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Verfahren zur dynamischen Verkehrsumlegung - Institut für Straßen ...

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<strong>Verfahren</strong> <strong>zur</strong> <strong>dynamischen</strong><br />

<strong>Verkehrsumlegung</strong> -<br />

Ein methodischer Überblick<br />

Autoren / Authors:<br />

Veröffentlichung / Publication<br />

Markus Friedrich<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik, Universität Stuttgart<br />

friedrich@isvs.uni-stuttgart.de<br />

Peter Vortisch<br />

PTV AG, Karlsruhe<br />

peter.vortisch@ptv.de<br />

Veröffentlicht in / Published in:<br />

Friedrich, M. und Vortisch, P. (2005): <strong>Verfahren</strong> zu dynamischem<br />

Umlegung - Ein methodischer Überblick. In: <strong>Straßen</strong>verkehrstechnik 03/2005,<br />

FGSV, Köln, S. 128 - 144<br />

Universität Stuttgart<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Straßen</strong>- und Verkehrswesen<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik<br />

www.uni-stuttgart.de/isv/vuv/


<strong>Verfahren</strong> <strong>zur</strong> <strong>dynamischen</strong> <strong>Verkehrsumlegung</strong> –<br />

ein methodischer Überblick<br />

Markus Friedrich, Universität Stuttgart, friedrich@isvs.uni-stuttgart.de<br />

Peter Vortisch, PTV AG, Karlsruhe, peter.vortisch@ptv.de<br />

Kurzfassung<br />

Der Beitrag gibt eine Einführung in die Problematik der <strong>dynamischen</strong> Umlegung<br />

<strong>für</strong> den motorisierten Individualverkehr. Anhand der Teilkomponenten einer<br />

<strong>dynamischen</strong> Umlegung (Verbindungssuche, Verbindungswahl, Netzbelastung,<br />

Netzbewertung und Iterationssteuerung) werden verschiedene Lösungsansätze<br />

dargestellt und die damit verbundenen Vor- und Nachteile erläutert.<br />

Summary<br />

The paper gives an introduction to dynamic traffic assignment for private<br />

transport. It distinguishes five components of a dynamic traffic assignment<br />

(route search, route choice, network loading, network evaluation, iteration loop)<br />

and discusses the advantages and disadvantages of different approaches.<br />

1 Zweck des Beitrags<br />

Dynamische Umlegungsverfahren haben inzwischen einen Stand erreicht, der<br />

eine breite Anwendung in der Planungspraxis erlauben würde. Leider ist insbesondere<br />

im deutschen Sprachraum der Einsatz solcher <strong>Verfahren</strong> noch weitgehend<br />

innovativen Projekten vorbehalten, so dass es bisher wenig Aussagen<br />

über die Handhabbarkeit der <strong>Verfahren</strong> gibt. Auf der anderen Seite bietet die<br />

Weiterentwicklung dieser <strong>Verfahren</strong> der Forschung noch genügend Herausforderungen.<br />

In diesem Beitrag wird versucht, einen Überblick über die verschiedenen<br />

methodischen Ansätze im Bereich der <strong>dynamischen</strong> Umlegung zu geben,<br />

die typischen Probleme aufzuzeigen und Vor- und Nachteile gegenüberzustellen.<br />

Der Beitrag fokussiert auf dynamische Umlegungsverfahren <strong>für</strong> den<br />

motorisierten Individualverkehr, zeigt aber auch Ähnlichkeiten und Unterschiede<br />

zu fahrplanfeinen Umlegungsverfahren <strong>für</strong> den Öffentlichen Verkehr auf.


2 Klassifizierung von Umlegungsverfahren<br />

Die Aufgabe der Umlegung besteht darin, den Verkehrsablauf bei einem gegebenen<br />

Verkehrsangebot und einer gegebenen Verkehrsnachfrage unter Berücksichtigung<br />

gewisser Regeln nachzubilden. Ergebnis einer Umlegung sind<br />

u.a. Belastungen von Routen und einzelner Netzelemente sowie daraus resultierende<br />

belastungsabhängige Fahrzeiten.<br />

Umlegungsverfahren lassen sich nach verschiedenen Kriterien klassifizieren.<br />

Für die Gegenüberstellung statischer und dynamischer Umlegungsverfahren<br />

bieten sich als Kriterien das Vorhandensein einer Zeitachse und die Annahmen<br />

über den Systemzustand im Verkehrsnetz an (Tabelle 1).<br />

Bezeichnung betrachteter Zeitraum Zeitachse Systemzustand Bezeichnung nach<br />

CASCETTA [4]<br />

statische Umlegung mit<br />

wiederkehrendem<br />

Systemzustand<br />

dynamische Umlegung<br />

mit wiederkehrendem<br />

Systemzustand<br />

dynamische Umlegung<br />

mit veränderlichem<br />

Systemzustand<br />

• ein Tag<br />

• Teil eines Tages (z.B.<br />

Hauptverkehrszeit)<br />

• ein Tag<br />

• Teil eines Tages (z.B.<br />

Hauptverkehrszeit)<br />

• mehrere Tage<br />

nein wiederholt sich<br />

regelmäßig<br />

ja wiederholt sich<br />

regelmäßig<br />

• mehrere Tage ja verändert sich im<br />

Lauf der Zeit<br />

Spontanumlegung • Teil eines Tages ja verändert sich im<br />

Lauf der Zeit<br />

Tabelle 1: Klassifizierung von Umlegungsverfahren.<br />

within-day static<br />

within-day dynamic<br />

day-to-day dynamic<br />

Klassische statische Umlegungsverfahren <strong>für</strong> den motorisierten Individualverkehr<br />

basieren im wesentlichen auf Regeln zum Routenwahlverhalten (�<br />

Routenwahlmodell) und auf Capacity-Restraint Funktionen <strong>zur</strong> Ableitung von<br />

belastungsabhängigen Fahrzeiten. Ausgangspunkt einer statischen Umlegung<br />

ist ein Verkehrsangebot A und eine Verkehrsnachfrage F, die über den gesamten<br />

Umlegungszeitraum konstant ist, d.h. es existiert keine Zeitachse. Dabei<br />

geht man davon aus, dass sich der Systemzustand im Verkehrsnetz während<br />

des Umlegungszeitraums nicht ändert und sich regelmäßig über einen längeren<br />

