Zur älteren Geschichte von Seeberg / Karl H. Flatt - DigiBern
Zur älteren Geschichte von Seeberg / Karl H. Flatt - DigiBern
Zur älteren Geschichte von Seeberg / Karl H. Flatt - DigiBern
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ZUR ÄLTEREN GESCHICHTE VON SEEBERG<br />
KARL H. FLATT<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)<br />
Hans R. Stampfli <strong>von</strong> Burgäschi,<br />
dem Archäozoologen und Freund<br />
<strong>Seeberg</strong> ist nicht nur, nach Niederbipp und Huttwil, die grösste Gemeinde<br />
des Oberaargaus, sondern umfasst, wohl als einzige, auch mehrere Dorfschaften.<br />
Die Einwohnergemeinde des bernischen Volksstaates (Gemeindegesetz<br />
1833), vorgebildet schon 1798/1803 in der kurzlebigen Munizipalität<br />
der Helvetik, ist deckungsgleich mit der nachreformatorischen<br />
Kirchgemeinde. Auf den abweichenden Umfang des altbernischen Gerichts<br />
<strong>Seeberg</strong>/Grasswil wird noch zurückzukommen sein.<br />
Das Gemeindeterritorium, das im Norden einen Streifen der Burgäschisee-Mulde<br />
(465 m) umfasst, reicht – wie Valentin Binggeli in seiner «Geographie<br />
des Oberaargaus» nachweist – in Richtung West-Ost <strong>von</strong> der Glazial<br />
und Schotterlandschaft des tieferen Oberaargaus über die <strong>von</strong> Düttisberg<br />
bei Burgdorf, Steinenberg/Steinhof bis Herzogenbuchsee/Thunstetten<br />
gebildete MolassehügelGrenze (untere Süsswassermolasse, glazial überfahren)<br />
in die alte Schmelzwasserrinne des Trockentals Burgdorf-Thörigen-Langenthal<br />
(heute benutzt <strong>von</strong> Oenz und Altache) bis aufs PlateauHügelland/<br />
Sandsteingebiet (obere Meeresmolasse) der Buchsi- und Wynigenberge.<br />
Dort liegen die Weiler Juchten (687/811 m) und Loch (613 m); das Tal des<br />
Mutzbach trennt sie <strong>von</strong> den Wynigenbergen. An dessen Mündung ins<br />
Trockental erstreckt sich das T-förmige Dorf Riedtwil, in Randlage am<br />
Hang liegen die Höfe Wallachern, Chasten, Obergaden und Hopferen. Eine<br />
nördliche Schmelzwasserrinne streicht zwischen Steinhof und Steinenberg<br />
<strong>von</strong> <strong>Seeberg</strong> über Walkersmatten-Rägenhalden Richtung Hermiswil, eine<br />
südöstlich verlaufende zweite <strong>von</strong> Nieder- und Obergrasswil-Spiegelberg<br />
Richtung Trockental, zwischen Steinenberg und Grossholz hindurch. Auf<br />
59
Steinhof und Steinenberg lagerte in der letzten Eiszeit der Rhonegletscher<br />
Seitenmoräne und Findlinge ab (Karte S. 73). Nach seinem Rückzug erschienen<br />
im Fürsteiner die ersten Jäger und Sammler der Mittelsteinzeit, bald<br />
darauf an den Ufern des damals viel grössern Aeschisees die sesshaften neolithischen<br />
Bauern in palisadenbewehrten kleinen Dörfern.<br />
Die Gemeinde wird seit alters <strong>von</strong> zwei wichtigen transhelvetischen Verkehrswegen<br />
durchschnitten: am Westrand <strong>von</strong> der Zürich–Bern-Strasse<br />
Kirchberg–Herzogenbuchsee–Murgenthal, schon 1706/1711 erneuert, um<br />
die Mitte des 18. Jahrhunderts als erste moderne Kunststrasse der Schweiz<br />
neu trassiert; im Trockental die alte Verbindung Krauchthal–Burgdorf–<br />
Thörigen–Langenthal, einst «via regia», noch 1713 für den Solothurner<br />
Feldmesser J. M. Erb «die grosse Landtstrass».<br />
Während sich die römische Besiedlung mit den Villen <strong>von</strong> Ersigen, Ae -<br />
