Die Basketballer der Orlando Magic waren schon auf dem Parkett. Sie wärmten sich auf für ihr Play-off-Spiel gegen die Milwaukee Bucks, das am Mittwochabend deutscher Zeit angepfiffen werden sollte. Es gab bloß ein Problem: Der Gegner war nicht da. Die Bucks aus dem US-Bundesstaat Wisconsin weigerten sich, aufs Feld zu kommen und zu spielen. Eine Konsequenz aus den Schüssen auf Jacob Blake. Ihm ist am Wochenende in Kenosha in Wisconsin von der Polizei siebenmal in den Rücken geschossen worden und er wird wohl gelähmt bleiben. 

Vier Minuten vor Spielbeginn verließen auch die Spieler aus Orlando das Feld. Das Spiel wurde abgesagt, im Laufe des Abends gar der ganze Spieltag, auch drei Spiele der Baseballliga MLB und fünf Fußballpartien der MLS fanden nicht statt. An diesem Donnerstag wird auch kein Tennismatch der Western & Southern Open in New York stattfinden, ein Vorbereitungsturnier auf die US Open. Naomi Ōsaka weigerte sich zu spielen und sagte: "Ich habe es satt, die immergleiche Debatte zu führen. Wann ist es endlich genug?" Ein Sporttag, der in die US-Geschichte eingehen wird. 

Komplette Teams, die sich weigern zu spielen, und Teambesitzer, die ihre Spieler dabei unterstützen – so etwas gab es noch nie. Die bisherigen ikonischen Proteste schwarzer US-Sportler gegen Rassismus, wie die nach oben gereckten Fäuste von Tommie Smith und John Carlos bei den Olympischen Spielen 1968 oder der kniende Footballstar Colin Kaepernick 2016, waren das Werk Einzelner. Und auch wenn das simple Wegbleiben der Basketballstars nicht so bildgewaltig daherkommt wie die früheren Proteste, so hat es doch eine völlig neue Qualität. 

"Wir fordern Gerechtigkeit für Jacob Blake", begannen die beiden Bucks-Spieler George Hill und Sterling Brown am Mittwochabend ein Teamstatement. "Damit dies geschieht, muss der Gesetzgeber des Bundesstaates Wisconsin nach Monaten der Untätigkeit sinnvolle Maßnahmen ergreifen, um Fragen der Verantwortung der Polizei, der Brutalität und der Reform der Strafjustiz anzugehen." So politisch waren Sportler wohl noch nie. 

T-Shirts tragen reicht ihnen nicht mehr

Schon lange kamen besonders aus der NBA kritische Stimmen zur Polizeigewalt in den USA. Die Basketballliga gilt als progressivste Liga im Land, Spieler und Vereine mischen sich schon seit längerer Zeit lautstark in Debatten ein. Ihr größter Star, LeBron James, wurde zu einer Symbolfigur im Kampf gegen Rassismus. Immer wieder greift er öffentlich den US-Präsidenten Donald Trump an. Schon 2014, als Eric Garner starb, nachdem er von Polizisten im Würgegriff gehalten wurde, trug James beim Aufwärmen vor einem Spiel ein Shirt mit der Aufschrift "I can’t breathe". Andere Spieler nahmen an Demonstrationen teil. Die Spielergewerkschaft steht auch jetzt hinter den Protesten.

Doch das scheint den Spielern und Trainern nun nicht mehr zu reichen. Nicht zuletzt der Fall von Jacob Blake scheint ihnen das Gefühl gegeben zu haben, dass all ihr Engagement, das Knien während der Hymne oder das Tragen von Black-Lives-Matter-Shirts, nichts verändert. Einige glauben gar, sie würden durchs Basketballspielen die Öffentlichkeit von den wahren Problemen des Landes ablenken. "Um ehrlich zu sein, hätten wir gar nicht erst an diesen verdammten Ort hier kommen sollen", wird der Bucks-Spieler George Hill von der New York Times zitiert. "Ich denke, hierherzukommen hat nur Aufmerksamkeit genommen von dem, worum es wirklich geht." 

Die Sportstars wollen nicht mehr nur für Zerstreuung sorgen. Sie nutzen ihre Popularität, um Missstände anzuprangern. Sie hinterfragen sich und ihr Tun, denken nach über ihre Rolle als moderne Unterhaltungskünstler und ziehen Konsequenzen, wenn sie mit dieser Rolle nicht mehr einverstanden sind. Auch das ist neu und könnte den Weg bereiten für Sportler weltweit. In der absurden Debatte, wie politisch Sportler sein sollen oder per Verbandsvorschrift sein dürfen, schaffen sie Fakten.