Zeitraum wiederholt, so dass die Verkehrsteilnehmer ihre Routenwahlentscheidung<br />

unter gleichbleibenden Bedingungen treffen. Ziel der Umlegung ist<br />

es, einen Zustand zu ermitteln, der dem im langfristigen Mittel zu erwartenden<br />

Netzzustand entspricht. Ein derartiges Umlegungsverfahren eignet sich <strong>für</strong> die<br />

planerische Bewertung von langfristig geplanten Infrastrukturmaßnahmen und<br />

daraus resultierenden Nachfrageänderungen.<br />

-


Dynamische Umlegungsverfahren umfassen neben den Regeln <strong>für</strong> die Routenwahl<br />

(� Routenwahlmodell) zusätzliche Regeln, die festlegen, wie sich die Verkehrsnachfrage,<br />

d.h. die Verkehrsteilnehmer im Netz fortbewegen (� Verkehrsflussmodell).<br />

Wie bei der statischen Umlegung besteht die Aufgabe der<br />

<strong>dynamischen</strong> Umlegung in der Berechnung der Verkehrsbelastungen im Netz<br />

aus der Verkehrsnachfrage, aber <strong>für</strong> den Fall einer zeitlich veränderlichen<br />

Nachfrage F(t) und einem zeitlich veränderlichen Verkehrsangebot A(t). Als<br />

Ergebnis erhält man somit zeitabhängige Belastungen und Fahrzeiten. Wie in<br />

Tabelle 1 aufgeführt, lassen sich drei Varianten der <strong>dynamischen</strong> Umlegung<br />

unterscheiden:<br />

• Dynamische Umlegung mit wiederkehrendem Systemzustand: Hier wird angenommen,<br />

dass sich der Systemzustand im Verkehrsnetz zwar innerhalb<br />

des Umlegungszeitraums verändert, sich aber regelmäßig wiederholt (z.B.<br />

jede Woche oder an allen Werktagen). Die Verkehrsteilnehmer können in<br />

diesem Fall ihre Routenwahlentscheidungen und gegebenenfalls auch die<br />

Wahl des Abfahrtszeitpunktes unter zeitabhängig wiederkehrenden Bedingungen<br />

treffen. Eine derartiges dynamisches Umlegungsverfahren eignet<br />

sich ebenfalls <strong>für</strong> die planerische Bewertung von Infrastrukturmaßnahmen<br />

und Nachfrageänderungen. Im Gegensatz zu statischen Umlegungsverfahren<br />

ermöglicht es zusätzlich eine Analyse der Verkehrssituationen differenziert<br />

nach Tageszeiten und im Fall einer Mehrtagesumlegung auch differenziert<br />

nach Verkehrstagen.<br />

• Dynamische Umlegung mit veränderlichem Systemzustand: In diesem Fall<br />

wird von einem <strong>dynamischen</strong> Prozess ausgegangen, bei dem sich die Verkehrsnachfrage<br />

und das Verkehrsangebot im Laufe der Zeit ändern und dabei<br />

auch gegenseitig beeinflussen. Die Verkehrsteilnehmer reagieren dabei<br />

in einem <strong>dynamischen</strong> Lernprozess täglich neu auf die in der Vergangenheit<br />

gemachten Erfahrungen.<br />

• Spontanumlegung: Geht man davon aus, dass sich der Systemzustand im<br />

Verkehrsnetz aufgrund zufälliger Ereignisse (z.B. Unfall) ändern kann, dann<br />

kann es <strong>für</strong> die Verkehrsteilnehmer sinnvoll sein, ihre Routenwahl aufgrund<br />

aktueller Informationen oder Empfehlungen nach der Abfahrt zu korrigieren.<br />

Bei diesem Umlegungsverfahren beeinflussen die Annahmen <strong>zur</strong> Verfügbarkeit<br />

von Information und zu den Befolgungsraten das Umlegungsergebnis<br />

maßgeblich. Ein derartiges Umlegungsverfahren eignet sich <strong>für</strong> die<br />

Bewertung von <strong>dynamischen</strong> Verkehrsbeeinflussungsmaßnahmen und <strong>für</strong><br />

den Einsatz in Verkehrsleitzentralen.<br />

Umlegungsverfahren <strong>für</strong> den Öffentlichen Verkehr unterscheiden sich von den<br />

Umlegungsverfahren <strong>für</strong> den Individualverkehr im wesentlichen dadurch, dass


das Verkehrsangebot maßgeblich durch den Fahrplan bestimmt wird. Auch hier<br />

kann man zwischen statischen und <strong>dynamischen</strong> <strong>Verfahren</strong> unterscheiden:<br />

• Statische Umlegungsverfahren <strong>für</strong> den Öffentlichen Verkehr können als taktabhängige<br />

<strong>Verfahren</strong> bezeichnet werden. Sie rechnen nicht mit den tatsächlichen<br />

Umsteigewartezeiten, sondern schätzen eine mittlere Umsteigewartezeit.<br />

Die Umsteigewartezeit ergibt sich dabei aus der mittleren Fahrzeugfolgezeit<br />

der Linie, in die eingestiegen wird. Bei einer Linie mit einem 10<br />

Minutentakt wird dann z.B. von 5 Minuten Wartezeit ausgegangen. Taktabhängige<br />

Umlegungsverfahren werden vor allem <strong>für</strong> die Planung in städtischen<br />

Netzen eingesetzt, da hier die Koordinierung des Fahrplans nicht so<br />

wichtig ist.<br />

• Dynamische Umlegungsverfahren <strong>für</strong> den Öffentlichen Verkehr werden als<br />

fahrplanfeine <strong>Verfahren</strong> bezeichnet. Sie haben eine explizite Zeitachse und<br />

rechnen mit der tatsächlichen Umsteigewartezeit. Sie berücksichtigen damit<br />

die Koordinierung des Fahrplans und eignen sich <strong>für</strong> Netze mit großen<br />

Fahrzeugfolgezeiten, z.B. Bahnnetze.<br />

3 Motivation <strong>für</strong> die dynamische Umlegung<br />

Die Motivationen <strong>für</strong> eine zeitlich aufgelöste Betrachtung sind schon auf den<br />

ersten Blick vielfältig: die Kenntnis des Verlaufs der Belastung liefert eo ipso<br />

mehr Information als nur die Kenntnis der durchschnittlichen Belastung; in hoch<br />

ausgelasteten Systemen ist die Betrachtung der Belastungsspitzen besonders<br />

wichtig; aktuelle Verkehrsentstehungsmodelle können inzwischen die<br />

Nachfrage mit ihrem zeitlichen Verlauf bereitstellen.<br />

Ein gängiger Ansatz ohne echtes dynamisches Umlegungsverfahren besteht in<br />

der Anwendung statischer Umlegungsverfahren in kleinen Zeitschritten. Die<br />

Anwendung einer statischen Umlegung wird aber methodisch problematisch,<br />

sobald die Zeitschritte nicht mehr deutlich größer als die Fahrtdauern der umgelegten<br />