schi/Dornacker, Herzogenbuchsee und Bollodingen an die Molassehügel-<br />
Grenze hielt, zeigen Ortsnamen wie Rumendingen, Wynigen und Bollodingen<br />
das Eindringen der ersten alemannischen Siedler ins Molassegebiet.<br />
Verraten Jegenstorf, Utzenstorf, Alchenstorf und Winistorf gar frühen Einfluss<br />
der fränkischen Zentralgewalt des 6. Jahrhunderts? Auffällig ist die<br />
Lage der Kirchhügel <strong>von</strong> Kirchberg, <strong>Seeberg</strong> und Herzogenbuchsee mit<br />
ihren alten Martinskirchen. Auf eine zweite Siedlerwelle deuten Grasswil,<br />
Riedtwil und Hermiswil. Nicht viel jünger dürften Ortsnamen vom Typ<br />
Hellsau, Höchstetten und Bleienbach sein. Von der Jahrtausendwende an bis<br />
zur Mitte des 14. Jahrhunderts wurden aber auch die Buchsiberge durch rodende<br />
Bauern weitgehend erschlossen: noch im 12. Jahrhundert schenkte<br />
Rudolf <strong>von</strong> Ergisingin dem Kloster St. Blasien Güter zu Loch und Ried. In<br />
der päpstlichen Besitzbestätigung für die junge Benediktinerabtei Trub erscheinen<br />
1139 neben andern Gütern im südlichen Hügelland auch die<br />
oberaargauischen Orte Walterswil, Ursibach, Lotswilr, Oentze, Koppin-<br />
gen, Grasswile: war Juncen = Juchten, wo Trub und seine Propstei Wan-<br />
gen später begütert waren (1333 Junkton)? Um die Mitte des 13. Jahrhunderts<br />
fassbar werden Duppental, im Kyburger-Urbar neben einem grossen<br />
Besitzkomplex in Grasswil auch Rietwil und «Weckerswende»; steht<br />
«Valche» wohl verstümmelt für Wallachern? Bereits 1275 versah Dekan<br />
Lüpprand <strong>von</strong> Bleienbach die Kapelle im Stauffenbachgraben. Im 14. Jahrhundert<br />
werden auch Dornegg und Howart, Willershüsern, Spych, Juch-<br />
ten und Schnerzenbach genannt. In Erscheinung treten der Bauer Heinrich<br />
<strong>von</strong> Bittwil und neben andern Grundbesitzern der Wirt und der Müller<br />
60<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)
Auf dem Kirchhügel <strong>von</strong> <strong>Seeberg</strong>.<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)<br />
61
Das Wasseramt im Mittelalter. Nach Hans Sigrist 1966.<br />
<strong>von</strong> Riedtwil. Östlich <strong>von</strong> Niedergrasswil liegt der Weiler «Eggen», den<br />
Hans Henzi mit dem alten Triegendorf identifiziert hat.<br />
Das Ausbaugebiet des östlichen Oberaargaus, das Emmen- und Gürbetal,<br />
Forst und Oberland waren im Mittelalter <strong>von</strong> Freiherrschaften dominiert,<br />
hingegen konzentrierte sich im Altsiedelland zwischen Aare, Emme,<br />
Rot und Zulg das Hausgut des Hochadels und seiner Dienstleute: Grafen <strong>von</strong><br />
Rheinfelden († 1090), Herzoge <strong>von</strong> Zähringen († 1218), Grafen <strong>von</strong> Kyburg<br />
und Neu-Kyburg († um 1418), wahrscheinlich zurückgehend auf<br />
hochburgundisches Königsgut, z. T. vorher Besitz der karolingischen Sippe<br />
der Adalgozinger. Selbst in der Zeit des Niederganges behielten die Kyburger<br />
im 14. Jahrhundert trotz Verpfändungen ihre oberaagauischen Gerichte<br />
Huttwil, Herzogenbuchsee, Ursenbach und Wangen, besonders aber die<br />
Dörfer an der Strasse Wynigen–Herzogenbuchsee, auch die Dingstätten<br />
Inkwil und Grasswil möglichst lange in ihrer Hand. Der Kirchensatz <strong>von</strong><br />
