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13. Mai 2020

delegieren 1024

Richtig delegieren nicht nur für die Führung aus dem Home Office

Spreche ich bei Führungskräften, Teamleitern oder Projektmanagern das Thema Delegieren an, kommt als Assoziation Aufgaben delegieren.

  • Was heißt es Aufgaben zu delegieren?
  • Wenn ich Aufgaben delegiere, wer trägt die Verantwortung für die Erledigung?
  • Wer trifft Entscheidungen, die anfallen, während der Ausführende die Aufgaben abarbeitet?
  • Ist es mir wichtig, dass die Aufgabe erledigt wird oder auch wie genau?

Bei der Frage, wie Delegation erfolgreich ist, sprechen wir gerne von einem ausgewogenen Verhältnis von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung, kurz A-K-V. Dies wird oft in einem gleichseitigen Dreieck dargestellt, um zu zeigen, dass die drei Aspekte aufeinander abgestimmt sein müssen. Kompetenzen heißt hier in erster Linie, was darf der Ausführende entscheiden, und wann muss das Team und/oder die Führungskraft hinzugezogen werden. Der Aspekt Verantwortung entsteht auf Seiten der Führungskraft und des Mitarbeiters.

Der Ausführende hat die Verantwortung

  • die übertragene Aufgabe verantwortungsvoll,
  • im Rahmen der Vorgaben zu erledigen,
  • ein Ergebnis zu liefern,
  • sich Unterstützung zu holen, wenn es weiterer Fähigkeiten bedarf, über die er nicht verfügt, und
  • Klärung einzufordern, wenn Aufgabenstellung, Kompetenzen und Verantwortung nicht sauber geklärt sind.

Die Führungskraft trägt die Verantwortung

  • Aufgaben so zu delegieren, dass sie effektiv erledigt werden können,
  • sie den Fähigkeiten des Mitarbeiters angemessen sind, wobei im Sinne von „Fordern und Fördern” die Aufgabe an der Grenze zwischen Komfortzone und Überforderung liegen darf.

Neben diesen drei Hauptaspekten der Delegation gibt es eine Reihe weiterer Aspekte, die Führung auf Distanz z.B. in international verteilten Teams, vom Home Office aus oder in einer mobilen Workforce erleichtern und erst ermöglichen.

Eine Führungskraft muss sich für ihre Entscheidungen, auch hinsichtlich der Delegation von Aufgaben, verantworten und so ist es nur natürlich, dass sie selbst die Kontrolle über das Geschehen in ihrem Team haben möchte. Je umfangreicher ich delegiere, umso mehr gebe ich die Kontrolle ab über

  • das Wie der Aufgabenerfüllung und
  • wann, wo und in welcher Zeit

die Aufgabe bearbeitet wird. Wichtig ist, dass

  • sie zum vereinbarten Termin
  • in der erwarteten, klar definierten Qualität

erledigt ist. Dies erfordert ein Umdenken von einer Ablaufkontrolle zu einer Ergebniskontrolle, dem Was, und damit auch ein Stück Loslassen der Kontrolle. Kontrolle abgeben, heißt zunächst einmal ein Risiko eingehen. Umso wichtiger ist es

  1. im Vorfeld gegenseitiges Vertrauen aufzubauen,
  2. für eine ausgewogene A-K-V Abstimmung zu sorgen,
  3. offen zu sein für Lösungen, die ggf. anders zustande kommen, als ich selbst es gemacht hätte,
  4. der Kreativität des Ausführenden Raum lassen.

Wenn auf diese Weise delegiert wird, kommen manchmal Lösungen zustande, an die zuvor niemand gedacht hat. Ich habe in meinen Projekten gerne so geführt und war zum Teil überrascht wie schnell, effektiv und kreativ die Lösungen waren. Dazu ein kleines Beispiel.

Im Rahmen eines Projekts sollte auch ein Rechenzentrumsumzug stattfinden. Alles war durchgeplant und wir hatten von allen beteiligten Firmen grünes Licht erhalten, als acht Tage vor dem Termin ein Vertreter des Telekom-Unternehmens anrief und sagte: „Uns ist ein Fehler unterlaufen. Das Kabel liegt zwar vor dem Gebäude und sollte morgen eingezogen werden, aber der Schacht ist auf der anderen Straßenseite und wir kommen nicht über die Straße.”

In der eilends einberufenen Projektteamsitzung stellte ich die Situation dar, bat alle nach kreativen Lösungen zu suchen. Notwendige Dienstleistungen sollten auch wenn möglich sofort reserviert werden. Ein paar Stunden später hatte ein Teammitglied eine Bohrfirma gefunden, die in der Lage war kurzfristig ein Leerrohr unter der Straße durchzubohren. Ein weiteres Teammitglied fand eine Bodenradarfirma, die bereit war am nächsten Tag bereits zu erkunden, welche Hindernisse ggf. in der Straße sind. Mit diesen Informationen bin ich zum zuständigen Straßenbauamt gegangen und habe die Genehmigung erhalten, die Bohrung durchzuführen. Da meine Teammitglieder gewohnt waren, dass ich die Aufgaben so delegiere, dass sie die Kompetenz haben, erforderliche Entscheidungen zu treffen bzw. so weit als möglich vorzubereiten, konnte ich in dieser Situation auf das Team vertrauen und sicher sein, dass alle verantwortungsbewusst an diese Aufgabe herangehen.

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch anmerken, dass nicht jede Art der Delegation für jede Situation und Aufgabenstellung geeignet ist.

In einer Krisensituation z.B. gibt es keine Zeit für Diskussionen, was als erstes, zweites usw. zu tun  ist. Aus  diesem Grunde gibt es für solche Siituationen Notfallhandbücher und klar definierte Zuständigkeiten und Delegationsstrukturen. Diese werden auch regelmäßig in Simulationen geübt. So kann man feststellen, ob die Vorgaben noch dem aktuellen Bedarf entsprechen und wenn nötig die Prozesse anpassen. Hier spricht man oft auch nicht von Delegation sondern von Befehlskettten, was die Art der Aufgabenverteilung in einer solchen Situation klar charakterisiert. Trotzdem beachtet man auch hier die Ausgewogenheit des  Dreiecks A-K-V.

Aufgaben mit geringer Komplexität lassen sich einfacher delegieren als solche mit höherer Komplxität. Aufgaben, die in wenigen Minuten erledigt werden können, delegiert man ebenfalls nicht, da es meist länger dauert, die Aufgabe zu delegieren als sie zu erledigen.