Nachfrage sind. Es gibt aber auch weitere schwerwiegende Gründe,<br />

<strong>Verfahren</strong> mit expliziter Modellierung der Zeitachse einzusetzen, nämlich die<br />

Modellierung von Engpässen (downstream metering) und die daraus entstehende<br />

Rückstauausbreitung (blocking back) sowie die Möglichkeit, die Wahl der<br />

Abfahrtszeit elegant in das Umlegungsmodell zu integrieren.<br />

Bei der realistischen Modellierung eines Engpasses, d.h. einer Stelle auf einer<br />

Route mit geringer Kapazität, darf die den Engpass verlassende Verkehrsmenge<br />

nicht größer sein als von der Engpasskapazität vorgegeben. Eine<br />

grundlegende Annahme statischer Umlegungsverfahren ist aber, dass entlang


einer Route die auf diese Route umgelegte Belastung an allen Stellen zugleich<br />

und mit der gleichen Belastung wirkt. Ein Engpass führt zwar in der Regel dazu,<br />

dass aufgrund des höheren Widerstands der Route weniger Verkehr auf diese<br />

Route verteilt wird, aber vor, in und hinter dem Engpass wird die gleiche Belastung<br />

eingetragen. Das Resultat ist eine Überlastung der Strecke mit dem<br />

Engpass, aber es wird weder die daraus resultierende Überlastung der Strecken<br />

davor noch die Entlastung der Strecken dahinter abgebildet. Da dynamische<br />

Umlegungsverfahren die Annahme der gleichmäßigen Belastung einer<br />

Route fallen lassen, sind dort die Voraussetzungen <strong>zur</strong> Modellierung dieser Situation<br />

gegeben.<br />

Wenn eine Strecke überlastet ist, entsteht in der Realität ein Rückstau. Wie<br />

lang dieser Rückstau wird, hängt von der Dauer der Überlastung ab. Da es in<br />

statischen <strong>Verfahren</strong> keine explizite Modellierung der Zeit gibt, kann dort nur<br />

hilfsweise unter Annahme einer Betrachtungsdauer eine Staulänge geschätzt<br />

werden. Um auch die Ausbreitung des Rückstaus im Netz stromaufwärts, also<br />

das sukzessive Zustauen der Vorgängerstrecken, abzubilden, müsste bei geschichteten<br />

statischen Umlegungen zwischen den Umlegungen der Stauzustand<br />

übergeben werden, was nur von wenigen, dann quasi-dynamisch<br />

genannten <strong>Verfahren</strong>, geleistet wird. In einem <strong>dynamischen</strong> <strong>Verfahren</strong> ist die<br />

Rückstauabbildung einfacher modellierbar, je nach verwendetem Bewegungsmodell<br />

ergibt sie sich sogar ohne zusätzlichen Aufwand.<br />

Auch die Modellierung der Wahl der Abfahrtszeit in Kombination mit der<br />

Routenwahl ist nur möglich, wenn das Modell eine Zeitachse beinhaltet. Zwar<br />

ist auch hier eine Anwendung der Methode sukzessiver statischer Umlegungen<br />

denkbar, bei der Teile der Nachfrage zwischen den Zeitschritten verschoben<br />

werden. Bei einem <strong>dynamischen</strong> <strong>Verfahren</strong> bietet sich aber eine elegante Integration<br />

von Routenwahl und Abfahrtszeitwahl an, indem Abweichungen vom<br />

Wunschabfahrtszeitpunkt mit einem Widerstandszuschlag belegt werden, der<br />

mit dem Widerstand der <strong>zur</strong> Auswahl stehenden Routen verrechnet wird.<br />

4 Bestandteile einer <strong>dynamischen</strong> Umlegung<br />

Für die dynamische Umlegung im Individualverkehr gibt es eine Vielzahl von<br />

Lösungsansätzen. Auch wenn sich die Lösungsansätze zum Teil deutlich voneinander<br />

unterscheiden, umfassen alle <strong>dynamischen</strong> Umlegungsverfahren<br />

mehr oder weniger explizit zwei wesentliche Teilmodelle: ein Routenwahlmodell,<br />

das die Verkehrsnachfrage auf Routen bzw. Verbindungen aufteilt und<br />

ein Verkehrsflussmodell, das die Verkehrsteilnehmer entlang der Routen fort-


ewegt. Innerhalb dieser beiden Teilmodelle bietet es sich an, fünf Teilkomponenten<br />

zu unterscheiden:<br />

1. Routensuche und Erzeugung von Verbindungen: Ermittlung aller möglichen<br />

Routen <strong>für</strong> alle Quelle-Ziel-Beziehungen und Ableitung von Verbindungen<br />

<strong>für</strong> diskrete Abfahrtszeitpunkte.<br />

2. Verbindungswahl: Aufteilung der Verkehrsnachfrage auf Verbindungen.<br />

3. Netzbelastung: Ermittlung der zeitabhängigen Netzbelastung <strong>für</strong> jedes Netzelement<br />

entlang der Zeit-Weg-Linie (Trajektorie) jeder Verbindung mit<br />

einem Verkehrsflussmodel.<br />

4. Netzbewertung: Bestimmung der Fahrzeiten <strong>für</strong> jedes Netzelement und <strong>für</strong><br />

jedes Zeitintervall in Abhängigkeit von Kapazität und Belastung.<br />

5. Steuerung der Iterationen: Wiederholung der obigen Teilaufgaben in einer<br />

bestimmten Anordnung einschließlich der Prüfung auf Konvergenz, d.h. der<br />

Prüfung ob ein angestrebter Zielzustand erreicht ist.<br />

4.1 Routensuche und Erzeugung von Verbindungen<br />

Aufgabe der Routensuche ist es, die Auswahlmenge aller relevanten Routen zu<br />

ermitteln. Wie bei den statischen Umlegungsverfahren, gibt es bei den <strong>dynamischen</strong><br />

Umlegungsverfahren streckenbasierte und routenbasierte <strong>Verfahren</strong>:<br />