<strong>Seeberg</strong> mit den Zehnteinkünften war wohl schon vor dem Jahre 1100 –<br />
62<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)
wie die Kirchen <strong>von</strong> Herzogenbuchsee und Huttwil – durch Agnes <strong>von</strong><br />
Rheinfelden und ihren Gatten Berchtold II. <strong>von</strong> Zähringen an deren Hauskloster<br />
St. Peter im Schwarzwald übergegangen. <strong>Zur</strong> Verwaltung der Güter<br />
wurde, wohl erst nach 1264, die Benediktiner-Propstei Herzogenbuchsee<br />
gegründet, die aber nur in einem Teil der Pfarrei, im Dorf selbst und in den<br />
Gemeinden Röthenbach, Heimenhausen und Wanzwil, in den beiden Oenz<br />
die Grundherrschaft ausübte. Die Einkünfte in der Pfarrei <strong>Seeberg</strong>, namentlich<br />
<strong>von</strong> den 15 Schupposen zu Grasswil, aber auch in Riedtwil, Valche<br />
(Wallachern?) und Wäckerschwend blieben in der Hand der Grafen.<br />
Erst 1370 verkauften die Grafen «Amt und Dorf zu Grasswil» mit allen<br />
Gütern und voller Herrschaft an den Solothurner Burger Hans Junker, Krämer.<br />
Auf Druck Berns musste dessen Tochter und ihr Mann, Entz Matter<br />
<strong>von</strong> Bern, diesen Besitz 1395 an die Stadt Burgdorf veräussern, die zwischen<br />
1394 und 1435 verschiedene Herrschaften in ihrer Umgebung und im<br />
Oberaargau erwerben konnte. Während der burgdorfische Lotzwilvogt die<br />
niedern Gerichte im Langetental und in Thörigen/Bettenhausen verwal-<br />
tete, unterstanden die Gerichte Heimiswil, Niederösch und Grasswil, bis<br />
1565 auch das Dorf Inkwil, dem Grasswilvogt. Die Rechte des Landvogts<br />
<strong>von</strong> Wangen bzw. des Staates hatte der Freiweibel in Lotzwil und in Riedtwil<br />
zu wahren. Er war Stellvertreter des Landvogts am Landgericht, überwachte<br />
den Vollzug der obrigkeitlichen Befehle und Mandate. Laut dem<br />
bernischen Regionenbuch <strong>von</strong> 1783, dem wir auch eine eingehende Beschreibung<br />
der Gemeindeteile verdanken, stand dem Staat namentlich das<br />
Criminale, das Militare, die obere Polizei und das Consistoriale (Einsetzung<br />
<strong>von</strong> Pfarrer und 7 Chorrichtern) zu. Hingegen übte das im Wirtshaus<br />
Riedtwil unter dem Vorsitz des Burgdorfervogtes oder des Weibels tagende<br />
Zwölfergericht (je 3 Mann aus den 4 Dorfgemeinden) das Civile und die<br />
niedere Polizei aus, vor allem die Fertigung <strong>von</strong> Grundstücken, Testamenten<br />
und Erbschaftsinventaren.<br />
Die vier Dörfer und die Berggemeinde 1783<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)<br />
1. Das Pfarrdorf <strong>Seeberg</strong> mit Huf- und Schlosserschmitte; der Berg mit Kirche<br />
(zeitweise eine Hochwacht), Pfarrhaus und Schulhaus; das Löhli:<br />
Pinte und Bauernhaus.<br />
63
2. Dorf Niedergrasswil mit Hof Winterhalden; Regenhalden: 12 Häuser<br />
und Schmitte. Grasswil galt 1689 als «eine kleine, armmüthige Gemeinde,<br />
sehr beschwert mit der Armen Fuhr».<br />
3. Das Dorf Obergrasswil; der Hof Bittwil mit 6 Häusern; Spiegelberg:<br />
6 Taglöhnerhäuschen; Hof Wallachern.<br />
4. Das Dorf Riedtwil mit Tavernenwirtschaft, Oele, Stampfe, Wergreibe;<br />
je 1 Haus im Greut, Vorder- und Hinterhölzli, Liechthofstatt und<br />
Hopfern; je 2 Häuser mit mittleren und untern Kasten; 4 Häuser auf<br />
Oschwand.<br />
Vom Dorf Höchstetten im Gericht Koppigen gehörten bis 1806 elf Häuser<br />
