Lange gesucht und endlich gefunden: In der Serie "Ode an ein Ding" feiern wir jede Woche völlig subjektiv ein Produkt. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 26/2023.

Es ist wirklich schwierig, eine schlechte Schokolade zu machen. Das liegt in der Natur der Sache: Kakao und Zucker, gegebenenfalls Milch, mischen, da kann nicht viel schiefgehen. Schlechte Schokoladen sind deshalb oft die, die vom Erfolgsrezept abweichen. Weiße Schokolade zum Beispiel. Die schmeckt süß und fettig, aber eben nicht auf eine gute Art.

Und weil es so leicht ist, eine gute Schokolade zu machen, ist es wiederum verdammt schwer, eine herausragende Schokolade zu machen. Vieles wurde schon probiert. Man entwickelte schräge Sorten von Crispy Banana über Houjicha Matcha zu Strawberry and Cream Lakritz; man erdachte humorvolle Namen (ich meine: Jokolade) und versuchte sich in feinsinnigen Abstufungen (Dunkle Voll-Nuss, Voll-Nuss, Weisse Voll-Nuss, Crunchy Voll-Nuss).

Alles okay, aber herausragend ist das nicht. Denn eigentlich geht es bei Schokolade nur um eins: Genuss. Und zwar möglichst viel davon. Allein deshalb habe ich bei einem schlecht geplanten, weil sehr hungrig durchgeführten Supermarkteinkauf eines Tages nach Tony's Chocolonely in der Sorte Dark Milk Pretzel Toffee gegriffen. Die Tafeln von Tony's bringen nämlich nicht nur 100, sondern 180 Gramm auf die Waage. Die Rechnung ist einfach: mehr Schokolade, mehr Genuss. 

Dass es nicht bei diesem einmaligen Einkauf blieb, liegt aber natürlich am Geschmack. Die Sorte ist süß – und zwar so richtig. Keine dunkle Schokolade, bei der man, nachdem man an einem Ministück genibbelt hat, einen bitteren Pelz im Mund hat. Wahrscheinlich ist das, was Dark Milk Pretzel Toffee so süß macht, der Toffee und gar nicht die Schokolade selbst, das ist aber auch völlig egal. Genuss ist nicht, wie Weinkenner gern vorgeben, die Bestandteile eines Genussmittels bis ins kleinste Detail übererörtern, sondern sich im Gegenteil der Gesamtheit hingeben.

Und die Gesamtheit dieser Schokolade schmeckt für mich nach Kindheit im besten Sinn. Nach lange aufbleiben und beim Filmabend mit Freunden alles essen, was da ist: Schokolade, Toffee und Salzbrezeln. In der Reihenfolge, gleichzeitig und dann wieder von vorn. Es knirscht und knackt, schmilzt und schlotzt. Am Ende wissen die Geschmacksknospen nicht mehr, wo oben und unten ist, nur, dass sie unbedingt mehr wollen.

Die Tatsache, dass die Schokolade völlig unvorhersehbar und unpraktisch bricht, macht das Chaos perfekt. Statt sauber aufgereihter, immer gleicher Quadrate durchziehen wirre Linien die Schokolade und machen die Sollbruchstellen unvorhersehbar. Man kommt so gar nicht in Versuchung, den eigenen Genuss vorab zu reglementieren (nur zwei Rippchen, nur noch ein Eckchen), sondern muss mit aller Kraft abbrechen, was geht, und dann eben essen, was sich ergibt. Und meistens ist das, da bin ich ehrlich, die ganze Tafel.

Alle empfohlenen Produkte wurden von den Autorinnen und Autoren selbst gekauft und sind in vielen Fällen schon lange Teil ihres Alltags.