Auf den Schienen im nordgriechischen Ort Idomeni kauernd, kann Khardga Magal sein Pech noch immer kaum fassen. Zwei Jahre arbeitete der Elektriker aus Udayapir in Nepal im irakischen Kirkuk, als er sich Mitte Oktober zum überhasteten Aufbruch aus der umkämpften Stadt entschied: "Die Bombardierungen und Explosionen waren kaum mehr zu ertragen. Ich wollte einfach weg."

Auf der kostspieligen und gefährlichen Schlauchbootüberfahrt von der Türkei nach Griechenland kamen dem Nepali seine Papiere abhanden. Und als er vor 15 Tagen endlich die griechisch-mazedonische Grenze erreichte, kam er wenige Stunden zu spät: "Sie sagten mir, dass sie nur noch Afghanen, Iraker und Syrer durchlassen." Die kurz vor ihm gereisten Freunde hätten ihm mittlerweile Mails aus Deutschland und Norwegen geschickt, sagt Khardga: "Sie schreiben, dass es ihnen gut geht. Und ich hänge hier fest." 

Zumindest regnet es nicht mehr. Unablässig tuckern die Stromgeneratoren der Imbissbuden, vor denen sich die Neuankömmlinge aus den über den Bahndamm rumpelnden Bussen drängeln. Ausdruckslos beobachten ihre Leidensgenossen vor ihren Iglu-Zelten im Schotterbett der Bahngleise die eilig in den mazedonischen Norden ziehenden Flüchtlingsgruppen: Für die unfreiwilligen Camper von Idomeni ist die nur wenige Meter entfernte Grenze schon seit über zwei Wochen fest verschlossen.

Auf Druck der EU versuchen die Transitstaaten auf der sogenannten Balkanroute seit Mitte November, den Flüchtlingsandrang zu reduzieren. Wie Slowenien, Kroatien und Serbien lässt auch Mazedonien seitdem nur noch Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak und Syrien offiziell über seine Grenzen passieren. Migranten anderer Nationen hat die Regierung in Skopje mit stillschweigender Zustimmung Brüssels pauschal zu Wirtschaftsflüchtlingen erklärt.  

Mit der "eigenwilligen Sortierung" der Flüchtlinge verstoße Mazedonien "gegen die Prinzipien der EU", erbost sich der griechische Zivilschutzminister Niskos Toskas. Ob Eritrea, Pakistan oder Somalia: Tatsächlich steht kaum ein Land, dessen Bürger in Idemoni die Weiterreise verweigert wird, auf irgendeiner EU-Liste von als sicher deklarierten Herkunftsstaaten.

Auch Jasmin Redzepi von der Hilfsorganisation Legis in Skopje ist von der Teilsperrung der Grenze keineswegs begeistert. Diese bringe nur die Schlepper zurück ins Geschäft, sagt er und verweist auf 40 Flüchtlinge, die zu Wochenbeginn im mazedonischen Dorf Vaksince nahe der serbischen Grenze festgesetzt wurden: "Grenzschließungen halten keine Flüchtlinge auf, sondern sorgen nur dafür, dass sie andere Wege und Routen suchen." 

Die neuen Hürden hätten keineswegs die Transit-, sondern die Zielstaaten "im Norden" beschlossen, ist er überzeugt: "Mazedonien ist nur der letzte Stein im Domino der Grenzschließungen. Es ist absurd, ein Nicht-EU-Mitglied für eine EU-Entscheidung verantwortlich zu machen."

Fragen beantwortet Jalal mit einer Gegenfrage: "Wann werden sie uns endlich durchlassen?" Vor 24 Jahren habe er im Zweiten Golfkrieg für das Rote Kreuz im Irak noch als Dolmetscher gearbeitet, berichtet der 54-jährige Iraner. Doch nun sind der Mann aus Abadan und sein Neffe selbst ins Räderwerk der Politik geraten: "Sie sagen, in Syrien und im Irak ist Krieg, bei euch nicht. Was denken sie, dass wir Terroristen sind?" Im Iran gebe "es keine Luft zu atmen", sagt Jalal: "Wir wollen von denen nichts, nur durchreisen zu den Verwandten in Holland." Wie es weitergehen solle? Er zuckt mutlos mit den Schultern: "Wir haben noch 150 Euro – mehr nicht."