zur Kirchgemeinde <strong>Seeberg</strong>, sechs zur Kirche Koppigen.<br />
<strong>Zur</strong> Pfarrei <strong>Seeberg</strong> zählte seit jeher auch die Berggemeinde Juchten-Loch,<br />
bis 1798 aber zum Gericht Bollodingen in der Landvogtei Wangen gehörig:<br />
5. Die Gemeinde JuchtenLoch: der Hof Loch mit 5 Häusern, ferner 1 Haus<br />
im Baschiloch; Juchten mit 10 Häusern; je ein Haus Heinihof, auf der<br />
Zelg, auf dem Knie, Vorder- und Hinterlöffelhof, am Rain, Böschhüsli;<br />
2 Häuser im Mutzbach; 2 Häuslein im Juchtengraben. Laut Bericht des<br />
Landvogts wohnten dort 1777 acht Taglöhner, 1785 auch ein Köhler.<br />
Bei der Volkszählung 1850 noch wurden Bevölkerung und Haushaltungen<br />
der fünf Ortsgemeinden separat gezählt.<br />
Bevölkerung Haushaltungen<br />
<strong>Seeberg</strong> 430 84<br />
Niedergrasswil 352 63<br />
Obergrasswil 517 94<br />
Riedtwil 316 48<br />
Juchten-Loch 339 57<br />
Total 1954 346<br />
Grossgrundbesitzer und Dienstmann: Während die Klöster der Region in<br />
<strong>Seeberg</strong>-Grasswil nur über Streubesitz verfügten – am meisten sicherte sich<br />
noch St. Urban – und auch der Dienstadel hier nur mässig begütert war,<br />
treffen wir schon früh auf bürgerliche Grundbesitzer aus den Städten Burgdorf<br />
und Solothurn. <strong>Seeberg</strong> war stets eher nach der Emmestadt als nach<br />
dem Oberaargau orientiert. Schon 1287 konnte Konrad Egensezzo, ein freier<br />
Mann und Bürger beider Städte, reiche Güter in Aeschi, Grasswil und den<br />
Buchsibergen an St. Urban veräussern. Vom Burgdorfer Lorenz Kupfer-<br />
64<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)<br />
Burgäschi. Lage der mittelalterlichen Burg. Nach Viktor Kaufmann 1948.<br />
65
schmied erwarb das obere Spital 1472 drei Schupposen zu Loch. Besonders<br />
erfolgreich kaufte ab 1378 bis über die Jahrhundertwende sein Mitbürger<br />
Conrad Stampf Bauerngüter auf: sein Besitz reichte <strong>von</strong> Oekingen im Wasseramt<br />
bis ins Lueggebiet, <strong>von</strong> Rütschelen über Bollodingen, Hegen<br />
(Mühle) bis auf den Steinhof. Von den Twingherren <strong>von</strong> Thörigen/Bettenhausen<br />
erwarb er gar einen Anteil am dortigen Dorfbach. Nach seinem Tod<br />
vermachte seine Frau 1419/20 den gesamten Besitz sozialen Institutionen<br />
und der Kirche <strong>von</strong> Burgdorf. Eher ein politischer Aufsteiger war Hug <strong>von</strong><br />
<strong>Seeberg</strong>, der – wohl als leibeigener Landmann – im Dienst der Grafen <strong>von</strong><br />
Kyburg und Neuenburg-Nidau zum vertrauten Dienst- und Verwaltungsmann<br />
aufstieg: er schaffte zwar nicht den Ritterschlag, führte aber 1380/82<br />
ein eigenes Siegel mit den gekreuzten Schlüsseln des hl. Petrus (Kloster St.<br />
Peter im Schwarzwald als Inhaber der Kirchensätze <strong>Seeberg</strong>, Buchsi und<br />
Huttwil), das – mit umgekehrten Farben – zum Wappen der Städte Huttwil<br />
und Wangen werden sollte. 1372 mit Anna <strong>von</strong> Röthenbach verheiratet,<br />
hatte er schon 1367 vom Kloster St. Urban den Heuzehnt zu Thörigen<br />
bei der Brücke und zu Moos erworben. Ferner verfügte er bis 1396 über 5<br />
Schupposen zu Thörigen/Bettenhausen. Er ist 1374/82 als Vogt in Wangen,<br />
gleichzeitig 1372/79 als Schultheiss <strong>von</strong> Herzogenbuchsee erwähnt. Als die<br />
