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3.4 Hydraulische Drossel - ACIN

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<strong>3.4</strong> <strong>Hydraulische</strong> <strong>Drossel</strong> Seite 51<br />

<strong>3.4</strong> <strong>Hydraulische</strong> <strong>Drossel</strong><br />

Eine plötzliche Veränderung des Strömungsquerschnitts wird in der Hydraulik als <strong>Drossel</strong><br />

bezeichnet, siehe Abbildung 3.11.<br />

p1<br />

A1 Ad Av<br />

pv<br />

vena contracta<br />

Abbildung 3.11: Scharfkantige hydraulische <strong>Drossel</strong>.<br />

UmfürdiesesBauteileinmathematischesModellfürdenVolumenstromq alsFunktionder<br />

Druckdifferenz p1−p2 zu berechnen, verwendet man die sogenannte Bernoulli-Gleichung.<br />

Der Ausgangspunkt zur Herleitung der Bernoulli-Gleichung ist die Impulserhaltung nach<br />

(2.49)<br />

ρ˙u = ρfb +div(σ), (3.67)<br />

wobei die folgenden Vereinfachungen getroffen werden:<br />

1. Die Flüssigkeit ist nicht viskos und inkompressibel, d.h. σ = −pδ.<br />

2. Es wirken keine eingeprägten Volumenskräfte, d.h. fb = 0.<br />

3. Die Strömung ist eindimensional und stationär.<br />

Unter diesen Voraussetzungen vereinfacht sich die Impulserhaltung (3.67) zu<br />

ρ ∂u(x)<br />

∂x<br />

A2<br />

u(x) = −∂p(x) , (3.68)<br />

∂x<br />

mit der konstanten Dichte ρ, der (skalaren) Geschwindigkeit u(x), dem Druck p(x) sowie<br />

der Ortskoordinate x. Die Integration dieser Gleichung entlang der Ortskoordinate x in<br />

der Form<br />

liefert die Bernoulli-Gleichung<br />

� L �<br />

∂u(x)<br />

ρ<br />

x=0 ∂x u(x)<br />

� � L<br />

dx =<br />

x=0<br />

p2<br />

− ∂p(x)<br />

dx (3.69)<br />

∂x<br />

ρ<br />

2 u(L)2 +p(L) = ρ<br />

2 u(0)2 +p(0) = konst., (3.70)<br />

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<strong>3.4</strong> <strong>Hydraulische</strong> <strong>Drossel</strong> Seite 52<br />

wobei hier im Gegensatz zur klassischen Formulierung der Bernoulli-Gleichung der Einfluss<br />

der Gravitation nicht berücksichtigt wurde. Es sei darauf hingewiesen, dass diese<br />

Gleichung nur für Strömungen gültig ist in denen keine Energie dissipiert wird 4 .<br />

Betrachtet wird die Strömung einer Flüssigkeit durch eine hydraulische <strong>Drossel</strong> nach Abbildung<br />

3.11 mit dem Einlassquerschnitt A1 (Druck p1), dem <strong>Drossel</strong>querschnitt Ad und<br />

dem Auslassquerschnitt A2 (Druck p2). Durch die Blende kommt es zu einer Einschnürung<br />

der Strömung, wobei sich die minimale Querschnittsfläche Av hinter der Blende befindet.<br />

Der Bereich der minimalen Querschnittsfläche wird auch als vena contracta bezeichnet.<br />

Im weiteren Verlauf der Strömung durch die <strong>Drossel</strong> erfolgt eine Expansion der Strömung<br />

auf den Auslassquerschnitt A2.<br />

Zur Herleitung des mathematischen Modells betrachtet man die Bernoulli-Gleichung für<br />

den Bereich vom Einlass bis zur vena contracta<br />

ρ<br />

2 u2 1 +p1 = ρ<br />

2 u2 v +pv. (3.71)<br />

Hier bezeichnet u1 die Geschwindigkeit im Einlass, pv den Druck und uv die Geschwindigkeit<br />

in der vena contracta. Zusätzlich zur Bernoulli-Gleichung muss die Massenerhaltung<br />

(2.41) gelten, d.h.<br />

u1A1 = uvAv. (3.72)<br />

Setzt man (3.72) in (3.71) ein und löst nach uv auf, so erhält man<br />

�<br />

1 2√<br />

uv = � p1 � � −pv. (3.73)<br />

2 ρ<br />

Av 1−<br />

A1<br />

Der zugehörige Volumenstrom ergibt sich direkt aus q = q1 = qv = uvAv zu<br />

�<br />

1 2√<br />

q = � Av p1 � � −pv. (3.74)<br />

2 ρ<br />

Av 1−<br />

A1<br />

Inder praktischen Anwendung erweist essich alssinnvoll, dieQuerschnittsfläche der <strong>Drossel</strong>Ad<br />

anstattderQuerschnittsflächeAv dervenacontractaalsBezugsflächezuverwenden.<br />

Damit kann (3.74) in der Form<br />

�<br />

2√<br />

q = αAd p1 −pv, (3.75)<br />

ρ<br />

mit dem Kontraktionskoeffizienten α<br />

α = �<br />

1−<br />

1<br />

� �2Ad Av<br />

A1<br />

Av<br />

, (3.76)<br />

4 Alternativ zur Herleitung der Bernoulli-Gleichung aus der Impulserhaltung könnte man auch von der<br />

Energieerhaltung (2.63) ausgehen.<br />

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<strong>3.4</strong> <strong>Hydraulische</strong> <strong>Drossel</strong> Seite 53<br />

angegeben werden. Der Wert des Kontraktionskoeffizienten wird von der genauen Geometrie<br />

der <strong>Drossel</strong> beeinflusst und kann nur durch Experimente oder Finite-Elemente<br />

Berechnungen bestimmt werden. Für eine allgemeine scharfkantige <strong>Drossel</strong> ist der Kontraktionskoeffizient<br />

im Bereich von α = 0.6−0.7 gegeben. Im Speziellen wurde der Kontraktionskoeffizient<br />

durch von Mises’ Experimente für eine kreisrunde <strong>Drossel</strong> in einem<br />

zylindrischen Rohr zu α = 0.61 und für die typischerweise in Ventilen auftretende Strömungsgeometrie<br />

zu α = 0.67 bestimmt.<br />

Im letzten Schritt der Herleitung des mathematischen Modells einer hydraulischen <strong>Drossel</strong><br />

muss der zweite Teil der Strömung vonder vena contracta zumAuslass betrachtet werden.<br />

