Wenn sich das Lenbachhaus künftig als neues Beuys-Zentrum hervortut, ist dies auch ein Verdienst Lothar Schirmers. Der Münchner Verleger und Sammler hat dem Museum ein Konvolut von 17 Skulpturen geschenkt. Und er trennte sich zum "Freundschaftspreis" vom Hauptwerk seiner Kollektion, dem Environment "vor dem Aufbruch aus Lager I" von 1970/80 (siehe dazu unser Interview mit dem Mäzen).

Helmut Friedel, amtierender Hausherr, ist überzeugt davon, "dass die Grandiosität dieses Bildhauers heute verstanden wird. Das Verständnis ist weniger auf die Person oder die Wahl der Materialien bezogen als auf inhaltliche und formale Lösungen, die Beuys anbietet." Der Direktor empfängt in seinem Büro: eine ­Apsis im Ateliertrakt, Versailler Parkett, schmiedeeisern vergitterte Fenster mit Panoramablick aufs Propyläen und den Garten des Lenbachhauses. So viel Atmosphäre, und doch tickt die Uhr. Ende 2013 wird Matthias Mühling an der Spitze stehen – ein Mann aus den eigenen Reihen, der sich "verstärkt um die Utopien der Moderne" kümmern möchte. "Wie sind diese Utopien in die Welt hinausgewandert?" Friedel kam 1977 als Kurator an das Museum, seit 1990 hält er die Fäden in der Hand. Es gab triumphale Momente, etwa die Kandinsky-Retrospektive 2008, die fast eine halbe Million Besucher anlockte. Und Augenblicke großer Freiheit, gerade in den Achtzigerjahren, als der junge Kurator in nur vier Wochen eine Ausstellung mit Jannis Kounellis austüftelte. "Dutzende Gasflammen zischelten am Fußboden. Über Nacht wurden Exponate aus Neapel gebracht, ohne Versicherungsschein. Kounellis hat in letzter Sekunde aus zwei Arbeiten eine gemacht und einem der beiden Leihgeber gesagt, sein Kunstwerk existiere nicht mehr."

Im Jahr 1996 wurde Gerhard Richters archivarisch geführter "Atlas" angekauft. Das Mammutwerk aus Fotos, Zeitungsausschnitten, Skizzen und Collagen ist das motivische Firmament, vor dem sich Richters Bildwelt manifestiert. Von Oktober bis Januar wird das bis dahin abgeschlossene Monumentalalbum im benachbarten "Kunstbau" zu sehen sein.

Schon lange bezog das Lenbachhaus seinen Liebreiz aus dem Unperfekten: einem kaum aufzulösenden Durcheinander, weil drei disparate Kunstepochen die Besucher umgarnen. Darüber hinaus hat das Museum zu der Dreiflügelanlage des Malerfürsten und dem "Kunstbau" – die separate Ausstellungshalle mit dem Sex­appeal roh belassener Betonflächen setzte der Münchner Architekt Uwe Kiessler 1994 in das benachbarte U-Bahn-Zwischengeschoss – jetzt eine dritte betörende Architektur erhalten.

Foster bekam diesen Wirrwarr durch eine beruhigende Geste in den Griff: Seine Ergänzungen umklammern die U-förmige Anlage wie eine Metallmanschette. Den Garten und Lenbachs Repräsentationsräume im Piano nobile der Villa tastete er nicht an, die historischen Fassaden erhielten lediglich einen frischen Ockeranstrich. Um Alt und Neu subtil zu verknüpfen, abstrahiert Foster mit den vertikal angeordneten, goldfarben eloxierten Aluröhren der Fassade die Pilaster am historischen Atelierflügel. Das bisher etwas krude Raumgefüge erhält durch geweißtes Eichenparkett eine einheitliche großbürgerliche Ausstrahlung. Wohnlichkeit und Behaglichkeit sind die Schlüsselworte dieses Konzepts. Es ist insbesondere an der intimen Abfolge von Sälen und Kabinetten für den "Blauen Reiter" ablesbar.

Für die chaotische Lichtsituation fehlte bislang eine flexible Lösung. Eine Herausforderung, der sich Foster stellte: "Wir wollten eine gleichmäßige Beleuchtung in Räumen schaffen, die dem Tageslicht sehr unterschiedlich ausgesetzt sind." Stolz schildert der Architekt die Vorzüge des neuartigen und bahnbrechenden, ­superindividuell regulierbaren LED-Systems, das natürlich wirkendes Licht erzeugt und dabei allen konservatorischen Erfordernissen entspricht. Über das Scheddach gelangt indirektes Nordlicht in die Galerien: perfekte Bedingungen für die Pleinair-Malerei von Münter und ihren Weggefährten.

Als soziales Herz des Lenbachhauses dient das neue Atrium – eine sorgfältig austarierte Mischung aus Turbinenhallenglamour à la Tate Modern und Hotellobby-Charme mit unerwartetem Einblick in die Prunkräume von Lenbachs Beletage. Alle Wege zu den Sammlungsabteilungen sind hier gebündelt. Aber wie steht es mit der Gretchenfrage: Hat Foster der Versuchung einer Spektakelarchitektur widerstanden? Er entsagte ihr, indem er das Gewicht des Lokalen akzeptierte und seinen ästhetischen Eigensinn auf den Röhrenvorhang und den Goldton der Fassade beschränkte. "Die Architektur nimmt sich zurück", bekräftigt Foster. "Es werden die Kunstwerke sein, die diese Räume zum Leben erwecken. Und ich weiß, wovon ich spreche. Seit vielen Jahren kooperiere ich auch als Sammler, Kurator und Mäzen mit Künstlern, um großformatige Werke in die zahlreichen von mir entworfenen Gebäude zu integrieren." Am Ende schlüpfen wir wieder durch die Öffnung im Zaun auf den Museumsplatz und blicken blinzelnd auf die gleißende Kiste, in der sich die Frühlingssonne spiegelt. Das Metall soll bald matter werden und sich farblich der Ockernuance der historischen Anlage annähern. "Die Qualität von Städten und Plätzen lässt sich am Reißbrett entwerfen, ihre Schönheit kommt durch die Zeit", hat Renzo Piano, selbst ein Großmeister des Museumsbaus, einmal gesagt. Schon jetzt lassen sich die Konturen dieser Schönheit erahnen.      

 Eröffnungstage im Lenbachhaus: 8. bis 12. Mai, 10–22 Uhr. Danach: Di–So, 10–20 Uhr