Kyburger 1378 die Stadt Huttwil an Johann Grimm <strong>von</strong> Grünenberg verpfänden<br />
mussten, stellten sie ihn diesem «zu einer besserung dises pfandes»<br />
zur Verfügung: er hatte in Huttwil 200 Gulden zu verbauen! Ob Hug <strong>von</strong><br />
<strong>Seeberg</strong> den Burgdorfer- und Sempacherkrieg noch in unserer Gegend verbrachte?<br />
Jedenfalls stritt er noch im Frühjahr 1385 mit Heinz <strong>von</strong> Rütschelen,<br />
seinem Nachfolger in Wangen, um die Nutzung des dortigen Stocks<br />
(Burg). Dann zog er sich in das unter habsburgischer Verwaltung vorläufig<br />
sichere Zofingen zurück, wo er noch 1390–1404 als Hausbesitzer und Burger<br />
erscheint. Von Besitz und Beziehung zum Heimatdorf, <strong>von</strong> Nachkommen<br />
ist nirgends die Rede. Hingegen erscheint er als Wohltäter im Jahrzeitbuch<br />
<strong>von</strong> St. Urban, dem er selbst nebst Rechten in Deitingen 100<br />
Goldgulden vermacht hatte. – Auf die Schnell <strong>von</strong> Grasswil, 1346 erwähnt,<br />
1331 auch in Huttwil, sei hier nur kurz hingewiesen. Der Dorfammann<br />
Leonhard Schnell bürgerte sich 1483 in Burgdorf ein, wo die Familie in den<br />
1830er Jahren die Führung der Berner Liberalen übernehmen sollte.<br />
Die Kirchgemeinde: Es ist bereits dargelegt worden, dass ums Jahr 1100<br />
Berchtold II. <strong>von</strong> Zähringen und seine Frau Agnes <strong>von</strong> Rheinfelden die Kirchensätze<br />
<strong>von</strong> Huttwil, Herzogenbuchsee und <strong>Seeberg</strong> ihrem Hauskloster<br />
66<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)<br />
St. Peter im Schwarzwald vergabt hatten. Erst fast dreissig Jahre nach der Reformation<br />
gelang es Bern 1557, die drei Kirchensätze samt den reichen<br />
Zehnteinkünften nach langen Prozessen in seinen Besitz zu bringen.<br />
Wie in Herzogenbuchsee muss aber auch in <strong>Seeberg</strong> die dem hl. Martin<br />
geweihte Kirche beträchtlich älter sein. In den Jahren 1070–1090 stand der<br />
einem freiherrlichen Geschlecht entstammende Seliger als Abt dem Kloster<br />
Einsiedeln vor. Er überliess diesem namenhaften Besitz im Aargau (den achten<br />
Teil der Kirche <strong>von</strong> Rued, die Kapelle Bottenwil bei Zofingen, Güter zu<br />
Boniswil und Egliswil), im Luzernbiet (Dagmersellen, Ettiswil, Wauwil),<br />
ferner den vierten Teil der Kirche <strong>von</strong> <strong>Seeberg</strong> und Besitz zu Craolteswil/<br />
Grasswil. Man hat später im Donator einen Spross des Hauses Alt-Wohlhusen<br />
vermutet. Wir würden in ihm eher einen Vertrauten Rudolfs <strong>von</strong><br />
Rheinfelden sehen, der selbst vermutlich aus dem Haus der Könige <strong>von</strong><br />
Hochburgund stammte.<br />
Ein Seliger hatte bei deren Aussterben 1032 die Königskrone an den deutschen Hof<br />
überbracht. Rudolf selbst stiftete dem Kloster Einsiedeln zur Zeit Seligers den Meierhof<br />
Erlisbach an der Grenze AG/SO. Den ungewöhnlichen Name Seliger trug aber auch<br />
jener Spross des Hauses Oberhofen (verwandt mit den Wädenswil), der um 1130 das<br />
Kloster Interlaken stiftete. Die Wädenswil, nach 1250 auch Besitzer einer Burg auf dem<br />
Gütsch bei Willisau, übten im 13. Jahrhundert im Auftrag <strong>von</strong> Einsiedeln die Vogtei<br />
über Kirchensatz und Meierhof zu Ettiswil aus. Sie scheinen in verwandtschaftlichen<br />