In diesem Bereich erfolgt eine turbulente Expansion auf den Querschnitt A2, wobei in<br />

diesem Fall die Bernoulli-Gleichung nicht mehr gültig ist. Es kann gezeigt werden, dass<br />

hier die Differenz zwischen der kinetischen Energie der Flüssigkeit in der vena contracta<br />

und im Auslass vollständig in Wärme umgewandelt wird. Damit entspricht der Druck pv<br />

in der vena contracta dem Druck p2 und das mathematische Modell einer scharfkantigen<br />

<strong>Drossel</strong> kann durch �<br />

2√<br />

q = αAd p1 −p2<br />

(3.77)<br />

ρ<br />

beschrieben werden.<br />

Gleichung (3.77) ist nur gültig, wenn die Effekte zufolge der Viskosität η der Flüssigkeit<br />

vernachlässigt werden können. Zur Abschätzung, ob diese Annahme gerechtfertigt ist,<br />

kann wiederum die Reynoldszahl (3.63) verwendet werden. Da es im praktischen Betrieb<br />

vorkommen kann, dass die hydraulische <strong>Drossel</strong> sowohl im laminaren als auch im turbulenten<br />

Bereich betrieben wird, soll eine approximative Beschreibung gesucht werden,<br />

welche im gesamten Bereich gültig ist. Dazu setzt man den Kontraktionskoeffizienten α<br />

als Funktion der sogenannten Fließzahl λ an, d.h. α = α(λ), mit<br />

λ = Dhρ<br />

η<br />

�<br />

2√<br />

p1 −p2. (3.78)<br />

ρ<br />

Darin beschreibt Dh den hydraulischen Durchmesser, vgl. (3.64). Der genaue Zusammenhang<br />

zwischen dem Kontraktionskoeffizienten α und der Fließzahl λ muss durch Experiment<br />

oder Finite-Elemente Simulationen bestimmt werden. Im Rahmen dieser Lehrveranstaltung<br />

wird jedoch ein heuristischer Ansatz der Form<br />

� �<br />

2λ<br />

α = ¯αtanh<br />

(3.79)<br />

verwendet, welcher im Allgemeinen eine gute Näherung von Experimenten ist. Darin beschreibt<br />

¯α den Kontraktionskoeffizienten bei vollständig turbulenter Strömung und λcrit<br />

die kritische Fließzahl, d.h. jene Fließzahl bei der der Übergang von laminarer in turbulente<br />

Strömung erfolgt. Im Grenzübergang λ → ∞ gilt α = ¯α und man erhält die bekannte<br />

Gleichung (3.77) einer turbulenten Strömung durch eine hydraulische <strong>Drossel</strong>. Berechnet<br />

man andererseits den Grenzwert λ → 0, so folgt α ≈ ¯α 2λ und die (laminare) Strömung<br />

λcrit<br />

durch die <strong>Drossel</strong> wird durch<br />

q = ¯α4ADh<br />

(p1 −p2) (3.80)<br />

ηλcrit<br />

λcrit<br />

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3.5 Verstellbare hydraulische <strong>Drossel</strong> Seite 54<br />

beschrieben. Die kritische Fließzahl λcrit kann durch Messungen bestimmt werden und<br />

ergibt sich für typische Geometrien im Bereich von λcrit ≈ 100. Verwendet man die Ergebnisse<br />

von Wuest [8] für kreisförmige Blenden in zylindrischen Rohren, so kann sogar<br />

eine analytische Lösung für die kritische Fließzahl berechnet werden<br />

λcrit = 50.4¯α. (3.81)<br />

In Abbildung 3.12 ist ein Vergleich der asymptotischen Lösung von Wuest mit der Approximation<br />

zufolge (3.78) und (3.79) gegeben.<br />

α<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

asymptotische Lösung von Wuest<br />

� �<br />

2λ<br />

Approximation ¯αtanh<br />

√ Re<br />

0 5 10 15<br />

Abbildung3.12:VergleichderasymptotischenLösungvonWuest[8]mitderApproximaion<br />

zufolge (3.78) und (3.79).<br />

3.5 Verstellbare hydraulische <strong>Drossel</strong><br />

Wie aus der Gleichung (3.77) für den Volumenstrom q durch eine <strong>Drossel</strong> ersichtlich, ist<br />

der Volumenstrom q direkt proportional zur Querschnittsfläche Ad der <strong>Drossel</strong>. Daher<br />

werden in der klassischen Hydraulik <strong>Drossel</strong>n mit veränderbarem Querschnitt zur Regelung<br />

des Volumenstroms eingesetzt. Die unterschiedlichen Bauformen können dabei grob<br />

in Sitzventile und Schieberventile eingeteilt werden. Sitzventile werden aufgrund ihrer<br />

einfacheren und billigeren Bauweise hauptsächlich in Schaltventilen eingesetzt. In dieser<br />

Lehrveranstaltung werden nur Proportionalventile betrachtet, welche meistens in Form<br />

von Schieberventilen ausgeführt sind.<br />

Die Volumensteuerung bei Schieberventilen beruht auf der Abdeckung eines rechteckoder<br />

kreisförmigen Öffnungsquerschnitts durch Veränderung der Position ss eines Ventilkolbens,<br />

womit die effektive Öffnungsfläche A(ss) der <strong>Drossel</strong> verändert wird. Typischerweise<br />

werden Schieberventile in Form von zylindrischen Ventilkolben, welche sich in<br />

λcrit<br />

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3.5 Verstellbare hydraulische <strong>Drossel</strong> Seite 55<br />

Detail des Kreisquerschnitts<br />

D<br />

ϕ<br />

ss<br />

Abbildung 3.13: Öffnungsfläche A(ss) von verstellbaren hydraulischen <strong>Drossel</strong>n mit kreisförmigen<br />

und rechteckförmigen Öffnungsquerschnitt.<br />

einerVentilhülsebewegen, ausgeführt.AmUmfangdieserVentilhülsesindrechteckförmige<br />

