279.1 Labordiagnostik NEIS - inFlammatio
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I n s t i t u t f ü r M e d i z i n i s c h e D i a g n o s t i k B e r l i n – P o t s d a m M V Z G b R<br />
Laboratoriumsmedizin � Mikrobiologie � Infektionsepidemiologie � Humangenetik � Transfusionsmedizin<br />
Berlin<br />
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Rationelle <strong>Labordiagnostik</strong> bei chronisch entzündlichen<br />
Multisystemerkrankungen<br />
Multisystemerkrankung nehmen zu<br />
Multisystemerkrankungen sind chronisch entzündliche<br />
Erkrankungen, die primär oder sekundär den<br />
gesamten Organismus in seiner Homöostase- und<br />
Regulationsfunktion betreffen. Sie sind geprägt<br />
durch Trigger-induzierte systemische Entzündungsreaktionen<br />
und verschiedene pathologisch biochemische<br />
Veränderungen im Organismus die ihrerseits<br />
wieder zur Chronifizierung beitragen. Zu den Multisystemerkrankungen<br />
zählt man Erkrankungen wie<br />
den Diabetes, Erkrankungen des rheumatischen<br />
Formenkreises, neurodegenerative Erkrankungen<br />
wie Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose,<br />
chronische Infektionen und entzündliche Darmerkrankungen,<br />
Herz-Kreislauferkrankungen und auch<br />
Allergien. Diese Erkrankungen nehmen in Ländern<br />
mit westlichem Lebensstil zu.<br />
Multisystemerkrankung bedeutet nicht nur<br />
Entzündung!<br />
Insbesondere Martin L. Pall, Professor für Biochemie<br />
an der Washington State University, ist die<br />
Erkenntnis zu verdanken, dass immunologische und<br />
biochemische Entzündungsphänomene zentraler<br />
Bestandteil von Multisystemerkrankungen sind. Die<br />
zentralen Elemente der Multisystemerkrankung sind:<br />
nitrosativer Stress, oxidativer Stress, die erworbene<br />
Mitochondriopathie und die Entzündung (Inflammation).<br />
Die von Martin Pall geprägte und hier mit<br />
dem Fokus auf die Immunologie modifizierte Abbildung<br />
1 zeigt, dass diese vier Elemente der Multisystemerkrankung<br />
einen Circulus vitiosus darstellen,<br />
d.h. sich gegenseitig bedingen und verstärken. Insofern<br />
ist es nicht verwunderlich, dass bei Betrachtung<br />
der Laborergebnisse von Patienten häufig mehrere<br />
oder sogar alle vier Regulationskompartimente<br />
betroffen sind.<br />
Der offenkundigste Zusammenhang ist dabei der<br />
zwischen der Mitochondriopathie und der systemischen<br />
Entzündung. Dieses bedingt die oft<br />
anzutreffende Laborwertkonstellation, dass ein Abfall<br />
des intrazellulären ATP mit erhöhten Entzündungsmarkern<br />
im Blut (TNF-α oder IP-10) vergesellschaftet<br />
ist. Warum es dabei Ausnahmen gibt und warum<br />
jedes der Kompartimente vor allem in der Frühphase<br />
einer Erkrankung auch isoliert betroffen sein kann,<br />
ist sehr wahrscheinlich durch unsere individuelle<br />
genetische Ausstattung und durch das sich unterscheidende<br />
Muster an einwirkenden Triggerfaktoren<br />
zu erklären.<br />
Jeder Trigger greift woanders an<br />
Potsdam<br />
Friedrich-Ebert-Straße 33, 14469 Potsdam<br />
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Diagnostik-Info 279<br />
Kuklinski hat gezeigt, dass Verletzungen der Halswirbelsäule<br />
primär einen nitrosativen Stress induzieren<br />
und die anderen Kompartimente erst sekundär<br />
betroffen sind. Infektionserreger wie Borrelien, Chlamydien<br />
oder auch Herpesviren stimulieren dagegen<br />
primär die Entzündung. Der nitrosative und oxidative<br />
Stress sowie die Mitochondriopathie sind hier die<br />
sekundäre Folge. Schadstoffe wie z.B. Metalle, Acrylate<br />
oder Lösemittel können über zwei Wege als<br />
Triggerfaktor manifest werden. Zum einen primär<br />
über das Entzündungskompartiment, insbesondere<br />
wenn individuelle allergische Sensibilisierungen vorliegen<br />
(erkennbar an positiven LTT-Befunden) oder<br />
aber dosisabhängig über toxikologische Einflüsse.<br />
Da letztere meist mit Störungen zellulärer Enzym-<br />
und Regulationsfunktionen einhergehen, ist bei<br />
toxikologischen Schadstoffeinwirkungen oft initial der<br />
oxidative Stress und die Mitochondrienfunktion gestört<br />
und sowohl das Nitrothyrosin und die Entzündungsmarker<br />
(noch) normal.<br />
Zusammenfassend ist zu sagen, dass sich aus dem<br />
Muster der vier Kompartimentsmarker zumindest in<br />
einigen Fällen differentialdiagnostische Schlüsse<br />
über die individuell vorliegenden Triggerfaktoren ableiten<br />
lassen. Das dieses nicht in jedem Fall gelingt,<br />
liegt daran, dass in der chronifizierten Phase nicht<br />