• Bei den streckenbasierten Umlegungsverfahren (z.B. Sukzessivumlegung,<br />

oder deterministische Gleichgewichtsumlegung nach FRANK/WOLFE [9])<br />

werden keine Routen gespeichert. Hier lässt sich die Routensuche durch<br />

eine wiederholte Bestwegsuche einfach gestalten, wobei sich die Suchwiderstände<br />

aufgrund der iterativ ermittelten Netzbelastungen verändern.<br />

• Bei routenbasierten Umlegungsverfahren (z.B. deterministische Gleichgewichtsumlegung<br />

nach BOTHNER/LUTHER [3] oder stochastische<br />

Gleichgewichtsumlegung) müssen dagegen alle Routen explizit bekannt<br />

sein. Die Ermittlung der Routen kann ebenfalls durch eine wiederholte<br />

Bestwegsuche oder über ein Mehrwegsuchverfahren erfolgen. Die explizite<br />

Kenntnis der Routen bringt bei der <strong>dynamischen</strong> Umlegung den Vorteil,<br />

dass die Routen von unterschiedlichen Verkehrsflussmodellen direkt als<br />

Eingangsgröße übernommen werden können.<br />

Bei routenbasierten <strong>Verfahren</strong> kann es sinnvoll sein, die Qualität der einzelnen<br />

Routen durch einen Umwegtest zu prüfen. Der Umwegtest verwirft eine Route<br />

R2, wenn bereits eine Route R1 existiert, die bis auf ein Teilstück T1 mit R2


übereinstimmt und dieses Teilstück T2 in R2 wesentlich länger ist als in R1. R2<br />

wird gegenüber R1 verworfen, wenn<br />

Länge T ) > F ⋅ Länge(<br />

T )<br />

( 2<br />

1<br />

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der statischen und der <strong>dynamischen</strong><br />

Umlegung besteht darin, dass die Widerstände (Zeit, Kosten) der Routen bei<br />

der <strong>dynamischen</strong> Betrachtungsweise zeitabhängig sind. Ähnlich wie beim<br />

Öffentlichen Verkehr wählen die Verkehrsteilnehmer deshalb nicht nur eine<br />

Route, sondern auch einen Abfahrtszeitpunkt. Die Verknüpfung einer Route mit<br />

einem Abfahrtszeitpunkt kann man in Anlehnung an den Öffentlichen Verkehr<br />

als Verbindung bezeichnen. Jede Verbindung definiert genau eine Trajektorie<br />

(Zeit-Weg-Linie), die in einem Zeit-Weg Diagramm dargestellt werden kann<br />

(Abbildung 1).<br />

t1<br />

t2<br />

t3<br />

t4<br />

t5<br />

t<br />

Trajektorie im belasten Netz<br />

Trajektorie im unbelasten Netz<br />

Abbildung 1: Zeit-Weg Diagramm mit Trajektorien einer Route <strong>für</strong> verschiedene Abfahrtszeitpunkte.<br />

Verkehrsteilnehmer, die zu den Zeitpunkten t2 bis t4<br />

abfahren, müssen längere Fahrzeiten in Kauf nehmen.<br />

s


Um aus den Routen der Routensuche Verbindungen bzw. Trajektorien als<br />

Grundlage <strong>für</strong> die Verbindungswahl zu erzeugen, gibt es zwei Möglichkeiten:<br />

• Aus jeder Route der Routensuche werden <strong>für</strong> diskrete Zeitpunkte Verbindungen<br />

abgeleitet.<br />

• Die Routensuche wird durch eine Verbindungssuche ersetzt, die mit Hilfe<br />

einer zeitabhängigen Bestwegsuche die zu diskreten Zeitpunkten kürzeste<br />

Route ermittelt. Zeitabhängige Bestwegsuchverfahren werden z.B. von<br />

CHABINI [5] und MILLER-HOOKS/MAHMASSANI [14] beschrieben. Wenn<br />

bei der Suche des besten Weges die Bewertung der Strecken nur aus deren<br />

Fahrzeit besteht, kann ein modifizierter Dijkstra-Algorithmus zum Einsatz<br />

kommen. Im Fall generalisierter Kosten, die z.B. auch Mautkosten umfassen,<br />

ist die Suche des besten zeit<strong>dynamischen</strong> Wegen erheblich aufwändiger.<br />

In beiden Fällen ist <strong>für</strong> die Ermittlung der relevanten Zeiten zwischen der aktuellen<br />

Fahrzeit und der tatsächlichen Fahrzeit zu unterscheiden. Für die Bestimmung<br />

der Fahrzeiten bei einer Umlegung, die zu Bewertung geplanter Maßnahmen<br />

eingesetzt wird, dürfen nicht die aktuellen Fahrzeiten aufsummiert<br />

werden, die zum Zeitpunkt der Abfahrt an der Quellzelle im Netz gültig sind,<br />

sondern die tatsächlichen Fahrzeiten, die im Moment der tatsächlichen Befahrung<br />

durch den Verkehrsteilnehmer vorhanden sind. Eine Ausnahme stellt die<br />

Spontanumlegung dar, wenn Verkehrsteilnehmer ihre Routenwahl zum Teil auf<br />

der Basis von Informationen über die aktuelle Verkehrslage treffen.<br />

Die Ermittlung von Routen und Verbindungen muss <strong>für</strong> verschiedene Fahrzeugklassen<br />

(Pkw, Lkw) getrennt durchgeführt werden, da jede Fahrzeugklasse<br />

spezifische Fahrzeiten aufweisen kann.<br />

4.2 Verbindungswahl<br />

Während bei der statischen Umlegung nur eine Routenwahl durchgeführt wird,<br />

muss bei der <strong>dynamischen</strong> Umlegung auch ein Abfahrtszeitpunkt bestimmt<br />

werden. Die Abfahrtszeitwahl kann entweder in einer vorgeschalteten Modellstufe<br />

festgelegt oder direkt in die Verbindungswahl integriert werden. Bei einer<br />

Integration von Verbindungswahl und Abfahrtszeitwahl umfasst der Widerstand<br />

w v einer Verbindung v neben der Summe der zeitabhängigen Fahrzeiten <strong>für</strong> die<br />

benutzten Netzelemente auch einen Term ∆ t , der die zeitliche Nutzbarkeit beschreibt:<br />