Ausnehmung bzw. kreisförmige Bohrungen angebracht, siehe Abbildung 3.13.<br />

3.5.1 Volumenstrom<br />

Die Querschnittsfläche A(ss) einer veränderbaren <strong>Drossel</strong> kann durch Änderung der Position<br />

ss des Ventilkolbens verändert werden. In Abbildung 3.12 sind die Öffnungsflächen<br />

sowohl eines kreisförmigen als auch eines rechteckförmigen Öffnungsquerschnitts dargestellt.<br />

Für einen kreisförmigen Öffnungsquerschnitt mit n Bohrungen des Durchmessers<br />

D ergibt sich die Fläche A(ss) zu<br />

wobei sich der Winkel ϕ aus<br />

ss<br />

A(ss)<br />

A(ss)<br />

A(ss) = n(ϕ−sin(ϕ)) D2<br />

, (3.82)<br />

8<br />

�<br />

ϕ = 2arccos 1− 2ss<br />

�<br />

D<br />

berechnet. Für einen rechteckförmigen Öffnungsquerschnitt folgt<br />

ss<br />

(3.83)<br />

A(ss) = ssW, (3.84)<br />

mit der Öffnungsweite W, welche sich für einen Ventilkolben des Durchmessers Ds zu<br />

W = Dsπ errechnet.<br />

ZurBerechnung des Volumenstromsq durch dieveränderbare <strong>Drossel</strong> mitHilfevon(3.77),<br />

(3.78) und (3.79) müsste die Fließzahl berechnet werden. In den allermeisten Fällen ist<br />

die Strömung durch eine veränderbare <strong>Drossel</strong> jedoch turbulent, weswegen α = ¯α gilt und<br />

der Volumenstrom q aus<br />

q = ¯αA(ss)<br />

�<br />

2√<br />

p1 −p2<br />

ρ<br />

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(3.85)


3.5 Verstellbare hydraulische <strong>Drossel</strong> Seite 56<br />

berechnet werden kann. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Einlassdruck p1 größer als der<br />

Auslassdruck p2 ist, p1 ≥ p2, siehe z.B. [1], [8], [9], [10].<br />

Bemerkung 3.2 Kreisförmige Öffnungsquerschnitte werden aufgrund ihrer einfacheren<br />

Fertigung hauptsächlich in günstigen Ventilen eingesetzt. Sie besitzen den Nachteil, dass<br />

die resultierende Öffnungsfläche A(ss) eine nichtlineare Funktionen der Kolbenposition<br />

ss ist, vgl. (3.82) und (3.83). Andererseits kann der Öffnungsquerschnitt durch die Verwendung<br />

von mehreren versetzten Bohrungen mit unterschiedlichen Durchmessern sehr<br />

einfach an die jeweilige Anwendung angepasst werden. Der wesentliche Vorteil von rechteckförmigen<br />

Öffnungsquerschnitten ist der lineare Zusammenhang zwischen der Öffnungsfläche<br />

A(ss) und der Kolbenposition ss. Die Fertigung der rechteckförmigen Öffnungsquerschnitte<br />

ist hingegen sehr aufwändig und teuer. Daher werden rechteckförmige Öffnungsquerschnitte<br />

ausschließlich in qualitativ hochwertigen und teuren Ventilen eingesetzt.<br />

3.5.2 Strömungskräfte<br />

Die hydraulischen Kräfte in einer veränderbaren <strong>Drossel</strong> nach Abbildung 3.14 können<br />

in stationäre Druckkräfte fp einerseits und in Strömungskräfte fjet zufolge eines Volumenstroms<br />

q andererseits unterteilt werden. Während Proportionalwegeventile immer so<br />

konstruiert sind, dass die stationären Druckkräfte fp kompensiert sind, d.h. fp = 0, ist es<br />

wesentlich schwieriger die Strömungskräfte fjet durch konstruktive Maßnahmen exakt zu<br />

kompensieren. In [1] oder [8] werden Ventilkonstruktionen vorgeschlagen, welche zu einer<br />

näherungsweisen Kompensation der Strömungskräfte führen. Diese Konstruktionen sind<br />

jedoch äußerst aufwändig und werden daher nicht in realen Ventilen angewandt.<br />

ξr<br />

ϕjet q<br />

p2<br />

ss<br />

fjet<br />

Abbildung 3.14: Strömungskräfte in einer veränderbaren <strong>Drossel</strong>.<br />

UnterderAnnahmeeinerstationärenStrömungeinerinkompressiblen, nichtviskosen Flüssigkeit<br />

ergibt sich die Strömungskraft für eine veränderbare <strong>Drossel</strong> nach Abbildung 3.14<br />

zu<br />

fjet = 2¯αA(ss)|p2 −p1|cos(ϕjet), (3.86)<br />

wobei die Strömungskraft immer so gerichtet ist, dass der Öffnungsquerschnitt verringert<br />

bzw. das Ventil zugezogen wird. Der Strömungswinkel ϕjet ist dabei im Allgemeinen eine<br />

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p1


3.5 Verstellbare hydraulische <strong>Drossel</strong> Seite 57<br />

Funktion des radialen Spiels ξr zwischen Bohrung und Kolben und der Ventilöffnung ss,<br />

vgl. [8]. Da das radiale Spiel ξr im Allgemeinen sehr gering ist und nur für kleine Ventilöffnungen<br />

ss einen Einfluss auf den Strömungswinkel ϕjet hat, kann man diesen Einfluss in<br />

sehr guter Näherung vernachlässigen. Unter dieser Annahme ist der Strömungswinkel ϕjet<br />

konstant und ergibt sich für die betrachtete Konfiguration 3.14 nach den Experimenten<br />

von von Mises [8] zu<br />

ϕjet = 69 ◦ . (3.87)<br />

Aufgabe 3.2 Beweisen Sie (3.86). Verwenden Sie dazu die Eulersche Darstellung der<br />

