Wenn ich als Kind überdreht war, sagten meine Eltern etwas von "Schlafflöhen" und schickten mich zu Bett. Jetzt hat mich und zwei der Wandergenossen eine ganze Floh-Herde gebissen. Ich kann nicht mehr, es ist soweit! Acht Uhr früh, vor uns ein Geröllfeld, erste Mitwanderer ziehen dampfend ihre Hosen aus und mich packt ein Lachanfall, so schlimm, dass ich Angst habe, mich zu verletzen. Herr Gott, ist das komisch – da sollen wir jetzt rauf? Hans zeigt auf eine Lichtung, 1400 Höhenmeter von hier, steil die Wand hoch. Alles klar! Mein Nachbar klopft sich auf die Schenkel. Wir sind so was von bettfertig.

Der Aufstieg klappt einwandfrei. Überhaupt, hochsteigen ist ein Kinderspiel im Vergleich zum Runterstapfen, alte Bergsteigerweisheit, von Orthopäden und nun auch von meinem linken Knie bestätigt. Meinen Füßen geht es richtig schlecht. Wer hat diese Schuhe in Größe 38 für mich gekauft?

  Henning, Arzt aus Berlin, sagt später, für ihn hat die Wanderung die Erfahrung gebracht, dass er sich "in Extremsituationen auf seinen Körper verlassen könne, und er ihn noch weiter trägt als es nur die Füße könnten." Und Evelin hat ihrem Mann, der täglich bis zu 14 Stunden arbeitet, die Tour zu Weihnachten geschenkt. "Mit dem Gedanken, dass er über mehr Lebensqualität nachdenkt." Volker wiederum sagt: "Mitgelaufen sind wir eigentlich nur, weil uns die Sache verrückt genug erschien und uns Hans Kammerlander interessiert hat." Und Claudia zitiert Edmund Hillary mit dem Satz: "Nicht der Berg ist es, den man bezwingt, sondern das eigene Ich."

Ja, aber warum verdammt sollte man so was tun wollen?

Ich denke an einen ehemaligen Kollegen der sagte, dass man am Rechner so viel esse, weil man seinen Körper wieder spüren wolle. Phänomene wie Extremsport, Magersucht, Piercing und andere Maßnahmen, die an die Grenze zur Selbstverletzung gehen, erklärt sich die Kunstwissenschaftlerin Nicola Richter so: Die Gesellschaft werde immer körperloser und abstrakter. Menschen sehnen sich mehr und mehr danach, wieder berührt zu werden.

Irgendwo dazwischen liegt wohl die Antwort.

Für die Hersteller von Outdoor-Bekleidung sind Rot, Weiß und Gelb die Farben des Abenteuers. Leider ist Funktionskleidung in der Masse kein Schmuck für den Berg (und riecht inzwischen auch nicht mehr so frisch). Wir sind eine verdammt lange Kette, vor allem, wenn man uns entgegenkommt. Andere Bergsteiger warten auf den schmalen Pfaden, bis wir vorbei sind. Wir variieren unsere Kommentare. Mal sind wir eine Sekte, dann ein Chor, auch ein mittelständischer Betriebsauflug wird uns problemlos abgenommen.

Vermutlich ist die Organisation einer solchen Tour sehr aufwendig und erst bei 40 Mitläufern wirklich rentabel. Aber schöner wäre es natürlich, wenn es auch ein bisschen kleiner ginge.