Es war das Spiel um die goldene Käserinde, und so sah es leider auch mitunter aus. Als erstes aller Teams hatten sich die Holländer bereits für das Achtelfinale qualifiziert, ganz unaufgeregt, ohne Torgala, Schiedsrichterhilfe oder Torwartpannen. Einfach sachlich und effizient. So spielten sie auch ihr letztes Vorrundenspiel gegen die angeblich unbezwingbaren Löwen aus Kamerun, die nach zwei Niederlagen aber bereits als Bettvorleger am Gruppenende gelandet waren.

Spielkontrolle im Energiesparmodus war die Devise der Elftal, deutsch irgendwie, schließlich ist in der holländischen Nationalhymne ja sogar vom deutschen Blut die Rede (dem von Wilhelm von Nassau). Mark van Bommel hat nach Jahren in Deutschland Zweikampfwerte wie Katsche Schwarzenbeck, und mit seinem implantierten Teutonen-Gen hat er auch das Team seines Schwiegervaters, des holländischen Trainers Bert van Marwijk, erfolgreich infiziert. Um vollends klarzumachen, dass diese Holländer nicht mehr wirklich Holländer sind, traten sie nicht mal mehr in Oranje an, sondern in weiß – wie England. Und Deutschland. Nur ohne deren Fehler.

Egal, was die Astralkörper aus Kamerun in ihren engen Leibchen auch versuchten – keine Minute bestand ein Zweifel daran, dass Holland dieses Spiel im Griff hatte und jederzeit eine Schippe hätte drauflegen können. Schon die erste halbe Stunde hatten Wesley Sneijder und Rafael van der Vaart eine Menge gut gedachter Pässe parat, und der Rest der Welt hätte den Mund vor Staunen nicht mehr zu bekommen, wenn all das gut Gedachte auch gut gemacht worden wäre. War es aber nicht, jedenfalls nicht bis zur 35. Minute. Dann stimmt die Betriebstemperatur endlich, Robin van Persie, als Mittelstürmer aufgeboten, kommt erstmals von seiner geliebten Außenbahn, und prompt rappelt es im Karton – 1:0.

Fortan gibt es in diesem Spiel nur zwei Fragen: Versucht sich jetzt auch diese Elftal mal am legendären totaal voetbal und wirbelt ein bisschen? Und wann kommt Arjen Robben? Bislang steht der ja nicht auf dem Platz, sondern nur im Freizeitprogramm der Holländer: Besuch auf Robben Island. Nach 72 Minuten darf er aber auch endlich spielen, da steht es bereits ziemlich überraschend 1:1. Weil van der Vaart sein unrasiertes Kindergesicht nicht von Jabulani, dem Ball, verbeulen lassen wollte und sich mit einem Handspiel im Strafraum gegen einen Gewaltschuss zu schützen versuchte – Elfmeter für Kamerun, Eto'o verwandelt.

Aber Robben hat auch in drei Wochen Verletzungspause nichts verlernt und holt in der 83. Minute seinen Lieblingstrick raus: Vom rechten Flügel nach innen ziehen und mit links ein Schlenzer aufs lange Eck. Damit hat er die Bayern schon ins Champions-League-Finale befördert, und auch hier trifft er, zwar nur den Pfosten, aber den Abpraller muss Klaas-Jan Huntelaar nur noch einschieben, um seiner Mannschaft die maximale Punktausbeute zu bescheren.

Der Rest ist Händeschütteln am Ende dieser weitgehend freundschaftlich geführten Partie, die dann doch noch einen Rekord verzeichnet: Rigobert Song, der blond gelockte Löwe, der bereits sein Gnadenkotelett in der Türkei knabbert, wird noch einmal eingewechselt, es ist seine vierte WM, damit ist er Afrikas Rekordspieler.

Die Elftal aber ist seit nunmehr einundzwanzig Spielen ungeschlagen. Und wenn sie so stocknüchtern weitermacht, wird sie wohl auch nicht den Fehler der EM 2008 wiederholen, als man nach überragender Vorrunde sang- und klanglos gegen Russland ausschied. Nun, zwei Jahre später sprechen die Spieler weiterhin unverhohlen vom Titel. Doch diesmal klingt es weniger großmäulig als sonst immer, sondern eher entschlossen bürokratisch. Vor diesen Holländern muss man sich wirklich in Acht nehmen.

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