Impulserhaltung (2.55).<br />

3.5.3 <strong>Hydraulische</strong> Halbbrücke<br />

Kombiniert man zwei verstellbare <strong>Drossel</strong>n, so erhält man eine hydraulische Halbbrücke.<br />

Eine mögliche mechanische Realisierung und das zugehörige hydraulische Ersatzschaltbild<br />

sind in Abbildung 3.15 dargestellt. Diese Konstruktion besitzt drei Anschlüsse (Versorgungsanschluss<br />

s, Tankanschluss t und Arbeitsanschluss a), wobei der Arbeitsanschluss<br />

a durch Verschiebung des Ventilkolbens entweder mit der Versorgung s oder dem Tank<br />

t verbunden werden kann. Diese hydraulische Halbbrücke ist daher der Prototyp für ein<br />

3/3 Proportionalwegeventil (3 Anschlüsse / 3 Wege) .<br />

pt pa<br />

ss<br />

ps<br />

fjet<br />

ss<br />

ps<br />

qsa<br />

qat<br />

pt<br />

qa, pa<br />

Abbildung 3.15: Prinzipskizze und hydraulisches Ersatzschaltbild einer hydraulischen<br />

Halbbrücke.<br />

Nimmt man an, dass der Druck pa am Arbeitsanschluss immer kleiner als der Versorgungsdruck<br />

ps und immer größer als der Tankdruck pt ist, d.h. pt < pa < ps, so berechnet<br />

sich der Volumenstrom qa in den Arbeitsanschluss a zu<br />

qa = qsa −qat. (3.88)<br />

Die Volumenströme vom Versorgungs- in den Arbeitsanschluss qsa bzw. vom Arbeitsan-<br />

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3.5 Verstellbare hydraulische <strong>Drossel</strong> Seite 58<br />

schluss in den Tank qat ergeben sich aus (3.85) zu<br />

�<br />

2√<br />

qsa = ¯αAsa(ss) ps −pa<br />

(3.89a)<br />

ρ<br />

�<br />

2√<br />

qat = ¯αAat(ss) pa −pt. (3.89b)<br />

ρ<br />

Dabei sind die Öffnungsflächen von der Versorgung zum Arbeitsanschluss Asa bzw. vom<br />

Arbeitsanschluss zum Tank Aat abhängig von der Ventilkolbenposition ss. Des weiteren<br />

wird die Öffnungscharakteristik durch die sogenannte Überdeckung ξ des Ventils beeinflusst,<br />

siehe Abbildung 3.16.<br />

Aat<br />

ξ < 0 ξ = 0 ξ > 0<br />

Asa<br />

Aat<br />

Asa<br />

Aat<br />

−|ξ| 0 |ξ| ss 0 ss −ξ 0 ξ<br />

Abbildung 3.16: Einfluss der Überdeckung ξ auf die Öffnungscharakteristik einer hydraulischen<br />

Halbbrücke mit rechteckförmigem Öffnungsquerschnitt.<br />

Eine positive Überdeckung ξ > 0 führt zu einer toten Zone für −ξ < ss < ξ, in der beide<br />

Öffnungsflächen Asa und Aat geschlossen sind. Diese tote Zone eines Ventils mit positiver<br />

Überdeckungerschwert dieRegelungdesVolumenstromsqa.Dahersindpositivüberdeckte<br />

Ventile nicht für fortgeschrittene Regelungsaufgaben einsetzbar. Andererseits bewirkt die<br />

positive Überdeckung sehr geringe hydraulische Verluste, da die Leckagevolumenströme<br />

von der Versorgung in den Tank beinahe verschwinden.<br />

Im Gegensatz dazu führt eine negative Überdeckung ξ < 0 zu einer Öffnung beider Öffnungsflächen<br />

Asa und Aat für −|ξ| < ss < |ξ|. Obwohl negativ überdeckte Ventile sehr<br />

gut für alle Regelungsaufgaben geeignet sind, ist eine praktische Verwendung aufgrund<br />

der großen Leckagevolumenströme von der Versorgung in den Tank nicht sinnvoll. Daher<br />

sind die meisten praktisch verwendeten Ventile als sogenannten Nullschnittventile (ξ = 0)<br />

ausgeführt, welche sowohl eine gute Regelungsgüte als auch hinreichend geringe Leckagen<br />

aufweisen 5 .<br />

Die Strömungskraft im 3/3 Proportionalwegeventil ergibt sich zu<br />

Asa<br />

fjet = fjet,sa +fjet,at, (3.90)<br />

5 Die Fertigung eines exakten Nullschnittventils ist aufgrund der Fertigungstoleranzen sehr schwierig.<br />

Das radiale Spiel ξr zwischen dem Ventilkolben und der Ventilhülse führt zu einem Leckagevolumenstrom<br />

selbst bei einer perfekten Nullüberdeckung. Da diese Effekte für qualitativ hochwertige Ventile jedoch<br />

gering sind, werden sie im Rahmen dieser Lehrveranstaltung nicht weiter betrachtet.<br />

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ss


3.5 Verstellbare hydraulische <strong>Drossel</strong> Seite 59<br />

wobei fjet,sa und fjet,at durch (3.86) in der Form<br />

gegeben sind.<br />

3.5.4 <strong>Hydraulische</strong> Vollbrücke<br />

fjet,sa = 2¯αAsa(ss)(ps −pa)cos(ϕjet) (3.91a)<br />

fjet,at = −2¯αAat(ss)(pa −pt)cos(ϕjet) (3.91b)<br />

Die Kombination von zwei hydraulischen Halbbrücken zu einer hydraulischen Vollbrücke<br />

ergibt die in der Hydraulik am häufigsten verwendete Ventilkonstruktion, ein 4/3 Proportionalwegeventil.<br />

In Abbildung 3.17 ist eine mögliche mechanische Realisierung mit dem<br />

zugehörigen hydraulischen Ersatzschaltbild dargestellt.<br />

pt pa<br />

ss<br />

ps pb<br />

fjet<br />

pt<br />

ss<br />

ps<br />

qsa<br />

qa, pa<br />

qat<br />

pt<br />

ps<br />

qsb<br />

qb, pb<br />

Abbildung3.17:PrinzipskizzeundhydraulischesErsatzschaltbildeinerhydraulischenVollbrücke.<br />