S<br />

v = ∑ ts,<br />

z<br />

s=<br />

1<br />

w<br />

+ τ ⋅ ∆t


mit<br />

w r Widerstand einer Verbindung v [min]<br />

S Anzahl Netzelemente der Verbindung v<br />

t , zeitabhängige Fahrzeit <strong>für</strong> Netzelement s im Zeitintervall z [min]<br />

s z<br />

∆ t Differenz von Wunschabfahrtszeit und tatsächlicher Abfahrtszeit [min]<br />

τ Bewertung der Abfahrtszeitdifferenz<br />

Für Verkehrsteilnehmer, die eine Verbindung im Wunschzeitintervall wählen,<br />

beträgt ∆ t = 0 Minuten. Für Verkehrsteilnehmer, die aufgrund einer hohen<br />

Fahrzeit im Wunschzeitintervall eine Verbindung vor oder nach ihrem Wunschzeitintervall<br />

wählen, ist ∆ t > 0. Ein hoher Wert <strong>für</strong> τ bewirkt, dass die Verkehrsteilnehmer<br />

sich nur <strong>für</strong> eine Abfahrt in ihrem Wunschzeitintervall entscheiden,<br />

bei einem τ = 0 sind die Verkehrsteilnehmer bereit, zu jedem beliebigen<br />

Abfahrtszeitpunkt abzufahren. Die Länge eines Zeitintervalls <strong>für</strong> die Verbindungswahl<br />

liegt je nach Netzgröße und geforderter Ergebnisgenauigkeit zwischen<br />

5 und 60 Minuten.<br />

Die Aufteilungsregeln <strong>für</strong> die Verbindungswahl lassen sich in vier Gruppen<br />

unterteilen:<br />

1. Aufteilung entsprechend dem Systemoptimum:<br />

Im Fall des Systemoptimums (SO) wird die Verkehrsnachfrage nach dem<br />

zweiten Wardrop‘sches Prinzip [19] so aufgeteilt, dass die Summe der<br />

Widerstände über alle Fahrten <strong>für</strong> alle Abfahrtszeitpunkte minimal ist:<br />

∑ N<br />

i<br />

q i ⋅ wi!=<br />

min<br />

mit<br />

N Anzahl der Alternativen<br />

q i Nachfrage auf Alternative i<br />

w i Widerstand der Alternative i<br />

2. Aufteilung entsprechend dem deterministischen Nutzergleichgewicht:<br />

Ein sogenanntes deterministisches Nutzergleichgewicht (Deterministic User<br />

Equilibrium DUE) ist dann gegeben, wenn sich die Verkehrsteilnehmer entsprechend<br />

dem ersten Wardrop‘sches Prinzip [19] so verteilen, dass die<br />

Fahrtdauer auf allen alternativen Routen gleich ist und jeder Wechsel auf<br />

eine andere Route die persönliche Fahrzeit erhöhen würde. Im <strong>dynamischen</strong><br />

Fall muss die Fahrtdauer <strong>für</strong> alle alternativen Routen bezogen auf<br />

einen Abfahrtszeitpunkt gleich sein. Für alle benutzten Alternativen (Nachfrage<br />

q>0) muss also folgende Bedingung erfüllt sein:


wi<br />

= 1 , ∀j<br />

= 1...<br />

N und q i > 0 bzw. q j > 0<br />

w<br />

j<br />

3. Aufteilung entsprechend dem stochastisches Nutzergleichgewicht:<br />

Der Ansatz des deterministischen Nutzergleichgewichts kann auf ein<br />

stochastisches Nutzergleichgewicht (Stochastic User Equilibrium SUE)<br />

erweitert werden, bei dem die Verkehrsteilnehmer ihre subjektive empfundene<br />

Fahrtdauer optimieren. Beim stochastischen Nutzergleichgewicht wird<br />

die Nachfrage abhängig vom Widerstand der Routen bzw. Verbindungen<br />

mit einem ökonometrischen Entscheidungsmodell (z.B. Logit oder Kirchhoff)<br />

auf die Alternativen verteilt, um die unvollständige Information der Verkehrsteilnehmer<br />

und die individuellen Unterschiede in ihrer Wahrnehmung<br />

und ihren Präferenzen abzubilden. In diesem Fall ist bei der Aufteilung die<br />

Ähnlichkeit bzw. die Eigenständigkeit der Routen zu berücksichtigen, wenn<br />

sich die alternativen Routen einer Quelle-Ziel-Beziehung überlappen. Das<br />

kann zum Beispiel mit dem C-Logit Ansatz nach CASCETTA [4] erfolgen.<br />

Bei der Routen- bzw. Verbindungswahl nach dem stochastischen Nutzergleichgewicht<br />

(SUE) wird die Nachfrage unter Berücksichtigung der Eigenständigkeit<br />

E z.B. mit der Logit Formel aufgeteilt:<br />

mit<br />

e<br />

pi<br />

= N<br />

∑<br />

j = 1<br />

β ⋅wi<br />

⋅ E<br />

β ⋅w<br />

j ( e ⋅ E )<br />

i<br />

j<br />

p i Anteil der Nachfrage auf Alternative i<br />

N Anzahl der Alternativen<br />

E i Eigenständigkeit der Alternative i, 0 ≤ E i ≤ 1<br />

β Skalierungsparameter<br />

4. Aufteilung nach einer heuristischen Regel:<br />

Die Gruppe der heuristischen Aufteilungsregeln umfasst eine Vielzahl von<br />

Ansätzen. Dazu gehört z.B. auch die Bestwegumlegung, die einfach zu<br />

einer <strong>dynamischen</strong> Bestwegumlegung erweitert werden kann. Heuristische<br />

Aufteilungsregeln sind insbesondere <strong>für</strong> Umlegungen geeignet, bei denen<br />

wie bei der Spontanumlegung kein Gleichgewichtszustand angestrebt wird.<br />

So schlagen JAYAKRISHNAN et al [10] vor, dass im Rahmen einer<br />

Spontanumlegung eine Korrektur der gewählten Route während der Fahrt<br />

immer dann vorgenommen wird, wenn eine neue kürzeste Route bekannt<br />

ist, <strong>für</strong> die gilt:<br />

t −<br />

t > MAX ⋅<br />

Ist<br />

Min<br />

( α t , β )<br />

Ist


mit<br />

t Ist Fahrzeit auf gewählter Route vom aktuellen Knoten zum Ziel<br />

t Min Fahrzeit auf kürzester Route vom aktuellen Knoten zum Ziel<br />

α Faktor <strong>zur</strong> Definition einer erforderlichen relativen Zeitersparnis<br />

