsequenzen bei einer <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung Seite 11<br />

• Beson<strong>der</strong>heiten des Sexualstrafrechtes Seite 13<br />

• <strong>Aufsichtspflicht</strong> <strong>und</strong> Haftung durch Lehrkräfte Seite 15<br />

• Zur <strong>Aufsichtspflicht</strong> in Kin<strong>der</strong>tageseinrichtungen Seite 16<br />

• <strong>Die</strong> Verkehrssicherungspflicht Seite 16<br />

• Haftung <strong>und</strong> Schadensersatzpflicht Seite 17<br />

• Versicherungsfragen Seite 19<br />

• Anhang Seite 21


Vorwort<br />

Liebe <strong>Eltern</strong>, liebe Erziehende,<br />

fast alle Situationen unsers täglichen Lebens sind durch eine unübersichtliche Zahl<br />

von Gesetzen, Verordnungen <strong>und</strong> Bestimmungen oft bis ins Detail geregelt. Selbst<br />

für engagierte <strong>und</strong> gebildete Laien ist kaum nachvollziehbar, welche Rechtsnormen<br />

mit unserem Tun <strong>und</strong> Handeln jeweils berührt o<strong>der</strong> unter Umständen verletzt werden.<br />

Beim Thema <strong>Aufsichtspflicht</strong> ist die Unsicherheit bei <strong>Eltern</strong> <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen<br />

beson<strong>der</strong>s häufig. Das rührt im wesentlichen daher, dass lediglich ein allgemeiner<br />

Rechtsrahmen vom Gesetzgeber festgelegt wurde. Aber das, was <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige<br />

konkret zu tun <strong>und</strong> zu lassen haben, aus einer Vielzahl von Urteilen<br />

herauszulesen ist.<br />

<strong>Die</strong>s ist sicherlich auch <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>, warum gerade zum Thema „<strong>Aufsichtspflicht</strong>“ so<br />

häufig Anfragen an das Amt für Schule, Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendeinrichtungen gerichtet<br />

werden. Wir haben deshalb bereits im Jahr 1992 ein Faltblatt mit dem Titel „<strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

gegenüber Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen“ herausgegeben. Wegen verän<strong>der</strong>ter<br />

rechtlicher Rahmenbedingungen (insbeson<strong>der</strong>e zum Sexualstrafrecht) <strong>und</strong><br />

aktuellerer Urteile zur <strong>Aufsichtspflicht</strong> haben wir nun für Sie eine vollständig neue <strong>und</strong><br />

umfangreichere Informationsschrift gefertigt.<br />

<strong>Die</strong>se Informationsschrift kann sie allerdings nur über die wichtigsten Fakten zur <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

informieren. Wenn sie - beispielweise aus beruflichen Gründen - tiefer in<br />

die Materie einsteigen möchten, empfehlen wir ihnen die im Anhang genannten Internetseiten<br />

(7 von über 16 000 zum Thema) <strong>und</strong> die angegebene Literatur.<br />

Wir hoffen, dass Sie durch diese Broschüre eine Unterstützung bei <strong>der</strong> Aufsichtführung<br />

erhalten <strong>und</strong> freuen uns über Anregungen o<strong>der</strong> Fragen zu diesem o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Themen des Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendschutzes.<br />

<strong>Die</strong> gesetzliche <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

<strong>Eltern</strong> haben als Personensorgeberechtigte auch die <strong>Aufsichtspflicht</strong> über ihre Kin<strong>der</strong><br />

bis diese das 18. Lebensjahr erreicht haben.<br />

(§ 1631 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) „<strong>Die</strong> Personensorge umfasst insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Pflicht <strong>und</strong> das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen<br />

<strong>und</strong> seinen Aufenthalt zu bestimmen“.)<br />

In beson<strong>der</strong>en Fällen kann das Familiengericht Vorm<strong>und</strong>schaft o<strong>der</strong> Ergänzungspflegschaft<br />

anordnen (§ 1909 BGB) <strong>und</strong> damit die Personensorge (mit <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>)<br />

an eine weitere Person übertragen. Das BGB beschreibt im § 1626 Abs. 2<br />

auch, <strong>der</strong> elterlichen Sorge einen partnerschaftlichen Erziehungsstil vor:<br />

„Bei <strong>der</strong> Pflege <strong>und</strong> Erziehung berücksichtigen die <strong>Eltern</strong> die wachsende Fähigkeit<br />

<strong>und</strong> das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem, verantwortungsbewusstem<br />

Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand<br />

angezeigt ist, Fragen <strong>der</strong> elterlichen Sorge <strong>und</strong> streben Einvernehmen an.“<br />

2


Es gilt deshalb für <strong>Eltern</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>und</strong> teilweise auch für die an<strong>der</strong>en Erziehenden,<br />

Sicherheitsvorstellungen <strong>und</strong> pädagogische Erwägungen gegenseitig abzuwägen.<br />

<strong>Die</strong> gesetzlich definierte sogenannte „elterliche Sorge“ umfasst sowohl die<br />

Personensorge als auch die Vermögenssorge. Das Gesetz bestimmt, dass die<br />

Personensorgeberechtigten insbeson<strong>der</strong>e die Pflicht <strong>und</strong> das Recht haben, das<br />

Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen (<strong>Aufsichtspflicht</strong>) <strong>und</strong> seinen<br />

Aufenthalt zu bestimmen (Aufenthaltbestimmungsrecht).<br />

Ein Teil dieser elterlichen Sorge, wie das Gesetz es nennt, ist die <strong>Aufsichtspflicht</strong>, die<br />

die <strong>Eltern</strong> an Dritte delegieren können. <strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> darf nur an eine gewissenhafte<br />

<strong>und</strong> zuverlässige Person bzw. Institutionen übertragen werden.<br />

Generell soll die <strong>Aufsichtspflicht</strong> zwei Schutzzwecke erfüllen:<br />

1.) den Schutz des Aufsichtsbedürftigen, damit er sich nicht selbst schädigen kann<br />

o<strong>der</strong> durch Dritte zu Schaden kommt.<br />

2.) den Schutz <strong>der</strong> Allgemeinheit, damit Dritte vor Schäden bewahrt bleiben, die ihnen<br />

<strong>der</strong> Aufsichtsbedürftige sonst zufügen könnte.<br />

<strong>Eltern</strong> haben in <strong>der</strong> Rechtssprechung bei <strong>der</strong> Beaufsichtigung <strong>der</strong> eigenen Kin<strong>der</strong><br />

generell größere Freiheiten bei den Grenzsetzungen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Risikomin<strong>der</strong>ung (Erziehungsprimat)<br />

als es beispielsweise Einrichtungen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Personen haben.<br />

<strong>Die</strong> vertragliche <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> können die Personensorgeberechtigten (<strong>Eltern</strong>) auf beruflich o<strong>der</strong><br />

ehrenamtliche Erziehende (Sportvereine, Babysitter, Übungsleiter, Ferienfahrtveranstalter)<br />

übertragen. <strong>Die</strong> Form <strong>der</strong> Übertragung ist gesetzlich nicht geregelt <strong>und</strong> bedarf<br />

deshalb keiner ausdrücklichen mündlichen o<strong>der</strong> schriftlichen Vereinbarung. Es reicht<br />

aus, wenn die <strong>Eltern</strong> <strong>der</strong> vorübergehenden Erziehung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Aufsicht des Kindes<br />

zugestimmt haben. Jedoch ist die Zustimmung zur Abgabe <strong>und</strong> die Übernahme zur<br />

Aufsicht unabdingbare Voraussetzung für eine vertragliche Vereinbarung zur Übernahme<br />

<strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>. (Gemeint ist hier, dass es „schlüssige“ Willenserklärungen<br />

bei <strong>der</strong> Abgabe, wie bei <strong>der</strong> Annahme einer <strong>Aufsichtspflicht</strong> gegeben haben<br />

muss.<br />

In <strong>der</strong> Einladung von Kin<strong>der</strong>n zu einer Geburtstagsfeier des eigenen Kindes liegt ein<br />

Angebot <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> zur vertraglichen Übernahme <strong>der</strong> Aufsicht über die eingeladenen<br />

Kin<strong>der</strong> vor. (Urteil des Oberlandesgerichtes Celle 1987, veröffentlicht in Neue Juristische<br />

Wochenschrift (NJW) 1987, Seite 1384)<br />

Es empfiehlt sich aber - so bei längeren Zeiten <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>übertragung (etwa<br />

eine mehrtägige Ferienfahrt) o<strong>der</strong> bei ungewöhnlichen o<strong>der</strong> mit beson<strong>der</strong>en Risiken<br />

behaften Aktionen (Kanutour, Schwimmbadbesuch <strong>und</strong> ähnliches) – dass die <strong>Eltern</strong><br />

eine zusätzliche schriftliche Einverständniserklärung fertigen. Hierbei sollte von den<br />

<strong>Eltern</strong> auch erklärt werden, dass ihr Kind ges<strong>und</strong>heitlich in <strong>der</strong> Lage ist, an <strong>der</strong> Fahrt<br />

o<strong>der</strong> Aktion teilzunehmen. Sinnvoll ist auch die elterliche Erklärung, dass das Kind<br />

schwimmen darf bzw. kann, wenn dies die jeweilige Situation erfor<strong>der</strong>lich macht.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> wird beispielsweise nicht übertragen, wenn das Kind bei einem<br />

Aktionsstand o<strong>der</strong> Spielzelt auf <strong>der</strong> Kieler Woche gelassen wird. Auch nicht, wenn<br />

3


das Kind diesen Ort von allein aufsucht. <strong>Die</strong> dort tätigen Erzieherinnen o<strong>der</strong> Erziehen<br />

müssten ausdrückliche eine Zustimmung zur Aufsichtsführung geben, um <strong>Aufsichtspflicht</strong>en<br />

zu übernehmen. <strong>Die</strong>s wird vernünftiger Weise niemand in einer solch<br />

unübersichtlichen Situation tun.<br />

Es stellt sich manchmal die Frage, wie alt mindestens jemand sein muss, damit an<br />

ihn <strong>Aufsichtspflicht</strong> übertragen werden kann. <strong>Die</strong>se Frage wird durch Gesetz <strong>und</strong><br />

Rechtsprechung nicht eindeutig beantwortet. Ideal ist sind sicherlich Personen ab 18<br />

Jahren, da diese voll geschäfts- <strong>und</strong> arbeitsfähig sind. Bei jüngeren wäre mit Sicherheit<br />

die Zustimmung <strong>der</strong>en <strong>Eltern</strong> erfor<strong>der</strong>lich, wenn sie (als Babysitter o<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Jugendgruppenarbeit) <strong>Aufsichtspflicht</strong>en übernehmen sollen. Des weiteren müssen<br />

sie auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> persönlichen Reife <strong>und</strong> des Verantwortungsbewusstseins für die<br />

freiwillige Übernahme einer Aufsichtsführung in <strong>der</strong> Lage sein. In Schleswig-Holstein<br />

können junge Menschen ab 16 Jahren einen Jugendgruppenleiterausweis erhalten,<br />

<strong>der</strong> sie berechtigt, im Rahmen <strong>der</strong> Jugendarbeit auch <strong>Aufsichtspflicht</strong>en zu übernehmen.<br />

