Zu Besuch in Sambia

Schimpansentraining in „Chimfunshi“

    Sie stehen uns am nächsten und sind dennoch vom Aussterben bedroht: Schimpansen. Schätzungen zu folge leben aktuell nur noch weniger als 300.000 in ihrem natürlichen Lebensraum. Ruben Gralki, Tierpfleger aus dem Zoo Berlin, unterstützte Kolleg*innen in Sambia vier Wochen lang mit Schulungen im Tiertraining. Hier berichtet er über seinen Aufenthalt in der Schimpansen-Auffangstation „Chimfunshi“.

    Interview mit Tierpfleger Ruben Gralki

    Was sind die Hauptgründe für die Bedrohung der Schimpansen?

    Ruben Gralki: Obwohl Schimpansen unter einem internationalen Schutzstatus stehen, ist die Jagd auf sie, neben dem Verlust von Lebensraum, die Hauptursache für ihre Gefährdung. Ausgewachsene Tiere werden Opfer des Wildfleischmarktes (Bushmeat), mit Jungtieren wird selbst über die Grenzen Afrikas hinaus gehandelt. Besonders tragisch ist, dass Videos von vermenschlicht dargestellten Affenbabys in sozialen Netzwerken die Nachfrage ankurbeln.

    Was passiert mit den Tieren, die diesen illegalen Aktivitäten entgehen können?

    Ruben Gralki: Glück im Unglück ist es, wenn sie von Behörden konfisziert werden und in einer Auffangstation unterkommen. 23 sogenannte „Sanctuaries“ sind in der „Pan African Sanctuary Alliance“ (PASA), dem größten Zusammenschluss von Wildlife Centern in Afrika, organisiert. Sie verpflichten sich zu Standards in Haltung und Umgang mit diesen Tieren. Eines der größten dieser Sanctuaries befindet sich im Norden Sambias, nahe der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo. „Chimfunshi“ bietet dort über 150 geretteten Schimpansen eine neue und sichere Heimat.

    Was genau passiert dort mit den Schimpansen?

    Ruben Gralki: Nach ihrer Ankunft durchlaufen sie eine Quarantäne und einen mitunter schwierigen, resozialisierenden Integrationsprozess. Schwierig deshalb, weil Schimpansen sehr territorial sind und in einem komplexen Sozialsystem mit strenger Hierarchie leben. Diese Gruppen müssen sich auch dort finden, um in dem viele Hektar großen, eingezäunten Waldgehegen zusammen zu leben. Besonders ist dabei, dass in Sambia selbst gar keine Schimpansen beheimatet sind, da das Land südlich des natürlichen Verbreitungsgebietes liegt.

    Warum kommen sie dann nach Sambia?

    Ruben Gralki: Die Tiere stammen oft aus Ländern, in denen keine Rettungsstationen für sie existieren oder werden mit unklarer Herkunft an Grenzen konfisziert. Der Mangel an sicheren Habitaten erlaubt in der Regel keine Wiederauswilderung. Das Risiko Krankheiten in wilde Populationen einzutragen und genetische Vermischung von Unterarten sind weitere Gründe, weshalb solche Schimpansen den Rest ihres Lebens in Sanctuaries verbringen. Sie können dort über 50 Jahre alt werden.

    Was macht „Chimfunshi“ so besonders für die Tiere?

    Ruben Gralki: Nach der Rettung ist es eine zweite Chance. Arttypische soziale Beziehungen zu entwickeln und zu pflegen, ist sicher die wichtigste Grundlage für das Wohlbefinden eines Schimpansen. Gruppengrößen von mehr als 50 Individuen erlauben das in „Chimfunshi“. In den Waldgehegen können nicht nur allabendlich Schlafnester in den Bäumen gebaut werden, wie wildlebende Schimpansen es tun, sondern es finden sich auch schmackhafte Früchte, Blätter, Sämereien, Termiten und gelegentlich Honig. Ohne zusätzliche Fütterung geht es allerdings nicht und auch eine medizinische Versorgung ist bei Bedarf gegeben. Unter anderem wegen begrenzter Kapazitäten findet eine Geburtenkontrolle statt. Kilometerlange Zäune begrenzen die Schimpansengehege. An jedes Gehege ist ein Versorgungsgebäude angeschlossen, in dem die Schimpansen gefüttert werden. Ein zeitweises Einsperren stellt sicher, dass alle Tiere ausreichend Nahrung erhalten, erlaubt gesundheitliche Kontrolle und bei Bedarf Arbeiten auf den Anlagen. Direkter Kontakt zu den Tieren besteht nicht. Die Landflächen von „Chimfunshi“ umfassen vor allem Wald, aber auch weite Ebenen und Feuchtsavannen. Verschiedenen Tieren unterschiedlicher Habitate bietet dies sicheren Lebensraum. Die Gegend ist besonders reich an Vogelarten und deshalb als „Important Bird Area“ (IBA) ausgewiesen.  

    Was bedeutet dieses Engagement für die Menschen vor Ort?

