Thomas Fischer ist Bundesrichter in Karlsruhe und schreibt für ZEIT und ZEIT ONLINE über Rechtsfragen. Weitere Artikel seiner Kolumne Fischer im Recht finden Sie hier – und auf seiner Website.

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Heute nur eine kleine Rückkopplung. Der Kolumnist hat in den letzten Wochen ein paar Veranstaltungen besucht, bei denen er auch zu den ewig jungen, extrem spannenden Fragen Stellung nehmen durfte, 1) ob ein Richter überhaupt eine Kolumne schreiben dürfe, 2) in welcher Wut-Stimmung er seine Tage verbringe und seine Kolumnen schreibe, und 3) warum er Menschen beleidigen wolle. Diese Fragen sind eine kurze, aber repräsentative Zusammenfassung von allerhand Missverständnissen.

Erstens:

"Mäßigen Sie sich etwas im Ton, denn ich bin ziemlich sicher, dass Sie einiges, was Sie kunstvoll mit den Händen bauten, (…) mit dem Hintern wieder umstoßen",

schrieb mir kürzlich der (gutmeinende) Leser Gerhard St. Dieser Ratschlag steht stellvertretend für viele. Wir sprachen ja gelegentlich schon darüber, dass selbst die Qualitätspresse – darunter sogar die FAZ – gelegentlich Anstoß nimmt an dem Klang dieser Kolumne, ihren sprachlichen Ausrutschern, ihrer Verachtung des gepflegten Talks, ihrer "pubertär-anbiedernden" Vermischung von bildungsbürgerlichen Lesefrüchten mit der Kultur des Plebs, also der lieben Bürger draußen im Lande. Man sorgt sich sehr um Sie, herzallerliebste Leser und Leserinnen, Zuschauer und Zuschauerinnen, für die sich die Journalisten unseres Vaterlands bis zur Selbstverleugnung bemühen, ein möglichst niedriges Sprach- und Komplexitätsniveau zu erreichen, weil Sie es doch sonst einfach nicht verstehen würden. Die Aufgabe eines Journalismus neuer Art besteht darin, sich diesem Niveau nicht allein formal, sondern auch mental anzuschmiegen, denn nur so kann wahre Authentizität entstehen: Sprechblase zu Sprechblase, Meinung zu Meinung, Feldmaus zu Feldmaus.

Mir scheinen solche Ratschläge suboptimal. Dabei ist Mäßigung im Geräusch ganz wunderbar und eines meiner liebsten Anliegen. Das Problem ist nur, dass ich unter "Mäßigung" gelegentlich etwas anderes verstehe als das mich umgebende halbfeste Medium. Zum Beispiel Genauigkeit, oder sagen wir Übereinstimmung von Emotion und Gedanke. Zu inhaltsarmem Geschwätz oder zirkulösen Phrasen "Unsinn" zu sagen, ist nicht unmäßig, sondern notwendig.

Die Botschaft an Leser St. lautet also: Das Werk der Kunst entsteht auch hier im kopfgesteuerten Zusammenspiel von Händen und Hintern. Und wenn am Schluss die Mauern des Gewohnten zerrüttet, die Zinnen der Erkenntnis zermürbt und die Gefühle der Schönheit zerfleddert erscheinen, ist dies meist exakt der Eindruck, der erwünscht ist. Wie sagte doch einst Maler Klecksel:

"Vor allem der Politikus Gönnt sich der Rede Vollgenuß;
Und wenn er von was sagt, so sei's, Ist man auch sicher, daß er's weiß.

Doch andern, darin mehr zurück, Fehlt dieser unfehlbare Blick.
Sie lockt das zartere Gemüt Ins anmutreiche Kunstgebiet,
Wo grade, wenn man nichts versteht, Der Schnabel umso leichter geht."

 Zweitens:

"Hallo Herr Dr Fischer, ich höre mir gerade Ihr Gestammel in Phoenix an furchtbar. Solche Leute wie Sie braucht Deutschland nicht. Bitte treten Sie zurück. Keinesfalls Hochachtungsvoll P.",

schreibt ein (bösmeinender) P.; und  sein guter Freund und Zwillingsbruder J. ergänzt kongenial:

"Wie können sie so realitätsfremden dreck von sich geben? wenn mir ein ASYLSSCHMAROTZER  zu nah kommt (wird ja eh nicht eingesperrt) schlage ich ihm seine FRESSE so lange ein (wie es der DRECK auch mit deutsche macht) bis er keine luft mehr braucht. er wird ja eh nicht zur Rechenschaft  gezogen. und SIE kommen mit KULTUR und sagen das dieses ASYLDRECKSPACK dumm ist und tun und lassen kann, was DIE in Deutschland wollen ..und dürfen..  ich sage IHNEN DAS SIE sowas von realitätsfremd sind. wie MERKEL und ihre  GUTMENSCHEN sowas wie SIE und CO; sollte ausgewechselt werden und MERKEL und Co. in Den HAAG  vor Gericht.