Diemeisten4/3Wegeventilesindsymmetrischaufgebaut,d.h.esgilt Asa(ss) = Aat(−ss) =<br />

Asb(−ss) = Abt(ss) = A(ss). Zur Vereinfachung der Darstellung sollen im Rahmen dieser<br />

Lehrveranstaltungdahernursymmetrische Ventilebetrachtetwerden.DieVolumenströme<br />

eines symmetrischen 4/3 Proportionalwegeventils sind durch<br />

�<br />

2<br />

qa = ¯α<br />

ρ<br />

�<br />

2<br />

qb = ¯α<br />

ρ<br />

�<br />

A(ss) √ ps −pa −A(−ss) √ �<br />

pa −pt<br />

�<br />

A(−ss) √ ps −pb −A(ss) √ �<br />

pb −pt<br />

qbt<br />

pt<br />

ss<br />

(3.92a)<br />

(3.92b)<br />

gegeben. Darin bezeichnet ps den Versorgungsdruck, pa den Druck am Arbeitsanschluss<br />

a, pb den Druck am Arbeitsanschluss b und pt den Tankdruck. Verwendet man (3.90) und<br />

(3.91), so kann man die Strömungskraft fjet einfach in der Form<br />

berechnen, wobei<br />

fjet = fjet,a −fjet,b<br />

(3.93)<br />

fjet,a = 2¯α(A(ss)(ps −pa)−A(−ss)(pa −pt))cos(ϕjet) (3.94a)<br />

fjet,b = 2¯α(A(−ss)(ps −pb)−A(ss)(pb −pt))cos(ϕjet) (3.94b)<br />

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3.6 Elektromagnetventile Seite 60<br />

gilt.<br />

Bemerkung 3.3 Das mathematischeModell eines 4/3 Proportionalwegeventilskann weiter<br />

vereinfacht werden, wenn das Ventil symmetrisch und nullüberdeckt ist sowie rechteckförmige<br />

Öffnungsquerschnitte aufweist. In diesem Fall ist die Öffnungsfläche durch<br />

A(ss) = Wss mit der Weite des Anschlusses W = Dsπ gegeben. Der Volumenstrom<br />

ergibt sich dann in der Form<br />

� √<br />

kv ps −pass für ss > 0<br />

qa = √ (3.95a)<br />

kv pa −ptss für ss ≤ 0<br />

� √<br />

−kv pb −ptss für ss > 0<br />

qb = √ (3.95b)<br />

−kv ps −pbss für ss ≤ 0,<br />

wobei der Ventilkoeffizient kv = ¯αW � 2/ρ verwendet wurde. Die Strömungskraft vereinfacht<br />

sich zu<br />

fjet =<br />

� 2¯αWss(ps −pa +pb −pt)cos(ϕjet) für ss > 0<br />

−2¯αWss(ps −pb +pa −pt)cos(ϕjet) für ss ≤ 0.<br />

3.6 Elektromagnetventile<br />

(3.96)<br />

Inelektrohydraulischen SystemenstellenElektromagnetventile meist dieSchnittstellezwischen<br />

dem elektrischen und dem hydraulischen Bereich dar. Ein Elektromagnetventil besteht<br />

dabei im Allgemeinen aus einer hydraulischen Vollbrücke (4/3 Proportionalwegeventil),<br />

welche durch einen elektromagnetischen Aktor bewegt wird. Im ersten Teil dieses<br />

Abschnittes wird kurz auf die Eigenschaften und die Modellierung der am häufigsten<br />

verwendeten elektromagnetischen Aktoren eingegangen. Anschließend werden zwei Bauformen<br />

von 4/3 Proportionalwegeventilen betrachtet: (i) ein günstiges einstufiges Proportionalwegeventil,<br />

welches durch Proportionalelektromagnete aktuiert wird und (ii) ein<br />

hochwertiges (teures) zweistufiges Proportionalwegeventil (Servoventil), welches hydraulisch<br />

vorgesteuert ist.<br />

3.6.1 Elektromagnetische Aktoren<br />

Im Wesentlichen werden zwei Formen von elektromagnetischen Aktoren in Elektromagnetventilen<br />

eingesetzt: Proportional-Elektromagnete (Solenoide) und Torque-Motoren.<br />

Torque-Motoren zeichnen sich durch eine sehr hohe Dynamik aus, sind jedoch nicht in<br />

der Lage große Kräfte bzw. Verschiebungen zu erzeugen. Daher werden Torque-Motoren<br />

ausschließlich in Kombination mit einer oder mehreren hydraulischen Vorsteuerstufen eingesetzt.<br />

Im Gegensatz dazu können mit Proportional-Elektromagneten wesentlich größere<br />

Kräfte und Verschiebungen erreicht werden. Sie besitzen jedoch den Nachteil einer wesentlich<br />

geringeren Dynamik.<br />

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3.6 Elektromagnetventile Seite 61<br />

3.6.1.1 Torque-Motor<br />

Torque-Motoren werden ausschließlich in Kombination mit einer oder mehreren hydraulischen<br />

Vorsteuerstufen verwendet und daher nur in teuren Proportionalwegeventilen (häufig<br />

auch als Servoventile bezeichnet) eingesetzt. In Abbildung 3.18 ist eine Prinzipskizze<br />

sowie das zugehörige magnetische Ersatzschaltbild eines Torque-Motors dargestellt.<br />

1<br />

2<br />

ua<br />

N<br />

S<br />

ia<br />

La<br />

ϕt<br />

N<br />

S<br />

3<br />

4<br />

Φp R1<br />

+ Naia<br />

Φ1 Mp<br />

-<br />

- + Φa<br />

R2<br />

Abbildung 3.18: Prinzipskizze und magnetisches Ersatzschaltbild eines Torque-Motors.<br />

Der Torque-Motor besitzt einen Rotor mit der effektiven Länge La, welcher um den Winkel<br />

ϕt rotieren kann. Der magnetische Kern beinhaltet einen Permanentmagneten mit der<br />