Nur in beson<strong>der</strong>en Ausnahmefällen können auch schon 14-jährige einen Jugendgruppenleiterausweis<br />

erhalten.<br />

Mit dem reformierten Jugendschutzgesetz, das seit dem 1.4.2003 in Kraft ist, wurde<br />

<strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> „erziehungsbeauftragten Person“ eingeführt. So erfahren eine ganze<br />

Reihe von Aufenthaltsverbote für Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche im Jugendschutzgesetz<br />

(zum Beispiel § 4 Abs. 1: Gaststättenbesuch, § 5 Abs. 1: Tanzveranstaltungen, § 11<br />

Abs. 3: öffentliche Spätfilmvorstellungen, § 13 Abs. 1: Spielen an Öffentlich aufgestellten<br />

Bildschirmspielgeräten) Lockerungen, wenn die Min<strong>der</strong>jährigen von einer Erziehungsbeauftragten<br />

Person begleitet werden. Nach <strong>der</strong> Definition im §1 Abs1. Nr 4<br />

des Jugendschutzgesetzes ist erziehungsbeauftragt jede Person über 18 Jahren,<br />

wenn sie auf Dauer o<strong>der</strong> zeitweise für einen konkreten Anlass eine Erziehungsvereinbarung<br />

mit <strong>der</strong> personensorgeberechtigten Person <strong>der</strong> o<strong>der</strong> des Min<strong>der</strong>jährigen<br />

abgeschlossen hat. Das bedeutet, dass etwa <strong>der</strong> volljährige Bru<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Fre<strong>und</strong> einer<br />

17-jährigen sie bei <strong>der</strong> nächtlichen Kneipentour, dem Discobesuch nach Mitternacht<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kinospätvorstellung begleiten darf. Allerdings müssen die erziehungsbeauftragten<br />

Personen auf Verlangen – etwa des Discotürstehers – ihre Berechtigung<br />

darlegen. <strong>Die</strong> Berechtigung ist auf Verlangen schlüssig nachzuweisen,<br />

zum Beispiel mit schriftlicher Bescheinigung <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> o<strong>der</strong> durch Vorlage eines<br />

Gruppenleiterausweises.<br />

<strong>Die</strong> Gefälligkeitsaufsicht<br />

Von einer sogenannten Gefälligkeitsaufsicht spricht man, wenn Verwandte, Bekannte<br />

<strong>und</strong> Nachbarn 1. gelegentlich, 2. für kurze Zeit <strong>und</strong> 3. aus reiner Gefälligkeit (ohne<br />

Lohn) die Beaufsichtigung übernehmen. Hier erfolgt in <strong>der</strong> Regel keine Übernahme<br />

<strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> <strong>und</strong> damit auch keine Haftung dieser Personen im Schadensfall.<br />

Da ein Aufsichtsübernahmevertrag auch stillschweigend geschlossen werden kann,<br />

ist die Abgrenzung zu einer Gefälligkeitsaufsicht häufig nicht immer leicht. Der B<strong>und</strong>esgerichtshof<br />

hat in einer Entscheidung (veröffentlich in NJW 1968, Seite1874) Abgrenzungskriterien<br />

festgesetzt. Danach kann eine vertragliche Übernahme <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

nur dann angenommen werden, wenn es sich um eine weitreichende<br />

Obhut von längerer Dauer <strong>und</strong> weitgehen<strong>der</strong> Einwirkungsmöglichkeit handelt (Beispiele:<br />

längerer Aufenthalt eines Kindes bei Verwandten o<strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>en o<strong>der</strong> wenn<br />

den <strong>Eltern</strong> wegen <strong>der</strong> räumlichen Trennung eine Beaufsichtigung weitgehend un-<br />

4


möglich ist, eine regelmäßige Aufsicht durch Verwandte). Im Gegensatz dazu liegt<br />

eine Gefälligkeifaufsicht dann vor, wenn im Einzelfall für kürzere Zeit unentgeltlich ein<br />

Kind o<strong>der</strong> Jugendlicher beaufsichtigt wird. Der Gr<strong>und</strong> für eine solche Abgrenzung ist,<br />

dass Gefälligkeiten des täglichen Lebens sich außerhalb von Rechtsgeschäften halten<br />

sollen. Das gleiche gilt für Gefälligkeiten, die im normalen gesellschaftlichen Umgang<br />

passieren (Beispiel: wenn eine Mutter ihr Kind während ihrer Besorgungen bei<br />

<strong>der</strong> Großmutter o<strong>der</strong> bei Fre<strong>und</strong>en abgibt o<strong>der</strong> wenn zwei <strong>Eltern</strong>paare die gegenseitigen<br />

Besuche ihrer Kin<strong>der</strong> in ihren Wohnungen dulden <strong>und</strong> beim Spielen beaufsichtigen).<br />

Erlauben <strong>Eltern</strong> die gegenseitigen Besuche ihrer Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Wohnung, so besteht<br />

noch kein stillschweigen<strong>der</strong> Vertrag zur Übernahme <strong>der</strong> vollen <strong>Aufsichtspflicht</strong> beim<br />

Spielen. (Urteil des B<strong>und</strong>esgerichtshofes (BGH), veröffentlicht in NJW 1968, S. 1874)<br />

Was beinhaltet die <strong>Aufsichtspflicht</strong>?<br />

Zur <strong>Aufsichtspflicht</strong> gehört die Beaufsichtigung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen, damit<br />

sie selbst vor Gefahren <strong>und</strong> Schaden bewahrt <strong>und</strong> daran gehin<strong>der</strong>t werden, an<strong>der</strong>en<br />

einen Schaden zuzufügen.<br />

Um dieser For<strong>der</strong>ung gerecht zu werden, ist notwendig:<br />

1. selbst keine Gefahren zu schaffen,<br />

2. vorhandene Gefahren abzustellen,<br />

3. eine vorsorgliche Belehrung <strong>und</strong> Warnung bei nicht zu beseitigenden Risiken,<br />

4. eine <strong>der</strong> Situation <strong>und</strong> dem Kind / den Kin<strong>der</strong>n angemessene Überwachung,<br />

5. ein Eingreifen von Fall zu Fall.<br />

<strong>Die</strong>se For<strong>der</strong>ungen klingen erst mal recht theoretisch:<br />

Was haben also <strong>Eltern</strong> o<strong>der</strong> die an<strong>der</strong>en Erziehenden nun konkret zu tun?<br />

1.) Aufsichtpflichtige sind gefor<strong>der</strong>t, im Rahmen ihrer Aufsichttätigkeit selbst<br />

keine Gefahren für die zu Beaufsichtigenden zu schaffen. Sie müssen deshalb<br />

Spiel-, Unterhaltungs- <strong>und</strong> Lernangebote so auswählen <strong>und</strong> gestalten, dass<br />

durch sie keine Gefahr für die Kin<strong>der</strong> ausgeht. So wäre sicherlich das Initiieren<br />

eines Tobe- o<strong>der</strong> Versteckspieles neben einer starkbefahrenen Straße fahrlässig.<br />

Ebenso unverantwortlich wäre ein Spielangebot zu dem Gerätschaften verwendet<br />

werden, an denen sich Kin<strong>der</strong> leicht verletzen können.<br />

2.) <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige müssen vorhandene Gefahren abstellen o<strong>der</strong> vorhandene<br />

Risiken weitestgehend minimieren. Dabei ist zu bedenken, das Kin<strong>der</strong> vielfach<br />

nicht in <strong>der</strong> Lage sind, selbst Gefahren zu entdecken o<strong>der</strong> durch angemessenes<br />

Verhalten Risiken zu vermeiden. So ist <strong>der</strong> im Spielbereich von Kin<strong>der</strong>n<br />

vergessene Rasenmäher ein Risiko, das nur durch das Fortschaffen <strong>und</strong> Verschließen<br />

des Gerätes vermieden werden kann.<br />

3.) <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige müssen Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendliche in einer ihnen gemäßen<br />

Form über den Charakter, den Umfang <strong>und</strong> die Folgen möglicher Gefahren<br />

<strong>und</strong> über Folgen eines falschen Verhaltens unterrichten. Sie müssen sie<br />

also vorsorglich Belehren <strong>und</strong> Warnen. Der allgemeine Hinweis auf mögliche Gefahren<br />

(zum Beispiel: ein Lagerfeuer im Wald ist gefährlich) genügt in den meisten<br />

Fällen nicht. Es muss sichergestellt werden, dass das Kind die Belehrung<br />

richtig verstanden hat (Belehrung wie<strong>der</strong>holen lassen) <strong>und</strong> die Einsichtsfähigkeit<br />

ausreicht, sich angemessen zu verhalten.<br />

5


4.) <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige sind außerdem verpflichtet, zu überprüfen, ob die Belehrungen<br />

richtig verstanden worden sind <strong>und</strong> die Warnungen <strong>und</strong> Verbote befolgt<br />

werden. So kann es auch nötig sein, die Regeln <strong>und</strong> Anordnungen von Zeit<br />

zu Zeit zu wie<strong>der</strong>holen. Dabei gilt die Erkenntnis, dass selbst Kleinkin<strong>der</strong> nicht bei<br />

jedem Schritt beobachtet werden können <strong>und</strong> müssen. Ob eine stichprobenartige<br />

Kontrolle o<strong>der</strong> intensivere Überwachung notwendig ist, entscheidet die Gefährlichkeit<br />

<strong>der</strong> Situation <strong>und</strong> die Fähigkeit des Kindes.<br />

5.) Ein Eingreifen <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen wird erfor<strong>der</strong>lich, wenn aus Unbekümmertheit,<br />

Leichtsinn o<strong>der</strong> absichtlich die Belehrungen <strong>und</strong> Warnungen<br />

nicht befolgt werden. Es ist unter Umständen auch auf die Folgen hinzuweisen,<br />

wenn eine Verwarnung nicht fruchten sollte. Das Eingreifen soll verhin<strong>der</strong>n, dass<br />

we<strong>der</strong> die zu beaufsichtigende Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche, noch Dritte gefährdet<br />

werden. Außerdem soll verhin<strong>der</strong>t werden, dass ein Sachschaden entsteht. Erzieherische<br />

Sanktionen <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> wie Taschengeldkürzung o<strong>der</strong> Stubenarrest<br />

stehen an<strong>der</strong>en <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen nicht zur Verfügung. Sie können lediglich,<br />

wenn Bitten <strong>und</strong> Ermahnungen nicht helfen, unwillige Kids von bestimmten Aktionen<br />

ausschließen o<strong>der</strong> - als letzte Maßnahme - die <strong>Aufsichtspflicht</strong> durch die Übergabe<br />

an die <strong>Eltern</strong> beenden.<br />

Darüber hinaus müssen sich die <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen sich rechtliche <strong>und</strong> örtliche<br />

Rahmenbedingungen informieren (lassen): Beson<strong>der</strong>e Risiken am vorgesehenen<br />

Aufenthaltsort, ges<strong>und</strong>heitliche Beeinträchtigungen des Kindes, rechtliche Schutzbestimmungen<br />

wie das Jugendschutzgesetz beim Aufenthalt im Ausland.<br />

Keine Verletzung <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> besteht, wenn die Mutter eines vierjährigen<br />

Kindes die Großmutter während Ihrer Abwesenheit mit <strong>der</strong> Aufsicht beauftragt. Bei<br />

einem nicht eingefriedeten Gr<strong>und</strong>stück muss im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> für ein<br />

vierjähriges Kind in Intervallen von 10 bis 15 Minuten Augenkontakt hergestellt werden.<br />

