Im Iran ist die Zahl der Hinrichtungen dramatisch gestiegen. Das geht aus einem Bericht von Amnesty International hervor. Für das Jahr 2023 dokumentierte die Menschenrechtsorganisation 853 Hinrichtungen – 48 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Anstieg zeige, dass die iranischen Behörden nach den Massenprotesten der Bewegung Frau Leben Freiheit verstärkt die Todesstrafe einsetzten, um die "Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen".

Im Iran hatte es ab September 2022 landesweit Massenproteste gegen die islamistische Führung in Teheran gegeben. Auslöser war der Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam, nachdem sie wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kleiderordnung festgenommen worden war. Die iranischen Behörden gingen brutal gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten vor. Viele Aktivistinnen und Aktivisten wurden verhaftet, einige sogar zum Tod verurteilt.

Viele Hinrichtungen wegen Drogendelikten

Mehr als die Hälfte aller Hinrichtungen im vergangenen Jahr wurden Amnesty International zufolge im Zusammenhang mit angeblichen Drogendelikten vollstreckt. Dies sei eine Steigerung von 89 Prozent gegenüber 2022 und 264 Prozent gegenüber 2021. 

Auch im laufenden Jahr gab es dem Bericht zufolge bereits zahlreiche Hinrichtungen im Iran: Zwischen dem 1. Januar und dem 20. März seien 95 Menschen auf diese Weise getötet worden, schreibt Amnesty. Es sei aber – wie auch in den Vorjahren – von einer höheren Dunkelziffer auszugehen.

Amnesty fordert Reaktion der Bundesregierung

Die massenhafte Anwendung der Todesstrafe bei Drogendelikten und nach grob unfairen Verfahren sei ein besonders eklatanter Machtmissbrauch, schreibt Amnesty. Nach völkerrechtlichen Kriterien dürfe für Drogendelikte niemals die Todesstrafe verhängt werden. Hinrichtungen wegen Drogendelikten erfolgen dem Bericht zufolge im Iran zudem häufig im Geheimen – ohne dass Familien und Rechtsbeistände der Verurteilten benachrichtigt würden.

"Die massenhaften Hinrichtungen im Iran müssen spürbare diplomatische Konsequenzen haben", forderte der Amnesty-Vizegeneralsekretär in Deutschland, Christian Mihr. "Ansonsten werden sich die iranischen Behörden ermutigt fühlen, in den kommenden Jahren weitere Tausende Menschen ungestraft hinzurichten." Er forderte von der Bundesregierung, die Möglichkeit der universellen Gerichtsbarkeit zu nutzen, um iranische Verantwortliche auch in Deutschland zur Rechenschaft zu ziehen.

Der UN-Menschenrechtsrat stimmt in dieser Woche darüber ab, ob das Mandat der UN-Untersuchungskommission und des Sonderberichterstatters zum Iran verlängert wird. Amnesty International bezeichnete eine solche Verlängerung als wünschenswert. Es müssten weiter Beweise über die Menschenrechtsverletzungen dort gesammelt werden, mahnte die Organisation.