Beziehungen zu den Häusern Wolhusen und Balm gestanden zu sein. Dagmersellen<br />
(Filialkirche 1271) und Wauwil gehörten zur Pfarrei Altishofen, Bestandteil der Freiherrschaft<br />
Altbüron, die wohl vor dem Jahre 1200 erbweise an die Balm überging.<br />
In Anwesenheit <strong>von</strong> Gräfin Elisabeth <strong>von</strong> Kyburg und dreier Äbte besiegelten<br />
1264 die Leutpriester <strong>von</strong> Herzogenbuchsee und <strong>Seeberg</strong>, letzter<br />
auch Vorsteher des Dekanats Burgdorf, eine Urkunde zur Regelung eines<br />
Streits zwischen den Herren <strong>von</strong> Stein und der Abtei St. Peter über das Ostufer<br />
des Aeschisees. Der Pfarrer <strong>von</strong> <strong>Seeberg</strong> versah 1275 auch die Kirche<br />
<strong>von</strong> Alchenstorf (um 1420 mit Koppigen vereint); <strong>von</strong> <strong>Seeberg</strong> allein trug<br />
er ebenso viel zum Kreuzzugszehnten bei wie der Pfarrer <strong>von</strong> Huttwil und<br />
sein Vikar. Jakob <strong>von</strong> <strong>Seeberg</strong> (Pfarrer?) war 1290 Chorherr in Zofingen,<br />
Pfarrer Ulrich <strong>von</strong> <strong>Seeberg</strong> 1336 Kanoniker in Beromünster, während sein<br />
Nachfolger, der Konstanzer Johannes Underschopf, erst eine Anwartschaft<br />
auf ein Kanonikat hatte. Anfangs der 1320er Jahre entspann sich ein Streit<br />
zwischen dem Pfarrer und dem Propst <strong>von</strong> Herzogenbuchsee um die Neubruchzehnten<br />
(<strong>von</strong> neuen Rodungen) in der Pfarrei <strong>Seeberg</strong>, der trotz bischöflicher<br />
Drohung erst nach Jahren durch geistliche Schiedsrichter in<br />
67
Anwesenheit Graf Eberhards <strong>von</strong> Kyburg zugunsten des <strong>Seeberg</strong>ers beigelegt<br />
wurde. 1382 erreichte die verarmte Abtei St. Peter endlich vom Papst,<br />
dass ihr die Kirche <strong>Seeberg</strong> samt allen Einkünften inkorporiert wurde. In<br />
der Folge entsandte sie meist einen ihrer alten Mönche als Pfarrer nach <strong>Seeberg</strong>:<br />
1456 P. Bernhard Koufherr, dann P. Wilhelm Tanhain, 1467 P. Johann<br />
Müller und 1471 den St. Galler Caspar Goldast.<br />
Aufgrund der 1406 <strong>von</strong> den Grafen <strong>von</strong> Kyburg übernommenen Kastvogtei<br />
über die Propstei Herzogenbuchsee und eines Burgrechts mit dem<br />
Abt <strong>von</strong> St. Peter (1416, mit Solothurn schon 1350!) bestellte Bern in der<br />
Reformationszeit vorerst einen Vogt über deren Güter und nahm sie 1528<br />
durch einen Schaffner (später der Landvogt <strong>von</strong> Wangen) ganz in ihren Besitz.<br />
Es besetzte fortan auch die Pfarrstellen <strong>von</strong> Huttwil, Herzogenbuchsee<br />
und <strong>Seeberg</strong>. Aus Protest gegen die Säkularisierung/Enteignung seines Gutes<br />
verkaufte der Abt – zum Ärger Berns – 1528 die unter solothurnischer<br />
Botmässigkeit stehenden Zehnteinkünfte der Pfarreien Buchsi und <strong>Seeberg</strong><br />
im Wasseramt an Solothurn, das sie aber in einem Tauschvertrag 1539 an<br />
Bern abtrat.<br />
Aus diesem Dokument geht hervor, dass im Mittelalter die Höfe Winistorf,<br />
Heinrichswil und wahrscheinlich Hersiwil zur Pfarrei <strong>Seeberg</strong> gehört<br />
hatten, die der alten Herrschaft Aeschi (Besitz der Herren <strong>von</strong> Stein),<br />
