Eine Szene am Rande der Schau von Rebekka Ruétz bei der Berliner Modewoche: Ein Prominenter sitzt in der ersten Reihe am Laufsteg, als sich eine Kamera mit der dazugehörigen blonden Promi-Reporterin an ihn heranschiebt. Der Mann ist aus einer Fernsehsendung bekannt – also duzt ihn die Reporterin selbstverständlich: "Na, jetzt sitzt Du ja so ganz dicht dran an den Mädels, wie ist das so für Dich?", fragt sie ihn. Und schiebt hinterher: "Auf was freust Du Dich am meisten – auf die Klamotten oder auf die Frauen?"

Es sind diese Momente, in denen man Mitleid bekommt mit prominenten Menschen, die ständig brunzdumme Fragen vor laufender Kamera beantworten müssen. Doch das Mitleid wird gleich geringer, wenn der Prominente dann antwortet: "Es geht hier ja um Frauenkleider, da ist ja nichts für mich dabei. Also guck ich mir vor allem die Models an."

Dieser kleine Dialog ist symptomatisch für die Beschäftigung vieler Medien hierzulande mit Mode. Der Dame wäre es im Traum nicht eingefallen, einen männlichen Besucher einer Schau von Rebekka Ruétz zu fragen, was er an den Kreationen von Rebekka Ruétz schätzt. In vielen Medien steht Mode einfach synonym für "Klamotten, die von Mädels getragen werden". Und eine Fashion Week ist eine Veranstaltung, wo ganz, ganz viele Mädels ganz, ganz viele Klamotten anhaben.

Je erfolgreicher eine Modewoche ist, desto mehr Mädels sind mit umso mehr Klamotten auf dem Laufsteg – am besten natürlich mit den Kleidern großer Marken, die man aus der Werbung kennt. Nach diesen Maßstäben wird jedenfalls gerne die Mercedes Benz Fashion Week in Berlin bewertet. So erkannte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unlängst: "Hugo Boss? Escada? Rena Lange? Wer auf dem Programm zur Fashion Week diese oder andere bekannte deutsche Modemarken sucht, wird vergeblich suchen, sie sind nicht dabei." Das Blatt schloss daraus, dass es in Berlin die Modeschau "des kleinen Mannes" gebe.

Doch Mode ist nicht einfach das Zeug, das Frauen so tragen, Mode ist eine in Kleidung ausgedrückte Antwort auf die Zeit, in der wir leben. Und ob eine Modewoche eine Relevanz hat, lässt sich nicht nur an der Marktmacht der Marken bewerten, die sich dort zeigen. Und nicht einmal daran, wie viele Messen in der Stadt wie viele Besucher anlocken (es waren dieses Jahr 250.000). Ob eine Modewoche eine Bedeutung hat, lässt sich vor allem daran erkennen, ob dort gute Mode gezeigt wird.

Das Bild einer Frau, die zu der Stadt passt

Heute endet die Fashion Week. Wie jede andere Modewoche auf der Welt bot die Schau in Berlin alles: grauenhaften Kitsch, mittelmäßige Kaufhausmode und hervorragende Design-Talente. Leider werden die modischen Missverständnisse bevorzugt dort gezeigt, wo die dazu passenden Prominenten in der ersten Reihe sitzen. Jene, die glauben, eine mit Strass besetzte Strumpfhose sei Glamour. Die wirklich relevanten Präsentationen in Berlin sind meist jene, bei denen die Designer wollen, dass über die Kollektion gesprochen wird – und nicht darüber, wer in der ersten Reihe gesessen hat.

Die Mode, die in der vergangenen Woche in Berlin zu sehen war, ist so gut und so relevant wie nie zuvor. Sie wurde kreiert von Designern, die zeigen, wie diese Stadt sie inspiriert. Mit ihrer Unruhe, der umtriebigen Kunstszene, dem zerstörerischen Nachtleben und der sympathischen Unfähigkeit, irgendetwas richtig auf die Reihe zu kriegen. Ihre Mode spiegelt das Bild einer Frau, die zu dieser Stadt passt. Wie Yves Saint Laurent, Christian Dior und Coco Chanel einmal das Bild der Parisienne prägten, entsteht heute ein Bild der modernen Berlinerin. Der Berlinienne gewissermaßen.

Die Mode dreht sich um eine international geprägte Frau, die eher in ihren Dreißigern ist als in den Zwanzigern. Sie verdient ihr eigenes Geld und gibt es auch gerne selbst aus. Sie will mit der Mode nicht ihr Trendbewusstsein, sondern ihre Individualität ausdrücken. Sie wählt Marken, die ihre Kennerschaft erahnen lassen und nicht nur ihren Geldbeutel. Und Mode ist nur eines von vielen Dingen, die sie interessieren.