Durchflutung Mp sowie eine Rotorspule mit Na Windungen. Die Luftspalte 1 − 4 sind<br />

durch eine effektive Fläche Ag und einer Höhe g0 für ϕt = 0 gekennzeichnet. Weiterhin<br />

wird im Rahmen der Modellbildung angenommen, dass der magnetische Kern ideal permeabel<br />

ist, d.h. für die Permeabilität gilt µ → ∞. Unter diesen Annahmen kann das<br />

magnetische Ersatzschaltbild nach Abbildung 3.18 abgeleitet werden. Die darin verwendeten<br />

magnetischen Widerstände der Luftspalte Ri, i = 1,...,4 errechnen sich zu<br />

R1 = R4 = g0 +ϕtLa<br />

µ0Ag<br />

Φ2<br />

R3<br />

R4<br />

(3.97a)<br />

R2 = R3 = g0 −ϕtLa<br />

, (3.97b)<br />

µ0Ag<br />

wobei µ0 die Permeabilität von Luft beschreibt und kleine Drehwinkel ϕt angenommen<br />

wurden. Verwendet man die magnetischen Durchflutungen des Permanentmagnetens Mp<br />

und der Spule Naia, mit dem Strom ia durch die Rotorspule, so erhält man die magnetischen<br />

Flüsse Φ1 und Φ2 in der Form<br />

Φ1 = 1Mp<br />

−Naia<br />

2 R1<br />

Φ2 = 1Mp<br />

+Naia<br />

2 R2<br />

(3.98a)<br />

(3.98b)<br />

und damit den Fluss Φa durch die Rotorspule bzw. Φp durch den Permanentmagneten zu<br />

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3.6 Elektromagnetventile Seite 62<br />

Φa = Φ2 −Φ1<br />

(3.99a)<br />

Φp = Φ1 +Φ2. (3.99b)<br />

Das mathematische Modell der Spule wird durch das Induktionsgesetz in der Form<br />

dψa<br />

dt = −Raia +ua, (3.100)<br />

mit dem verketteten Fluss ψa = NaΦa der Rotorspule, dem elektrischen Widerstand Ra<br />

sowie der an der Rotorspule anliegenden Spannung ua, vervollständigt.<br />

Zur Berechnung des auf den Rotor wirkenden Momentes τt wird das Ko-Energieprinzip<br />

verwendet. Dazu schreibt man die magnetische Ko-Energie Eko mag in der Form<br />

E ko<br />

mag =<br />

� Mp � �<br />

Φp<br />

˜Mp,0,ϕt d<br />

0<br />

˜ � ia � �<br />

Mp + ψa Mp,ĩa,ϕt dĩa<br />

0<br />

an und erhält das Moment τt durch<br />

τt = ∂Eko<br />

mag<br />

∂ϕt<br />

= µ0AgLa<br />

4<br />

� �Mp +Naia<br />

g0 −ϕtLa<br />

� 2<br />

(3.101)<br />

� � �<br />

2<br />

Mp −Naia<br />

− . (3.102)<br />

g0 +ϕtLa<br />

Aufgabe 3.3 Rechnen Sie die obige Herleitung des magnetischen Moments τt nach.<br />

Das auf den Rotor des Torque-Motors wirkende magnetische Moment τt nach (3.102) ist<br />

eine nichtlineare Funktion des Winkels ϕt sowie des Stromes ia, τt = τt(ia,ϕt). Wie das<br />

nachfolgende Beispiel jedoch zeigt, kann diese Nichtlinearität für den typischen Arbeitsbereich<br />

eines Torque-Motors in einem Proportionalwegeventil vernachlässigt werden.<br />

Beispiel <strong>3.4</strong> In diesem Beispiel wird das magnetische Moment τt des Torque-Motors als<br />

Funktion des Stroms ia sowie des Winkels ϕt für einen realen Torque-Motor dargestellt.<br />

Die aus [12] entnommenen Daten des Torque-Motors sind in der Tabelle 3.1 zusammengefasst.<br />

Windungsanzahl der Rotorspule Na 600<br />

Länge des Rotors La 10 mm<br />

Höhe des Luftspalts g0 0.4 mm<br />

eff. Fläche des Luftspalts Ag 1.66·10 −5 m 2<br />

Magnetische Durchflutung des Permanentmagnetens Mp<br />

1000 A<br />

max. Drehwinkel des Rotors ϕt,max 0.36 ◦<br />

Permeabilität von Luft µ0 4π ·10<br />

Tabelle 3.1: Parameter des betrachteten Torque-Motors [12].<br />

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−7 Vs<br />

Am


3.6 Elektromagnetventile Seite 63<br />

In Abbildung 3.19 ist das Kennfeld für diesen Torque-Motor dargestellt. Wie man erkennen<br />

kann, ist das Moment τt des Torque-Motors im betrachteten Winkelbereich −ϕt,max <<br />

ϕt < ϕt,max beinahe unabhängig vom Winkel ϕt. Weiterhin besteht ein nahezu linearer<br />

Zusammenhang zwischen dem Strom ia und dem Moment τt. Daher kann z.B. bei der<br />

Entwicklung einer Regelung für den Torque-Motor näherungsweise τt = ktia, mit der<br />

Torque-Motorkonstanten kt, angenommen werden.<br />

τt in Nm<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0<br />

−0.5<br />

−1.0<br />

−1.5<br />

−2.0<br />

ϕt = 0<br />

ϕt = −ϕt,max<br />

ϕt = −ϕt,max/2<br />

ϕt = ϕt,max<br />

ϕt = ϕt,max/2<br />

−2.5<br />

−2.0 −1.5 −1.0 −0.5 0 0.5 1.0 1.5 2.5<br />

ia in A<br />

Abbildung 3.19: Kennfeld τt(ia,ϕt) eines Torque-Motors mit Parametern aus Tabelle 3.1.<br />

3.6.1.2 Proportional-Elektromagnet<br />

Wie in Beispiel <strong>3.4</strong> dargestellt wurde, können mit Torque-Motoren nur sehr geringe Kräfte<br />

bzw. Momente und Verschiebungen bzw. Verdrehungen realisiert werden. Daher sind<br />

diese für die direkte Aktuierung des Ventilkolbens eines Proportionalwegeventils ungeeignet.<br />

