Das Ende der Liebe ist noch kein Grund zur Scheidung. Nicht wenn es die Frau ist, die sie fordert. Nicht in Israel, wo die zivile Ehe nicht existiert. Ehesachen – ob religiös oder nicht, spielt hier keine Rolle – regelt das orthodoxe Rabbinat.

Viviane Amsalem sieht das anders. Nach 20 Jahren Ehe mit Elisha, von dem sie schon Jahre getrennt lebt, hat Viviane nur noch einen, in Gleichmut vorgetragenen Wunsch: Sie möchte Get, den Scheidebrief, der ihren durch Jahre ehelicher Demut verletzten Stolz wiederherstellen und sie zudem davor bewahren würde, zur geächteten Persona non grata zu werden. Wenn Viviane – noch verheiratet – anfinge, das faktische Ende ihrer Ehe tatsächlich zu leben, etwa indem sie eine Beziehung mit einem anderen Mann einginge, dann wäre das Verrat an der Institution und hätte rechtliche wie soziale Konsequenzen.

Es ist Vivianes stoischer Wille, ihre kafkaeske Naivität vor dem Gesetz, die das Filmemacher-Geschwisterpaar Shlomi und Ronit Elkabetz in seinem Film Get – Der Prozess der Viviane Amsalem zum Thema macht. Ronit ist dabei nicht nur Regisseurin, sondern auch Protagonistin. Im Licht aktueller feministischer Debatten, etwa der um queere Sexualität, könnte man Vivians Darstellung als Opfer altmodisch finden; sie als Rückfall hinter die feministischen Praxis- und Theoriewellen deuten.

Im israelischen Kontext aber ist Get hochaktuell. Der Film schärft das Bewusstsein für die gegenwärtige, rechtliche Diskriminierung von Frauen und schmettert Befürwortern wie Kritikern der Religion die Frage ins Gesicht, in welcher Epoche sie eigentlich leben. Im Ausland geschlossene Zivilehen werden im heutigen Israel zwar anerkannt – somit auch Homo- und sogenannte Misch-Ehen zwischen Juden und Nicht-Juden. Doch eine in Israel geschlossene Ehe gilt erst dann als geschieden, wenn der Mann der Frau das Get-Dokument in einem Ritual in die Hände reicht und sie durch eine Spruchformel aus dem Ehebund entlässt. 

Debatte über die Rolle der Frau in Israel

Frauen, deren Männer Get verweigern, können zwar Widerspruch einlegen und das Gericht bitten, Druck auszuüben. Voraussetzung ist aber, dass seitens des Mannes eine Art Mindestschuld vorliegt. "Besteht Verdacht auf Ehebruch?", fragen die Rechtsgelehrten im Film und gehen nach und nach die Liste durch: Hat er ihr keinen Unterhalt gezahlt? War er gewalttätig? Hat er ihre Bedürfnisse nicht befriedigt? Sucht er Prostituierte auf? Hat er ein abstoßendes körperliches Gebrechen? Alles andere gilt nicht. 

Get hat in Israel eine Debatte über die Rolle der Frau und die rabbinische Judikative ausgelöst. Justizministerin Zipi Livini organisierte an der Bar-Ilan-Universität eine Konferenz zum Thema Eherecht, knapp 400 Anwälte diskutierten mit den Filmemachern. Und Mitte Februar ist anlässlich der jährlichen Vollversammlung des Rabbinats ein privates Screening von Get geplant. Dutzenden rabbinischen Richtern – Dayanim – soll der Film einen Spiegel vorhalten.

Der Vorstoß zu dem Screening stammt von Rabbi Shimon Yaakobi, Anwalt und Rechtsberater des Rabbinats. "Das Rabbinat sollte dem öffentlichen Diskurs gegenüber offen sein", sagte er israelischen Medien. "Angenommen, die Darstellungen im Film sind glaubhaft und ein ernsthafter Wandel hinsichtlich Handhabe und Verwaltung ist notwendig, dann muss darüber gesprochen und entsprechend gehandelt werden."