Preisverleihung
Der künstlichen Intelligenz zum Trotz: Die literarischen Übersetzer bleiben unersetzbar

Die Zuger Übersetzer-Preise wurden an Theresia Prammer und Mário Gomes verliehen. Prammer erhält zusätzlich auch das mit 50’000 Franken dotierte Zuger Übersetzer-Stipendium.

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Gruppenbild mit den Ausgezeichneten, von links: Georg Gerber, Verein Zuger Übersetzer, Preisträger Mário Gomes, Preisträgerin Theresia Prammer und Schriftsteller Michael Donhauser.

Gruppenbild mit den Ausgezeichneten, von links: Georg Gerber, Verein Zuger Übersetzer, Preisträger Mário Gomes, Preisträgerin Theresia Prammer und Schriftsteller Michael Donhauser.

Bild: PD/Marcel Kaufmann

Die Übersetzung literarischer Texte sei eine komplexe, höchst anspruchsvolle Arbeit, sagte Georg Gerber, Vorstandsmitglied der Zuger Übersetzer, bei der Verleihung des Zuger Übersetzer-Stipendiums, die laut Medienmitteilung kürzlich im Theater Casino in Zug stattfand. Literarische Übersetzerinnen und Übersetzer blieben auch heute unersetzbar, der künstlichen Intelligenz zum Trotz.

Wer sich mit den grossartigen Übersetzungen der Preisträgerin Theresia Prammer und des Preisträgers Mário Gomes auseinandersetze, könne die Probe aufs Exempel machen. Gerber, aber auch Bildungsdirektor Stephan Schleiss betonten die Bedeutung von Literatur und Übersetzung als Impulsgeberinnen wichtiger gesellschaftlicher Debatten. Und ebenfalls als Verbindungsglied, das Leserinnen und Leser für kulturelle Vielfalt sensibilisiere ̶ unverzichtbar in Krisenzeiten wie heute.

Präzision der Poesie

An der Feier galt die ganze Aufmerksamkeit dann Theresia Prammer, die von Georg Gerber das mit 50’000 Franken dotierte Zuger Übersetzer-Stipendium 2023 erhalten hat, sowie dem Anerkennungspreisträger Mário Gomes. Prammers Übersetzungen der Gedichte von Giovanni Pascoli ins Deutsche seien wohl eher Übertragungen in deutsche Gedichte, sagte der Schriftsteller Michael Donhauser in seiner Laudatio. Auch ihre Gedichte würden über den Reim hinaus klingen, denn «nur als Klingende sind sie lebensfähig und bewahren ein Verlorenes, wie dies die Gedichte Pascolis tun», so Donhauser.

Prammer umkreiste in ihrer Dankesrede die Einzigartigkeit eines poetischen Werks, das den Dichter Giovanni Pascoli, obwohl bei uns kaum bekannt, in Italien längst zu einem Klassiker gemacht hat. Pascoli ̶ alles andere als Realist ̶ sei «besessen von der Idee einer Genauigkeit der Bezeichnung» gewesen. Er spinne, was er sehe, symbolisch und metaphorisch weiter.

Der Dichter, gezeichnet von traumatischen Ereignissen in seiner Kindheit, habe die Natur, die Tiere von klein auf beobachtet, habe Fibeln und Führer gehabt, ihre Gewohnheiten, ihre Stimmen, ihren Flug gekannt. Es gehe nicht an, habe der Dichter einmal gemahnt, dass er für ein Rotkehlchen zwei Patronen verschiesse und es dennoch nicht erwische: Worte müssten treffsicher sein in genau diesem Sinn.

Herausforderung für Leser und Übersetzer

Gerber zeigte in seiner Laudatio über den Anerkennungspreisträger Mário Gomes die besonderen Herausforderungen, die der Übersetzer bei der Übertragung des formal eigenwilligen, 500-seitigen Romans «Leñador» des US-amerikanisch-argentinischen Autors Mike Wilson zu bewältigen hatte, auf. Nicht nur den Übersetzer, auch die Leserinnen und Leser fordere Wilsons handlungsarmer, sprachlich radikal reduzierter Text heraus. Dessen Protagonist, ein gescheiterter Soldat und Boxer, in das Leben als Holzfäller in den äussersten Nordwesten Kanadas entfliehe.

Sachlich präzise ans Werk zu gehen, wie vom Text geboten, ohne dabei die Poesie zu übergehen, die den Text formal vom reinen Sachbuch unterscheide, diesen Balanceakt habe der Anerkennungspreisträger zu schaffen. In Gomes’ Lesung kamen, einmal in der Sprache des Originals in Chilenisch, einmal in der Zielsprache Deutsch, die zwei Welten zum Klingen, die der Übersetzer in den kommenden Jahren immer wieder zu durchqueren hat. Melancholisch-beschwingt begleitete die Gruppe Café Mondial die Feier musikalisch. (tn)