Bei sechsjährigen Kin<strong>der</strong>n reichen Überwachungsintervalle von 30 Minuten o<strong>der</strong><br />

mehr, da diesen infolge ihres Alters <strong>und</strong> ihrer Entwicklung ein entsprechen<strong>der</strong> Freiraum<br />

zur Entwicklung zur Selbständigkeit zuzubilligen ist. (Urteil des Amtsgerichtes<br />

Ansbach, Aktenzeichen.: 1 C 624/92 vom 02.04.94)<br />

Bei einer mehrtägigen Ferienfahrt zum Beispiel besteht eine <strong>Aufsichtspflicht</strong> r<strong>und</strong> um<br />

die Uhr - für 24 St<strong>und</strong>en. Sie ruht lediglich, wenn sich die aufsichtsführende Person<br />

davon überzeugt hat, dass alle anvertrauten Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendlichen schlafen.<br />

Wenn die o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige selbst schläft, kann nicht erwartet werden, dass<br />

einer <strong>Aufsichtspflicht</strong> nachgekommen wird. Sobald sie o<strong>der</strong> er aber aufwacht (beispielsweise<br />

durch ein verdächtiges Geräusch), besteht die <strong>Aufsichtspflicht</strong> im vollen<br />

Umfang.<br />

Der o<strong>der</strong> die Aufsichtsführende sollte sich drei Kontrollfragen stellen.<br />

1.) Bin ich ausreichend informiert, wo die mir anvertrauten Kin<strong>der</strong> aufhalten <strong>und</strong> was<br />

sie tun?<br />

2.) Habe ich ausreichende Vorkehrungen zum Schutz <strong>der</strong> anvertrauten Kin<strong>der</strong> getroffen?<br />

3.) Habe ich im Moment alles Zumutbare getan, was vernünftiger Weise getan werden<br />

muss, um einen Schaden zu verhin<strong>der</strong>n?<br />

Alle selbstgestellten Fragen müssen mit einen Ja beantworten werden können, um<br />

relativ sicher zu sein, dass eine ausreichende Aufsichtsführung besteht. Da aber sehr<br />

schnell neue Situationen entstehen können, etwa weil Kin<strong>der</strong> den Spielort o<strong>der</strong> die<br />

6


Tätigkeit wechseln, müssen diese Fragestellungen fast permanent erneut gestellt<br />

werden.<br />

Wenn <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige nachweisbar in <strong>der</strong> vorgeschriebenen Weise verfahren,<br />

können sie sich kaum einer Verletzung <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> schuldig machen. Es ist<br />

unmöglich von jemanden zu verlangen, dass er unter allen Umständen Schäden<br />

vermeidet. Vielmehr sind <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige gefor<strong>der</strong>t, nach bestem Wissen <strong>und</strong> Gewissen<br />

<strong>und</strong> den oben genannten For<strong>der</strong>ungen das zu tun, was sie für notwendig halten,<br />

um einen möglichen Schaden zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Delegation <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

<strong>Eltern</strong> o<strong>der</strong> auch beruflich Erziehende (beispielsweise in Schule, Kin<strong>der</strong>garten o<strong>der</strong><br />

Verein) können ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong> an Dritte delegieren. Nach dem neuen Jugendschutzgesetz<br />

haben <strong>Eltern</strong> die Möglichkeit sogenannte Erziehungsbeauftragte zu<br />

benennen, die die (vertragliche) Aufsicht ihrer Kin<strong>der</strong> beispielsweise für einen Discobesuch<br />

übernehmen. Werden Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche von Erziehungsbeauftragten<br />

begleitet, können auch jüngere ohne Zeitbegrenzungen Gaststätten <strong>und</strong> Tanzveranstaltungen<br />

besuchen. Ob es allerdings gut <strong>und</strong> sinnvoll ist, wenn13-jährige morgens<br />

um 4 Uhr in <strong>der</strong> Disco tanzen, müssen die <strong>Eltern</strong> selbst entscheiden. Eine weitere<br />

Übertragung <strong>der</strong> Aufsichtpflicht ist hier ausgeschlossen, wie auch immer dann, wenn<br />

<strong>Eltern</strong> mit einer konkreten Einzelperson (zum Beispiel auch mit Babysitter, Klavierlehrerin)<br />

einen Beaufsichtigungsvertrag geschlossen haben. Das heißt, diese Person<br />

darf nicht ohne Zustimmung <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> die Aufsicht an eine dritte Person übertragen.<br />

(Beispiel: <strong>Die</strong> Babysitterin darf nicht, weil sie plötzlich per Handy eine Einladung erhalten<br />

hat, den Job von einer Fre<strong>und</strong>in machen lassen, ohne dass die <strong>Eltern</strong> des zu<br />

beaufsichtigenden Kindes dem zugestimmt haben.) An<strong>der</strong>s ist dies, wenn ein Vertrag<br />

mit einer Institution (Kin<strong>der</strong>garten, Schule, Jugendtreff) o<strong>der</strong> einem Verein (Sport-<br />

o<strong>der</strong> Freizeitverein) geschlossen wurde. Institutionen <strong>und</strong> Vereine können an die für<br />

sie tätigen Personen die <strong>Aufsichtspflicht</strong> weiter delegieren. Allerdings kann die Delegation<br />

an eine ungeeignete Person (überfor<strong>der</strong>te Praktikantin) o<strong>der</strong> an überlastete<br />

Gruppenleitung (zu große Gruppe) eine <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung <strong>der</strong> Institution o<strong>der</strong><br />

des Vereines darstellen. In <strong>der</strong> Regel gilt, es haftet, wer delegiert hat. Deshalb ist vor<br />

je<strong>der</strong> Übertragung <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> zu prüfen,<br />

a) wurde eine geeignete Person (Vorkenntnisse, praktische Erfahrung) ausgewählt;<br />

b) wurde die Aufsichtsperson über alle möglichen Gefahren <strong>und</strong> Beson<strong>der</strong>heiten<br />

(<strong>der</strong> Einrichtung, <strong>der</strong> örtlichen Situation, <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Fähigkeit des<br />

Kindes informiert;<br />

c) wurde die Umsetzung <strong>der</strong> übertragenen Pflicht in geeigneter Weise ausgeführt.<br />

Hier ist gegebenenfalls einzugreifen, wenn sichtbar wird, dass die aufsichtsführende<br />

Person ihrer Pflicht nicht in ausreichendem Maß nachkommt o<strong>der</strong> kommen<br />

kann.<br />

Tipp: Bei Aktionen, die das Aufenthaltbestimmungsrecht des <strong>Eltern</strong> berühren (zum<br />

Beispiel bei einer mehrtägige Ferienfahrt) muss die Zustimmung aller Sorgeberechtigten<br />

(bei<strong>der</strong> <strong>Eltern</strong>) durch den Veranstalter eingeholt werden. Bei getrennt lebenden<br />

aber gemeinsam sorgeberechtigten <strong>Eltern</strong>teilen kann dies zeitaufwendig sein.<br />

7


<strong>Die</strong> Pflichten des Aufsichtführenden<br />

Um <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> in geeigneter Weise nachzukommen, verpflichtet das Gesetz<br />

die Aufsichtführenden nach Art eines 4-Stufen-Modells<br />

1. sich umfassend über individuelle (bezogen auf die zu betreuenden Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen)<br />

<strong>und</strong> allgemeine Risiken <strong>und</strong> Gefahren zu informieren (gegebenenfalls<br />

auch an<strong>der</strong>e Aufsichtsbeteiligte);<br />

2. die zu beaufsichtigen Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen in einer für sie verständlichen Art<br />

<strong>und</strong> Weise über Risiken <strong>und</strong> konkrete Gefahren zu warnen <strong>und</strong> wenn erfor<strong>der</strong>lich Ge-<br />

<strong>und</strong> Verbote auszusprechen;<br />

3. die Aufsicht korrekt zu führen <strong>und</strong> sich dabei zu vergewissern, dass die Warnungen<br />

<strong>und</strong> Ermahnungen verstanden <strong>und</strong> befolgt werden;<br />

4. einzugreifen, wenn dies notwendig wird.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Eltern</strong> kennen im Regelfall die Fähigkeiten <strong>und</strong> Beson<strong>der</strong>heiten Ihrer Kin<strong>der</strong>. Alle<br />

an<strong>der</strong>en Aufsichtpersonen müssen meist durch ein Gespräch mit den <strong>Eltern</strong>,<br />

manchmal im Gespräch mit den Kin<strong>der</strong>n, in Erfahrung bringen:<br />

• <strong>Die</strong> Fähigkeiten des Kindes bezogen auf die Situation <strong>der</strong> Beaufsichtigung (kann<br />

es schwimmen, kann es sicher Rad fahren <strong>und</strong> so weiter.);<br />

• Krankheiten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e körperliche Beeinträchtigungen (zum Beispiel Allergien,<br />

Diabetes, Epilepsie), muss es regelmäßig Medikamente nehmen, ist es schwindelfrei,<br />

wie ist es belastbar usw.;<br />

Ohne ausdrückliche entsprechende Erlaubnis von <strong>Eltern</strong> scheiden für Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

Jugendliche beson<strong>der</strong>s risikoreiche Aktivitäten wie Fallschirmspringen, Wildwasser-<br />

Rafting etc. aus, die von an<strong>der</strong>en <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen betreut werden. Zwar gibt es<br />

keine klaren Regelungen, welcher Risikosport eine ausdrückliche Erlaubnis <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong><br />

erfor<strong>der</strong>lich macht, aber schon aus Sicherheitsgründen sollten Veranstalter den<br />

Gr<strong>und</strong>satz beherzigen: je risikoreicher eine Aktivität ist, um so wichtiger wird die<br />

Einholung <strong>der</strong> Zustimmung von den Personensorgeberechtigten.<br />

Neben <strong>der</strong> oben benannten Pflicht, sich über die Fähigkeiten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Beeinträchtigungen eine Kindes o<strong>der</strong> Jugendlichen zu informieren, haben die <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen<br />

weitere Schritte zu unternehmen. Ansonsten setzen sie sich <strong>der</strong> Gefahr<br />

aus, im Schadensfall mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, die Aufsicht nur<br />

fahrlässig wahrgenommen zu haben.<br />

• Informationspflicht über örtliche Beson<strong>der</strong>heiten <strong>und</strong> Gefahren<br />

<strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen müssen sich einen Eindruck darüber verschaffen, ob Gebäude,<br />

Gelände, Spielgeräte o<strong>der</strong> ähnliches bei denen sich die zu Beaufsichtigenden<br />

aufhalten, beson<strong>der</strong>e Risiken o<strong>der</strong> Gefahren bergen. Sie müssen sich<br />

vorsorglich auch über örtliche Notruf- <strong>und</strong> Rettungsmöglichkeiten informieren<br />

• Pflicht zu Vermeidung <strong>und</strong> Beseitigung von Gefahrenquellen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen sind verpflichtet offensichtliche Gefahrenquellen zu beseitigen<br />

(Scherben auf einen Ballspielplatz einsammeln) o<strong>der</strong> die Risikoquelle für<br />

die Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen vermeiden (Verbot aussprechen, dort zu spielen)<br />

