Es war nicht anders zu erwarten. Wer die von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron gewünschte Rentenreform abgelehnt und die komplette Rücknahme der Pläne gefordert hatte, ist auch an diesem Mittwoch nicht zufrieden. Der Aufruf zum Streik sei "mehr denn je" gerechtfertigt, ließ die führende Protestgewerkschaft CGT gleich wissen, nachdem Premierminister Édouard Philippe die Details der Reform dargelegt hatte. Der seit einer Woche andauernde Ausstand wird das Land also vorerst weiter lahmlegen.

Das ist die schlechte Nachricht für die große Mehrheit der Menschen, die seit Tagen nur mühselig an ihren Arbeitsplatz gelangen. Nur sehr wenige öffentliche Verkehrsmittel sind in Betrieb. Viele der zwölf Millionen Fahrgäste, die die Busse, U-Bahnen und Trambahnen der Pariser Verkehrsbetriebe RATP täglich nutzen, trifft man derzeit zu Fuß, auf Fahrrädern oder Tretrollern an. Mit Glück bei Sonnenschein wie am Dienstag- und Mittwochmorgen, mit Pech bei strömendem Regen und peitschendem Wind wie am Montag. Auf den Ringstraßen rund um die Hauptstadt stauen sich Autos auf Hunderten Kilometern.

Premier Philippe versucht das Naheliegende: Einen Keil in die gestern noch vereint Verärgerten zu treiben. Die ab 2025 geplante Vereinheitlichung der aktuell 42 verschiedenen Rentensysteme in ein für alle gleichermaßen geltendes Punktesystem soll erst für die Geburtsjahrgänge ab 1975 gelten. Das heißt, im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen bleiben zwölf Jahrgänge außen vor. Darunter die auch in Frankreich geburtenstarken Jahrgänge der Sechzigerjahre. Das verkleinert die Gruppe der Gegner enorm.

Bei der Staatsbahn SNCF und den Pariser Verkehrsbetrieben RATP, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute je nach Tätigkeit mit 52 oder 57 in Rente gehen dürfen, soll die Regelung sogar nur für die Jahrgänge ab 1980 beziehungsweise 1985 gelten. Den zu Beginn ihrer Laufbahn schlecht verdienenden Lehrern verspricht Philippe einen finanziellen Ausgleich. So soll ihnen nicht schaden, dass künftig nicht mehr das letzte halbe Jahr der Beamtenlaufbahn für die Berechnung der Ruhestandsgelder gilt, sondern das ganze Berufsleben. Und Selbstständige sollen nicht sofort, sondern über einen Zeitraum von 15 Jahren gestreckt höhere Beiträge in die Rentenkassen einzahlen müssen. Das war vor allem ein Anliegen von kleinen Handwerksbetrieben und Einzelhändlerinnen, aber auch von Hebammen oder Anwälten.

"Ich garantiere, dass niemand benachteiligt wird", sagte der Premier. Das Versprechen lässt sich nicht ganz halten. Zumindest Gutverdienende werden künftig privat vorsorgen müssen, wenn sie auf die gleiche Rente kommen wollen wie heute. Für die Berechnung der staatlichen Ruhestandsgelder wird nämlich eine Grenze bei einem Jahresverdienst von 120.000 Euro gezogen. Für jeden Euro mehr wird zwar ein Solidaritätszuschlag in die Rentenkassen fällig – er berechtigt aber zu nichts.

Diese Umverteilung von Vermögen von oben nach unten müsste eigentlich der politischen Linken und auch den Gewerkschaften gefallen. Schließlich werfen sie Präsident und Regierung stets vor, im Interesse der Reichen zu handeln.