736 Abgeordnete sitzen jetzt im Bundestag, 282 sind neu dabei. Was wollen die Neuen im Parlament bewirken, welche Prägung und Lebenserfahrung bringen sie mit und was hat sie in ihren ersten Tagen überrascht?  ZEIT ONLINE stellt ausgewählte Abgeordnete vor.

Heute Frank Rinck, 34 Jahre, der für die niedersächsische AfD in den Bundestag eingezogen ist. Der gelernte Landwirt führt mit seiner Frau einen Agrarbetrieb in Uelzen und ist Vater zweier Kinder (18 und sechs Monate). 

ZEIT ONLINE: Herr Rinck, der Bundestag hat 736 Abgeordnete. Warum braucht es hier gerade Sie?

Frank Rinck: Als Landwirt möchte ich im Bereich Agrar- und Umweltpolitik mitarbeiten. Ich bin dem ländlichen Raum sehr verbunden. Der Fokus der Bundespolitik auf E-Mobilität und die hohen Energiekosten treffen die Menschen auf dem Land stärker als in den Städten. Zu viele Agrarbetriebe sterben oder werden gelähmt durch Zertifizierungen und Subventionsanträge – sprich durch jede Menge Bürokratie.

ZEIT ONLINE: Als AfD-Politiker müssten Sie die vor allem von der EU gezahlten Subventionen eigentlich ablehnen. 

Rinck: Ja, Subventionen verzerren den Wettbewerb. Lieber wäre mir, wir kämen ohne aus. Doch ohne EU-Unterstützung können Agrarbetriebe nicht wirtschaftlich arbeiten. 

ZEIT ONLINE: Können Sie Ihr eigenes Unternehmen überhaupt weiterführen, wenn Sie als Bundestagsabgeordneter regelmäßig in Berlin sind? 

Rinck: Ich erledige als Dienstleister Transport- und Feldarbeiten, für die andere Landwirte sich keine eigenen Maschinen kaufen. Das werde ich jetzt nicht weitermachen können. Schon während meiner Kandidatur habe ich keine neuen Mitarbeiter mehr eingestellt. Meine Frau wird nur unseren Stall für Pensionspferde weiterbetreiben. 

ZEIT ONLINE: Sie haben als Bundestagsabgeordneter jetzt eine BahnCard 100, der Fahrdienst des Bundestages bringt Sie auf Wunsch überall hin, Ihre Abgeordnetendiät beträgt 10.000 Euro im Monat – und das, obwohl die AfD auf das Berufspolitikertum schimpft. Macht Ihnen das kein schlechtes Gewissen? 

Rinck: Der gesamte Apparat, die wachsende Größe des Bundestages – das ist schon atemberaubend, wie viel Geld hier verbrannt wird. Ich finde: Abgeordnete brauchen keine BahnCard 100 erster Klasse, die zweite Klasse hätte durchaus gereicht. 

ZEIT ONLINE: Die AfD sitzt im Bundestag in der Opposition, sie wird von den anderen Fraktionen gemieden. Wie stellen Sie sich da die inhaltliche Arbeit vor?

Rinck: Es ist sicherlich schwierig, aber es gibt immer wieder Themen, wo sich die Meinungen überschneiden, und in diesem Fall sollte es egal sein, aus welcher Partei die Stimmen kommen.

ZEIT ONLINE: Führende AfD-Politiker werden immer wieder auch für menschenfeindliche Äußerungen kritisiert. Wie können Sie sich für eine solche Partei engagieren?

Rinck: Ich finde es falsch, dass die Medien uns pauschal verurteilen, zum Beispiel als rechtspopulistisch bezeichnen.

ZEIT ONLINE: Aber die AfD bedient sich doch des Populismus als Kommunikationsmittel?

Rinck: Wenn eine Partei nicht regiert, hat sie es eben schwerer, sich so darzustellen, dass sie auch aus dem Plenarsaal herausdringt. 

ZEIT ONLINE: Trotzdem ist die Wortwahl beispielsweise von Alice Weidel und Björn Höcke ein bewusster Tabubruch. Fraktionschefin Weidel sprach im Bundestag von "Kopftuchmädchen und alimentierten Messermännern"...

Rinck: Alice Weidel wollte mit ihrer Äußerung natürlich provozieren und auf Kriminalität und die Einwanderung in die Sozialsysteme hinweisen. Ihre Äußerungen sind übrigens von der Meinungsfreiheit gedeckt. Andernfalls wäre sie bestraft worden. Unabhängig davon, ob ich diese Wortwahl persönlich gut finde – sie hat sich damit Gehör verschafft. 

ZEIT ONLINE: Ihre Partei bezeichnet sich doch selbst als Rechtsstaatspartei. Wie passt das zusammen damit, dass Sie Menschen wegen ihrer Herkunft pauschal verurteilen oder herabwürdigen? 

Rinck: Die anderen Fraktionen beschimpfen uns ebenfalls pauschal regelmäßig als Nazis und als Rechtsextreme. Doch ich bin weder rechtsextrem noch ein Nazi. Es gibt richtig und es gibt falsch, unabhängig der Herkunft. Und letzteres muss man deutlich kritisieren.

ZEIT ONLINE: Fraktionskollegen von Ihnen sympathisieren mit der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung, die eine ethnisch reine Bevölkerung anstrebt ...

Rinck: Ich tue das nicht, ich habe weder Kontakt noch Berührungspunkte. Die Identitäre Bewegung steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD – wer sich dort engagierte, darf kein AfD-Mitglied werden. 

ZEIT ONLINE: Es gibt Fotos, die Sie mit Lars Steinke zeigen, der lange Zeit der Bewegung nahestand. Steinke nannte den Hitler-Attentäter Stauffenberg einen Verräter und wurde dafür aus der AfD ausgeschlossen ...

Rinck: Das Foto ist von 2018, wo Steinke als Vorsitzender der JA und ich als Mitglied des Landesvorstandes der AfD Niedersachsen im Bereich Jugendarbeit häufiger zusammenkamen. Das war ein Jahr vor seinem Parteiausschluss. Ich habe heute keinen Kontakt mehr zu ihm.

ZEIT ONLINE: Warum kritisieren Sie diese in Ihrer Partei zu beobachtenden Sympathien zu diesen neurechten Gruppen nicht lauter? 

Rinck: Das ist Aufgabe unserer Führung und Fraktion und Partei. Die müssen Leuten, die diese Kontakte pflegen, auf die Finger klopfen.