The National in ihrem Studio in Upstate New York © Josh Goleman

So lässt sich auch First Two Pages of Frankenstein, wie so viele Alben von The National zuvor, auf ganz verschiedene, immer aber auch konkrete Weisen lesen. Als Szenen einer Ehe – was biografisch für die Musiker zwischen Mitte 40 und Anfang 50 naheliegend scheint – oder einer Bandbeziehung, aber eben auch als die Geschichte zweier Teenager, die sich im Pathos der ersten großen Liebe trennen, also partout nicht trennen wollen. "This isn't helping", singt Berninger im Duett mit Phoebe Bridgers. Der gleichnamige Song konterkariert zwei unterschiedliche Kommunikationsstrategien des Beziehungskrisenmanagements: "Volles Vertrauen" versus "Vertrau mir halt einfach".

In Tropic Morning News geht es vordergründig um Doomscrooling. Partner, Freunde, alles, was um einen herum ist, wird übersehen zugunsten eines Wetterberichts am anderen Ende der Welt. Dieses Dauerabgelenktsein ist Zeitdiagnose, klar, es ist aber auch Universalie einer jeden Beziehung, in der Routinen Aufmerksamkeit töten. Einer der wunderbarsten Sätze des Albums fällt hier: "I'll be over here lying near the ocean making ocean sounds." Das ist kryptisch und konkret. Eine lakonische Strandszene und eine Szene des Verlorenseins am metaphorischen Ozean der Zeitläufte.

In Eucalyptus singt Berninger über posttrennungspragmatische Fragen. Wer bekommt den Teppich? Wer die Glotze? Nimm du mal! "If I miss it, I'll visit!" Mit The Alcott eruiert ein weiteres Duett, diesmal mit Taylor Swift, die Magnetfelder zwischen den beiden Polen einer toxischen Beziehung: "Everything that's mine is a landmine." Mit der Zeit wirkt das aber doch ein wenig didaktisch. Ist First Two Pages of Frankenstein noch The National oder schon Beziehungsratgeber-Pop? Liegt bei Berninger gar selbst etwas im Argen? Gegenüber dem Guardian sagt er: Nö. Aber gerade, weil er in den Abgrund schaue, führe er eine so gesunde Ehe. Ah, okay. So klingt's auch.

Trotz vieler gelungener Songs ist First Two Pages of Frankenstein nicht das beste Album von The National. Gerade ihrer Neigung, sich zu verplätschern, gibt die Band diesmal zu oft nach. Musikalisch kommt es einem vor, als hätten sich die maßgeblichen Songwriter Berninger und Aaron Dessner gliederweise bei ihren ersten acht Platten bedient und diese zu einem Frankenstein vernäht. Hier ein Stadionhymnen-Arm vom Album Trouble Will Find Me, dort ein Countryrock-Beinchen aus Sad Songs For Dirty Lovers. Daneben winkt eine bekannte Klavierhand, oder es schnalzt ein vertrauter Melodieversatz über Berningers Zunge. Für gute Songs reicht das noch, für die große unglückliche Liebe nicht mehr.

"First Two Pages of Frankenstein" von The National erscheint am 28. April bei 4AD/Beggars/Indigo.