Eigentlich setzt die Idee an der richtigen Stelle an. Ein Science-Fiction-Video über Deutschland nach der massenhaften Abschiebung jener Gruppen zu machen, die heute aus dem Umfeld der AfD angefeindet werden: Das emotionalisiert zuverlässig, was sonst eher abstrakt bleibt, und führt plakativ vor Augen, was man sich sonst mühsam selbst vorstellen muss. Bereits am Donnerstag hat der umtriebige Podcaster und Produzent Andreas Loff auf dem YouTube-Kanal seiner Firma Ponywurst Productions den dreieinhalbminütigen Clip Oma, was war nochmal dieses Deutschland? veröffentlicht. Noch sind die Klickzahlen des wesentlich mit künstlicher Intelligenz erstellten Werks überschaubar, die Kommentare aber größtenteils wohlwollend zwischen "stark" und "saustark".

Eine alte Frau, gesprochen von Anna Thalbach, erzählt ihrer Enkelin zwischen retrofuturistischen Upcycling-Wohnwaben an einer fernen sonnigen Küste im Jahr 2060, wie es einst mit ihrer deutschen Heimat in die Binsen ging. Dazwischen sieht man recht ausgefeilte KI-Bilder etwa eines menschenleeren Berlins und eines ausgetrockneten Rheinbetts bei Köln. Guter Lacher: Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen, der wie einst Ulrich Mühe auf dem Dachboden in Das Leben der anderen an einem Überwachungsapparat sitzt. Die Grundaussage des Films, den Loff gemeinsam mit Behzad Karim Khani und Christian Suhr realisiert hat: Deutschland ist in dieser Dystopie eine hehre Wüste, weil die Herren der "blauen Partei" und ihre politisch gleichgeschalteten Weggefährten es so wollten.

Genau das war schließlich der emotionale Moment nach der Correctiv-Recherche zum sogenannten Remigrationstreffen in Potsdam: Selbst Menschen, die sich zuvor von der AfD noch ein Mehr an Meinungsfreiheit und "Endlich sagt's mal einer" erhofft hatten, sahen plötzlich ihre Nachbarinnen und Schwägerinnen, ihre Kassierer und Fußpfleger vor dem geistigen Auge im Abschiebeflieger sitzen, sie sahen auf einmal mögliche Leerstellen im eigenen Leben, ahnten voraus, wie sich eine tatsächlich repressive Gesellschaft anfühlen könnte. Die ökonomisch Klügeren sahen auch schwindenden Wohlstand.

An Loffs Video – ästhetisch irgendwo zwischen Kurzfilm und Blockbuster-Trailer – gäbe es nun eine naheliegende linke Kritik, die aber langweilig ist. Sie würde darauf beharren, dass es grundfalsch ist, beim Egoismus der Normalos anzusetzen. Der Einsatz gegen Rassismus und Diskriminierung soll schließlich aus Humanismus erfolgen und nicht, weil auch die Zukunft der autochthon deutschen Gesellschaft gar nicht mal so gut aussähe, wenn niemand mehr den Müll abholt. Letztlich ist es eine sehr weiße deutsche Position, die Loff und seine Co-Produzenten hier pointieren, zu denen ausweislich des Abspanns neben dem Polit-Entertainer Micky Beisenherz und dem American-Football-Experten Patrick Esume unter weiteren anderen auch der Comedian Luke Mockridge gehört: dass dieses alte Wir seine heutigen Newcomer und die Menschen der zweiten und dritten Generation braucht, um auch morgen noch kraftvoll Wohlstand erschaffen zu können.

