Die vier ökonomischen Jahreszeiten

22.08.2022

Sicherlich machen auch bei Ihnen die Badekleider im Schrank bald wieder den Mänteln und Pullovern Platz. Die Jahreszeit ist im Begriff sich bald zu ändern und wir stellen uns entsprechend darauf ein. Auch an den Finanzmärkten bahnt sich ein Jahreszeitenwechsel an. Man nennt dies im Fachjargon einen Regimewechsel. Hier eine kurze Erklärung zu den vier Jahreszeiten an den Finanzmärkten.

Die klimatischen Bedingungen an den Finanzmärkten lassen sich vereinfacht auf zwei Dimensionen zusammenfassen: Wachstum und Zinsen. Beide können tendenziell jeweils eher steigen oder sinken. Daraus ergeben sich vier unterschiedliche Szenarien oder eben «Jahreszeiten».

Wachstum und Zinsen

Das Wirtschaftswachstum ist einer der zentralen Einflussfaktoren. Vereinfacht kann man zwei Phasen von Wirtschaftswachstum unterscheiden, indem man das effektive Wirtschaftswachstum gegen das langfristige Trendwachstum misst. Wird ein Wirtschaftswachstum über Trend erwartet, bedeutet dies, dass die Wetterbedingungen sich beispielsweise für Unternehmen grundsätzlich verbessern. Ähnliches gilt für Zinsen. Sinkende Zinsen verbessern die Bewertung von Firmen und Obligationen. Bei steigenden Zinsen lässt sich ein gegenteiliger Effekt beobachten.

Vier Quadranten

Die untenstehende Abbildung fasst die vier Kombinationsmöglichkeiten von Wachstum- und Zinsentwicklung zusammen und listet vereinfacht auf, welche Anlageklassen in welcher ‚Jahreszeit’ am besten abschneiden. In einem Umfeld von fallenden Zinsen und Wachstum unter Trend sind beispielsweise Obligationen zu bevorzugen, weil sie sich bei sinkenden Zinsen verteuern während sich Aktien bei schwachem Wachstum gleichzeitig eher schwächer entwickeln. Soweit so einfach. Die vier Quadranten ermöglichen ein einfaches Verständnis darüber, weshalb gewisse Preise steigen oder eher sinken. In den letzten Jahren beispielsweise war die Erwartung für gutes Wachstum im Nachgang zur Finanzkrise stetig gestiegen und gleichzeitig sind die Zinsen bis auf Null und darunter gesunken. Die Schwierigkeit bei den ‚Jahreszeiten’ liegt in der Feststellung, wann denn nun eine neue Jahreszeit beginnt. Sind die in den letzten Wochen gestiegenen Zinsen bei 10-jährigen Anleihen bereits der Vorbote eines Jahreszeitenwechsels oder einfach ein Regenschauer mitten im Sommer? Denn die Zuordnung zu den Quadranten entspricht nicht dem effektiv gemessenen Wert bei Wachstum oder Zinsen, sondern der Erwartung der Marktteilnehmer über die zukünftige Entwicklung dieser zwei Faktoren.

Fazit

Das Bewusstsein über die vier unterschiedlichen Marktumfelder hilft Investoren aktuelle Bewegungen an den Finanzmärkten einzuschätzen und zu erklären. Insbesondere hütet das Bewusstsein auch vor einer simplen Fortführung der Vergangenheit auszugehen. Wenn Aktien und Obligationen aufgrund grundsätzlich sinkender Zinsen in den letzten 30 Jahren attraktiv waren, muss dies für die nächsten 30 Jahre nicht gleichermassen gelten. Dem Versuch, den Zeitpunkt des Wechsels der Regimes genau vorherzusagen sollte man jedoch vorsichtig gegenüberstehen.