"Schwierige Operationen wurden durchgeführt, ohne das Wissen des Patienten", schreibt der Chirurg Henry Jacob Begelow im New England Journal of Medicine ( NEJM) vom 18. November 1846 . Was im ersten Moment erschreckend nach einem Horrorfilm klingt, ist Teil eines Berichts, den das renommierte medizinische Wissenschaftsmagazin als wichtigste Entdeckung der vergangenen beiden Jahrhunderte deklariert.

Das New England Journal of Medicine feiert in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag und hat zu seinem Jubiläum die Geschichte der Medizin durchleuchtet. Auf der Suche nach bewegenden Entdeckungen, die das Fach revolutioniert haben, wurden die Redakteure fündig. Am Ende stimmten die Leser ab und befanden: Am wichtigsten sei die Möglichkeit einer schmerzfreien Operation, ohne diese bewusst miterleben zu müssen – die Narkose.

Die erste Äther-Narkose fand Mitte des 19. Jahrhunderts statt. Der Bostoner Chirurg Begelow bediente sich dieser damals neuartigen Technik und war der erste, der sie ausführlich in einem Artikel im New England Journal of Medicine beschrieb. Sollte die Inhalation des Äther-Gases tatsächlich dazu führen, dass die Patienten nichts von einem operativen Eingriff mitbekommen? Würden sie danach wieder erwachen, ohne bleibende Schäden davon zu tragen? Fragen über Fragen stellten sich die Chirurgen, ehe sie die erste Äthernarkose schließlich doch wagten und dokumentierten.

Das Ergebnis war ein voller Erfolg. Die ersten Patienten schienen kaum etwas von der Operation gespürt zu haben, das größte Problem einer Dame schienen die Gedanken an ihr zu Hause wartendes Baby zu sein, nicht etwa der Operationsschmerz.

Die moderne Medizin könnte ohne Narkose gar nicht funktionieren

Geradezu enthusiastisch berichtet der Chirurg Begelow über die bahnbrechende Entdeckung. Sein Schreibstil im New England Journal of Medicine , das bis 1928 noch Boston Medical and Surgical Journal hieß, ähnelte einer persönlichen Erlebniserzählung. "Ich denke, unter denjenigen, die bei der Operation dabei waren, besteht kein Zweifel, dass die Bewusstlosigkeit real war", schreibt Bigelow . Vom sterilen Wissenschaftston war damals noch nicht viel zu lesen. Auch die Ich-Form fand in vielen Artikeln Verwendung und zeugt von der persönlichen Leidenschaft am neu erlangten Wissen.

Die Begeisterung, die der Chirurg Begelow damals über die Geburtsstunde der Anästhesie an den Tag legte, können auch heute noch viele nachvollziehen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war die wissenschaftliche Meinung hingegen geteilt. Einige Ärzte hielten Schmerzen für einen wichtigen Teil der Heilung. Zudem hatten sie Angst davor, bei den Operationen zu weit zu gehen, wenn sie nicht durch den natürlichen Schmerz des Patienten begrenzt würden. Neben diesen fachlichen Einwänden hing der Narkose etwas Anrüchiges an, weshalb sie von vielen abgelehnt wurde: Während der Bewusstlosigkeit kam es oft zu seltsamen Träumen und das ebenfalls verwendete Lachgas war auch schon damals als Partydroge bekannt.

Entgegen aller Zweifel konnte sich die Operation am empfindungslosen Patienten durchsetzen und fand schließlich allgemeine Anerkennung. Nicht umsonst wurde dieser Artikel zum bedeutendsten in 200 Jahren ausgewählt. Die Wichtigkeit der Entdeckung zeigt sich auch noch heute. Viele Entwicklungen, wie Organtransplantationen oder Operationen am offenen Herzen, wären ohne schmerzlose Eingriffe gar nicht möglich gewesen. 

Andere Meilensteine, die zur Debatte standen, waren die erste Knochenmarkstransplantation, die Entdeckung der Impfungen, die Erkenntnis, dass die Blutplättchen aus dem Knochenmark stammen oder wichtige therapeutische Fortschritte, wie die Behandlung von Herzinfarkten mit Aspirin. Die bedeutendsten und populärsten Themen der vergangenen 200 Jahre hat das New England Journal of Medicine anschaulich auf einem Zeitstrahl visualisiert .