β Konstante <strong>zur</strong> Definition einer erforderlichen absoluten Zeitersparnis<br />

Die Übertragbarkeit des deterministischen Nutzergleichgewichts vom statischen<br />

auf den <strong>dynamischen</strong> Fall wird in der Literatur wiederholt als schwierig diskutiert.<br />

PEETA/ZILIASKOPOULOS [15] geben hierzu eine umfassende Übersicht.<br />

Probleme betreffen u.a. die Erfüllung der „first-in, first out“ (FIFO) Bedingung,<br />

d.h. die Gewähr, dass es keine Verbindungen gibt, die später abfahren und<br />

früher ankommen als alternative Verbindungen. Insbesondere ist die Existenz<br />

einer eindeutigen Lösung im Gegensatz <strong>zur</strong> statischen Gleichgewichtsumlegung<br />

bisher nicht nachgewiesen.<br />

Der Einsatz eines Entscheidungsmodells wie es beim stochastischen Nutzergleichgewicht<br />

der Fall ist, lässt sich im Gegensatz dazu relativ einfach implementieren<br />

und kann in Kombination mit ganz unterschiedlichen Verkehrsflussmodellen<br />

eingesetzt werden. Eine Reihe von vorhandenen Lösungen der<br />

Dynamischen Umlegung basieren auf diesem Ansatz, (z.B. CASCETTA [4],<br />

VISSIM [8] und VISUM [18]).<br />

Die in den USA entwickelten Programmsysteme DynaMIT [1] und DYNA-<br />

SMART [11] (siehe hierzu auch www.dynamictrafficassignment.org) sehen es<br />

vor, dass die zeitabhängige Routenwahl auf der Basis verschiedener Fahrzeiten<br />

erfolgen kann. Die Fahrzeiten können dabei aus historischen Fahrzeiten<br />

(= Nutzergleichgewicht) und aktuellen Fahrzeiten kombiniert werden.<br />

4.3 Netzbelastung<br />

Ein zentraler <strong>Verfahren</strong>sschritt ist die Netzbelastung mit einem Verkehrsflussmodell.<br />

Mikroskopische Verkehrsflussmodelle haben hier den Vorteil, dass sie<br />

eine intuitivere Modellierung ermöglichen, d.h. die Modellierung von Engpässen<br />

und die daraus resultierende Rückstauausbreitung ergibt sich unmittelbar aus<br />

dem Verkehrsflussmodell. Außerdem lässt sich prinzipiell die Knotensteuerung<br />

gut abbilden. Wesentlicher Nachteil ist die höhere Rechenzeit.<br />

Ein anderes Extrem stellen einfache Bewegungsmodelle dar (z.B. ROMPH<br />

[16]), die die Nachfrage einer Verbindung über die zugehörige Zeit-Weg-Linie<br />

zeitlich auf das Netz verteilen. Dazu wird ausgehend vom Anfang und Ende


jedes Zeitintervalls je eine Zeit-Weg-Linie durch die Strecken berechnet, die<br />

sich jeweils mit der Fahrgeschwindigkeit bewegt, die auf der Strecke herrscht,<br />

die gerade durchfahren wird. Man kann sich die beiden Linien als die Ränder<br />

des Verkehrspulks vorstellen, der im betrachteten Zeitintervall auf der Route<br />

losgefahren ist. In jedem Zeitintervall wird die Verkehrsmenge dieses Pulks auf<br />

alle Strecken verteilt, die das von den beiden Linien begrenzte Band berührt,<br />

und zwar anteilig nach den überdeckten Flächen. Die folgende Abbildung macht<br />

diesen Vorgang anschaulich.<br />

R.Bel(T1)<br />

t0<br />

t1<br />

t2<br />

ti<br />

tk<br />

Zeit<br />

S1 S2 S3 Sn<br />

A1<br />

A2<br />

( A1<br />

2)<br />

/ ( A1<br />

2)<br />

S ( 1).<br />

Bel(<br />

T1)<br />

= R.<br />

Bel(<br />

T1)<br />

⋅ A1/<br />

+ A<br />

S ( 1).<br />

Bel(<br />

T 2)<br />

= R.<br />

Bel(<br />

T1)<br />

⋅ A2<br />

+ A<br />

Strecken<br />

mit<br />

R . Bel(<br />

T1)<br />

Nachfrage auf Route 1 mit Abfahrt im Zeitintervall T1 [t0;t1[<br />

S ( 1).<br />

Bel(<br />

T1)<br />

Verkehrsmenge auf Strecke 1 im Zeitintervall T1 [t0;t1[<br />

S ( 1).<br />

Bel(<br />

T 2)<br />

Verkehrsmenge auf Strecke 1 im Zeitintervall T2 [t1;t2[<br />

Abbildung 2: Vereinfachtes Bewegungsmodell <strong>für</strong> eine dynamische IV-Umlegung<br />

Während ein derartiges vereinfachtes Bewegungsmodell Vorteile bei der<br />

Rechenzeit bringt, müssen als Nachteile in Kauf genommen werden, dass sich<br />

Rückstaulängen nicht explizit aus dem Bewegungsmodell ermitteln lassen.<br />

Neben diesen beiden extremen Varianten eines Verkehrsflussmodells gibt es<br />

eine Vielzahl von Zwischenstufen, die alle einen Kompromiss zwischen der realistischen<br />

Abbildung der Dynamik des fließenden Verkehrs und einer rechen-


technischen Handhabbarkeit auch in großen Netzen suchen. Zunächst kann<br />

ausgehend von einem detaillierten mikroskopischen Verkehrsflussmodell, wie<br />

es zu verkehrstechnischen Untersuchungen z.B. bei der Lichtsignalsteuerung<br />

eingesetzt wird, die Interaktion zwischen den Einzelfahrzeugen immer weiter<br />

vereinfacht werden, um schnellere Berechnungen zu erlauben. So gelangt man<br />

zu Modellen wie den zellularen Automaten (z.B. NAGEL/RICKERT [17]) und am<br />

Ende zu Warteschlangenmodellen, bei denen der Verkehrsablauf auf der Strecke<br />

nur rudimentär durch eine Fahrzeit bis zum Warteschlangenende vor dem<br />

nächsten Knoten abgebildet wird (z.B. DE PALMA et al [7]).<br />

Bei den mesoskopischen Flussmodellen wird die direkte Interaktion der Einzelfahrzeuge<br />

ganz aufgegeben zu Gunsten einer Orientierung der Fahrgeschwindigkeit<br />

an makroskopischen Kenngrößen des das Fahrzeug umgebenden Verkehrsstroms<br />

(z.B. MAHMASSANI et al [11] und MAHUT [12]).<br />

Bei makroskopischen Modellen kann, ausgehend von dem oben skizzierten<br />

sehr einfachen Bewegungsmodell, sowohl die räumliche Auflösung als auch die<br />