• Pflicht zu Hinweisen <strong>und</strong> Warnungen im Umgang mit Gefahren<br />

<strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen haben Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche <strong>und</strong> unter Umständen weitere<br />

Betreuungspersonen über die bestehenden Risiken zu informieren (beispielsweise<br />

ein Kanal mit steilen Ufern in <strong>der</strong> Nähe eines Zeltlagers) <strong>und</strong> entspre-<br />

8


chende Warnungen zur Verringerung eines Risikos auszusprechen (gegebenenfalls<br />

in Verbindung mit Ge- <strong>und</strong> Verboten).<br />

• Pflicht zur praktischen Aufsichtsführung<br />

Mit Informationsweitergabe <strong>und</strong> Warnungen für Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche ist es<br />

nicht getan. Beaufsichtigen heißt, zu sehen was sie tun <strong>und</strong> wie sie sich verhalten.<br />

Nur so ist auch zu erfahren, ob sie Warnungen verstanden haben <strong>und</strong> sich<br />

daran halten. Durch die Beobachtung, wie Kin<strong>der</strong> spielen o<strong>der</strong> was Jugendliche<br />

tun, werden manchmal mögliche Gefahren erst deutlich. Darauf muss dann erneut<br />

reagiert werden.<br />

• Pflicht zum Eingreifen in gefährlichen Situationen<br />

Um Schaden von Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen abzuwenden, wird es nötig werden,<br />

in gefährlichen Situationen gezielt einzugreifen. Sei es eine Gefahr selbst abzuwehren,<br />

Warnungen zu erneuern o<strong>der</strong> neue Regeln festzulegen. Ohne diese interaktive<br />

situationsbezogene Handlungsweise ist eine angemessene <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

meist nicht möglich.<br />

Zu den risikoreichen Freizeitbeschäftigungen gehört das Schwimmen. Auch wenn<br />

alle Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche einer Gruppe schwimmen können, sollte immer eine<br />

Betreuungsperson mit einem Rettungsschwimmerschein die ausschließliche Aufsichtsbetreuung<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> im Wasser übernehmen. Noch schwieriger ist es, wenn<br />

eine Gruppe im Meer o<strong>der</strong> in natürlich fließenden Gewässern badet. Hier ist schon im<br />

Vorwege zu klären, welche Risiken bedacht werden müssen (Gezeiten, Strömungen,<br />

Hin<strong>der</strong>nisse unter Wasser) <strong>und</strong> wie diese durch Hinweise, Verbote o<strong>der</strong> Sicherungsmaßnahmen<br />

Risiken minimiert werden können. Selbst die sich im Nichtschwimmerbecken<br />

einer Badeanstalt aufhaltende Kin<strong>der</strong>gruppe ist durch eine am Beckenrand<br />

postierte Aufsichtsperson zu überwachen.<br />

Wenn durch ein Ereignis schneller Hilfebedarf besteht, können die <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen<br />

ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong> in grob fahrlässiger Weise dann verletzen, wenn <strong>der</strong> zu Beaufsichtigende<br />

deshalb einen Schaden erleidet, weil schuldhaft nicht schnell genug<br />

Hilfe geholt werden konnte. Deshalb sollen die <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen auch alle technischen<br />

Möglichkeiten nutzen, um im Notfall schnell Hilfe zu holen (Rufnummern von<br />

Polizei <strong>und</strong> Rettungsdiensten einprägen, funktionsfähiges Handy mitführen o<strong>der</strong> Informationen<br />

einholen, wo das nächste öffentliches Telefon erreichbar ist, <strong>und</strong> ähnliches).<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> kann sich nicht – <strong>und</strong> das macht es häufig so schwierig - im<br />

Beseitigen von Gefahren beschränken. Maßgabe allen pädagogischen Handelns<br />

ist es sinnvolle Angebote für Kin<strong>der</strong> zu machen. <strong>Die</strong>se berühren eben<br />

nicht selten auch Risiken für die Kin<strong>der</strong>. <strong>Die</strong>se sind auch hinzunehmen, wenn<br />

es nach menschlichen Ermessen nicht zu unangemessenen o<strong>der</strong> folgeschweren<br />

Gefährdungen kommen kann.<br />

Wie muss ein Kind o<strong>der</strong> Jugendlicher beaufsichtigt <strong>und</strong> angeleitet<br />

werden?<br />

Wie intensiv ein Kind o<strong>der</strong> Jugendlicher beaufsichtigt <strong>und</strong> angeleitet werden muss,<br />

lässt sich pauschal nicht beantworten. <strong>Die</strong> Notwendigkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Umfang einer Aufsichtführung<br />

ist an den Fähigkeiten des Kindes zu orientieren. <strong>Die</strong>se hängt im wesentlichen<br />

von folgenden Faktoren ab:<br />

9


• Alter<br />

Je älter ein Kind o<strong>der</strong> Jugendlicher ist, um so größer sind in <strong>der</strong> Regel Erfahrung<br />

im Umgang mit Gefahren <strong>und</strong> Verantwortungsgefühl. Auch <strong>der</strong> Gesetzgeber orientiert<br />

sich an Altersgrenzen. Bei <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> gilt die Formel: Je jünger ein<br />

Kind, um so intensiver muss eine Aufsicht erfolgen; um so weniger darf man sich<br />

darauf verlassen, dass Anweisungen o<strong>der</strong> Warnungen befolgt werden; um so<br />

größer ist die Gefahr, dass willkürlich <strong>und</strong> unvorhersehbar gehandelt wird.<br />

• Entwicklungsstand<br />

Wie je<strong>der</strong> weiß, können Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche gleichen Alters in ihrer Entwicklung<br />

unterschiedlich weit fortgeschritten sein. Der Gesetzgeber erwartet von den<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong>igen, dass sie in <strong>der</strong> Art <strong>und</strong> Weise <strong>der</strong> Aufsicht dem tatsächlichen<br />

Entwicklungstand des Kindes Rechnung tragen. Je weiter ein Kind in seiner Entwicklung<br />

- gemessen an Kin<strong>der</strong>n gleichen Alters - zurück steht, um so aufmerksamer<br />

muss eine Aufsicht erfolgen.<br />

• Eigenschaften<br />

Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche sind in ihren individuellen Eigenschaften oft unterschiedlich.<br />

Während <strong>der</strong> eine eher gemächlich <strong>und</strong> durchdacht handelt, sind an<strong>der</strong>e impulsiv<br />

<strong>und</strong> unachtsam. Den unterschiedlichen Eigenheiten des Kindes o<strong>der</strong> des<br />

Jugendlichen muss <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige durch eine angemessene Aufsicht entsprechen.<br />

So sind beispielsweise impulsiven zu Unachtsamkeit neigenden junge<br />

Menschen aufmerksamer zu beaufsichtigen <strong>und</strong> öfter zu kontrollieren, als an<strong>der</strong>e.<br />

• Erfahrungen<br />

Ob Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche in einer Situation beson<strong>der</strong>s gefährdet sind, hängt<br />

wesentlich auch davon ab, ob <strong>und</strong> welche Vorerfahrungen sie dafür mitbringen.<br />

So kann man durchaus einen 10-jährigen mit dem Fahrrad allein zu Schule schicken,<br />

wenn er unter Anleitung <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> über einen längeren Zeitraum systematisch<br />

an die Bedingungen des Radfahrens im öffentlichen Straßenverkehr gewöhnt<br />

wurde. Kommt ein radfahrendes Kind, das wenig o<strong>der</strong> keine Erfahrung dafür<br />

mitbringt auf dem Weg zur Schule zu Schaden o<strong>der</strong> schädigt an<strong>der</strong>e, müssen<br />

sich möglicherweise die <strong>Eltern</strong> mit dem Vorwurf <strong>der</strong> mangelnden <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

auseinan<strong>der</strong>setzen. Je selbständiger <strong>und</strong> erfahrener ein Kind ist, desto geringer<br />

darf eine Aufsicht sein.<br />

• Situative Rahmenbedingungen<br />

Einfluss auf die Intensität einer Aufsicht müssen auch die jeweils aktuellen Rahmenbedingungen<br />

haben: (Ist das Kind ausgeschlafen?; ist es wegen beson<strong>der</strong>er<br />

Vorkommnisse euphorisch o<strong>der</strong> nie<strong>der</strong>geschlagen?) Kann eine Gruppenzusammensetzung<br />

negativen Einfluss auf das sonst umsichtige Kind haben? Können<br />

die Wetterverhältnisse Erfahrung <strong>und</strong> Können des Kindes überfor<strong>der</strong>n?<br />

Ein knapp 9-jähriges, normal entwickeltes Kind, das im Freien spielt, muss sich nicht<br />

im unmittelbaren Aufsichtsbereich aufhalten, <strong>der</strong> ein je<strong>der</strong>zeitiges Eingreifen des<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong>igen ermöglicht. Vielmehr ist <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> Genüge getan, wenn<br />

sich <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige über das Tun <strong>und</strong> Treiben in großen Zügen einen Überblick<br />

verschafft. (Urteil des BGH, veröffentlicht in NJW 1984, Seite 2574)<br />

Ein zuviel an Aufsicht ist letztlich aber keine gute Methode, um Unfälle des Kindes zu<br />

vermeiden, da dadurch leicht die Selbständigkeit <strong>und</strong> das Selbstvertrauen unterent-<br />

10


wickelt bleibt. Außerdem wird durch zuviel an Behütung <strong>der</strong> Umgang mit alltäglichen<br />

Gefahren (wie im Straßenverkehr) verhin<strong>der</strong>t <strong>und</strong> damit die Gefahr für <strong>der</strong> Kind erhöht,<br />

wenn es sich ohne Aufsicht <strong>und</strong> Unterstützung zurecht finden muss.<br />

Nicht unbedingt das Fernhalten von jedem Gegenstand, <strong>der</strong> bei unsachgemäßem<br />

Umgang gefährlich werden kann, son<strong>der</strong>n gerade die Erziehung des Kindes zu verantwortungsbewusstem<br />

Hantieren mit einem solchen Gegenstand wird oft <strong>der</strong> bessere<br />

Weg sein, das Kind <strong>und</strong> Dritte vor Schäden zu bewahren. Hinzu kommt die Notwendigkeit<br />

frühzeitiger praktischer Schulung des Kindes, das seinen Erfahrungsbereich<br />

möglichst ausschöpfen soll. (BGH-Urteil, veröffentlicht in NJW 1976, S. 1984)<br />

Von Jugendgruppenleiterinnen <strong>und</strong> –leitern aber auch von Lehrkräften wird beson<strong>der</strong>e<br />

Aufmerksamkeit verlangt, wenn ältere Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendliche ohne gewohnte<br />

Kontrolle Freiräume ausprobieren wollen. Ersten Erfahrungen mit massiven Alkoholkonsum<br />

haben oft junge Menschen bei Gruppenübernachtungen gewonnen. Infolge<br />

des Alkoholkonsums kann es unabhängig von den bekannten ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen<br />

leicht zu tragisch endenden Unfällen kommen. <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige, die es<br />

unterlassen nach erfolgten Ermahnungen (keinen Alkohol zu trinken), das Verhalten<br />

in <strong>der</strong> Gruppe auch zu kontrollieren, verletzen ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong>.<br />

Es stellt eine Verletzung <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> dar, wenn bei Übernachtungen einer<br />