selten mehrere oder alle Kompartimente betroffen<br />
sind, dass die Kompartimente individuell verschieden<br />
empfindlich reagieren und dass wir es in der<br />
Praxis häufig mit Mehrfachbelastungen, d.h. multiplen<br />
Triggerfaktoren zu tun haben.<br />
bitte wenden<br />
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Entzündung stört die Toleranz<br />
Rechts in der Abb. 1 ist dargestellt, dass die<br />
chronische Entzündung auch (schädigende)<br />
Einflüsse auf das spezifische Immunsystem hat,<br />
insbesondere auf die Fähigkeit zur Erhaltung einer<br />
Immuntoleranz. So erklärt man heute die Zunahme<br />
von Allergien und Autoimmunerkrankungen mit dem<br />
sekundären Toleranzverlust. Bei den betroffenen<br />
Patienten ist häufig eine Störung der TH1/TH2-<br />
Balance vorhanden mit resultierender TH2-<br />
Dominanz.<br />
Sechs Labormarker charakterisieren die<br />
entzündliche Multisystemerkrankung<br />
TNF-α ⇒ Marker der myelomonozytären<br />
Entzündung<br />
TNF-α ist ein Zytokin, das hauptsächlich von<br />
Makrophagen sezerniert wird. Als proentzündliches<br />
Schlüsselzytokin wird es bezeichnet, weil es am<br />
Beginn der Entzündungskaskade TNF-α ⇒ IL1 ⇒<br />
IL6 ⇒ IL10 ⇒ IL1RA ⇒ CRP steht. Diese<br />
prominente Stellung macht es zum sensitivsten<br />
Markerzytokin für die myelomonozytäre Entzündung.<br />
IP-10 ⇒ TH1-Immunaktivierung<br />
Interferon-gamma-induced protein 10 ist ein Protein,<br />
was von Makrophagen nach Stimulation durch IFN-γ<br />
ins Blut abgegeben wird. Da IP-10 fast<br />
ausschließlich durch IFN-α induziert wird und selbst<br />
in deutlich höheren Spiegeln im Blut zirkuliert als die<br />
Interferone selbst, ist dieses Chemokin ein idealer<br />
Marker, um die biologische Aktivität des IFN-γ und<br />
die TH1-zelluläre Immunaktivierung zu bestimmen.<br />
Histamin (gemessen nach Vollblut-Lyse) ⇒<br />
Mastzell-assoziierte Entzündung<br />
Histamin ist ein von Mastzellen produziertes<br />
Gewebshormon. Entgegen der üblichen Vorstellung<br />
spielen Mastzellen und Histamin nicht nur im<br />
Rahmen der Typ I-Allergie eine Rolle sondern bei<br />
nahezu jeder Immunreaktion insbesondere auf<br />
Bakterien, Hefen und Parasiten. Histamin wirkt über<br />
vier verschiedene Rezeptortypen (HR1-HR4) auf<br />
zahlreiche Organe wie Magen, Lunge, Gefäße,<br />
Gehirn oder Darm und stimuliert über Histamin-<br />
Rezeptoren auf Leukozyten zahlreiche<br />
Entzündungsphänomene.<br />
ATP (intrazellulär bestimmt) ⇒ Mitochondriopathie<br />
Adenosintriphosphat verkörpert die unmittelbar<br />
verfügbare Energie in jeder Zelle und ist gleichzeitig<br />
ein wichtiger Regulator energieliefernder Prozesse.<br />
ATP wird über die Atmungskette in Mitochondrien<br />
produziert. Der in Leukozyten bestimmte ATP-<br />
Spiegel ist somit ein Surrogatmarker für die aktuelle<br />
Mitochondrienfunktion. Verminderungen zeigen sehr<br />
sensitiv eine erworbene Mitochondriopathie an.<br />
MDA-LDL ⇒ oxidativer Stress = Radikalbelastung<br />
Malondialdehyd-modifiziertes LDL (MDA-LDL) ist<br />
eine oxidierte Form des LDL-Cholesterins, die durch<br />
Reaktion der Lipide mit Sauerstoffradikalen entsteht<br />
(Lipidperoxidation). Aufgrund seiner im Vergleich zu<br />
dem früher verwendeten Malondialdehyd ist MDA-<br />
LDL wegen der längeren Serum-Halbwertszeit ein<br />
sehr stabiler Parameter für die oxidative Belastung<br />
des Organismus.<br />
Nitrothyrosin ⇒ nitrosativer Stress = NO-Belastung<br />
3-Nitrotyrosin ist eine nicht-proteinogene<br />
Aminosäure. Nitrothyrosin entsteht im Organismus<br />
durch Einwirkung von reaktiven Stickstoffspezies auf<br />
Tyrosin. Im Vergleich zu Citrullin im Urin hat es sich<br />
als der sensitivere Surrogatmarker für die NO-<br />
Belastung herausgestellt.<br />
Indikationen<br />
Die komplexe Betrachtung der sechs erhobenen<br />
Labormarker erlaubt:<br />
1. die Statusanalyse der vier<br />
Regulationskompartimente zur Erkennung der<br />
Multisystemerkrankung, zur optimalen Planung<br />
einer substituierenden Therapie und zur<br />
Verlaufskontrolle<br />
2. die Differentialdiagnostik der individuell<br />
entscheidenden Triggerfaktoren, zumindest um in<br />
Verbindung mit der Anamnese die notwendige<br />
Folgediagnostik (LTT, Infektionsdiagnostik,<br />
Allergiediagnostik, Toxikologie etc.)<br />
kostenbewusst eingrenzen zu können<br />
Material und Abrechnung<br />
2x Heparin-Blut + 1x Serum + 1x EDTA-Blut<br />
Das Analysenprofil wird nach GOÄ abgerechnet und<br />
kostet 164,96 € (Selbstzahler) bzw. 189,70 € (Privat)