Diese Reise der Außenministerin nach Südafrika sollte eigentlich länger dauern. Aber dann kam am Wochenende das russische Spektakel mit Wladimir Putin und dem Söldnerchef Jewgeni Prigoschin dazwischen, das die Bundesregierung kalt erwischt hatte. Und so musste Annalena Baerbock am Montag erst einmal zum Außenministertreffen nach Luxemburg und ihren Besuch in Südafrika auf einen Tag zusammenstreichen. Kein Besuch in Kapstadt, keine Gespräche mit der LGBTQI-Community, keine Verbeugung vor Desmond Tutus Erbe im Old Granary. Doch die verschobene Weltlage kam Baerbock für ihren Besuch in Pretoria durchaus zupass.

Im Verhältnis zwischen den einstigen Partnern Südafrika und Deutschland sind Risse sichtbar geworden. Schon während der Corona-Pandemie fühlte sich das Land wie so viele andere in Afrika von Europa im Stich gelassen. Auch von Deutschland. Man zerstritt sich über den Zugang zu Impfstoffen und Patenten. Und während Deutschland die ökonomischen Folgen der Pandemie mit Milliardenpaketen abfedern konnten, brachen in Südafrika Tourismus und Handel ein.

Kaum war Corona halbwegs vorbei, begann der russische Krieg gegen die Ukraine und damit die nächste Krise: Inflation, Getreideknappheit, steigende Treibstoffpreise. Stundenlange Stromausfälle gehören in Südafrika inzwischen zum Alltag, weil das Land eine Energiekrise durchlebt – auch verschuldet durch die grassierende Korruption im Land. Die EU will Südafrika mit 8,5 Milliarden Euro dabei unterstützen, von der Kohle loszukommen und eine grüne Energiewende einzuleiten, Deutschland will dafür 1,1 Milliarden Euro zahlen. Doch noch fließt das Geld nur zäh – groß ist die Sorge, dass es in den falschen Kanälen verschwindet.

Am Dienstagmorgen im Außenministerium in Pretoria begrüßt Baerbock ihre südafrikanische Kollegin Naledi Pandor mit Küsschen links und rechts, dann reden sie für eine halbe Stunde unter vier Augen. Man duzt sich, die beiden Frauen kennen sich bereits von gemeinsamen G20-Treffen. Dieses Mal sind die Gespräche in der binationalen Kommission der Anlass, die zwei Stunden dauern werden. Es gibt Themen, die Baerbock und Pandor verbinden: der Kampf für Frauenrechte etwa, weil Frauen so oft Opfer von Kriegen sind, aber so selten an Friedensverhandlungen teilnehmen. Und dann gibt es Themen, die sie trennen: Derzeit ist das vor allem das Verhältnis zu Russland.

ANC hält an Loyalität zu Russland fest

Als Südafrika sich zum ersten Jahrestag des Krieges wieder einmal bei der UN-Resolution zum russischen Angriffskrieg enthielt, war der Frust bei den Deutschen groß. Südafrika beansprucht für sich Neutralität, fasst diese aber unverhohlen parteiisch auf, auch wenn Außenministerin Pandor nun neben Baerbock darauf beharrt, dass Südafrika in keinem Punkt die russische Seite unterstütze. Doch erst kürzlich hielt die südafrikanische Armee ein Marinemanöver mit dem russischen Militär ab. Die Regierung hieß den russischen Außenminister Sergej Lawrow als Gast willkommen und vermeidet tunlichst, den russischen Überfall ausdrücklich zu verurteilen. Als die USA jedoch vor 20 Jahren ihre völkerrechtswidrige Invasion des Irak begannen, fand der Afrikanische Nationalkongress (ANC) eindeutige Worte gegen den Krieg.

Die älteren Generationen des ANC halten an Loyalität zu Russland fest, weil Moskau einst den Kampf gegen das Apartheidregime unterstützte – im Gegensatz zu den USA und anderen westlichen Regierungen. Kader der Befreiungsbewegung ANC wurden in der Sowjetunion ausgebildet, der militärische Flügel des ANC konnte sich in sowjetischen Trainingslagern auf den Kampf vorbereiten. Auch Südafrikas Außenministerin ist von dieser Generation geprägt. Ihr Vater war ein Wegbegleiter von Nelson Mandela, leitete die Jugendbewegung des ANC und musste schließlich ins Exil fliehen. Tochter Naledi führte die Ideen des Vaters fort. Seit 1994 ist Pandor Abgeordnete für den ANC. Die einstige Verbundenheit ist noch immer spürbar. Dass die Ukraine ebenso zur Sowjetunion gehörte wie Russland; dass viele ANC-Kader auch an ukrainischen Universitäten studierten, wird heute in Südafrika großzügig ausgeblendet – ebenso wie die Tatsache, dass die ukrainische Seite sich in einem Kolonialkrieg wähnt, in dem sie ihre Existenz gegen ein imperiales Russland verteidigen muss.