Jugendgruppe keine Betreuungsperson zur gelegentlichen Kontrolle abgestellt wird.<br />

Eine ordnungsgemäße Betreuung hätte es (im vorliegenden Fall) erfor<strong>der</strong>t, dass ein<br />

Betreuer die Nacht hindurch in <strong>der</strong> Unterkunft geblieben wäre, um durch Kontrollen<br />

alkoholischen Exzessen vorzubeugen. Das Alkoholverbot, das anfangs den Teilnehmern<br />

mündlich erteilt worden ist, reicht hierfür nicht aus. Dazu wäre auch im weiteren<br />

Verlauf <strong>der</strong> Nacht noch gelegentliche Kontrollen auf den Zimmern erfor<strong>der</strong>lich gewesen,<br />

jedenfalls solange, wie noch nicht allgemeine Ruhe eingekehrt war. (Urteil des<br />

Oberlandesgerichtes Hamm, Aktenzeichen.: 6 U 78/95 vom 21.12.95)<br />

Konsequenzen bei einer <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

Eine <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung kann nur vorliegen, wenn <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige fahrlässig<br />

o<strong>der</strong> vorsätzlich falsch gehandelt hat. Fahrlässigkeit bei <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

bedeutet, dass eine erfor<strong>der</strong>liche Sorgfalt bei <strong>der</strong> Aufsichtsführung nicht erbracht<br />

wurde. <strong>Die</strong> Rechtsprechung unterscheidet zwischen leichter <strong>und</strong> grober Fahrlässigkeit.<br />

Näheres dazu im Abschnitt „Versicherungsfragen“.<br />

Falls die <strong>Aufsichtspflicht</strong> verletzt wurde <strong>und</strong> deshalb ein Schaden eingetreten ist können<br />

sich für den <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen 1. strafrechtliche, 2. zivilrechtliche <strong>und</strong> eventuell<br />

(für beruflich Aufsichtführende) 3. arbeitsrechtliche (disziplinarische) Konsequenzen<br />

ergeben.<br />

Strafrechtliche Konsequenzen bei einer <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung:<br />

Kommt beispielsweise durch Verschulden (muss durch ein Gericht nachgewiesen<br />

werden) ein zu beaufsichtigendes Kind o<strong>der</strong> Jugendlicher ges<strong>und</strong>heitlich zu Schaden,<br />

können sich strafrechtliche Folgen ergeben: Strafantrag <strong>und</strong> mögliche Verurteilung<br />

wegen fahrlässiger Körperverletzung. <strong>Die</strong> gleichen Konsequenzen können sich<br />

ergeben, wenn ein Kind wegen unzureichen<strong>der</strong> Beaufsichtigung erheblichen Schaden<br />

anrichtet.<br />

11


Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung kommt in Betracht, wenn ein<br />

unzureichend beaufsichtigtes Kind o<strong>der</strong> Jugendlicher sich selbst o<strong>der</strong> Dritte körperlich<br />

misshandelt o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit beschädigt. <strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen handeln<br />

fahrlässig, wenn sie bei <strong>der</strong> Ausführung die Sorgfalt, zu <strong>der</strong> sie nach den Umständen<br />

<strong>und</strong> nach persönlichen Fähigkeiten <strong>und</strong> Kenntnissen imstande sind, außer acht lassen.<br />

(Der Grad <strong>der</strong> Fahrlässigkeit spielt nur bei einer Strafzumessung eine Rolle. <strong>Die</strong><br />

fahrlässige Körperverletzung wird nur auf Strafantrag beispielsweise <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> verfolgt,<br />

es sei denn, die Staatsanwaltschaft hält wegen des beson<strong>der</strong>en öffentlichen<br />

Interesses ein Einschreiten für notwendig.)<br />

Auch das Schaffen von Gefahrenquellen kann nach § 170 d StGB strafbar sein, auch<br />

ohne dass es bisher zu einem konkreten Schaden gekommen ist. Werden beispielsweise<br />

in einer Einrichtung „langandauernde katastrophale Zustände“ hingenommen,<br />

die die Sicherheit <strong>der</strong> anvertrauten Kin<strong>der</strong> gefährden können, können sich die dafür<br />

Verantwortlichen <strong>und</strong> auch diejenigen, die nicht auf ein Abstellen <strong>der</strong> Zustände gedrungen<br />

haben, strafbar machen. Zu den katastrophalen Zuständen würde sicherlich<br />

auch zählen, wenn nur eine Person auf 40 Kin<strong>der</strong> betreuen müsste. Wenn selbst<br />

keine Abhilfe geschaffen werden kann, sollte zumindest <strong>der</strong> Zustand dokumentiert<br />

werden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Träger einer Einrichtung über den Zustand informiert werden.<br />

Zivilrechtliche Konsequenzen bei einer <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung: Eine zivilrechtliche<br />

Konsequenz wäre die Wie<strong>der</strong>gutmachung eines eingetretenen Schadens.<br />

<strong>Die</strong>s meist in Form eines Schadenersatzes bei einem Vermögensschaden. Bei ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Schäden müssen Heilungskosten <strong>und</strong> evt. Verdienstausfall ersetzt<br />

werden. Unter Umständen müssen Schmerzensgeld o<strong>der</strong> eine (lebenslangen) Rentenzahlung<br />

geleistet werden. Bei <strong>der</strong> zivilrechtlichen Haftung ist im Gegensatz zur<br />

strafrechtlichen Konsequenz die Beweislage umgekehrt. Hier muss <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige<br />

nachweisen, dass die <strong>Aufsichtspflicht</strong> nicht verletzt wurde. <strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>lage<br />

für diese Rechtslage ist <strong>der</strong> § 832, Abs. 1 + 2 BGB:<br />

„(1) Wer kraft Gesetzes zu Führung <strong>der</strong> Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die<br />

wegen Min<strong>der</strong>jährigkeit o<strong>der</strong> wegen ihres geistigen o<strong>der</strong> körperlichen Zustandes <strong>der</strong><br />

Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person<br />

einem Dritten wi<strong>der</strong>rechtlich zufügt. <strong>Die</strong> Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> genügt o<strong>der</strong> wenn <strong>der</strong> Schaden auch bei gehöriger <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

entstanden sein würde.<br />

(2) <strong>Die</strong> gleiche Verantwortung trifft denjenigen, welcher die Führung <strong>der</strong> Aufsicht<br />

durch Vertrag übernimmt.“<br />

Wobei <strong>der</strong> Vertrag, wie schon genannt, an keine äußere Form geb<strong>und</strong>en ist. <strong>Die</strong> Übernahme<br />

<strong>der</strong> Aufsicht bedarf lediglich <strong>der</strong> (stillschweigenden) Zustimmung durch die<br />

vertraglich Aufsichtsführenden. So reicht das kommentarlose Entgegennehmen eines<br />

Kindes bei einem Spielfest o<strong>der</strong> einer Gruppenst<strong>und</strong>e dazu aus, dass die dort tätigen<br />

Betreuer die <strong>Aufsichtspflicht</strong> übernehmen. An<strong>der</strong>erseits kommt kein „Betreuungsvertrag<br />

zu Stande, wenn beispielsweise unbeaufsichtigte Kin<strong>der</strong> aus eigenem Antrieb<br />

heraus sich in eine ähnliche Betreuungssituation begeben.<br />

§ 832 BGB regelt nur den Fall, dass die Vernachlässigung <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> zur<br />

Schädigung eines Dritten führt <strong>und</strong> nicht den Fall, in denen <strong>der</strong> Aufsichtsbedürftige<br />

12


selbst einen Schaden durch die Verletzung <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> erleidet. Der <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige<br />

haftet dann nach § 823 BGB:<br />

„Wer vorsätzlich (absichtlich) o<strong>der</strong> fahrlässig (versehentlich) das Leben, den Körper<br />

(äußerliche W<strong>und</strong>e, Knochenbruch), die Ges<strong>und</strong>heit (Organe, Wohlbefinden, Krankheit),<br />

die Freiheit (v.a. Fortbewegung), das Eigentum (alle vermögenswerten Rechte)<br />

o<strong>der</strong> ein sonstiges Recht eines an<strong>der</strong>en verletzt, ist dem an<strong>der</strong>en zum Ersatze des<br />

daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ (<strong>Die</strong> Texte in Klammern sind nicht Teil<br />

des amtlichen Textes son<strong>der</strong>n dienen <strong>der</strong> Erläuterung.)<br />

Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei einer <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung: Für alle,<br />

die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit <strong>Aufsichtspflicht</strong> ausüben, können sich aus einer<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung auch noch arbeitsrechtliche (disziplinarische) Konsequenzen<br />

ergeben. <strong>Die</strong>se auch dann, wenn durch die <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung kein Schaden<br />

entstanden ist. Denn meistens ist bei <strong>der</strong> Verletzung <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> auch<br />

vertragliche <strong>Die</strong>nstpflicht verletzt worden. Ob <strong>und</strong> wie solche arbeitsrechtliche Konsequenz<br />

ausfällt, ist wohl im wesentlichen davon abhängig, ob bei <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

leichte o<strong>der</strong> grobe Fahrlässigkeit eine Rolle gespielt hat. Der Anstellungsträger<br />

kann bei Verletzungen <strong>der</strong> <strong>Die</strong>nstpflichten mit Ermahnung, Abmahnung<br />

o<strong>der</strong> gar fristlosen Kündigung reagieren. (Ob allerdings eine solche Maßnahme des<br />

Arbeitgebers rechtens ist, müsste von einem Arbeitsgericht geklärt werden.) Ehrenamtlich<br />

Tätige haben hier schlimmstenfalls den Ausschluss aus dem Verein o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Organisation zu erwarten.<br />

Beson<strong>der</strong>heiten des Sexualstrafrechtes<br />

Zur <strong>Aufsichtspflicht</strong> gehört auch, Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche vor strafrechtlich relevanten<br />

Taten zu schützen (als Opfer <strong>und</strong> als Täter), wie sie im § 180 Abs. 1 StGB benannt<br />

sind:<br />

§ 180 För<strong>der</strong>ung sexueller Handlungen Min<strong>der</strong>jähriger<br />

(1) Wer sexuelle Handlungen einer Person unter sechzehn Jahren an o<strong>der</strong> vor einem<br />

dritten o<strong>der</strong> sexuelle Handlungen eines Dritten an einer Person unter sechzehn<br />

Jahren<br />

1. durch seine Vermittlung<br />

2. durch Gewähren o<strong>der</strong> Verschaffen von Gelegenheiten Vorschub leistet, wird<br />

mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren o<strong>der</strong> mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 Nr. 2<br />

ist nicht anzuwenden, wenn <strong>der</strong> zur Sorge für die Person Berechtigte handelt;<br />

dies gilt nicht, wenn <strong>der</strong> Sorgeberechtigte dadurch das Vorschubleisten seine<br />

Erziehungspflicht gröblich verletzt.<br />

Hiernach können sich <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige strafbar machen, wenn sie sexuelle Handlungen<br />

an einem jungen Menschen unter 16 Jahren zulassen o<strong>der</strong> durch Vermittlung,<br />

Gewährung o<strong>der</strong> Verschaffung von Gelegenheiten solches Tun begünstigen. <strong>Die</strong>s<br />

gilt allerdings so nicht für die Personensorgeberechtigten (<strong>Eltern</strong>), die einen weiteren<br />