Beschreibung der Flussdynamik verfeinert werden, um einen realistischeren<br />

Verkehrsfluss abzubilden. Im Cell Transmission Model von DAGANZO [6] wird<br />

die Strecke in relativ kleine Zellen gerastert (Größenordnung 20 Meter), wobei<br />

die Beschreibung des Verkehrsflusses zwischen den Zellen so einfach gehalten<br />

ist, dass sich das Modell sogar in mathematisch-analytische Formulierungen<br />

des <strong>dynamischen</strong> Umlegungsproblems integrieren lässt.<br />

4.4 Netzbewertung<br />

Bei der Netzbewertung wird jedem Netzelement <strong>für</strong> jedes Zeitintervall eine<br />

Fahrzeit zugewiesen. Diese Fahrzeit kann aus der Verkehrsstärke einer Strecke<br />

pro Zeitintervall oder aus der mittleren Fahrzeit mikroskopischer Einzelfahrzeuge<br />

abgeleitet werden. Die zeitabhängigen Streckenfahrzeiten werden dann<br />

zu Fahrzeiten der Verbindungen aufsummiert. Dabei sind folgende Punkte zu<br />

beachten:<br />

• Bei der Ermittlung der Fahrzeit muss zwischen der aktuellen Fahrzeit, die<br />

zum Zeitpunkt der Abfahrt an der Quellzelle im Netz gültig ist, und der tatsächlichen<br />

Fahrzeit, die im Moment der Befahrung durch den Verkehrsteilnehmer<br />

vorhanden ist, unterschieden werden.<br />

• Die Fahrzeit einer Verbindung kann <strong>für</strong> die Verbindungswahl um weitere<br />

Widerstandskomponenten (z.B. <strong>Straßen</strong>benutzungsgebühren) ergänzt werden.


• Um in der Iteration zwischen Verbindungswahl und Netzbewertung eine bessere<br />

Konvergenz zu erreichen, sollten die Widerstände der Strecken bzw.<br />

Routen über die Iterationsschritte geglättet werden. Da<strong>für</strong> kommen verschiedene<br />

Ansätze, z.B. exponentielle Glättung oder die Method of Successive<br />

Averages, in Frage.<br />

4.5 Iterationssteuerung<br />

Alle simulationsbasierten <strong>Verfahren</strong>, die einen sich wiederholenden Systemzustand<br />

anstreben, sind an unterschiedlichen Stellen darauf angewiesen, die<br />

Lösung von Teilproblemen durch Iteration zu ermitteln, da eine geschlossene<br />

mathematische Lösung nicht möglich ist. Die Anordnung der Iterationen innerhalb<br />

der Gesamtmodellstruktur kann unterschiedlich gewählt werden, deshalb<br />

können <strong>Verfahren</strong> auch danach geordnet werden.<br />

Die allgemeinste Struktur beinhaltet drei geschachtelte Iterationen, wie in<br />

Abbildung 3 gezeigt. In der innersten Iteration (3) werden bei gegebener<br />

Routenwahl die Belastung der Strecken und die daraus resultierenden<br />

Fahrzeiten im Netz berechnet. Die Fahrzeiten ihrerseits beeinflussen wiederum<br />

die Streckenbelastungen, weil von ihnen abhängt, wie weit der Verkehr entlang<br />

der Route im einem Zeitintervall kommt (vgl. Abbildung 2). Die beiden<br />

umschließenden Iterationen sind keine Spezialität der <strong>dynamischen</strong> Umlegung,<br />

sondern können ebenso Bestandteil statischer Umlegungsverfahren sein. Auf<br />

der nächst äußeren Ebene (2) wird die Routenwahl mit der Berechnung der<br />

Fahrzeiten iteriert. Die Fahrzeiten gehen in die Bewertung der Routen ein und<br />

bestimmen damit die Wahlentscheidung, andererseits hängt von der<br />

Wahlentscheidung die Belastung der Routen und damit wieder die Fahrzeit ab.<br />

Die äußerste Iteration (1) wird von der Suche nach neuen Routen und der<br />

Belastung dieser Routen gebildet.


Routensuche<br />

Routenwahl<br />

Streckenbelastung<br />

Strecken-Fahrzeiten<br />

Abbildung 3: Allgemeine Struktur der Iterationen bei der <strong>dynamischen</strong> Umlegung.<br />

Wenn <strong>zur</strong> Abbildung der Wirkung der Belastung auf die Fahrzeit ein Verkehrsfluss-Simulationsmodell<br />

verwendet wird, erübrigt sich die innerste Iteration und<br />

wird durch die Simulation ersetzt (Abbildung 4 links). Da bei einer solchen Modellstruktur<br />

ein erheblicher Rechen- und damit Zeitaufwand in der Verkehrsflusssimulation<br />

liegt, wird in manchen Modellen die Struktur dahingehend modifiziert,<br />

dass nur eine, alle drei Teilaufgaben umfassende Iteration angesetzt wird<br />

(Abbildung 4 rechts). Der Sinn dieser Struktur ist, dass die Routensuche öfter<br />

zum Zug kommt. Die Idee dabei ist, dass man jede neue Belastungssituation,<br />

die ja jeweils durch eine aufwändige Simulation entstanden ist, auch gleich<br />

nutzt, um neue beste Wege zu suchen.<br />

Routensuche<br />

Routenwahl<br />

Verkehrsfluss-<br />

Simulation<br />

2<br />

1<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Routensuche<br />

Routenwahl<br />

Verkehrsfluss-<br />

Simulation<br />

Abbildung 4: Möglichkeiten <strong>zur</strong> Anordnung der Iterationen bei Verwendung einer Verkehrsfluss-Simulation.<br />

