Haarsträubende Begegnung: Adlon als Sam Fox mit dem Schauspieler Danny Trejo, der sich in "Better Things" selbst spielt © MagentaTV

"In deinen dunkelsten Momenten muss Comedy dir ein Lachen abringen können", sagt sie. "Das ist der ganze Sinn der Sache und so hat es auch bei mir angefangen." Adlons Vater, der 1994 verstorbene Autor und Filmproduzent Don Segall, schrieb ebenfalls Comedy, gehörte aber zum vermeintlich alten, an sich selbst leidenden Schlag der Berufsgruppe. "Er war aufbrausend und neigte zu Gewaltausbrüchen", erinnert sich Adlon. "Meine Überlebensstrategie war, ihn zum Lachen zu bringen." Manchmal entwickelten sich daraus spontane Comedyworkshops, die Adlon mit einem Kassettenrekorder aufnahm. In Better Things gibt es nun Rückblicksszenen aus der Kindheit Sam Fox', die auf diesen Aufnahmen basieren.

Andere Shows sind große Erfindungen, Better Things ist eine große Erinnerung. Wie ihr Alter Ego in der Serie hat auch Adlon drei Kinder weitgehend allein großgezogen und sich lange Zeit als Synchronsprecherin und Schauspielerin in kleinen Rollen über Wasser gehalten. (Adlons Ex-Mann, der Regisseur Felix O. Adlon, zog nach der Scheidung im Jahr 2010 zurück nach Deutschland.) Größere Aufmerksamkeit erregte sie erst mit ihren Auftritten als Trophy-Wife- und Koksnasenparodie in der Serie Californication zwischen 2007 und 2014 sowie von 2010 bis 2015 als kreatives Gegengewicht zu Louis C.K. in dessen Meta-Comedy Louie.

Auch Better Things begann als gemeinsames Projekt der beiden, diesmal mit Fokus auf der Fiktionalisierung von Adlons Leben als halbwegs funktionale Mutter und Schauspielerin in Los Angeles. Als Ende 2017 mehrere Frauen Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen C.K. erhoben, beendete Adlon nicht nur die Zusammenarbeit mit dem Comedian (der sein Fehlverhalten einräumte), sondern feuerte auch den gemeinsamen Manager (der versucht haben soll, die betroffenen Frauen einzuschüchtern). Ab der dritten Staffel war Better Things ein weiteres Baby, um das sich Adlon allein kümmern musste. Die meisten Branchenkenner hielten die Serie für erledigt.

"Es war tatsächlich so, dass alles im Chaos zu versinken drohte", sagt Adlon. "Ich fühlte mich aber vor allem im Stich gelassen." Ein Zustand, mit dem sie schon immer arbeiten konnte. Unter Adlons alleiniger Regie und maßgeblicher Autorinnenschaft wurde Better Things noch einmal persönlicher. Immer wieder tauchen Versatzstücke ihrer Familiengeschichte darin auf, Verweise auf die eigenen, erst vor Kurzem entdeckten ukrainischen Vorfahren (Zitat Adlon: "Wir hatten uns immer für Russen oder Polen gehalten.") und jüdische Traditionen, die das Serienpersonal eher pflichtschuldig aufrechterhält. "Ich steckte mein ganzes Leben in die Show", sagt Adlon. "Und plötzlich kamen Leute zu mir, die ihre eigene Geschichte darin wiedererkannten."

Die Geschichte von Sam Fox erzählt Adlon natürlich nicht auf klassische Weise zu Ende. Better Things bleibt ein fortlaufender Prozess, die Zusammensetzung von Sams Familie und die Identitäten ihrer Mitglieder befinden sich bis zur letzten Folge im Wandel. Das vermeintliche Ideal der Kernfamilie tritt dabei hinter Patchworkkonzepte von Liebe und Partnerschaft zurück. Ein neurotischer Onkel und ein schwuler bester Freund können zusammen auch so etwas wie eine Vaterfigur ergeben. Dass in den USA gerade Kräfte erstarken, die sich davon provoziert fühlen könnten, ist Adlon nicht entgangen. "Familienwerte sind in meiner Heimat zum Kampfbegriff geworden. Ich glaube, dass man dieser Entwicklung auch als Comedyautorin etwas entgegensetzen kann."

Better Things tut das implizit, explizit und manchmal sogar in weiser Voraussicht. Zu den vielen angerissenen Handlungssträngen aus der letzten Staffel der Show gehört ein Schwangerschaftsabbruch von Sams ältester Tochter Max. Denkbar unspektakulär geht die Sache in wenigen Serienminuten über die Bühne, die Entscheidung und der Eingriff erscheinen ebenso alltäglich wie das sonstige Geschehen aus Better Things. Als die entsprechende Folge Anfang März in den USA ausgestrahlt wurde, markierte sie einen Moment der Selbstbestimmung. Vier Monate und ein Urteil des US-amerikanischen Supreme Courts später wird aus derselben Folge nun auch ein Akt des Widerstands.

Die zehn Folgen der fünften Staffel von "Better Things" laufen auf MagentaTV.