Erziehungsrahmen haben, was sie ihren Kin<strong>der</strong>n erlauben wollen. Sie würden aber<br />

ihre Erziehungspflichten dann gröblich verletzen, wenn sie z.B. finanzielle o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Vorteile aus einer Gewährung des sexuellen Handels ziehen würden. (Außerdem<br />

dürfen sie genauso wenig wie an<strong>der</strong>e <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige selbst sexuelle Handlungen<br />

an den schutzbefohlenen Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen unter 18 Jahren vornehmen.)<br />

13


Es dürfen zum Beispiel auf Ferienfahrten durchaus jüngere Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />

gemeinsam in Zelten o<strong>der</strong> Räumen übernachten. Wenn aus Platzmangel nur ein<br />

Raum zur Verfügung steht (beispielsweise bei einer Bergwan<strong>der</strong>ung), dürfen auch<br />

geschlechtsreife Jungen <strong>und</strong> Mädchen gemeinsam übernachten. Allerdings müssen<br />

Aussichtspflichtige anwesend sein <strong>und</strong> einschreiten, wenn es zu sexuellen Handlungen<br />

kommen sollte.<br />

Was sind nun sexuelle Handlungen, die ein <strong>Aufsichtspflicht</strong>iger beispielsweise<br />

auf einer Ferienfahrt nicht mehr hinnehmen darf?:<br />

Heftige sexuelle Zudringlichkeiten wie Petting (auch oberhalb <strong>der</strong> Bekleidung) sowie<br />

jegliche genitale Kontakte dürfen nicht zugelassen werden. Harmlosere Zärtlichkeiten<br />

wie Küsse, Streicheln o<strong>der</strong> flüchtige Berührungen sehen die Gerichte als unproblematisch<br />

an. Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> gesetzlichen Regelungen <strong>und</strong> richterlicher Urteile ist <strong>der</strong><br />

Wunsch des Gesetzgebers, dass Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen eine ungestörte sexuelle<br />

Entwicklung zugestanden werden muss. Im jedem Falle sollten <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige<br />

sehr zurückhaltend bei <strong>der</strong> Gewährung eines sexuellen Kontaktes anvertrauter Kin<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> Jugendlicher sein: es gibt zahlreiche Fälle, in denen <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige zur<br />

Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt wurden, weil sie sexuelle Kontakte geduldet<br />

o<strong>der</strong> sogar geför<strong>der</strong>t haben.<br />

Strafbar ist nach dem § 176 StGB, wenn erhebliche sexuelle Handlungen an Kin<strong>der</strong>n<br />

unter 14 Jahren vorgenommen werden, o<strong>der</strong> wenn zugelassen wird, dass Dritte dies<br />

bei Kin<strong>der</strong>n tun. Dabei ist es völlig unerheblich, ob hierfür gar die Zustimmung <strong>der</strong><br />

betroffenen Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Erziehungsberechtigter besteht.<br />

Bei Jugendlichen im Alter von 16 bis 18 Jahren stellt zwar das Gesetz erhöhte Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an eine Strafbarkeit, allerdings wird auch hier für <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige im §<br />

174 StGB eine klare Grenze gesetzt:<br />

§ 174 Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen<br />

(1) Wer sexuelle Handlungen<br />

1. an einer Person unter 16 Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung o<strong>der</strong><br />

zur Betreuung in <strong>der</strong> Lebensführung anvertraut ist,<br />

2. an einer Person unter 18 Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung o<strong>der</strong><br />

zur Betreuung in <strong>der</strong> Lebensführung anvertraut o<strong>der</strong> im Rahmen eines <strong>Die</strong>nst-<br />

o<strong>der</strong> Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Erziehungs-,<br />

Ausbildungs-, Betreuungs-, <strong>Die</strong>nst- o<strong>der</strong> Arbeitsverhältnis verb<strong>und</strong>enen<br />

Abhängigkeit o<strong>der</strong><br />

3. an seinem noch nicht 18 Jahre altem leiblichen o<strong>der</strong> angenommenen Kind vornimmt<br />

o<strong>der</strong> an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe<br />

bis zu fünf Jahren o<strong>der</strong> mit Geldstrafe bestraft.<br />

(2) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes Nr. 1 – 3<br />

1. sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt o<strong>der</strong><br />

2. den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen vor ihm<br />

vornimmt, um sich o<strong>der</strong> den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen,<br />

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren o<strong>der</strong> mit Geldstrafe bestraft<br />

(3) Der Versuch ist strafbar.<br />

(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 o<strong>der</strong> des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz<br />

1 Nr. 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen,<br />

wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens des Schutzbefohlenen das Unrecht<br />

<strong>der</strong> Tat gering ist.<br />

14


Ein beson<strong>der</strong>er Fall ist die Sexualaufklärung von jungen Menschen durch <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist die Sexualaufklärung das Erziehungsrecht <strong>der</strong><br />

<strong>Eltern</strong>. Außerhalb <strong>der</strong> vom Lehrplan in Schulen durchgeführten Sexualaufklärung<br />

dürfen <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige Sexualaufklärung nur mit speziellem Auftrag <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong><br />

durchführen. So können auf einer Ferienfahrt die BetreuerInnen durchaus zu sexuellen<br />

Fragen <strong>der</strong> anvertrauten Kin<strong>der</strong> Stellung nehmen; sie dürfen aber nicht entsprechende<br />

Fragen provozieren <strong>und</strong> dann einen „Sexualk<strong>und</strong>eunterricht“ abhalten. Sie<br />

sollten ebenfalls nichts ohne ausdrückliche Erlaubnis <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> unternehmen, was<br />

sonst die sexuelle Entwicklung o<strong>der</strong> das Schamgefühl von Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Jugendlichen<br />

beeinträchtigen könnte, wie Nacktbaden o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Saunabesuch Das Zeigen<br />

o<strong>der</strong> Überlassen pornografischer Zeitschriften o<strong>der</strong> elektronischer Medien ist – eigentlich<br />

selbstverständlich – nicht zulässig.<br />

Umstritten ist das Überlassen von Verhütungsmitteln für junge Menschen unter<br />

18 Jahren. Einerseits kann zwar <strong>der</strong> problemlose Zugang zu Verhütungsmittel eine<br />

(ungewollte) Schwangerschaft o<strong>der</strong> geschlechtliche Infektionen verhin<strong>der</strong>n. An<strong>der</strong>erseits<br />

kann mit <strong>der</strong> Überlassung eines Verhütungsmittels eine stillschweigende Zustimmung<br />

zu Sexualkontakten signalisiert werden. <strong>Die</strong>s steht aber im deutlichen Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zu den Schutzverpflichtungen eines <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Eltern</strong> verletzen mit Sicherheit ihre <strong>Aufsichtspflicht</strong>, wenn sie ohne weitere Prüfung<br />

ihre Kin<strong>der</strong> bei ihnen Unbekannten übernachten lassen. Es sind nicht selten<br />

Kin<strong>der</strong> bei einschlägig vorbestraften Pädophilen aufgegriffen worden, die dort mit<br />

Wissen o<strong>der</strong> gar ausdrücklicher Zustimmung <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> übernachtet haben.<br />

Es soll hier aber auch darauf hingewiesen werden, dass das Strafrecht nur die äußerste<br />

Grenze dafür setzt, was in einer Gesellschaft nicht hingenommen wird. Gerade<br />

unter pädagogischen Aspekten sind die Grenzen oft früher zu ziehen. Auch weil<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong>ige leicht in einen schwer wi<strong>der</strong>legbaren Verdacht eines sexuellen<br />

Missbrauches von anvertrauten Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen kommen können, ist<br />

schon zum Eigenschutz eine äußerste Zurückhaltung bei körperlichen Kontakten<br />

(Küssen, Streicheln etc.) o<strong>der</strong> dem Besprechen sexueller Themen zu empfehlen.<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> <strong>und</strong> Haftung durch Lehrkräfte<br />

Lehrkräfte in den Schulen haben neben den allgemeinen gesetzlichen Regelungen<br />

eine Vielzahl von Verordnungen <strong>und</strong> Erlassen zu beachten. <strong>Die</strong> Schulleitungen haben<br />

in <strong>der</strong> Regel aktuelle Fassungen <strong>der</strong> verschiedenen Regelungen in ihrem Besitz.<br />

Darüber hinaus geben die untere <strong>und</strong> die oberste Aufsichtsbehörden für das Schulwesen<br />

(örtliche Schulaufsicht bzw. die Bildungsministerien) auf Anfrage Auskunft<br />

über rechtliche Fragen zur Aufsichtsführung <strong>und</strong> zur Haftung. Auch im Internet gibt<br />

es entsprechende Informationen (siehe Anhang). Wegen <strong>der</strong> komplexen <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

Situation <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> durch Lehrkräfte, haben wir hier auf eine detailierte<br />

Darstellung verzichtet.<br />

15


Zur <strong>Aufsichtspflicht</strong> in Kin<strong>der</strong>tageseinrichtungen<br />

Melden <strong>Eltern</strong> ihr Kind in einer Kin<strong>der</strong>tageseinrichtung an, übernimmt <strong>der</strong> Träger<br />

durch den Aufnahmevertrag ausdrücklich die <strong>Aufsichtspflicht</strong> über das Kind. Da er<br />

die <strong>Aufsichtspflicht</strong> nicht selbst ausüben kann, überträgt er sie auf die Leitung <strong>der</strong><br />

Einrichtung <strong>und</strong> dem dort beschäftigten Personal. Zu den Pflichten des Trägers gehört<br />

es, seine Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter sorgfältig auszuwählen, ihre Eignung<br />

zu prüfen, ihre Einarbeitung sicherzustellen, wichtige Informationen an sie weiterzugeben<br />

<strong>und</strong> sie nicht zu überfor<strong>der</strong>n.<br />

Der Einrichtungsleitung kommt hier eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu. Sie ist unter an<strong>der</strong>em<br />

verpflichtet, neu eingestellte Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter in die Aufsichtsführung<br />

einzuweisen, das Personal auf Gefahren aufmerksam zu machen, beratend<br />

<strong>und</strong> unterstützend auch hinsichtlich <strong>der</strong> Aufsichtsführung zu wirken <strong>und</strong> bei Pflichtverletzungen<br />

einzugreifen.<br />

Beginn <strong>und</strong> Ende <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong><br />

Prinzipiell sind Beginn <strong>und</strong> Ende <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> im Aufnahmevertrag, in <strong>der</strong><br />

Hausordnung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tageseinrichtung o<strong>der</strong> einer geson<strong>der</strong>ten Vereinbarung festgelegt.<br />

In <strong>der</strong> Regel beginnt die <strong>Aufsichtspflicht</strong> <strong>der</strong> Beschäftigten einer Kin<strong>der</strong>tageseinrichtung,<br />

wenn das Kind die Einrichtung betritt. Werden Kin<strong>der</strong> von den <strong>Eltern</strong><br />

einfach vor <strong>der</strong> verschlossenen Tür abgestellt, verletzen diese möglicherweise ihre<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong>. <strong>Die</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tageseinrichtung endet mit <strong>der</strong> Übergabe<br />

des Kindes an die Personensorgeberechtigten (<strong>Eltern</strong>) o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Beauftragte.<br />

