Insektizide sind effektive Waffen: Rigoros vernichten sie auf den Feldern Schädlinge, wie den Kartoffelkäfer. Oder Blattläuse. Oder den Fransenflügler. Und – wie sich in den vergangenen Jahren herausgestellt hat – auch nützliche Insekten, wie Bienen; ungewollt versteht sich. Diese Gefahr könnte größer sein als vermutet. So vergiften Neonicotinoide nicht nur Insekten, sondern sie schaden wohl auch Singvögeln (Goulson, 2014).

Seit Jahrzehnten nutzen Bauern verschiedene dieser toxischen Wirkstoffe, um bestimmtes Getier von ihren Pflanzen fernzuhalten. Bereits das Saatgut beizen sie mit den künstlich hergestellten Insektiziden, damit es sich umfassend im Gewächs verteilt. Längst belegen Studien, dass die Pflanzen nur einen Bruchteil der Chemikalien aufnehmen. Der Rest verliert sich in Luft und Feld. Da sie nur schwer abzubauen sind, lagern sich vermehrt Stoffe im Boden an. Die Folgen für Pflanzen und Tiere sind kaum verstanden (Goulson, 2013).

Als gesichert gilt, dass Neonicotinoide nicht allein Insekten angreifen, die die Ernte von Bauern vernichten können. Schon geringe Mengen der Chemikalien wirken sich etwa auf das Nervensystem von Bienen aus (Fischer et al., 2014). Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat schon im Januar vergangenen Jahres ausdrücklich vor drei bestimmten Wirkstoffen gewarnt. Daraufhin hatte die EU-Kommission Ende 2013 beschlossen, deren Anwendung für zwei Jahre einzuschränken und die Nebenwirkungen genauer zu erforschen.  

"Wir haben das große Ganze übersehen"

Bestätigen sich nun die Gefahren der Neonicotinoide? Seit den neunziger Jahren debattieren Wissenschaftler über die Risiken. "Die Diskussion hat sich auf Bienen fokussiert", schreibt der britische Biologe Dave Goulson im Magazin Nature, "nun aber liefert eine neue Studie starke Hinweise dafür, dass wir das große Ganze dabei übersehen haben". Die Umweltschäden seien weit umfassender als bisher gedacht (Goulson, 2014).

Die Insektizide rauben auch Singvögeln ihre Nahrungsgrundlage, schreibt das Team um den Ökologen Caspar Hallmann von der Radboud University im Magazin Nature (Hallmann et al., 2014). Die Forscher aus den Niederlanden untersuchten das Neonicotinoid Imidacloprid, das Bauern dort schon seit 1994 auf ihren Feldern gehäuft ausbringen. Seit zehn Jahren rangiert das Mittel unter den drei meist angewendeten Pestiziden – weltweit wird mittlerweile kein anderes Neonicotinoid so oft versprüht. Für Vögel und Säugetiere schien es bislang ungefährlich, attackiert es doch sehr viel stärker die Nervenzellen von Insekten. Zum Wohl der Bienen landete es jedoch bereits auf dem Index der EU. Allerdings findet sich heute mehr Insektizid in der Umwelt, als es die Standards zulassen (Van Dijk, 2013).

Um die Folgen auch für Vögel zu ermitteln, kombinierten die Forscher um Hallmann zwei bereits bestehende Langzeitdatensätze. Aus den regelmäßigen Wasserqualitätsprüfungen in den Niederlanden zogen sie die Imidacloprid-Konzentrationen in den untersuchten Regionen. Informationen über die Vogelbestände erhielten sie vom Dutch Common Breeding Bird Monitoring Scheme, das seit 1984 erfasst, welche Vögel durch Niederlandes Lüfte flattern. Insgesamt analysierten die Wissenschaftler das Leben und Sterben von 15 Arten, darunter Stare, Feldsperlinge und Goldammer. Die Tiere fühlen sich nahe Feldern besonders wohl, alle können während der Brutzeit nicht auf Insekten verzichten.