Die Iterationen einer <strong>dynamischen</strong> Umlegung mit wiederkehrendem Systemzustand<br />

dienen dazu, einen Konvergenzzustand zu erreichen. Konvergenz in<br />

der innersten Iteration (3) ist dann gegeben, wenn eine konsistente Streckenbelastung<br />

erreicht ist, d.h. eine, bei der die Streckenbelastungen ungefähr zu<br />

den Fahrzeiten führen, die beim Verteilen der Verbindungsbelastungen angenommen<br />

wurden. In einer diesen Block umschließenden Iteration (2) wird die<br />

1


Verbindungswahl solange iteriert, bis die Verbindungswiderstände, die sich aus<br />

den zeitabhängigen Fahrzeizeiten auf den Strecken oder den Routen ergeben,<br />

einen stabilen Zustand erreicht haben, sich also nur noch minimal von Iteration<br />

zu Iteration ändern. Alternativ kann hier gefordert werden, dass nicht die<br />

Fahrzeiten, sondern die Belastungswerte konvergieren. In der äußersten<br />

Iteration (1) ist Konvergenz gegeben, wenn keine neuen Routen mehr gefunden<br />

werden.<br />

Bei vielen simulationsbasierten Ansätzen ist die Eindeutigkeit oder wenigstens<br />

die Existenz einer konvergenten Lösung aufgrund der nicht hinreichend strengen<br />

mathematischen Formulierung nicht beweisbar. In der Praxis erweisen sich<br />

die Anwendungen aber meistens als hinreichend wohlwollend, so dass der<br />

Vorteil der realitätsnäheren Abbildung des Verkehrsflusses den Nachteil der<br />

schwächeren mathematischen Fassbarkeit überwiegt.<br />

5 Schlussbemerkung<br />

Über die dynamische Umlegung gibt es eine Fülle von Veröffentlichungen,<br />

vorrangig in Englischer Sprache. Eine Stichwortsuche nach „Dynamic Traffic<br />

Assignment“ im Internet zeigt, dass der Umfang der Veröffentlichungen <strong>für</strong> den<br />

Einzelnen kaum mehr zu überblicken ist. Eine detaillierte Klassifizierung von<br />

<strong>dynamischen</strong> Umlegungsverfahren mit einer umfangreichen Literaturliste findet<br />

sich zum Beispiel bei PEETA/ZILIASKOPOULOS [15]. Mit dem vorliegenden<br />

Beitrag wurde versucht, anhand der Bestandteile einer <strong>dynamischen</strong> Umlegung<br />

typische Vorgehensweisen und damit verbundene Probleme aufzuzeigen.<br />

Dabei erscheint es den Autoren als besonders hilfreich, die Teilmodelle der<br />

Routen- bzw. Verbindungswahl und des Verkehrsflusses getrennt zu<br />

betrachten. Eine klare Schnittstelle zwischen Wahl und Verkehrsfluss bei der<br />

<strong>Verfahren</strong>simplementierung ermöglicht es, unterschiedliche Wahlmodelle und<br />

Flussmodelle miteinander zu koppeln. In vielen Veröffentlichungen <strong>zur</strong><br />

<strong>dynamischen</strong> Umlegung ist diese Trennung schwer erkennbar. Häufig liegt der<br />

Schwerpunkt auf der Beschreibung des Verkehrsflussmodells während die<br />

gewählte Methode der Routen- bzw. Verbindungswahl unklar bleibt.<br />

Wünschenswert, aber sehr aufwändig, wäre ein experimenteller Vergleich<br />

ausgewählter dynamischer Umlegungsverfahren anhand von Beispielnetzen.<br />

Bereits bei einfachen Beispielanwendungen erhöht sich die Komplexität durch<br />

die Einführung der Zeitachse, so dass sich die Ergebnisse nur mit großen<br />

Aufwand nachvollziehen und erklären lassen. Wesentliche Unterschiede bei<br />

den ermittelten Fahrzeiten und Belastungen resultieren dabei aus der<br />

Modellierung des Verkehrsangebots, insbesondere an den Knotenpunkten. Hier


hat die Abbildung der Knotentopologie (Anzahl Fahrstreifen und Aufweitungen)<br />

und der Knotensteuerung einen großen Einfluss auf die Ergebnisse.<br />

6 Literatur<br />

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Board Annual Meeting, Washington D.C., 2001.<br />

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University Press, Delft, 2001.<br />

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Ein direktes <strong>Verfahren</strong> <strong>zur</strong> <strong>Verkehrsumlegung</strong> nach dem 1. Prinzip von<br />

Wardrop. Universität Bremen, Forschungsbereich Verkehrssysteme.<br />

Arbeitsbericht Nr. 1, 1982.<br />

[4] Cascetta, E.:<br />

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Research 29B, 1995.<br />

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Traffic Emissions, Proceedings of TRB 2000 (Preprint CD-ROM),<br />

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Report of the Department of Environment, London, 1956.


[10] Jayakrishnan, R.; Mahmassani, H.S; Hu, T.Y.:<br />

An Evaluation Tool for advanced Traffic Information and Management<br />

Systems in Urban Networks. Transportation Research 2C(3), 1994.<br />

[11] Mahmassani, H.S.; Hu, T.Y.; Jayakrishnan, R.:<br />

Dynamic traffic assignment and simulation for advanced network<br />

informatics (DYNASMART). In:Urban traffic networks: Dynamic flow<br />

modeling and control, edited by N. Gartner, G. Improta. Springer,<br />

Berlin/New York, 1995.<br />

[12] Mahut, M.:<br />

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Universität Montreal, 2001.<br />

[13] Mathias, P.:<br />

Statische und dynamische <strong>Verkehrsumlegung</strong> mit Rekurrenten<br />

Neuronalen Netzen. Dissertation an der RWTH Aachen;Aachen, Shaker<br />

Verlag 1999.<br />

[14] Miller-Hooks, E.D.; Mahmassani, H.S.:<br />

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networks, Transportation Science, Vol. 34, 2000.<br />

[15] Peeta, S.; Ziliaskopoulos, A. K.:<br />

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[16] Romph, E.:<br />

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thesis, Faculty of Civil Engineering, Delft University of Technology,<br />

Netherlands, 1994.<br />

[17] Nagel, K.; Rickert, M.:<br />

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(http://www.inf.ethz.ch/research/publications/data/techreports/3xx/344.pdf)<br />

[18] Vortisch, P.:<br />

Stochastische und Dynamische Umlegung. Berichte zum PTV<br />

Anwenderseminar 2003.<br />

[19] Wardrop, J.G.:<br />

Some theoretical aspects of road traffic research. Proceedings of the Inst.<br />

of Civil Engineering, London, 1952.

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