Für diese Aufgabenstellung werden in der Hydraulik hauptsächlich sogenannte<br />

Proportional-Elektromagnete eingesetzt. Ein Proportional-Elektromagnet zeichnet sich<br />

dadurch aus, dass die magnetische Kraft in einem gewissen Bereich nahezu unabhängig<br />

von der aktuellen Position ss ist und linear mit dem Strom ia ansteigt. Dies wird in der<br />

Konstruktion durch eine gezielte lokale Sättigung des magnetischen Kreises erreicht.<br />

In Abbildung 3.20 ist ein Querschnitt durch einen Proportional-Elektromagneten dargestellt.<br />

Dieser besteht im Wesentlichen aus dem beweglichen Anker 3, welcher sich im<br />

Gehäuse bewegen kann. Der mit der Spule 4 (Strom ia) erzeugte magnetische Fluss wird<br />

über das Gehäuse 11 sowie das sogenannte Druckrohr 2 geführt. Im Druckrohr sind gezielt<br />

Materialien mit unterschiedlichen magnetischen Eigenschaften angebracht, womit die beschriebene<br />

Positionsunabhängigkeit und die Linearisierung des Strom-Kraftverlauf erzielt<br />

wird.<br />

Aufgrund der lokalen Sättigung des Kreises und den damit resultierenden Streufeldern<br />

ist eine analytische Modellierung basierend auf einem Reluktanzmodell, wie es im vorigen<br />

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3.6 Elektromagnetventile Seite 64<br />

Abbildung 3.20: Typischer Aufbau eines Proportional-Elektromagneten.<br />

Abschnitt bei der Modellierung des Torque-Motors verwendet wurde, äußerst aufwendig<br />

und im Allgemeinen nicht zielführend. Meist wird nur der Strom-Kraftverlauf mit Hilfe<br />

von Kennfeldern sowie eine mittlere Induktivität L zur Beschreibung des Ankers verwendet.<br />

Damit ergibt sich für den elektrischen Kreis eines Proportionalmagnetens folgende<br />

Gleichung (Induktionsgesetz)<br />

d<br />

dt ia = 1<br />

L (−Ria +ua), (3.103)<br />

wobei L die mittlere Induktivität und R den elektrischen Widerstand der Spule beschreiben.<br />

Weiterhin ist ia der Strom durch die Spule und ua die Spannung an der Spule.<br />

In Abbildung 3.21 ist das Kennfeld eines typischen Proportional-Elektromagnetens der<br />

Firma Hydac Electronic GmbH dargestellt. Wie man erkennen kann, steigt die Magnetkraft<br />

fmag ab einem Strom von ca. 0.5 A beinahe linear mit dem Strom an. Weiterhin ist<br />

der Einfluss der Position ss des Ankers auf die Magnetkraft relativ gering. Der betrachtete<br />

Proportional-Elektromagnet besitzt dabei einen maximalen Hub von ca. 1.75 mm und die<br />

Spuleweist eine mittlereInduktivität vonL = 20mHsowieeinen elektrischen Widerstand<br />

von R = 4 Ω auf.<br />

Bemerkung <strong>3.4</strong> IndenmeistenFällenwird derStrom einesProportional-Elektromagneten<br />

oder eines Torque-Motor mit Hilfe eines analogen PI-Reglers geregelt. Dies führt zu einer<br />

wesentlichen Erhöhung der Dynamik des elektrischen Kreises (d.h. des elektrischen<br />

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3.6 Elektromagnetventile Seite 65<br />

fmag in N<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

ss = 0<br />

ss ><br />

ss = ss,max<br />

0<br />

0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5<br />

ia in A<br />

Abbildung 3.21: Kennfeld eines Proportional-Elektromagnetens der Firma Hydac Electronic<br />

GmbH.<br />

Stroms), sodass die Dynamik des elektrischen Stroms im Vergleich zum hydraulischen System<br />

vernachlässigt werden kann. Daher wird meist der Strom ia als Eingang des Systems<br />

betrachtet.<br />

Bemerkung 3.5 Eine große Herausforderung beim Bau von Proportionalwegeventilen ist<br />

die Minimierung der Reibung zwischen dem Ventilkolben und der Ventilhülse. Insbesondere<br />

hat Haftreibung einen negativen Einfluss auf die Regelbarkeit und die Dynamik eines<br />

Ventils. Neben einer geeigneten Konstruktion des Ventils kommt der elektrischen Ansteuerung<br />

eine besondere Bedeutung bei der Reduktion der negativen Einflüsse der Haftreibung<br />

zu. Zu diesem Zweck wird dem eigentlichen Ansteuersignal des Elektromagnetens<br />

ein periodisches Signal (Dither-Signal) überlagert. Die resultierenden Oszillationen in der<br />

magnetischen Kraft verhindern ein Haften des Ventilkolbens. Diese Maßnahme bedarf jedoch<br />

einer genauen Abstimmung der Frequenz und der Amplitude des Dither-Signals um<br />

einerseits das Haften des Ventilkolbens zu vermeiden, andererseits jedoch keine großen<br />

Auswirkungen auf die Ventilkolbenposition zu verursachen.<br />

3.6.2 Einstufiges 4/3 Proportionalwegeventil<br />

Elektromagnetventile, bei denen die Position des Ventilkolbens proportional zum Eingangssignal<br />

ist, werden als Proportionalwegeventile bezeichnet. Ein 4/3 Proportionalwegeventil<br />

besteht im Wesentlichen aus einer hydraulischen Vollbrücke, welche direkt oder<br />

indirektübereinenelektromagnetischenAktorpositioniertwird.EinedirekteAnsteuerung<br />

mit Hilfe von Proportional-Elektromagneten wird hauptsächlich in billigen und kleinen<br />

Ventilen verwendet, während in größeren und schnelleren Ventilen meist eine und mehrere<br />

hydraulische Vorsteuerstufen verwendet werden.<br />

In Abbildung 3.22 ist die Prinzipskizze eines einstufigen Proportionalwegeventils, welches<br />

