Vergangenes Jahr erließ der rechtskonservative ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ein Kulturgesetz, das es ihm erlaubt, staatliche Kultureinrichtungen zu überwachen und zu steuern. Anfang September wurde nun die Leitung der Universität für Theater- und Filmkunst (SZFE) von einer regierungsnahen Stiftung übernommen. Seit zwei Wochen protestieren die Studierenden dagegen. Sie organisieren Demonstrationen, suchen über soziale Netzwerke nach Unterstützung und verbarrikadieren sich im Hochschulgebäude. Dorottya Molnár, 21, und Máté Gabnay, 24, sind an den Protesten beteiligt und erklären, warum sie für die Autonomie ihrer Hochschule kämpfen. 

ZEIT Campus ONLINE: Zum Semesterbeginn am ersten September wurde Eure Hochschulleitung durch ein von der Regierung bestelltes Gremium ausgetauscht. Was war die Begründung? 

Máté Gabnay: Die Regierung wirft uns vor, wir seien zu links. Der ganzen Theaterszene wirft sie das vor. Wir Studierenden würden an der Hochschule ideologisch indoktriniert werden, heißt es. Die Lehrpläne seien voller linker Ideologie. So ein Unsinn. Wie sollen Kamera-, Schauspiel- oder Filmschnittunterricht ideologisch geprägt sein? Wir lernen doch Techniken.

Dorottya Molnár: Es geht gar nicht nur um unsere Uni. Die Regierung will alle staatlichen Hochschulen in private Stiftungen überführen. Die Regierung behauptet, dabei würden die Unis unabhängiger werden, weil nicht mehr der Staat Träger ist. Das ist wenig glaubhaft, denn in den Stiftungen werden nur Orbán-Getreue sitzen – so wie auch in unserem Fall.

ZEIT Campus ONLINE: Gab es in der Vergangenheit schon Konflikte zwischen Eurer Hochschule und der ungarischen Regierung?

Molnár: An der Uni selbst gab es vorher nie Proteste gegen Orbán. Wir wissen von einigen Dozenten zwar, wo sie politisch stehen – aber nur, weil viele Menschen in Ungarn sehr politisch sind. Im Unterricht an sich geht es aber nicht um Politik. 

"Die Regierung findet, wir seien nicht patriotisch genug."
Studentin Dorottya Molnár

ZEIT Campus ONLINE: Welche Ziele verfolgt Viktor Orbán mit seiner Kulturpolitik? Die Abschaffung der Kunstfreiheit?

Molnár: Wenn wir wirklich wüssten, was er plant, könnten wir besser reagieren.

Gabnay: Ich kann seine Politik schon seit zehn Jahren nicht nachvollziehen. Seit dem Tag, als er ins Amt kam. Die einzige Erklärung, die ich habe, ist, dass er und seine Freunde auf alles Einfluss nehmen wollen. Auch auf Kunst und Kultur.

ZEIT Campus ONLINE: Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn eine Regierung in die Kunst eingreift?

Gabnay: Dann ist diese Gesellschaft einfach nicht frei, sondern gescheitert. Noch schlimmer ist es, wenn wie in Ungarn auch noch finanzieller Druck dazukommt und nur unkritische Projekte gefördert werden. Eine Gesellschaft verliert dadurch ihre Kreativität und Vielfalt. Der ungarische Regisseur Béla Pintér hat mal gesagt: "Theater ist entweder kritisch oder saulangweilig und lügt."

ZEIT Campus ONLINE: Wie hat eine regierungstreue Kunst nach Orbáns Vorstellungen auszusehen?

Gabnay: Es wäre Orbán lieber, wir würden nur noch Filme über ungarische Nationalhelden drehen. Und keine mehr über den ungarischen Volksaufstand von 1956. Denn damals hat sich das Volk ja gegen die Regierung gestellt. 

Molnár: Die Regierung findet, wir seien nicht patriotisch genug. Aber wenn man Filme und Theaterstücke in der Landessprache macht, ist das nicht automatisch patriotisch? Wir möchten doch ungarische Kunst machen!