Aeschi, Burg, Bolken, Etziken, Hermiswil und Steinhof, zum Kirchspiel<br />
Herzogenbuchsee. Ähnlich wie Ursenbach hatte auch <strong>Seeberg</strong> noch kurz vor<br />
der Reformation 1516 eine neue Kirche mit zahlreichen Figuren- und<br />
Wappenscheiben erhalten – eine Bauabrechnung des Berners Hans Franz<br />
Nägli harrt noch der Publikation. Die Scheiben zeigen <strong>Seeberg</strong> im Kräfteparallelogramm<br />
St. Peter – Burgdorf – Wangen – Bern, die den Bau des<br />
spätgotischen Saals mit polygonalem Chorabschluss und dreigeschossigem<br />
Turm, in Absprache und mit Hilfe der Kirchengenossen, vereinbart und<br />
durchgeführt haben.<br />
Auf die nachreformatorische <strong>Geschichte</strong> unter der Herrschaft Burgdorfs werfen<br />
vorerst zwei Publikationen <strong>von</strong> Pfarrer Siegfried Joss (1931/1959) etwas<br />
Licht; es bleibt die Edition der Burgdorfer Archivalien durch Anne-Marie<br />
Dubler im Rahmen der Schweiz. Rechtsquellen abzuwarten. Hier sei bloss<br />
noch der Verkauf der Herrschaftswälder durch die Stadt Burgdorf angemerkt:<br />
den grossen Goldisbergwald konnten 1569/1584 die Riedtwiler<br />
Wirte Hans und Christian Weber (Sohn?) übernehmen. Unter Vorbehalt<br />
des Acherums (Eichelmast) und des Holzschlags überliess die Stadt 1545<br />
68<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)
den Bauern <strong>von</strong> Grasswil den Steiniberg, 200 Jucharten Buchenwald, gegen<br />
einen Bodenzins in Korn. 1770 konnten die Grasswiler diese Servitute um<br />
3500 Pfund ablösen. – 1682 erhielt die Kirchgemeinde einen Staatsbeitrag<br />
zum Bau eines neuen Schulhauses. 1795/96 unterstützte Bern die Gründung<br />
eigener Schulen in Grasswil und Riedtwil-Hermiswil.<br />
Burgäschisee<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)<br />
Auch die <strong>Geschichte</strong> des Burgäschisees, durch seine archäologischen Fundstellen<br />
international bekannt und als Naturreservat <strong>von</strong> nationaler Bedeutung,<br />
ist erst in Umrissen bekannt.<br />
Vor der Absenkung und Melioration <strong>von</strong> 1943 mass er 2244 Aren, wo<strong>von</strong><br />
604 Aren zur Einwohnergemeinde <strong>Seeberg</strong> im Kanton Bern, der Rest<br />
zum solothurnischen Burgäschi gehören. Heute beträgt die Gesamtfläche<br />
1916 Aren. Der See ist ein Privatgewässer, im Süden Besitz der Ortsgemeinde<br />
<strong>Seeberg</strong>; der grössere Nordteil mit 144 Seerechten befindet sich<br />
aufgrund eines Kaufvertrages mit Solothurn <strong>von</strong> 1567 im Eigentum <strong>von</strong><br />
rund 30 Anteilhabern. Da auch am Inkwilersee ähnliche Grenzenverhältnisse<br />
herrschen, haben Bern und Solothurn im 15. oder 16. Jahrhundert<br />
ihre Fischereirechte abgetauscht: Die Fischerei steht im ganzen Inkwilersee<br />
als Erblehen seit dem 15. Jahrhundert der bernischen Gemeinde Inkwil zu,<br />
im ganzen Burgäschisee den solothurnischen Berechtigten. Es liegt auf der<br />
Hand, dass sich <strong>Seeberg</strong> für seinen Seeanteil an der nördlichen Gemeindegrenze<br />
nur mässig interessierte.<br />
Östlich eines schmalen Landstreifens lag der kleine oder äussere See,<br />
schon 1713 verlandet zum «Moos», heute Burg- oder Chlepfibeerimoos, ein<br />
geschütztes Hochmoor; wie der grössere See Ost-West wird es <strong>von</strong> der Kantonsgrenze<br />