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3.6 Elektromagnetventile Seite 66<br />

durch zwei Proportional-Elektromagneten angetrieben wird, dargestellt. Es besteht aus<br />

einer hydraulischen Vollbrücke, deren Ventilkolbenposition ss mit Hilfe der Magnetkräfte<br />

fmag1 und fmag2 verändert werden kann. Zur Zentrierung und Rückstellung des Kolbens<br />

sindzwei RückstellfedernmitdergesamteneffektivenSteifigkeit cs eingebaut.DiePosition<br />

ss des Ventilkolbens kann gemessen und in einem Positionsregelkreis verwendet werden.<br />

fmag2<br />

pt pa ps pb<br />

qa<br />

ss<br />

qb<br />

pt<br />

fmag1<br />

Abbildung 3.22: Prinzipskizze eines einstufigen 4/3 Proportionalwegeventil, welches durch<br />

2 Proportional-Elektromagnete angetrieben wird.<br />

Direkt angetriebene einstufige Proportionalwegeventile zeichnen sich durch einen einfachen<br />

Aufbau und niedrige Fertigungskosten aus. Die Dynamik von direkt angetriebenen<br />

Proportionalwegeventilen ist hingegen begrenzt, weswegen sie nicht für hochdynamische<br />

hydraulische Anwendungen geeignet sind.<br />

Bemerkung 3.6 Wie bereits in Bemerkung 3.3 erwähnt, ist die Fertigung von rechteckförmigen<br />

Öffnungsquerschnitten sehr aufwendig und teuer. Deswegen werden in den<br />

in diesem Abschnitt betrachteten einstufigen Proportionalwegeventilen meist kreisförmige<br />

Öffnungsquerschnitte eingesetzt. Da Proportional-Elektromagnete nur positive Magnetkräfte<br />

erzeugen können, werden meist zwei Proportional-Elektromagnete verwendet. In<br />

sehr kostensensitiven Anwendungen wird der zweite Proportional-Elektromagnet häufig<br />

durch eine Rückstellfeder ersetzt. In diesen Anwendungen wird auch auf eine Messung<br />

der Position ss des Ventilkolbens verzichtet.<br />

Im Rahmen dieser Lehrveranstaltung sollen einstufige Proportionalwegeventile betrachtet<br />

werden, welche sowohl zwei Proportional-Elektromagnete als auch eine Positionsmessung<br />

besitzen. Die Bewegung des Ventilkolbens wird dann durch<br />

ms<br />

d<br />

dt ss = ws<br />

d<br />

dt ws = −dsws −fjet,s −csss +fmag1 −fmag2<br />

� �� �<br />

fmag<br />

(3.104a)<br />

(3.104b)<br />

beschrieben, wobei ws = ˙ss die Geschwindigkeit, ms die Masse und ds die viskose Dämpfung<br />

des Ventilkolbens beschreiben. Weiterhin ist cs die effektive Steifigkeit der Rückstellfedern<br />

und fmag = fmag1 + fmag2 die effektive Kraft der Proportional-Elektromagnete.<br />

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3.6 Elektromagnetventile Seite 67<br />

Diese Kräfte sind, wie im vorigen Abschnitt diskutiert, im Wesentlichen proportional zu<br />

den Strömen durch die Spulen der Proportional-Elektromagnete. Wenn man annimmt,<br />

dass die beiden Ströme durch Stromregelungen mit gleicher Dynamik betrieben werden,<br />

so kann die Dynamik der eff. Magnetkraft fmag auf den Kolben durch<br />

d<br />

dt fmag = − 1<br />

�<br />

fmag −<br />

Tmag<br />

ˆ �<br />

fmag , (3.105)<br />

mit der Zeitkonstante Tmag des Regelkreises, beschrieben werden. Darin ist ˆ fmag der Eingang<br />

des Regelkreises. Die Strömungskraft fjet,s der Vollbrücke errechnet sich aus (3.93)<br />

mit (3.94) und die Volumenströme qa und qb sind in (3.92) definiert.<br />

Bemerkung 3.7 Einstufige Proportionalwegeventile werden meist mit einem integrierten<br />

(analogen) Positionsregler für die Ventilkolbenposition ss kombiniert. In den zugehörigen<br />

Datenblättern existieren im Allgemeinen keinerlei Informationen über diesen Regelkreis.<br />

Es werden hingegen nur Sprungantworten bzw. Bodediagramme für typische Betriebssituationen<br />

dargestellt. Aus diesem Grund ist eine Parametrierung des Modells nur anhand<br />

von umfangreichen Messungen möglich.<br />

In vielen Anwendungen zeigt sich jedoch, dass ein wesentlich vereinfachtes Modell, bestehend<br />

aus einer linearen Dynamik<br />

d<br />

ξ = Πξ+bia<br />

(3.106a)<br />

dt<br />

ss = c T ξ (3.106b)<br />

und einer Ausgangsnichtlinearität (Wiener-Modell), hinreichend für die Beschreibung des<br />

Verhaltens eines einstufigen Proportionalwegeventils ist, siehe Abbildung 3.23. Die lineare<br />

Dynamik bildet dabei die gesamte Dynamik des Positions- und Stromregelkreises ab, während<br />

die Ausgangsnichtlinearität die Volumenströme qa und qb als Funktion der Drücke<br />

und der Position ss beschreibt.<br />

ia<br />

˙<br />

ξ = Πξ +bia<br />

ss = c T ξ<br />

lineare Dynamik<br />

ss<br />

ps pa pb pt<br />

Volumenströme<br />

Abbildung 3.23: Struktur des vereinfachten Modells eines einstufigen Proportional-<br />

Wegeventils.<br />

3.6.3 Zweistufiges 4/3 Proportionalwegeventil<br />

Einstufige Proportionalwegeventilen erfüllen vielfach nicht die Anforderungen an die DynamikunddenVolumenstromvielerAnwendungen.DaherwerdenindiesemAnwendungsbereich<br />

hydraulisch vorgesteuerte, zweistufige Ventile eingesetzt. In Abbildung 3.24ist der<br />

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qa<br />

qb

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