    Ruben Gralki: Neben der Rettung von Schimpansen, bietet „Chimfunshi“ den Menschen vor Ort ein geregeltes Einkommen, medizinische Versorgung und den Kindern Bildung in der projekteigenen Schule. Davon profitieren 70 feste Mitarbeitende und deren Familien, sowie 220 Schulkinder. Auf einer Farm werden Rinder gehalten und Obst und Gemüse angebaut.

    Verletzte Wildtiere werden in einer Tierklinik versorgt. Regelmäßig sind außerdem Besucher vor Ort und werden über Schimpansen und deren Bedrohung informiert.

    Wie haben Sie das Team in „Chimfunshi“ unterstützt?

    Ruben Gralki: Ich habe die Kolleg*innen vor Ort im Tiertraining ausgebildet. „Chimfunshi“ kooperiert mit internationalen Forschungsinstituten, die sich für das Verhalten von Schimpansen interessieren. Die Bedingungen und die große Anzahl an Tieren erlaubt es, vielfältige Daten zu erheben. Eine dieser Kooperationen besteht mit dem Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort entstand der Wunsch, das Handling der Tiere in den Versorgungsunterkünften zu verbessern.

    In Zoos wird dafür häufig Training mit positiver Bestärkung eingesetzt. Umgangssprachlich als „Klickertraining“ bekannt. Mit dieser Art Training von Wildtieren, haben wir im Zoo Berlin langjährige Erfahrung. Unter anderem bei der Haltung von Menschenaffen wird es oft angewendet. Die Tiere lernen dabei Gesundheitskontrollen zuzulassen, stressfrei kleine Behandlungen zu tolerieren und es bereichert ihren Alltag. Trainierte Tiere reagieren auf eine Vielzahl von Handzeichen und werden dafür mit kleinen Futterstücken belohnt. Nicht zuletzt stärkt diese Art von Umgang das Vertrauensverhältnis zwischen Tierpflegenden und Tier, was sich im Alltag positiv auswirkt.

    Wie läuft so ein Klicker-Tiertraining ab?

    Ruben Gralki: Anfänger sollten sich zuerst mit der Theorie der Konditionierung vertraut machen. Darauf beruht die Trainingsmethode. Ist eine passende Belohnung gefunden, wird der Klicker als sogenannter konditionierter Verstärker etabliert. Das Arbeiten mit einem Target und vor allem das richtige Timing beim Klicken ist wichtig und verlangt etwas Übung.

    Um Verhaltensweisen auf Handzeichen abrufbar zu machen, müssen die Trainierenden ein Trainingsziel, zum Beispiel das Präsentieren eines Körperteils, in kleine Schritte zerlegen. Das „Formen“ des Verhaltens in diesen Schritten unterliegt wiederum mehreren Regeln die zu beachten sind. Dabei ist es unabdingbar, dass Training dem Futterplan und dem Tagesablauf anzupassen. Bei all diesen Dingen habe ich die Kolleg*innen in Chimfunshi unterstützt.

    Wie ist das Training bei Mensch und Schimpanse angekommen?

    Ruben Gralki: Die Kolleg*innen sind mir mit großem Interesse, Offenheit und Gastfreundschaft begegnet, wofür ich unheimlich dankbar bin. Viele Schimpansen haben gerne, regelmäßig kooperiert und bereits Grundlagen gelernt. Manche waren noch skeptisch.

    Und was bleibt?

    Ruben Gralki: Tiertraining kann sich positiv auf das Tierwohl auswirken und Arbeitsroutinen erleichtern. Mein Aufenthalt hat eine Basis geschaffen, um das Tiertraining vor Ort weiterzuentwickeln. In erstellten Trainingsplänen können Ziele festgelegt und Fortschritte dokumentiert werden. Am Ende meines Aufenthaltes konnte allen beteiligten Pfleger*innen ein Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme an dieser Fortbildung überreicht werden. Ob das Projekt langfristig erfolgreich sein wird, ist von der kontinuierlichen Fortführung des Trainings abhängig. Ich freue mich auf einen nächsten Besuch und bin sehr neugierig, wie es voran geht. Nicht zuletzt habe ich ein beeindruckendes Land, großartige Menschen und viele Schimpansen kennenlernen dürfen und selbst dabei viel dabei gelernt.

    Nicht nur durch Erhaltungszuchtprogramme und die Unterstützung von Artenschutzprojekten leisten Zoos einen Beitrag für den Artenschutz. Aus der Zootierhaltung gewonnene Erkenntnisse können für den Schutz wildlebender Populationen und Lebensräume genutzt werden.

    Mitarbeitende wissenschaftlich geleiteter Zoologischer Gärten verfügen oftmals über wertvolle Expertise, die wie im Fall von Ruben Gralki geteilt werden sollte, um direkt vor Ort zu helfen. Die Kooperation von Sanctuary, Forschungsinstitut und Zoo ist für alle Seiten ein Gewinn.

    Öffnungszeiten

    Heute, 21. Mai
    9:00 - 18:30 Uhr
    Letzter Einlass: 17:00 Uhr
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