ungefähr Nord-Süd geschnitten. Bern hatte noch 1527 dem<br />
Wirt <strong>von</strong> Thörigen im kleinen See und im Verbindungsgraben die Fischerei<br />
gestattet.<br />
Laut einem ums Jahr 1500 angelegten Verzeichnis gehörte der Südteil<br />
des Aeschisees mit der Herrschaft Wynigen zum Schloss Burgdorf (wohl<br />
früher kyburgisch). Auch die Emmenstadt selbst konnte 1548/49 Anteil erwerben.<br />
Die nördlichen gut zwei Drittel waren Bestandteil der Herrschaft<br />
Aeschi, die in verschiedenen Schritten bis 1466 an Solothurn gelangte.<br />
Nicht die vereinzelt fassbaren Herren <strong>von</strong> Aeschi, sondern die zähringi-<br />
69
schen, dann kyburgischen Dienstmannen <strong>von</strong> Stein (12 Generationen,<br />
1201–1585 erwähnt) waren Inhaber der Herrschaft und der zwischen beiden<br />
Seen gelegenen Wasserburg Eschi, die 1332 im Gümmenenkrieg <strong>von</strong><br />
Bernern und Solothurnern zerstört wurde. Fünfzig Jahre später (bis hin in<br />
die Reformationszeit) begannen die Stein ihre Güter und Herrschaftsrechte<br />
im Wasseramt, teils auch in den Buchsibergen zu liquidieren und gliederten<br />
sich erfolgreich in die Führungsschicht der Städte Bern und Solothurn<br />
ein. Eine schon erwähnte Urkunde <strong>von</strong> 1264 zeigt die Herren <strong>von</strong> Stein aber<br />
nicht in unbestrittenem Besitz des Seegebietes: vielmehr mussten sie die<br />
Ansprüche der Abtei St. Peter im Schwarzwald (später vertreten durch die<br />
Propstei Herzogenbuchsee) anerkennen und den äussern See vom äussern<br />
Wall ihrer Burg bis zum Kreuzweg <strong>von</strong> dieser zu Erblehen nehmen. Das<br />
wertvolle Pergament mit den acht Siegeln liegt heut im Archiv der Familie<br />
<strong>von</strong> Roll in Solothurn. Die Herrschaften Halten und Aeschi waren zwar<br />
1466 an den Staat Solothurn gelangt, die Privatgüter der Stein aber über<br />
Junker Reinhard <strong>von</strong> Malrein und die mächtigen Spiegelberg an die <strong>von</strong><br />
Roll, die sich 1495 im Angesicht der St. Ursenkirche niederliessen.<br />
70<br />
Literatur<br />
Jahrbuch des Oberaargaus, Bd. 36 (1993)<br />
Der vorliegende Abriss ist als Einleitung zur Arbeit Walter Ischis über die neue<br />
Gemeindestruktur gedacht.<br />
Aeschi/Solothurn. Rundgang durch seine <strong>Geschichte</strong>. Solothurn 1948.<br />
Aeschlimann Joh. Rud., Gschichte <strong>von</strong> Burgdorf und Umgebung. Zwickau 1847/48.<br />
Binggeli Valentin, Geographie des Oberaargaus. Sonderband 3. Langenthal 1983.<br />
<strong>Flatt</strong> <strong>Karl</strong> H., Die Errichtung der bernischen Landeshoheit über den Oberaargau.<br />
Bern 1969.<br />
Helvetia Sacra III.1: Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der<br />
Schweiz. Bern 1986 [btr. Propsteien Herzogenbuchsee/Wangen a.d.A.].<br />
Joss Siegfried, Aus <strong>Seeberg</strong>s Vergangenheit. Herzogenbuchsee 1931.<br />
Joss Siegfried, Der Pfarrbericht <strong>von</strong> 1764 über <strong>Seeberg</strong>. Jahrbuch 1959.<br />
Müller-Beck HJ., <strong>Zur</strong> Ökologie, Ökonomie und Demographie des Cortaillod-Dorfes<br />
<strong>Seeberg</strong>, Burgäschi-Süd, Kt. Bern. In: Festschrift f. Hans R. Stampfli, Basel 1990.<br />
Schmalz <strong>Karl</strong> Ludwig, Steinhof und Steinenberg. Jahrbuch 1966.<br />
Sigrist Hans, 500 Jahre solothurnisches Wasseramt. Jurablätter 1966.