Für den Weg zur <strong>und</strong> von <strong>der</strong> Einrichtung tragen die <strong>Eltern</strong> die Verantwortung, auch<br />

wenn das Kind alleine geht. Kin<strong>der</strong> sind auf dem Weg zur Kin<strong>der</strong>tageseinrichtung, ob<br />

in Begleitung o<strong>der</strong> alleine, unfallversichert.<br />

<strong>Die</strong> rechtliche Situation <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> in Kin<strong>der</strong>tageseinrichtungen wird durch<br />

eine Vielzahl von einschlägigen Urteilen bestimmt <strong>und</strong> ist entsprechend komplex.<br />

Leitungen, aber auch Beschäftigten <strong>der</strong> Einrichtungen, wird deshalb das Studium von<br />

Fachliteratur (im Anhang benannt) empfohlen, um sich mit dem rechtlichen Rahmen<br />

vertraut zu machen."<br />

<strong>Die</strong> Verkehrssicherungspflicht<br />

Rechtlich unabhängig von <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> wird in gerichtlichen Verfahren bei <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzungen<br />

sehr häufig die sogenannte Verkehrssicherungspflicht berührt.<br />

Im Prinzip kann alles verkehrssicherungspflichtig sein o<strong>der</strong> werden, wenn davon<br />

potentiell Gefahr ausgehen kann: Spielgeräte, ein Auto, Feuer, eine Baustelle,<br />

ein Teich <strong>und</strong> vieles an<strong>der</strong>e mehr.<br />

Verkehrssicherungspflichtig ist je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> eine Gefahrenquelle schafft, sei es, dass er<br />

sie selbst hervorruft o<strong>der</strong> in seinem Einflussbereich andauern lässt, hat erfor<strong>der</strong>liche<br />

Sicherungsmaßnahmen zu treffen, damit sich potentielle Gefahren nicht zum Nachteil<br />

an<strong>der</strong>er auswirken können. Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm, Aktenzeichen.:<br />

3 U 195/85, vom 02.02.87<br />

16


Oft ist es den Verkehrssicherungspflichtigen bis zum Eintritt eines Schaden nicht bewusst,<br />

welche Gefahr sie durch ganz alltägliche Dinge hervorrufen können. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

wenn Kin<strong>der</strong> Zugang zu möglichen Gefahrenquellen haben, sollte genau<br />

überlegt werden, ob <strong>und</strong> wie - selbst bei missbräuchlicher Nutzung - Schäden bei<br />

ihnen verhin<strong>der</strong>t werden können.<br />

Es besteht eine allgemeine Verkehrsicherungspflicht <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong>, dafür zu sorgen,<br />

dass beim Spielen von Kin<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Wohnung niemand durch Spielzeug (hier: Kin<strong>der</strong>pistole)<br />

Schaden erleidet. (Urteil des B<strong>und</strong>esgerichtshofes (BGH), Aktenzeichen.:<br />

IV ZB 59/65 vom 10.03.1965)<br />

Auch bei unbefugtem Kin<strong>der</strong>spiel besteht eine Verkehrssicherungspflicht des Gr<strong>und</strong>stückseigentümer<br />

auch dann, wenn die Gefahr zwar erkennbar war, er sie aber aus<br />

Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. (Urteil des BGH, Aktenzeichen: VI ZR 149/73 vom<br />

22.10.1974)<br />

<strong>Die</strong> Beispiele machen deutlich, dass unabhängig von einer Verantwortung durch die<br />

gesetzliche <strong>Aufsichtspflicht</strong>, je<strong>der</strong> wegen eines Mangels bei <strong>der</strong> Verkehrssicherungspflicht<br />

straf- <strong>und</strong> zivilrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden kann. Auch hier<br />

kann Umsicht <strong>und</strong> eine Haftpflichtversicherung Schäden verhin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> zumindest<br />

die finanziellen Folgen abdecken.<br />

Der Gesetzgeber macht beson<strong>der</strong>s im Straßenverkehr die Halterinnen <strong>und</strong> Halter<br />

von Fahrzeugen verkehrssicherungspflichtig. Während sonst Kin<strong>der</strong> ab sieben Jahren<br />

generell schuldfähig <strong>und</strong> haftbar sind, haftet nun die Autofahrerin <strong>und</strong> <strong>der</strong> Autofahrer<br />

bei allen Schadensfällen selbst, wenn das verursachende Kind unter zehn<br />

Jahre alt ist. Damit wird <strong>der</strong> Tatsache Rechnung getragen, dass die jüngere Kin<strong>der</strong><br />

als schwächste Verkehrsteilnehmer noch nicht in <strong>der</strong> Lage sind, Situationen <strong>und</strong> Gefahren<br />

im unübersichtlicher gewordenen Straßenverkehr richtig einzuschätzen.<br />

Haftung <strong>und</strong> Schadensersatzpflicht<br />

Der bekannte Satz „<strong>Eltern</strong> haften für ihre Kin<strong>der</strong>“ hat nicht nur für <strong>Eltern</strong>, son<strong>der</strong>n für<br />

alle an<strong>der</strong>en <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen seine Berechtigung. Im § 832 BGB heißt dies ganz<br />

nüchtern:<br />

„(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung <strong>der</strong> Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die<br />

wegen Min<strong>der</strong>jährigkeit o<strong>der</strong> wegen ihres geistigen o<strong>der</strong> körperlichen Zustandes <strong>der</strong><br />

Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatze des Schadens verpflichtet, den diese Person<br />

einem Dritten wi<strong>der</strong>rechtlich zufügt. <strong>Die</strong> Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner<br />

<strong>Aufsichtspflicht</strong> genügt o<strong>der</strong> wenn <strong>der</strong> Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung<br />

entstanden sein würde.<br />

(2) <strong>Die</strong> gleiche Verantwortung trifft denjenigen, welcher die Führung <strong>der</strong> Aufsicht<br />

durch Vertrag übernimmt.“<br />

Durch die gesetzliche Formulierung hat <strong>der</strong> Gesetzgeber festgelegt, dass in <strong>der</strong> Regel<br />

ein Schaden, den Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendliche anrichten, auf einer unzureichenden<br />

Aufsicht beruht. An<strong>der</strong>erseits ein Schaden aber trotz sachgemäßer Aufsicht entstehen<br />

kann. <strong>Die</strong> Erstattung von Schäden wird in <strong>der</strong> Regel durch eine abgeschlossene<br />

17


(Familien-)Haftpflichtversicherung gedeckt sein. Besteht keine solche Versicherung,<br />

muss <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige entsprechende Schäden selbst bezahlen.<br />

Auch für einen Schaden, den die o<strong>der</strong> <strong>der</strong> zu Beaufsichtigende selbst erlitten hat, ist<br />

möglicherweise <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige haftbar zu machen. Dazu sagt <strong>der</strong> § 823 BGB:<br />

„Wer vorsätzlich (absichtlich)o<strong>der</strong> fahrlässig (versehentlich) das Leben, den Körper,<br />

die Ges<strong>und</strong>heit, die Freiheit, das Eigentum o<strong>der</strong> ein sonstiges Recht eines an<strong>der</strong>en<br />

wi<strong>der</strong>rechtlich verletzt, ist dem an<strong>der</strong>en zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens<br />

verpflichtet.“<br />

So gibt es ein Urteil zur Haftungsfrage bei einem Wohnungsbrand: <strong>Eltern</strong>, die ihr<br />

Feuerzeug in <strong>der</strong> Zigarettenschachtes auf dem Tisch im Wohnzimmer liegen lassen,<br />

müssen damit rechnen, dass unbeaufsichtigte Kleinkin<strong>der</strong> den Feuerzeuggebrauch<br />

nachahmen. Wenn <strong>Eltern</strong> sich in dieser Situation zum Mittagsschlaf hinlegen, ist dies<br />

grob fahrlässig (Urteil des OLG Koblenz vom 08.02.04).<br />

Haftung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

Kin<strong>der</strong> unter sieben Jahren sind für Schäden, die sie an<strong>der</strong>en zufügen nicht selbst<br />

haftbar zu machen. Kin<strong>der</strong> im Alter von sieben bis unter zehn Jahren brauchen nicht<br />

für Schäden aufkommen, die sie durch verschuldete Verkehrsunfälle verursachen.<br />

<strong>Die</strong>s gilt allerdings nicht, wenn ein Schaden vorsätzlich (mutwillig) herbeigeführt wurde,<br />

beispielsweise wenn Steine von einer Brücke auf die Straße geworfen werden.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Haftung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendlichen gilt, dass Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche<br />

selbst für einen von ihnen verursachten Schaden haftbar sein können. <strong>Die</strong>s richtet<br />

sich nach <strong>der</strong> Verschuldensfähigkeit. Nach dem § 828 Abs.1 BGB kann ein Kind<br />

unter 7 Jahren für einen Schaden, den es einem an<strong>der</strong>en zufügt, nicht zur Verantwortung<br />

gezogen werden. Jugendliche, die das 7., aber noch nicht das 18. Lebensjahr<br />

vollendet haben, sind für Schäden, die sie einem an<strong>der</strong>en zufügen, nicht verantwortlich,<br />

wenn sie bei <strong>der</strong> Begehung <strong>der</strong> schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis<br />

<strong>der</strong> Verantwortlichkeit erfor<strong>der</strong>liche Einsicht hatten (§ 828 Abs.2 BGB). <strong>Die</strong>s<br />

bedeutet, dass <strong>der</strong> Jugendliche aufgr<strong>und</strong> seiner geistigen Entwicklung in <strong>der</strong> Lage<br />

sein muss, das Unrecht seiner Handlung zu erkennen. Dann ist er auch verpflichtet<br />

für die Folgen seiner Handlung einzustehen. Zum Beispiel haftet ein jugendlicher<br />

Sprayer für den Schaden (Reinigungskosten) <strong>der</strong> durch das Sprayen entstanden ist.<br />

Haftung <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er <strong>Aufsichtspflicht</strong>iger<br />

Aber auch wenn Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche haftbar gemacht werden können, haften<br />

auch <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige, wenn sie ihrer <strong>Aufsichtspflicht</strong> nicht ausreichend nachgekommen<br />

sind. So sollten sich <strong>Eltern</strong> vergewissern, die wissen, dass ihre jugendlichen<br />

Kin<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>rechtlich sprühen, dass diese keine Sprayerutensilien mit sich führen.<br />

Ansonsten müssen sie für den Schaden aufkommen, den die Kin<strong>der</strong> mit ihren „Hobby“<br />

anrichten. Wenn Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche dadurch aufgefallen sind, dass sie sich<br />

wi<strong>der</strong>rechtlich Fahrzeuge ausleihen, um damit zu fahren, haben <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen<br />

eine strengere Aufsichtsführung zu leisten.<br />

<strong>Die</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen an die Aufsichtsführung erhöht sich bei <strong>der</strong> bekannten Neigung<br />

eines Jugendlichen zu Schwarzfahrten mit dem PKW. (Urteil vom Oberlandesgericht<br />

München, veröffentlicht in <strong>der</strong> Zeitschrift für Schadensrecht 1994, Seite 292)<br />

18


Auch haben <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige eine beson<strong>der</strong>e Kontroll- <strong>und</strong> Sicherungspflicht, wenn<br />

sie wissen, dass ihr Kind dazu neigt, mit Feuer zu spielen <strong>und</strong> Dinge in Brand zu setzen.<br />