Das wäre aber auch zugleich die einzige Möglichkeit des Videos, der erhoffte virale Erfolg zu werden: als Zankapfel der Antifaschisten unterschiedlicher Härtegrade. Wenn die Linken der reinen Lehre es vehement ablehnen, kommt in verlässlicher Reaktanz der Applaus einer anderen, ungleich größeren Gruppe. Sie ist zwar erklärtermaßen gegen rechts, betrachtet die große Sensibilität der politisierten Korrekten aber als Hemmschuh, um wiederum jene Dritten für die gute Sache zu gewinnen, die mit ihrem Nein zum aufkommenden Faschismus nicht gleich ein ganzes weltanschauliches Programm der avancierten Intersektionalität übernehmen wollen. Was bitte? Ja, eben.

Das Ganze könnte sich nun zu einem debattierfreudigen Interesse aufschaukeln. Nicht bedacht sind dabei leider jene, um die es eigentlich gehen müsste. Sie kämen nicht im Traum auf die Idee, auf eine Massendemonstration gegen rechts zu gehen, bei Umfragen halten sie aber massenhaft der AfD die Stange. Das sind offenkundig diejenigen, die sich längst immunisiert haben gegen die Vorstellung eines objektiv und für alle schlechteren Deutschlands – wenn das Land notwendige Veränderungen verweigert, wenn es nicht massiv auf die Klimakatastrophe reagiert und sich nicht zu einer Einwanderungsgesellschaft transformiert.

Die neurechten Vordenker dieser Gruppe innerhalb und im Umfeld der AfD sind nun zwar gewiss nicht klug, sie sind aber schlau. Sie wissen genau, wie man Restunsicherheiten an bestimmten Prognosen zu einem gigantischen Zweifel am Projekt an sich aufbläst. Ihre kommunikationsstrategische Meisterschaft haben sie in der Pandemie und im Kontext der Klimakrise hinreichend bewiesen. Abgesehen davon, dass der Abnutzungseffekt reiner Schreckensbilder speziell anhand der Klimakommunikation wissenschaftlich immer wieder diskutiert wird, gibt man mit jeglicher Fiktionalisierung somit eine weitere Steilvorlage: In diesem Framing ist dann nicht nur ein dystopisches Zukunftsvideo nur eine Fantasie, es verstärkt sogar den Zweifel, dass ihm reale Gefahren zugrunde liegen könnten.

Erfrischend unverfroren

Man muss vor diesem Popanz gewiss nicht sitzen wie das Kaninchen vor der Schlange. Und auch das stimmt: Allein mit schlauen Zeitungsartikeln, die ebenfalls ein überschaubares Publikum haben, lässt sich ein neuer Realitätssinn nicht breit verankern. Literatur, Theater und Kinos sind bei Weitem keine Unorte für die politische Aushandlung.

Trotzdem bleiben grundsätzliche Fragen: Gehört eine Recherche dramatisiert auf die Bühne? Und gehört das schlimmstmögliche Szenario einer – furchtbares Wort – Remigrationsgesellschaft dramatisch in die YouTube-Feeds? Verstärkt das nicht nur den Effekt, dass die bevorstehende Apokalypse umso vehementer nicht geglaubt wird, je mehr sich Menschen zugespitzt von ihr erzählen? Immerhin scheint ja dieser trügerische Realitätssinn nicht totzukriegen, wonach alles schon nicht so schlimm sein kann, wenn draußen die Blumen blühen.

Das wäre nun die Resthoffnung angesichts eines Videos, das sich über derartige Bedenkenträgereien, die ja bekannt sind, erfrischend unverfroren hinwegsetzt: dass es das Wissen um solche Vorbehalte in sich trägt, aber trotzdem und eben mit Recht an die Macht der Bilder glaubt. Weil es da draußen eben doch noch – und seien es sehr junge – Leute gibt, die die Möglichkeit des Untergangs erst mal sehen müssen, um daran zu glauben und entsprechend zu handeln. Man möchte diesen Idealismus gerne mitglauben: dass ein innerer Schrecken im Außen dramatisch wachsen kann. Leider gibt es viele Anzeichen, dass derartige Bilder eher zur Immunisierung beitragen.