Hier müssen die <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen durch Taschenkontrollen beim Kind <strong>und</strong><br />

das Wegschließen von Streichhölzern <strong>und</strong> Feuerzeugen, damit <strong>der</strong> Sprössling nicht<br />

in den Besitz von Brandstiftungswerkzeugen gelangt. Außerdem müssen sie über die<br />

„Marotte“ ihres Kindes an<strong>der</strong>e <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige informieren, damit diese entsprechende<br />

Vorsichtsmaßnahmen ergreifen können.<br />

In Erfüllung <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> müssen die <strong>Eltern</strong> ihr min<strong>der</strong>jähriges Kind eindringlich<br />

über die Gefahren des Spielens mit Feuer belehren <strong>und</strong> auch streng darauf achten,<br />

dass dieses nicht unerlaubt Streichhölzer o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Zündmittel an sich bringt.<br />

Bei einem fast acht Jahre alten Kind erfor<strong>der</strong>t die <strong>Aufsichtspflicht</strong> <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> insoweit<br />

ein hohes Maß an Sorgfalt um Umsicht. (Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf,<br />

Aktenzeichen: 2 U 64/90 vom 14.09.90)<br />

Kin<strong>der</strong>n im Alter von acht bis neun Jahren muss, wenn sie normal entwickelt sind,<br />

das Spielen im Freien auch in einem räumlichen Bereich gestattet sein, <strong>der</strong> dem <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen<br />

ein sofortiges Eingreifen nicht ermöglicht. <strong>Die</strong>ser Maßstab findet keine<br />

Anwendung auf Kin<strong>der</strong>, bei denen davon auszugehen ist, dass sie sich den Belehrungen<br />

<strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen verschließen, die Erfahrungen des Lebens mit seinen<br />

Gefahren nicht in sich aufnehmen <strong>und</strong> ihr Verhalten nicht im allgemeinen altersentsprechend<br />

danach ausrichten. Hier erfor<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Schutz Dritter eine beson<strong>der</strong>e<br />

Überwachung; das gilt insbeson<strong>der</strong>e, wenn eine Neigung des Kindes zum Zündeln<br />

o<strong>der</strong> zu sonst gefährlichen Streichen bekannt geworden ist. Solche beson<strong>der</strong>en Umstände<br />

können dazu führen, dass ein solches Kind auch nicht für fünf Minuten allein<br />

gelassen werden darf, also eine Aufsicht „auf Schritt <strong>und</strong> Tritt“ erfor<strong>der</strong>lich ist, mag<br />

eine solche auch nur schwer zu verwirklichen sein. Urteil des BGH, Aktenzeichen: VI<br />

ZR 91/96 vom 18.03.1997)<br />

Eine Haftung kann beispielweise auch eintreten, wenn man Kin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Jugendlichen<br />

für sie nicht geeignete Medien überlässt <strong>und</strong> eine Nachahmung von Darstellungen<br />

befürchtet werden kann.<br />

Wer einem Jugendlichen indizierte Horrorvideos – „Freitag, <strong>der</strong> 13.“ – überlässt o<strong>der</strong><br />

sonst zugänglich macht, kann für die von dem Jugendlichen später nach dem Vorbild<br />

<strong>der</strong> Horrorfigur begangenen Gewalttat zur Verantwortung gezogen werden, wenn er<br />

diese Tat <strong>und</strong> ihre Vermeidbarkeit voraussehen konnte (Jason-Fall). (Urteil des Bayrischen<br />

Oberlandesgerichtes vom 28.10.1997, Veröffentlicht in NJW 1998, S. 3580)<br />

Versicherungsfragen<br />

Es ist allen, die <strong>Aufsichtspflicht</strong> für Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche übernehmen, zu wünschen,<br />

dass während <strong>der</strong> Aufsichtstätigkeit kein Schaden eintritt, <strong>der</strong> die Frage nach<br />

einer Versicherung nach sich zieht. Trotzdem ist je<strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige schlecht<br />

beraten, wenn er nach dem Motto handelt: „Es wird schon nichts passieren“. Haftpflichtversicherungen<br />

gehören zu den wenigen Versicherungen, die Verbraucherschutzorganisationen<br />

dringend empfehlen. Wird durch einen Mangel bei <strong>der</strong> Aufsichtsführung<br />

beispielweise ein schwerer Verkehrsunfall verschuldet, kann leicht<br />

durch Schadensersatz, Schmerzensgeld o<strong>der</strong> Rentenzahlungen ein Schaden von<br />

19


mehreren 100.000,-- Euro entstehen, für den die <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen aufzukommen<br />

haben.<br />

<strong>Die</strong> meisten Versicherungen bieten Haftpflichtschutz an. Für Familien empfiehlt sich<br />

eine sogenannte Familienhaftpflicht, die Schäden bei fahrlässiger <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung<br />

<strong>der</strong> <strong>Eltern</strong> übernimmt. Beruflich <strong>und</strong> auch ehrenamtlich <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige<br />

sind in <strong>der</strong> Regel durch ihren Anstellungsträger Haftpflicht versichert. Ansonsten ist<br />

es ihnen dringend anzuraten sich privat gegen einen finanziellen Schaden abzusichern,<br />

<strong>der</strong> durch eine fahrlässige <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung eintreten kann.<br />

Bei vorsätzlicher o<strong>der</strong> grober <strong>Aufsichtspflicht</strong>verletzung zahlt in <strong>der</strong> Regel keine<br />

Versicherung. Alle Schäden müssen dann vom <strong>Aufsichtspflicht</strong>igen getragen<br />

werden. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die bei <strong>der</strong> Aufsicht erfor<strong>der</strong>liche<br />

Sorgfalt in beson<strong>der</strong>s schwerem Maße verletzt worden ist. (Gegen eine erhöhte<br />

Prämie bieten einige Versicherungen auch Schutz bei grober Fahrlässigkeit.)<br />

Vorsatz ist immer dann gegeben, wenn <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige willentlich o<strong>der</strong> vorhersehbar<br />

den Eintritt eines Schadens zulässt. Grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben,<br />

wenn <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong>ige nicht will, dass ein Schaden eintritt, er aber nichts o<strong>der</strong><br />

eindeutig zu wenig unternimmt, um den Schadensfall abzuwenden. Allerdings werden<br />

nur ganz große Sorglosigkeiten, das Hinwegsetzen über gültige Verhaltensregeln<br />

o<strong>der</strong> das leichtfertige „Inkaufnehmen“ von vorhersehbaren Schäden den Tatbestand<br />

<strong>der</strong> groben Fahrlässigkeit erfüllen.<br />

Der Leiter eines Jugendlagers haftet, wenn er siebenjährigen Kin<strong>der</strong>n den Gebrauch<br />

gekaufter Fahrtenmesser ermöglicht, für die hieraus resultierenden Schäden (Urteil<br />

des OLG München, veröffentlich in Versicherungsrecht 1979, Seite 747)<br />

Nicht versichert sind in <strong>der</strong> Regel Schäden, die trotz ausreichen<strong>der</strong> Aufsicht durch<br />

ein Kind unter sieben Jahren (§ 828 BGB) angerichtet werden. Hier trägt den Schaden<br />

allein <strong>der</strong> Geschädigte.<br />

20


Anhang<br />

Interessante Seiten im Internet zum Thema<br />

Rechtsfragen für Jugendgruppenleiter unter www.rechtslage.com<br />

Rechtsfragen <strong>der</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> unter www.aufsichtspflicht.de<br />

Haftungsrisiken <strong>und</strong> Versicherungsformen unter www.gemeinsam-aktiv.de<br />

Haftungsfragen unter www.regelwerk.unfallkasse.de<br />

Für Mitarbeiterinnen in Kin<strong>der</strong>tageseinrichtungen www.kin<strong>der</strong>gartenpaedagogik.de<br />

Für Lehrkräfte unter www.schulrecht-sh.de; www.hi.shuttle.de; www.schulseiten.de;<br />

www.vbe-sh.de<br />

Literatur zum Thema<br />

• H<strong>und</strong>meyer,S.: „<strong>Aufsichtspflicht</strong> in Kin<strong>der</strong>tageseinrichtungen. Rechtlich begründete<br />

Antworten auf Fragen <strong>der</strong> Praxis zur <strong>Aufsichtspflicht</strong>, Haftung <strong>und</strong> zum Versicherungsschutz“,<br />

3. Auflage, Kronach 1995a<br />

• H<strong>und</strong>meyer, S.: „Recht für Erzieherinnen <strong>und</strong> Erzieher“, München 1995b<br />

• Obermeyer,St.: „<strong>Aufsichtspflicht</strong>“, Fürstenfeldbruck 1999 (Erhältlich als Son<strong>der</strong>druck<br />

beim Kreisjugendring Fürstenfeldbruck, Gelbenholzner Str. 6, 82256 Fürstenfeldbruck,<br />

Tel.: 08141-50730, Fax 08141-507329 gegen eine Schutzgebühr<br />

von 5,-- € plus Versandkosten)<br />

• Elz, Jutta: „Recht so ...“, Mainz 1996, Hrsg. Stadtjugendring Mainz, Mönchstr. 17,<br />

55130 Mainz, Schutzgebühr 3,-- €<br />

• Scheffen/Pardey: Schadensersatz bei Unfällen mit Kin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen,<br />

Verlag C.H. Beck, 1995<br />

• Eckert, J. „Wenn Kin<strong>der</strong> Schaden anrichten“, dtv-Taschenbuch, ISBN 3-423-<br />

05290-2<br />

• Sahliger, U.: „<strong>Aufsichtspflicht</strong> im Kin<strong>der</strong>garten“, Münster 1994<br />

• Mün<strong>der</strong>, J.: „Beratung, Betreuung, Erziehung <strong>und</strong> Recht. Handbuch für Lehre <strong>und</strong><br />

Praxis“, Münster 1991<br />

• Schmitt-Wenkebach, R.: „<strong>Aufsichtspflicht</strong> in Tageseinrichtungen für Kin<strong>der</strong>“, Bonn<br />

1994 (Broschüre <strong>der</strong> Arbeiterwohlfahrt B<strong>und</strong>esverband e.V.)<br />

• Christa Preissing / Roger Prott, „Rechtshandbuch für Erzieherinnen“, Weinheim:<br />

Juventa-Verlag 1993<br />

• B<strong>und</strong>esverband <strong>der</strong> Unfallversicherungsträger <strong>der</strong> öffentlichen Hand – BAGUV,<br />

„Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz für Kin<strong>der</strong> in Tageseinrichtungen“ GUV-<br />

Broschüre 57.1.3.1, September 1999<br />

Impressum<br />

Herausgeber: Landeshauptstadt Kiel – Sozialdezernat<br />

Layout:<br />

Druck:<br />

Auflage: 2.000 Exemplare (August 2005)<br />

Informationen<br />

zum Jugendschutz: Jugendschutzbeauftragte <strong>der</strong> Landeshauptstadt Kiel<br />

Amt für Schule, Kin<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Jugendeinrichtungen<br />

Neuer Rathaus, Andreas-Gayk-Str. 31, 24103 Kiel<br />

Tel.: (0431)901-3111, Fax: (0431) 901-63117<br />

E-mail: Jugendschutz@Kiel.de<br />

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